Sortenschutz: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 29. September 2021, 08:39 Uhr

von Joseph Straus

1. Gegenstand und Zweck

Trotz einer Reihe von Eigentümlichkeiten, welche der Sortenschutz z.B. gegenüber dem Patentrecht aufweist, zählt er richtigerweise zu den Rechten des geistigen Eigentums. Anders als das Patentrecht, das generische, d.h. allgemein anwendbare technische Lehren schützt und spätestens seit der Einbeziehung der Biologie in den Technikbegriff (BGH 27.3.1969, BGHZ 52, 74) in Bezug auf die erfassten Gebiete der Technik als neutral bezeichnet werden kann, bezieht sich der Sortenschutz allein auf züchterische Leistungen im Bereich der Pflanzenzüchtung. Den Tierzüchtern steht er nicht zur Verfügung. Im Unterschied zu der im Patentrecht geschützten Erfindung, die vom Gesetzgeber bewusst nicht definiert wurde, legt der moderne Sortenschutzgesetzgeber den Schutzgegenstand, die Sorte, anhand einer Legaldefinition fest und verankert diese auch international. Nach Art. 1(vi) des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Üb) vom 2.12.1961 und, dem folgend, § 2 Nr. 1a SortSchG und Art. 5(2) Sortenschutz-VO, (VO 2001/‌94) ist unter dem Begriff „Sorte“ zu verstehen:

„Eine Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen, soweit aus diesen wieder vollständige Pflanzen gewonnen werden können, innerhalb eines bestimmten Taxons der untersten bekannten Rangstufe, die unabhängig davon, ob sie den Voraussetzungen für die Erteilung eines Sortenschutzes entspricht, a) durch die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergebende Ausprägung der Merkmale definiert, b) von jeder anderen Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen durch die Ausprägung mindestens eines dieser Merkmale unterschieden und c) hinsichtlich ihrer Eignung, unverändert vermehrt zu werden, als Einheit angesehen werden kann.“

Dadurch, dass die Definition auf die Gesamtheit, also eine Gruppe von Pflanzen oder Pflanzenteilen abstellt, die definiert wird durch die Ausprägung von Merkmalen, für die ein bestimmter Genotyp oder eine bestimmte Kombination von Genotypen verantwortlich ist, sich diese Pflanzengesamtheit durch die Ausprägung mindestens eines dieser Merkmale, die von dem bestimmenden Genotypen abhängt und bei der Vermehrung erhalten bleiben muss, von jeder anderen Pflanzengesamtheit unterscheidet, wird deutlich, dass sich der Sortenschutz nicht als eine Form des Sacheigentums begreifen lässt. Der Sortenschutz hat vielmehr die gesamte genetische Information, also das Genom der fraglichen „Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen“ zum Gegenstand. Er erfasst auch die Folgegenerationen solcher pflanzlichen Gesamtheiten, so lange deren durch den bestimmten Genotyp oder die bestimmte Kombination von Genotypen definierten Merkmale erhalten bleiben.

Das im Rahmen des Sortenschutzes gewährte Züchterrecht bezieht sich anders als das Patentrecht, das eine allgemein anwendbare und wiederholbare technische Lehre zum Gegenstand hat, jeweils ausdrücklich auf eine bestimmte Pflanzensorte, wobei der geschützte Gegenstand nicht in der Sache „Samen“, „Setzling“, „Steckling“, usw., als konkretes Vermehrungsmaterial zu erblicken ist, sondern in der Gesamtheit der für die wie auch immer definierte Pflanzensorte entscheidenden genetischen Informationen, die im Wege der Nachkommen weitergegeben werden.

Dank der Vererbungslehre von Gregor Mendel und dank auch den Fortschritten in der Pflanzengenetik, Pflanzenpathologie, Biochemie und Molekularbiologie konnte die Pflanzenzüchtung seit Anfang des 20. Jahrhunderts beachtliche Erfolge erzielen. Hybridzüchtung, Ploidie und Rückkreuzung ermöglichten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg beachtliche Steigerungen von Ernten und waren maßgeblich für die Überwindung von Ernährungsproblemen in einer Reihe von Ländern verantwortlich. Die spätere Entwicklung der Wissenschaft und Technik, die der Pflanzenzüchtung weitere neue Verfahren, wie Pflanzengewebkultur, Protoplastenfusion und Mikroinjektion bescherten, führten mit Hilfe der DNA-Technologie zum gezielten Gentransfer und letztlich zu transgenen herbizid-, pestizid-, oder insektenresistenten Pflanzen.

Der große finanzielle und zeitliche Aufwand, der für die Züchtung neuer Pflanzensorten notwendig ist, und die Leichtigkeit mit der man wegen der Selbstvermehrungsfähigkeit des biologischen Materials – Samen, Setzlinge, Stecklinge, usw. – ohne besonderen Schutz die Züchtungsergebnisse beliebig kostenlos verwerten kann, zeigten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit auf, für die Pflanzenzüchter einen wirksamen Schutz einzuführen. Versuche, Pflanzenzüchtungen in den Kreis der patentfähigen Gegenstände einzubeziehen, begegneten jedoch einer Reihe von Schwierigkeiten. Zum einen handelt es sich beim züchterischen Material um belebte Natur, zum anderen war es nicht möglich, den Züchtungsvorgang in der Patentanmeldung so vollständig und deutlich zu beschreiben, dass er nur auf der Grundlage der Beschreibung wiederholt werden könnte. Um dem abzuhelfen, verabschiedete eine Reihe europäischer Staaten besondere gesetzliche Regelungen zum Schutz von Pflanzensorten, die diesen Besonderheiten Rechnung getragen haben. Die Vorreiterrolle spielte die Tschechoslowakei mit dem Gesetz von 1921. Später folgten Frankreich (1922 und 1932), die Niederlande (1942), Österreich (1946) und die Bundesrepublik Deutschland (Saatgutgesetz von 1953). Dabei verfolgt der Gesetzgeber mit dem Sortenschutz primär das Ziel, die Züchter im Interesse der Landwirtschaft, einschließlich des Gartenbaus und der Forstwirtschaft zur Schaffung neuer, leistungsfähiger Sorten anzuregen.

Um den Patentschutz auch für Pflanzenzüchtungen, wenigstens teilweise zu öffnen, verabschiedete der US-Gesetzgeber 1930 das Plant Patent Act, mit dem unter geringeren Anforderungen an die wiederholbare Offenbarung, aber auch mit geringerem Schutzumfang Patentschutz für vegetativ vermehrbare Pflanzen eingeführt wurde. Obwohl das US-amerikanische Patentgesetz (35 U.S.C.) keine Ausschlussbestimmungen in Bezug auf Erfindungen von Pflanzen oder Pflanzensorten enthält, dauerte es bis 2001, bis der Supreme Court endgültig die Frage geklärt hat, dass Pflanzen generell als patentierbare Gegenstände nach 35 U.S.C. § 101 anzusehen sind (Supreme Court 10.12.2001, GRUR Int. 2002, 355). Das Gericht hat dabei insbesondere auch klargestellt, dass die Tatsache, dass es für vegetativ vermehrbare Pflanzen auch den Schutz nach den inzwischen in 35 U.S.C. integrierten Vorschriften des Plant Patent Act gibt und darüber hinaus seit 1978 generativ vermehrbare Pflanzen den besonderen Sortenschutz nach dem Plant Variety Protection Act genießen, nicht die Schlussfolgerung erlaubt, Pflanzen seien nach den allgemeinen Vorschriften des Patentgesetzes nicht patentierbar. Vielmehr stelle das Patentgesetz höhere Anforderungen an die Schutzfähigkeit, gewähre aber auch einen weitergehenden Schutz als die beiden anderen Schutzformen.

Obwohl höchstrichterlich nicht abgesichert, fingen auch einige Patentämter in Europa an, für Pflanzenzüchtungsverfahren und auch für Pflanzensorten Patente zu erteilen. So das Deutsche Reichspatentamt seit Mitte der 1930er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ähnliches galt für Belgien, Frankreich, Italien, Schweden und Ungarn, und außerhalb Europas für Japan. Hingegen waren keine Pflanzenpatente erhältlich z.B. in Dänemark, Griechenland, Norwegen und der Schweiz, die im Übrigen auch keinen Sortenschutz kannten. Die Erteilungspraxis des Deutschen Patentamts, das nach dem Zweiten Weltkrieg die Praxis des Reichspatentamtes fortführte, wurde von der Rechtsprechung (BPatG 16.10.1973, Bl. PMZ 1974, 203; BGH 6.7.1962, GRUR 1962, 577) nicht bestätigt. Die Gerichte sahen die Voraussetzung der ausreichenden Offenbarung allein anhand der schriftlichen Beschreibung als nicht erfüllt an. Eine Änderung dieser Rechtsprechung deutete sich erst an, nachdem der BGH in Ergänzung der schriftlichen Beschreibung die Hinterlegung von Mikroorganismen in öffentlich zugänglichen Hinterlegungsstellen auch für Produktpatente als ausreichend ansah (BGH 12.2.1987, BGHZ 100, 67; BGH 30.3.1993, GRUR 1993, 651).

2. Internationale Einbettung des Sortenschutzes

Die Rechtsunsicherheit, die in Bezug auf die Möglichkeit herrschte, Pflanzensorten mit Patenten zu schützen, und die unkoordinierte Entwicklung der besonderen Sortenschutzgesetzgebung in einigen europäischen Ländern machten das Bedürfnis nach einer internationalen Regelung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre des 20. Jahrhunderts deutlich. 1957 ergriff die französische Regierung die Initiative für eine solche Regelung, die dann unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und stark an den Grundsätzen des Saatgutgesetzes von 1953 orientiert, 1961 in Paris mit der Unterzeichnung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen zustande kam. Mit diesem Übereinkommen gründeten die Vertragsstaaten auch eine Union zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (Union pour la protection des obtentions végétales). Das Übereinkommen, das seither international allgemein als „UPOV-Übereinkommen“ bezeichnet wird (UPOV-Üb), wurde außerhalb der PVÜ angesiedelt, ist also kein Sonderabkommen i.S.d. Art. 19 PVÜ. Das UPOV-Üb stellt eine materiell-rechtliche Lösung der Probleme des Schutzes von Pflanzenzüchtungen dar, indem den Vertragsstaaten einheitliche Standards auferlegt werden in Bezug auf Schutzvoraussetzungen und deren Prüfung, sowie die Wirkungen und die Dauer des Schutzes des im Übereinkommen vorgesehenen Züchterrechts. Da die meisten Mitgliedsländer der PVÜ keinen Schutz von Pflanzenzüchtungen kannten, hätte die uneingeschränkte Anwendung des Inländerbehandlungsgrundsatzes aus Art. 2 PVÜ für die Vertragsstaaten des neuen Übereinkommens negative Folgen.

Die 1961 unterzeichnete Fassung des UPOV-Üb enthielt noch keine klare Definition des Sortenbegriffs. Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine neue, unterscheidbare, homogene und beständige Sorte (worunter auch Klone, Linien, Stämme und Hybriden fielen) handelt, die ihrer Art nach im Artenverzeichnis des Vertragsstaates aufgeführt sind, sah das Übereinkommen für Entdecker und Züchter solcher Sorten das ausschließliche Recht für die gewerbsmäßige Erzeugung und den gewerbsmäßigen Vertrieb des Vermehrungsmaterials der geschützten Sorte vor. UPOV-Üb sieht keinen Schutz von Züchtungsverfahren vor. Die Mindestschutzdauer betrug 15 Jahre, bei Reben, Obst-, Wald- und Zierbäumen 18 Jahre. Von den Schutzwirkungen nicht erfasst war das Konsumgut, sei es in Form von ganzen Pflanzen, sei es in Form von Pflanzenteilen, z.B. Früchten. Des Weiteren erstreckte sich die Wirkung auch nicht auf Erzeugung von Vermehrungsgut für den eigenen Betrieb – Anbau auf eigenem Feld – der Landwirte (Landwirteprivileg). Das UPOV-Üb 1961 kannte auch keine Abhängigkeit: Die Verwendung einer geschützten Sorte als Ausgangsmaterial zur Züchtung neuer Sorten, war zustimmungs- und vergütungsfrei, ebenso die Kommerzialisierung der daraus gezüchteten neuen Sorte (Züchterprivileg). Eine Ausnahme machte das Übereinkommen nur für die Fälle, in welchen das Ausgangsmaterial für die gewerbsmäßige Erzeugung einer anderen Sorte fortlaufend verwendet werden muss. Die Schutzvoraussetzungen werden im Felde geprüft (Anbauprüfung). Für die folgende nationale Rechtsentwicklung war von besonderer Bedeutung, dass das UPOV-Üb 1961 zwar jedem Verbandsstaat „das in diesem Übereinkommen vorgesehene Züchterrecht“ durch die Gewährung eines besonderen Schutzrechts oder eines Patents zuerkennen ließ, jedoch die Verbandsstaaten daran hinderte, beide Schutzformen für dieselbe botanische Gattung oder Art vorzusehen (Doppelschutzverbot).

Das UPOV-Üb ist 1978 erstmals revidiert worden. Den Mitgliedsländern wurde die Möglichkeit eingeräumt, den Inhalt des Züchterrechts dahin zu erweitern, dass davon auch das pflanzliche Endprodukt erfasst werden kann. Um den Beitritt der Vereinigten Staaten von Amerika, die Pflanzenzüchtungen sowohl mit Pflanzenpatenten als auch mit Sortenschutzrechten schützten, zu ermöglichen, wurde das Doppelschutzverbot durch eine auf USA zugeschnittene Vorschrift durchbrochen. Endgültig und vollständig aufgehoben wurde das Doppelschutzverbot im Zuge der großen Revision des Übereinkommens im Jahre 1991 (UPOV-Üb 1991). Außer der Festlegung des Sortenbegriffs in Art. 1(vi), wurde eine Reihe weiterer Neuerungen in das Übereinkommen eingeführt. Sie alle bringen den Sortenschutz näher an den Patentschutz heran. So sind die Vertragsparteien, die der Fassung von 1991 beitreten, verpflichtet, nach einer Frist von 10 Jahren Schutz für Sorten aller Pflanzengattungen und Arten zu gewährleisten. Wenn der Züchter keine angemessene Gelegenheit hatte, sein Recht in Bezug auf das Vermehrungsmaterial auszuüben, kann sich sein Recht auch auf das Erntegut oder bestimmte Erzeugnisse erstrecken (Art. 14(2) und (3) UPOV-Üb). Darüber hinaus erstreckt sich das Züchterrecht auch auf sog. im Wesentlichen von der geschützten Sorte abgeleiteten Sorten (Art. 14(5) UPOV-Üb). Zwar erlaubt es auch das UPOV-Üb 1991, das sog. Züchterprivileg vorzusehen, d.h. zu erlauben, dass geschützte Sorten zur Züchtung neuer Sorten frei verwendet werden und auch die Ergebnisse solcher Züchtung frei vermarktet werden dürfen, jedoch schränkt UPOV-Üb 1991 dieses Recht dahin ein, dass, wenn das Ergebnis solcher Weiterzüchtung eine im Wesentlichen abgeleitete Sorte ist, der Züchter von dem sog. Ursprungszüchter eine Erlaubnis zur Vermarktung bedarf (Art. 15 UPOV-Üb 1991). Auch das Landwirteprivileg ist weiterhin erlaubt, jedoch nur unter Beachtung der Züchterrechte und Bezahlung einer angemessenen Vergütung. Ohne den Begriff „Zwangslizenz“ zu verwenden, räumt das Übereinkommen den Vertragsparteien das Recht ein, aus Gründen des öffentlichen Interesses das Züchterrecht zu beschränken und Dritten, gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Züchter, zu erlauben, Handlungen vorzunehmen, die der Zustimmung des Züchters bedürften (Art. 17 UPOV-Üb). Die Schutzdauer wurde auf mindestens 20 Jahre, bei Bäumen und Reben mindestens 25 Jahre ab Erteilung des Züchterrechts verlängert (Art. 19 UPOV-Üb). Das UPOV-Üb schreibt auch zwingend vor, dass jede Sorte mit einer Sortenbezeichnung als Gattungsbezeichnung zu kennzeichnen ist (Art. 20 UPOV-Üb). Die Sortenbezeichnung dient der Identifizierung der Sorte. Damit entstehen nicht nur Probleme mit der Unterscheidbarkeit unter einzelnen Sortenbezeichnungen, sondern kommt es auch zu Konflikten im Verhältnis zu Marken. Nach § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 4 des deutschen Markengesetzes stellt eine ältere Sortenbezeichnung ein relatives Schutzhindernis (Löschungsgrund) dar.

Nach sehr zögerlicher Entwicklung der Mitgliedschaft, zählt die UPOV nach mehr als 45-jährigem Bestehen 67 Mitgliedstaaten (2009), wobei die wachsende Anzahl der Mitgliedstaaten in erster Linie im Zusammenhang mit der Verpflichtung der WTO-Mitglieder zu sehen ist, nach Art. 27(3)(b) TRIPS für neue Pflanzensorten den Patentschutz oder einen wirksamen Schutz sui generis, oder eine Kombination der beiden vorzusehen.

3. Gemeinschaftlicher Sortenschutz

Mit VO 2100/‌94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz hat die Europäische Gemeinschaft 1994 einen gemeinschaftlichen Sortenschutz als einzige und ausschließliche Form des gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutzes für Pflanzensorten geschaffen (Art. 2 VO 2100/‌94). Trotz des Anspruchs auf Exklusivität lässt die VO 2100/‌94 das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, nationale Schutzrechte für Sorten weiterhin zu erteilen. Dies allerdings mit der Einschränkung, dass die Sorten, die Gegenstand eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind, weder Gegenstand eines nationalen Sortenschutzes noch eines Patents für die betreffende Sorten sein können. Gegen dieses Doppelschutzverbot erteilte Schutzrechte entfalten keine Wirkung (Art. 3 i.V.m. Art. 92 VO 2100/‌‌94). Die VO folgt, was die Schutzvoraussetzungen und die Schutzwirkungen angeht, den Vorgaben des UPOV Üb 1991. Dabei ist die Schutzdauer allgemein auf 25 Jahre, bei Sorten von Reben und Baumarten auf 30 Jahre, gerechnet von dem auf die Erteilung folgenden Kalenderjahr, festgelegt. Auf Vorschlag der Kommission kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit die Schutzdauer für be-stimmte Gattungen und Arten bis zu weiteren 5 Jahren verlängern (Art. 19 (1) und (2) VO 2100/‌‌94).

Die VO 2100/‌94 folgt nicht nur den Grundsätzen der Regelung des UPOV Üb 1991, sondern auch den Regelungen des TRIPS Übereinkommens und des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Sie hält an dem Doppelschutzverbot fest, in dem in den Erwägungsgründen klar gestellt wird, dass nach dem EPÜ nur Pflanzensorten als solche von der Patentierung ausgeschlossen sind. Das sog. Landwirteprivileg sieht die VO 2100/‌94 lediglich für Futterpflanzen, Getreide, Kartoffeln und Öl- sowie Faserpflanzen vor, wobei, mit Ausnahme der Kleinlandwirte, die Landwirte verpflichtet sind, bei Verwendung des Erntegutes für die nächste Aussaat an den Sortenschutzinhaber eine angemessene Entschädigung zu zahlen, "die deutlich niedriger sein muss als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorten in Lizenz verlangt wird" (Art. 14 VO 2100/‌‌94).

Mit der VO 2100/‌94 ist das Gemeinschaftssortenamt mit Sitz in Angers/‌Frankreich gegründet worden, dessen Organe der Verwaltungsrat, der Präsident und die Beschwerdekammern sind. Das Amt führt die Formalprüfung des Antrages durch. Die sachliche Prüfung, d.h. die Prüfung der Schutzvoraussetzungen im Anbauversuch, führen hingegen nationale Sortenämter der Mitgliedstaaten durch. Auf Antrag eines Mitgliedstaates, der Kommission oder einer auf Gemeinschaftsebene arbeitenden und bei der Kommission registrierten Organisation kann das Gemeinschaftssortenamt aus Gründen des öffentlichen Interesses eine Zwangslizenz entweder einer Gruppe von Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, oder einem Einzelnen innerhalb eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder gemeinschaftsweit zu angemessenen Bedingungen gewähren. Zum letzteren zählt auch die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr als geeignete Vergütung an den Inhaber des Züchterrechts. Aus Gründen des öffentlichen Interesses kann das Amt darüber hinaus Zwangslizenzen auf Antrag des Inhabers einer im Wesentlichen abgeleiteten Sorte gegen Zahlung einer angemessenen Gebühr an den Inhaber der Ursprungssorte gewähren (Art. 29(1)-(5) VO 2100/‌‌94). Schließlich erteilt das Amt gegen Zahlung einer angemessenen Gebühr Zwangslizenzen auch dem Inhaber eines Patents für eine biotechnologische Erfindung für die nicht ausschließliche Nutzung einer geschützten Pflanzensorten nach Art. 12(1) der RL 98/‌44, vorausgesetzt, der Patentinhaber weist nach, dass er vergeblich um Erteilung einer vertraglichen Lizenz ersucht hatte und die Erfindung einen bedeutenden technischen Fortschritt von erheblichem wirtschaftlichen Interesse gegenüber der geschützten Pflanzensorte darstellt. Wurde einem Inhaber eines Gemeinschaftszüchterrechts eine Zwangslizenz gemäß Art. 12(1) der RL 98/‌44 für die nicht ausschließliche Nutzung einer patentierten Erfindung erteilt, damit er in der Lage ist, sein gemeinschaftliches Sortenschutzrecht zu erwerben oder zu verwerten, so wird das Amt auf Antrag zu angemessenen Bedingungen eine nicht ausschließliche gegenseitige Zwangslizenz zur Verwertung der Sorte erteilen (Art. 29(5a) VO 2100/‌94). Gegen die Entscheidungen des Amtes ist Beschwerde zu den Beschwerdekammern möglich, die innerhalb von zwei Monaten einzureichen ist. Sowohl die Entscheidungen der Beschwerdekammern als auch die des Amtes sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung mit der Klage beim Europäischen Gerichtshof anfechtbar. Die Klage ist nur zulässig wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EGV oder der VO 2100/‌94 selbst, oder einer auf ihrer Grundlage erlassenen Durchführungsnorm, schließlich wegen Ermessensmissbrauch (Art. 73(1) und (2) VO 2100/‌94). Für Entscheidungen über die Verletzung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind Gerichte der Mitgliedstaaten nach den Regeln des Luganer Übereinkommens international zuständig (Art. 101 VO 2100/‌94).

Literatur

Peter Lange, Die Natur des Züchterrechts (Sortenschutzrecht) in Abgrenzung zur patentfähigen Erfindung, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 1985, 88 ff.; Joseph Straus, Das Verhältnis von Sortenschutz und Patentschutz für biotechnologische Erfindungen in internationaler Sicht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International 1987, 333 ff.; Hans Neumeier, Sortenschutz und/‌oder Patentschutz für Pflanzenzüchtungen, 1990; Barry Greengras, The 1991 Act of the UPOV Convention, European Intellectual Property Review 1991, 466 ff.; Noel Byrne, Commentary on the Substantive Law of the 1991 UPOV-Convention for the Protection of Plant Varieties, 1991; Joseph Straus, Der Schutz biotechnologischer Erfindungen, insbesondere von Pflanzenzüchtungen, in: Friedrich-Karl Beier, Alfons Kraft, Gerhard Schricker, Elmar Wadle (Hg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. I, 1991, 363 ff.; Rudolf Teschemacher, Die Schnittstelle zwischen Patent- und Sortenschutz nach der Revision des UPOV Übereinkommens, in: Festschrift für Rudolf Nirk, 1992, 1005 ff.; Joseph Straus, Pflanzenpatente und Sortenschutz – Friedliche Co-Existenz, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1993, 794 ff.; Franz Wuesthoff, Herbert Leßmann, Gert Würtenberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Sortenschutz, 1999; Alfred Keukenschrijver, Sortenschutzgesetz unter Berücksichtigung der Verordnung No. 2100/‌94 (EG) des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, 2001; Michael A. Kock, Susann Porzig, Eva Willnegger, Der Schutz von pflanzenbiotechnologischen Erfindungen und von Pflanzensorten unter Berücksichtigung der Umsetzung der Biopatentrichtlinie, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2005, 183 ff.; Margaret Llewelyn, Mike Adcock, European Plant Intellectual Property, 2006.

Abgerufen von Sortenschutz – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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