Erwachsenenschutz und Erwerb vom Nichtberechtigten: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Kurt Siehr]]''
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== 1. Nationales Sachrecht ==
== 1. Gegenstand ==
Erwachsene Personen, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, wurden und werden noch im nationalen Recht durch Vorschriften über die [[Vormundschaft (rechtliche Fürsorge) für Minderjährige|Vormundschaft]] (§§ 1773&nbsp;ff. BGB a.F.; ''guardianship''<nowiki>; </nowiki>''tutelle des majeurs'': Art.&nbsp;488&nbsp;ff. frz. ''Code civil''<nowiki>; Sachwalterschaft oder Kuratel: §§&nbsp;268&nbsp;ff. ABGB; Vormundschaft/</nowiki>''tutelle''/''tutela'': Art.&nbsp;360&nbsp;ff. schweiz. ZGB; ''curatela'': Art.&nbsp;286&nbsp;ff. span. ''Código civil'') geschützt. Diese Personen werden durch Gerichte oder andere staatliche Instanzen mittels Entmündigung (''incapacitation'') für geschäfts- oder handlungsunfähig erklärt, und es wird ihnen ein Vormund (''tuteur'', ''tutore'') bestellt. Eine weniger eingreifende Schutzmaßnahme war die Pflegschaft (§§&nbsp;1909&nbsp;ff. BGB a.F.; ''curatelle'': Art.&nbsp;392&nbsp;ff. schweiz. ZGB), die hilflosen Personen auch ohne deren Entmündigung durch einen Pfleger (''curateur'', ''curatore'') Hilfe leistete. In neuerer Zeit sind in vielen Staaten die alten Vorschriften der Vormundschaft und Pflegschaft durch Bestimmungen über die [[Betreuung (rechtliche Fürsorge für Erwachsene)|Betreuung]] (z.B. §§&nbsp;1896&nbsp;ff. BGB; ''amministrazione di sostegno'': Art.&nbsp;404 et seq. ''Codice civile''<nowiki>; </nowiki>''onderbewindstelling ter bescherming van meerderjarigen'': Art.&nbsp;1:431&nbsp;ff. BW) ersetzt worden. Auch die Schweiz bereitet eine Revision des Vormundschaftsrechts vor (Erwachsenenschutz: BBl.&nbsp;2006, 7139). Diese neueren Vorschriften über die Betreuung gehen weniger weit als die alten Bestimmungen über die Vormundschaft. Insbesondere sehen sie keine Entmündigung vor, sie stellen nur fest, dass gewisse wichtige Rechtsgeschäfte der betreuten Person ohne Zustimmung des Betreuers unwirksam sind.
Fast alle Rechtsordnungen ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen den Erwerb vom Nichtberechtigten. Diese Benennung ist genauer als die Bezeichnung „gutgläubiger Erwerb“, die einerseits bereits eine Voraussetzung solchen Erwerbs benennt, andererseits aber auch die Ersitzung umfasst. Der Hauptunterschied zur Ersitzung ist, dass gutgläubiger Erwerb ohne Fristablauf eintritt. Das Rechtsinstitut des Erwerbs vom Nichtberechtigten steht in engem Zusammenhang auch mit der rechtsgeschäftlichen [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung]] durch den Berechtigten, deren Voraussetzungen (mit Ausnahme der Verfügungsberechtigung) regelmäßig erfüllt sein müssen. Der Zusammenhang ist dadurch besonders eng, dass Publizitätserfordernisse des rechtsgeschäftlichen Erwerbs (etwa Übertragung des [[Besitz]]es oder Registereintragung) oft gleichzeitig auch als Rechtsscheinsträger für den Erwerb vom Nichtberechtigten dienen und damit einen doppelten Schutz des Rechtsverkehrs bewirken.


== 2. Internationales Einheitsrecht ==
Traditionell konzentriert sich die Diskussion weitgehend auf den Erwerb von [[Eigentum]] an beweglichen Sachen. Aber auch Eigentum an unbeweglichen Sachen kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Nichtberechtigten erworben werden, ebenso, jedenfalls grundsätzlich, Forderungen, Gesellschaftsanteile und Sicherungsrechte. Gutgläubiger Eigentumserwerb umfasst den gutgläubig lastenfreien Erwerb vom Berechtigten, also etwa den Fall, dass man Eigentum vom wahren Eigentümer erwirbt, aber ohne die auf diesem lastenden Sicherungsrechte zugunsten Dritter.
Auf internationaler Ebene gibt es kein [[Einheitsrecht]], und zwar weder auf EU-Ebene noch im Rahmen des Europarates ([[Europarat (Privatrechtsvereinheitlichung)]]). Jedoch hat der Europarat am 23.2.1999 die Empfehlung Nr.&nbsp;R(99)4 über Grundsätze zum rechtlichen Schutz schutzbedürftiger Erwachsener (''Principles Concerning the Legal Protection of Incapable Adults'') verabschiedet, die den Mitgliedstaaten des Europarates als Leitlinien für Gesetzgebung und Rechtspraxis dienen soll. Die wichtigsten der insgesamt 28&nbsp;Grundsätze sind folgende Prinzipien: Im Vordergrund steht das Interesse und das Wohlergehen der jeweiligen Person (''interests and welfare of the person concerned should be the paramount consideration'') (Prinzip Nr.&nbsp;8); daher ist dem Erwachsenen so viel Handlungsfähigkeit (''capacity'') wie möglich zu bewahren (Prinzip Nr.&nbsp;3); die Schutzmaßnahmen sollen flexibel sein (Prinzip Nr.&nbsp;2) und nur dann und insoweit eingreifen, als sie notwendig sind, um der betroffenen Person zu helfen (Prinzipien Nr.&nbsp;5 und 6 der Subsidiarität und Proportionalität); dabei sind die Menschenrechte der betroffenen Person ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]])) zu achten (Prinzip Nr.&nbsp;1), ihre Meinung einzuholen (Prinzip Nr.&nbsp;10) sowie bei ärztlichen Eingriffen ihre Zustimmung (Prinzip Nr.&nbsp;22). Die Schutzmaßnahmen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle (Prinzipien Nr. 11&nbsp;ff.), sind unter Berücksichtigung der Beteiligten zu veröffentlichen (Prinzip Nr.&nbsp;4), und der Betreuer (''representative'') ist für sein Fehler verantwortlich (Prinzip Nr.&nbsp;20). Diese Prinzipien haben die Gesetzgeber europäischer Staaten bei ihrer Reform des Vormundschaftsrechts inspiriert.


== 3. Nationales IPR ==
Konstruiert wird der Erwerb auf unterschiedliche Art und Weise. Nach dem deutschen Modell erwirbt der Erwerber materiellrechtlich Volleigentum, wobei unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, ob der Erwerb als derivativ eingeordnet und damit der rechtsgeschäftlichen [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung]] gleichgestellt werden soll, oder ob er als originärer Erwerb ([[Eigentum]]serwerb, gesetzlicher) einer sofortigen Ersitzung gleichen soll. Nach dem französischen Modell wird der Besitz des Erwerbers dem Eigentumstitel gleichgestellt und als solcher gegen Dritte geschützt, freilich nur bei gutem Glauben des Besitzers. Nach dem englischen Modell schließlich kann Eigentum vom Nichtberechtigten nicht erworben werden, wohl aber wird prozessrechtlich der Anspruch des Alteigentümers ausgeschlossen. Diese konstruktiven Unterschiede verhindern nicht die Vergleichung, sie machen aber Probleme einer dogmatischen Vereinheitlichung deutlich.
Das heute noch geltende IPR befasst sich noch weitgehend mit der Internationalen Vormundschaft (vgl. z.B. Art.&nbsp;35 belg. ''Code de droit international privé''<nowiki>; Art.&nbsp;24 EGBGB, §&nbsp;27 österr. IPR-Gesetz; Art.&nbsp;30 portug. </nowiki>''Código civil''<nowiki>; Art.&nbsp;85 Abs.&nbsp;2 schweiz. IPRG; §&nbsp;48 ung. IPR-VO). Diese Vorschriften unterstellen die Vormundschaft in aller Regel dem </nowiki>[[Personalstatut]] des Mündels, und zwar entweder seinem Heimatrecht (so z.B. Deutschland, Österreich, Portugal, Ungarn) oder seinem Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsrecht (so z.B. Belgien, die Schweiz).


== 4. Haager Übereinkommen ==
== 2. Historische Entwicklung und Funktionen ==
Eines der frühesten Haager Übereinkommen ist das Haager Übereinkommen vom 17.7.1905 über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln (''Convention Relating to Deprivation of Civil Rights and Similar Measures of Protection''). Dieses Übereinkommen galt ursprünglich zwischen neun Staaten und war zuletzt nur noch zwischen Polen, Portugal und Rumänien anwendbar. Die anderen Vertragstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Ungarn) hatten das Übereinkommen schon vorher gekündigt.
Drei historisch getrennte Prinzipien prägen traditionell das Recht des gutgläubigen Erwerbs. Das erste ist die Idee, dass man ohne Ermächtigung durch rechtsgeschäftlichen Erwerb nur eigenes, nicht fremdes Recht übertragen kann. Aus diesem Grund lehnte das römische Recht den gutgläubigen Erwerb ganz ab (D.&nbsp;50,17,54: „Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet“, D.&nbsp;41,1,20pr). Freilich schufen relativ kurze Ersitzungsfristen für den gutgläubigen Besitzer ein partielles funktionales Äquivalent; in der Rezeption wurde die Ersitzungsfrist weiter verkürzt, teilweise bis zur sofortigen Ersitzung. Ein zweites Prinzip, dass nämlich der Eigentümer das Risiko freiwilliger Sachweggabe als selbst gesetztes zu tragen habe, unterlag vor allem dem germanischen Recht. Hier konnte sich der Eigentümer, der eine Sache freiwillig aus der Hand gegeben hatte, grundsätzlich nur an den direkten Erwerber halten („Hand soll Hand wahren“). Als Reflex wurde der Dritterwerber selbst dann geschützt, wenn er bösgläubig war; seit ''David Mevius'' (1609-1670) begann man, den Schutz auf guten Glauben zu beschränken.


An die Stelle des alten Übereinkommens von 1905 tritt das Haager Übereinkommen vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (''Convention on the international protection of adults''), das nach dem Muster des Übereinkommens vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der [[Elterliche Verantwortung|elterlichen Verantwortung]] und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ([[Kinderschutz]]) konzipiert worden ist. Nach dem Erwachsenenschutz-Übereinkommen sind primär die Gerichte und Behörden am [[Gewöhnlicher Aufenthalt|gewöhnlichen Aufenthalt]] des Erwachsenen zuständig (Art.&nbsp;5), nach ihrer ''lex fori'' Schutzmaßnahmen zu treffen (Art.&nbsp;13(1)), und diese Entscheidungen sind in allen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken (Art.&nbsp;22&nbsp;ff.). Als Schutzmaßnahmen gelten alle Entscheidungen zum Schutze einer über 18 Jahre alten Person mit Ausnahme der in Art.&nbsp;4 abschließend aufgezählten Maßnahmen, d.h. von Entscheidungen betreffend den [[Unterhalt]], die Eheschließung und Ehescheidung ([[Ehe]]), den Güterstand, ''Trusts'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) und Erbschaften ([[Erbrecht]]; [[Erbnachweis]]), die soziale Sicherheit, allgemeine öffentliche Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge, Straftaten, Asylrecht und Einwanderung sowie Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit.
Ein drittes Prinzip schließlich, das insbesondere aus dem Handelsrecht stammt, stellt auf die Schutzwürdigkeit des redlichen Erwerbers und die Sicherheit des Rechtsverkehrs ab und liefert heute die Hauptfunktion von Regeln über den Erwerb vom Nichtberechtigten. Die Möglichkeit, bei gutem Glauben auch vom Nichtberechtigten zu erwerben, erspart dem Erwerber umfangreiche Nachforschungen, die er unter Umständen gar nicht erbringen könnte, und sichert seine Rechtsposition gegen mögliche Ansprüche des Alteigentümers. Zugleich wird der Alteigentümer, der das Risiko leichter kontrollieren kann, dazu angehalten, seine Sache nicht leichtfertig aus der Hand zu geben. Freilich bedeutet die Gefahr, sein Eigentum unfreiwillig zu verlieren, eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung seines Eigentumsrechts. Insgesamt erfordert das Recht des gutgläubigen Erwerbs damit eine schwierige Abgrenzung zwischen dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers, dem Vertrauensinteresse des Erwerbers und dem Verkehrsschutz.


a)&nbsp;Die ''allgemeine Zuständigkeit'' der Gerichte und Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt wird ergänzt durch eine subsidiäre Zuständigkeit der Staaten, denen der Erwachsene angehört (Heimatstaat; Art.&nbsp;7), der Staaten, in denen sich Vermögen des Erwachsenen befindet (Lagestaat; Art.&nbsp;9) sowie durch Not- oder Hilfszuständigkeiten der Gerichte und Behörden in einem Lage- oder Aufenthaltsstaat (Art.&nbsp;10 und 11). Außerdem können die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Erwachsenen die Instanzen anderer Staaten ersuchen, Schutzmaßnahmen zugunsten des Erwachsenen oder seines Vermögens zu treffen (Art.&nbsp;8). Zu solchen ersuchten Instanzen gehören die Heimatstaaten; Lagestaaten; Staaten eines früheren gewöhnlichen Aufenthalts; vom Erwachsenen gewählte Instanzen; Staaten, in denen eine dem Erwachsenen nahestehende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat und bereit ist, den Schutz des Erwachsenen zu übernehmen; und der Aufenthaltsstaat des Erwachsenen (Art.&nbsp;8(2)).
== 3. Tendenzen der Rechts&shy;entwicklung ==
Europaweit besteht Einigkeit nur darüber, dass der Erwerb vom Nichtberechtigten ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber von der Nichtberechtigung weiß. Ansonsten ergibt sich ein breites Spektrum an Lösungen. Auf der einen Seite lehnt das portugiesische Recht den Erwerb nichtregistrierter Sachen vom Nichtberechtigten gänzlich ab; auf der anderen Seite ermöglicht das italienische Recht sogar den Erwerb abhandengekommener Sachen (ausgenommen [[Kulturgüter]]). Die anderen Rechtsordnungen liegen zwischen diesen beiden Extremen und unterscheiden sich hinsichtlich zahlreicher Detailfragen (dazu 5.)


b)&nbsp;Die ''lex fori'' der zuständigen Gerichte und Behörden ist das ''allgemein anzuwendende Recht'' (Art.&nbsp;13(1)). Diese Instanzen dürfen jedoch auch anderes Recht, das enge Verbindungen zum Sachverhalt hat (z.B. das Heimatrecht des Erwachsenen), anwenden oder berücksichtigen (Art.&nbsp;13(2)). Eine Vorsorgevollmacht (Einräumung einer [[Vertretungsmacht]] für den Fall, dass man sich selbst nicht mehr schützen kann) untersteht grundsätzlich dem Recht, in dem der Erwachsene im Zeitpunkt der Bevollmächtigung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art.&nbsp;10(1)), jedoch kann der Erwachsene auch eines seiner Heimatrechte, das Recht eines früheren gewöhnlichen Aufenthalts oder das Lagerecht als anwendbar bestimmen (Art.&nbsp;10(2)).
Erschwert wird die Konvergenz durch die Unterschiede verschiedener Rechtsordnungen bezüglich der rechtsgeschäftlichen [[Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen)|Eigentumsübertragung]], insbesondere zwischen Konsens- und Traditionsprinzip. Diese Unterschiede sind relevant, gerade weil sie nicht die Ergebnisse sondern deren Konstruktion betreffen. So verlangen auch Systeme, die für den Erwerb vom Berechtigten den bloßen Konsens ausreichen lassen, für den Erwerb vom Nichtberechtigten regelmäßig die Übergabe. Teilweise ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Frage, wann überhaupt Erwerb vom Nichtberechtigten erfolgt. Lehrreich ist der Doppelverkaufsfall, bei dem der A zunächst an den B verkauft, aber nicht übergibt, und dann dem C verkauft und übergibt. In Rechtsordnungen mit Konsensprinzip hat der B bereits erworben, so dass C nur noch vom Nichteigentümer und daher kraft guten Glaubens erwerben kann. In Rechtsordnungen mit Traditionsprinzip hat B noch nicht erworben, und C kann vom Eigentümer erwerben; allerdings begrenzen alle europäischen Rechtsordnungen seine Rechtsposition, wenn er vom vorherigen Verkauf an B wusste.


c)&nbsp;Die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich ''anerkannt ''(Art.&nbsp;22(1)). Die Anerkennung kann jedoch nach Art.&nbsp;22(2) versagt werden, wenn die Behörden des entscheidenden Staates nach diesem Übereinkommen unzuständig waren, wenn das rechtliche Gehör versagt wurde, die Entscheidung gegen den ''[[ordre public]]'' des Anerkennungsstaates verstößt, wenn die anzuerkennende Entscheidung mit einer späteren Entscheidung, die auf Grund des Übereinkommens getroffen wurde, unvereinbar ist, oder wenn in Unterbringungssachen das Verfahren des Art.&nbsp;33 (Zustimmung des Anerkennungsstaates) nicht eingehalten wurde. Das anerkennende Gericht ist an die Tatsachenfeststellungen des entscheidenden Gerichts gebunden (Art.&nbsp;24). Eine ''révision au fond'' findet nicht statt (Art.&nbsp;26). Falls eine Entscheidung Vollstreckungsmaßnahmen in einem anderen Vertragsstaat erfordert, ist die Vollstreckung durch ein einfaches und schnelles Verfahren zu erledigen (Art.&nbsp;25(2)) und kann nur abgelehnt werden, wenn ein Anerkennungshindernis des Art.&nbsp;22(2) vorliegt (Art.&nbsp;25(3)).
Historisch war der gutgläubige Erwerb auch deshalb an den Besitz geknüpft, weil vermutet werden konnte, er falle mit dem Eigentum zusammen. In der modernen Kreditwirtschaft indes fallen Eigentum und Besitz häufig auseinander (etwa im Regelfall bei Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum); auch unbelastetes Eigentum ist seltener geworden. Die Rolle des Besitzes als Rechtsscheinsträger ist damit stark reduziert worden; stattdessen wird die Rolle des Rechtsscheinsträgers mehr und mehr durch öffentliche Register oder berechtigende Dokumente erfüllt. Gleichzeitig ist der Maßstab für den zum Erwerb notwendigen guten Glauben wichtiger geworden, und es wird zwischen unterschiedlichen Arten von Sachen stark differenziert. Überhaupt geht der Trend dahin, den gutgläubigen Erwerb für bestimmte Teilbereiche gesondert zu regeln (insbesondere [[Kulturgüter]]); vorzuziehen wäre ein umfassender Ansatz.


d)&nbsp;In einem Kapitel&nbsp;V wird die ''Zusammenarbeit ''in zehn Artikeln (Art.&nbsp;28-37) geregelt. Die Vertragsstaaten haben Zentrale Behörden zu bestimmen, welche die in dem Übereinkommen übertragenen Aufgaben wahrnehmen (Art.&nbsp;28 (1)), insbesondere die internationale Zusammenarbeit der Behörden gewährleisten und speziell Auskünfte über ihr Recht an anfragende ausländische Behörden erteilen (Art.&nbsp;29). Die Zentralen Behörden werden in Art.&nbsp;30 verpflichtet, die Mitteilungen zwischen den zuständigen Behörden bei Sachverhalten, auf welche dieses Übereinkommen anzuwenden ist, zu erleichtern, insbesondere auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines Vertragsstaates bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts eines gefährdeten Erwachsenen Hilfe zu leisten, wenn der Anschein besteht, dass der Erwachsene sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates befindet. Außerdem können die zuständigen Behörden eine Vermittlung oder Schlichtung vorsehen, um eine gütliche Einigung zum Schutz der Person oder des Vermögens eines Erwachsenen zu ermöglichen (Art.&nbsp;31). Die Behörden der Vertragsstaaten haben bei Schutzmaßnahmen zu helfen und Mitteilungen zu geben (Art.&nbsp;32). Ist jedoch eine Unterbringung in einem anderen Vertragsstaat vorgesehen, so haben sie die Behörden des ausländischen Vertragsstaates zu konsultieren und dürfen gegen den ausdrücklichen Willen dieses Vertragsstaates keine Unterbringung in dessen Territorium anordnen (Art.&nbsp;33). Bei Gefahr im Verzuge haben die zuständigen Behörden Mitteilungen zu machen, müssen jedoch von solchen Mitteilungen absehen, die den Erwachsenen gefährden könnten (Art.&nbsp;34, 35). Grundsätzlich werden die Zentralen Behörden kostenlos tätig (Art.&nbsp;36), und die Zusammenarbeit, wie sie in Kapitel V umschrieben wird, ist nicht abschließend gemeint, sondern kann durch Zusatzvereinbarungen ausgebaut werden (Art.&nbsp;37).
Im Kollisionsrecht wird der Erwerb vom Nichtberechtigten richtigerweise als sachenrechtlich qualifiziert; die Qualifikation als prozessrechtlich (weil der Herausgabeanspruch des Alteigentümers als verfristet angesehen wird) oder deliktsrechtlich ist unangemessen. Dementsprechend besteht in Europa traditionell weitgehend Einigkeit darüber, dass das Recht des Lageorts zum Erwerbszeitpunkt über die Wirksamkeit und die Folgen des gutgläubigen Erwerbs herrscht. Abweichend davon beruft Art.&nbsp;12 der RL&nbsp;93/7 vom 15.3.1993 für Kulturgüter das Recht des die Rückgabe fordernden Mitgliedstaats und schützt damit dessen Interessen besonders. Wo öffentliche Register bestehen, ist abweichend davon auch die Anknüpfung an den Registerort möglich, wenn auch nicht dem Rechtsverkehr förderlich.


e)&nbsp;In den ''Allgemeinen Bestimmungen'' (Art.&nbsp;38-52) des Übereinkommens wird bestimmt, dass die Behörden der Vertragsstaaten der Person eine Bescheinigung über seine Berechtigung ausstellen können, die von ihnen als Schutzperson eingesetzt worden ist (Art.&nbsp;38). Außerdem wird der Datenschutz geregelt (Art.&nbsp;39, 40) und das Übereinkommen für Mehrrechtsstaaten anwendbar gemacht (Art.&nbsp;45, 46).
== 4. Auswirkungen höherrangigen Rechts ==
Ein direkter Gemeinschaftsrechtsverstoß nationaler Regelungen zum Erwerb vom Nichtberechtigten ist deshalb schwer zu begründen, weil Art.&nbsp;295 EG/345&nbsp;AEUV die Eigentumsordnung bei den Mitgliedstaaten belässt ([[Eigentum]]). Dementsprechend überlässt etwa Art.&nbsp;4(1) der RL 2000/35 die Ausgestaltung des Eigentumsvorbehalts dem nationalen Recht und ermöglicht es damit den Mitgliedstaaten, die Drittwirkung dieses Eigentumsvorbehalts von seiner Publizierung abhängig zu machen (EuGH Rs.&nbsp;C-302/05 – ''Kommission/Italien'', Slg.&nbsp;2006, I-1059). Erwägungen, die erheblichen Unterschiede zwischen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bewirkten eine gemeinschaftsrechtswidrige Einschränkung des freien Warenverkehrs, sind bislang ohne großen Einfluss geblieben.


f)&nbsp;Das Haager Erwachsenenschutzübereinkommen ist am 1.1.2009 zwischen den Vertragsstaaten Deutschland, Frankreich und Vereinigtes Königreich ''in Kraft getreten'', und zwar direkt (z.B. Deutschland mit dem Erwachsenenschutzübereinkommen-Ausführungsgesetz) oder indirekt in Form nationaler Umsetzungen (z.B. Vereinigtes Königreich mit Schedule 3 des ''Mental Capacity Act 2005'' bzw. des ''Adults with Incapacity (Scotland) Act 2000''). Es ist in seiner Konzeption (Zuständigkeit der Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt des Erwachsenen; grds. Anwendung des eigenen Rechts) einfach und wird dadurch den internationalen Erwachsenenschutz erleichtern. Es ist auf der Höhe der Zeit und dürfte auch unter dem Recht der EU Bestand behalten, zumal es von der EuEheVO (VO&nbsp;2201/2003) nicht berührt wird.
Potentiell mehr Gewicht hat die Frage, inwieweit der Erwerb vom Nichtberechtigten mit Art.&nbsp;1 des 1.&nbsp;Zusatzprotokolls zur EMRK vereinbar ist. Im nationalen Verfassungsrecht verschiedener Staaten (etwa Tschechien, wo der Erwerb durch das Verfassungsgericht eingeführt wurde; Deutschland) wird die Verfassungsmäßigkeit mittlerweile recht häufig diskutiert. Art.&nbsp;1 des 1.&nbsp;Zusatzprotokolls zur EMRK dagegen hat bislang keine große Rolle im Privatrecht gespielt; zudem lässt der EGMR den Einzelstaaten recht weitgehenden Beurteilungsspielraum.


== 5. Zukunft des Erwachsenen&shy;schutzes ==
== 5. Vereinheitlichungsprojekte ==
Mit dem Haager Erwachsenenschutzübereinkommen hat die neueste Entwicklung auf dem Gebiet des Personenrechts seinen vorläufigen Abschluss erreicht. Nun geht es darum, Erfahrung zu gewinnen und zu sehen, wo und inwieweit man durch Zusatzabkommen noch eine weitere Verbesserung des Erwachsenenschutzes erreichen kann.
Im europäischen Rahmen ist der Erwerb vom Nichtberechtigten erst in jüngerer Zeit behandelt worden. Der Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] regelt ihn nun für bewegliche Sachen in Artikel VIII-3.101 und 3-102. Zuvor hatte [[UNIDROIT]] unter maßgeblicher Leitung von ''Jean Georges Sauveplanne'' im Anschluss an das Einheitliche Kaufrecht 1964 ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) einen Entwurf für ein Einheitsgesetz zum gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (1968) erstellt. Ein neuer Entwurf 1974 reagierte auf Kritik am ersten Entwurf; er war unabhängiger vom Einheitlichen Kaufrecht und stärkte die Position des Eigentümers gegenüber dem Schutz des Erwerbers und des Verkehrs. Verabschiedet wurden beide Entwürfe nicht.
 
Mehr Regeln gibt es für den Spezialbereich der [[Kulturgüter]]. Die RL&nbsp;93/7 gibt bei unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern diesem Mitgliedstaat einen Rückgabeanspruch gegen angemessene Entschädigung eines etwaigen gutgläubigen Erwerbers; die Eigentumslage dagegen bemisst sich nach nationalem Recht. Art.&nbsp;3 und&nbsp;4 des UNIDROIT-Übereinkommens vom 24.6.1995 verpflichten zur Rückgabe von gestohlenen oder illegal exportierten Kulturgütern gegen Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers; allerdings gilt die Konvention nur, wenn die Sache nach dem Diebstahl in einen anderen Staat verbracht wird. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 7(b)(ii) des UNESCO-Kulturgüterübereinkommens vom 14.11.1970.
 
== 6. Einzelfragen ==
Für den Erwerb vom Nichtberechtigten müssen alle Anforderungen an den Erwerb vom Berechtigten erfüllt sein (mit Ausnahme natürlich der Berechtigung des Veräußerers) (Art. VIII.-3.101(a) DCFR). Gefordert wird regelmäßig ein Verkehrsgeschäft, also eine Veräußerung zwischen tatsächlich unterschiedlichen Parteien. Nach dem UNIDROIT-Entwurf 1974 und Art. VIII.-3.101(1)(c) DCFR muss der Erwerb zudem entgeltlich erfolgt sein; das entspricht einer knappen Mehrheit europäischer Rechtsordnungen und dem Ziel, besonders den Handelsverkehr zu schützen.
 
Eine besondere Rolle spielt der Besitz. Der Erwerber muss den tatsächlichen Besitz an der Sache oder dem Legitimationspapier erlangen (Art.&nbsp;10(1) UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3:101(1)(b) DCFR). Bloß konsensuale Übereignung ist auch in Systemen des Konsensprinzips nicht ausreichend; ebenso wenig in den meisten Rechtsordnungen die Vereinbarung eines Besitzkonstituts. Dagegen soll ausreichen, wenn der Veräußerer dem Dritten seinen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer wirksam abtritt und der Dritte nunmehr für den Erwerber besitzt (Art. 10(2) UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3.101(b), 2.101(1)(e), 2.101, 2.105 (2) DCFR).
 
Für registrierte Sachen ist die Rechtslage uneinheitlich. Soweit ein Register, wie etwa das deutsche Grundbuch, öffentlichen Glauben hat, ist der Registereintrag als Rechtsscheinträger sowohl notwendig als auch ausreichend; lediglich positive Kenntnis einer Falscheintragung schadet dem Erwerber. Sofern dagegen das Register nur die Drittwirkung einer Rechtsübertragung bewirkt oder insgesamt nur deklarativ ist, wird dessen Kenntnis vom Erwerber nicht erwartet und kann er sich nicht automatisch auf dessen Inhalt verlassen. Allerdings bestehen hier noch große Unterschiede zwischen verschiedenen Rechtsordnungen und auch Registern.
 
Des Weiteren muss der Erwerber im guten Glauben sein. Einige Rechtsordnungen fordern (jedenfalls außerhalb des Handelsverkehrs) guten Glauben betreffs der Eigentümerstellung des Veräußerers. UNIDROIT-Entwurf 1974 (Art.&nbsp;7(1)) und DCFR (Art.&nbsp;VIII.-3:102(1)(d)) lassen dage-gen den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers ausreichen. Nach dem UNCITRAL-Legislative Guide on Secured Transactions ist der lastenfreie Erwerb im regulären Betrieb des Veräußerers sogar nur dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber positive Kenntnis von Sicherungsrechten Dritter hat; das stellt den Verkehrsschutz höher, als es viele nationale Rechtsordnungen tun. Im Einzelnen bestehen in den Sorgfaltsanforderungen enorme Unterschiede nicht nur zwischen Rechtsordnungen sondern auch zwischen verschiedenen Objekten; so sind die Anforderungen etwa bei Kraftfahrzeugen und Kunstwerken höher als bei anderen Sachen. Vieles ist Richterrecht; eine systematische Aufarbeitung der Kriterien steht aus.
 
Nach den meisten Rechtsordnungen ist der gutgläubige Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Sache dem Alteigentümer abhanden gekommen ist. Man will also dem Alteigentümer das Risiko des Rechtsverlusts nur auferlegen, wenn er es selbst durch Weggabe gesetzt hat. Daher kann (außer in Italien) an gestohlenen Sachen regelmäßig kein Eigentum erlangt werden (Art.&nbsp;11 UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3:101(2) DCFR). In einigen nationalen Rechtsordnungen bestehen Ausnahmen insbesondere für den Handelsverkehr sowie den Erwerb bei Versteigerungen. Der DCFR schützt insofern in Nachfolge des niederländischen Rechts nur denjenigen, der im normalen Betrieb des Unternehmens des Verkäufers erwirbt. Dagegen schützt er wie auch der UNIDROIT-Entwurf 1974 und das niederländische Recht den Eigentümer nicht, wenn ihm die Sache anderweitig abhanden kommt; jedenfalls für schuldloses Abhandenkommen geht das sehr weit.
 
Historisch waren bestimmte Sachen vom gutgläubigen Erwerb ausgenommen, insbesondere staatliches und Kircheneigentum. In neuerer Zeit besteht eine ähnliche Tendenz für [[Kulturgüter]]; vgl. Art. VIII.-3.101(2)2 DCFR
 
Sind die Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten erfüllt, so erlangt der Erwerber das Vollrecht frei von Rechten Dritter (Art.&nbsp;5(2) UNIDROIT-Entwurf&nbsp;1974; Art.&nbsp;VIII.-3:102 DCFR). In einigen Rechtsordnungen ist das erworbene Recht allerdings unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Lösungsrecht zugunsten des Alteigentümers belastet, der danach die Sache vom Erwerber gegen Erstattung des von jenem geleisteten Kaufpreis zurück erwerben kann. In jüngerer Zeit wird ein solches Lösungsrecht meist abgelehnt, auch der UNIDROIT-Entwurf 1974 und der DCFR sprechen sich dagegen aus. Indes kann ein Lösungsrecht bei einzigartigen Objekten wie insbesondere Kunstwerken zu einem gerechteren Ausgleich zwischen dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers und dem wirtschaftlichen Interesse des Erwerbers verhelfen und unter Umständen auch den Erwerber zur Mitarbeit ermuntern, da jedenfalls sein negatives Interesse geschützt ist. Aus diesem Grund findet sich ein Lösungsrecht in mehreren Vorschriften zum Kulturgüterschutz.


==Literatur==
==Literatur==
''Andreas Bucher'','' ''La Convention de La Haye sur la protection internationale des adultes, Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht 10 (2000) 37&nbsp;ff.; ''Alegría Borras'','' ''La protección internacional del niño y del adulto como expresión de la materialización del derecho internacional privado: Similitudes y contrastes, in: Pacis artes. Obra homenaje al profesor Julio D. Gonzáles Campos, Bd.&nbsp;2, 2005, 1287&nbsp;ff.;'' Eric Clive'','' ''The New Hague Convention on the Protection of Adults, in: Petar Šarčević, Paul Volken (Hg.), Yearbook of Private International Law 2 (2000) 1&nbsp;ff.<nowiki>; </nowiki>''Daniel Füllemann'','' ''Das internationale Privat- und Zivilprozessrecht des Erwachsenenschutzes, 2008;'' Till Guttenberger'', Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, 2004; ''Paul Lagarde'','' ''La Convention de La Haye du 13&nbsp;janvier 2000 sur la protection internationale des adultes, Revue critique du droit international privée 89 (2000) 159&nbsp;ff.; ''Francesco Seatzu'','' ''L’interesse del magiorenne incapace nella nuova convenzione dell’Aja (13 gennaio 2000) sulla protezione internazionale degli adulti: Il diritto di famiglia e delle persone 30 (2001) 1223&nbsp;ff.; ''Kurt Siehr'', Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz Erwachsener, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 64 (2000) 715&nbsp;ff.; ''idem'','' ''Der internationale Schutz Erwachsener nach dem Haager Übereinkommen von 1999, in: Festschrift für Dieter Henrich, 2000, 567&nbsp;ff.
''Jean Georges Sauveplanne'', La protection de l'acquéreur de bonne foi d'objets mobiliers corporels, UNIDROIT Yearbook 1961, 43&nbsp;ff.; ''Werner Hinz'', Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs in der europäischen Rechtsgeschichte, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 3 (1995) 398&nbsp;ff.; ''Karsten Thorn'', Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996; ''Peter v.&nbsp;Wilmowsky'', Europäisches Kreditsicherungsrecht: Sachenrecht und Insolvenz, 1996, 349&nbsp;ff.; ''Kurt Siehr'', Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien, in: Festschrift für Rudolf Welser, 2004, 997&nbsp;ff.; ''Dieter Krimphove'', Das europäische Sachenrecht: Eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, 223&nbsp;ff.; ''Ernst Karner'', Gutgläubiger Mobiliarerwerb, 2006; ''Margareth Prisching'', Gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen im Rechtsvergleich, 2006; ''Matthias Armgardt'', Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers abhanden gekommener Sachen in den europäischen Rechtsordnungen und das quotale Lösungsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 1006&nbsp;ff; ''Arthur F. Salomons'', On the Economics of Good Faith Acquisition Protection in the DCFR, in: Alessandro Somma (Hg.), The Politics of the Draft Common Frame of Reference, 2009, 141&nbsp;ff.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Protection_of_Adults]]
[[en:Acquisition_of_Ownership_from_a_Non-Owner]]

Version vom 14. Oktober 2021, 15:42 Uhr

von Ralf Michaels

1. Gegenstand

Fast alle Rechtsordnungen ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen den Erwerb vom Nichtberechtigten. Diese Benennung ist genauer als die Bezeichnung „gutgläubiger Erwerb“, die einerseits bereits eine Voraussetzung solchen Erwerbs benennt, andererseits aber auch die Ersitzung umfasst. Der Hauptunterschied zur Ersitzung ist, dass gutgläubiger Erwerb ohne Fristablauf eintritt. Das Rechtsinstitut des Erwerbs vom Nichtberechtigten steht in engem Zusammenhang auch mit der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung durch den Berechtigten, deren Voraussetzungen (mit Ausnahme der Verfügungsberechtigung) regelmäßig erfüllt sein müssen. Der Zusammenhang ist dadurch besonders eng, dass Publizitätserfordernisse des rechtsgeschäftlichen Erwerbs (etwa Übertragung des Besitzes oder Registereintragung) oft gleichzeitig auch als Rechtsscheinsträger für den Erwerb vom Nichtberechtigten dienen und damit einen doppelten Schutz des Rechtsverkehrs bewirken.

Traditionell konzentriert sich die Diskussion weitgehend auf den Erwerb von Eigentum an beweglichen Sachen. Aber auch Eigentum an unbeweglichen Sachen kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Nichtberechtigten erworben werden, ebenso, jedenfalls grundsätzlich, Forderungen, Gesellschaftsanteile und Sicherungsrechte. Gutgläubiger Eigentumserwerb umfasst den gutgläubig lastenfreien Erwerb vom Berechtigten, also etwa den Fall, dass man Eigentum vom wahren Eigentümer erwirbt, aber ohne die auf diesem lastenden Sicherungsrechte zugunsten Dritter.

Konstruiert wird der Erwerb auf unterschiedliche Art und Weise. Nach dem deutschen Modell erwirbt der Erwerber materiellrechtlich Volleigentum, wobei unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, ob der Erwerb als derivativ eingeordnet und damit der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung gleichgestellt werden soll, oder ob er als originärer Erwerb (Eigentumserwerb, gesetzlicher) einer sofortigen Ersitzung gleichen soll. Nach dem französischen Modell wird der Besitz des Erwerbers dem Eigentumstitel gleichgestellt und als solcher gegen Dritte geschützt, freilich nur bei gutem Glauben des Besitzers. Nach dem englischen Modell schließlich kann Eigentum vom Nichtberechtigten nicht erworben werden, wohl aber wird prozessrechtlich der Anspruch des Alteigentümers ausgeschlossen. Diese konstruktiven Unterschiede verhindern nicht die Vergleichung, sie machen aber Probleme einer dogmatischen Vereinheitlichung deutlich.

2. Historische Entwicklung und Funktionen

Drei historisch getrennte Prinzipien prägen traditionell das Recht des gutgläubigen Erwerbs. Das erste ist die Idee, dass man ohne Ermächtigung durch rechtsgeschäftlichen Erwerb nur eigenes, nicht fremdes Recht übertragen kann. Aus diesem Grund lehnte das römische Recht den gutgläubigen Erwerb ganz ab (D. 50,17,54: „Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet“, D. 41,1,20pr). Freilich schufen relativ kurze Ersitzungsfristen für den gutgläubigen Besitzer ein partielles funktionales Äquivalent; in der Rezeption wurde die Ersitzungsfrist weiter verkürzt, teilweise bis zur sofortigen Ersitzung. Ein zweites Prinzip, dass nämlich der Eigentümer das Risiko freiwilliger Sachweggabe als selbst gesetztes zu tragen habe, unterlag vor allem dem germanischen Recht. Hier konnte sich der Eigentümer, der eine Sache freiwillig aus der Hand gegeben hatte, grundsätzlich nur an den direkten Erwerber halten („Hand soll Hand wahren“). Als Reflex wurde der Dritterwerber selbst dann geschützt, wenn er bösgläubig war; seit David Mevius (1609-1670) begann man, den Schutz auf guten Glauben zu beschränken.

Ein drittes Prinzip schließlich, das insbesondere aus dem Handelsrecht stammt, stellt auf die Schutzwürdigkeit des redlichen Erwerbers und die Sicherheit des Rechtsverkehrs ab und liefert heute die Hauptfunktion von Regeln über den Erwerb vom Nichtberechtigten. Die Möglichkeit, bei gutem Glauben auch vom Nichtberechtigten zu erwerben, erspart dem Erwerber umfangreiche Nachforschungen, die er unter Umständen gar nicht erbringen könnte, und sichert seine Rechtsposition gegen mögliche Ansprüche des Alteigentümers. Zugleich wird der Alteigentümer, der das Risiko leichter kontrollieren kann, dazu angehalten, seine Sache nicht leichtfertig aus der Hand zu geben. Freilich bedeutet die Gefahr, sein Eigentum unfreiwillig zu verlieren, eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung seines Eigentumsrechts. Insgesamt erfordert das Recht des gutgläubigen Erwerbs damit eine schwierige Abgrenzung zwischen dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers, dem Vertrauensinteresse des Erwerbers und dem Verkehrsschutz.

3. Tendenzen der Rechts­entwicklung

Europaweit besteht Einigkeit nur darüber, dass der Erwerb vom Nichtberechtigten ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber von der Nichtberechtigung weiß. Ansonsten ergibt sich ein breites Spektrum an Lösungen. Auf der einen Seite lehnt das portugiesische Recht den Erwerb nichtregistrierter Sachen vom Nichtberechtigten gänzlich ab; auf der anderen Seite ermöglicht das italienische Recht sogar den Erwerb abhandengekommener Sachen (ausgenommen Kulturgüter). Die anderen Rechtsordnungen liegen zwischen diesen beiden Extremen und unterscheiden sich hinsichtlich zahlreicher Detailfragen (dazu 5.)

Erschwert wird die Konvergenz durch die Unterschiede verschiedener Rechtsordnungen bezüglich der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung, insbesondere zwischen Konsens- und Traditionsprinzip. Diese Unterschiede sind relevant, gerade weil sie nicht die Ergebnisse sondern deren Konstruktion betreffen. So verlangen auch Systeme, die für den Erwerb vom Berechtigten den bloßen Konsens ausreichen lassen, für den Erwerb vom Nichtberechtigten regelmäßig die Übergabe. Teilweise ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Frage, wann überhaupt Erwerb vom Nichtberechtigten erfolgt. Lehrreich ist der Doppelverkaufsfall, bei dem der A zunächst an den B verkauft, aber nicht übergibt, und dann dem C verkauft und übergibt. In Rechtsordnungen mit Konsensprinzip hat der B bereits erworben, so dass C nur noch vom Nichteigentümer und daher kraft guten Glaubens erwerben kann. In Rechtsordnungen mit Traditionsprinzip hat B noch nicht erworben, und C kann vom Eigentümer erwerben; allerdings begrenzen alle europäischen Rechtsordnungen seine Rechtsposition, wenn er vom vorherigen Verkauf an B wusste.

Historisch war der gutgläubige Erwerb auch deshalb an den Besitz geknüpft, weil vermutet werden konnte, er falle mit dem Eigentum zusammen. In der modernen Kreditwirtschaft indes fallen Eigentum und Besitz häufig auseinander (etwa im Regelfall bei Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum); auch unbelastetes Eigentum ist seltener geworden. Die Rolle des Besitzes als Rechtsscheinsträger ist damit stark reduziert worden; stattdessen wird die Rolle des Rechtsscheinsträgers mehr und mehr durch öffentliche Register oder berechtigende Dokumente erfüllt. Gleichzeitig ist der Maßstab für den zum Erwerb notwendigen guten Glauben wichtiger geworden, und es wird zwischen unterschiedlichen Arten von Sachen stark differenziert. Überhaupt geht der Trend dahin, den gutgläubigen Erwerb für bestimmte Teilbereiche gesondert zu regeln (insbesondere Kulturgüter); vorzuziehen wäre ein umfassender Ansatz.

Im Kollisionsrecht wird der Erwerb vom Nichtberechtigten richtigerweise als sachenrechtlich qualifiziert; die Qualifikation als prozessrechtlich (weil der Herausgabeanspruch des Alteigentümers als verfristet angesehen wird) oder deliktsrechtlich ist unangemessen. Dementsprechend besteht in Europa traditionell weitgehend Einigkeit darüber, dass das Recht des Lageorts zum Erwerbszeitpunkt über die Wirksamkeit und die Folgen des gutgläubigen Erwerbs herrscht. Abweichend davon beruft Art. 12 der RL 93/7 vom 15.3.1993 für Kulturgüter das Recht des die Rückgabe fordernden Mitgliedstaats und schützt damit dessen Interessen besonders. Wo öffentliche Register bestehen, ist abweichend davon auch die Anknüpfung an den Registerort möglich, wenn auch nicht dem Rechtsverkehr förderlich.

4. Auswirkungen höherrangigen Rechts

Ein direkter Gemeinschaftsrechtsverstoß nationaler Regelungen zum Erwerb vom Nichtberechtigten ist deshalb schwer zu begründen, weil Art. 295 EG/345 AEUV die Eigentumsordnung bei den Mitgliedstaaten belässt (Eigentum). Dementsprechend überlässt etwa Art. 4(1) der RL 2000/35 die Ausgestaltung des Eigentumsvorbehalts dem nationalen Recht und ermöglicht es damit den Mitgliedstaaten, die Drittwirkung dieses Eigentumsvorbehalts von seiner Publizierung abhängig zu machen (EuGH Rs. C-302/05 – Kommission/Italien, Slg. 2006, I-1059). Erwägungen, die erheblichen Unterschiede zwischen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bewirkten eine gemeinschaftsrechtswidrige Einschränkung des freien Warenverkehrs, sind bislang ohne großen Einfluss geblieben.

Potentiell mehr Gewicht hat die Frage, inwieweit der Erwerb vom Nichtberechtigten mit Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK vereinbar ist. Im nationalen Verfassungsrecht verschiedener Staaten (etwa Tschechien, wo der Erwerb durch das Verfassungsgericht eingeführt wurde; Deutschland) wird die Verfassungsmäßigkeit mittlerweile recht häufig diskutiert. Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK dagegen hat bislang keine große Rolle im Privatrecht gespielt; zudem lässt der EGMR den Einzelstaaten recht weitgehenden Beurteilungsspielraum.

5. Vereinheitlichungsprojekte

Im europäischen Rahmen ist der Erwerb vom Nichtberechtigten erst in jüngerer Zeit behandelt worden. Der Draft DCFR regelt ihn nun für bewegliche Sachen in Artikel VIII-3.101 und 3-102. Zuvor hatte UNIDROIT unter maßgeblicher Leitung von Jean Georges Sauveplanne im Anschluss an das Einheitliche Kaufrecht 1964 (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) einen Entwurf für ein Einheitsgesetz zum gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (1968) erstellt. Ein neuer Entwurf 1974 reagierte auf Kritik am ersten Entwurf; er war unabhängiger vom Einheitlichen Kaufrecht und stärkte die Position des Eigentümers gegenüber dem Schutz des Erwerbers und des Verkehrs. Verabschiedet wurden beide Entwürfe nicht.

Mehr Regeln gibt es für den Spezialbereich der Kulturgüter. Die RL 93/7 gibt bei unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern diesem Mitgliedstaat einen Rückgabeanspruch gegen angemessene Entschädigung eines etwaigen gutgläubigen Erwerbers; die Eigentumslage dagegen bemisst sich nach nationalem Recht. Art. 3 und 4 des UNIDROIT-Übereinkommens vom 24.6.1995 verpflichten zur Rückgabe von gestohlenen oder illegal exportierten Kulturgütern gegen Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers; allerdings gilt die Konvention nur, wenn die Sache nach dem Diebstahl in einen anderen Staat verbracht wird. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 7(b)(ii) des UNESCO-Kulturgüterübereinkommens vom 14.11.1970.

6. Einzelfragen

Für den Erwerb vom Nichtberechtigten müssen alle Anforderungen an den Erwerb vom Berechtigten erfüllt sein (mit Ausnahme natürlich der Berechtigung des Veräußerers) (Art. VIII.-3.101(a) DCFR). Gefordert wird regelmäßig ein Verkehrsgeschäft, also eine Veräußerung zwischen tatsächlich unterschiedlichen Parteien. Nach dem UNIDROIT-Entwurf 1974 und Art. VIII.-3.101(1)(c) DCFR muss der Erwerb zudem entgeltlich erfolgt sein; das entspricht einer knappen Mehrheit europäischer Rechtsordnungen und dem Ziel, besonders den Handelsverkehr zu schützen.

Eine besondere Rolle spielt der Besitz. Der Erwerber muss den tatsächlichen Besitz an der Sache oder dem Legitimationspapier erlangen (Art. 10(1) UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3:101(1)(b) DCFR). Bloß konsensuale Übereignung ist auch in Systemen des Konsensprinzips nicht ausreichend; ebenso wenig in den meisten Rechtsordnungen die Vereinbarung eines Besitzkonstituts. Dagegen soll ausreichen, wenn der Veräußerer dem Dritten seinen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer wirksam abtritt und der Dritte nunmehr für den Erwerber besitzt (Art. 10(2) UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3.101(b), 2.101(1)(e), 2.101, 2.105 (2) DCFR).

Für registrierte Sachen ist die Rechtslage uneinheitlich. Soweit ein Register, wie etwa das deutsche Grundbuch, öffentlichen Glauben hat, ist der Registereintrag als Rechtsscheinträger sowohl notwendig als auch ausreichend; lediglich positive Kenntnis einer Falscheintragung schadet dem Erwerber. Sofern dagegen das Register nur die Drittwirkung einer Rechtsübertragung bewirkt oder insgesamt nur deklarativ ist, wird dessen Kenntnis vom Erwerber nicht erwartet und kann er sich nicht automatisch auf dessen Inhalt verlassen. Allerdings bestehen hier noch große Unterschiede zwischen verschiedenen Rechtsordnungen und auch Registern.

Des Weiteren muss der Erwerber im guten Glauben sein. Einige Rechtsordnungen fordern (jedenfalls außerhalb des Handelsverkehrs) guten Glauben betreffs der Eigentümerstellung des Veräußerers. UNIDROIT-Entwurf 1974 (Art. 7(1)) und DCFR (Art. VIII.-3:102(1)(d)) lassen dage-gen den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers ausreichen. Nach dem UNCITRAL-Legislative Guide on Secured Transactions ist der lastenfreie Erwerb im regulären Betrieb des Veräußerers sogar nur dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber positive Kenntnis von Sicherungsrechten Dritter hat; das stellt den Verkehrsschutz höher, als es viele nationale Rechtsordnungen tun. Im Einzelnen bestehen in den Sorgfaltsanforderungen enorme Unterschiede nicht nur zwischen Rechtsordnungen sondern auch zwischen verschiedenen Objekten; so sind die Anforderungen etwa bei Kraftfahrzeugen und Kunstwerken höher als bei anderen Sachen. Vieles ist Richterrecht; eine systematische Aufarbeitung der Kriterien steht aus.

Nach den meisten Rechtsordnungen ist der gutgläubige Erwerb grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Sache dem Alteigentümer abhanden gekommen ist. Man will also dem Alteigentümer das Risiko des Rechtsverlusts nur auferlegen, wenn er es selbst durch Weggabe gesetzt hat. Daher kann (außer in Italien) an gestohlenen Sachen regelmäßig kein Eigentum erlangt werden (Art. 11 UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3:101(2) DCFR). In einigen nationalen Rechtsordnungen bestehen Ausnahmen insbesondere für den Handelsverkehr sowie den Erwerb bei Versteigerungen. Der DCFR schützt insofern in Nachfolge des niederländischen Rechts nur denjenigen, der im normalen Betrieb des Unternehmens des Verkäufers erwirbt. Dagegen schützt er wie auch der UNIDROIT-Entwurf 1974 und das niederländische Recht den Eigentümer nicht, wenn ihm die Sache anderweitig abhanden kommt; jedenfalls für schuldloses Abhandenkommen geht das sehr weit.

Historisch waren bestimmte Sachen vom gutgläubigen Erwerb ausgenommen, insbesondere staatliches und Kircheneigentum. In neuerer Zeit besteht eine ähnliche Tendenz für Kulturgüter; vgl. Art. VIII.-3.101(2)2 DCFR

Sind die Voraussetzungen des Erwerbs vom Nichtberechtigten erfüllt, so erlangt der Erwerber das Vollrecht frei von Rechten Dritter (Art. 5(2) UNIDROIT-Entwurf 1974; Art. VIII.-3:102 DCFR). In einigen Rechtsordnungen ist das erworbene Recht allerdings unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Lösungsrecht zugunsten des Alteigentümers belastet, der danach die Sache vom Erwerber gegen Erstattung des von jenem geleisteten Kaufpreis zurück erwerben kann. In jüngerer Zeit wird ein solches Lösungsrecht meist abgelehnt, auch der UNIDROIT-Entwurf 1974 und der DCFR sprechen sich dagegen aus. Indes kann ein Lösungsrecht bei einzigartigen Objekten wie insbesondere Kunstwerken zu einem gerechteren Ausgleich zwischen dem Erhaltungsinteresse des Eigentümers und dem wirtschaftlichen Interesse des Erwerbers verhelfen und unter Umständen auch den Erwerber zur Mitarbeit ermuntern, da jedenfalls sein negatives Interesse geschützt ist. Aus diesem Grund findet sich ein Lösungsrecht in mehreren Vorschriften zum Kulturgüterschutz.

Literatur

Jean Georges Sauveplanne, La protection de l'acquéreur de bonne foi d'objets mobiliers corporels, UNIDROIT Yearbook 1961, 43 ff.; Werner Hinz, Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs in der europäischen Rechtsgeschichte, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 3 (1995) 398 ff.; Karsten Thorn, Der Mobiliarerwerb vom Nichtberechtigten, 1996; Peter v. Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht: Sachenrecht und Insolvenz, 1996, 349 ff.; Kurt Siehr, Verlust von Ansprüchen auf Herausgabe von Mobilien, in: Festschrift für Rudolf Welser, 2004, 997 ff.; Dieter Krimphove, Das europäische Sachenrecht: Eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, 223 ff.; Ernst Karner, Gutgläubiger Mobiliarerwerb, 2006; Margareth Prisching, Gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen im Rechtsvergleich, 2006; Matthias Armgardt, Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers abhanden gekommener Sachen in den europäischen Rechtsordnungen und das quotale Lösungsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 1006 ff; Arthur F. Salomons, On the Economics of Good Faith Acquisition Protection in the DCFR, in: Alessandro Somma (Hg.), The Politics of the Draft Common Frame of Reference, 2009, 141 ff.