Markenrecht und Marktmanipulation: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Phänomen ==
Unter einer Marke versteht man ein graphisch darstellbares Zeichen (oder eine Zeichenkombination), das dazu geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden und an dem durch Eintragung, Benutzung oder notorische Bekanntheit (Art.&nbsp;6<sup>bis</sup><nowiki> PVÜ) ein ausschließliches Recht zur Kennzeichnung der durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen erworben wurde (Art.&nbsp;2 Marken-RL [RL&nbsp;2008/‌95], Art.&nbsp;4 Gemeinschaftsmarken-VO [VO&nbsp;207/‌2009], Art.&nbsp;15(1) TRIPS). </nowiki>Frühe Formen von Produktkennzeichnungen finden sich bereits in der Antike. Sie dienten offenbar als Eigentümer- und Händlermarken vor allem der Kennzeichnung dinglicher Rechte an der Ware, zuweilen als Urheber- oder Ursprungsmarken aber auch der Identifikation des Herstellers. Neben diese Eigentümer- und Urhebermarken traten seit dem Mittelalter Schauzeichen, Meisterzeichen und Qualitätszeichen, die gewerbepolizeiliche (Kontrolle von Produktionsstandards durch Zünfte oder Gewerbepolizei) oder fiskalische Zwecke (Abgabenerhebung) verfolgten. Erste Beispiele für einen dem modernen Markenrecht vergleichbaren privatrechtlichen Schutz der Herkunftsfunktion von Kennzeichen finden sich – sieht man von den Urheberzeichen ab, die möglicherweise über das römische [[Namensrecht]] einen gewissen Schutz eröffneten – seit der frühen Neuzeit (etwa ''Sandforth’s Case ''(1584), zitiert in ''Southern v. How'' (1618) 79 ER 1243 (KB)). Mit dem Erstarken des überregionalen Handels und der Entstehung der industriellen Massenproduktion samt entsprechender Absatzmärkte im ausgehenden 18. und 19.&nbsp;Jahrhundert entstand ein Bedürfnis für ein Markenrecht moderner Prägung, das durch die Gesetzgebung der Zeit befriedigt wurde (Art.&nbsp;XVI ''Loi relative aux manufactures, fabriques et ateliers'' von 1803; Markenschutzgesetz 1874; ''Trade Marks Registration Act 1875''<nowiki>; Warenzeichengesetz 1894).</nowiki>
Die Versuchung, die Kurse oder Preise von Wertpapieren, Waren oder deren jeweiligen Derivaten, die an einer Börse oder einem sonstigen Marktplatz gehandelt werden, gezielt zum eigenen Vorteil zu beeinflussen, ist so alt wie diese Institutionen selber. Das Gleiche gilt für das Bemühen, derartige „missbräuchliche“ Praktiken zu unterbinden. Ungeachtet dessen sind jedoch durch die Jahrhunderte einschlägige Täuschungsmanöver an allen internationalen Börsenplätzen von London über Paris bis nach New York, Wien oder Frankfurt dokumentiert. Begrifflich spricht man modern von „Marktmanipulation“ (''market manipulation''); zuvor war meist von „Einwirken auf Börsen- oder Marktpreise“ oder „Kurs- und Marktpreismanipulation“ die Rede. Zusammen mit den verwandten und ebenfalls unerwünschten (dysfunktionalen) [[Insidergeschäft]]en (''insider dealing'') stellt die Marktmanipulation in der Terminologie des Gemeinschaftsrechts einen „Marktmissbrauch“ (''market abuse'') dar. Präzise Legaldefinitionen fehlen indes; stattdessen verwenden moderne Gesetze meist beispielhafte Aufzählungen und Kriterienkataloge, um zwischen verbotenem und erlaubtem Verhalten mit Kursbeeinflussungspotential zu differenzieren.


Auf internationaler Ebene wird das Markenrecht heute vor allem durch die Pariser Verbandsübereinkunft (Art.&nbsp;6–10 PVÜ), das TRIPS (Art.&nbsp;15–21 TRIPS), den WIPO-Markenrechtsvertrag ([[World Intellectual Property Organization|WIPO]]) sowie (zur Erleichterung der internationalen Anmeldung von Marken) das Madrider Markenabkommen (MMA) samt zugehörigem Protokoll geregelt. Die internationalen Abkommen sind von Bedeutung auch für das europäische Markenrecht, weil die nationalen Gerichte im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts dazu verpflichtet sind, soweit wie möglich den Bestimmungen der durch die Gemeinschaft ratifizierten Abkommen Rechnung zu tragen (zum PVÜ auch Erwägungsgrund&nbsp;13 Marken-RL). Auf europäischer Ebene hat die Gemeinschaft durch die Marken-RL (RL&nbsp;89/‌104, konsolidiert durch RL&nbsp;2008/‌95) maßgebliche Teile des Markenrechts der Mitgliedstaaten vereinheitlicht und daneben durch die [[Gemeinschaftsmarke]] (VO&nbsp;40/‌94, konsolidiert durch VO&nbsp;207/‌2009) ein europaweit einheitliches Schutzrecht geschaffen. Dem Markenrecht benachbart sind der Schutz geographischer Herkunftsangaben, das Recht der Internetadressen (Domains, dazu VO&nbsp;874/‌2004) und das Recht des [[Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen)|unlauteren Wettbewerb]] s, vor allem die Regeln zu irreführender und vergleichender Werbung ([[Geschäftspraktiken, irreführende]]; [[Werbung, vergleichende]]). Von den anderen Rechten des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s unterscheidet sich das Markenrecht dadurch, dass es nicht den Schutz von Innovationen bezweckt, sondern durch die Herkunftsfunktion der Marke vor allem auf Markttransparenz, Zuordnungsschutz und Leistungsschutz abzielt und damit funktional dem Wettbewerbsrecht nahesteht.
=== a) Erscheinungsformen ===
Die Schwierigkeit, das Phänomen in den Griff zu bekommen, liegt in der Vielfalt seiner möglichen Erscheinungsformen. Phänomenologisch und systematisierend wird allgemein zwischen drei Arten von Aktivitäten unterschieden, mittels derer sich Marktpreise zum Vorteil des oder der Handelnden direkt oder indirekt verfälschen lassen. Dies sind zunächst die verschiedenen Formen der „informationsgestützten“ (''information based'') Manipulation. Hierzu zählt vor allem die Verbreitung falscher Informationen in Bezug auf den Emittenten, wie etwa die Veröffentlichung unrichtiger oder irreführender Bilanzen, Geschäftsberichte oder ''ad hoc''-Mitteilungen. Auch die Streuung von Gerüchten, die geeignet sind, die Anlageentscheidungen zu beeinflussen, fällt in diese Kategorie. Eine weitere Variante ist der Missbrauch privilegierter Informationen, der juristisch jedoch teilweise auch als Insider-Handel qualifiziert wird. Ein Beispiel hierfür ist das sog. ''scalping'', bei dem der Akteur, etwa ein Finanzjournalist, eine unzutreffende, aber kurssteigernde öffentliche Kaufempfehlung abgibt, nachdem er sich zuvor selber günstig mit den entsprechenden Werte eingedeckt hat.


Dementsprechend sieht der EuGH die Hauptfunktion der Marke darin, dem Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Herkunftsfunktion, Erwägungsgrund&nbsp;10 Marken-RL; EuGH Rs.&nbsp;102/‌ 77 – ''Hoffmann La Roche'', Slg.&nbsp;1978, 1139, Rn.&nbsp;7; EuGH Rs.&nbsp;C-206/‌01 – ''Arsenal Football Club'', Slg.&nbsp;2002, I-10273, Rn.&nbsp;48). Durch identifizierbare Kennzeichen sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, die Kunden durch die Qualität ihrer Waren oder Dienstleistungen an sich zu binden, indem die Marke Gewähr bietet, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH Rs.&nbsp;C-206/‌01 – ''Arsenal Football Club'', Slg.&nbsp;2002, I-10273, Rn.&nbsp;47&nbsp;f.). Ferner schützt die Marke ihren Inhaber auch vor Konkurrenten, die die Stellung und den Ruf des Warenzeichens durch den Vertrieb widerrechtlich mit diesem Zeichen versehener Erzeugnisse zu missbrauchen suchen (EuGH Rs.&nbsp;C-10/‌89 – ''HAG II'', Slg.&nbsp;1990, I-3711, Rn.&nbsp;14). Das Markenrecht ist damit wesentlicher Bestandteil des Systems unverfälschten Wettbewerbs, das der EG-Vertrag schaffen und erhalten will (EuGH Rs.&nbsp;C-10/‌89 – ''HAG II'', Slg.&nbsp;1990, I-3711, Rn.&nbsp;13). Der Schutz der Herkunftsfunktion der Marke sichert aus ökonomischer Sicht die Investitionen des Unternehmers in Produktqualität und Markenimage und ist Grundlage für das Verbrauchervertrauen in den Schluss von einer bestimmten Marke auf eine bestimmte Produktqualität. Weitere (betriebswirtschaftlich) wichtige Funktion der Marke ist ihre Nutzung als kommerzielles Kommunikationszeichen zwischen Unternehmen und Kunden, die auch den Transport „kultureller“ Inhalte wie die Konstruktion eines bestimmten Lebensstils oder einer bestimmten Konsumerfahrung in Richtung der Verbraucher und/‌oder Mitarbeiter umfassen kann. Diese ökonomische Ausdehnung der Markenfunktionen wurde unlängst durch den Gerichtshof aufgenommen, der im Rahmen des Identitätsschutzes nach Art.&nbsp;5(1)2(a) Marken-RL der Marke neben ihrer Herkunftsfunktion auch andere Funktionen wie u.a. die Gewährleistung der Qualität der Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen zubilligte (EuGH Rs.&nbsp;C-487/‌07 – ''L’Oréal'', Rn. 58). Die ökonomische Bedeutung von Marken (und ihre Verletzung durch Produktpiraten) hat in Zeiten globalisierter Produktions- und Absatzmärkte erheblich zugenommen, weil durch die Kennzeichnung gegenüber dem Verbraucher eine Nichtsubstituierbarkeit von an sich funktional austauschbaren Produkten suggeriert werden kann, so dass sich der Anbieter dem reinen Preiswettbewerb zumindest teilweise entziehen kann (sog. ''brand differentiation'').
Als zweites sind die unterschiedlichen Formen der „handelsgestützten“ (''trade based'') Manipulation zu nennen. Hierunter fallen sowohl sog. fiktive wie auch effektive Geschäfte. Die klassische Form der Manipulation sind für den oder die Beteiligten wirtschaftlich neutrale („fiktive“) Transaktionen, die dem Ziel dienen, künstlich Handelsaktivitäten, Liquidität und Trends zwecks Steigerung des Kurses oder Marktpreises vorzutäuschen. Dabei können Käufer und Verkäufer wirtschaftlich identisch sein (''wash sales''), oder zwei (oder auch mehrere) verschiedene Marktteilnehmer haben sich dergestalt abgesprochen, dass zwar der wirtschaftliche Eigentümer wechselt, aber durch korrespondierende gegenläufige, eventuell auch zeitversetzte Orders das wirtschaftliche Ergebnis gleich bleibt (''matched orders/‌circular trade''). Bei der handelsgestützten Manipulation in Form effektiver Geschäfte findet hingegen eine wirtschaftlich relevante Transaktion statt, die sich objektiv nicht von normalen Geschäften unterscheidet. Dies wirft erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber solchen Erwerbsgeschäften auf, die im Rahmen einer erlaubten Kurspflege oder &#8209;stabilisierung und/‌oder eines Rückerwerbs eigener Aktien erfolgen und auf die Kurse einwirken. Mangels objektiver Unterscheidbarkeit kommt es für die Differenzierung auf subjektive Kriterien, namentlich eine Manipulationsabsicht an. Ein umstrittenes, in der Praxis insbesondere bei Hedgefonds verbreitetes Beispiel sind Leerverkäufe, die auf fallende Kurse oder Preise spekulieren. Hier besitzt der Verkäufer die verkauften Werte zum Verkaufszeitpunkt nicht, sondern muss diese erst noch bis zum Erfüllungszeitpunkt – in der Hoffnung auf günstigere Konditionen – erwerben oder leihen. Da Leerverkäufe zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes beitragen können, sind sie international in der Regel zumindest nicht prinzipiell verboten, werden aber im Zuge von Finanzkrisen oftmals temporär untersagt.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Das dritte sind „handlungsgestützte“ (''action based'') Manipulationen. Hierunter werden über die Verbreitung falscher Informationen hinausgehende sonstige Aktionen verstanden, die darauf abzielen, den inneren Wert der Finanzinstrumente zu beeinflussen. Dadurch hofft der Akteur, zu verfälschten Kursen oder Preisen für ihn vorteilhafte Geschäfte tätigen zu können. Ein Beispiel sind Sabotageakte mit entsprechender Zielsetzung.
Wie kaum ein anderes Gebiet des Privatrechts wurde das Markenrecht seit den 1990er Jahren durch eine weitgehende ''Europäisierung'' erfasst. Seit Inkrafttreten der Marken-RL hat sich der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] in zahlreichen Entscheidungen (auch zur Gemeinschaftsmarke) mit der Auslegung des Markenrechts befasst, so dass die meisten zentralen Fragen ohne Blick in die europäische Judikatur nicht mehr zu beantworten sind. Dies beruht vor allem auf zwei Faktoren: Zum einen beschränkt die Marken-RL zwar rhetorisch die Rechtsangleichung auf diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, „die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken“ (Erwägungsgrund&nbsp;4 Marken-RL), nimmt aber tatsächlich sowohl eine erschöpfende Regelung der Bedingungen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eingetragener Marken (Erwägungsgrund&nbsp;8 Marken-RL, EuGH Rs.&nbsp;C-363/‌99 – ''Koninklijke KPN Nederland'', Slg.&nbsp;2004, I-1619, Rn.&nbsp;78) wie eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus der Marke vor und legt somit die Rechte von Markeninhabern in der Gemeinschaft fest (Art.&nbsp;5–7 Marken-RL, EuGH Rs.&nbsp;C-16/‌03 – ''Peak Holding'', Slg.&nbsp;2004, I-11313, Rn.&nbsp;30). Außerhalb des harmonisierten Bereichs bleiben vor allem der Schutz von durch Benutzung erworbenen Marken (Art.&nbsp;1, Erwägungsgrund&nbsp;5 Marken-RL) und weite Teile des Verfahrensrechts (Erwägungsgründe 6, 9, 11 a.E. Marken-RL, s. aber auch EuGH Rs.&nbsp;C-405/‌03 – ''Class International'', Slg.&nbsp;2005, I-8735, Rn.&nbsp;73&nbsp;f. und [[Geistiges Eigentum (Durchsetzung)]]. Zum anderen zeigen sich die nationalen Gerichte – möglicherweise aufgrund der verbreiteten Existenz von speziellen Spruchkörpern auf diesem Gebiet und der einhergehenden Vertrautheit mit dem übergeordneten europäischen Recht – im Markenrecht als besonders vorlagefreudig, was der Herausbildung eines die Rechtsharmonisierung unterstützenden Fallrechts des EuGH naturgemäß zuträglich ist. Es deutet sich an, dass die Vorlagefreudigkeit zumindest auf benachbarte Gebiete wie das [[Urheberrecht]] oder das Lauterkeitsrecht überspringt, so dass das gesamte Feld mittelfristig zu den Vorreitern europäischer Rechtsharmonisierung zählen dürfte.


Neben der Europäisierung zeichnet sich in den letzten Jahren eine zunehmende ''Kommerzialisierung'' des Markenrechts ab. Dies äußert sich zum einen in der gestiegenen Bedeutung von Marken für den Wert eines Unternehmens, die inzwischen bis zu 70&nbsp;% des Gesamtwertes einer Unternehmung ausmachen können. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren europaweit die Anerkennung der Marke als selbständiger und (losgelöst von dem zugrundeliegenden Geschäftsbetrieb) frei übertragbarer Vermögensgegenstand durchgesetzt (Art.&nbsp;21 TRIPS; Art.&nbsp;17(1) GMV; §&nbsp;27 Abs.&nbsp;1 dt. MarkenG; Art.&nbsp;L.&nbsp;714-1 ''Code de la propriété intellectuelle''<nowiki>; Sec.&nbsp;24 Abs.&nbsp;1 </nowiki>''Trade Marks Act 1994''<nowiki>; §&nbsp;11 Abs.&nbsp;1 österreich. </nowiki>Markenschutzgesetz; Art.&nbsp;46 Abs.&nbsp;2 ''Ley de Marcas 17/‌2001'').
=== b) Abgrenzungen ===
Manipulationen sind von Spekulationen und Insiderhandel abzugrenzen. Von letzterem unterscheiden sie sich dadurch, dass der Manipulant, anders als der Insider, nicht lediglich bereits bestehende Informationsasymmetrien ausnutzt, sondern die für den Kapitalmarkt nachteilige Fehlbildung des Kurses oder Preises erst selber herbeiführt. Der Spekulant verursacht hingegen – ebensowenig wie ein Insider – keine Fehlbildung der Kurse oder Preise am Markt, sondern nutzt nur vorhandene Informationen aus. In Erwartung einer zeitnahen Preisänderung erwirbt er – allerdings ohne privilegiertes Insiderwissen – Finanzinstrumente, von denen er hofft, sie kurzfristig wieder mit Gewinn veräußern zu können. Spekulationen tragen zur Effizienz der Kapitalmärkte bei und sind deshalb international meist nicht untersagt.


Schließlich deutet die Entwicklung des Markenrechts in den letzten Jahren tendenziell auf eine ''Ausweitung'' des Markenschutzes hin, der allerdings in jüngster Zeit die Rechtsprechung des EuGH zumindest teilweise entgegenwirkt. So gestattet die offene Formulierung des Art.&nbsp;2 Marken-RL (etwa im Gegensatz zum früheren Warenzeichengesetz) auch den Schutz neuer Markenformen wie dreidimensionaler Marken, Hörmarken, (abstrakter) Farbmarken, Geruchsmarken, Geschmacksmarken und Tastmarken. Trotz der gesetzgeberischen Offenheit für neue Markenformen zeigt sich der Gerichtshof allerdings im Hinblick auf eine allzu weitgehende Ausdehnung des Markenschutzes sensibel und bemüht sich um eine Begrenzung des Markenschutzes durch strikte Anforderungen an die graphische Darstellung entsprechender Zeichen und eine Abwehr der Versuche, über die Herkunftsfunktion hinaus das Markenrecht zur Monopolisierung von Wareneigenschaften zu missbrauchen (EuGH Rs.&nbsp;C-321/‌03 – ''Dyson'', Slg.&nbsp;2007, I-687, Rn.&nbsp;39&nbsp;f. und die Nachweise unter 3a). Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich beim Begriff der markenmäßigen Benutzung in Art.&nbsp;5(1) und 2 Marken-RL („Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen“) ab. Nachdem sich zunächst ein sehr weitgehender Benutzungsbegriff anzudeuten schien (EuGH Rs.&nbsp;C-63/‌97 – ''BMW''/‌''Deenik'', Slg.&nbsp;1999, I-905, Rn.&nbsp;39), weisen spätere Entscheidungen auf eine differenziertere Betrachtung hin (EuGH Rs.&nbsp;C-2/‌00 – ''Hölterhoff'', Slg.&nbsp;2002, I-4187, Rn.&nbsp;16&nbsp;f.; EuGH Rs.&nbsp;C-17/‌06 – ''Céline'', Slg.&nbsp;2007, I-7041, Rn. 21–23, 26&nbsp;f.), deren klare Konturen indes noch herauszubilden sind. Ebenso hat der Gerichtshof die markenrechtlichen Schutzschranken (Art. 6(1)(a) MarkenRL) auf Handelsnamen (EuGH Rs.&nbsp;C-245/‌02 – ''Anheuser Busch'', Slg.&nbsp;2004, I-10989, Rn.&nbsp;81) erstreckt und auf diese Weise den Markenschutz beschränkt.
== 2. Zur Regulierung aus vergleichender Perspektive ==
Die auf Verfälschung der Kurs- und Preisentwicklung gerichteten Marktmanipulationen liefern – weitgehend unstreitig – keinen Beitrag zur Steigerung der Informationseffizienz des Kapitalmarktes, sondern tragen im Gegenteil in aller Regel zur deren Verschlechterung bei und haben insoweit lediglich nachteilige Folgen für die Marktteilnehmer und für den Markt als solchen. Denn eine Verringerung der Informationseffizienz führt zu einer Beeinträchtigung der Allokationsfunktion wie auch der Kapitalaufbringungs- und Kapitalbewertungsfunktion des Kapitalmarktes. Entsprechend besteht (inzwischen) international zumindest überwiegend Einigkeit darüber, dass Marktmanipulationen durch Verbote unterbunden werden sollten, um so das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Kurs-/‌preisbildung und damit die Integrität und Leistungsfähigkeit des Marktes zu schützen. Vordringliches Ziel ist mithin der überindividuelle Funktionsschutz und weniger der Anlegerschutz im engeren Sinne. Hinsichtlich der Reichweite und Ausgestaltung des Verbotes sind allerdings international erhebliche Unterschiede zu beobachten.


Für die Zukunft wird es darauf ankommen, dass der EuGH die Einheitlichkeit und Rechtssicherheit im Markenrecht durch klare Auslegungsvorgaben sichert. Er sollte der Versuchung widerstehen, schwierigen Weichenstellungen durch offene oder ausweichende Antworten auf die Vorlagefragen aus dem Weg zu gehen oder gar an die nationalen Gerichte zu delegieren. Angesichts der Zunahme des benachbarten Sekundärrechts kommt ihm neben der rechtsaktimmanenten Auslegung und Fortbildung des Markenrechts außerdem immer mehr die Aufgabe zu, das Verhältnis zu den benachbarten Gemeinschaftsrechtsakten zu definieren und für eine widerspruchsfreie Koordination der verschiedenen Rechtsakte Sorge zu tragen (vgl. etwa im Verhältnis zum Lauterkeitsrecht EuGH Rs.&nbsp;C-533/‌06 – ''O''2, Slg.&nbsp;2008, I-4231, Rn.&nbsp;51, 69; EuGH Rs.&nbsp;C-487/‌07 – ''L’Oréal'', Rn. 72&nbsp;ff.).
=== a) Ausländische Rechte ===
Dies gilt namentlich für die Sanktionen. Teilweise sind diese rein strafrechtlicher Natur. Dies war früher für Deutschland mit dem strafbewehrten, aber wenig praxisrelevanten Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation in §&nbsp;88 BörsG a.F. der Fall. Seit 1997 verfügt die Schweiz mit Art.&nbsp;161<sup>bis</sup> StGB über einen eigenen Straftatbestand für Kursmanipulationen, der in zwei eng gefassten Tatbestandsalternativen zum einen das Verbreiten irreführender Informationen zwecks Kursbeeinflussung zum eigenen Vorteil unter Strafe stellt und zum anderen handelsgestützte Manipulationen in Form direkter oder indirekter fiktiver Geschäfte (''wash sales'' oder ''matched orders'') verbietet. Die Marktverhaltensregeln der Eidgenössischen Bankenkommission vom März 2008 präzisieren diese Verbote durch eine beispielhafte Auflistung von zulässigen und unzulässigen Wertpapiertransaktionen und Verhaltensweisen am Markt.


== 3. Regelungsstrukturen des Gemeinschaftsrechts ==
Teilweise wird jedoch auch auf eine Kriminalisierung verzichtet. So ahndet etwa Österreich die nach §&nbsp;48a BörseG verbotenen Marktmanipulationen lediglich als eine Verwaltungsübertretung, die nach §&nbsp;48c BörseG nur mit einer Geldstrafe und dem Verfall des Vermögensvorteils sanktioniert wird. Nach §&nbsp;48q BörseG kann zudem ein (zeitlich befristetes) Berufsverbot verhängt werden.
Zentrale Vorgabe des Gemeinschaftsrechts für das materielle Markenrecht der Mitgliedstaaten sind die Regeln der Marken-RL (siehe auch [[Gemeinschaftsmarke]], [[Geistiges Eigentum (Durchsetzung)]]).


=== a) Markenformen ===
Am weitesten verbreitet sind indes Mischsysteme. Im Jahr 2008 verfügten 25 von 29 untersuchten europäischen Staaten über eine Kombination von unterschiedlichen Sanktionen. Eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Marktmanipulation kommt den britischen Gerichten zu. Die älteste einschlägige Entscheidung stammt aus dem Jahr 1814 (''Rex v. De Berenger'' (1814) 105 ER 536), in der das Gericht eine informationsgestützte Manipulation unter Anwendung des ''[[common law]]'' als ''conspiracy to rig the market'' verurteilte. Inzwischen ist die Marktmanipulation in Part VIII (sec. 118&nbsp;ff.) des ''Financial Services and Markets Act 2000'' geregelt. Zur Konkretisierung der Tatbestands der Marktmanipulation hat die ''Financial Services Authority'' einen ''Code of conduct'', das ''FSA’s Market Conduct Handbook'', veröffentlicht, das zwischen informations-, handelsgestützten und sonstigen Formen der Manipulation unterscheidet. Als Sanktionen sind alternativ ein Bußgeld oder die öffentliche Bekanntgabe eines Verstoßes gegen das Manipulationsverbot vorgesehen; daneben sind eine Gewinnabschöpfung und zivilrechtliche Ansprüche möglich. Zusätzlich greift das in Part XXVII (sec. 397) konstituierte allgemeine Verbot täuschender Verlautbarungen und Praktiken.  
Art.&nbsp;2 Marken-RL legt zunächst fest, welche Arten von Zeichen Marken sein können. Die Markenfähigkeit setzt voraus, dass es sich um ein Zeichen handelt, dass sich dieses Zeichen graphisch darstellen lässt und dass es geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH Rs.&nbsp;C-104/‌01 – ''Libertel'', Slg.&nbsp;2003, I-3793, Rn.&nbsp;23). Die offene Formulierung des Art.&nbsp;2 Marken-RL ermöglicht grundsätzlich auch die Eintragung neuer Markenformen, allerdings nur dann, wenn das Zeichen graphisch dargestellt werden kann und die Darstellung im Register klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist, EuGH Rs.&nbsp;C-273/‌00 – ''Sieckmann'', Slg.&nbsp;2002, I-11737, Rn.&nbsp;55 (Geruchsmarke); EuGH Rs.&nbsp;C-104/‌01 – ''Libertel'', Slg.&nbsp;2003, I-3793, Rn.&nbsp;28&nbsp;f. (abstrakte Farbmarke); EuGH Rs.&nbsp;C-283/‌01 – ''Shield Mark'', Slg.&nbsp;2003, I-14313, Rn.&nbsp;55&nbsp;f. (Hörzeichen).


=== b) Eintragungshindernisse ===
Das ausgereifte US-amerikanische Kapitalmarktrecht kennt einen besonders differenzierteren und flexiblen Katalog von abgestuften Sanktionen, der von aufsichtsrechtlichen (disziplinarischen) Maßnahmen, wie Untersagungsverfügungen oder Berufsverboten, über Gewinnherausgabe und Bußgelder (''civil penalities'') bis zu Kriminalstrafen (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren) reicht. Daneben werden geschädigten Anlegern ausdrücklich gesetzliche Schadensersatzansprüche zuerkannt. Die wichtigsten einschlägigen Regelungen finden sich seit den 1930er Jahren in den beiden zentralen bundesrechtlichen Kapitalmarkgesetzen, dem ''Securities Act'' (SA) von 1933 und dem ''Securities and Exchange Act'' (SEA'') ''von 1934. Sec. 9 SEA enthält ein spezifisches Verbot der handels- wie auch der informationsgestützten Kurs-/‌Preismanipulationen beim Handel mit börsennotierten Wertpapieren. Wegen der hohen Beweisanforderungen für die nach dieser Norm erforderliche Manipulationsabsicht hat das allgemeine, weiter gefasste kapitalmarktrechtliche Betrugsverbot in sec. 10 lit. b SEA i.V.m. Rule&nbsp;10b-5 allerdings für die Praxis zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ferner sieht sec. 17 lit.&nbsp;a SA ein Verbot betrügerischer Machenschaften und irreführender Informationen beim Verkauf von Wertpapieren vor, das auch Manipulationen umfasst. Spezielle Regelungen sehen Ausnahmen von den Verboten für zulässige Aktivitäten wie Rückkäufe eigener Wertpapiere vor (sog. ''safe harbours'').
Art.&nbsp;3 und 4 Marken-RL widmen sich sodann den absoluten und relativen Eintragungshindernissen, wobei Art.&nbsp;3 Abs.&nbsp;1 obligatorische und Art.&nbsp;3 Abs.&nbsp;2 Marken-RL für die Mitgliedstaaten fakultative Eintragungshindernisse vorsieht. Zweck der absoluten Eintragungshindernisse ist zunächst eine Abwehr der Monopolisierung solcher Zeichen, die die Herkunftsfunktion als Hauptfunktion der Marke nicht gewährleisten können. Sie verfolgen damit das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können, und zwar auch als Kollektivmarken oder in Kombinationsmarken oder Bildmarken (Freihaltebedürfnis, EuGH verb. Rs.&nbsp;C-108/‌97 und C-109/‌97 – ''Windsurfing Chiemsee'', Slg.&nbsp;1999, I-2779, Rn.&nbsp;25; EuGH Rs.&nbsp;C-102/‌07 – ''adidas'', Slg.&nbsp;2008, I-2439 Rn.&nbsp;22&nbsp;f.). Neben allgemein nicht markenfähigen Zeichen (Art.&nbsp;3(1)(a) Marken-RL) sind dementsprechend auch Marken, die nach der Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise ohne Unterscheidungskraft im Hinblick auf die für sie angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sind (Art.&nbsp;3(1)(b) Marken-RL; EuGH Rs.&nbsp;C-404/‌02 – ''Nichols'', Slg.&nbsp;2004, I-8499, Rn.&nbsp;23) oder ausschließlich die Ware oder Dienstleistung beschreiben (Art.&nbsp;3(1)(c) Marken-RL) oder bezeichnen (Art.&nbsp;3(1)(d) Marken-RL, EuGH Rs.&nbsp;C-517/‌99 – ''Merz & Krell'', Slg.&nbsp;2001, I-6959, Rn.&nbsp;31) von der Eintragung ausgeschlossen. Eine Eintragung nicht unterscheidungskräftiger oder ausschließlich beschreibender oder bezeichnender Marken ist nach Art.&nbsp;3(3) Marken-RL allerdings möglich, wenn die Marke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Dies ist der Fall, wenn ein wesentlicher Teil der betroffenen Verkehrskreise die Marke mit dem Anmelder und mit keinem anderen Unternehmen in Verbindung bringt oder annimmt, dass die betreffenden Waren von dem Anmelder stammen (EuGH Rs.&nbsp;C-299/‌99 – ''Philips'', Slg.&nbsp;2002, I-5475, Rn.&nbsp;65). Ebenso vermieden werden soll eine markenrechtliche Monopolisierung von Zeichen, die ausschließlich aus der Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist oder die zur Herstellung einer technischen Wirkung der Ware erforderlich ist oder der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, weil die Monopolisierung solcher Funktionen allenfalls den zeitlich begrenzten gewerblichen Schutzrechten vorbehalten sein soll (Art.&nbsp;3(1)(e) Marken-RL; EuGH Rs.&nbsp;C-299/‌99 – ''Philips'', Slg.&nbsp;2002, I-5475, Rn. 78&nbsp;ff.).


Neben den markenrechtsimmanenten Ausschlussgründen der Art.&nbsp;3(1)(a-e) Marken-RL steht eine zweite Gruppe von Eintragungshindernissen, die durch Ausschluss von ordnungs- oder sittenwidrigen Marken (Art.&nbsp;3(1)(f) Marken-RL), von Zeichen mit hoher Symbolkraft (Art.&nbsp;3(2)(b) Marken-RL, etwa religiösen Zeichen) sowie von Wappen, Flaggen oder anderen staatlichen Hoheitszeichen (Art.&nbsp;3(1)(h), Art.&nbsp;3(2)(c) Marken-RL) markenrechtsexternen (staatspolitischen) Interessen dient. Auf Konkordanz mit der übrigen Rechtsordnung zielen schließlich der Ausschluss von Marken, die geeignet sind, das Publikum über die Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Ware zu täuschen (Art.&nbsp;3(1)(g) Marken-RL), sowie von Marken, deren Benutzung nach anderen Rechtsvorschriften als des Markenrechts untersagt werden kann (Art.&nbsp;3(2)(a) Marken-RL) oder die bösgläubig beantragt wurden (Art.&nbsp;3(2)(d) Marken-RL). Die relativen Eintragungshindernisse ergeben sich schließlich im Unterschied zu den am Allgemeininteresse orientierten absoluten Eintragungshindernisse aus entgegenstehenden Rechten Dritter, aufgrund derer die Benutzung der Marke verhindert werden könnte (Art.&nbsp;4 Marken-RL).
=== b) Deutsches Recht ===
Das deutsche Recht hat sich im Jahr 2002 mit Einführung des „Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation“ – seit 2004 im Zuge der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (dazu unten 3.) als „Verbot der Marktmanipulation“ bezeichnet – in §&nbsp;20a i.V.m. §§&nbsp;38, 39 WpHG für eine Kombination von Kriminalstrafen und Bußgeldern entschieden. Der Tatbestand des §&nbsp;20a WpHG, der das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation in §&nbsp;88 BörsG a.F. abgelöst hat, unterscheidet in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der vorstehend erwähnten Dreiteilung zwischen (i) informations- und (ii) handelsgestützten Marktmanipulationen sowie (iii) sonstigen Täuschungshandlungen. Nach dem Vorbild der US-amerikanischen ''safe harbours'' stellen zulässige Marktpraktiken, der Handel mit eigenen Wertpapieren im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise von Finanzinstrumenten keine Verstöße gegen das Manipulationsverbot dar, soweit sie sich im Rahmen der gemeinschaftsrechtlich gezogenen Grenzen halten. Die Marktmanipulations-Konkretisierungs-Verordnung vom 1.3.2005 verdeutlicht und ergänzt den Tatbestand des §&nbsp;20a WpHG. In Gegensatz zum US-amerikanischen Recht lassen sich aus einem Verstoß gegen das kapitalmarkrechtliche Manipulationsverbot als solchem keine zivilrechtliche Ansprüche ableiten, da die Vorschrift nach herrschender, wenn auch umstrittener Ansicht kein Schutzgesetz i.S.v. §&nbsp;823 Abs.&nbsp;2 BGB ist, sondern lediglich einen allgemeinen Funktionsschutz bezweckt. Geschädigte Anleger bleiben für Schadensersatzansprüche auf §&nbsp;826 BGB verwiesen, und müssen dafür das Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Manipulanten nachweisen.


=== c) Rechte aus der Marke ===
=== c) IOSCO ===
Neben den Markenformen und Eintragungshindernissen sind die Art.&nbsp;5–7 das Herzstück der Marken-RL, weil sie die Rechte aus der Marke vollständig harmonisieren und damit die Rechte von Markeninhabern in der Gemeinschaft verbindlich festlegen (EuGH Rs.&nbsp;C-16/‌03 – ''Peak Holding'', Slg.&nbsp;2004, I-11313, Rn.&nbsp;30). Art.&nbsp;5(1)1 Marken-RL stellt zunächst klar, dass die eingetragene Marke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht zuweist. Aufgrund dieses Rechts kann er gemäß Art.&nbsp;5(1)2(a) Marken-RL Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn die Benutzung des Zeichens durch den Dritten die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH Rs.&nbsp;C-17/‌06 – ''Céline'', Slg.&nbsp;2007, I-7041, Rn.&nbsp;16). Zu diesen Funktionen gehört im Fall des Art.&nbsp;5(1)2(a) Marken-RL nicht nur die Herkunftsgewährleistung als Hauptfunktion der Marke, sondern es gehören dazu auch ihre anderen Funktionen wie u.a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen (EuGH Rs.&nbsp;C-487/‌07 – ''L’Oréal'', Rn. 58). Darüber hinaus kann der Markeninhaber Dritten auch die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen untersagen, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht (Art.&nbsp;5(1)2(b), Erwägungsgrund 11 Marken-RL), also das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH Rs.&nbsp;C-342/‌97 – ''Lloyd'', Slg.&nbsp;1999, I-3819, Rn.&nbsp;17). Der durch Art.&nbsp;5(1)2(b) Marken-RL gewährte Schutz ist allerdings enger als nach Art.&nbsp;5(1)2(a) Marken-RL, weil er das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr und demnach die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Hauptfunktion der Marke voraussetzt (EuGH Rs.&nbsp;C-487/‌07 – ''L’Oréal'', Rn. 59).
Wie der knappe rechtsvergleichende Überblick zeigt, kennen die nationalen Rechte zwar durchweg Verbote der Marktmanipulation, diese sind jedoch hinsichtlich ihrer Reichweite und Sanktionierung unterschiedlich ausgestaltet. Eine international vereinheitlichte Praxis hat sich diesbezüglich bislang nicht herausgebildet. Allenfalls einen ersten, wenn auch wichtigen Schritt in diese Richtung stellt der Bericht des ''Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions ''(IOSCO), “Investigating and Prosecuting Market Manipulation”, vom Mai 2000 dar, der auf umfassender rechtsvergleichender Grundlage eine Analyse der international verbreiteten Manipulationstechniken erstellt und einige allgemein gehaltene Empfehlungen zu deren Bekämpfung ausspricht. Von besonderem Interesse war dabei die Etablierung von Mindeststandards und Verfahren, die eine internationale Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Marktmanipulationen ermöglichen sollen. Mit den Aktivitäten der IOSCO korrespondierten Bemühungen auf europäischer Ebene.


Über den Identitäts- und Ähnlichkeitsschutz nach Art.&nbsp;5(1) Marken-RL hinaus können die Mitgliedstaaten gemäß Art.&nbsp;5(2) Marken-RL außerdem für bekannte Marken einen Schutz auch ohne Verwechslungsgefahr für solche Benutzungen vorsehen, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen. Insofern genügt es, wenn die beteiligten Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung zwischen dem benutzten Zeichen und der bekannten Marke herstellen, ohne sie jedoch zu verwechseln (EuGH Rs.&nbsp;C-408/‌01 – ''Adidas Salomon'', Slg.&nbsp;2003, I-12537, Rn.&nbsp;27, 29). Schließlich gestattet Art.&nbsp;5(5) Marken-RL den Mitgliedstaaten, außerhalb des durch Art.&nbsp;5(1–4) harmonisierten Bereichs ihre nationalen (etwa lauterkeitsrechtlichen) Bestimmungen zum Schutz gegenüber der Verwendung eines Zeichens zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen beizubehalten, wenn die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
== 3. Genese und zentrale Elemente des Regelwerkes „Marktmissbrauch/‌ Marktmanipulation“ ==
=== a) Genese ===
Die [[Europäische Kommission]] hat das Thema Marktmanipulation erstmals gezielt in ihrem Aktionsplan zur Umsetzung des Finanzmarktrahmens (''Financial Services Action Plan'') aus dem Jahr 1999 aufgegriffen. Im Zusammenhang damit setzte das ''Forum of European Securities Commissions ''(FESCO) eine Expertengruppe ein, die im Sommer 2000 einen ersten Bericht vorlegte, der angesichts der bis dahin zersplitterten und wenig effektiven Bekämpfung der Marktmanipulation in den einzelnen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Vorgehen auf der Grundlage übereinstimmender Standards innerhalb der [[Europäische Union|EU]] als zwingend erforderlich empfahl. In einer Reihe weiterer Berichte zunächst der FESCO und dann des ''Committee of European Securities Regulators'' (CESR), das als unabhängiger Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden im Jahr 2002 die Aufgaben der FESCO übernommen hatte, wurden die Vorarbeiten für die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchs-RL) vom 28.1. 2003 (RL&nbsp;2003/‌6) geleistet.


Grenze des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts sind die in Art.&nbsp;6 und 7 Marken-RL geregelten Schranken (zu Art.&nbsp;7 Marken-RL [[Geistiges Eigentum (Erschöpfung)]]). Art.&nbsp;6(1) Marken-RL gestattet einem Dritten, trotz bestehenden Markenschutzes seinen Namen und seine Anschrift (Art.&nbsp;6(1)(a) Marken-RL), beschreibende Angaben über Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung, Wert, geographische Herkunft oder Herstellungszeit (Art.&nbsp;6(1)(b) Marken-RL) sowie die Marke, soweit sie als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware als Zubehör oder Ersatzteil notwendig ist (Art.&nbsp;6(1)(c) Marken-RL), im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht. Das Tatbestandsmerkmal der „anständigen Gepflogenheiten“ entspricht der Sache nach der Pflicht, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit die Verwendung des Handelsnamens des Dritten von den beteiligten Verkehrskreisen oder zumindest einem erheblichen Teil dieser Kreise als Hinweis auf eine Verbindung zwischen den Erzeugnissen des Dritten und dem Markeninhaber aufgefasst wird, inwieweit sich der Dritte dessen hätte bewusst sein müssen und inwieweit es sich um eine Marke handelt, die von einer gewissen Bekanntheit ist, die der Dritte beim Vertrieb seiner Erzeugnisse ausnutzen könnte (EuGH Rs.&nbsp;C-245/‌02 – ''Anheuser Busch'', Slg.&nbsp;2004, I-10989, Rn.&nbsp;82&nbsp;f.).
=== b) Regulierungsarchitektur ===
Die Marktmissbrauchs-RL, die eines der zentralen Anliegen des Aktionsplanes war, hat sowohl eine (Neu&#8209;)Regelung der [[Insidergeschäft]]e (einschließlich der ''ad hoc''-Publizität) als auch der Marktmanipulation zum Gegenstand. Sie ist eine der ersten Richtlinien, die nach den Vorgaben des im Jahr 2002 eingeführten vereinfachten Rechtsetzungsverfahrens, des sog. Komitologieverfahrens – auch, nach dem Vorsitzenden der Expertengruppe, die das Verfahren vorgeschlagen hatte, „Lamfalussy-Verfahren“ genannt –, zustande kam. Gemäß ihrem Charakter als ''Rahmenrichtlinie'' legt sie lediglich Grundprinzipien fest, während die technischen Einzelheiten auf der zweiten Stufe des Komitologieverfahrens in Form von Durchführungsmaßnahmen geregelt werden. Die Kommission hat in den Jahren 2003 und 2004 drei derartige ''Durchführungsrichtlinien'' (RL&nbsp;2003/‌124, RL&nbsp;2003/‌125, RL&nbsp;2004/‌72) erlassen, denen jeweils wiederum Vorarbeiten des CESR zugrunde lagen. Die drei Durchführungsrichtlinien werden durch die ''Verordnung'' der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchs-RL (VO&nbsp;2273/‌2003) ergänzt, welche in Auslegung des Art.&nbsp;8 der Richtline die für die Praxis wichtigen Ausnahmeregelungen vom Manipulationsverbot für Rückkaufprogramme für eigene Wertpapiere und Kursstabilisierungsmaßnahmen festlegt (''safe harbours''). Auf der dritten Ebene des Komitologieverfahrens interpretieren (bislang) drei Ausgaben von ''Leitlinien'' der CESR aus den Jahren 2004 (zur Marktmanipulation, CESR/‌04-505b), 2007 (zu Insider-Geschäften) und 2008 (zur Umsetzung der Richtlinie) das vorstehende Regelwerk.


=== d) Benutzungszwang und Verfall ===
=== c) Zentrale Regelungselemente ===
Abgesehen von einer allgemeinen Vorschrift zu [[Lizenzverträge]]n (Art.&nbsp;8 Marken-RL) und einer besonderen Verwirkungsregel (Art.&nbsp;9 Marken-RL) sieht das europäische Recht schließlich eine Pflicht zur ernsthaften Benutzung der Marke mit regelmäßig fünfjähriger Benutzungsschonfrist vor (Art.&nbsp;10(1) Marken-RL), deren Nichtbeachtung zum Verlust der Rechte aus der Marke und ihrem Verfall führt (Art.&nbsp;11, 12(1) Marken-RL), sofern nicht berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen (zu letzteren EuGH Rs.&nbsp;C-246/‌05 – ''Lidl'', Slg.&nbsp;2007, I-4673, Rn.&nbsp;54). Eine ernsthafte Benutzung ist gegeben, wenn die Marke außerhalb des betreffenden Unternehmens entsprechend ihrer Herkunftsfunktion benutzt wird, um für Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (EuGH Rs.&nbsp;C-40/‌01 – ''Ansul'', Slg.&nbsp;2003, I-2439, Rn.&nbsp;36&nbsp;ff.; EuGH Rs. C-442/‌07 – ''Verein Radetzky Orden'', Rn. 13&nbsp;ff.). Neben den Fällen nicht ernsthafter Benutzung kommt ein Verfall der Marke in Betracht, wenn sie nach dem Zeitpunkt ihrer Eintragung (für die Zeit vor der Eintragung Art.&nbsp;3(1)(b-d,&nbsp;g) Marken-RL) zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen geworden ist oder infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber geeignet ist, das Publikum über Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Waren irrezuführen (Art.&nbsp;12(2)(a und b) Marken-RL).
Das komplexe Regulierungsregime „Marktmissbrauch/‌<nowiki>Markmanipulation“ zielt auf die Schaffung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens zum Schutz der Marktintegrität und der Sicherung des Anlegervertrauens (Erwägungsgründe 11 u. 12 Marktmissbrauchs-RL. Gemäß Art.&nbsp;5 Marktmissbrauchs-RL haben die Mitgliedstaaten „jedermann [zu untersagen], Marktmanipulation zu betreiben“. Weitere Vorschriften geben den Mitgliedstaaten auf, für die Einrichtung der erforderlichen institutionellen Vorgaben Sorge zu tragen. Auf die zentrale Frage, was der europäische Normsetzer unter „Marktmanipulation“ versteht, findet sich in dem Regelwerk eine komplizierte, auf die drei Regulierungsebenen verteilte Antwort. Im Rahmen der allgemeinen Begriffsdefinitionen in Art.&nbsp;1 Marktmissbrauchs-RL werden in dessen Abs.&nbsp;2 zunächst drei unterschiedliche Verhaltensweisen in Form von „Basisdefinitionen“ als manipulativ qualifiziert: (i) Geschäfte (oder Aufträge), die potentiell falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder die Kurse von Finanzinstrumenten geben oder ein anormales oder künstliches Kursniveau herbeiführen, soweit nicht im Einzelfall ein legitimes Interesse besteht und kein Verstoß gegen die am jeweiligen Markt zulässige Marktpraxis vorliegt; (ii) Geschäfte (oder Aufträge), die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstiger Formen der Täuschung erfolgen; (iii) bewusste oder fahrlässige Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale geben (können). Es folgt ein knapper Beispielskatalog. Art.&nbsp;4 und Art.&nbsp;5 der RL&nbsp;</nowiki>2003/‌124) enthält in Form eines weiteren, nicht abschließenden Beispielskatalogs zusätzliche Erläuterungen zu den Basisdefinitionen der Marktmanipulation in Art.&nbsp;1(2) Marktmissbrauchs-RL. Der Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis innerhalb der Gemeinschaft dient ferner ein nicht abschließender Katalog von Kriterien zur Beurteilung von Marktpraktiken in Art. 2 der RL&nbsp;2004/‌72, die von den nationalen Behörden zu beachten sind. Zusätzlich liefern die Leitlinien der CESR von 2004 – wiederum in Form von Beispielen – Erläuterungen zur Veranschaulichung, welches einerseits zulässige Marktpraktiken und andererseits typischerweise unzulässige Manipulationspraktiken sind (CESR/‌04-505b).
 
In einem gewissen Gegensatz zu diesen Bemühungen, die tatbestandliche Seite der Marktmanipulation möglichst präzise zu erfassen, steht die knappe Regelung der Sanktionen in Art.&nbsp;14 Marktmissbrauchs-RL. Danach haben die Mitgliedstaaten lediglich dafür zu sorgen, dass bei Verstößen gegen das Manipulationsverbot verhältnismäßige, aber ausreichend abschreckende Verwaltungsmaßnahmen ergriffen werden können, während es ihnen überlassen bleibt, zusätzlich Kriminalstrafen zu verhängen. Zur Frage eines zivilrechtlichen Schadensersatzes schweigt die Marktmissbrauchs-RL.
 
Insgesamt beeindrucken einerseits die Ausdifferenziertheit des Regelwerkes „Marktmissbrauch/‌Marktmanipulation“, dessen Flexibilität wie auch die Rückkoppelung an die Praxis, andererseits ist die Gefahr einer wachsenden Übernahme von Gesetzgebungstätigkeit durch die Exekutive und der damit verbundene Verlust demokratischer Kontrolle nicht zu übersehen, was auch im Zentrum der Diskussion um die Einführung des Lamfalussy-Verfahrens stand.


==Literatur==
==Literatur==
''Christopher Morcom, Ashley Roughton, James Graham, Simon Malynicz'', The Modern Law of Trade Marks, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''David Kitchin, David Llewelyn, James Mellor, Richard Meade, Thomas Moody-Stuart, David Keeling'', Kerly’s Law of Trade Marks and Trade Names, 14.&nbsp;Aufl. 2005; ''Ulrich Hildebrandt'', Marken und andere Kennzeichen, 2006; ''Eva-Marina Bastian, Roland Knaak, Gerhard Schricker'', Gemeinschaftsmarke und Recht der EU-Mitgliedstaaten, 2006; ''Paul Lange'', Marken- und Kennzeichenrecht, 2006; ''Paul Ströbele, Franz Hacker, Irmgard Kirschneck,'' Markengesetz, 8. Aufl. 2006; ''Friedrich L. Ekey, Diethelm Klippel,'' Heidelberger Kommentar zum Markenrecht, 2.&nbsp;Aufl. 2007; ''Karl-Heinz Fezer'', Markenrecht, 4.&nbsp;Aufl. 2009; ''Annette Kur'', Confusion over Use? – Die Benutzung „als Marke“ im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil 2008, 1&nbsp;ff.; G''raeme B. Dinwoodie, Mark D. Janis'', Trademark Law and Theory: A Handbook of Contemporary Research, 2008.
''Louis Loss'', Fundamentals of Securities Regulation, 2.&nbsp;Aufl. 1988<nowiki>; </nowiki>''Klaus J. Hopt'','' Bernd Rudolph'','' Harald Baum'' (Hg.), Börsenreform, 1997; ''Christian Altendorfer'', Kursmanipulationen am Wertpapiermarkt, in: Joseph Aicher, Susanne Kalss, Martin Oppitz (Hg.), Grundfragen des neuen Börserechts, 1998, 207&nbsp;ff.; ''Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions'', Investigating and Prosecuting Market Manipulation, 2000; ''Holger Fleischer'', Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten, Gutachten F., in: Deutscher Juristentag (Hg.), Gutachten F + G zum 64. Deutschen Juristentag Berlin 2002, 2002, F&nbsp;1&nbsp;ff.; ''Guido A. Ferrarini'', The European Market Abuse Directive, Common Market Law Review 41 (2004) 711&nbsp;ff.; ''Emilios E. Avgouleas'', The Mechanics and Regulation of Market Abuse, 2005;'' Martin Oppitz'', Kurspflege und Kursmanipulation, BankArchiv 53 (2005) 169&nbsp;ff.; ''Jan Eichelberger'', Das Verbot der Marktmanipulation, 2006; ''Joachim Vogel'', Vor&nbsp;§&nbsp;20a, in: Heinz-Dieter Assmann, Uwe H. Schneider (Hg.), Wertpapierhandelsgesetz, 4.&nbsp;Aufl. 2006; ''Indre Waschkeit'', Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 2007.


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[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Trade_Mark_Law]]
[[en:Market_Manipulation]]

Version vom 28. September 2021, 18:10 Uhr

von Harald Baum

1. Phänomen

Die Versuchung, die Kurse oder Preise von Wertpapieren, Waren oder deren jeweiligen Derivaten, die an einer Börse oder einem sonstigen Marktplatz gehandelt werden, gezielt zum eigenen Vorteil zu beeinflussen, ist so alt wie diese Institutionen selber. Das Gleiche gilt für das Bemühen, derartige „missbräuchliche“ Praktiken zu unterbinden. Ungeachtet dessen sind jedoch durch die Jahrhunderte einschlägige Täuschungsmanöver an allen internationalen Börsenplätzen von London über Paris bis nach New York, Wien oder Frankfurt dokumentiert. Begrifflich spricht man modern von „Marktmanipulation“ (market manipulation); zuvor war meist von „Einwirken auf Börsen- oder Marktpreise“ oder „Kurs- und Marktpreismanipulation“ die Rede. Zusammen mit den verwandten und ebenfalls unerwünschten (dysfunktionalen) Insidergeschäften (insider dealing) stellt die Marktmanipulation in der Terminologie des Gemeinschaftsrechts einen „Marktmissbrauch“ (market abuse) dar. Präzise Legaldefinitionen fehlen indes; stattdessen verwenden moderne Gesetze meist beispielhafte Aufzählungen und Kriterienkataloge, um zwischen verbotenem und erlaubtem Verhalten mit Kursbeeinflussungspotential zu differenzieren.

a) Erscheinungsformen

Die Schwierigkeit, das Phänomen in den Griff zu bekommen, liegt in der Vielfalt seiner möglichen Erscheinungsformen. Phänomenologisch und systematisierend wird allgemein zwischen drei Arten von Aktivitäten unterschieden, mittels derer sich Marktpreise zum Vorteil des oder der Handelnden direkt oder indirekt verfälschen lassen. Dies sind zunächst die verschiedenen Formen der „informationsgestützten“ (information based) Manipulation. Hierzu zählt vor allem die Verbreitung falscher Informationen in Bezug auf den Emittenten, wie etwa die Veröffentlichung unrichtiger oder irreführender Bilanzen, Geschäftsberichte oder ad hoc-Mitteilungen. Auch die Streuung von Gerüchten, die geeignet sind, die Anlageentscheidungen zu beeinflussen, fällt in diese Kategorie. Eine weitere Variante ist der Missbrauch privilegierter Informationen, der juristisch jedoch teilweise auch als Insider-Handel qualifiziert wird. Ein Beispiel hierfür ist das sog. scalping, bei dem der Akteur, etwa ein Finanzjournalist, eine unzutreffende, aber kurssteigernde öffentliche Kaufempfehlung abgibt, nachdem er sich zuvor selber günstig mit den entsprechenden Werte eingedeckt hat.

Als zweites sind die unterschiedlichen Formen der „handelsgestützten“ (trade based) Manipulation zu nennen. Hierunter fallen sowohl sog. fiktive wie auch effektive Geschäfte. Die klassische Form der Manipulation sind für den oder die Beteiligten wirtschaftlich neutrale („fiktive“) Transaktionen, die dem Ziel dienen, künstlich Handelsaktivitäten, Liquidität und Trends zwecks Steigerung des Kurses oder Marktpreises vorzutäuschen. Dabei können Käufer und Verkäufer wirtschaftlich identisch sein (wash sales), oder zwei (oder auch mehrere) verschiedene Marktteilnehmer haben sich dergestalt abgesprochen, dass zwar der wirtschaftliche Eigentümer wechselt, aber durch korrespondierende gegenläufige, eventuell auch zeitversetzte Orders das wirtschaftliche Ergebnis gleich bleibt (matched orders/‌circular trade). Bei der handelsgestützten Manipulation in Form effektiver Geschäfte findet hingegen eine wirtschaftlich relevante Transaktion statt, die sich objektiv nicht von normalen Geschäften unterscheidet. Dies wirft erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber solchen Erwerbsgeschäften auf, die im Rahmen einer erlaubten Kurspflege oder ‑stabilisierung und/‌oder eines Rückerwerbs eigener Aktien erfolgen und auf die Kurse einwirken. Mangels objektiver Unterscheidbarkeit kommt es für die Differenzierung auf subjektive Kriterien, namentlich eine Manipulationsabsicht an. Ein umstrittenes, in der Praxis insbesondere bei Hedgefonds verbreitetes Beispiel sind Leerverkäufe, die auf fallende Kurse oder Preise spekulieren. Hier besitzt der Verkäufer die verkauften Werte zum Verkaufszeitpunkt nicht, sondern muss diese erst noch bis zum Erfüllungszeitpunkt – in der Hoffnung auf günstigere Konditionen – erwerben oder leihen. Da Leerverkäufe zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes beitragen können, sind sie international in der Regel zumindest nicht prinzipiell verboten, werden aber im Zuge von Finanzkrisen oftmals temporär untersagt.

Das dritte sind „handlungsgestützte“ (action based) Manipulationen. Hierunter werden über die Verbreitung falscher Informationen hinausgehende sonstige Aktionen verstanden, die darauf abzielen, den inneren Wert der Finanzinstrumente zu beeinflussen. Dadurch hofft der Akteur, zu verfälschten Kursen oder Preisen für ihn vorteilhafte Geschäfte tätigen zu können. Ein Beispiel sind Sabotageakte mit entsprechender Zielsetzung.

b) Abgrenzungen

Manipulationen sind von Spekulationen und Insiderhandel abzugrenzen. Von letzterem unterscheiden sie sich dadurch, dass der Manipulant, anders als der Insider, nicht lediglich bereits bestehende Informationsasymmetrien ausnutzt, sondern die für den Kapitalmarkt nachteilige Fehlbildung des Kurses oder Preises erst selber herbeiführt. Der Spekulant verursacht hingegen – ebensowenig wie ein Insider – keine Fehlbildung der Kurse oder Preise am Markt, sondern nutzt nur vorhandene Informationen aus. In Erwartung einer zeitnahen Preisänderung erwirbt er – allerdings ohne privilegiertes Insiderwissen – Finanzinstrumente, von denen er hofft, sie kurzfristig wieder mit Gewinn veräußern zu können. Spekulationen tragen zur Effizienz der Kapitalmärkte bei und sind deshalb international meist nicht untersagt.

2. Zur Regulierung aus vergleichender Perspektive

Die auf Verfälschung der Kurs- und Preisentwicklung gerichteten Marktmanipulationen liefern – weitgehend unstreitig – keinen Beitrag zur Steigerung der Informationseffizienz des Kapitalmarktes, sondern tragen im Gegenteil in aller Regel zur deren Verschlechterung bei und haben insoweit lediglich nachteilige Folgen für die Marktteilnehmer und für den Markt als solchen. Denn eine Verringerung der Informationseffizienz führt zu einer Beeinträchtigung der Allokationsfunktion wie auch der Kapitalaufbringungs- und Kapitalbewertungsfunktion des Kapitalmarktes. Entsprechend besteht (inzwischen) international zumindest überwiegend Einigkeit darüber, dass Marktmanipulationen durch Verbote unterbunden werden sollten, um so das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Kurs-/‌preisbildung und damit die Integrität und Leistungsfähigkeit des Marktes zu schützen. Vordringliches Ziel ist mithin der überindividuelle Funktionsschutz und weniger der Anlegerschutz im engeren Sinne. Hinsichtlich der Reichweite und Ausgestaltung des Verbotes sind allerdings international erhebliche Unterschiede zu beobachten.

a) Ausländische Rechte

Dies gilt namentlich für die Sanktionen. Teilweise sind diese rein strafrechtlicher Natur. Dies war früher für Deutschland mit dem strafbewehrten, aber wenig praxisrelevanten Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation in § 88 BörsG a.F. der Fall. Seit 1997 verfügt die Schweiz mit Art. 161bis StGB über einen eigenen Straftatbestand für Kursmanipulationen, der in zwei eng gefassten Tatbestandsalternativen zum einen das Verbreiten irreführender Informationen zwecks Kursbeeinflussung zum eigenen Vorteil unter Strafe stellt und zum anderen handelsgestützte Manipulationen in Form direkter oder indirekter fiktiver Geschäfte (wash sales oder matched orders) verbietet. Die Marktverhaltensregeln der Eidgenössischen Bankenkommission vom März 2008 präzisieren diese Verbote durch eine beispielhafte Auflistung von zulässigen und unzulässigen Wertpapiertransaktionen und Verhaltensweisen am Markt.

Teilweise wird jedoch auch auf eine Kriminalisierung verzichtet. So ahndet etwa Österreich die nach § 48a BörseG verbotenen Marktmanipulationen lediglich als eine Verwaltungsübertretung, die nach § 48c BörseG nur mit einer Geldstrafe und dem Verfall des Vermögensvorteils sanktioniert wird. Nach § 48q BörseG kann zudem ein (zeitlich befristetes) Berufsverbot verhängt werden.

Am weitesten verbreitet sind indes Mischsysteme. Im Jahr 2008 verfügten 25 von 29 untersuchten europäischen Staaten über eine Kombination von unterschiedlichen Sanktionen. Eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Marktmanipulation kommt den britischen Gerichten zu. Die älteste einschlägige Entscheidung stammt aus dem Jahr 1814 (Rex v. De Berenger (1814) 105 ER 536), in der das Gericht eine informationsgestützte Manipulation unter Anwendung des common law als conspiracy to rig the market verurteilte. Inzwischen ist die Marktmanipulation in Part VIII (sec. 118 ff.) des Financial Services and Markets Act 2000 geregelt. Zur Konkretisierung der Tatbestands der Marktmanipulation hat die Financial Services Authority einen Code of conduct, das FSA’s Market Conduct Handbook, veröffentlicht, das zwischen informations-, handelsgestützten und sonstigen Formen der Manipulation unterscheidet. Als Sanktionen sind alternativ ein Bußgeld oder die öffentliche Bekanntgabe eines Verstoßes gegen das Manipulationsverbot vorgesehen; daneben sind eine Gewinnabschöpfung und zivilrechtliche Ansprüche möglich. Zusätzlich greift das in Part XXVII (sec. 397) konstituierte allgemeine Verbot täuschender Verlautbarungen und Praktiken.

Das ausgereifte US-amerikanische Kapitalmarktrecht kennt einen besonders differenzierteren und flexiblen Katalog von abgestuften Sanktionen, der von aufsichtsrechtlichen (disziplinarischen) Maßnahmen, wie Untersagungsverfügungen oder Berufsverboten, über Gewinnherausgabe und Bußgelder (civil penalities) bis zu Kriminalstrafen (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren) reicht. Daneben werden geschädigten Anlegern ausdrücklich gesetzliche Schadensersatzansprüche zuerkannt. Die wichtigsten einschlägigen Regelungen finden sich seit den 1930er Jahren in den beiden zentralen bundesrechtlichen Kapitalmarkgesetzen, dem Securities Act (SA) von 1933 und dem Securities and Exchange Act (SEA) von 1934. Sec. 9 SEA enthält ein spezifisches Verbot der handels- wie auch der informationsgestützten Kurs-/‌Preismanipulationen beim Handel mit börsennotierten Wertpapieren. Wegen der hohen Beweisanforderungen für die nach dieser Norm erforderliche Manipulationsabsicht hat das allgemeine, weiter gefasste kapitalmarktrechtliche Betrugsverbot in sec. 10 lit. b SEA i.V.m. Rule 10b-5 allerdings für die Praxis zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ferner sieht sec. 17 lit. a SA ein Verbot betrügerischer Machenschaften und irreführender Informationen beim Verkauf von Wertpapieren vor, das auch Manipulationen umfasst. Spezielle Regelungen sehen Ausnahmen von den Verboten für zulässige Aktivitäten wie Rückkäufe eigener Wertpapiere vor (sog. safe harbours).

b) Deutsches Recht

Das deutsche Recht hat sich im Jahr 2002 mit Einführung des „Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation“ – seit 2004 im Zuge der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (dazu unten 3.) als „Verbot der Marktmanipulation“ bezeichnet – in § 20a i.V.m. §§ 38, 39 WpHG für eine Kombination von Kriminalstrafen und Bußgeldern entschieden. Der Tatbestand des § 20a WpHG, der das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation in § 88 BörsG a.F. abgelöst hat, unterscheidet in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der vorstehend erwähnten Dreiteilung zwischen (i) informations- und (ii) handelsgestützten Marktmanipulationen sowie (iii) sonstigen Täuschungshandlungen. Nach dem Vorbild der US-amerikanischen safe harbours stellen zulässige Marktpraktiken, der Handel mit eigenen Wertpapieren im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise von Finanzinstrumenten keine Verstöße gegen das Manipulationsverbot dar, soweit sie sich im Rahmen der gemeinschaftsrechtlich gezogenen Grenzen halten. Die Marktmanipulations-Konkretisierungs-Verordnung vom 1.3.2005 verdeutlicht und ergänzt den Tatbestand des § 20a WpHG. In Gegensatz zum US-amerikanischen Recht lassen sich aus einem Verstoß gegen das kapitalmarkrechtliche Manipulationsverbot als solchem keine zivilrechtliche Ansprüche ableiten, da die Vorschrift nach herrschender, wenn auch umstrittener Ansicht kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist, sondern lediglich einen allgemeinen Funktionsschutz bezweckt. Geschädigte Anleger bleiben für Schadensersatzansprüche auf § 826 BGB verwiesen, und müssen dafür das Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Manipulanten nachweisen.

c) IOSCO

Wie der knappe rechtsvergleichende Überblick zeigt, kennen die nationalen Rechte zwar durchweg Verbote der Marktmanipulation, diese sind jedoch hinsichtlich ihrer Reichweite und Sanktionierung unterschiedlich ausgestaltet. Eine international vereinheitlichte Praxis hat sich diesbezüglich bislang nicht herausgebildet. Allenfalls einen ersten, wenn auch wichtigen Schritt in diese Richtung stellt der Bericht des Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions (IOSCO), “Investigating and Prosecuting Market Manipulation”, vom Mai 2000 dar, der auf umfassender rechtsvergleichender Grundlage eine Analyse der international verbreiteten Manipulationstechniken erstellt und einige allgemein gehaltene Empfehlungen zu deren Bekämpfung ausspricht. Von besonderem Interesse war dabei die Etablierung von Mindeststandards und Verfahren, die eine internationale Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Marktmanipulationen ermöglichen sollen. Mit den Aktivitäten der IOSCO korrespondierten Bemühungen auf europäischer Ebene.

3. Genese und zentrale Elemente des Regelwerkes „Marktmissbrauch/‌ Marktmanipulation“

a) Genese

Die Europäische Kommission hat das Thema Marktmanipulation erstmals gezielt in ihrem Aktionsplan zur Umsetzung des Finanzmarktrahmens (Financial Services Action Plan) aus dem Jahr 1999 aufgegriffen. Im Zusammenhang damit setzte das Forum of European Securities Commissions (FESCO) eine Expertengruppe ein, die im Sommer 2000 einen ersten Bericht vorlegte, der angesichts der bis dahin zersplitterten und wenig effektiven Bekämpfung der Marktmanipulation in den einzelnen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Vorgehen auf der Grundlage übereinstimmender Standards innerhalb der EU als zwingend erforderlich empfahl. In einer Reihe weiterer Berichte zunächst der FESCO und dann des Committee of European Securities Regulators (CESR), das als unabhängiger Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden im Jahr 2002 die Aufgaben der FESCO übernommen hatte, wurden die Vorarbeiten für die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchs-RL) vom 28.1. 2003 (RL 2003/‌6) geleistet.

b) Regulierungsarchitektur

Die Marktmissbrauchs-RL, die eines der zentralen Anliegen des Aktionsplanes war, hat sowohl eine (Neu‑)Regelung der Insidergeschäfte (einschließlich der ad hoc-Publizität) als auch der Marktmanipulation zum Gegenstand. Sie ist eine der ersten Richtlinien, die nach den Vorgaben des im Jahr 2002 eingeführten vereinfachten Rechtsetzungsverfahrens, des sog. Komitologieverfahrens – auch, nach dem Vorsitzenden der Expertengruppe, die das Verfahren vorgeschlagen hatte, „Lamfalussy-Verfahren“ genannt –, zustande kam. Gemäß ihrem Charakter als Rahmenrichtlinie legt sie lediglich Grundprinzipien fest, während die technischen Einzelheiten auf der zweiten Stufe des Komitologieverfahrens in Form von Durchführungsmaßnahmen geregelt werden. Die Kommission hat in den Jahren 2003 und 2004 drei derartige Durchführungsrichtlinien (RL 2003/‌124, RL 2003/‌125, RL 2004/‌72) erlassen, denen jeweils wiederum Vorarbeiten des CESR zugrunde lagen. Die drei Durchführungsrichtlinien werden durch die Verordnung der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchs-RL (VO 2273/‌2003) ergänzt, welche in Auslegung des Art. 8 der Richtline die für die Praxis wichtigen Ausnahmeregelungen vom Manipulationsverbot für Rückkaufprogramme für eigene Wertpapiere und Kursstabilisierungsmaßnahmen festlegt (safe harbours). Auf der dritten Ebene des Komitologieverfahrens interpretieren (bislang) drei Ausgaben von Leitlinien der CESR aus den Jahren 2004 (zur Marktmanipulation, CESR/‌04-505b), 2007 (zu Insider-Geschäften) und 2008 (zur Umsetzung der Richtlinie) das vorstehende Regelwerk.

c) Zentrale Regelungselemente

Das komplexe Regulierungsregime „Marktmissbrauch/‌Markmanipulation“ zielt auf die Schaffung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens zum Schutz der Marktintegrität und der Sicherung des Anlegervertrauens (Erwägungsgründe 11 u. 12 Marktmissbrauchs-RL. Gemäß Art. 5 Marktmissbrauchs-RL haben die Mitgliedstaaten „jedermann [zu untersagen], Marktmanipulation zu betreiben“. Weitere Vorschriften geben den Mitgliedstaaten auf, für die Einrichtung der erforderlichen institutionellen Vorgaben Sorge zu tragen. Auf die zentrale Frage, was der europäische Normsetzer unter „Marktmanipulation“ versteht, findet sich in dem Regelwerk eine komplizierte, auf die drei Regulierungsebenen verteilte Antwort. Im Rahmen der allgemeinen Begriffsdefinitionen in Art. 1 Marktmissbrauchs-RL werden in dessen Abs. 2 zunächst drei unterschiedliche Verhaltensweisen in Form von „Basisdefinitionen“ als manipulativ qualifiziert: (i) Geschäfte (oder Aufträge), die potentiell falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder die Kurse von Finanzinstrumenten geben oder ein anormales oder künstliches Kursniveau herbeiführen, soweit nicht im Einzelfall ein legitimes Interesse besteht und kein Verstoß gegen die am jeweiligen Markt zulässige Marktpraxis vorliegt; (ii) Geschäfte (oder Aufträge), die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstiger Formen der Täuschung erfolgen; (iii) bewusste oder fahrlässige Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale geben (können). Es folgt ein knapper Beispielskatalog. Art. 4 und Art. 5 der RL 2003/‌124) enthält in Form eines weiteren, nicht abschließenden Beispielskatalogs zusätzliche Erläuterungen zu den Basisdefinitionen der Marktmanipulation in Art. 1(2) Marktmissbrauchs-RL. Der Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis innerhalb der Gemeinschaft dient ferner ein nicht abschließender Katalog von Kriterien zur Beurteilung von Marktpraktiken in Art. 2 der RL 2004/‌72, die von den nationalen Behörden zu beachten sind. Zusätzlich liefern die Leitlinien der CESR von 2004 – wiederum in Form von Beispielen – Erläuterungen zur Veranschaulichung, welches einerseits zulässige Marktpraktiken und andererseits typischerweise unzulässige Manipulationspraktiken sind (CESR/‌04-505b).

In einem gewissen Gegensatz zu diesen Bemühungen, die tatbestandliche Seite der Marktmanipulation möglichst präzise zu erfassen, steht die knappe Regelung der Sanktionen in Art. 14 Marktmissbrauchs-RL. Danach haben die Mitgliedstaaten lediglich dafür zu sorgen, dass bei Verstößen gegen das Manipulationsverbot verhältnismäßige, aber ausreichend abschreckende Verwaltungsmaßnahmen ergriffen werden können, während es ihnen überlassen bleibt, zusätzlich Kriminalstrafen zu verhängen. Zur Frage eines zivilrechtlichen Schadensersatzes schweigt die Marktmissbrauchs-RL.

Insgesamt beeindrucken einerseits die Ausdifferenziertheit des Regelwerkes „Marktmissbrauch/‌Marktmanipulation“, dessen Flexibilität wie auch die Rückkoppelung an die Praxis, andererseits ist die Gefahr einer wachsenden Übernahme von Gesetzgebungstätigkeit durch die Exekutive und der damit verbundene Verlust demokratischer Kontrolle nicht zu übersehen, was auch im Zentrum der Diskussion um die Einführung des Lamfalussy-Verfahrens stand.

Literatur

Louis Loss, Fundamentals of Securities Regulation, 2. Aufl. 1988; Klaus J. Hopt, Bernd Rudolph, Harald Baum (Hg.), Börsenreform, 1997; Christian Altendorfer, Kursmanipulationen am Wertpapiermarkt, in: Joseph Aicher, Susanne Kalss, Martin Oppitz (Hg.), Grundfragen des neuen Börserechts, 1998, 207 ff.; Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Investigating and Prosecuting Market Manipulation, 2000; Holger Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten, Gutachten F., in: Deutscher Juristentag (Hg.), Gutachten F + G zum 64. Deutschen Juristentag Berlin 2002, 2002, F 1 ff.; Guido A. Ferrarini, The European Market Abuse Directive, Common Market Law Review 41 (2004) 711 ff.; Emilios E. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse, 2005; Martin Oppitz, Kurspflege und Kursmanipulation, BankArchiv 53 (2005) 169 ff.; Jan Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation, 2006; Joachim Vogel, Vor § 20a, in: Heinz-Dieter Assmann, Uwe H. Schneider (Hg.), Wertpapierhandelsgesetz, 4. Aufl. 2006; Indre Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 2007.