Europäische Zentralbank und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Entstehungsgeschichte ==
Die VO 2137/85 vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV-VO) schafft einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für natürliche Personen, Gesellschaften und andere juristische Einheiten, die über innergemeinschaftliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten wollen. Unternehmenskooperationen etwa in Form von ''joint ventures'' oder Arbeitsgemeinschaften werden mit Rechtspersönlichkeit und korporativen Strukturen ausgestattet, die über einen schuldrechtlichen Organisationsvertrag, eine BGB-Gesellschaft deutschen Rechts oder eine ''partnership'' englischen Rechts hinausgehen. Eine Fusion findet nicht statt. Die EWIV verfügt über kein Mindestkapital. Ihre Mitglieder haften für Verbindlichkeiten der Vereinigung unbeschränkt.


Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die gemeinsame Zentralbank der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, und bildet mit den nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Mit den Zentralbanken derjenigen Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, bildet die EZB das Eurosystem und betreibt die Währungspolitik der Europäischen Union (Art. 282(1) EU (2007)). Sie ist ein Organ der Europäischen Union (so ausdrücklich erst in Art. 13(1)2 EU (2007)) und mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet. In jedem Mitgliedstaat besitzt sie die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die dort juristischen Personen zuerkannt wird. Insbesondere kann sie bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern und vor Gericht stehen (Art. 9.1 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
Die EWIV knüpft an die Erfahrungen an, die das französische Recht mit dem ''Groupement d’Intérêt Economique'' gesammelt hat. Das ''Groupement d’Intérêt Economique'' überwindet die Trennung des französischen Gesellschaftsrechts zwischen den starren Gründungs- und Organisationsvorschriften für Handelsgesellschaften und den nicht rechtsfähigen ''associations''. Das ''Groupement d’Intérêt Economique'' soll die wirtschaftlichen Ergebnisse seiner Mitglieder steigern. Es ist eine juristische Person ohne festes Haftungskapital, deren Mitglieder unbeschränkt gesamtschuldnerisch ([[Gesamtschuld]]) haften. Die Mitglieder haben weitgehende Freiheit, über die innere Verfassung zu entscheiden. Ertragssteuern fallen nur bei ihnen an.


Aufbau, Ziele und Aufgaben des ESZB und der EZB werden insbesondere in den Art. 105-113 EG bzw. Art. 127-133 und Art. 282-284 EU (2007) und in der dem EG-Vertrag als Protokoll Nr. 18 bzw. dem EU-Vertrag (2007) als Protokoll Nr. 4 beigefügten Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung) geregelt.
== 2. Strukturen ==
=== a) Anwendbares Recht ===
<nowiki>Gemeinschaftsrecht und nationale Ausführungsbestimmungen bestimmen den Rahmen für die Gründung einer EWIV. Die EWIV-VO konzentriert sich auf die Gründungsvoraussetzungen, die innere Verfassung, die Vertretung nach außen und die Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten ihrer Vereinigung. Soweit die EWIV-VO hierzu keine Regelungen trifft, findet das materielle Recht des Sitzstaats der Vereinigung Anwendung. Ebenso sind die Normen über die Abwicklung der Vereinigung, Zahlungsunfähigkeit und die Zahlungseinstellung und die Haftung der Geschäftsführer dem einzelstaatlichen Recht zu entnehmen. Im Übrigen beurteilen sich Außenwirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeiten nach den Regeln des allgemeinen internationalen Privatrechts. Hierzu zählen insbesondere Fragen, die den Personenstand, die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen und die Rechts- und Handlungsfähigkeit juristischer Personen betreffen. Im Kartellrecht ist das Auswirkungsprinzip zu beachten (vgl. Art.&nbsp;6 Rom&nbsp;II-VO [VO&nbsp;593/2008]). Die Wettbewerbsregeln (</nowiki>[[Wettbewerbsrecht, internationales]]; [[Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit]]) des [[EG-Vertrag]]es sind grundsätzlich einschlägig. Das deutsche Ausführungsgesetz zur EWIV-VO befasst sich mit der Anmeldung zum Handelsregister, den Pflichten des Geschäftsführers, seiner Entlassung, der Abwicklung der Vereinigung, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ergänzend verweisen die deutschen Ausführungsvorschriften auf die entsprechende Anwendung der Regeln für offene Handelsgesellschaften. Steuerlich wird die EWIV von der deutschen Finanzverwaltung ebenfalls wie eine offene Handelsgesellschaft behandelt.


== 1. Aufgaben und Ziele ==
=== b) Gründungsvoraus&shy;setzungen ===
Vorrangiges Ziel des ESZB ist die Gewährleistung der Preisstabilität. Preisstabilität wird von der EZB im Sinne einer Preisniveaustabilität verstanden. Daher steuert sie mittelfristig eine Steigerungsrate von „unter, jedoch nahe zwei Prozent“ an (ECB, ''Monthly Bulletin June 2008'', XVI, ''price stability''). Auf diese Weise besteht eine Sicherheitsmarge gegen eine Deflation. Soweit es ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB außerdem die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union. Die grundlegenden Aufgaben des ESZB bestehen darin, die Geldpolitik der Europäischen Union festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten und das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern (Art. 105 EG/127(2) EU (2007) und Art. 282(2) EU (2007) sowie Art. 2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Die EZB hat darüber hinaus zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen beizutragen (Art. 105 EG/127(5) EU (2007)).
Die EWIV versteht sich als Koordinationsinstrument für die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder. Sie darf nicht mit dem Ziel gegründet werden, Gewinn für sich selbst zu erzielen. Allerdings darf sie als Unternehmensträgerin fungieren, wenn die dabei anfallenden Gewinne an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Die unternehmerischen Aktivitäten einer EWIV finden dort ihre Grenzen, wo Kontroll- oder Leitungsmacht über ein Mitgliedsunternehmen oder ein drittes Unternehmen ausgeübt würde. Der Negativkatalog der EWIV-VO nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft das Personal-, Finanz- und Investitionswesen. Die EWIV eignet sich nur eingeschränkt für Konzernierungen, da die gemeinschaftsrechtlichen Normen ein Konzernierungs- und Holdingverbot aufstellen. Gleichordnungskonzerne unter Beteiligung einer EWIV sind denkbar. Die Vereinigung darf nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Reine Personengesellschaften fallen nicht unter das deutsche Mitbestimmungsgesetz von 1976 ([[Mitbestimmung]]). Auf dem Umweg über die Gründung einer EWIV lassen sich mitgliedstaatliche ''[[Corporate Governance]]''-Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten nicht umgehen: Die Vereinigung darf von einer Mitgliedsgesellschaft nicht verwendet werden, um dem Leiter dieser Gesellschaft oder einer mit ihm verbundenen Person [[Darlehen]] zu gewähren, wenn die einschlägigen mitgliedstaatlichen Regeln hierzu Einschränkungen oder Kontrollen vorsehen. Schließlich darf die Vereinigung nicht Mitglied einer anderen EWIV sein.


Zur Erfüllung der Aufgaben des ESZB kann die EZB Beschlüsse fassen und in begrenzten Fällen Verordnungen erlassen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben (Art.&nbsp;110 EG/ 132 EU (2007) und Art.&nbsp;34.1 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Halten Unternehmen die sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht ein, kann die EZB sie innerhalb vom Rat vorgegebener Grenzen mit Geldbußen oder Strafgeldern belegen (Art.&nbsp;34.3 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Die EZB wird in den Bereichen, auf die sich ihre Befugnisse erstrecken, zu allen Entwürfen für Rechtsakte der Union sowie zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften auf einzelstaatlicher Ebene gehört und kann Stellungnahmen abgeben (Art.&nbsp;282(5) EU (2007) und Art.&nbsp;4 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Weiterhin hat sie für die Durchführung ihrer Aufgaben relevante statistische Daten zu erheben (Art.&nbsp;5 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Außerdem ist sie befugt, sich an internationalen Währungseinrichtungen zu beteiligen (Art.&nbsp;6.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
Die EWIV-VO will sich als supranationale Gesellschaftsrechtsform möglichst vielen natürlichen und juristischen Personen öffnen. Mitglieder einer Vereinigung können Gesellschaften im Sinne von Art.&nbsp;48 EG/54 AEUV und andere juristische Personen des öffentlichen oder des Privatrechts sein, die ihren satzungsmäßigen oder gesetzlichen Sitz und ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben. Wendet das internationale Gesellschaftsrecht ([[Gesellschaftsrecht, internationales]]) eines Mitgliedstaats nicht die Sitztheorie an, muss die Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft belegen sein. Natürliche Personen, die eine gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben oder in der Gemeinschaft andere Dienstleistungen erbringen, können Mitglieder der Vereinigung werden. Im Gegensatz zu dem Entwurf für das Statut einer [[Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea)|Europäischen Privatgesellschaft]] fordert die EWIV-VO ein zwischenstaatliches Element. Eine Vereinigung muss mindestens zwei Mitglieder aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Unternehmen aus Drittstaaten sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Allerdings ist die Beteiligung an einer Tochtergesellschaft eines Mitglieds oder die Vereinbarung eines ''joint venture'' mit der EWIV zulässig. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass etwa für Unternehmen aus den Britischen Jungferninseln ebenfalls die [[Niederlassungsfreiheit]] des EG-Vertrages gilt.


== 2. ESZB und nationale Zentralbanken ==
=== c) Anforderungen an den Gründungsvertrag ===
Im Gegensatz zur EZB hat das ESZB keine eigene Rechtspersönlichkeit. Der Begriff „ESZB“ ist lediglich eine Umschreibung der Existenz von EZB und nationalen Zentralbanken und ihrer Verknüpfung durch gemeinsame Regeln, Ziele und Aufgaben (Art.&nbsp;282(1) EU (2007) und Art.&nbsp;1.2 S.&nbsp;1 a.F./1 (1) S.&nbsp;1 n.F. ESZB-Satzung). Weist der Vertrag dem ESZB Aufgaben zu, ist dies in funktioneller Hinsicht zu verstehen. Es bedeutet nicht, dass das ESZB als solches rechts- und handlungsfähig wäre. Träger von Rechten und Pflichten gegenüber Dritten sind vielmehr die Mitglieder des ESZB, d.h. die EZB und die nationalen Zentralbanken (s. z.B. Art.&nbsp;9.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Geleitet wird das ESZB von den Beschlussorganen der EZB (Art.&nbsp;107 EG/129 EU (2007) und Art.&nbsp;8 a.F./n.F.ESZB-Satzung).
Im Hinblick auf die Mindestanforderungen nimmt die EWIV-VO den Regelungsansatz vorweg, der in den späteren Regelungen zur ''[[Private Limited Company (in England und Wales)|Private Limited Company]]'' des englischen Rechts wiederkehrt. Die gemeinschaftsrechtlichen Normen geben einen Minimalkatalog zwingender Anforderungen an den Gesellschaftsvertrag vor. Daneben können die Mitglieder zu einem späteren Zeitpunkt den Gesellschaftsvertrag ergänzen oder durch spätere Übereinkunft ihre Rechtsverhältnisse untereinander konkretisieren.


Die nationalen Zentralbanken sind integraler Bestandteil des ESZB. Soweit es um Aufgaben des ESZB geht, haben sie keine eigenen originären Kompetenzen, sondern handeln gemäß den Leitlinien und Weisungen der EZB (Art.&nbsp;14.3 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Diese nimmt die nationalen Zentralbanken insbesondere für die Ausführung der Geldpolitik in Anspruch, soweit das möglich und machbar erscheint (Art.&nbsp;12.1 a.F./ n.F. ESZB-Satzung). Die nationalen Zentralbanken sind somit funktionell (wenn auch nicht rechtlich) der „Verwaltungsunterbau“ der EZB. Eine originäre Rest-Kompetenz haben sie lediglich noch hinsichtlich solcher Funktionen, die sie außerhalb des ESZB erfüllen (Art.&nbsp;14.4 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
Im Gründungsvertrag einer Vereinigung ist deren Name, ihr Sitz, der Unternehmensgegenstand, Name, Sitz bzw. Wohnsitz eines jeden Mitglieds einzutragen. Soweit die Vereinigung nicht auf unbestimmte Zeit gegründet worden ist, ist die Laufzeit in den Vertrag aufzunehmen. Die Vereinigung ist bei dem örtlich zuständigen Handelsregister oder einer vergleichbaren Registerbehörde anzumelden. Neben dem Gründungsvertrag sind dort alle Urkunden zu hinterlegen, die dessen Änderung, eine Veränderung im Mitgliederbestand, Errichtung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Bestellung des Geschäftsführers oder dessen Abberufung, die Vertretungsregelung oder die Abwicklung der Vereinigung zum Gegenstand haben.


Die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, sind ebenfalls Bestandteil des ESZB, genießen aber einen Sonderstatus (vgl. Art.&nbsp;43 a.F./42 n.F. ESZB-Satzung). Sie bleiben für die jeweilige nationale Geldpolitik verantwortlich, wirken dafür aber auch nicht an der einheitlichen Geldpolitik des ESZB mit. Ihre Präsidenten sind nicht im obersten währungspolitischen Gremium der EZB, dem EZB-Rat, vertreten, und sie können nicht zum Vollzug der einheitlichen Geldpolitik herangezogen werden. Grundsätzlich muss aber die Geldpolitik auch dieser nationalen Zentralbanken mit dem Ziel der Preisstabilität konform gehen. Außerdem müssen sie mit der EZB und den an der einheitlichen Geldpolitik des ESZB mitwirkenden nationalen Zentralbanken z.B. auf dem Gebiet der Statistik kooperieren.
== 3. Außenhaftung – Rechtsverhältnisse der Mitglieder untereinander ==
=== a) Haftung für Verbindlichkeiten ===
Für die Geschäftsführung einer EWIV können die Mitglieder zwischen einem korporativen oder personengesellschaftlichen Lösungsmodell wählen. Die Organe der Vereinigung sind entweder die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder oder einer oder mehrere Geschäftsführer, die natürliche Personen sein müssen. Die EWIV-VO zieht aus dieser Unterscheidung aber nicht die Schlussfolgerungen, die für das Recht der ''Limited Liability Company'' der Gesellschaftsrechte der US-amerikanischen Bundesstaaten charakteristisch sind. Während bei den sog. ''manager-managed companies ''die unmittelbare Haftung der Gesellschafter dem Gläubiger gegenüber eingeschränkt ist, haften die Gesellschafter in vollem Umfang, wenn sie die Geschäftsführung der ''Limited Liability Company'' selbst übernommen haben. Die EWIV-VO geht von einer unbeschränkten, gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder aus, auch wenn die Geschäftsführung der von Korporationen nachgebildet ist. Dies gilt auch, wenn die Gesellschafter von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht haben, innerhalb der Vereinigung ein weiteres Organ etwa in Form eines Aufsichtsrats oder eines Beirats einzurichten. Allerdings können die Gläubiger bis zum Schluss der Abwicklung der Vereinigung ihre Forderungen gegenüber einem Mitglied erst geltend machen, wenn die Vereinigung fruchtlos zur Zahlung aufgefordert worden ist. Das deutsche Ausführungsgesetz fügt ein weiteres Element in die Haftungsordnung der EWIV ein, indem es die Geschäftsführer der Vereinigung bei Pflichtverletzungen gesamtschuldnerisch zur Zahlung von [[Schadensersatz]] verpflichtet.


== 3. Organisation ==
=== b) Innere Ordnung der EWIV ===
Die Beschlussorgane der EZB sind das Direktorium und der EZB-Rat (Art.&nbsp;107 EG/129 EU (2007) und Art.&nbsp;9.3. a.F./n.F. ESZB-Satzung). Daneben existiert der Erweiterte Rat der EZB als vorübergehendes Organ (Art.&nbsp;123 EG/141(1) EU (2007) und Art.&nbsp;45 a.F./44 n.F. ESZB-Satzung).
Die Gestaltung der Entscheidungsprozesse liegt weitgehend in den Händen der Mitglieder der Vereinigung. Sind sie als alleiniges Organ der Vereinigung eingesetzt, können sie jederzeit einen Beschluss zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes fassen. Entsprechendes gilt, wenn die Geschäftsführer eingesetzt sind. Die Mitglieder der Vereinigung können über Aspekte der Geschäftsführung beschließen und sind im Innenverhältnis gegenüber den Geschäftsführern weisungsberechtigt. Jedoch sind die Mitglieder ohne eine Änderung des Gründungsvertrages nicht befugt, die Geschäftsführung an sich zu ziehen. Die EWIV-VO verzichtet darauf, eine Verpflichtung zur Abhaltung von Mitgliederversammlungen zu normieren. Entscheidungen der Mitglieder können daher auch elektronisch auf virtuellen Versammlungen gefällt werden. Jedes Mitglied der Vereinigung hat mindestens eine Stimme. Mehrfachstimmrechte sind zulässig, soweit ein einzelnes Mitglied hierdurch nicht die Stimmenmehrheit erhält. Personengesellschaftsrechtliche Elemente scheinen durch, wenn die EWIV-VO einen Katalog von Mitgliederbeschlüssen aufstellt, die nur einstimmig gefasst werden dürfen. Einstimmigkeit wird gefordert für Beschlüsse zur Änderung des Unternehmensgegenstandes und der Stimmgewichtung, Verlängerung der Laufzeit des Gründungsvertrages und Veränderung der Beiträge zur Finanzierung der Vereinigung. Als dispositives Recht sind dagegen die Normen zur Änderung des Gründungsvertrages im Hinblick auf nicht-finanzielle Pflichten der Mitglieder und zu Stimmenquoren bei nicht den Kernbestand der mitgliedschaftlichen Stellung berührenden Angelegenheiten gefasst. Die Geschäftsführung hört auf eigene Initiative oder auf Antrag eines Mitglieds die Mitglieder an, um eine Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung vorzubereiten. Überdies sind die Mitglieder berechtigt, von der Geschäftsführung Auskünfte über die Geschäfte der Vereinigung zu erhalten und die Geschäftsunterlagen einzusehen.


Das Direktorium führt die laufenden Geschäfte der EZB (Art.&nbsp;11.6 a.F./n.F. ESZB-Satzung) und bereitet die Sitzungen des EZB-Rates vor (Art.&nbsp;12.2. a.F./n.F. ESZB-Satzung). Es führt die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Beschlüssen des EZB-Rates aus und erteilt in diesem Zusammenhang den nationalen Zentralbanken Weisungen (Art.&nbsp;12.1&nbsp;(2) a.F./n.F. ESZB-Satzung). Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Sie werden vom Europäischen Rat auf Empfehlung des Rates ([[Rat und Europäischer Rat]]) mit qualifizierter Mehrheit ausgewählt und ernannt. Dabei sind das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] und der EZB-Rat anzuhören. Die Mitglieder des Direktoriums müssen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und „in Währungs- oder Bankfragen anerkannte und erfahrene Persönlichkeiten“ sein. Ihre Amtszeit beträgt 8 Jahre. Eine Wiederernennung ist nicht zulässig. (Art.&nbsp;112 EG/283(2) EU (2007) sowie Art.&nbsp;11.2(2) a.F./n.F. ESZB-Satzung). Der Präsident ist zwar vollumfänglich in das Direktorium eingebunden, aber der Vertrag weist ihm eine besondere, herausgehobene Stellung zu: Er (und bei seiner Verhinderung der Vizepräsident) führt den Vorsitz in allen EZB-Organen (Direktorium, EZB-Rat, Art.&nbsp;13.1 a.F./n.F. ESZB-Satzung, und Erweiterter Rat der EZB, Art.&nbsp;46.1 a.F./45.1 n.F. ESZB-Satzung) und vertritt die EZB nach außen (Art.&nbsp;13.2 a.F./n.F. und Art.&nbsp;30 a.F./38 n.F. ESZB-Satzung). Bei Stimmengleichheit im EZB-Rat und im Direktorium gibt seine Stimme den Ausschlag (Art.&nbsp;10.2(4) a.F./n.F. ESZB-Satzung).
=== c) Ausscheiden aus der Vereinigung – Auflösung ===
Die Mitgliedschaft endet durch ordentliche Kündigung, wenn die verbleibenden Mitglieder zustimmen. Der Gründungsvertrag kann eine hiervon abweichende Regelung treffen. Ohne Zustimmung ist eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässig. Ein Mitglied kann bei groben Pflichtverstößen oder unter im Gründungsvertrag näher bezeichneten Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Soweit der Gründungsvertrag kein abweichendes Verfahren vorsieht, ist hierfür eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Ein Mitglied scheidet aus, wenn es nicht mehr die persönlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Vereinigung erfüllt. Verstirbt ein Mitglied, kann die Vereinigung unter den Verbleibenden fortgesetzt werden. Die Vereinigung kann sich durch einstimmigen Beschluss auflösen. Nach dem Auflösungsbeschluss ist die Vereinigung nach dem einschlägigen einzelstaatlichen Recht abzuwickeln. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine EWIV hat nicht automatisch die Eröffnung eines solchen Verfahrens gegen die Mitglieder zur Folge.


Der EZB-Rat erlässt die Leitlinien und Beschlüsse, die für die Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben notwendig sind. Er legt die Geldpolitik des Euro-Währungsgebietes fest und trifft in diesem Zusammenhang alle strategischen Entscheidungen, wie z.B. die Festlegung von geldpolitischen Zwischenzielen und Leitzinssätzen. Außerdem erlässt er die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien (Art.&nbsp;12(1) a.F./n.F. ESZB-Satzung). Der EZB-Rat beschließt auch die Geschäftsordnung der EZB (Art.&nbsp;12.3 a.F./n.F. ESZB-Satzung), entscheidet über die Vertretung des Eurosystems im Bereich der internationalen Zusammenarbeit (Art.&nbsp;12.5 a.F./n.F ESZB-Satzung) und nimmt die beratenden Aufgaben gegenüber den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten wahr (Art.&nbsp;12.4 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Der EZB-Rat (und damit die EZB) hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten innerhalb der Union zu genehmigen (Art.&nbsp;16 a.F./n.F. ESZB-Satzung, bzgl. der EZB s. Art.&nbsp;106(1) EG/128(1) EU (2007)) und er ist für Beschlüsse zuständig, den EuGH anzurufen (Art.&nbsp;35.5 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken derjenigen Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (Art.&nbsp;112 EG/283(1) EU(2007)). Er ist das oberste Beschlussorgan der EZB und trifft die meisten Entscheidungen mit einfacher Mehrheit (Art. 10.2(4) a.F./n.F. ESZB-Satzung).
== 4. Ausblick ==
Vor der ''Centros''-Rechtsprechung des EuGH (Rs.&nbsp;C-212/97 – ''Centros'', Slg. 1999, I-1459; Rs.&nbsp;C-208/00 – ''Überseering'', Slg. 2002, I-9919; Rs.&nbsp;C-167/01 – ''Inspire Art'', Slg. 2003, I-10155; Rs.&nbsp;C-411/03 – ''SEVIC'', Slg. 2005, I-10805) ([[Niederlassungsfreiheit]]) hat es in der Geschichte des europäischen Gesellschaftsrechts lange an einer grenzüberschreitenden Kooperationsform gefehlt, die – in allen Mitgliedstaaten ohne weiteres anerkannt – den Beteiligten einen umfassenden Gestaltungsspielraum gewährt. Als neue supranationale Gesellschaftsform steht die EWIV auch kleineren und mittleren Unternehmen und Freiberuflern offen. Die EU-Kommission hat überdies angeregt, dass sich Konsortien in Form einer EWIV bilden sollten, um als grenzüberschreitende Bietergemeinschaften an Vergabeverfahren in den Mitgliedstaaten teilzunehmen. Dennoch ist die EWIV wegen ihrer restriktiven Gründungsvoraussetzungen ohne größere Bedeutung geblieben. In der Praxis greifen vor allem Rechtsanwälte und andere Freiberufler auf diese Form der grenzüberschreitenden Kooperation zurück. Mittelständische und Großunternehmen nutzen die EWIV dagegen selten, auch wenn sie für die Organisation gemeinsamer Einkaufs- und Vertriebsbüros, die grenzüberschreitende Qualitätskontrolle, Kooperationen in Forschung und Entwicklung, gemeinsame Rechenzentren und die Zusammenarbeit von Spediteuren in Transport und Logistik in Betracht käme.


Die Beteiligung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken an der Willensbildung gibt dem Eurosystem einen quasi-föderativen Charakter. Die Präsidenten sind dabei allerdings nicht als nationale Interessenvertreter anzusehen, sondern sind, wie die Abstimmungsregeln zeigen, in persönlicher Eigenschaft Mitglieder im EZB-Rat (eine Stimme je Mitglied, persönliche Ausübung der Stimmabgabe, Art.&nbsp;10.2(2) a.F./ n.F. ESZB-Satzung).
Die EWIV-VO verwirklicht das Binnenmarktprogramm ([[Europäischer Binnenmarkt]]) der Kommission. Das juristische Interesse hat sich mit der Konkretisierung der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften durch die europäischen Richter allerdings verlagert. Obwohl die ''Societas Europaea'' ([[Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea)|Europäische Aktiengesellschaft]]) und das Statut für eine Europäische Privatgesellschaft noch einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für die Binnenordnung von Unternehmen vorzugeben versuchen, stellt sich verstärkt die Frage, in welchem Umfang organisationsrechtliche Normen des Gemeinschaftsrechts in offenen Konflikt mit den Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten treten und die Mitgliedstaaten vor die Entscheidung stellen, bei der Entwicklung von Handlungspflichten der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes von einer ''ex ante''- zu einer ''ex post''-Betrachtung zu wechseln. In der regierungspolitischen Diskussion ist zu klären, ob der gesellschaftsrechtliche Wettbewerb der nationalen Gesetzgeber ([[Wettbewerb der Rechtsordnungen]]) keine, eine stimulierende oder eine restriktive Antwort erfordert.
 
Der Erweiterte Rat wirkt bei der Erfüllung der Beratungsfunktion der EZB, bei der Erhebung statistischer Daten, bei der Berichtstätigkeit der EZB und bei der Festlegung der Beschäftigungsbedingungen des Personals der EZB mit (Art. 47 a.F./46 n.F. ESZB-Satzung). Mitwirkung bedeutet, dass dem Erweiterten Rat Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird, bevor der EZB-Rat auf den erwähnten Gebieten Beschlüsse fasst (Art. 12 f. Geschäftsordnung der EZB). Außerdem nimmt der Erweiterte Rat eine beratende Funktion bei der Aufnahme weiterer Länder in die Währungsunion wahr (Art. 47 a.F./46.1 n.F. i.V.m. Art. 44 a.F./43 n.F. ESZB-Satzung i.V.m. Art. 140 EU (2007)). Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten, einschließlich der nicht am Euro-Währungsgebiet teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten (Art. 45.2 a.F./44.2 n.F. ESZB-Satzung). Im Erweiterten Rat werden unter anderem die Notenbankpräsidenten der Staaten ohne Euro offiziell über die Beschlüsse des EZB-Rates informiert (Art. 47 a.F./46.4 n.F. ESZB-Satzung). An den Sitzungen des Erweiterten Rates können der Präsident des Rates und ein Mitglied der Europäischen Union ohne Stimmrecht teilnehmen (Art. 46.2 a.F./45.2 n.F. ESZB-Satzung).
 
== 4. Unabhängigkeit ==
Die EZB ist unabhängig. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, die Unabhängigkeit der EZB zu beachten und sie nicht zu beeinflussen (Art.&nbsp;130 und 282(3) EU (2007), Art.&nbsp;7 ESZB-Satzung). Die Unabhängigkeit der EZB hat verschiedene Ausprägungen. So darf weder die EZB noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen einholen oder entgegennehmen (institutionelle Unabhängigkeit, Art.&nbsp;108 EG/130 EU (2007)). Die EZB kann frei darüber entscheiden, mit welchen Methoden sie die Preisstabilität gewährleistet (operative oder funktionelle Unabhängigkeit, Art.&nbsp;282(3) EU (2007)). Weiterhin verfügt sie über ihren eigenen Haushalt und kann selbst bestimmen, wie sie ihre finanziellen Mittel einsetzt (finanzielle Unabhängigkeit, Art.&nbsp;282(3) EU (2007)). Der Europäische Rechnungshof überprüft dementsprechend auch nur die Effizienz der Verwaltung der EZB (Art.&nbsp;248 EG/287 EU (2007) i.V.m. Art.&nbsp;27.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Auch die Unabhängigkeit des Personals der EZB wird gewährleistet. Die EZB-Direktoren werden auf 8 Jahre gewählt, eine zweite Amtszeit ist ausgeschlossen (Art.&nbsp;112 EG/283(2)(III) EU (2007)). Die Amtszeit der Präsidenten der nationalen Zentralbanken muss mindestens fünf Jahre betragen und sie können nur unter besonderen Umständen aus ihrem Amt als Präsident der jeweiligen nationalen Zentralbank entlassen werden (Art.&nbsp;14.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Als Mitglieder des EZB-Rates gilt für sie, wie auch für die anderen Mitglieder des EZB-Rates, dass sie nur bei schwerwiegenden Gründen auf Antrag des EZB-Rates oder des Direktoriums durch den Europäischen Gerichtshof ihres Amtes enthoben werden können (Art.&nbsp;11.4 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Schließlich soll ihre Unabhängigkeit auch dadurch gesichert werden, dass kein Mitglied des EZB-Rates ohne ausdrückliche Genehmigung entgeltlich oder unentgeltlich eine andere Beschäftigung aufnehmen darf (Art.&nbsp;11.1(2) a.F./ n.F. ESZB-Satzung).
 
== 5. Kapital und Instrumente der EZB ==
Das gezeichnete Kapital der EZB beträgt EUR 5 Mrd. Die alleinigen Zeichner und Inhaber des Kapitals sind die nationalen Zentralbanken, die dieses nach einem festgelegten Schlüssel (s. Art.&nbsp;29 ESZB-Satzung) gezeichnet haben (Art.&nbsp;28 ESZB-Satzung). Die Gewinne fließen, von der Dotierung des Allgemeinen Reservefonds abgesehen, den nationalen Zentralbanken als Anteilseigner zu (Art.&nbsp;33 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
 
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben können die EZB und die nationalen Zentralbanken Offenmarkt- und Kreditgeschäfte abschließen (Art.&nbsp;18 a.F./ n.F. ESZB-Satzung). Außerdem kann die EZB von den in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten verlangen, dass sie Mindestreserven auf Konten bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken halten (Art.&nbsp;19 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Darüber hinaus kann die EZB auch andere Instrumente der Geldpolitik einsetzen, sofern der EZB-Rat mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen dies beschließt (Art.&nbsp;20 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
 
== 6. Berichtspflichten und Kontrolle der EZB ==
Die EZB hat vierteljährlich über die Tätigkeit des ESZB zu berichten und jede Woche einen konsolidierten Ausweis des ESZB zu veröffentlichen (Art.&nbsp;15.1 und 15.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Weiterhin hat sie einen Jahresbericht über die Tätigkeit des ESZB und die Geld- und Währungspolitik des aktuellen und abgelaufenen Jahres vorzulegen. Diesen erhalten das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Rat der Europäischen Union und die [[Europäische Kommission]] (Art.&nbsp;113(3) EG/284(3) EU (2007) und Art.&nbsp;15.3 a.F./n.F. ESZB-Satzung).
 
Weiterhin hat die EZB ihren Jahresabschluss zu veröffentlichen (Art.&nbsp;26.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Dieser wird von externen Abschlussprüfern überprüft (Art.&nbsp;27.1 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Der Europäische Rechnungshof überprüft (lediglich) die Effizienz der Verwaltung der EZB (Art.&nbsp;248 EG/287 EU (2007) i.V.m. 27.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung). Außerdem verfügt die EZB über eine interne Kontrollstruktur, über eine interne Revision, die direkt dem Direktorium unterstellt ist, und über einen Datenschutzbeauftragten, der vom Europäischen Parlament ernannt wird. Seit 2004 wird die EZB außerdem vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) kontrolliert. Versuchen der EZB, diese letztgenannte Kontrolle zu verhindern und stattdessen einen eigenen Ausschuss für Betrugsbekämpfung einzusetzen, erteilte der EuGH eine Absage (EuGH Rs.&nbsp;C-11/00 – ''EZB'', Slg. 2003, I-7147).
 
Der EuGH überwacht die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte und Handlungen der EZB und ist zu diesem Zweck für entsprechende Klagen gegen die EZB zuständig (Art. 230 EG/263 EU (2007) und Art. 35.1 ESZB-Satzung). Unterlässt es die EZB unter Verletzung der Verträge, einen Beschluss zu fassen, kann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen sie beim EuGH eingeleitet werden (Art. 232 EG/265 EU (2007)). Auf der anderen Seite kann die EZB beim EuGH mittels Klage die Wahrung ihrer Rechte sicherstellen (Art. 230 EG/263 EU (2007)). Über Rechtsstreitigkeiten zwischen der EZB und ihren Gläubigern, Schuldnern oder Dritten entscheiden die zuständigen Gerichte der einzelnen Staaten, soweit der EuGH nicht zuständig ist (Art.&nbsp;35.2 a.F./n.F. ESZB-Satzung).


==Literatur==
==Literatur==
''René Smits'', The European Central Bank, 1997; ''Hanspeter K. Scheller'', Die Europäische Zentralbank, 2000; ''Chiara Zilioli'','' Martin Selmayr'', The Law of The European Central Bank, 2001; ''Karsten Junius'','' Ulrich Kater'','' Carsten-Patrick Meier'','' Henrik Müller'', Handbuch Euro¬päische Zentralbank, 2002; ''David. J. Howarth'','' Lawrence H. Freedom'','' Peter Loedl'', European Central Bank: The New European Leviathan?, 2003; ''Carola Eser'', Die Außenkompetenzen der Europäischen Zentralbank im Spannungsfeld zur Europäischen Gemeinschaft in der Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, 2005; ''Charlotte Gaitanides'', Das Recht der Europäischen Zentralbank, 2005; ''Jakob de Haan'', ''Sylvester C.W. Eijffinger'', ''Sandra Waller'', The European Central Bank: Creditibility, Transparency, and Centralization, 2005; ''Donato Masciandaro'', Handbook of central banking and financial authorities in Europe, 2005; ''Hanspeter K. Scheller'', Die Europäische Zentralbank: Geschichte, Rolle und Aufgaben, 2. Aufl. 2006.
''Yves Guyon'', ''Georges Coquereau'', Le groupement d’intérêt économique: Régime juridique et fiscal, 2.&nbsp;Aufl. 1973; ''Michael O.E. Scriba'', Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, 1988; ''Margaret Anderson'', European Economic Interest Grouping, 1990; ''Matthias Hartard'', Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung im deutschen, englischen und französischen Recht, 1991; ''Jens Rinze'', Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) im Unternehmensverbund, 1995; ''Paul Selbherr'', ''Gerhard Manz'' (Hg.), Kommentar zur Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), 1995; ''Gabriele Jahn'', Die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder einer deutschen Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), 1996; ''Peter Burkhalter'', Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und ihre konzernrechtlichen Beziehungen, 1998; ''Andreas Schlüter'', Die EWIV: Modellfall für ein europäisches Gesellschaftsrecht?, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2002, 589&nbsp;ff.; ''Adolf Baumbach'', ''Klaus&nbsp;J. Hopt'', ''Hanno'' Merkt, Handelsgesetzbuch mit GmbH&nbsp;&&nbsp;Co. KG, Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 34.&nbsp;Aufl. 2009.


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Version vom 28. September 2021, 16:05 Uhr

von Rainer Kulms

1. Entstehungsgeschichte

Die VO 2137/85 vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV-VO) schafft einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für natürliche Personen, Gesellschaften und andere juristische Einheiten, die über innergemeinschaftliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten wollen. Unternehmenskooperationen etwa in Form von joint ventures oder Arbeitsgemeinschaften werden mit Rechtspersönlichkeit und korporativen Strukturen ausgestattet, die über einen schuldrechtlichen Organisationsvertrag, eine BGB-Gesellschaft deutschen Rechts oder eine partnership englischen Rechts hinausgehen. Eine Fusion findet nicht statt. Die EWIV verfügt über kein Mindestkapital. Ihre Mitglieder haften für Verbindlichkeiten der Vereinigung unbeschränkt.

Die EWIV knüpft an die Erfahrungen an, die das französische Recht mit dem Groupement d’Intérêt Economique gesammelt hat. Das Groupement d’Intérêt Economique überwindet die Trennung des französischen Gesellschaftsrechts zwischen den starren Gründungs- und Organisationsvorschriften für Handelsgesellschaften und den nicht rechtsfähigen associations. Das Groupement d’Intérêt Economique soll die wirtschaftlichen Ergebnisse seiner Mitglieder steigern. Es ist eine juristische Person ohne festes Haftungskapital, deren Mitglieder unbeschränkt gesamtschuldnerisch (Gesamtschuld) haften. Die Mitglieder haben weitgehende Freiheit, über die innere Verfassung zu entscheiden. Ertragssteuern fallen nur bei ihnen an.

2. Strukturen

a) Anwendbares Recht

Gemeinschaftsrecht und nationale Ausführungsbestimmungen bestimmen den Rahmen für die Gründung einer EWIV. Die EWIV-VO konzentriert sich auf die Gründungsvoraussetzungen, die innere Verfassung, die Vertretung nach außen und die Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten ihrer Vereinigung. Soweit die EWIV-VO hierzu keine Regelungen trifft, findet das materielle Recht des Sitzstaats der Vereinigung Anwendung. Ebenso sind die Normen über die Abwicklung der Vereinigung, Zahlungsunfähigkeit und die Zahlungseinstellung und die Haftung der Geschäftsführer dem einzelstaatlichen Recht zu entnehmen. Im Übrigen beurteilen sich Außenwirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeiten nach den Regeln des allgemeinen internationalen Privatrechts. Hierzu zählen insbesondere Fragen, die den Personenstand, die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen und die Rechts- und Handlungsfähigkeit juristischer Personen betreffen. Im Kartellrecht ist das Auswirkungsprinzip zu beachten (vgl. Art. 6 Rom II-VO [VO 593/2008]). Die Wettbewerbsregeln (Wettbewerbsrecht, internationales; Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit) des EG-Vertrages sind grundsätzlich einschlägig. Das deutsche Ausführungsgesetz zur EWIV-VO befasst sich mit der Anmeldung zum Handelsregister, den Pflichten des Geschäftsführers, seiner Entlassung, der Abwicklung der Vereinigung, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ergänzend verweisen die deutschen Ausführungsvorschriften auf die entsprechende Anwendung der Regeln für offene Handelsgesellschaften. Steuerlich wird die EWIV von der deutschen Finanzverwaltung ebenfalls wie eine offene Handelsgesellschaft behandelt.

b) Gründungsvoraus­setzungen

Die EWIV versteht sich als Koordinationsinstrument für die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder. Sie darf nicht mit dem Ziel gegründet werden, Gewinn für sich selbst zu erzielen. Allerdings darf sie als Unternehmensträgerin fungieren, wenn die dabei anfallenden Gewinne an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Die unternehmerischen Aktivitäten einer EWIV finden dort ihre Grenzen, wo Kontroll- oder Leitungsmacht über ein Mitgliedsunternehmen oder ein drittes Unternehmen ausgeübt würde. Der Negativkatalog der EWIV-VO nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft das Personal-, Finanz- und Investitionswesen. Die EWIV eignet sich nur eingeschränkt für Konzernierungen, da die gemeinschaftsrechtlichen Normen ein Konzernierungs- und Holdingverbot aufstellen. Gleichordnungskonzerne unter Beteiligung einer EWIV sind denkbar. Die Vereinigung darf nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Reine Personengesellschaften fallen nicht unter das deutsche Mitbestimmungsgesetz von 1976 (Mitbestimmung). Auf dem Umweg über die Gründung einer EWIV lassen sich mitgliedstaatliche Corporate Governance-Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten nicht umgehen: Die Vereinigung darf von einer Mitgliedsgesellschaft nicht verwendet werden, um dem Leiter dieser Gesellschaft oder einer mit ihm verbundenen Person Darlehen zu gewähren, wenn die einschlägigen mitgliedstaatlichen Regeln hierzu Einschränkungen oder Kontrollen vorsehen. Schließlich darf die Vereinigung nicht Mitglied einer anderen EWIV sein.

Die EWIV-VO will sich als supranationale Gesellschaftsrechtsform möglichst vielen natürlichen und juristischen Personen öffnen. Mitglieder einer Vereinigung können Gesellschaften im Sinne von Art. 48 EG/54 AEUV und andere juristische Personen des öffentlichen oder des Privatrechts sein, die ihren satzungsmäßigen oder gesetzlichen Sitz und ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben. Wendet das internationale Gesellschaftsrecht (Gesellschaftsrecht, internationales) eines Mitgliedstaats nicht die Sitztheorie an, muss die Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft belegen sein. Natürliche Personen, die eine gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben oder in der Gemeinschaft andere Dienstleistungen erbringen, können Mitglieder der Vereinigung werden. Im Gegensatz zu dem Entwurf für das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft fordert die EWIV-VO ein zwischenstaatliches Element. Eine Vereinigung muss mindestens zwei Mitglieder aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Unternehmen aus Drittstaaten sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Allerdings ist die Beteiligung an einer Tochtergesellschaft eines Mitglieds oder die Vereinbarung eines joint venture mit der EWIV zulässig. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass etwa für Unternehmen aus den Britischen Jungferninseln ebenfalls die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages gilt.

c) Anforderungen an den Gründungsvertrag

Im Hinblick auf die Mindestanforderungen nimmt die EWIV-VO den Regelungsansatz vorweg, der in den späteren Regelungen zur Private Limited Company des englischen Rechts wiederkehrt. Die gemeinschaftsrechtlichen Normen geben einen Minimalkatalog zwingender Anforderungen an den Gesellschaftsvertrag vor. Daneben können die Mitglieder zu einem späteren Zeitpunkt den Gesellschaftsvertrag ergänzen oder durch spätere Übereinkunft ihre Rechtsverhältnisse untereinander konkretisieren.

Im Gründungsvertrag einer Vereinigung ist deren Name, ihr Sitz, der Unternehmensgegenstand, Name, Sitz bzw. Wohnsitz eines jeden Mitglieds einzutragen. Soweit die Vereinigung nicht auf unbestimmte Zeit gegründet worden ist, ist die Laufzeit in den Vertrag aufzunehmen. Die Vereinigung ist bei dem örtlich zuständigen Handelsregister oder einer vergleichbaren Registerbehörde anzumelden. Neben dem Gründungsvertrag sind dort alle Urkunden zu hinterlegen, die dessen Änderung, eine Veränderung im Mitgliederbestand, Errichtung oder Aufhebung von Niederlassungen, die Bestellung des Geschäftsführers oder dessen Abberufung, die Vertretungsregelung oder die Abwicklung der Vereinigung zum Gegenstand haben.

3. Außenhaftung – Rechtsverhältnisse der Mitglieder untereinander

a) Haftung für Verbindlichkeiten

Für die Geschäftsführung einer EWIV können die Mitglieder zwischen einem korporativen oder personengesellschaftlichen Lösungsmodell wählen. Die Organe der Vereinigung sind entweder die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder oder einer oder mehrere Geschäftsführer, die natürliche Personen sein müssen. Die EWIV-VO zieht aus dieser Unterscheidung aber nicht die Schlussfolgerungen, die für das Recht der Limited Liability Company der Gesellschaftsrechte der US-amerikanischen Bundesstaaten charakteristisch sind. Während bei den sog. manager-managed companies die unmittelbare Haftung der Gesellschafter dem Gläubiger gegenüber eingeschränkt ist, haften die Gesellschafter in vollem Umfang, wenn sie die Geschäftsführung der Limited Liability Company selbst übernommen haben. Die EWIV-VO geht von einer unbeschränkten, gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder aus, auch wenn die Geschäftsführung der von Korporationen nachgebildet ist. Dies gilt auch, wenn die Gesellschafter von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht haben, innerhalb der Vereinigung ein weiteres Organ etwa in Form eines Aufsichtsrats oder eines Beirats einzurichten. Allerdings können die Gläubiger bis zum Schluss der Abwicklung der Vereinigung ihre Forderungen gegenüber einem Mitglied erst geltend machen, wenn die Vereinigung fruchtlos zur Zahlung aufgefordert worden ist. Das deutsche Ausführungsgesetz fügt ein weiteres Element in die Haftungsordnung der EWIV ein, indem es die Geschäftsführer der Vereinigung bei Pflichtverletzungen gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

b) Innere Ordnung der EWIV

Die Gestaltung der Entscheidungsprozesse liegt weitgehend in den Händen der Mitglieder der Vereinigung. Sind sie als alleiniges Organ der Vereinigung eingesetzt, können sie jederzeit einen Beschluss zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes fassen. Entsprechendes gilt, wenn die Geschäftsführer eingesetzt sind. Die Mitglieder der Vereinigung können über Aspekte der Geschäftsführung beschließen und sind im Innenverhältnis gegenüber den Geschäftsführern weisungsberechtigt. Jedoch sind die Mitglieder ohne eine Änderung des Gründungsvertrages nicht befugt, die Geschäftsführung an sich zu ziehen. Die EWIV-VO verzichtet darauf, eine Verpflichtung zur Abhaltung von Mitgliederversammlungen zu normieren. Entscheidungen der Mitglieder können daher auch elektronisch auf virtuellen Versammlungen gefällt werden. Jedes Mitglied der Vereinigung hat mindestens eine Stimme. Mehrfachstimmrechte sind zulässig, soweit ein einzelnes Mitglied hierdurch nicht die Stimmenmehrheit erhält. Personengesellschaftsrechtliche Elemente scheinen durch, wenn die EWIV-VO einen Katalog von Mitgliederbeschlüssen aufstellt, die nur einstimmig gefasst werden dürfen. Einstimmigkeit wird gefordert für Beschlüsse zur Änderung des Unternehmensgegenstandes und der Stimmgewichtung, Verlängerung der Laufzeit des Gründungsvertrages und Veränderung der Beiträge zur Finanzierung der Vereinigung. Als dispositives Recht sind dagegen die Normen zur Änderung des Gründungsvertrages im Hinblick auf nicht-finanzielle Pflichten der Mitglieder und zu Stimmenquoren bei nicht den Kernbestand der mitgliedschaftlichen Stellung berührenden Angelegenheiten gefasst. Die Geschäftsführung hört auf eigene Initiative oder auf Antrag eines Mitglieds die Mitglieder an, um eine Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung vorzubereiten. Überdies sind die Mitglieder berechtigt, von der Geschäftsführung Auskünfte über die Geschäfte der Vereinigung zu erhalten und die Geschäftsunterlagen einzusehen.

c) Ausscheiden aus der Vereinigung – Auflösung

Die Mitgliedschaft endet durch ordentliche Kündigung, wenn die verbleibenden Mitglieder zustimmen. Der Gründungsvertrag kann eine hiervon abweichende Regelung treffen. Ohne Zustimmung ist eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässig. Ein Mitglied kann bei groben Pflichtverstößen oder unter im Gründungsvertrag näher bezeichneten Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Soweit der Gründungsvertrag kein abweichendes Verfahren vorsieht, ist hierfür eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Ein Mitglied scheidet aus, wenn es nicht mehr die persönlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Vereinigung erfüllt. Verstirbt ein Mitglied, kann die Vereinigung unter den Verbleibenden fortgesetzt werden. Die Vereinigung kann sich durch einstimmigen Beschluss auflösen. Nach dem Auflösungsbeschluss ist die Vereinigung nach dem einschlägigen einzelstaatlichen Recht abzuwickeln. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine EWIV hat nicht automatisch die Eröffnung eines solchen Verfahrens gegen die Mitglieder zur Folge.

4. Ausblick

Vor der Centros-Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155; Rs. C-411/03 – SEVIC, Slg. 2005, I-10805) (Niederlassungsfreiheit) hat es in der Geschichte des europäischen Gesellschaftsrechts lange an einer grenzüberschreitenden Kooperationsform gefehlt, die – in allen Mitgliedstaaten ohne weiteres anerkannt – den Beteiligten einen umfassenden Gestaltungsspielraum gewährt. Als neue supranationale Gesellschaftsform steht die EWIV auch kleineren und mittleren Unternehmen und Freiberuflern offen. Die EU-Kommission hat überdies angeregt, dass sich Konsortien in Form einer EWIV bilden sollten, um als grenzüberschreitende Bietergemeinschaften an Vergabeverfahren in den Mitgliedstaaten teilzunehmen. Dennoch ist die EWIV wegen ihrer restriktiven Gründungsvoraussetzungen ohne größere Bedeutung geblieben. In der Praxis greifen vor allem Rechtsanwälte und andere Freiberufler auf diese Form der grenzüberschreitenden Kooperation zurück. Mittelständische und Großunternehmen nutzen die EWIV dagegen selten, auch wenn sie für die Organisation gemeinsamer Einkaufs- und Vertriebsbüros, die grenzüberschreitende Qualitätskontrolle, Kooperationen in Forschung und Entwicklung, gemeinsame Rechenzentren und die Zusammenarbeit von Spediteuren in Transport und Logistik in Betracht käme.

Die EWIV-VO verwirklicht das Binnenmarktprogramm (Europäischer Binnenmarkt) der Kommission. Das juristische Interesse hat sich mit der Konkretisierung der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften durch die europäischen Richter allerdings verlagert. Obwohl die Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) und das Statut für eine Europäische Privatgesellschaft noch einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für die Binnenordnung von Unternehmen vorzugeben versuchen, stellt sich verstärkt die Frage, in welchem Umfang organisationsrechtliche Normen des Gemeinschaftsrechts in offenen Konflikt mit den Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten treten und die Mitgliedstaaten vor die Entscheidung stellen, bei der Entwicklung von Handlungspflichten der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes von einer ex ante- zu einer ex post-Betrachtung zu wechseln. In der regierungspolitischen Diskussion ist zu klären, ob der gesellschaftsrechtliche Wettbewerb der nationalen Gesetzgeber (Wettbewerb der Rechtsordnungen) keine, eine stimulierende oder eine restriktive Antwort erfordert.

Literatur

Yves Guyon, Georges Coquereau, Le groupement d’intérêt économique: Régime juridique et fiscal, 2. Aufl. 1973; Michael O.E. Scriba, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, 1988; Margaret Anderson, European Economic Interest Grouping, 1990; Matthias Hartard, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung im deutschen, englischen und französischen Recht, 1991; Jens Rinze, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) im Unternehmensverbund, 1995; Paul Selbherr, Gerhard Manz (Hg.), Kommentar zur Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), 1995; Gabriele Jahn, Die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder einer deutschen Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), 1996; Peter Burkhalter, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und ihre konzernrechtlichen Beziehungen, 1998; Andreas Schlüter, Die EWIV: Modellfall für ein europäisches Gesellschaftsrecht?, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2002, 589 ff.; Adolf Baumbach, Klaus J. Hopt, Hanno Merkt, Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co. KG, Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 34. Aufl. 2009.