Investmentfonds und Irrtum: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Bedeutung und Entwicklung von Investmentgesellschaften ==
== 1. Gegenstand und Zweck von Irrtumsregelungen ==


Investmentgesellschaften dienen der gemeinsamen Anlage insbesondere in Wertpapiere und ermöglichen eine Risikostreuung auch bei der Anlage kleinerer Beträge. Ende 2007 wurden in Europa knapp EUR 8 Bill. (EUR 7.909 Mrd.) von Investmentgesellschaften gehalten. Infolge der Finanzmarktkrise hat sich das von Europäischen Investmentfonds verwaltete Vermögen verringert, verringert, zum dritten Quartal 2008 um etwas mehr als eine Billion Euro auf EUR 6.844 Mrd., zu Ende 2008 sogar um fast zwei Billionen Euro auf EUR 6.142 Mrd. Zurückgegangen ist insbesondere das von Aktienfonds verwaltete Vermögen. Bemerkenswert bleibt, dass sich bei Investmentfonds bereits ein europäischer Markt herausgebildet hat. Der größte europäische Markt für Investmentfonds ist Luxemburg, gefolgt von Frankreich, Irland und dem Vereinigten Königreich. Luxemburg war 2006 nach den USA weltweit der zweitgrößte Standort für Investmentfonds. Der größte Teil des in Europa von Investmentfonds verwalteten Vermögens fällt unter die entsprechende europäische Richtlinie, Ende 2008 waren dies EUR 4.593 Mrd.
Verträge, aber auch einseitige Rechtsgeschäfte, insbesondere die des Erbrechts, können durch Fehlvorstellungen beeinflusst sein. Versteht man den [[Vertrag]] und das [[Testament]] als Ausdruck der rechtlichen Selbstbestimmung der Beteiligten, so drängt dies zu der Frage, ob das von einer Fehlvorstellung mitbestimmte Rechtsgeschäft den oder die Beteiligten binden kann. Alle europäischen Kodifikationen, aber auch die internationalen Regelungswerke und Textvorschläge zur Vereinheitlichung des Vertragsrechts enthalten Regelungen dazu, wann und auf welche Weise man sich der Geltung eines Rechtsgeschäfts unter Berufung auf einen Irrtum entziehen kann. Das moderne Rechtsdenken und insbesondere die klassischen westeuropäischen Kodifikationen ordnen die Problematik des Irrtums in das Gebiet der Willensmängel ein, zu denen außer dem Irrtum vor allem [[Täuschung]] und [[Drohung]] gehören. Weil vor dem Eintritt in die Irrtumsproblematik festzustellen ist, mit welchem Inhalt ein Rechtsgeschäft eigentlich bindend geworden ist, besteht eine Wechselwirkung mit dem Recht der [[Auslegung von Verträgen]] (und anderen Rechtsgeschäften).


Die Anfänge des Investmentgeschäfts können in das 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in den USA das Treuhandgeschäft eng verbunden mit dem Versicherungsgeschäft ausgeübt und Banken als „Trust & Banking Company“ gegründet. In Europa sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Investmentgesellschaften in Schottland und England entstanden. Als ''Trust Companies ''bezeichnet, fanden sie später in Kontinentaleuropa, in der Schweiz und in den Niederlanden Verbreitung. In Deutschland bestanden wohl erst in den 1920er Jahren zwei Einrichtungen, die als Investmentgesellschaften bezeichnet werden können. Anfang der 1930er Jahre wurde dann in der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen versucht, so genannte Kapitalverwaltungsgesellschaften zu etablieren. Letztlich wurden damit die steuerlichen Hürden durch die Regelung der Kapitalverwaltungsgesellschaft aber nur gemildert, die Investmentgesellschaften konnten sich in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg nicht durchsetzen. Umfassend geregelt wurden Investmentgesellschaften in den USA durch den ''Investment Company Act 1940'' sowie in Deutschland durch das 1957 verabschiedete Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften.
Im Bereich des Vertragsrechts sieht man die Irrtumsproblematik in der Hauptsache als einen Konflikt zwischen der Selbstbestimmung des Irrenden, dem man erlauben möchte, sich dem nicht wirklich gewollten Rechtsgeschäft zu entziehen, und dem Vertrauensschutz des Vertragspartners, dessen Interesse sich auf den Bestand des einmal eingegangenen Vertrages richtet. Beim Irrtumsrecht geht es durchweg um einen Ausgleich dieses Grundkonflikts. Die Regelungselemente, die in den verschiedensten Kombinationen zum Einsatz kommen, sind indes sehr unterschiedlich. Überall ist das Irrtumsrecht ein zentraler, charakteristischer Bestandteil des Vertragsrechts, weil sich in der konkreten Ausgestaltung der Irrtumsregelungen zugleich die unterschiedlichen Vertragskonzepte und ‑theorien widerspiegeln.


== 2. Europäische Regelungen ==
Grundlegend anders verhält es sich mit der Irrtumsproblematik bei den einseitigen Geschäften des [[Erbrecht]]s; hier spielt das Gegeninteresse des Vertrauensschutzes keine Rolle. Dementsprechend verfügen viele Rechtsordnungen über Sonderregelungen zum Irrtum im Erbrecht. Auf diese wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.


Auf europäischer Ebene sind Investmentfonds Gegenstand der seit 1985 erlassenen und seitdem mehrfach geänderten OGAW-RL (RL 85/‌ 611). Die OGAW-RL, die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, war eine der ersten Richtlinien zur Verwirklichung des Binnenmarktes und sieht insbesondere einen einheitlichen europäischen Pass für Investmentfonds vor. Derzeit erfolgt eine grundlegende Überarbeitung dieser Richtlinie. Dazu hat die Kommission im November 2006 ein Weißbuch vorgelegt. Gegenstand der Überarbeitung ist etwa die Frage, ob auch für bislang nicht harmonisierte Investmentfonds, insbesondere für offene Immobilienfonds, gemeinsame Regelungen und damit ein gemeinsamer europäischer Pass zu schaffen sind. Weiter soll die Anlage von professionellen Anlegern in Nicht-Publikumsfonds erleichtert und solche grenzüberschreitenden Geschäfte liberalisiert werden. Neu geschaffen werden sollen Regeln zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Fusion von Investmentfonds.
Eine weitere, über den Bereich der Rechtsgeschäftslehre hinausgreifende Variante der Irrtumsproblematik liegt in der Fehleinschätzung der Rechtslage, dem sogenannten Rechtsirrtum (''error iuris'','' mistake of law''). Fast jede verhaltensbedingte Rechtsfolge kann daraufhin befragt werden, ob die betroffene Person Kenntnis von den Rechtsfolgen haben musste, damit diese effektiv eintreten. Rechtsunkenntnis und ihre Folgen bilden ein Grundproblem, das die Rechtsordnungen in ihrer ganzen Breite durchzieht und insbesondere auch für das Strafrecht vertieft wird. In der historischen Entwicklung der Irrtumslehren und auch in den klassischen Kodifikationen hat man den Rechtsirrtum, wohl auch wegen seines ganz anderen Anwendungsbereichs, zumeist nicht in die allgemeinen Irrtumsbestimmungen integriert, doch hat es auch immer wieder Versuche einer Integration von Rechts- und Tatsachenirrtum in einer einheitlichen Irrtumslehre gegeben.


Mit einem Entwurf der Kommission vom Juli 2008 (KOM(2008) 458 endg.) soll der Text OGAW-RL konsolidiert und die OGAW-RL selbst vorsichtig weiterentwickelt werden. In den Text der OGAW-RL sollen die zahlreichen Änderungen der OGAW-RL seit 1985 integriert werden. Im Entwurf der Kommission für Neufassung der OGAW-RL enthalten sind Regelungen für die nationale und grenzüberschreitende Verschmelzung. Für eine Verschmelzung soll die Zustimmung von 75 % der Anteilsinhaber ausreichen, wenn das nationale Recht eine Zustimmung der Anteilsinhaber vorsieht. Weiter werden neue Vorschriften für ''Master/‌Feeder''-Strukturen vorgesehen, bei denen ein OGAW (''Feeder''-OGAW) sein gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen in einen anderen OGAW (''Master''-OGAW) investiert. Einen weiteren Schwerpunkt bilden neue Bestimmungen über die wesentlichen Anlegerinformationen. Vereinfacht und verbessert werden sollen die Meldevorschriften, die den europaweiten Vertrieb der in einem Mitgliedstaat zugelassenen OGAW erst ermöglichen. Dem Entwurf der Kommission hat das Europäische Parlament im Januar 2009 mit einigen Änderungen zugestimmt (P6_TA(2009)0012). Danach können für grenzüberschreitende Verschmelzungen keine strengeren Quoren vorgesehen werden als für inländische Verschmelzungen.
== 2. Geschichtliches ==


Konkret sind Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (OGAW) diejenigen Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Die Organismen für gemeinsame Anlage in Wertpapieren können nach einzelstaatlichem Recht die Vertragsform (von der Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form eines ''trust'' (''unit trust'') oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) wählen. Die Anlage hat nach dem Grundsatz der Risikostreuung zu erfolgen. Die Anlagegrundsätze und ‑schranken werden in der Richtlinie sowie in einer Durchführungsrichtlinie näher ausgeführt. Wertpapiere im Sinne der OGAW-RL sind Aktien und andere, Aktien gleichwertige Wertpapiere, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel sowie alle anderen marktfähigen Wertpapiere, die zum Erwerb von Wertpapieren im Sinne der Richtlinie durch Zeichnung oder Austausch berechtigen. Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (OGAW) bedürfen der Zulassung. Die Zulassung gilt für sämtliche Mitgliedstaaten. Die Verwahrung des Vermögens eines OGAW ist einer Verwahrstelle zu übertragen.  
Die Grundlage für die kontinentaleuropäischen Irrtumslehren bildet das [[römisches Recht|römische Recht]], und zwar in der Gestalt, in der es im Mittelalter Gegenstand der [[Rezeption]] wurde. Das antike römische Recht selbst verfügte über keine geschlossene, auf alle Arten von Rechtsgeschäften gleichermaßen anwendbare Irrtumslehre. Vielmehr wurde je nach der Art des Rechtsakts gefragt, ob dessen Verwirklichung gelungen war oder nicht. So bestimmte der Tatbestand des Rechtsakts gleichsam negativ, ob ein Irrtum einer Partei dem wirksamen Abschluss des Geschäfts entgegenstand. Bei den konsensbezogenen Geschäften war es die Frage, ob die Fehlvorstellung einer Partei nicht zu einem Dissens geführt hatte. Es gab keinen vom Geschäftstatbestand getrennten Irrtumstatbestand; die Irrtumslehre war integraler Bestandteil der Lehre vom Zustandekommen des Rechtsgeschäfts. Wurde, bedingt durch Irrtum oder Missverständnis, der Geschäftstatbestand nicht verwirklicht, so war dies nicht einseitig einer der Parteien (dem „Irrenden“) anzulasten. Besondere Rechtsfolgenanordnungen fehlten.


== 3. Historische Entwicklung ausgewählter nationaler Regeln ==
Die kontinentale Jurisprudenz des Mittelalters schuf eine Ordnung von Irrtumstypen, die sich auf den thematischen Gegenstand der Fehlvorstellung (Vertragstyp, &#8209;gegenstand, &#8209;partner) bezog; ''error in negotio'','' in corpore'','' in persona''<nowiki>; zum </nowiki>''error in substantia/‌materia''. Ein Irrtum wurde nun als rechtserheblich anerkannt, wenn er sich einem der Irrtumstypen zuordnen ließ, dies aber selbst dann, wenn der Irrtum nur ein einseitiger war. Der Kreis der relevanten Irrtümer wurde durch den abschließenden Katalog anerkannter Irrtumstypen beschränkt. Zugleich ergab sich damit die grundsätzliche Unbeachtlichkeit des Motivirrtums, ein Eckpfeiler der kontinentaleuropäischen Irrtumslehre. Ihre klassische Formulierung empfing diese Lehre durch ''Carl Friedrich'' ''von Savigny'', der, die römische Tradition aufgreifend, den Mangel des Geschäftsabschlusses („unächter Irrtum“) streng vom Motivirrtum („ächter Irrtum“) unterschied.


Kennzeichnend für die deutsche Regelung der Investmentfonds, zunächst im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und nunmehr im Investmentgesetz, ist die Verwaltung mehrerer Sondervermögen durch eine Kapitalanlagegesellschaft, vor allem aber das sogenannte Investmentdreieck. Neben der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anleger ist die Depotbank zwingend Teil des Investmentdreiecks. Die Kapitalanlagegesellschaft hat die Depotbank mit der Verwahrung von Sondervermögen und der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen zu beauftragen. Die Einschaltung einer Depotbank findet ihr Vorbild im US-amerikanischen ''Investment Company Act 1940'', nach dem ''unit investment trusts'' eine Bank als'' trustee'' bzw. ''custodian'' bestellen müssen. Auch in der Folge der deutschen Regelung von Kapitalanlagegesellschaften sieht die OGAW-RL eine Verwahrstelle vor, der auch Kontrollaufgaben obliegen. Die Rücknahmepflicht und das Verbot der Kreditaufnahme wurden auch im Hinblick US-amerikanischer Vorbilder vorgesehen und fußt nunmehr auf der OGAW-RL.
In der gesamten Entwicklung nahm der ''error in substantia/‌materia'' eine Sonderstellung ein. Um sein richtiges Verständnis wird seit dem Aufkommen dieser Rechtsfigur in der römischen Jurisprudenz heftig gestritten. Manche römischen Juristen hielten Kaufverträge (und nur um diese ging es) für unwirksam, bei denen die Kaufsache in der Realität von einer radikal anderen Beschaffenheit war als von beiden Parteien angenommen; man sprach vom Verkauf des ''aliud pro alio'': es wird eine Sache als eine gänzlich andere verkauft, Essig als Wein, Kupfer als Gold. Nicht jede Qualitätsabweichung erschien indes als ''error in substantia'', vielmehr musste die Fehleinschätzung das „Wesen“ der Sache betreffen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das römische Kaufrecht noch nicht über ein Gewährleistungsrecht verfügte, mit dem man dem Käufer in solchen Fällen ein Abgehen vom Kauf oder auch nur eine Kaufpreisminderung hätte ermöglichen können. In der Figur des ''error in substantia'' erkennt man eine beginnende Bereitschaft, den Kaufkonsens nicht bloss auf Preis und Sache, sondern zusätzlich noch auf deren wesentliche Eigenschaften zu beziehen. Auch für den ''error in substantia'' ist der Wandel vom zwei- zum einseitigen Irrtum zu verzeichnen. Da beim ''error in substantia'' die Wirklichkeit nicht zu der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung (bzw. – nach späterer Lesart – zu den Vorstellungen des Käufers) passt, eröffnete sich hier die Möglichkeit eines Brückenschlags zum Motivirrtum, und immer wieder hat man erwogen, ob der ''error in substantia'' nicht als ein Fall des ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums zu verstehen sei.


In England war die OGAW-RL Anstoß für die Schaffung von Investmentaktiengesellschaften. Weiter entwickelt wurden auch die traditionellen ''unit trust schemes'', in denen die Vermögenswerte als trust für die Anleger gehalten werden. Um auch diesen unit trust schemes die Teilnahme am Binnenmarkt mithilfe des einheitlichen Passes zu ermöglichen, wurden besondere Vorschriften für ''authorsised unit trust schemes'' geschaffen. Nach dem ''Financial Services and Markets Act 2000'' sind zur Einhaltung der Regelungen der OGAW-RL insbesondere die Funktionen des ''trustees'' und des ''managers'' eines unit trusts zu trennen.
Nachdem die ursprüngliche Irrtumsfolge im Nicht-Zustandekommen des Rechtsgeschäfts bestanden hatte, wurde im Laufe der Jahrhunderte ein besonderes Rechtsfolgenregime für den Irrtum entwickelt. Seine einzelnen Bestandteile (Mechanismen für die Geltendmachung des Irrtums, insb. die Anfechtung; Fristen hierfür; Entschädigung für den nicht irrenden Vertragsgegner) bilden seither zusammen mit den Tatbeständen des relevanten Irrtums einen integralen Regelungskomplex. Unter Einsatz aller Regelungselemente strebt man nach einem Ausgleich im Konflikt zwischen dem Autonomieschutz des Irrenden und dem Vertrauensschutz des Vertragsgegners; um diesen Kernkonflikt drehte sich vor allem im neunzehnten Jahrhundert eine auch vertragstheoretisch stark aufgeladene Diskussion (Willenstheorie vs. Vertrauenstheorie).


In Luxemburg wurde der erste Investmentfonds in den 1950er Jahren gegründet. Reguliert sind Investmentfonds nunmehr im ''Loi du 20 décembre 2002 concernant les organismes de placement collectif''. Die der OGAW-RL unterfallenden Gesellschaften werden als OPCVM, als ''Organisme de placement collectif en valeurs mobilières soumis à la directive 85/‌611/‌CEE'', bezeichnet. Bereits seit 1980 und damit deutlich länger als in anderen Mitgliedstaaten geregelt sind Investmentaktiengesellschaften, die als SICAF, als ''Société d’investissement à capital variable'', bezeichnet werden.  
Die Behandlung des Irrtums im englischen Recht zeichnet sich durch eine grosse Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung relevanter Irrtümer aus, wobei auch die ''[[equity]]'' die engen Regeln des ''[[common law]]'' nur wenig erweitert hat. Erfasst werden sowohl die Situation beidseits unterschiedlicher Verständnisse, die einer Herstellung des Vertragskonsenses entgegensteht, mithin einen Mangel des Geschäftsabschlusses darstellt (''error negatives consent''), als auch die gemeinsame Fehlvorstellung über die Wirklichkeit, die dem Konsens seine Rechtswirkung nehmen kann (''error nullifies consent''). Das Erfordernis, dass der Irrtum fundamental sein muss, schließt die Berufung auf enttäuschte Erwartungen aus; dies entspricht in etwa der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums. Wegen der sehr restriktiven Haltung gegenüber dem Irrtum tritt der Unterschied von Geschäfts- und Motivirrtum indes nicht in derselben Schärfe hervor wie auf dem Kontinent.


In Frankreich werden die Investmentfonds im ''Code monétaire et financier'' reguliert, Art.&nbsp;L 214-1-146. Betont wird im französischen Schrifttum weiter die Regulierung durch die französische Finanzmarktaufsicht AMF, die ''Autorité des marchés financière''. Wie in Luxemburg werden Investmentaktiengesellschaften, als SICAF, als ''Société d’investissement à capital variable'', bezeichnet, weiter gibt es die Form des FCP, des ''Fonds communs de placement''.
== 3. Tendenzen der jüngeren Rechtsentwicklung ==


== 4. Publikums- und Spezialfonds ==
Die nationalstaatlichen [[Kodifikation]]en haben die neuzeitlichen Irrtumslehren entsprechend dem Stand ihrer Entstehungszeit im Wesentlichen unverändert aufgenommen. Die Lehre von der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums war aber immer wieder mit Forderungen konfrontiert, in gravierenden Fällen Ausnahmen zuzulassen. Solche Ausnahmen sind systematisch nicht durchweg dem Irrtumsrecht zugeordnet. Die Figur des sogenannten Grundlagenirrtums hat sich etwa in Anlehnung an die Lehre vom Wegfall der [[Geschäftsgrundlage]] entwickelt (s. auch §&nbsp;313 Abs.&nbsp;2 BGB). Für das englische Recht sind neben dem ''mistake'' die Rechtsfiguren ''misrepresentation'' und ''[[undue influence]]'' zu beachten. Die Rechtsvereinheitlichungsbestrebungen der jüngeren Zeit scheinen weiter gehende Änderungen anzustoßen. Eine unverkennbare Tendenz besteht dabei in der Ablösung von den im [[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] fixierten Irrtumskategorien. Die Sonderstellung des ''error in substantia/‌materia ''(Eigenschaftsirrtum) will man durchweg beseitigen. Ebenso wird die Unterscheidung von Rechts- und Tatsachenirrtum in Frage gestellt. Die strenge Lehre von der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums überzeugt offenbar nicht mehr durchweg; unter bestimmten – freilich sehr eingeschränkten – Bedingungen wird zunehmend auch der Motivirrtum als relevant anerkannt. In einer interessanten Umkehrung bisheriger Ansätze orientieren sich jüngere Regelungsvorschläge prioritär am Motivirrtum/‌Grundlagenirrtum, dem andere Irrtumsfälle gleichgestellt werden. Damit gehen naturgemäß sehr restriktiv formulierte Anfechtungsvoraussetzungen einher.


Europarechtlich geregelt sind nur OGAW, die beim Publikum beschaffte Gelder gemeinsam anlegen wollen. Mit Publikumsfonds und Spezialfonds bestehen grundsätzlich zwei Formen von Kapitalanlagegesellschaften. Die Verwaltung in Publikumsfonds ist eine Unterform der standardisierten Vermögensverwaltung. In Deutschland dem Investmentgesetz unterliegende Spezialfonds werden insbesondere von Institutionen der privaten Altersvorsorge als spezielles Anlagevehikel benutzt, in dem Vermögenswerte gebündelt verwaltet werden. Dabei erfolgt eine Ausrichtung dieser Anlagevehikel auf eine besondere Anlagestrategie. Keine Anlage in Wertpapiere erfolgt bei einem Immobilienfonds, so dass dieser nicht unter die OGAW-RL fällt.
Funktional hat sich zunehmend die Rechtsfigur der ''[[Culpa in Contrahendo|culpa in contrahendo]]'' in den Dienst des Autonomieschutzes stellen lassen, indem bei – auch bloß fahrlässiger – Verletzung einer Aufklärungspflicht ein Schadensersatzanspruch begründet ist; dieser kann (als Naturalrestitution) auf die Aufhebung der Vertragsgeltung gerichtet sein. Zunehmend wird das Irrtumsrecht, vor allem bei Geschäften mit Konsumentenbeteiligung ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]), flankiert durch die Statuierung von [[Informationspflichten (Verbrauchervertrag)|Informationspflichten]] (s. allg. auch Art.&nbsp;II.-3.101&nbsp;ff. DCFR). Hierbei kann die Befugnis zur Vertragsaufhebung von Gesetzes wegen an die objektive Nicht-Unterrichtung des anderen Vertragsteils geknüpft werden; auf das Entstehen und den Nachweis einer konkreten Fehlvorstellung kommt es dabei nicht an. Insgesamt nimmt der Irrtum heute wohl nicht mehr die zentrale, unmittelbar mit der Vertragstheorie verknüpfte Stellung in der Vertragslehre ein, die ihn in der kontinentalen Dogmengeschichte auszeichnete.


== 5. Investmentfonds zur Altersvorsorge ==
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==


Der Einsatz von Investmentfonds zur privaten Altersvorsorge ist bislang auf europäischer Ebene nicht geregelt. Die Kommission würdigt aber die größere Bedeutung der Investmentfonds für die Altersvorsorge im Weißbuch für den Ausbau des Binnenmarktrahmens für Investmentfonds. International möglich ist eine Investition in Investmentfonds im Rahmen der individuellen und betrieblichen Altersvorsorge insbesondere, wenn keine (biometrischen) Garantien gegeben werden müssen. Die europäische Investmentbranche hat darauf aufbauend eine Studie zu reinen Beitragszusagen (''defined contributions'') bei der betrieblichen Vorsorge vorgelegt. In Deutschland muss bei einer steuerlichen Förderung die Rückzahlung der eingezahlten Beiträge garantiert werden, dies gilt auch bei einer individuellen Vorsorge im Rahmen der Riester-Rente. Eine reine Beitragszusage ist in Deutschland, anders als international üblich, betriebsrentenrechtlich nicht zugelassen.
Einheitsrechtliche Regelungsvorschriften beschränken sich auf den Bereich des Vertrages. Für die Irrtumsproblematik im Recht der erbrechtlichen Verfügungen liegt insoweit noch nichts vor; daher dürften nationale Irrtumsregelungen noch länger einschlägig bleiben.


In Deutschland sind die nicht mit der Riester-Rente zu verwechselnden Altersvorsorge-Sondervermögen in einem speziellen Abschnitt des Investmentgesetzes geregelt. Altersvorsorge-Sondervermögen dürfen nicht für eine begrenzte Dauer aufgelegt werden, sie dürfen ihre Erträge nicht ausschütten und unterliegen speziellen Anlagebestimmungen. Die Anlagebestimmungen sehen unter anderem Höchstgrenzen für die Anlage in Aktien und Immobilien-Sondervermögen vor, insgesamt müssen aber über die Hälfte des Sondervermögens in diesen beiden Anlagekategorien investiert werden. Die Kapitalanlagegesellschaft hat dem Altersvorsorge-Sparer einen Altersvorsorge-Sparplan anzubieten. Die Bezeichnung des Altersvorsorge-Sondervermögens ist wie andere Bezeichnungen im Investmentrecht besonders geschützt. Praktisch spielen Altersvorsorge-Sondervermögen bislang nur eine untergeordnete Bedeutung. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sie nicht als Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz anerkannt sind.
Die jüngsten Vorschläge zur Rechtsvereinheitlichung orientieren ihre Irrtumskonzeption am Grundlagenirrtum; Art.&nbsp;II.-7.201 DCFR; Art.&nbsp;4:103 PECL; Art.&nbsp;3.5 UNIDROIT PICC. Die thematische Beschränkung auf bestimmte Irrtumsarten, insbesondere der Bezug auf den rechtlichen Geschäftsinhalt oder den vom Geschäft betroffenen Gegner, ist entfallen. Im Gegenteil kann jetzt im Ausgangspunkt jeder beliebige Irrtum die Anfechtbarkeit begründen: „Mistake is an erroneous assumption relating to facts or to law when the contract was concluded“; Art. 3.4 UNIDROIT PICC. Zum Ausgleich dafür, dass sich jeder Irrtum ungeachtet von Art und Thema der Fehlvorstellung als wesentlich qualifizieren kann, sucht man die Beschränkung durch eine Mehrzahl von einschränkenden Kriterien: Der Irrtum muss einen für den Gegner erkennbar grundlegenden Umstand betreffen und vom Gegner verursacht oder geteilt oder für ihn erkennbar gewesen sein; seitens des Irrenden muss sich der Irrtum als entschuldbar darstellen. (Von der Beweislastfrage wird hier abgesehen.) Der einseitige Irrtum, den der Gegner nicht wenigstens hätte erkennen müssen, bleibt danach unbeachtlich. Was die Anknüpfung der Beachtlichkeit an das sachliche Gewicht des Irrtums betrifft, so handelt es sich bei der Voraussetzung, die irrende Partei hätte in Kenntnis der tatsächlichen Lage den Vertrag nur zu „fundamentally different terms“ abgeschlossen, um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Schließlich darf das Irrtumsrisiko nicht einer der Parteien zuzurechnen sein. Eine besondere Schadensersatzhaftung des Irrenden ist nicht vorgesehen; sie wäre angesichts der verlangten „Mitverantwortlichkeit“ des Gegners, ohne die der Irrtum schon keine Beachtlichkeit erlangt, wohl auch nicht angebracht. Bemerkenswert ist das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung für die Geltendmachung des Irrtums. Die äußerst restriktive Zulassung des Irrtums muss im Zusammenhang damit gesehen werden, dass es hier um die Relevanz eines außergeschäftlichen Irrtums (Motivirrtums) geht. Der Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] und die [[Principles of European Contract Law|PECL]] übernehmen nicht die Abhängigkeit der Anfechtbarkeit vom Vollzugsstadium des Vertrages (''res integra''-Lehre), eine Besonderheit des (auch sonst eigenständigen, deutlich naturrechtlich beeinflussten) österreichischen Irrtumsrechts (§&nbsp;871 Abs.&nbsp;1 ABGB), die auch in Art.&nbsp;3.5 UNIDROIT PICC rezipiert worden ist.


== 6. Publizität ==
Der Irrtumsbegriff des DCFR umfasst Rechts- und Tatsachenirrtum gleichermaßen. Was den Rechtsirrtum betrifft, so handelt es sich nicht nur um den in der deutschen Doktrin sogenannten Rechtsfolgenirrtum, bei dem sich der Vertragschließende über die rechtlichen Folgen ''gerade des Vertrags'' – etwa hinsichtlich des Inhalts dispositiven Gesetzesrechts – irrt. Vielmehr dürfte hier, da es sich um eine Variante des Motivirrtums handelt, jede Fehlvorstellung hinsichtlich der Rechtslage in Betracht kommen, auch soweit diese geschäftsfremd ist, z.B. einkommenssteuerrechtliche Konsequenzen einer Vertragsdurchführung betrifft. Mit dem offenen Tatbestand des Irrtums absorbiert die Irrtumsregelung diejenige für die Täuschung. Wie für einen Irrtum, der in Folge einer Täuschung entsteht, schon von jeher thematisch keine besonderen Vorgaben bestanden haben, damit dem Getäuschten das Anfechtungsrecht zukommt (etwa Art.&nbsp;28 Abs.&nbsp;1 schweiz. OR: Vertrag im Täuschungsfall unverbindlich „auch dann ..., wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war“), wird nun auch für den Irrtum, wie gesehen, hinsichtlich der Thematik der Fehlvorstellung keine Vorgabe mehr gemacht. Für einen eigenständigen Täuschungstatbestand ist daneben kein Raum. Die Täuschung ist nur noch „Spezialfall des ‚veranlassten‘ Irrtums“ (''Hein Kötz'').


Nach der OGAW-RL sind Prospekte und periodische Berichte zu veröffentlichen. Als Information nach der OGAW-RL zur Verfügung zu stellen sind ein vereinfachter Prospekt und ein vollständiger Prospekt, ein Jahresbericht sowie ein Halbjahresbericht. Der vereinfachte Prospekt ist potentiellen Zeichnern vor Vertragsschluss kostenlos anzubieten. Die Angaben von wesentlicher Bedeutung im vereinfachten sowie im vollständigen Prospekt sind auf dem neuesten Stand zu halten. Nur nach der OGAW-RL, nicht aber für Versicherungsunternehmen, wird die Information über die Anlagepolitik vorgesehen. Der Entwurf der Kommission für eine Neufassung der OGAW-RL vom Juli 2008 sieht auch eine Neufassung der Informationspflichten vor. Vorgesehen ist nach der Fassung des Parlamentes, dass der Prospekt auch auf einem dauerhaften Datenträger oder auf einer Webseite zur Verfügung gestellt werden kann, eine ausgedruckte Kopie ist den Anlegern auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.
Nach dem DCFR muss die Fehlvorstellung in keiner Weise geschäftsbezogen sein. Die Unterscheidung von Motiv- (Sachverhalts&#8209;) und geschäftlichem Irrtum wird aufgegeben. Die Voraussetzungen der Beachtlichkeit des Irrtums sind unabhängig vom Tatbestand des Vertrags formuliert: Das Gewicht, die Erkennbarkeit und die Entschuldbarkeit des Irrtums oder dessen Verursachung sind keine Kriterien, denen Elemente aus dem Tatbestand des Vertragsschlusses zugeordnet werden könnten. Demgegenüber ist für den DCFR (wie für die PECL) der Erklärungsirrtum (= Irrtum im Erklärungsakt = „Irrung“), bei dem man herkömmlich die wenigsten Zweifel hat, das Rechtsgeschäft als ungültig anzusehen, ''kein'' Irrtum, der von der dargestellten Bestimmung erfasst würde. (Freilich hat das englische Recht dem ''slip of the tongue'' von jeher geringere Aufmerksamkeit geschenkt.) Vielmehr werden Fälle der Irrung (zusammen mit dem des Übermittlungsfehlers) erst durch einen anschließenden Verweis der dargestellten Regelung des (echten) Irrtums, d.h. des Motivirrtums, mit unterstellt; Art.&nbsp;II.-7:202 DCFR; ebenso Art.&nbsp;4:104 PECL und Art.&nbsp;3.6 UNIDROIT PICC. Der Motivirrtum ist geradezu das Leitbild des hier verwendeten Irrtumsbegriffs. Die Regelung in Art.&nbsp;II.-7.201 DCFR, der die Irrung mit unterstellt wird, ist für diese allerdings wenig passend: Wenn die Irrung für den Gegner erkennbar war, wird dies regelmäßig schon zur Auslegung der Erklärung im Sinne des Gemeinten führen. Bei einer Irrung kommt sodann die Verursachung durch den Gegner kaum in Betracht. Unter dem Vorschlag des DCFR dürfte die Irrung die Vertragsungültigkeit daher nur sehr ausnahmsweise zur Folge haben.
 
Neben der sehr eingeschränkten Relevanz, die dem Irrtum durch die Regelungen des Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]], der [[Principles of European Contract Law|PECL]] und der [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]] belassen wird, werden aber weiterhin auch „Störungen“ (Missverständnisse, Irrtümer), die den Vertragskonsens verhindern, relevant bleiben müssen. Insofern wird das Erfordernis des Konsenses für das Zustandekommen eines [[Vertrag]]es (Art.&nbsp;II.-1:101 DCFR; Art.&nbsp;2:101–2:103 PECL), wie schon zu römischen Zeiten, das Einfallstor für die Beachtlichkeit geschäftsbezogener Missverständnisse bleiben müssen; dies in Ergänzung zu der Irrtumsregelung der Art.&nbsp;II.-7:201&nbsp;f. DCFR.


==Literatur==
==Literatur==
''Hanns Linhardt'','' ''Die Britischen Investment Trusts, 1935; ''Günther H. Roth'', Das Treuhandmodell des Investmentrechts, Eine Alternative zur Aktiengesellschaft?, 1972; ''Bevis'' ''Longstreth'','' ''Modern Investment Management and the Prudent Man Rule, 1986; ''Kam Fan Sin'', The Legal Nature of the Unit Trust, 1997; ''Michael Blair'','' George Walker'' (Hg.), Financial Services Law, 2006; ''Malte'' ''Reiss'', Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank gegenüber dem Anleger und die Rechte des Anlegers bei Pflichtverletzungen, 2006; ''Claude Kremer'', ''Isabelle Lebbe'', Organismes de placement collectif et véhicules d’investissement apparantés en droit luxemburgeois, 2.&nbsp;Aufl. 2007; ''Dirk Zetzsche'','' ''Zwischen Anlegerschutz und Standortwettbewerb: Das Investmentänderungsgesetz, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft&nbsp;2007, 438&nbsp;ff;'' Jürgen Baur'','' Thorsten Ziegler'', Das Investmentgeschäft, Sonderdruck aus Bankrecht und Bankpraxis, 2008; ''Alice Pezard'', Code monétaire et financier, 4.&nbsp;Aufl. 2009; ''Markus Roth'','' ''Private Altersvorsorge: Betriebsrentenrecht und individuelle Vorsorge: Eine rechtsvergleichende Gesamtschau, 2009.
''Werner Flume'', Irrtum und Rechtsgeschäft im römischen Recht, in: Festschrift für Fritz Schulz, Bd.&nbsp;I, 1951, 209&nbsp;ff.; ''Samuel Stoljar'', Mistake and Misrepresentation, 1968; ''Theo Mayer-Maly'', Error iuris, in: Festschrift für A. Verdross, 1980, 147&nbsp;ff.; ''Ernst A. Kramer'', Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; ''Martin J. Schermaier'', Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2002; ''Ruth Sefton-Green'' (Hg.), Mistake, Fraud and Pre-Contractual Duties to Inform in European Contract Law, 2005; ''Jan D. Harke'', Irrtum und culpa in contrahendo in den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 326&nbsp;ff.; ''Ernst A. Kramer'', Bausteine für einen „Common Frame of Reference“ des europäischen Irrtumsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 247&nbsp;ff.; ''Wolfgang Ernst'', Irrtum: Ein Streifzug durch die Rechtsgeschichte, in: Reinhard Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, 1&nbsp;ff.; ''Horst Heinrich Jakobs'','' ''D.&nbsp;18,1,11 nach Überwindung der Interpolationistik, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 125 (2008) 375&nbsp;ff.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Investment_Funds]]
[[en:Mistake]]

Version vom 28. September 2021, 17:44 Uhr

von Wolfgang Ernst

1. Gegenstand und Zweck von Irrtumsregelungen

Verträge, aber auch einseitige Rechtsgeschäfte, insbesondere die des Erbrechts, können durch Fehlvorstellungen beeinflusst sein. Versteht man den Vertrag und das Testament als Ausdruck der rechtlichen Selbstbestimmung der Beteiligten, so drängt dies zu der Frage, ob das von einer Fehlvorstellung mitbestimmte Rechtsgeschäft den oder die Beteiligten binden kann. Alle europäischen Kodifikationen, aber auch die internationalen Regelungswerke und Textvorschläge zur Vereinheitlichung des Vertragsrechts enthalten Regelungen dazu, wann und auf welche Weise man sich der Geltung eines Rechtsgeschäfts unter Berufung auf einen Irrtum entziehen kann. Das moderne Rechtsdenken und insbesondere die klassischen westeuropäischen Kodifikationen ordnen die Problematik des Irrtums in das Gebiet der Willensmängel ein, zu denen außer dem Irrtum vor allem Täuschung und Drohung gehören. Weil vor dem Eintritt in die Irrtumsproblematik festzustellen ist, mit welchem Inhalt ein Rechtsgeschäft eigentlich bindend geworden ist, besteht eine Wechselwirkung mit dem Recht der Auslegung von Verträgen (und anderen Rechtsgeschäften).

Im Bereich des Vertragsrechts sieht man die Irrtumsproblematik in der Hauptsache als einen Konflikt zwischen der Selbstbestimmung des Irrenden, dem man erlauben möchte, sich dem nicht wirklich gewollten Rechtsgeschäft zu entziehen, und dem Vertrauensschutz des Vertragspartners, dessen Interesse sich auf den Bestand des einmal eingegangenen Vertrages richtet. Beim Irrtumsrecht geht es durchweg um einen Ausgleich dieses Grundkonflikts. Die Regelungselemente, die in den verschiedensten Kombinationen zum Einsatz kommen, sind indes sehr unterschiedlich. Überall ist das Irrtumsrecht ein zentraler, charakteristischer Bestandteil des Vertragsrechts, weil sich in der konkreten Ausgestaltung der Irrtumsregelungen zugleich die unterschiedlichen Vertragskonzepte und ‑theorien widerspiegeln.

Grundlegend anders verhält es sich mit der Irrtumsproblematik bei den einseitigen Geschäften des Erbrechts; hier spielt das Gegeninteresse des Vertrauensschutzes keine Rolle. Dementsprechend verfügen viele Rechtsordnungen über Sonderregelungen zum Irrtum im Erbrecht. Auf diese wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.

Eine weitere, über den Bereich der Rechtsgeschäftslehre hinausgreifende Variante der Irrtumsproblematik liegt in der Fehleinschätzung der Rechtslage, dem sogenannten Rechtsirrtum (error iuris, mistake of law). Fast jede verhaltensbedingte Rechtsfolge kann daraufhin befragt werden, ob die betroffene Person Kenntnis von den Rechtsfolgen haben musste, damit diese effektiv eintreten. Rechtsunkenntnis und ihre Folgen bilden ein Grundproblem, das die Rechtsordnungen in ihrer ganzen Breite durchzieht und insbesondere auch für das Strafrecht vertieft wird. In der historischen Entwicklung der Irrtumslehren und auch in den klassischen Kodifikationen hat man den Rechtsirrtum, wohl auch wegen seines ganz anderen Anwendungsbereichs, zumeist nicht in die allgemeinen Irrtumsbestimmungen integriert, doch hat es auch immer wieder Versuche einer Integration von Rechts- und Tatsachenirrtum in einer einheitlichen Irrtumslehre gegeben.

2. Geschichtliches

Die Grundlage für die kontinentaleuropäischen Irrtumslehren bildet das römische Recht, und zwar in der Gestalt, in der es im Mittelalter Gegenstand der Rezeption wurde. Das antike römische Recht selbst verfügte über keine geschlossene, auf alle Arten von Rechtsgeschäften gleichermaßen anwendbare Irrtumslehre. Vielmehr wurde je nach der Art des Rechtsakts gefragt, ob dessen Verwirklichung gelungen war oder nicht. So bestimmte der Tatbestand des Rechtsakts gleichsam negativ, ob ein Irrtum einer Partei dem wirksamen Abschluss des Geschäfts entgegenstand. Bei den konsensbezogenen Geschäften war es die Frage, ob die Fehlvorstellung einer Partei nicht zu einem Dissens geführt hatte. Es gab keinen vom Geschäftstatbestand getrennten Irrtumstatbestand; die Irrtumslehre war integraler Bestandteil der Lehre vom Zustandekommen des Rechtsgeschäfts. Wurde, bedingt durch Irrtum oder Missverständnis, der Geschäftstatbestand nicht verwirklicht, so war dies nicht einseitig einer der Parteien (dem „Irrenden“) anzulasten. Besondere Rechtsfolgenanordnungen fehlten.

Die kontinentale Jurisprudenz des Mittelalters schuf eine Ordnung von Irrtumstypen, die sich auf den thematischen Gegenstand der Fehlvorstellung (Vertragstyp, ‑gegenstand, ‑partner) bezog; error in negotio, in corpore, in persona; zum error in substantia/‌materia. Ein Irrtum wurde nun als rechtserheblich anerkannt, wenn er sich einem der Irrtumstypen zuordnen ließ, dies aber selbst dann, wenn der Irrtum nur ein einseitiger war. Der Kreis der relevanten Irrtümer wurde durch den abschließenden Katalog anerkannter Irrtumstypen beschränkt. Zugleich ergab sich damit die grundsätzliche Unbeachtlichkeit des Motivirrtums, ein Eckpfeiler der kontinentaleuropäischen Irrtumslehre. Ihre klassische Formulierung empfing diese Lehre durch Carl Friedrich von Savigny, der, die römische Tradition aufgreifend, den Mangel des Geschäftsabschlusses („unächter Irrtum“) streng vom Motivirrtum („ächter Irrtum“) unterschied.

In der gesamten Entwicklung nahm der error in substantia/‌materia eine Sonderstellung ein. Um sein richtiges Verständnis wird seit dem Aufkommen dieser Rechtsfigur in der römischen Jurisprudenz heftig gestritten. Manche römischen Juristen hielten Kaufverträge (und nur um diese ging es) für unwirksam, bei denen die Kaufsache in der Realität von einer radikal anderen Beschaffenheit war als von beiden Parteien angenommen; man sprach vom Verkauf des aliud pro alio: es wird eine Sache als eine gänzlich andere verkauft, Essig als Wein, Kupfer als Gold. Nicht jede Qualitätsabweichung erschien indes als error in substantia, vielmehr musste die Fehleinschätzung das „Wesen“ der Sache betreffen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das römische Kaufrecht noch nicht über ein Gewährleistungsrecht verfügte, mit dem man dem Käufer in solchen Fällen ein Abgehen vom Kauf oder auch nur eine Kaufpreisminderung hätte ermöglichen können. In der Figur des error in substantia erkennt man eine beginnende Bereitschaft, den Kaufkonsens nicht bloss auf Preis und Sache, sondern zusätzlich noch auf deren wesentliche Eigenschaften zu beziehen. Auch für den error in substantia ist der Wandel vom zwei- zum einseitigen Irrtum zu verzeichnen. Da beim error in substantia die Wirklichkeit nicht zu der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung (bzw. – nach späterer Lesart – zu den Vorstellungen des Käufers) passt, eröffnete sich hier die Möglichkeit eines Brückenschlags zum Motivirrtum, und immer wieder hat man erwogen, ob der error in substantia nicht als ein Fall des ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums zu verstehen sei.

Nachdem die ursprüngliche Irrtumsfolge im Nicht-Zustandekommen des Rechtsgeschäfts bestanden hatte, wurde im Laufe der Jahrhunderte ein besonderes Rechtsfolgenregime für den Irrtum entwickelt. Seine einzelnen Bestandteile (Mechanismen für die Geltendmachung des Irrtums, insb. die Anfechtung; Fristen hierfür; Entschädigung für den nicht irrenden Vertragsgegner) bilden seither zusammen mit den Tatbeständen des relevanten Irrtums einen integralen Regelungskomplex. Unter Einsatz aller Regelungselemente strebt man nach einem Ausgleich im Konflikt zwischen dem Autonomieschutz des Irrenden und dem Vertrauensschutz des Vertragsgegners; um diesen Kernkonflikt drehte sich vor allem im neunzehnten Jahrhundert eine auch vertragstheoretisch stark aufgeladene Diskussion (Willenstheorie vs. Vertrauenstheorie).

Die Behandlung des Irrtums im englischen Recht zeichnet sich durch eine grosse Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung relevanter Irrtümer aus, wobei auch die equity die engen Regeln des common law nur wenig erweitert hat. Erfasst werden sowohl die Situation beidseits unterschiedlicher Verständnisse, die einer Herstellung des Vertragskonsenses entgegensteht, mithin einen Mangel des Geschäftsabschlusses darstellt (error negatives consent), als auch die gemeinsame Fehlvorstellung über die Wirklichkeit, die dem Konsens seine Rechtswirkung nehmen kann (error nullifies consent). Das Erfordernis, dass der Irrtum fundamental sein muss, schließt die Berufung auf enttäuschte Erwartungen aus; dies entspricht in etwa der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums. Wegen der sehr restriktiven Haltung gegenüber dem Irrtum tritt der Unterschied von Geschäfts- und Motivirrtum indes nicht in derselben Schärfe hervor wie auf dem Kontinent.

3. Tendenzen der jüngeren Rechtsentwicklung

Die nationalstaatlichen Kodifikationen haben die neuzeitlichen Irrtumslehren entsprechend dem Stand ihrer Entstehungszeit im Wesentlichen unverändert aufgenommen. Die Lehre von der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums war aber immer wieder mit Forderungen konfrontiert, in gravierenden Fällen Ausnahmen zuzulassen. Solche Ausnahmen sind systematisch nicht durchweg dem Irrtumsrecht zugeordnet. Die Figur des sogenannten Grundlagenirrtums hat sich etwa in Anlehnung an die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelt (s. auch § 313 Abs. 2 BGB). Für das englische Recht sind neben dem mistake die Rechtsfiguren misrepresentation und undue influence zu beachten. Die Rechtsvereinheitlichungsbestrebungen der jüngeren Zeit scheinen weiter gehende Änderungen anzustoßen. Eine unverkennbare Tendenz besteht dabei in der Ablösung von den im ius commune fixierten Irrtumskategorien. Die Sonderstellung des error in substantia/‌materia (Eigenschaftsirrtum) will man durchweg beseitigen. Ebenso wird die Unterscheidung von Rechts- und Tatsachenirrtum in Frage gestellt. Die strenge Lehre von der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums überzeugt offenbar nicht mehr durchweg; unter bestimmten – freilich sehr eingeschränkten – Bedingungen wird zunehmend auch der Motivirrtum als relevant anerkannt. In einer interessanten Umkehrung bisheriger Ansätze orientieren sich jüngere Regelungsvorschläge prioritär am Motivirrtum/‌Grundlagenirrtum, dem andere Irrtumsfälle gleichgestellt werden. Damit gehen naturgemäß sehr restriktiv formulierte Anfechtungsvoraussetzungen einher.

Funktional hat sich zunehmend die Rechtsfigur der culpa in contrahendo in den Dienst des Autonomieschutzes stellen lassen, indem bei – auch bloß fahrlässiger – Verletzung einer Aufklärungspflicht ein Schadensersatzanspruch begründet ist; dieser kann (als Naturalrestitution) auf die Aufhebung der Vertragsgeltung gerichtet sein. Zunehmend wird das Irrtumsrecht, vor allem bei Geschäften mit Konsumentenbeteiligung (Verbraucher und Verbraucherschutz), flankiert durch die Statuierung von Informationspflichten (s. allg. auch Art. II.-3.101 ff. DCFR). Hierbei kann die Befugnis zur Vertragsaufhebung von Gesetzes wegen an die objektive Nicht-Unterrichtung des anderen Vertragsteils geknüpft werden; auf das Entstehen und den Nachweis einer konkreten Fehlvorstellung kommt es dabei nicht an. Insgesamt nimmt der Irrtum heute wohl nicht mehr die zentrale, unmittelbar mit der Vertragstheorie verknüpfte Stellung in der Vertragslehre ein, die ihn in der kontinentalen Dogmengeschichte auszeichnete.

4. Vereinheitlichungsprojekte

Einheitsrechtliche Regelungsvorschriften beschränken sich auf den Bereich des Vertrages. Für die Irrtumsproblematik im Recht der erbrechtlichen Verfügungen liegt insoweit noch nichts vor; daher dürften nationale Irrtumsregelungen noch länger einschlägig bleiben.

Die jüngsten Vorschläge zur Rechtsvereinheitlichung orientieren ihre Irrtumskonzeption am Grundlagenirrtum; Art. II.-7.201 DCFR; Art. 4:103 PECL; Art. 3.5 UNIDROIT PICC. Die thematische Beschränkung auf bestimmte Irrtumsarten, insbesondere der Bezug auf den rechtlichen Geschäftsinhalt oder den vom Geschäft betroffenen Gegner, ist entfallen. Im Gegenteil kann jetzt im Ausgangspunkt jeder beliebige Irrtum die Anfechtbarkeit begründen: „Mistake is an erroneous assumption relating to facts or to law when the contract was concluded“; Art. 3.4 UNIDROIT PICC. Zum Ausgleich dafür, dass sich jeder Irrtum ungeachtet von Art und Thema der Fehlvorstellung als wesentlich qualifizieren kann, sucht man die Beschränkung durch eine Mehrzahl von einschränkenden Kriterien: Der Irrtum muss einen für den Gegner erkennbar grundlegenden Umstand betreffen und vom Gegner verursacht oder geteilt oder für ihn erkennbar gewesen sein; seitens des Irrenden muss sich der Irrtum als entschuldbar darstellen. (Von der Beweislastfrage wird hier abgesehen.) Der einseitige Irrtum, den der Gegner nicht wenigstens hätte erkennen müssen, bleibt danach unbeachtlich. Was die Anknüpfung der Beachtlichkeit an das sachliche Gewicht des Irrtums betrifft, so handelt es sich bei der Voraussetzung, die irrende Partei hätte in Kenntnis der tatsächlichen Lage den Vertrag nur zu „fundamentally different terms“ abgeschlossen, um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Schließlich darf das Irrtumsrisiko nicht einer der Parteien zuzurechnen sein. Eine besondere Schadensersatzhaftung des Irrenden ist nicht vorgesehen; sie wäre angesichts der verlangten „Mitverantwortlichkeit“ des Gegners, ohne die der Irrtum schon keine Beachtlichkeit erlangt, wohl auch nicht angebracht. Bemerkenswert ist das Fehlen einer zeitlichen Beschränkung für die Geltendmachung des Irrtums. Die äußerst restriktive Zulassung des Irrtums muss im Zusammenhang damit gesehen werden, dass es hier um die Relevanz eines außergeschäftlichen Irrtums (Motivirrtums) geht. Der Draft DCFR und die PECL übernehmen nicht die Abhängigkeit der Anfechtbarkeit vom Vollzugsstadium des Vertrages (res integra-Lehre), eine Besonderheit des (auch sonst eigenständigen, deutlich naturrechtlich beeinflussten) österreichischen Irrtumsrechts (§ 871 Abs. 1 ABGB), die auch in Art. 3.5 UNIDROIT PICC rezipiert worden ist.

Der Irrtumsbegriff des DCFR umfasst Rechts- und Tatsachenirrtum gleichermaßen. Was den Rechtsirrtum betrifft, so handelt es sich nicht nur um den in der deutschen Doktrin sogenannten Rechtsfolgenirrtum, bei dem sich der Vertragschließende über die rechtlichen Folgen gerade des Vertrags – etwa hinsichtlich des Inhalts dispositiven Gesetzesrechts – irrt. Vielmehr dürfte hier, da es sich um eine Variante des Motivirrtums handelt, jede Fehlvorstellung hinsichtlich der Rechtslage in Betracht kommen, auch soweit diese geschäftsfremd ist, z.B. einkommenssteuerrechtliche Konsequenzen einer Vertragsdurchführung betrifft. Mit dem offenen Tatbestand des Irrtums absorbiert die Irrtumsregelung diejenige für die Täuschung. Wie für einen Irrtum, der in Folge einer Täuschung entsteht, schon von jeher thematisch keine besonderen Vorgaben bestanden haben, damit dem Getäuschten das Anfechtungsrecht zukommt (etwa Art. 28 Abs. 1 schweiz. OR: Vertrag im Täuschungsfall unverbindlich „auch dann ..., wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war“), wird nun auch für den Irrtum, wie gesehen, hinsichtlich der Thematik der Fehlvorstellung keine Vorgabe mehr gemacht. Für einen eigenständigen Täuschungstatbestand ist daneben kein Raum. Die Täuschung ist nur noch „Spezialfall des ‚veranlassten‘ Irrtums“ (Hein Kötz).

Nach dem DCFR muss die Fehlvorstellung in keiner Weise geschäftsbezogen sein. Die Unterscheidung von Motiv- (Sachverhalts‑) und geschäftlichem Irrtum wird aufgegeben. Die Voraussetzungen der Beachtlichkeit des Irrtums sind unabhängig vom Tatbestand des Vertrags formuliert: Das Gewicht, die Erkennbarkeit und die Entschuldbarkeit des Irrtums oder dessen Verursachung sind keine Kriterien, denen Elemente aus dem Tatbestand des Vertragsschlusses zugeordnet werden könnten. Demgegenüber ist für den DCFR (wie für die PECL) der Erklärungsirrtum (= Irrtum im Erklärungsakt = „Irrung“), bei dem man herkömmlich die wenigsten Zweifel hat, das Rechtsgeschäft als ungültig anzusehen, kein Irrtum, der von der dargestellten Bestimmung erfasst würde. (Freilich hat das englische Recht dem slip of the tongue von jeher geringere Aufmerksamkeit geschenkt.) Vielmehr werden Fälle der Irrung (zusammen mit dem des Übermittlungsfehlers) erst durch einen anschließenden Verweis der dargestellten Regelung des (echten) Irrtums, d.h. des Motivirrtums, mit unterstellt; Art. II.-7:202 DCFR; ebenso Art. 4:104 PECL und Art. 3.6 UNIDROIT PICC. Der Motivirrtum ist geradezu das Leitbild des hier verwendeten Irrtumsbegriffs. Die Regelung in Art. II.-7.201 DCFR, der die Irrung mit unterstellt wird, ist für diese allerdings wenig passend: Wenn die Irrung für den Gegner erkennbar war, wird dies regelmäßig schon zur Auslegung der Erklärung im Sinne des Gemeinten führen. Bei einer Irrung kommt sodann die Verursachung durch den Gegner kaum in Betracht. Unter dem Vorschlag des DCFR dürfte die Irrung die Vertragsungültigkeit daher nur sehr ausnahmsweise zur Folge haben.

Neben der sehr eingeschränkten Relevanz, die dem Irrtum durch die Regelungen des Draft DCFR, der PECL und der UNIDROIT PICC belassen wird, werden aber weiterhin auch „Störungen“ (Missverständnisse, Irrtümer), die den Vertragskonsens verhindern, relevant bleiben müssen. Insofern wird das Erfordernis des Konsenses für das Zustandekommen eines Vertrages (Art. II.-1:101 DCFR; Art. 2:101–2:103 PECL), wie schon zu römischen Zeiten, das Einfallstor für die Beachtlichkeit geschäftsbezogener Missverständnisse bleiben müssen; dies in Ergänzung zu der Irrtumsregelung der Art. II.-7:201 f. DCFR.

Literatur

Werner Flume, Irrtum und Rechtsgeschäft im römischen Recht, in: Festschrift für Fritz Schulz, Bd. I, 1951, 209 ff.; Samuel Stoljar, Mistake and Misrepresentation, 1968; Theo Mayer-Maly, Error iuris, in: Festschrift für A. Verdross, 1980, 147 ff.; Ernst A. Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Martin J. Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB, 2002; Ruth Sefton-Green (Hg.), Mistake, Fraud and Pre-Contractual Duties to Inform in European Contract Law, 2005; Jan D. Harke, Irrtum und culpa in contrahendo in den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 326 ff.; Ernst A. Kramer, Bausteine für einen „Common Frame of Reference“ des europäischen Irrtumsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 247 ff.; Wolfgang Ernst, Irrtum: Ein Streifzug durch die Rechtsgeschichte, in: Reinhard Zimmermann (Hg.), Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, 2007, 1 ff.; Horst Heinrich Jakobs, D. 18,1,11 nach Überwindung der Interpolationistik, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 125 (2008) 375 ff.