Erbfolge und Erbnachweis: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Inge Kroppenberg]]''
von ''[[Manfred Wenckstern]]''
== 1. Begriff und Verhältnis der Erbfolgen ==
== 1. Begriff ==
Die Erbfolge zu regeln, ist ein zentrales Anliegen jeder Erbrechtsordnung ([[Erbrecht]]). Erbfolgeordnungen stellen rechtliche Ordnungsrahmen zur Verfügung, die es erlauben, den oder die Rechtsnachfolger des Erblassers sowie die durch seinen Tod erbrechtlich begünstigten Personen zu bestimmen. Zwei Erbfolgetypen sind zu unterscheiden, die rechtsgeschäftliche und die gesetzliche. Die rechtsgeschäftliche Erbfolge räumt dem Erblasser privatautonome Gestaltungsbefugnis von Todes wegen ein. Sie ist von der [[Testierfreiheit]] geprägt. Die gesetzliche oder Intestaterbfolge ist gegenüber der rechtsgeschäftlichen subsidiär. Sie kommt entweder zur Anwendung, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen errichtet hat oder diese unwirksam ist. Der Grundsatz ''nemo pro parte testatus'','' pro parte intestatus decedere potest'', dass also niemand sowohl aufgrund rechtsgeschäftlicher als auch aufgrund Intestaterbfolge beerbt werden kann (Inst. 2,14,5, Ulp. D.29,1,6), gilt nur in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen romanischen Ursprungs.
Der untechnische Begriff „Erbnachweis“ umschreibt das Dokument, mit dem ein Erbe sich im Rechtsverkehr, d.h. insbesondere gegenüber Banken, Grundbuchamt, Handelsregister sowie Gläubigern und Schuldnern des Erblassers als solcher legitimiert und seine Verfügungsbefugnis über das Nachlassvermögen nachweist, ohne die Grundlagen für seine Rechtsposition erneut belegen zu müssen.


Die Intestaterbfolge bringt den Gedanken der Familienerbfolge zur Geltung. Über das Pflichtteilsrecht und das materielle Noterbrecht von nahen Familienangehörigen des Erblassers kommt er auch in der testamentarischen Erbfolge zum Ausdruck ([[Pflichtteilsrecht]]). Die Familienerbfolge gibt bestimmten Angehörigen des Erblassers ein Teilhaberecht am Nachlass. Die in Betracht kommenden Personen sind zwei Gruppen zugehörig. Zum einen begründet die Verwandtschaft die gesetzliche Erbberechtigung, zum anderen die Eigenschaft als Ehegatte des Erblassers ([[Ehe]]). In Ländern, die eine registrierte Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Personen kennen, steht der Lebenspartner dem Ehegatten erbrechtlich gleich ([[gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften]]). Verschieden geschlechtliche Personen, die zusammenleben, haben in Kontinentaleuropa in denjenigen Ländern von Gesetzes wegen eine erbrechtliche Position, in denen die [[nichteheliche Lebensgemeinschaft]] familienrechtlich institutionalisiert ist (Belgien, Frankreich, Niederlande). In England hat der nichteheliche Lebenspartner ohnehin Anspruch auf ''family provision.'' Was die Verwandtenerbfolge anbelangt, so haben an Kindes statt angenommene Abkömmlinge ([[Adoption]]) dieselbe gesetzliche Erbberechtigung wie leibliche. In den letzten Jahrzehnten ist die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Kinder in den europäischen Rechtsordnungen an die ehelicher Abkömmlinge angeglichen worden. In den meisten Ländern spielt die Unterscheidung für die Beerbung daher heute keine Rolle mehr.
Während die romanischen Rechtsordnungen einem formalisierten Erbnachweis insbesondere mit Gutglaubenwirkungen ursprünglich im Interesse des wahren Erben kritisch gegenüberstanden und z.T. (Italien) noch heute stehen, haben andere europäische Rechtsordnungen im Interesse der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs – historisch gewachsen – ganz unterschiedliche Erbnachweise geschaffen.


== 2. Geschichte der Intestat­erbfolge ==
So gibt es sowohl gerichtliche, als auch notarielle, als auch private Verfahren zur Erlangung eines Erbnachweises. Die Wirkungen dieser Erbnachweise weichen stark voneinander ab und reichen von materieller Rechtskraft über Gutglaubenswirkungen und widerleglichen Erbvermutungen über Sachverhaltsdarstellungen, die bei Fehlerhaftigkeit Schadensersatzansprüche ([[Schadensersatz]]) auslösen können, bis hin zu Sachverhaltsdokumentationen ohne jede Richtigkeitsgewähr, auf die die Praxis dennoch vertraut.
Historisch geht die Unterscheidung von rechtsgeschäftlicher Erbfolge und Intestaterbfolge auf das römische Recht zurück. Das gilt auch für das Verhältnis der beiden Erbfolgetypen. In Rom blieb für die Erbfolge ''ab intestato'' nur Raum, wenn entweder nicht testiert worden war, das Testament sich als unwirksam erwies oder nachträglich hinfällig wurde. Auf Grundlage der zivilen Erbfolgeordnung waren an erster Stelle die Hauserben (''sui heredes'') berufen. Dabei handelte es sich um Personen, die zum Oberhaupt der römischen ''familia'' (''pater familias'') in einem besonderen Gewaltverhältnis standen (der ''patria potestas'' bei ehelichen Abkömmlingen und der ''manus'' bei Ehefrauen), durch seinen Tod aber gewaltfrei wurden. Die Erbberechtigung knüpfte sich also nicht etwa an die Blutsverwandtschaft, sondern an das über die väterliche Gewalt vermittelte (agnatische) Verwandtschaftsverhältnis. Männer und Frauen waren in der zivilen Erbfolge gleichberechtigt. Die Erbfolge folgte bei den ''sui heredes'' dem Stammprinzip (''stirpes'') und dem Grundsatz der Repräsentation. Die Abkömmlinge und die Ehefrau ''in manu'', die ihren Kindern rechtlich gleich stand, bildeten jeweils einen Stamm, auf den gleich große Erbteile entfielen. Der näher mit dem Erblasser verwandte Erbe repräsentierte dabei die anderen Mitglieder seines Stammes und schloss diese von der Erbfolge aus. War ein Sohn vor dem Erblasser verstorben oder aus dem Familienverband ausgeschieden, rückten seine Kinder und seine Ehefrau ''in manu'' an seine Stelle (so genanntes Eintrittsrecht). Die Erbfolge nach Stämmen, die Repräsentation und das Eintrittsrecht sind Grundsätze, die auch die modernen Erbfolgeordnungen kennen. Das gilt auch für die Beerbung nach Kopfteilen und nach Verwandtschaftsgrad. Auf die Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser kam es an, wenn beim Erbfall keine Hauserben (''sui heredes'') vorhanden waren. In diesem Fall fiel die Erbschaft eines frei geborenen Erblassers an den gradnächsten Agnaten in der Seitenlinie. Mehrere gleich nah verwandte Agnaten erbten nach Köpfen.


In der späten Republik entwickelte sich neben der zivilen eine zweite Intestaterbfolge, die so genannte ''bonorum possessio intestati''. Die prätorische Erbfolge modifizierte die zivile, verdrängte sie aber nicht vollständig. Sie blieb etwa die maßgebliche Erbfolge, wenn der vom Prätor Berufene, der nicht zugleich ziviler Erbe war, die ''bonorum possessio'' nicht beantragte. Zugleich machte der Prätor sich die zivile Erbfolge in bestimmten Fällen als Grundlage der prätorischen zueigen. Aus der prätorischen ''bonorum possessio intestati'' stammt die Idee, die Erbberechtigung an die Blutsverwandtschaft, die so genannte cognatische Verwandtschaft, zu knüpfen, die die rechtlich begründete agnatische auf Dauer abgelöst hat. Auch das organisatorische Prinzip, erbberechtigte Personen in hierarisch organisierte Klassen oder Ordnungen einzuteilen, von denen die niedrigere Ordnung die höhere von der Erbfolge ausschließt, differenzierte sich im Recht der ''bonorum possessio'' aus. Die Blutsverwandtschaft konnte sowohl von Frauen als auch von Männern vermittelt werden. Gradnähere schlossen gradfernere Verwandte von der Erbfolge aus. Gleich nah verwandte Personen teilten sich den auf sie entfallenden Erbteil nach Köpfen.
Die konkrete Ausgestaltung der Erbnachweise ist oft verknüpft mit dem im jeweiligen Land bestehenden System des Erbschaftserwerbs ([[Universalsukzession]], [[Erbschaftsannahme/-ausschlagung|Erbschaftsannahme/-ausschlagung|Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung]]) und dem Grundbuchsystem, wobei allerdings zahlreiche Rechtsordnungen nicht nur eine Art des Erbnachweises kennen.


Das Erbrecht des Mittelalters war in erster Linie Familienerbrecht. Von der römischen Intestaterbfolge, die eine Auffangordnung bei testamentslosem Versterben eines Erblassers zur Verfügung stellte, unterschieden sich die mittelalterlichen Erbfolgeordnungen funktionell. Sie sicherten nicht nur den Übergang privater Vermögen, sondern vermittelten politische Macht ([[Erbrecht]]). Die Vererblichkeit von Lehen verstärkte personale Herrschaftsbeziehungen, die auf dem Grundeigentum beruhten. Strukturell kam der politische Charakter darin zum Ausdruck, dass es sich um ein Verwandten- und Sippenerbrecht handelte. Der Grundsatz „Das Gut rinnt wie das Blut“ brachte zum Ausdruck, dass der Einzelne in die kollektive Struktur der Sippe eingebunden und diese daher natürlich erbberechtigt war. Der überlebende Ehegatte wurde nicht erbrechtlich, sondern güterrechtlich abgesichert, männliche Abkömmlinge gegenüber weiblichen bevorzugt. Namentlich das für die Ausübung politischer Macht so wichtige Grundeigentum konnten Frauen ursprünglich nicht erben.
Daneben kennen alle Länder kontradiktorische Gerichtsverfahren zur Klärung streitiger Fälle, die hier keiner näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.


Mit dem Beginn des bürgerlichen Zeitalters verlor die Erbfolge ihre politische Funktion wieder. Der überlebende Ehegatte etablierte sich nun endgültig im Kreis der erbrechtlich begünstigten Personen. Die bürgerlichen [[Kodifikation]]en Kontinentaleuropas des 18. und 19. Jahrhunderts beseitigten die letzten feudalen Strukturen der Erbfolge, indem sie den Vorrang der testamentarischen vor der gesetzlichen Erbfolge festschrieben und auf der Gleichberechtigung der Intestaterben gleicher Stufe unabhängig von deren Geschlecht bestanden.
Mangels Einheitlichkeit des internationalen Erbrechts ([[Erbrecht, internationales]]) haben die nationalen Erbnachweise primär eine innerstaatliche Bedeutung, ihre europaweite Anerkennung ist bisher nicht gesichert.


== 3. Gesetzliche Erbfolgemodelle in Europa ==
== 2. Rechtsvergleichung ==
=== a) Verwandtenerbfolge ===
=== a) Gerichtliche Erbnachweise ===
Das Ordnungsprinzip der Verwandtenerbfolge in Kontinentaleuropa sind die Erbfolgeordnungen oder Klassen. Sie versammeln blutsmäßig und rechtlich mit dem Erblasser verwandte Personen in verschiedenen Gruppen von erbberechtigten Personen und teilen ihnen Erbquoten zu. Die Konstruktion der Kernfamilie im bürgerlichen Zeitalter hatte insoweit Auswirkungen auf die Konturierung der Erbfolgeordnungen, als seither in der Mehrzahl der europäischen Erbrechte entferntere Verwandte des Erblassers ausgeschlossen und die Erbfolgeordnungen zahlenmäßig begrenzt sind. In entfernteren Ordnungen sind Abkömmlinge nicht zur Erbfolge berufen (Frankreich, Griechenland, Österreich). Nur Deutschland und Schottland kennen mit den fernen Ordnungen bzw. Klassen eine unbegrenzte Verwandtenerbfolge. Der Regelfall in Europa sind vier (Frankreich, Italien, Niederlande) oder drei Erbfolgeordnungen (Dänemark, England, Tschechien, Schweiz). Polen lässt sogar nur die Angehörigen der ersten und zweiten Erbfolgeordnung zum Zuge kommen.  
In Österreich geht der zunächst liegende Nachlass mit der Einantwortung auf den Erben über ([[Erbschaftsannahme/-ausschlagung|Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung]]). Der Gerichtsbeschluss über die Einantwortung (''Einantwortungsurkunde'') erwächst in Rechtskraft und legitimiert damit zugleich den Erben.


Die Erbrechtsordnungen Europas konturieren ihr Personal unterschiedlich. Die Mehrzahl kennt ein eigenständiges Erbrecht von Seitenverwandten sowohl neben Verwandten der geraden Linie als auch in einer eigenen ferneren Ordnung. Sie sind also nicht als Parentelordnungen organisiert, bei der Erbberechtigte in einer Erbfolgeordnung zusammen gefasst werden, die von einem gemeinsamen Vorfahren (= ''parens'') abstammen. So erben in Belgien, Frankreich und Luxemburg die Geschwister und deren Abkömmlinge neben den Eltern als Angehörige der zweiten Erbfolgeordnung, während alle übrigen Aszendenten der dritten und die weiteren Seitenverwandten der vierten Ordnung angehören. In Portugal bilden die Geschwister samt Abkömmlingen die dritte, die weiteren Verwandten in der Seitenlinie die vierte Ordnung. In Dänemark tauchen die Brüder und Schwestern des Vaters oder der Mutter des Erblassers erst in der dritten Erbfolgeordnung auf, in Belgien in der vierten. Die fünfte Klasse der gesetzlichen Erbanwärter bilden sie in Italien.  
In England wird der Vermögensübergang auf den ''personal representative'' des Erblassers dann, wenn dieser vom Erblasser im Testament benannt wurde (''executor''), im gerichtlichen Bestätigungszeugnis (''grant of probate'') deklaratorisch bezeugt bzw. dann, wenn er erst vom Gericht benannt wurde (''administrator''), mit der Ernennungsurkunde (''grant of letter of administration'') bewirkt. Der jeweilige ''grant'' wird entweder in einem nichtstreitigen Verfahren (''in common form'') oder in einem streitigen Gerichtsverfahren (''in solemn form'') erteilt. In letzterem Fall erwächst er in Rechtskraft. Der ''grant ''ist mithin der Erbnachweis. Aufgrund der Zwischenschaltung des ''personal representative'' ist der kraft gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge Begünstigte (''beneficiary'') kein Gesamtrechtsnachfolger und wird als solcher in keinem Erbnachweis aufgeführt.


Dagegen gehören Verwandte in der Seitenlinie in Deutschland und Griechenland nicht zu den eigenständig erbberechtigten Personen. Sie werden nur als Abkömmlinge von Verwandten der geraden Linie erfasst (Parentelordnungen). Übereinstimmung besteht in den Erbrechtsordnungen Europas darüber, dass die jüngere Generation vor der älteren bevorzugt wird, weil die Abkömmlinge in Kontinentaleuropa überwiegend der ersten Erbfolgeordnung angehören, die Eltern und Voreltern, die sog. Aszendenten, dagegen den weiteren Erbfolgeordnungen. Auch kennen alle Erbrechte Europas ein subisidiäres Erbrecht des Fiskus.
Im italienischen Südtirol gibt es – auf österreichischen Wurzeln fußend – einen vom Gericht erteilten Erbschein nach italienischem Recht, der – ohne Einantwortung – den Erben (und auch den Begünstigten eines Vindikationslegats) insbesondere für Grundbuchzwecke legitimiert, die Vermutung der Erbeneigenschaft begründet und (eingeschränkt) Gutglaubenswirkungen entfaltet.


Dagegen weichen die Prinzipien, nach denen die Auswahl der gesetzlichen Erben aus den verschiedenen Erbfolgeordnungen und innerhalb einer Ordnung erfolgt, in den kontinentaleuropäischen Erbrechten voneinander ab. Die meisten Rechtsordnungen strukturieren die Erbfolgeordnungen hierarchisch. Wird eine Person aus einer vorangehenden Ordnung Erbe, schließt sie Angehörige ferner Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge aus. Im Grundsatz gilt das auch für das reformierte französische Erbrecht. Jedoch macht es eine Ausnahme für den Fall, dass in der zweiten Ordnung ein Elternteil des Erblassers vorverstorben ist und keine Geschwister vorhanden sind. In diesem Fall fällt eine Nachlasshälfte an die Verwandten des vorverstorbenen Elternteils in aufsteigender Linie, kommt es also zu einer Aufspaltung des Nachlasses in eine väterliche und eine mütterliche Linie. In Italien gibt es keine feste Reihenfolge der Erbfolgeklassen. Die Abgrenzung erfolgt vielmehr im Einzelfall. Allerdings haben sich auch hier allgemeine Regeln ausgebildet. So schließen Abkömmlinge alle anderen Verwandten von der Erbfolge aus und entfernte Verwandte in der Seitenlinie kommen nur zum Zuge, wenn keine anderen erbberechtigten Personen vorhanden sind.
In Deutschland und Griechenland gibt es einen auf Antrag vom Nachlassgericht nach einem amtlichen Ermittlungsverfahren ausgestellten Erbschein, der die Erben, ihre Erbquoten sowie das Bestehen oder Nichtbestehen von Beschränkungen der Erben ([[Vor- und Nacherbschaft]], [[Testamentsvollstreckung]]) ausweist. Der Antragsteller muss dabei zu seinem Tatsachenvortrag eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Für den Testamentsvollstrecker kann ein gesondertes Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt werden. Die Richtigkeit der Aussagen des Erbscheins bzw. des Testamentsvollstreckerzeugnisses wird widerleglich, d.h. ohne in Rechtskraft zu erwachsen, vermutet. Der Erbschein ist mit sog. öffentlichen Glauben ausgestatten, d.h. ein gutgläubiger Dritter, der auf den Erbschein vertraut, wird geschützt. Ähnlich gibt es in Polen eine gerichtliche Bestätigung des Erbschaftserwerbs und seit kurzem alternativ dazu in unstreitigen Fällen einen Notar-Erbschein.


Innerhalb einer Ordnung oder Klasse gibt es in Europa Erbfolgesysteme, die die gesetzliche Erbberechtigung ausschließlich oder vorrangig nach der Nähe der Verwandtschaft zum Erblasser bestimmen (Gradualsysteme). Das ist etwa in Belgien, Frankreich und Portugal der Fall. Die Erbfolgeordnungen Dänemarks, Deutschlands, Griechenlands und Österreichs setzen dagegen ganz oder jedenfalls in den näheren Ordnungen auf das Prinzip der Erbfolge nach Stämmen und Linien. Innerhalb einer Ordnung sind der Grundsatz der Repräsentation und das Eintrittsrecht bestimmend. In Deutschland richtet sich die Erbfolge ab der vierten Ordnung nach dem Verwandtschaftsgrad, in Griechenland bereits ab der zweiten.
Alternativ zum Erbschein reicht in Deutschland für Registerzwecke wie z.B. das Grundbuch die Vorlage eines notariellen Testaments nebst gerichtlichem Eröffnungsprotokoll aus, sofern sich daraus die Erbenstellung unmittelbar ergibt. Öffentlichen Glauben genießen diese Dokumente allerdings nicht. Bei Kleinstnachlässen und unter Privatleuten wird oftmals auch das gerichtlich eröffnete holographische Testament, das keinerlei Richtigkeitsgewähr verkörpert, als Erbnachweis anerkannt.


England hatte unter den europäischen Erbfolgesystemen bis zum Jahre 1925 insofern eine besondere Stellung, als für die Vererbung von ''personal property'' und ''real property'' ([[Eigentum]]) verschiedene Regeln galten. Seither gestaltet sich die Erbfolge jedoch für das gesamte Erblasservermögen einheitlich. Auch das englische Recht ordnet die Verwandten des Erblassers nach dem Parentelsystem, freilich nur für den Fall, dass der Erblasser keinen Ehegatten hinterlässt. In erster Linie erben dann die Abkömmlinge, in zweiter Linie die Eltern oder der überlebende Elternteil, sodann die Großeltern, Onkel und Tanten, deren Abkömmlinge und subsidiär die Krone. Abkömmlinge, Geschwister und deren Abkömmlinge sowie Onkel und Tanten erwerben nur dann Ansprüche auf den Nachlass, wenn sie 18 Jahre alt werden oder vor diesem Zeitpunkt heiraten. Bis dahin bleibt der Nachlass als ''statutory trust'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) dem Erbschaftsverwalter zu treuen Händen zugeordnet ([[Universalsukzession]]).
In Elsass-Lothringen gibt es – auf deutschen Wurzeln fußend – einen gerichtlichen Erbschein (''certificat d’heritier'') nach französischem Recht, dessen Aussagen ebenfalls – widerleglich – als richtig vermutet werden und der ebenfalls öffentlichen Glauben genießt. Er wird überall in Frankreich akzeptiert und ersetzt die dort sonst erforderliche Offenkundigkeits- und Eigentumsbescheinigung (''acte de notorieté''), die freilich in Elsass-Lothringen ebenfalls anerkannt wird.


=== b) Ehegattenerbfolge ===
=== b) Notarielle Erbnachweise mit Gutglaubenswirkungen ===
Nicht minder vielgestaltig als die Verwandtenerbfolge ist die Position des überlebenden Ehegatten in den Erbfolgeordnungen Europas. Einigkeit besteht darüber, dass die [[Ehe]] im Zeitpunkt des Erbfalls bestehen muss. Ein geschiedener Ehegatte ([[Scheidung]]) scheidet aus dem Kreis der gesetzlich erbberechtigten Personen ''de lege lata'' aus. Der überlebende Ehegatte kann dagegen in allen europäischen Erbrechtsordnungen allein aufgrund seines Status mit einer erbrechtlichen Begünstigung rechnen – unabhängig von der Dauer der Ehe und auch ohne Rücksicht auf seine konkrete Bedürftigkeit. Auch richtet sich das Erbrecht des Ehegatten danach, welche anderen Personen neben ihm erben. Wieviel ein Ehegatte beim Tod des anderen tatsächlich erhält, hängt schließlich in Kontinentaleuropa vom Güterstand ab, in dem die Eheleute gelebt haben.
Im übrigen Frankreich und in den Niederlanden kann der Erbe (wie auch der Erb- oder Universalvermächtnisnehmer (''légataire'' ''universel'') und der Erbteilsvermächtnisnehmer (''légataire a titre universel'') auf Antrag vom Notar eine Urkunde über seine Erbenstellung (''acte de notoriété'','' verklaring van erfrecht'') erhalten, die heute Gutglaubenswirkung entfaltet und in Frankreich sogar bis zum Gegenbeweis die Erbeneigenschaft belegt. Dem Notar sind dazu umfassende Unterlagen vorzulegen bzw. sind diese von ihm zu beschaffen. Ist die Erbfolge streitig, kann sie mittels einer Erbschaftsklage gerichtlich geklärt werden.


War das, wie in den meisten Staaten Europas, der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, erhält der Überlebende regelmäßig die Hälfte des gemeinsam in der Ehe erwirtschafteten Vermögens. Die andere Hälfte der Errungenschaft und das persönliche Vermögen des Erblassers werden nach den Erbfolgeregeln verteilt. In Ländern, in denen nach einem Güterstand der Gütertrennung beim Tod eines Ehegatten ein Zugewinnausgleich erfolgt (Deutschland, Frankreich), scheidet der Zugewinn aus dem Nachlass aus.
In Spanien kann der Erbe seine Erbenstellung bei testamentarischer Erbfolge durch eine beim Notar zu beantragende und von diesem zu errichtende ''escritura pública de aceptación y adjudicación de herencia ''nachweisen. Bei gesetzlicher Erbfolge durch den Ehegatten, Abkömmlinge oder Voreltern können diese zusammen mit zwei Zeugen beim Notar eine ''acta de notoriedad ''als Erbnachweis'' ''erlangen. Nur bei gesetzlicher Erbfolge durch entferntere Verwandte ist ein gerichtliches Verfahren zu durchlaufen, aufgrund dessen eine ''declaración de herederos ab intestato ''erstellt wird.


Die erbrechtliche Beteiligung des Ehegatten gestaltet sich in den europäischen Rechtsordnungen unterschiedlich. Auf dem Rückzug ist in Europa die Vorstellung, dem Ehegatten solle kein eigenes Erbteil zustehen, sondern nur ein Nießbrauchsrecht am Vermögen des Erblassers. Kein geltendes kontinentaleuropäisches Recht sieht den Ehegatten noch ausschließlich als Begünstigten eines Nießbrauchs an. In Frankreich, das diesem Prinzip ursprünglich folgte, hat der Ehegatte seit dem Jahr 2001 ein Wahlrecht zwischen dem Nießbrauch am ganzen Nachlass und einem Erbteil in Höhe eines Viertels der Erbschaft (ähnlich Luxemburg mit höherer Erbquote). Das spanische Recht beschränkt den Ehegatten neben Abkömmlingen und Aszendenten auf den Nießbrauch, billigt ihm aber sonst ein Erbteil zu. Das belgische Recht gibt dem Ehegatten einen Nießbrauch am Nachlassganzen, wenn er mit Abkömmlingen zusammen trifft. Sonst kommt es auf den Güterstand an. Bestand Gütertrennung, bleibt es beim Nießbrauch, bestand gesetzliche oder vertragliche Gütergemeinschaft, erwirbt der Überlebende das Gesamtgut zu Eigentum und erhält überdies den Nießbrauch am gesamten Nachlass.
=== c) Privaturkunden ===
In Schweden und Finnland wird der Erbnachweis durch ein von allen Nachlassbeteiligten unter Hinzuziehung von zwei zuverlässigen Vertrauenspersonen aufzustellendes, auf Ehre und Gewissen zu versicherndes Nachlassverzeichnis erbracht, das die gesamte Nachlasssituation umfassend darstellt und dem Finanzamt als Grundlage für die Erbschaftsbesteuerung einzureichen ist ([[Erbschaftsannahme/-ausschlagung|Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung]]). Es vermittelt guten Glauben und reicht für den Nachweis der Erbenstellung grundsätzlich aus.


In Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal und Schweden ist der Ehegatte des Erblassers dagegen stets gesetzlicher Erbe. Die Höhe seines Erbteils richtet sich danach, ob und neben welchen Verwandten er erbt. Auch in England hängt die Ausgestaltung des Erbrechts des Ehegatten davon ab, mit welchen Verwandten er zusammen trifft. Muss er den Nachlass mit Abkömmlingen teilen, erhält er neben den ''personal chattels'' bis zu GBP 125000,-, neben Eltern, Geschwistern oder deren Abkömmlingen sogar bis zu GBP 250000,-, sofern der Nachlass weniger wert ist, stets das gesamte Vermögen. Außerdem kommt, wenn Abkömmlinge vorhanden sind, ein ''life interest'' an der Hälfte des noch verbleibenden Nachlasses hinzu. Neben Eltern, Geschwistern oder deren Abkömmlingen erwirbt der Ehegatte die Hälfte sogar zu unbeschränktem Eigentum. Sind keine Angehörigen der ersten und zweiten Parentel vorhanden, erbt er ohnehin allein.
=== d) Sonderfall Italien ===
Das gemeine italienische Recht kennt keinen Erbschein; die Anforderungen an den Nachweis der Erbenstellung hängen vom Einzelfall ab. Faktisch wird die Erbeneigenschaft primär durch Vorlage der Urkunde mit der Erklärung über die Annahme der Erbschaft belegt. Für die Umschreibung von Immobilien muss die Erbeneigenschaft durch Vorlage aller für die Erbfolge relevanten Dokumente nachgewiesen werden (Art. 2648, 2660-2662 ''Codice civile''). Ansonsten behilft sich die Praxis mit der Vorlage der Erbschaftsanzeige (''dichiarazione di successione''), die der Erbe bei der ''Agenzia delle Entrate'' abgeben muss und ohne deren Vorlage die Notare und anderen Amtspersonen keine Veräußerungsurkunden über im Erbwege erworbene Güter aufnehmen oder beglaubigen dürfen. Auch eine eidesstattliche Erklärung zweier Zeugen vor einem Notar über die Erbfolge (''atto di notorietà'') wird z.T. als Erbnachweis akzeptiert. Es gibt Bestrebungen einen notariellen Erbnachweis einzuführen.


Ein ganz anderes Konzept verfolgt das niederländische Erbrecht. Das gesamte Vermögen geht mit den Verbindlichkeiten im Zeitpunkt des Erbfalls ''ipso iure'' auf den überlebenden Ehegatten über. Die Kinder haben einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Elternteil in Höhe des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils. Er ist grundsätzlich erst dann durchsetzbar, wenn auch der Ehegatte verstirbt, der den Erblasser überlebt hat.
=== e) Nationale Tendenzen ===
In den romanischen Ländern, die im Interesse der wahren Erben ursprünglich einem formalisierten Erbnachweis mit Gutglaubenswirkungen kritisch gegenüber standen, gibt es seit einigen Jahren ein Umdenken: Die Vorzüge eines solchen Erbnachweises für die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wurden erkannt und die gesetzlichen Vorschriften bereits in Frankreich, den Niederlanden und Spanien geändert.


== 4. Strukturen eines einheitlichen Intestaterbrechts ==
== 3. Europäisches Vereinheitlichungsprojekt: Rom IV ==
Die Ausgestaltung der Rechte des überlebenden Ehegatten gehört zu den schwierigsten Fragen, die bei einer europäischen Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des gesetzlichen Erbrechts zu beantworten sind (''Dieter Leipold''). In der Tat sind die Lösungen der europäischen Rechtssysteme konstruktiv recht weit voneinander entfernt, sowohl was das Erbrecht, als auch was das Güterrecht anbelangt. Beide Rechtsmaterien sind auf einander bezogen. Ein europäisches Ehegattenerbrecht muss die unterschiedlichen Ausgleichsinstrumente der einzelnen Güterrechte auch dann mit bedenken, wenn man sich zu einer rein erbrechtlichen Lösung entschließen sollte.
Die grenzüberschreitende Anerkennung der unterschiedlichen nationalen Erbnachweise scheitert in Europa bisher zum einen daran, dass das internationale Erbrecht ([[Erbrecht, internationales]]) noch nicht vereinheitlicht ist und es daher hinsichtlich der Erbfolge keinen internationalen Entscheidungseinklang gibt. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass das Haager Nachlassverwaltungsabkommen von 1973, das einen grenzüberschreitenden Nachweis für Fremdverwalter des Nachlasses, etwa [[Testament]]svollstrecker, vorsieht, bisher kaum Erfolg hatte. Zum anderen wird die Verlässlichkeit der Erbnachweise aufgrund der sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Voraussetzungen für ihre Erteilung oft als nicht ausreichend eingeschätzt. Und schließlich bereiten die sehr unterschiedlichen dogmatischen Strukturen und Erbrechtsinstitute sowie die Abgrenzungen insbesondere zum Nachlassverfahrensrecht, Ehegüterrecht, Sachenrecht und Gesellschaftsrecht Anwendungsprobleme. Daher drängt die Praxis seit langem auf die Schaffung eines europäischen Erbscheins oder die Schaffung der Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Anerkennung der nationalen Erbnachweise.


Immerhin gibt es einige Tendenzen, die die Vereinheitlichungsdiskussion prägen: Die Stärkung der Paarbeziehung beruht auf einem erbrechtlichen Paradigmenwechsel weg von einem „vertikalen“ (auf das Verhältnis Eltern und Abkömmlingen bezogenen) und hin zu einem „horizontalen“ Erbrecht, das den Ehegatten als den primär versorgungsbedürftigen Erben verstärkt in den Blick nimmt. In den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen wird das Erbrecht des Ehegatten vom Nutzungs- zum Eigentumsrecht ausgebaut und seine Erbquote oder der ihm gebührende Geldbetrag auf Kosten der Verwandten erhöht. Bei kleineren und mittleren Nachlässen soll der Ehegatte der alleinige Rechtsnachfolger sein.
In den Wiener Aktionsplan von 1998 wurde daraufhin das internationale Erbrecht aufgenommen. Als ersten Schritt hat das Deutsche Notarinstitut im Auftrag der Kommission in Zusammenarbeit mit ''Heinrich Dörner'' und ''Paul Lagarde'' im Jahre 2002 eine ausführliche rechtsvergleichende Studie zum internationalen Erb- und Nachlassverfahrensrecht mit Vorschlägen zu ihrer Harmonisierung sowie zur Schaffung eines europäischen Erbscheins vorgelegt. Auf der Basis dieser Studie hat die Kommission am 1.3.2005 ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht (KOM(2005) 65 endg.) vorgelegt, in dem insbesondere auch Fragen zur Ausgestaltung eines europäischen Erbscheins gestellt werden. Die eingegangenen Antworten begrüßen ganz überwiegend die Idee eines europäischen Erbscheins, so insbesondere auch das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] in seiner Entschließung vom 16.11.2006 mit Empfehlungen an die Kommission zum Erb- und Testamentrecht (A6-0359/2006 endg.). Die Kommission plant nunmehr, im Jahr 2009 einen ersten Entwurf für eine Rom IV-Verordnung über das internationale Nachlassverfahrensrecht, das internationale Erbrecht, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Erbsachen und den europäischen Erbschein vorzulegen ([[Erbrecht, internationales]]).
 
Was die einheitsrechtliche Ausgestaltung der Verwandtenerbfolge anbelangt, sollte über eine Begrenzung der Erbfolgeordnungen nachgedacht werden. Sie ist ohnehin schon die Regel in Europa, so dass eine Beschränkung auf drei Erbfolgeordnungen realistisch ist. Mit dem Parentelprinzip lässt sich eine weitere Reduktion von erbberechtigten Verwandten erreichen, da Verwandte in der Seitenlinie hier nicht selbst zu Erben berufen sind. Auf das Gradualsystem kann man in einer auf nahe Verwandte beschränkten Erbfolge verzichten. Schließlich ist auch an eine Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten neben den Kindern zu denken.
 
Die Vorschläge beschränken sich bisher auf eine Reform der traditionellen Erbrechtsordnungen Kontinentaleuropas. Noch wenig geklärt ist die Frage, ob nicht das niederländische Konzept angesichts des demografischen Wandels und der Veränderung der Familienstrukturen ([[Familie]]) das zukunftsweisende ist. Dem Ehegatten bleibt hier, solange er lebt, der Nachlass ungeschmälert als Lebensgrundlage erhalten. Dasselbe Ergebnis erzielt auch das englische Erbfolgemodell mit seinen festen Geldbeträgen, die kleinere und mittlere Vermögen zu Lasten der Verwandten wertmäßig erschöpfen. Bisher wurde kaum diskutiert, ob die Ehedauer für die gesetzliche Erbberechtigung des Ehegatten entscheidend sein soll. Eine Ausweitung der Ehegatten- auf Kosten der Verwandtenerbfolge würde wohl eher akzeptiert, wenn der Erblasser nur einmal verheiratet war und die Ehe lange angedauert hat.


==Literatur==
==Literatur==
''Jean C. Sonnekus'', The New Dutch Code on Succession as Evaluated through the Eyes of a Hybrid Legal System, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 3 (1995) 71 ff.; ''Stephen M. Cretney'', Reform of intestacy: the best we can do?, Law Quarterly Review 111 (1995) 77 ff.; ''Marius J. de Waal'', The social and economic foundations of the law of succession, Stellenbosch Law Review 8 (1997) 162 ff.; ''Dieter Leipold'', Europa und das Erbrecht, in: Festschrift für Alfred Söllner, 2000, 647 ff.; ''Dieter Henrich'','' Dieter Schwab'' (Hg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, 2001; ''Walter Pintens'', Die Europäisierung des Erbrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 9 (2001) 628 ff.; ''idem'', Grundgedanken und Perspektiven einer Europäisierung des Familien- und Erbrechts, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2003, 329 ff., 417 ff., 499 ff.; ''Alain Verbeke'','' Yves-Henri Leleu'', Harmonisation of the Law of Succession, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3. Aufl. 2004, 335 ff.; ''Marius J. de Waal'', A Comparative Overview, in: Kenneth G.C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007, 1 ff; ''Reinhard Zimmermann'', The Present State of European Private Law, American Journal of Comparative Law 57 (2009) 479 ff., 503 ff.
''Felix Odersky'', Die Abwicklung deutsch-englischer Erbfälle, 2001; ''Deutsches Notarinstitut'' (Hg.), Internationals Erbrecht in der EU: Perspektiven einer Harmonisierung, 2004 (enthält u.a. die Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Zusammenarbeit mit Heinrich Dörner und Paul Lagarde); ''Markus Stögner'','' Alice Perscha'', Verlassenschaftsverfahren in Österreich, Notarius International 2005, 113 ff.; ''Alfonso Renteria'' (Hg.), Manuel de Droit Privé et de Justice Préventive en Europe, 2007; ''Rembert'' ''Süß'' (Hg.), Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Succession_upon_Death]]
[[en:Certificate_of_Inheritance]]

Version vom 28. September 2021, 15:52 Uhr

von Manfred Wenckstern

1. Begriff

Der untechnische Begriff „Erbnachweis“ umschreibt das Dokument, mit dem ein Erbe sich im Rechtsverkehr, d.h. insbesondere gegenüber Banken, Grundbuchamt, Handelsregister sowie Gläubigern und Schuldnern des Erblassers als solcher legitimiert und seine Verfügungsbefugnis über das Nachlassvermögen nachweist, ohne die Grundlagen für seine Rechtsposition erneut belegen zu müssen.

Während die romanischen Rechtsordnungen einem formalisierten Erbnachweis insbesondere mit Gutglaubenwirkungen ursprünglich im Interesse des wahren Erben kritisch gegenüberstanden und z.T. (Italien) noch heute stehen, haben andere europäische Rechtsordnungen im Interesse der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs – historisch gewachsen – ganz unterschiedliche Erbnachweise geschaffen.

So gibt es sowohl gerichtliche, als auch notarielle, als auch private Verfahren zur Erlangung eines Erbnachweises. Die Wirkungen dieser Erbnachweise weichen stark voneinander ab und reichen von materieller Rechtskraft über Gutglaubenswirkungen und widerleglichen Erbvermutungen über Sachverhaltsdarstellungen, die bei Fehlerhaftigkeit Schadensersatzansprüche (Schadensersatz) auslösen können, bis hin zu Sachverhaltsdokumentationen ohne jede Richtigkeitsgewähr, auf die die Praxis dennoch vertraut.

Die konkrete Ausgestaltung der Erbnachweise ist oft verknüpft mit dem im jeweiligen Land bestehenden System des Erbschaftserwerbs (Universalsukzession, Erbschaftsannahme/-ausschlagung|Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung) und dem Grundbuchsystem, wobei allerdings zahlreiche Rechtsordnungen nicht nur eine Art des Erbnachweises kennen.

Daneben kennen alle Länder kontradiktorische Gerichtsverfahren zur Klärung streitiger Fälle, die hier keiner näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.

Mangels Einheitlichkeit des internationalen Erbrechts (Erbrecht, internationales) haben die nationalen Erbnachweise primär eine innerstaatliche Bedeutung, ihre europaweite Anerkennung ist bisher nicht gesichert.

2. Rechtsvergleichung

a) Gerichtliche Erbnachweise

In Österreich geht der zunächst liegende Nachlass mit der Einantwortung auf den Erben über (Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung). Der Gerichtsbeschluss über die Einantwortung (Einantwortungsurkunde) erwächst in Rechtskraft und legitimiert damit zugleich den Erben.

In England wird der Vermögensübergang auf den personal representative des Erblassers dann, wenn dieser vom Erblasser im Testament benannt wurde (executor), im gerichtlichen Bestätigungszeugnis (grant of probate) deklaratorisch bezeugt bzw. dann, wenn er erst vom Gericht benannt wurde (administrator), mit der Ernennungsurkunde (grant of letter of administration) bewirkt. Der jeweilige grant wird entweder in einem nichtstreitigen Verfahren (in common form) oder in einem streitigen Gerichtsverfahren (in solemn form) erteilt. In letzterem Fall erwächst er in Rechtskraft. Der grant ist mithin der Erbnachweis. Aufgrund der Zwischenschaltung des personal representative ist der kraft gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge Begünstigte (beneficiary) kein Gesamtrechtsnachfolger und wird als solcher in keinem Erbnachweis aufgeführt.

Im italienischen Südtirol gibt es – auf österreichischen Wurzeln fußend – einen vom Gericht erteilten Erbschein nach italienischem Recht, der – ohne Einantwortung – den Erben (und auch den Begünstigten eines Vindikationslegats) insbesondere für Grundbuchzwecke legitimiert, die Vermutung der Erbeneigenschaft begründet und (eingeschränkt) Gutglaubenswirkungen entfaltet.

In Deutschland und Griechenland gibt es einen auf Antrag vom Nachlassgericht nach einem amtlichen Ermittlungsverfahren ausgestellten Erbschein, der die Erben, ihre Erbquoten sowie das Bestehen oder Nichtbestehen von Beschränkungen der Erben (Vor- und Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung) ausweist. Der Antragsteller muss dabei zu seinem Tatsachenvortrag eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Für den Testamentsvollstrecker kann ein gesondertes Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt werden. Die Richtigkeit der Aussagen des Erbscheins bzw. des Testamentsvollstreckerzeugnisses wird widerleglich, d.h. ohne in Rechtskraft zu erwachsen, vermutet. Der Erbschein ist mit sog. öffentlichen Glauben ausgestatten, d.h. ein gutgläubiger Dritter, der auf den Erbschein vertraut, wird geschützt. Ähnlich gibt es in Polen eine gerichtliche Bestätigung des Erbschaftserwerbs und seit kurzem alternativ dazu in unstreitigen Fällen einen Notar-Erbschein.

Alternativ zum Erbschein reicht in Deutschland für Registerzwecke wie z.B. das Grundbuch die Vorlage eines notariellen Testaments nebst gerichtlichem Eröffnungsprotokoll aus, sofern sich daraus die Erbenstellung unmittelbar ergibt. Öffentlichen Glauben genießen diese Dokumente allerdings nicht. Bei Kleinstnachlässen und unter Privatleuten wird oftmals auch das gerichtlich eröffnete holographische Testament, das keinerlei Richtigkeitsgewähr verkörpert, als Erbnachweis anerkannt.

In Elsass-Lothringen gibt es – auf deutschen Wurzeln fußend – einen gerichtlichen Erbschein (certificat d’heritier) nach französischem Recht, dessen Aussagen ebenfalls – widerleglich – als richtig vermutet werden und der ebenfalls öffentlichen Glauben genießt. Er wird überall in Frankreich akzeptiert und ersetzt die dort sonst erforderliche Offenkundigkeits- und Eigentumsbescheinigung (acte de notorieté), die freilich in Elsass-Lothringen ebenfalls anerkannt wird.

b) Notarielle Erbnachweise mit Gutglaubenswirkungen

Im übrigen Frankreich und in den Niederlanden kann der Erbe (wie auch der Erb- oder Universalvermächtnisnehmer (légataire universel) und der Erbteilsvermächtnisnehmer (légataire a titre universel) auf Antrag vom Notar eine Urkunde über seine Erbenstellung (acte de notoriété, verklaring van erfrecht) erhalten, die heute Gutglaubenswirkung entfaltet und in Frankreich sogar bis zum Gegenbeweis die Erbeneigenschaft belegt. Dem Notar sind dazu umfassende Unterlagen vorzulegen bzw. sind diese von ihm zu beschaffen. Ist die Erbfolge streitig, kann sie mittels einer Erbschaftsklage gerichtlich geklärt werden.

In Spanien kann der Erbe seine Erbenstellung bei testamentarischer Erbfolge durch eine beim Notar zu beantragende und von diesem zu errichtende escritura pública de aceptación y adjudicación de herencia nachweisen. Bei gesetzlicher Erbfolge durch den Ehegatten, Abkömmlinge oder Voreltern können diese zusammen mit zwei Zeugen beim Notar eine acta de notoriedad als Erbnachweis erlangen. Nur bei gesetzlicher Erbfolge durch entferntere Verwandte ist ein gerichtliches Verfahren zu durchlaufen, aufgrund dessen eine declaración de herederos ab intestato erstellt wird.

c) Privaturkunden

In Schweden und Finnland wird der Erbnachweis durch ein von allen Nachlassbeteiligten unter Hinzuziehung von zwei zuverlässigen Vertrauenspersonen aufzustellendes, auf Ehre und Gewissen zu versicherndes Nachlassverzeichnis erbracht, das die gesamte Nachlasssituation umfassend darstellt und dem Finanzamt als Grundlage für die Erbschaftsbesteuerung einzureichen ist (Erbschaftsannahme und ‑ausschlagung). Es vermittelt guten Glauben und reicht für den Nachweis der Erbenstellung grundsätzlich aus.

d) Sonderfall Italien

Das gemeine italienische Recht kennt keinen Erbschein; die Anforderungen an den Nachweis der Erbenstellung hängen vom Einzelfall ab. Faktisch wird die Erbeneigenschaft primär durch Vorlage der Urkunde mit der Erklärung über die Annahme der Erbschaft belegt. Für die Umschreibung von Immobilien muss die Erbeneigenschaft durch Vorlage aller für die Erbfolge relevanten Dokumente nachgewiesen werden (Art. 2648, 2660-2662 Codice civile). Ansonsten behilft sich die Praxis mit der Vorlage der Erbschaftsanzeige (dichiarazione di successione), die der Erbe bei der Agenzia delle Entrate abgeben muss und ohne deren Vorlage die Notare und anderen Amtspersonen keine Veräußerungsurkunden über im Erbwege erworbene Güter aufnehmen oder beglaubigen dürfen. Auch eine eidesstattliche Erklärung zweier Zeugen vor einem Notar über die Erbfolge (atto di notorietà) wird z.T. als Erbnachweis akzeptiert. Es gibt Bestrebungen einen notariellen Erbnachweis einzuführen.

e) Nationale Tendenzen

In den romanischen Ländern, die im Interesse der wahren Erben ursprünglich einem formalisierten Erbnachweis mit Gutglaubenswirkungen kritisch gegenüber standen, gibt es seit einigen Jahren ein Umdenken: Die Vorzüge eines solchen Erbnachweises für die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wurden erkannt und die gesetzlichen Vorschriften bereits in Frankreich, den Niederlanden und Spanien geändert.

3. Europäisches Vereinheitlichungsprojekt: Rom IV

Die grenzüberschreitende Anerkennung der unterschiedlichen nationalen Erbnachweise scheitert in Europa bisher zum einen daran, dass das internationale Erbrecht (Erbrecht, internationales) noch nicht vereinheitlicht ist und es daher hinsichtlich der Erbfolge keinen internationalen Entscheidungseinklang gibt. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass das Haager Nachlassverwaltungsabkommen von 1973, das einen grenzüberschreitenden Nachweis für Fremdverwalter des Nachlasses, etwa Testamentsvollstrecker, vorsieht, bisher kaum Erfolg hatte. Zum anderen wird die Verlässlichkeit der Erbnachweise aufgrund der sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Voraussetzungen für ihre Erteilung oft als nicht ausreichend eingeschätzt. Und schließlich bereiten die sehr unterschiedlichen dogmatischen Strukturen und Erbrechtsinstitute sowie die Abgrenzungen insbesondere zum Nachlassverfahrensrecht, Ehegüterrecht, Sachenrecht und Gesellschaftsrecht Anwendungsprobleme. Daher drängt die Praxis seit langem auf die Schaffung eines europäischen Erbscheins oder die Schaffung der Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Anerkennung der nationalen Erbnachweise.

In den Wiener Aktionsplan von 1998 wurde daraufhin das internationale Erbrecht aufgenommen. Als ersten Schritt hat das Deutsche Notarinstitut im Auftrag der Kommission in Zusammenarbeit mit Heinrich Dörner und Paul Lagarde im Jahre 2002 eine ausführliche rechtsvergleichende Studie zum internationalen Erb- und Nachlassverfahrensrecht mit Vorschlägen zu ihrer Harmonisierung sowie zur Schaffung eines europäischen Erbscheins vorgelegt. Auf der Basis dieser Studie hat die Kommission am 1.3.2005 ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht (KOM(2005) 65 endg.) vorgelegt, in dem insbesondere auch Fragen zur Ausgestaltung eines europäischen Erbscheins gestellt werden. Die eingegangenen Antworten begrüßen ganz überwiegend die Idee eines europäischen Erbscheins, so insbesondere auch das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 16.11.2006 mit Empfehlungen an die Kommission zum Erb- und Testamentrecht (A6-0359/2006 endg.). Die Kommission plant nunmehr, im Jahr 2009 einen ersten Entwurf für eine Rom IV-Verordnung über das internationale Nachlassverfahrensrecht, das internationale Erbrecht, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Erbsachen und den europäischen Erbschein vorzulegen (Erbrecht, internationales).

Literatur

Felix Odersky, Die Abwicklung deutsch-englischer Erbfälle, 2001; Deutsches Notarinstitut (Hg.), Internationals Erbrecht in der EU: Perspektiven einer Harmonisierung, 2004 (enthält u.a. die Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Zusammenarbeit mit Heinrich Dörner und Paul Lagarde); Markus Stögner, Alice Perscha, Verlassenschaftsverfahren in Österreich, Notarius International 2005, 113 ff.; Alfonso Renteria (Hg.), Manuel de Droit Privé et de Justice Préventive en Europe, 2007; Rembert Süß (Hg.), Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008.