Mitbestimmung und Mitverschulden (Mitverantwortlichkeit) des Geschädigten: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Markus Roth]]''
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== 1. Beteiligung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen ==
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Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Unternehmen stellt eine wichtige Form der Arbeitnehmerbeteiligung dar, die insbesondere in Deutschland fest verankert ist. Unterschieden werden die betriebliche und die unternehmerische Mitbestimmung. Die betriebliche Mitbestimmung findet vornehmlich auf betrieblicher Ebene, die unternehmerische Mitbestimmung auf der Ebene der Unternehmensorgane statt. Die Grenzen sind indes teilweise fließend. Weitere Formen der Arbeitnehmerbeteiligung sind die Beteiligung am Unternehmen selbst sowie die [[Betriebsrenten]]. Betriebsrenten stellen wegen der Möglichkeit zur diversifizierten Anlage gebundenen Vermögens eine besonders effektive Form der Arbeitnehmerbeteiligung dar. Dies gilt insbesondere, wenn – wie international üblich – breit gestreut in Aktien investiert wird.
== 1. Gegenstand, Zweck und Terminologie ==
Häufig ist ein Schaden nicht nur dem Verantwortungsbereich des Schädigers, sondern zugleich auch dem des Betroffenen zurechenbar. Die europäischen Rechtsordnungen regeln diesen Fragenkreis traditionell als „Mitverschulden“ (''contributory fault'', ''faute de la victime'', ''concorso di colpa della vittima'') des Geschädigten, doch führt diese Terminologie in doppelter Hinsicht in die Irre: Zum einen scheint sie die Verletzung einer Pflicht des Geschädigten gegen sich selbst vorauszusetzen; zum anderen bietet sie keinen Raum für die Frage, wie weit der Geschädigte sich das Verhalten von Dritten bzw. eine bei der Unfallentstehung mitwirkende Gefahrerhöhung zurechnen lassen muss. In der Sache geht es darum, wie weit eine rechtlich begründete Mitverantwortlichkeit des Geschädigten sich auf seinen Haftungsanspruch auswirkt. Überall gelten die Regelungen zur Mitverantwortlichkeit des Geschädigten deshalb für sämtliche gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche auf (materiellen wie immateriellen) [[Schadensersatz]], aber nicht für andersartige Ansprüche im [[Bereicherungsrecht|Bereicherungs-]] oder Sachenrecht.


Konkret geht es bei der betrieblichen und der unternehmerischen Mitbestimmung um eine Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen im Betrieb bzw. im Unternehmen. Die Beteiligung der Arbeitnehmer an betrieblichen und unternehmerischen Entscheidungen ist in Europa traditionell sehr unterschiedlich ausgestaltet. Von den Gewerkschaften mehr oder weniger unabhängige Systeme der Arbeitnehmervertretung finden sich in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Luxemburg. In Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien gibt es sowohl gewerkschaftlich als auch davon unabhängig organisierte Systeme der Arbeitnehmervertretung. Die skandinavischen Länder setzen stark auf eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen durch die Gewerkschaften. In England und Irland existiert außerhalb der europäischen Vorgaben praktisch keine Arbeitnehmerbeteiligung an unternehmerischen Entscheidungen.
Die modernen Regelungen beruhen damit auf der Voraussetzung einer gemeinsamen Verantwortlichkeit des Schädigers und des Geschädigten für einen Schaden: Zumindest gedanklich gilt es also, zunächst unabhängige Tatbeiträge mehrerer Beteiligter festzustellen; erst auf dieser Grundlage werden das Bestehen eines Haftungsanspruchs bzw. der Umfang der Haftung zum Thema. So selbstverständlich das heute erscheint, so wenig ist es das bei einer historischen Betrachtung. Denn im klassischen [[römisches Recht|römischen Recht]] sind vergleichbare Fragen allenfalls ansatz- und ausnahmsweise gestellt worden; stattdessen haben die Römer in vergleichbaren Fällen ausschließlich danach gefragt, ob der Schädiger für den Schaden einzustehen habe. Sie haben damit vorausgesetzt, dass die Verantwortlichkeit überhaupt nur allein beim Schädiger oder beim Geschädigten liegen könne, und ein Verschulden deshalb immer nur auf einer Seite gesucht. Zwar ist in den Digesten (''[[Corpus Juris Civilis]]'') eine ''regula iuris'' zum haftungsausschließenden Mitverschulden des Geschädigten überliefert (D. 50, 17,203), wonach der durch eigenes Verschulden erlittene Verlust nicht als ein von Rechts wegen relevanter Schaden gelten sollte. Jedoch stammt diese Regel, die für die europäische Diskussion um das Mitverschulden später bestimmend geworden ist, ursprünglich nicht aus dem Haftungs-, sondern aus dem Vermächtnisrecht; in den Digesten ist sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen. Erst seit dem Mittelalter ist in der juristischen Literatur von einer gemeinsamen Verantwortlichkeit (''culpa communis'' bzw. ''culpa admixta'') die Rede. Auch das Mitverschulden galt jetzt als ein vorwerfbares Fehlverhalten, das durch die Versagung eines Ausgleichsanspruchs sanktioniert wurde; spätere Diskussionen um eine faire Schadensverteilung konnten daran anknüpfen.


Die bislang zur betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung erlassenen [[Richtlinie]]n schreiben diese heterogene Lage im Wesentlichen fort. Entgegen ursprünglichen Regelungsansätzen liegt ihr Schwerpunkt nicht auf einer zwingenden Vereinheitlichung der Mitbestimmungsstandards. Vorgesehen sind insbesondere Verfahrensregeln. In der unternehmerischen Mitbestimmung wird angestrebt, den ''status quo'' der höchsten Mitbestimmung festzuschreiben. Hierfür sind aber bestimmte Quoten der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich. Eine Vereinheitlichung des Rechts der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung erfolgt durch die bislang erlassenen Richtlinien nur vereinzelt.
Ist auf diese Weise die Möglichkeit einer gemeinsamen Verantwortlichkeit von Schädiger und Geschädigtem für einen Schaden anerkannt, so bedeutet das freilich noch nicht, dass der Schaden entsprechend zwischen den Parteien aufzuteilen wäre. Vielmehr haben lange Zeit weiterhin Alles-oder-Nichts-Lösungen gegolten, wonach der Schaden ungeteilt entweder vom Schädiger oder vom Geschädigten zu tragen war. Verbreitet wurde dafür auf der Ebene der Zurechnung argumentiert: Entscheidend sollte sein, ob der Geschädigte die letzte oder die entscheidende Ursache für den Schaden gesetzt habe; anschaulich ist das im früheren englischen ''last clear chance''-Test, wonach es auf die letzte Möglichkeit der Schadensverhinderung ankommt. Überwiegend wurde freilich auf die Zuweisungslösung der sog. Kulpakompensation (''compensatio culpae'') abgestellt. Danach war der an sich beiden Seiten zurechenbare Schaden allein vom Geschädigten zu tragen: entweder – so das metaphorische Bild – weil sein Verschulden das des Schädigers überhaupt aufhob oder – so eine differenzierende Abwägungslehre – weil das Verschulden des Geschädigten überwog.


== 2. Europäische Regeln zur betrieblichen Mitbestimmung ==
Die heutigen Privatrechtsordnungen Europas gehen weitgehend davon aus, dass es im Falle einer beiderseitigen Verantwortlichkeit den Gesamtschaden grundsätzlich unter den Beteiligten aufzuteilen gilt. Zum Teil werden dabei einzelne Schadensposten einem Beteiligen jeweils als Ganze zugewiesen, indem insbesondere hinsichtlich einzelner Folgeschäden auf eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs abgestellt wird. Hinsichtlich der Schadensentstehung gelten jedoch ganz allgemein Quotenlösungen, die ursprünglich auf den Naturrechtslehrer ''Christian Wolff'' zurückgehen. Danach wird der Gesamtschaden insgesamt nach einer bestimmten Quote unter den Beteiligten aufgeteilt; tragend sind die Gedanken der Gleichbehandlung der Parteien einerseits und der Proportionalität von Ersatzpflicht und Verschuldensbeitrag bzw. Gewicht des Verursachungsbeitrags andererseits (ausdrücklich jetzt Art. 8:101(1) PETL). Auch wenn seitens des Geschädigten von einem genuinen Verschulden nicht die Rede sein kann, so bildet es doch ein Symmetriepostulat, Fremd- und Eigenverantwortlichkeit grundsätzlich gleich zu behandeln. Umstände, die es rechtfertigen, den Schädiger mit einer Haftpflicht zu belasten, müssen korrespondierend auch in der Person des Geschädigten einen Anspruch kürzen. Nur bei eindeutig überwiegender Verantwortlichkeit einer Seite, insbesondere bei vorsätzlichem Handeln, wird der Schaden nicht geteilt, sondern einer Seite zugewiesen.
Die betriebliche Mitbestimmung wird europarechtlich nur in Ansätzen geregelt. Die RL 94/‌45 des Rates vom 22.9.1994 sieht einen [[Europäischer Betriebsrat|Europäischen Betriebsrat]] vor. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Richtlinie ist die Beschäftigung von über 1.000 Arbeitnehmern, mindestens jeweils 150 in verschiedenen Mitgliedstaaten. Einzurichten ist ein Europäischer Betriebsrat auf Antrag von 100 Arbeitnehmern oder der Unternehmensleitung. Vorgesehen ist ein besonderes Verhandlungsgremium, das auch über die Aufgaben des Europäischen Betriebsrats verhandeln soll. Damit wurde im endgültigen Vorschlag von einer ursprünglich geplanten vollständigen Regelung der von der Richtlinie betroffenen Fragen abgesehen. Der Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat kam insoweit Modellcharakter für die Regelungen zur unternehmerischen Mitbestimmung in Europa zu. Sowohl die Richtlinien zur Arbeitnehmerbeteiligungen bei der [[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäischen Aktiengesellschaft]] (SE) als auch bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung beruhen auf dem Modell der Betriebsräte-Richtlinie.


Im Juli 2008 hat die [[Europäische Kommission]] sodann einen Vorschlag zur Neufassung der Betriebsräte-RL (RL 94/‌45) vorgelegt (KOM (2008) 419). Diesem Vorschlag hat das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] am 16.12.2008 (P6_TA (2008) 0602) mit einigen Änderungen zugestimmt, der Rat ([[Rat und Europäischer Rat]]) hat die Richtlinie sodann in ihrer Sitzung am 23.4.2009 (CS/‌2009/‌8902) angenommen. Die bis 5.6.2011 umzusetzende Betriebsräte-RL RL 2009/‌38 sieht eine Verknüpfung der europaweiten und der einzelstaatlichen Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vor. Die Verknüpfung kann per Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem zentralen Verhandlungsgremium geregelt werden, die Mitgliedstaaten sollen als Auffangregelung eine parallele Unterrichtung des Europäischen Betriebsrats und der nationalen Arbeitnehmervertreter vorsehen. Weiter soll die rechtzeitige Unterrichtung des Europäischen Betriebsrats sichergestellt werden. Die Unterrichtung erfolgt zu einem Zeitpunkt und in einer Weise, die es den Arbeitnehmervertretern ermöglicht, die Informationen angemessen zu prüfen und gegebenenfalls die Anhörung vorzubereiten. Konkretisiert werden die Zuständigkeiten des Europäischen Betriebsrats, neu gefasst die Informationspflichten der Unternehmensleitung und die Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums im Hinblick auf die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats. Neu gefasst wurden ferner die im Anhang der Betriebsräte-RL geregelten subsidiären Vorschriften, die im Falle der Nichteinigung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und der zentralen Unternehmensleitung eingreifen.
Freilich beruht die Haftungsminderung nicht auf der Verletzung genuiner Rechtspflichten, sondern auf Obliegenheiten zur Schadensabwehr. Wie beim Verschulden gilt dabei zwar grundsätzlich ein objektiver Maßstab, doch geht es nicht um Regeln vernünftigen Verhaltens im Eigeninteresse („Verschulden gegen sich selbst“), sondern darum, welche Opfer bzw. Sicherheitsvorkehrungen vom Geschädigten im Interesse des Schädigers verlangt werden; insbesondere zeigt sich das bei Maßnahmen wie einer Umschulung oder auch einer Operation. Diebe können sich deshalb nie auf die Sorglosigkeit ihrer Opfer berufen; und bei einer Schädigung infolge falschen professionellen Rats, etwa zwischen Medizinern oder zwischen Juristen, kann nicht eingewendet werden, der Geschädigte hätte selbst Bescheid wissen müssen.


Nach Angaben der Europäischen Kommission vom Februar 2008 bestehen Europäische Betriebsräte bislang in 820 Unternehmen, die zusammen etwa 14,5 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Revision der Betriebsräte-RL war eine der Rechtssetzungsprioritäten der Kommission. Die Überarbeitung der Richtlinie war Teil der sozialpolitischen Agenda der [[Europäische Union|Europäischen Union]] von 2006 bis 2010. In diesem Rahmen hatte die Kommission die Sozialpartner zu Verhandlungen aufgefordert. Neben der Richtlinie über Europäische Betriebsräte bestehen weitere Informationspflichten etwa beim Betriebsübergang sowie bei Unternehmensübernahmen.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die Ablösung der älteren Alles-oder-Nichts-Lösungen durch die moderne Quotenlösung bedeutete die zentrale Weichenstellung in der Entwicklung der Regeln zur Mitverantwortlichkeit des Geschädigten. Sie hat sich im Laufe des 19. und 20.&nbsp;Jahrhunderts ganz allgemein durchgesetzt und auch Eingang in die Regelwerke zum [[europäisches Privatrecht|Europäischen Privatrecht]] (Art.&nbsp;9:504 PECL; Art.&nbsp;7.4.7 Unidroit PICC; Art.&nbsp;8:101&nbsp;PETL; Art.&nbsp;8:403 ACQP) sowie in den ''acquis communautaire''<nowiki> gefunden (z.B. Art.&nbsp;8(2) Produkthaftungs-RL [RL&nbsp;85/‌374]; EuGH Rs. 145/‌83 – </nowiki>''Adams'', Slg. 1985, I-3539, Rn.&nbsp;53). Seit der zweiten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts geht das zudem mit einer Zurückdrängung konkurrierender Rechtsinstitute einher, die auf eine einseitige Belastung des Geschädigten hinauslaufen: Sorglose Selbstgefährdung wird deshalb heute nicht mehr als eine Einwilligung bzw. als ein Haftungsverzicht gedeutet, sondern unterfällt den Regeln über das Mitverschulden.


== 3. Das Betriebsverfassungsrecht in den Mitgliedstaaten ==
Obgleich bei der Mitverantwortlichkeit weitgehend dieselben Fragen zu beantworten sind wie im [[Deliktsrecht: Allgemeines und lex Aquilia|Delikts-]] bzw. Haftungsrecht, widmet kaum eine Rechtsordnung der Mitverantwortlichkeit mehr als ein oder zwei Vorschriften; das gilt auch für die neueren Regelwerke. Die Rechtsentwicklung liegt damit weitgehend in den Händen der Judikative. Nachdem sich allerdings die Wertung durchgesetzt hat, dass Eigen- und Fremdverantwortung einander korrespondieren sollten, spiegelt die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten zunehmend die zentralen Entwicklungen im Haftungsrecht. So wird die Frage der erforderlichen Einsichtsfähigkeit des Geschädigten und der Verantwortlichkeit für Dritte in den meisten Rechtsordnungen ebenso wie im jeweiligen Deliktsrecht beantwortet (ausdrücklich Art.&nbsp;8(2) Produkthaftungs-RL). Vor allem aber zeigt sich diese Korrespondenz bei der Entwicklung fehlverhaltensunabhängiger Haftungstatbestände im Laufe des 20.&nbsp;Jahrhunderts, die spiegelbildlich auch auf der Seite des Geschädigten als haftungsbeschränkende Faktoren anerkannt worden sind (ausdrücklich jetzt Art.&nbsp;8:101(1) PETL).
Die in Europa geltenden betriebsverfassungsrechtlichen Regeln sind äußerst heterogen. Teilweise beruht das nationale Betriebsverfassungsrecht allein auf europäischen Vorgaben. England kannte vor der Umsetzung der Richtlinie zur Information der Arbeitnehmer keine nationalen Regelungen über Betriebsräte (''national works councils''). In Irland besteht nur eine Regelung für Staatsbedienstete. Die meisten Mitgliedstaaten kennen aber weit über den europäischen Rahmen hinausgehende Vorschriften oder doch zumindest Praktiken betrieblicher Mitbestimmung. In Kontinentaleuropa ist die betriebliche Mitbestimmung weit verbreitet.


Besonders detailliert geregelt ist das Betriebsverfassungsrecht in Deutschland. Eine erste umfassende Regelung erfolgte bereits durch das Betriebsrätegesetz in der Weimarer Republik. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist über eine bloße Information hinaus häufig auch eine Mitwirkung des Betriebsrats erforderlich. Gesetzliche Regeln über Betriebsräte kennen weiter etwa Belgien, Griechenland, Portugal, die Niederlande, Österreich und Spanien sowie viele osteuropäische Länder. Die Gegenstände betrieblicher Mitbestimmung und die maßgeblichen Kriterien zur Bildung eines Betriebsrates in diesen Ländern variieren erheblich. Die Regelung der betrieblichen Mitbestimmung in einem speziellen Gesetz ist auch außerhalb Englands und Irlands keineswegs europäischer Standard. In Dänemark und Schweden etwa bestehen keine gesetzlichen Regelungen über Betriebsräte, jedoch gibt es eine entsprechende Praxis aufgrund von Tarifverträgen. In Frankreich verschmelzen die betriebliche und die unternehmerische Mitbestimmung im ''comité d’entreprise''.
Seit den 1980er Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass vor allem Kinder und ältere Verkehrsteilnehmer den Gefahren des Straßenverkehrs nicht wirklich gewachsen sind; zudem besteht hier ein soziales Bedürfnis, dass die Geschädigten tatsächlich Schadensersatz von dem haftpflichtversicherten Kfz-Halter erhalten. In einer Reihe von Ländern sind deshalb – in den Einzelheiten unterschiedliche – gesetzliche Regeln zur Privilegierung solcher Opfer eingeführt worden.


== 4. Europäische Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung  ==
== 3. Rechtsvereinheitlichung ==
Wie die betriebliche ist auch die unternehmerische Mitbestimmung bislang nur in Ansätzen europarechtlich determiniert. Europäische Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung enthalten insbesondere die Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (SE-Beteiligungs-RL, RL&nbsp;2001/‌86) sowie die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten (Verschmelzungs-RL, RL&nbsp;2005/‌56). Auch soweit für diese internationalen Sachverhalte eine europäische Regelung vorliegt, wird die Mitbestimmung maßgeblich durch nationales Recht determiniert. Die SE-Beteiligungs-RL sowie die im Wesentlichen auf sie verweisende Verschmelzungs-RL sehen keine autonome Regelung der unternehmerischen Mitbestimmung vor. Vorgesehen werden mit der Einsetzung eines besonderen Verhandlungsorgans vor allem Verfahrensregeln und – mit unterschiedlichen Aufgreifkriterien – eine Rückfallregel zur Erhaltung des ''status quo''. Die Zahl der Arbeitnehmervertreter bemisst sich nach dem höchsten maßgeblichen Anteil in den beteiligten Gesellschaften vor der Eintragung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) bzw. der international verschmolzenen Gesellschaft. Einer mitbestimmungsrechtlichen Regelung bedarf auch die geplante [[Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea)|Europäische Privatgesellschaft (SPE)]]; diese ist derzeit noch umstritten.
Aus rechtsvergleichender und rechtsvereinheitlichender Perspektive liegt das konzeptionelle Hauptproblem der Mitverantwortlichkeit heute bei der Frage, welche Regeln gelten sollen, wenn die mitwirkende Verantwortlichkeit nicht daraus resultiert, dass der Geschädigte einen eigenen Beitrag zur Schadensentstehung geleistet hat, sondern daraus, dass sein Verhalten erst im weiteren Verlauf der Schadensentwicklung für einzelne Folgeschäden mitursächlich geworden ist. Viele europäische Rechtsordnungen (Art.&nbsp;44 Abs.&nbsp;1&nbsp;OR; Art.&nbsp;6:101 Abs.&nbsp;1 BW; §&nbsp;254 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;1 Alt.&nbsp;2. BGB) ordnen auch diese Fallgruppe als einen Unterfall der übergreifenden Regel der Quotenteilung ein; sie unterwerfen also die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten insgesamt einer einheitlichen Problemsicht. Demgegenüber werden derartige Fälle im ''[[common law]]'' und in einer Reihe weiterer Rechtsordnungen (insb. Art.&nbsp;1227 Abs.&nbsp;2 ''Codice civile''<nowiki>; ähnlich lange Zeit die französische Judikatur und übrigens auch das römische Recht) einer gesonderten Behandlung unterworfen: Folgeschäden werden einem an sich verantwortlichen Schädiger grundsätzlich nicht zugerechnet, soweit sie in den Verantwortungsbereich des Geschädigten </nowiki>fallen. Mit der ''contributory negligence'' wird hier also nur die haftungsbegründende Mitverantwortlichkeit erfasst, denn die haftungsausfüllende Mitverantwortlichkeit für Folgeschäden unterfällt einer ''duty to mitigate the loss'', die einen Ausdruck der ganz allgemeinen Verpflichtung bildet, mögliche Schadensfolgen einer Vertragsstörung zu beschränken. Soweit eine solche ''duty to mitigate'' verletzt wurde, ist für den Gedanken der Schadensteilung kein Raum mehr. Der Folgeschaden muss dann in den alleinigen Verantwortungsbereich des Geschädigten fallen; der Schädiger kann dafür nicht haftbar gemacht werden. Umgekehrt fallen Aufwendungen zur Schadensabwehr dem Schädiger zur Last, sofern sie nicht ein vernünftiges Maß übersteigen.


== 5. Der Wechsel zwischen monistischem und dualistischem System ==
Eine Entscheidung zwischen beiden Ansätzen ist schwierig. Für die Lösung des ''common law'' spricht nicht nur ihre Klarheit und einfache Handhabung. Vor allem lassen sich Schadensfolgen im ausschließlichen Einflussbereich des Geschädigten nicht ohne weiteres in einer Analogie zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit verstehen, die doch die Quotenlösung trägt. Freilich macht das die ursprüngliche Mitverantwortlichkeit des Schädigers nicht ungeschehen; vielen erscheint es deshalb unfair, den Geschädigten seinen Schaden allein tragen zu lassen. In der europäischen Rechtsentwicklung scheint sich derzeit der Ansatz des ''common law ''durchzusetzen, doch ist die Rechtsentwicklung wenig eindeutig: Während sich die PETL (Art.&nbsp;8:101(1)) und auch die ACQP (Art.&nbsp;8:403) den übergreifenden Ansatz der deutschsprachigen Rechtsordnungen zu eigen gemacht haben, hat die Lösung des ''common law ''Eingang in Art.&nbsp;77&nbsp;CISG und dann auch in die PECL (Art.&nbsp;9:505(1) mit Kommentar&nbsp;A zu Art.&nbsp;9:504 sowie Kommentar und Anmerkungen zu Art.&nbsp;9:505; jetzt auch Art.&nbsp;III.-3:705(1) DCFR) sowie in die Unidroit PICC (Art.&nbsp;7.4.8(1)) gefunden. Auch in den nationalen Rechtsordnungen lässt sich vermehrt eine Tendenz der Gerichte beobachten, bestimmte Folgeschäden, wie unnötige Anwaltskosten, dem Schädiger von vornherein nicht zuzurechnen und damit aus dem Problemkreis der Mitverantwortlichkeit herauszuhalten.
Besondere Probleme treten bei der unternehmerischen Mitbestimmung in der monistischen SE auf. Hier stellt sich die Frage, ob nach den europäischen Regeln von einer Gleichbehandlung von Aufsichtsrat und Verwaltungsrat auszugehen ist. Nicht explizit behandelt wird die Ausgestaltung der Mitbestimmung bei einem (nach der Verordnung stets möglichen) Wechsel vom Aufsichtsrats- ins Verwaltungsratssystem (oder umgekehrt). Möglich erscheint vor diesem Hintergrund die Auslegung, dass das europäische Recht die Übertragung der Aufsichtsratsmitbestimmung auf den Verwaltungsrat fordert. Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der Richtlinie ist die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen. Die vor der Gründung der SE bestehenden Rechte sollten deshalb der Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE sein (Vorher-Nachher-Prinzip). Eine Gleichsetzung von Aufsichts- und Verwaltungsrat erscheint indes nicht nur vor dem Hintergrund der Genese der deutschen unternehmerischen Mitbestimmung fragwürdig. Bei Verabschiedung der Richtlinie kannten von den sieben damaligen Mitgliedstaaten, die eine Mitbestimmung in Unternehmensleitungsorganen zwingend vorschreiben, sechs nur eine Mitbestimmung im Aufsichts- oder im Verwaltungsrat; allein Finnland regelte die Mitbestimmung sowohl im Aufsichts- als auch im Verwaltungsrat. Auch die Verordnung differenziert zwischen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat und im Verwaltungsrat.  
 
Die besseren Argumente sprechen dafür, die im Anhang der Richtlinie als Auffangregelung vorgesehene Anwendung aller Komponenten der Mitbestimmung sowie des Anteils der Arbeitnehmervertreter nur auf den Verbleib der Gesellschaft im monistischen (Verwaltungsrats&#8209;) bzw. im dualistischen (Aufsichtsrats&#8209;)System anzuwenden. Sinn und Zweck der Richtlinie ist es, dass Mitbestimmungsrechte bei Gründung einer SE erhalten bleiben. Verhindert werden soll die Verminderung des Mitbestimmungsniveaus durch die Wahl einer supranationalen Rechtsform, nicht der Wechsel in eine andere Form der Mitbestimmung nach nationalem Recht. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob diese andere Form der Mitbestimmung auch für nationale Aktiengesellschaften bereits „im Angebot“ ist. Es ist vielmehr Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, Vorschriften für die Mitbestimmung im Verwaltungsrat bzw. im Aufsichtsrat zu schaffen, wenn das nationale Gesellschaftsrecht bislang nur ein monistisches oder ein dualistisches System vorgesehen hatte. Dies hat insbesondere für das deutsche Recht Bedeutung.
 
== 6. Grundzüge der national geregelten unternehmerischen Mitbestimmung ==
Den meisten Ländern mit Verwaltungsrats- bzw. ''Board''-System ist die unternehmerische Mitbestimmung fremd. So verwundert es nicht, dass kein anderes Mitglied der G8-Staaten eine verpflichtende unternehmerische Mitbestimmung durch stimmberechtigte Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat kennt. Demgegenüber besteht eine zwingende unternehmerische Mitbestimmung im Verwaltungsrat insbesondere in kleineren Ländern, deren Unternehmen allein schon wegen ihrer regionalen Verwurzelung besonders auf gute Beziehungen zu ihren Arbeitnehmern angewiesen sind und deren Arbeitnehmer umgekehrt aber auch weniger Möglichkeiten zum Stellenwechsel haben. Dabei kennt Schweden als das darunter wirtschaftlich bedeutendste Land eine Vertretung der Arbeitnehmer durch zwei bzw. drei Mitglieder des Verwaltungsrats, in Finnland wird bis zu einem Viertel, in Norwegen höchstens ein Drittel und in Luxemburg ein Drittel der Mitglieder des vom Unternehmen zu bestimmenden Organs (Verwaltungs- oder Aufsichtsrat) von den Arbeitnehmern bestellt. In Dänemark kann im Einzelfall mehr als ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder von den Arbeitnehmern gewählt werden. Ungarn stellt die Mitbestimmung im Verwaltungsrat zur Disposition der Satzung. In Deutschland existierte und existiert weiterhin nur eine unterparitätische Mitbestimmung im Verwaltungsrat, dem allerdings unternehmensverfassungsrechtlich stets ein Vorstand unterstellt war: Als nach deutschem Aktienrecht noch die faktische Ausformung des Aufsichtsrats zum Verwaltungsrat möglich war, sah das Betriebsrätegesetz eine Entsendung von ein oder zwei Arbeitnehmervertretern vor. Bei Sparkassen ist noch heute ein Verwaltungsrat zu bilden. Einige Sparkassengesetze sehen eine drittelparitätische Mitbestimmung, andere Bundesländer sehen keine Mitbestimmung bzw. nur die Entsendung von zwei Arbeitnehmervertretern mit beratender Stimme vor. Dezidiert zwischen der Mitbestimmung in einem Verwaltungs- und in einem Aufsichtsrat unterschieden wird in Ungarn und in Slowenien.  
 
Für den Aufsichtsrat wird etwa in Ungarn und in Österreich eine drittelparitätische Mitbestimmung vorgesehen. Eine drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat sieht etwa auch das niederländische Recht vor. Seit 2004 werden die Aufsichtsratsmitglieder in den Niederlanden nicht mehr kooptiert, sondern von der Hauptversammlung gewählt. Internationale Holdinggesellschaften sind mitbestimmungsfrei und nur die nationalen Obergesellschaften drittelparitätisch mitbestimmt. In Deutschland sah zunächst das Betriebsrätegesetz von 1920 sowie als Durchführungsgesetz das Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat eine Beteiligung im Aufsichtsrat vor. Nach der Aufhebung der Mitbestimmung im Dritten Reich gab es bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs erste privatautonome Vereinbarungen über eine paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie, es folgten das Montan-Mitbestimmungsgesetz, das BetrVG 1952 (nunmehr: Drittelbeteiligungsgesetz), das Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz sowie das MitbestG 1976. Differenziert wird insbesondere nach der Zahl der Arbeitnehmer. Bei Kapitalgesellschaften mit bis zu 2000&nbsp;Arbeitnehmern greift eine drittelparitätische Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein, bei über 2.000&nbsp;Arbeitnehmern eine quasi-paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG 1976. Besondere Regeln ohne Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden kennen die Mitbestimmungsregeln zur Montanindustrie. Als Gründe für den Abschluss von Mitbestimmungsvereinbarungen in der Montanindustrie ab 1946 werden der Schutz vor Entflechtung, aber auch vor Demontage durch die Alliierten genannt; getragen wurde die unternehmerische Mitbestimmung von den Kirchen und den relevanten politischen Parteien. Die Mitbestimmungskommission ging bei der Vorbereitung des eine quasi-paritätische Mitbestimmung vorsehenden Mitbestimmungsgesetzes 1976 Anfang der 1970er Jahre davon aus, dass die unternehmerische Mitbestimmung durch die grundgesetzliche Garantie der Menschenwürde gefordert werde.
 
Insbesondere England, Italien und Spanien kennen keine unternehmerische Mitbestimmung. Frankreich kennt einen Arbeitnehmerausschuss (''comitée d’entreprise'') sowie eine Sonderregelung für den Fall, dass die Arbeitnehmer drei Prozent der Aktien halten. In Polen gilt eine unternehmerische Mitbestimmung im Aufsichtsrat für privatisierte Staatsunternehmen.
 
== 7. Gemeinsame Regeln und Entwicklungsperspektiven ==
Auf nationaler und auf europäischer Ebene wird zwischen betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung nicht immer klar getrennt. Dies zeigt nicht nur die Schwierigkeit der Einordnung des französischen ''comité d’entreprise''. Keinen expliziten Bezug zur betrieblichen oder unternehmerischen Mitbestimmung stellen auch die Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft sowie die sonstigen Rechtsakte auf, die eine Information der Arbeitnehmer vorsehen. Zu nennen sind hier die Anhörung bei der Verschmelzung sowie die Information beim Betriebsübergang. Auch vor dem Hintergrund einer Zusammenfassung von betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung stellt sich die Frage nach den Entwicklungsperspektiven der Mitbestimmung auf europäischer und nationaler Ebene.
 
In Europa wurde 2009 die Richtlinie über Europäische Betriebsräte neu gefasst (s.o. 2.). Darin vorgesehen wird auch eine Verzahnung des Europäischen Betriebsrats mit der nationalen Arbeitnehmervertretung. Hinsichtlich der unternehmerischen Mitbestimmung stellt sich die Frage nach Entwicklungsperspektiven auf nationaler Ebene. Dabei steht vor allem die deutsche quasi-paritätische unternehmerische Mitbestimmung auf dem Prüfstand. In einem Gutachten für den Deutschen Juristentag wurde in Abkehr vom bisherigen strikten Mitbestimmungsregime die Einführung einer Verhandlungslösung vorgeschlagen. Diese sowie weitergehende Vorschläge konnten bislang indes nicht umgesetzt werden. Als mittel- und langfristiger Innovationsmotor über Deutschland hinaus könnte sich die Wahl zwischen dualistischem und monistischem System erweisen. Die modernen Regelungen in Ungarn sowie in Slowenien zeigen die Notwendigkeit einer Differenzierung. Auch die Niederlande kennen mit den Regeln über internationale Holdings eine Sonderregeln für Verwaltungsräte. Aktuell vorgeschlagen wird für Deutschland die Zulassung einer Mitbestimmungsvereinbarung.


==Literatur==
==Literatur==
''Klaus J. Hopt'', Grundprobleme der Mitbestimmung in Europa, Zeitschrift für Arbeitsrecht 1982, 207&nbsp;ff.; ''Peter Hanau'','' Heinz-Peter Steinmeyer'','' Rolf Wank ''(Hg.), Handbuch des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; ''Manfred Weiss'','' ''Arbeitnehmermitwirkung in Europa, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2003, 177&nbsp;ff.; ''Theodor Baums'','' Peter Ulmer ''(Hg.), Unternehmens-Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Recht der EU-Mitgliedstaaten, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, Beiheft 72, 2004; ''Markus Roth'', Unternehmerische Mitbestimmung in der monistischen SE, Zeitschrift für Arbeitsrecht 2004, 431&nbsp;ff.;'' Catherine Barnard'','' ''EC Employment Law, 3.&nbsp;Aufl. 2006; ''Thomas Raiser'', Unternehmensmitbestimmung vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen, Gutachten&nbsp;B zum 66.&nbsp;Deutschen Juristentag, B&nbsp;1-116, 2006; ''Robert Rebhahn'', Unternehmensmitbestimmung vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen: Unternehmensmitbestimmung aus europäischer Sicht, Verhandlungen des 66.&nbsp;Deutschen Juristentages 2006, Bd.&nbsp;II/‌1 (Referate), M&nbsp;9-38; ''Martin Henssler'','' Axel Braun ''(Hg.), Europäisches Arbeitsrecht, 2.&nbsp;Aufl. 2007; ''Gregor Thüsing'','' Gerrit Forst'', Europäische Betriebsräte-Richtlinie: Neuerungen und Umsetzungserfordernisse, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2009, 408&nbsp;ff.
''Tony Honoré'', Causation and Remoteness of Damage, in: IECL XI/‌1, Kap. 7-144&nbsp;ff., 1969; ''Helmut Koziol'', Rechtsfolgen der Verletzung einer Schadensminderungspflicht – Rückkehr der archaischen Kulpakompensation?, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 6 (1998) 593&nbsp;ff.; ''Dirk Looschelders'', Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999; ''Athina Kontogianni'', Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts zum Mitverschulden des Geschädigten im Schadensersatzrecht, in: Reiner Schulze, Gianmaria Ajani (Hg.), Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 2003, 145&nbsp;ff.; ''Wolfgang Wurmnest'', Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, 2003, 304&nbsp;ff.; ''Nils Jansen'', §&nbsp;254, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/‌1, 2007.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Co-Determination]]
[[en:Contributory_Negligence_(Contributory_Conduct_or_Activity)]]

Version vom 28. September 2021, 18:13 Uhr

von Nils Jansen

1. Gegenstand, Zweck und Terminologie

Häufig ist ein Schaden nicht nur dem Verantwortungsbereich des Schädigers, sondern zugleich auch dem des Betroffenen zurechenbar. Die europäischen Rechtsordnungen regeln diesen Fragenkreis traditionell als „Mitverschulden“ (contributory fault, faute de la victime, concorso di colpa della vittima) des Geschädigten, doch führt diese Terminologie in doppelter Hinsicht in die Irre: Zum einen scheint sie die Verletzung einer Pflicht des Geschädigten gegen sich selbst vorauszusetzen; zum anderen bietet sie keinen Raum für die Frage, wie weit der Geschädigte sich das Verhalten von Dritten bzw. eine bei der Unfallentstehung mitwirkende Gefahrerhöhung zurechnen lassen muss. In der Sache geht es darum, wie weit eine rechtlich begründete Mitverantwortlichkeit des Geschädigten sich auf seinen Haftungsanspruch auswirkt. Überall gelten die Regelungen zur Mitverantwortlichkeit des Geschädigten deshalb für sämtliche gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche auf (materiellen wie immateriellen) Schadensersatz, aber nicht für andersartige Ansprüche im Bereicherungs- oder Sachenrecht.

Die modernen Regelungen beruhen damit auf der Voraussetzung einer gemeinsamen Verantwortlichkeit des Schädigers und des Geschädigten für einen Schaden: Zumindest gedanklich gilt es also, zunächst unabhängige Tatbeiträge mehrerer Beteiligter festzustellen; erst auf dieser Grundlage werden das Bestehen eines Haftungsanspruchs bzw. der Umfang der Haftung zum Thema. So selbstverständlich das heute erscheint, so wenig ist es das bei einer historischen Betrachtung. Denn im klassischen römischen Recht sind vergleichbare Fragen allenfalls ansatz- und ausnahmsweise gestellt worden; stattdessen haben die Römer in vergleichbaren Fällen ausschließlich danach gefragt, ob der Schädiger für den Schaden einzustehen habe. Sie haben damit vorausgesetzt, dass die Verantwortlichkeit überhaupt nur allein beim Schädiger oder beim Geschädigten liegen könne, und ein Verschulden deshalb immer nur auf einer Seite gesucht. Zwar ist in den Digesten (Corpus Juris Civilis) eine regula iuris zum haftungsausschließenden Mitverschulden des Geschädigten überliefert (D. 50, 17,203), wonach der durch eigenes Verschulden erlittene Verlust nicht als ein von Rechts wegen relevanter Schaden gelten sollte. Jedoch stammt diese Regel, die für die europäische Diskussion um das Mitverschulden später bestimmend geworden ist, ursprünglich nicht aus dem Haftungs-, sondern aus dem Vermächtnisrecht; in den Digesten ist sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen. Erst seit dem Mittelalter ist in der juristischen Literatur von einer gemeinsamen Verantwortlichkeit (culpa communis bzw. culpa admixta) die Rede. Auch das Mitverschulden galt jetzt als ein vorwerfbares Fehlverhalten, das durch die Versagung eines Ausgleichsanspruchs sanktioniert wurde; spätere Diskussionen um eine faire Schadensverteilung konnten daran anknüpfen.

Ist auf diese Weise die Möglichkeit einer gemeinsamen Verantwortlichkeit von Schädiger und Geschädigtem für einen Schaden anerkannt, so bedeutet das freilich noch nicht, dass der Schaden entsprechend zwischen den Parteien aufzuteilen wäre. Vielmehr haben lange Zeit weiterhin Alles-oder-Nichts-Lösungen gegolten, wonach der Schaden ungeteilt entweder vom Schädiger oder vom Geschädigten zu tragen war. Verbreitet wurde dafür auf der Ebene der Zurechnung argumentiert: Entscheidend sollte sein, ob der Geschädigte die letzte oder die entscheidende Ursache für den Schaden gesetzt habe; anschaulich ist das im früheren englischen last clear chance-Test, wonach es auf die letzte Möglichkeit der Schadensverhinderung ankommt. Überwiegend wurde freilich auf die Zuweisungslösung der sog. Kulpakompensation (compensatio culpae) abgestellt. Danach war der an sich beiden Seiten zurechenbare Schaden allein vom Geschädigten zu tragen: entweder – so das metaphorische Bild – weil sein Verschulden das des Schädigers überhaupt aufhob oder – so eine differenzierende Abwägungslehre – weil das Verschulden des Geschädigten überwog.

Die heutigen Privatrechtsordnungen Europas gehen weitgehend davon aus, dass es im Falle einer beiderseitigen Verantwortlichkeit den Gesamtschaden grundsätzlich unter den Beteiligten aufzuteilen gilt. Zum Teil werden dabei einzelne Schadensposten einem Beteiligen jeweils als Ganze zugewiesen, indem insbesondere hinsichtlich einzelner Folgeschäden auf eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs abgestellt wird. Hinsichtlich der Schadensentstehung gelten jedoch ganz allgemein Quotenlösungen, die ursprünglich auf den Naturrechtslehrer Christian Wolff zurückgehen. Danach wird der Gesamtschaden insgesamt nach einer bestimmten Quote unter den Beteiligten aufgeteilt; tragend sind die Gedanken der Gleichbehandlung der Parteien einerseits und der Proportionalität von Ersatzpflicht und Verschuldensbeitrag bzw. Gewicht des Verursachungsbeitrags andererseits (ausdrücklich jetzt Art. 8:101(1) PETL). Auch wenn seitens des Geschädigten von einem genuinen Verschulden nicht die Rede sein kann, so bildet es doch ein Symmetriepostulat, Fremd- und Eigenverantwortlichkeit grundsätzlich gleich zu behandeln. Umstände, die es rechtfertigen, den Schädiger mit einer Haftpflicht zu belasten, müssen korrespondierend auch in der Person des Geschädigten einen Anspruch kürzen. Nur bei eindeutig überwiegender Verantwortlichkeit einer Seite, insbesondere bei vorsätzlichem Handeln, wird der Schaden nicht geteilt, sondern einer Seite zugewiesen.

Freilich beruht die Haftungsminderung nicht auf der Verletzung genuiner Rechtspflichten, sondern auf Obliegenheiten zur Schadensabwehr. Wie beim Verschulden gilt dabei zwar grundsätzlich ein objektiver Maßstab, doch geht es nicht um Regeln vernünftigen Verhaltens im Eigeninteresse („Verschulden gegen sich selbst“), sondern darum, welche Opfer bzw. Sicherheitsvorkehrungen vom Geschädigten im Interesse des Schädigers verlangt werden; insbesondere zeigt sich das bei Maßnahmen wie einer Umschulung oder auch einer Operation. Diebe können sich deshalb nie auf die Sorglosigkeit ihrer Opfer berufen; und bei einer Schädigung infolge falschen professionellen Rats, etwa zwischen Medizinern oder zwischen Juristen, kann nicht eingewendet werden, der Geschädigte hätte selbst Bescheid wissen müssen.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Ablösung der älteren Alles-oder-Nichts-Lösungen durch die moderne Quotenlösung bedeutete die zentrale Weichenstellung in der Entwicklung der Regeln zur Mitverantwortlichkeit des Geschädigten. Sie hat sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts ganz allgemein durchgesetzt und auch Eingang in die Regelwerke zum Europäischen Privatrecht (Art. 9:504 PECL; Art. 7.4.7 Unidroit PICC; Art. 8:101 PETL; Art. 8:403 ACQP) sowie in den acquis communautaire gefunden (z.B. Art. 8(2) Produkthaftungs-RL [RL 85/‌374]; EuGH Rs. 145/‌83 – Adams, Slg. 1985, I-3539, Rn. 53). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geht das zudem mit einer Zurückdrängung konkurrierender Rechtsinstitute einher, die auf eine einseitige Belastung des Geschädigten hinauslaufen: Sorglose Selbstgefährdung wird deshalb heute nicht mehr als eine Einwilligung bzw. als ein Haftungsverzicht gedeutet, sondern unterfällt den Regeln über das Mitverschulden.

Obgleich bei der Mitverantwortlichkeit weitgehend dieselben Fragen zu beantworten sind wie im Delikts- bzw. Haftungsrecht, widmet kaum eine Rechtsordnung der Mitverantwortlichkeit mehr als ein oder zwei Vorschriften; das gilt auch für die neueren Regelwerke. Die Rechtsentwicklung liegt damit weitgehend in den Händen der Judikative. Nachdem sich allerdings die Wertung durchgesetzt hat, dass Eigen- und Fremdverantwortung einander korrespondieren sollten, spiegelt die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten zunehmend die zentralen Entwicklungen im Haftungsrecht. So wird die Frage der erforderlichen Einsichtsfähigkeit des Geschädigten und der Verantwortlichkeit für Dritte in den meisten Rechtsordnungen ebenso wie im jeweiligen Deliktsrecht beantwortet (ausdrücklich Art. 8(2) Produkthaftungs-RL). Vor allem aber zeigt sich diese Korrespondenz bei der Entwicklung fehlverhaltensunabhängiger Haftungstatbestände im Laufe des 20. Jahrhunderts, die spiegelbildlich auch auf der Seite des Geschädigten als haftungsbeschränkende Faktoren anerkannt worden sind (ausdrücklich jetzt Art. 8:101(1) PETL).

Seit den 1980er Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass vor allem Kinder und ältere Verkehrsteilnehmer den Gefahren des Straßenverkehrs nicht wirklich gewachsen sind; zudem besteht hier ein soziales Bedürfnis, dass die Geschädigten tatsächlich Schadensersatz von dem haftpflichtversicherten Kfz-Halter erhalten. In einer Reihe von Ländern sind deshalb – in den Einzelheiten unterschiedliche – gesetzliche Regeln zur Privilegierung solcher Opfer eingeführt worden.

3. Rechtsvereinheitlichung

Aus rechtsvergleichender und rechtsvereinheitlichender Perspektive liegt das konzeptionelle Hauptproblem der Mitverantwortlichkeit heute bei der Frage, welche Regeln gelten sollen, wenn die mitwirkende Verantwortlichkeit nicht daraus resultiert, dass der Geschädigte einen eigenen Beitrag zur Schadensentstehung geleistet hat, sondern daraus, dass sein Verhalten erst im weiteren Verlauf der Schadensentwicklung für einzelne Folgeschäden mitursächlich geworden ist. Viele europäische Rechtsordnungen (Art. 44 Abs. 1 OR; Art. 6:101 Abs. 1 BW; § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2. BGB) ordnen auch diese Fallgruppe als einen Unterfall der übergreifenden Regel der Quotenteilung ein; sie unterwerfen also die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten insgesamt einer einheitlichen Problemsicht. Demgegenüber werden derartige Fälle im common law und in einer Reihe weiterer Rechtsordnungen (insb. Art. 1227 Abs. 2 Codice civile; ähnlich lange Zeit die französische Judikatur und übrigens auch das römische Recht) einer gesonderten Behandlung unterworfen: Folgeschäden werden einem an sich verantwortlichen Schädiger grundsätzlich nicht zugerechnet, soweit sie in den Verantwortungsbereich des Geschädigten fallen. Mit der contributory negligence wird hier also nur die haftungsbegründende Mitverantwortlichkeit erfasst, denn die haftungsausfüllende Mitverantwortlichkeit für Folgeschäden unterfällt einer duty to mitigate the loss, die einen Ausdruck der ganz allgemeinen Verpflichtung bildet, mögliche Schadensfolgen einer Vertragsstörung zu beschränken. Soweit eine solche duty to mitigate verletzt wurde, ist für den Gedanken der Schadensteilung kein Raum mehr. Der Folgeschaden muss dann in den alleinigen Verantwortungsbereich des Geschädigten fallen; der Schädiger kann dafür nicht haftbar gemacht werden. Umgekehrt fallen Aufwendungen zur Schadensabwehr dem Schädiger zur Last, sofern sie nicht ein vernünftiges Maß übersteigen.

Eine Entscheidung zwischen beiden Ansätzen ist schwierig. Für die Lösung des common law spricht nicht nur ihre Klarheit und einfache Handhabung. Vor allem lassen sich Schadensfolgen im ausschließlichen Einflussbereich des Geschädigten nicht ohne weiteres in einer Analogie zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit verstehen, die doch die Quotenlösung trägt. Freilich macht das die ursprüngliche Mitverantwortlichkeit des Schädigers nicht ungeschehen; vielen erscheint es deshalb unfair, den Geschädigten seinen Schaden allein tragen zu lassen. In der europäischen Rechtsentwicklung scheint sich derzeit der Ansatz des common law durchzusetzen, doch ist die Rechtsentwicklung wenig eindeutig: Während sich die PETL (Art. 8:101(1)) und auch die ACQP (Art. 8:403) den übergreifenden Ansatz der deutschsprachigen Rechtsordnungen zu eigen gemacht haben, hat die Lösung des common law Eingang in Art. 77 CISG und dann auch in die PECL (Art. 9:505(1) mit Kommentar A zu Art. 9:504 sowie Kommentar und Anmerkungen zu Art. 9:505; jetzt auch Art. III.-3:705(1) DCFR) sowie in die Unidroit PICC (Art. 7.4.8(1)) gefunden. Auch in den nationalen Rechtsordnungen lässt sich vermehrt eine Tendenz der Gerichte beobachten, bestimmte Folgeschäden, wie unnötige Anwaltskosten, dem Schädiger von vornherein nicht zuzurechnen und damit aus dem Problemkreis der Mitverantwortlichkeit herauszuhalten.

Literatur

Tony Honoré, Causation and Remoteness of Damage, in: IECL XI/‌1, Kap. 7-144 ff., 1969; Helmut Koziol, Rechtsfolgen der Verletzung einer Schadensminderungspflicht – Rückkehr der archaischen Kulpakompensation?, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 6 (1998) 593 ff.; Dirk Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999; Athina Kontogianni, Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts zum Mitverschulden des Geschädigten im Schadensersatzrecht, in: Reiner Schulze, Gianmaria Ajani (Hg.), Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts, 2003, 145 ff.; Wolfgang Wurmnest, Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, 2003, 304 ff.; Nils Jansen, § 254, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/‌1, 2007.