Widerrufsrecht: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. August 2021, 18:08 Uhr
von Peter Mankowski
1. Zweck
Ein Widerrufsrecht gewährt dem Verbraucher eine nachlaufende Bedenkfrist, eine cooling-off period. Der Verbraucher (Verbraucher und Verbraucherschutz) soll ohne Beeinflussung durch den Unternehmer bedenken können, ob er den geschlossenen Vertrag überhaupt noch will. Er soll in vielerlei Hinsicht nachholen können, was ihm vor Vertragsschluss faktisch oft nicht möglich war. Er soll sich aus einer Überrumpelung lösen können; er soll im Fernabsatz die Leistung des Unternehmers prüfen können; er soll bei komplexen Verträgen (z.B. Verbraucherkreditverträgen) den Vertragsinhalt genau studieren und nach seinem Belieben Konditionenvergleiche im Markt anstellen können; er soll klaren Kopf gewinnen können, ob er bei nochmaligem Bedenken überhaupt noch ein Bedürfnis für den Vertragsabschluss sieht.
2. Verbreitung und Ausgestaltung
Das Widerrufsrecht ist eines der drei charakteristischen Instrumente des modernen Verbrauchervertragsrechts neben Informationspflichten und (halb‑)zwingender Ausgestaltung. Es begegnet allerdings nicht bei jedem der europäischen Teilregimes des Verbraucherschutzrechts und verfolgt, wo es auftritt, unterschiedliche Zwecke. Vor Überrumpelung schützt es bei Haustürgeschäften (Art. 5 Haustürgeschäftewiderrufs-RL [RL 85/577]), vor den Gefahren, die angebotene Leistung nicht ansehen zu können, beim Fernabsatz (Art. 6 Fernabsatz-RL [RL 97/7]; Art. 6 Fernabsatz von Finanzdienstleistungen-RL [RL 2002/ 65]), vor komplexen Vertragsgestaltungen beim Verbraucherkredit (Art. 14 novellierte Verbraucherkredit-RL [RL 2008/48]) und beim Teilzeitwohnrechten (Art. 5 Teilzeitwohnrechte-RL [RL 94/47]) . Erstmals trat es auf der europäischen Ebene beim Haustürgeschäft auf, die jüngste Erweiterung bei den Anwendungsfeldern war jene beim Verbraucherkredit (Verbraucherkredit (Regelungsgrundsätze)) durch die Novelle der Verbraucherkredit-RL (Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft). Auf diesem Feld stand es zuvor den nationalen Gesetzgebern offen, ein Widerrufsrecht einzuführen, wovon insbesondere Deutschland Gebrauch gemacht hatte. Kein Widerrufsrecht gibt es beim Verbrauchsgüterkauf und bei Pauschalreisen. Das Widerrufsrecht ist also nur typischer, aber eben nicht notwendiger Baustein der einzelnen Verbraucherschutzregimes.
Im Detail können sich zwischen den einzelnen Regimes Unterschiede ergeben. Dies gilt namentlich für die Ausnahmen, für den Beginn und auch für die Länge der Widerrufsfrist. Es gibt kein einheitliches europäisches Modell, das alle Teilregimes überwölben würde. Die Grundcharakteristika und die Grundkonstruktion sind gemeinsam, die Einzelheiten können abweichen. Die einzelnen Widerrufsrechte unterscheiden sich auch, je nachdem wie weit die gemeinschaftsrechtliche Regelung reicht, beim Zusammenspiel zwischen Gemeinschaftsrecht und lückenfüllendem nationalem Recht. Soweit Vollharmonisierung herrscht (bisher in der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und in der novellierten Verbraucherkredit-RL), besitzt der nationale Gesetzgeber keinen Spielraum und darf allenfalls dort Ergänzungen vornehmen, wo das Gemeinschaftsrecht Details nicht regelt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber strebt indes eine Vereinheitlichung an. Seit Oktober 2008 existiert ein Vorschlag der Kommission für eine Verbraucherrechte-RL (KOM (2008) 614/4), der sich intensiv um eine detaillierte und einheitliche Regelung bemüht. Die Frist würde nach Art. 12(1) des Vorschlags vierzehn Tage grundsätzlich ab Unterzeichnung des Bestellformulars laufen.
3. Rechtslage während des Laufs der Widerrufsfrist
Während die Widerrufsfrist läuft, sind Fernabsatzverträge schwebend wirksam. Alles andere liefe gerade dem Zweck des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts zuwider. Denn dieses bezweckt, dem Verbraucher eine Überprüfung der bei Vertragsabschluss im Fernabsatz für ihn noch nicht greifbaren Leistung des Unternehmers zu ermöglichen. Damit der Verbraucher aber die Leistung des Unternehmers abrufen kann, bedarf er eines Erfüllungsanspruchs, und dieser folgt nur aus einem (schwebend) wirksamen Vertrag. Anders verhält es sich dagegen beim haustürgeschäfterechtlichen Widerrufsrecht. Dieses soll den Verbraucher vor Überrumpelung schützen. Ein solcher Schutz wäre aber unvollkommen, wenn der Unternehmer während der Widerrufsfrist bereits Zahlungsansprüche gegen den Verbraucher hätte.
Bei Haustürgeschäften und Teilzeitwohnrechteverträgen ist dagegen schwebende Unwirksamkeit die angemessene Rechtsfolge. Nur sie verhindert rechtlich, dass der Anbieter Entgeltforderungen geltend machen kann. Bei Verbraucherkreditverträgen würde schwebende Unwirksamkeit den Lauf von Zinspflichten vor Ablauf der Widerrufsfrist bewirken. Schwebende Unwirksamkeit ist das für die Verbraucher günstigste Modell und fördert den effet utile des Widerrufsrechts am stärksten. Jedoch macht das Gemeinschaftsrecht den nationalen Gesetzgebern insoweit keine expliziten Vorgaben. Die nationalen Gesetzgeber können durchaus von dem Idealmodell abweichen und etwa schwebende Wirksamkeit vorsehen. Das Spektrum von Rechtsfolgen während laufender Widerrufsfrist reicht in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen von schwebender Wirksamkeit über Nichtdurchsetzbarkeit und schwebende Unwirksamkeit bis zur Nichtigkeit des Vertrages und durchläuft so alle denkbaren Spielarten. Die Nichtigkeitssanktion folgt im Rahmen dieses Spektrums auf eine Nichterfüllung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung. Art. 12(4) Vorschlag Verbraucherrechte-RL erlegt den Mitgliedstaaten auf, den Vertragsparteien nicht zu verbieten, ihren Verpflichtungen während der Widerrufsfrist nachzukommen.
4. Pflicht des Unternehmers zur Belehrung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht
Der Unternehmer hat den Verbraucher über das Bestehen dieses Widerrufsrechts und dessen Folgen zu belehren. Tut er dies nicht oder nur fehlerhaft oder unvollständig, so beginnt keine Widerrufsfrist zu laufen, und der Verbraucher hat vorbehaltlich abweichender Spezialregelungen grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht. Das Widerrufsrecht wäre nicht effektiv und nichts wert, wenn der Verbraucher nichts von ihm wüsste. Genau diese Gefahr bestünde aber ohne die Pflicht zur Belehrung. Denn ansonsten würde man den nicht informierten Verbraucher entweder mit einem ihm nicht bekannten Recht ausstatten (dessen Ausübungswahrscheinlichkeit gegen Null ginge und das den Unternehmer deshalb kaum schrecken würde), oder man würde den Verbraucher entgegen seinem durchaus rationalen Desinteresse zwingen, in Informationen über Recht zu investieren. Letzteres würde sich für den Verbraucher kaum je amortisieren. Die Belehrungsobliegenheit ist das perfekte Instrument, um eine Informationsasymmetrie auszugleichen: Die informierte Partei muss die Information, deren Erwerb für sie mit geringen Einmalkosten verbunden ist, zu vernachlässigenswert kleinen Informationskosten und mit erheblichen Rationalisierungsmöglichkeiten der nicht informierten Partei zukommen lassen. Informationsausgleich beseitigt Informationsasymmetrie. Den nötigen Anreiz für den Unternehmer, seiner Informationspflicht nachzukommen, liefert keine Schadensersatzpflicht, sondern vielmehr das Vermeiden von Unsicherheit, die ansonsten über das endgültige Schicksal des Vertrages drohen würde. Der Unternehmer wird belohnt, indem er bei ordentlicher Belehrung mit Ablauf der Widerrufsfrist seines mit dem konkreten Vertrag erzielten Umsatzes und insbesondere seines Vertragsgewinns sicher sein kann. Der Unternehmer wird bestraft, indem die Frist gar nicht erst zu laufen beginnt und damit das Widerrufsrecht gleichsam unbefristet besteht (EuGH Rs. C-481/99 – Heininger, Slg. 2001, I-9945). Allerdings kann der Unternehmer die Belehrung auch später noch nachholen und so den Lauf einer gegebenenfalls verlängerten Frist in Gang setzen.
In der Praxis zeigen sich die meisten Probleme bei der Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist. Insbesondere wenn mehrere Regimes sich überschneiden, kann es für Unternehmen schwierig sein, eine korrekte Belehrung zu erteilen. Teilweise bereitet auch die richtige Formulierung Schwierigkeiten, namentlich inwieweit der Tag, an welchem der Verbraucher die Widerrufsbelehrung hält, schon der erste Tag der laufenden Frist ist oder ob die Frist erst am Tag danach zu laufen beginnt. Schon ein Fehler in einem Punkt infiziert die ganze Belehrung und macht sie zu einer unrichtigen Belehrung.
Laut Art. 13 Vorschlag Verbraucherrechte-RL soll die Frist bei fehlender Widerrufsbelehrung drei Monate ab dem Zeitpunkt betragen, zu welchem der Unternehmer seinen anderen vertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachgekommen ist.
5. Ausübungsmodalitäten
Die Ausübung des Widerrufsrechts bedarf keiner Begründung. Dies leuchtet schon deshalb ein, weil der Verbraucher eben keine Rechenschaft über seine Motive ablegen soll. Zudem erleichtert die fehlende Begründungspflicht die Ausübung und macht das Widerrufsrecht damit effektiver, weil sie die Hürden vor der Ausübung abbaut.
Gleiches gilt für die Form der Ausübung. Gefordert ist allein eine Dokumentation durch Widerruf auf einem dauerhaften Datenträger, also in Schriftzeichen und speicherbar. Auch ein Widerruf durch Rücksendung der Ware manifestiert sich nach außen, auch wenn insoweit die Abgrenzung gegenüber der Mängelrüge und einer Aufforderung zur Nachbesserung oder zum Austausch schwieriger sein kann. Der rein mündliche Widerruf, auch per Telefon, reicht dagegen nicht, weil er mangels Dokumentation zu großes Streitpotenzial bergen und dem Unternehmer zu leicht die Ausflucht erlauben würde, der Verbraucher habe ja nicht widerrufen.
Komplexestes Moment ist die Widerrufsfrist. Sie beginnt grundsätzlich mit dem Erhalt einer inhaltlich korrekten Widerrufsbelehrung. Allerdings kann dies überlagert sein durch weitere Momente, insbesondere im Fernabsatzrecht, dass der Unternehmer die ihn treffenden Informationsobliegenheiten jenseits der eigentlichen Widerrufsbelehrung erfüllt. Zudem kann der Fristbeginn in einzelnen Bereichen variieren, wiederum insbesondere im Fernabsatzrecht, dessen Schutzzweck gebietet, die Frist nicht beginnen zu lassen, bevor der Verbraucher die angebotene Leistung nicht kontrollieren kann. Art. 14 Vorschlag i.V.m. Anhang I Teil B Verbraucherrechte-RL will ein Standard-Widerrufsformular als Option einführen, bei Fernabsatzverträgen im Internet auch als Maske auf der Website des Unternehmers.
Der Widerruf darf für den Verbraucher nicht mit besonderen Kosten verbunden sein. Besondere Kosten oder „Gebühren“ würden den Verbraucher davon abhalten können, sein Widerrufsrecht auszuüben. Solche Abschreckungseffekte würden die Effektivität des Widerrufsrechts massiv beeinträchtigen. Vertragsklauseln, welche dem Verbraucher etwa eine pauschale „Vertragsbearbeitungsgebühr“ für den Widerrufsfall auferlegen wollen, sind daher unwirksam.
6. Freie Ausübung des Widerrufsrechts
Der Verbraucher kann das Widerrufsrecht nach seinem Belieben ausüben. Er unterliegt dabei keinen Einschränkungen. Insbesondere bedarf es keiner Prüfung, dass der jeweils einschlägige Schutzzweck konkret wirklich vorlag, denn die Schutzbedürftigkeit wird abstrakt und unwiderleglich vermutet. Daher kann ein Verbraucher ein Widerrufsrecht auch ausüben, um auf Mängel einer Ware zu reagieren. Verbraucherschützende Widerrufsrechte bestehen neben eventuellen Mängelgewährleistungsrechten und konkurrieren mit diesen. Für den Unternehmer ist dies nicht unfair, denn er kann abstrakt ersehen, ob seine Verträge von einer Kategorie erfasst sind, für die ein Widerrufsrecht besteht. Damit kann er Rationalisierungspotenziale realisieren. Die abstrakte Regelung mag überschießende Momente enthalten, sie ist aber für den Unternehmer im Ergebnis billiger, als es eine konkrete Prüfung in jedem Einzelfall wäre. Der Nachweis konkret fehlender Schutzbedürftigkeit wäre mit unnötig hohen Kosten verbunden. Müsste umgekehrt der Verbraucher seine konkrete Schutzbedürftigkeit nachweisen, so würde dies prohibitiv wirken und jeglichen Schutzzweck desavouieren.
7. Rechtsfolgen eines Widerrufs
Wird das Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, erfolgt also ein frist- und formgerechter Widerruf, so ist die Vertragserklärung des Verbrauchers endgültig unwirksam. Mit ihr fällt zugleich der Vertrag, denn der Vertrag setzt je eine wirksame Vertragserklärung jeder Partei voraus. Leistungen, die unter dem jetzt unwirksam gewordenen Vertrag erbracht wurden, sind zurückzugewähren. Vorbehaltlich besonderer Vorgaben steht es den nationalen Gesetzgebern frei, ob sie als Rückabwicklungsmodus – soweit vorhanden – ihr nationales Rücktrittsfolgenrecht oder – wiederum soweit vorhanden – ihr nationales Bereicherungsrecht heranziehen oder ob sie ein eigenes Rückabwicklungsregime spezifisch für die Lage nach einem Widerruf entwickeln (Rückabwicklung von Verträgen); dies steht allein unter dem Vorbehalt, dass effet utile und Zwecksetzung des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben (EuGH Rs. C-350/03 – Schulte, Slg. 2005, I-9215). Eine besondere und detaillierte Vorgabe einschließlich Verzinsungspflichten und eines Ausschlusses von Vorfälligkeitsentschädigungen enthält Art. 14(3)(b) novellierte Verbraucherkredit-RL. Der Regelung von Rücksendungspflicht und Wertverlusthaftung des Verbrauchers widmet sich Art. 17 Vorschlag Verbraucherrechte-RL.
8. Rechtstatsächliche Wahrscheinlichkeit der Ausübung
Das Widerrufsrecht ist im Wesentlichen eine force in being. Seine Existenz allein hat disziplinierende Wirkung für seriöse Unternehmer. Unseriöse Unternehmer wiederum lassen sich von ihm gemeinhin nicht schrecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Widerrufsrecht tatsächlich ausgeübt wird, ist außerhalb des Fernabsatzes sehr klein und bewegt sich unter 5 % aller betroffenen Verträge. Im Fernabsatz soll es dagegen Bereiche geben, in denen die Widerrufsquote 20-30 % erreicht. Allein wegen der betroffenen Volumina ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem Widerruf ein Streit um die Rückabwicklung nachfolgt, bei Verbraucherkreditverträgen am größten; häufig geht es dabei auch um verbundene Geschäfte, insbesondere Immobilienfinanzierungen.
9. Ausnahmen
Die einzelnen Regimes, die ein Widerrufsrecht anordnen, enthalten häufig zugleich Ausnahmen vom Widerrufsrecht. In Ausnahmen können sich politische Kompromisse niederschlagen, die Besorgnisse der jeweiligen Branche aufgreifen, in Ausnahmen können sich aber auch Besonderheiten des jeweiligen Bereichs abbilden. Letzteres gilt namentlich für die meisten Ausnahmen im Fernabsatzrecht, die etwa auf dem Informationsparadox beruht, dass man eine Information nicht zurückgeben kann.
Teilweise begegnen fragwürdige Ausnahmen für einzelne, besonders lobbystarke Zweige, namentlich im Fernabsatzrecht. Art. 6(3) 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RL z.B. erlaubt einen Ausschluss des Widerrufsrechts durch Vereinbarung der Parteien bei Fernabsatzgeschäften über Dienstleistungen unabhängig von der Erfüllung der unternehmerseitigen Informationsobliegenheiten, sobald der Unternehmer begonnen hat, die geschuldete Dienstleistung auszuführen, und der Verbraucher dem ausdrücklich zustimmt oder es sogar veranlasst hat. Mit der ratio des Fernabsatzrechts, dass der Verbraucher die bei Vertragsschluss nicht präsente Leistung soll anfordern und begutachten können, passt ein Verlust des Widerrufsrechts bei Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs allerdings nicht zusammen. Ebenso kennt das Fernabsatzrecht Ausnahmen für Wetten und Lotteriedienste. Begründet wird dies damit, dass Verbraucher nicht auf Kosten der Anbieter sollen risikolos spekulieren können. Gerade diese Branchen haben sich indes als besonders aggressiv und gefährlich für Verbraucher erwiesen.
Auch Ausnahmen für Bagatellfälle, in denen eine Rückabwicklung wegen Missverhältnisses von Aufwand und Ertrag ineffizient wäre, kommen vor, insbesondere als Option für die nationalen Gesetzgeber in Art. 3(1) Haustürgeschäftewiderrufs-RL.
Der Katalog von Ausnahmetatbeständen soll in Art. 19, 20 Vorschlag Verbraucherrechte-RL konsolidiert werden, ohne dass dabei größere inhaltliche Änderungen erfolgen würden.
10. Erlöschenstatbestände
Die Mitgliedstaaten können je nach Regelungsdichte des jeweils einschlägigen Richtlinienregimes Regelungsspielräume für spezielle Erlöschenstatbestände haben. Dies gilt insbesondere für ein Erlöschen als Folge vollständiger Erfüllung der beiderseitigen Verpflichtungen (EuGH Rs. C-412/06 – Hamilton, Slg. 2008, I-2383). Fristablauf ist nicht der einzige denkbare Erlöschenstatbestand. Indes verschieben sich die Gewichte, je stärker eine Vollharmonisierung erfolgt. Bei Vollharmonisierung lässt das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht keinen Spielraum für eigenständige Erlöschenstatbestände. Art. 6(2)(c) Fernabsatz von Finanzdienstleistungen-RL z.B. lässt ein Widerrufsrecht erlöschen, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers bereits vor Ausübung des Widerrufsrechts voll erfüllt wird.
11. Größerer Anwendungsbereich kraft mitgliedstaatlichen Rechts
Sofern das einschlägige Richtlinienregime keine Vollharmonisierung bezweckt, steht den Mitgliedstaaten ausweislich Öffnungsklauseln frei, Widerrufsrechte auch für Sachverhalte einzuführen, für die kraft Richtlinie kein Widerrufsrecht besteht. Dies kann namentlich im Bereich verbundener Geschäfte Bedeutung gewinnen, aber auch, wenn Ausnahmen einzelner Regimes auf nationaler Ebene politisch neu bewertet und nicht übernommen oder später aufgehoben werden (z.B. für Lotterien und Gewinnspiele im Fernabsatz). Aus deutscher Sicht war das autonome Widerrufsrecht für Verbraucherkreditverträge (bis zur Umsetzung der novellierten Verbraucherkredit-RL) der wichtigste Anwendungsfall.
Literatur
Janko Büßer, Das Widerrufsrecht des Verbrauchers, 2001; Susanne Kalss, Brigitta Lurger, Rücktrittsrechte, 2001; Nikolaj Fischer, Das allgemeine verbraucherschützende Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB, 2003; Peter Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003; Hannes Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004; Marco B.M. Loos, The case for a uniform and efficient right of withdrawal from consumer contracts in European Contract Law, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2007) 5 ff.; Georg Borges, Bernd Irlenbusch, Fairness Crowded Out by Law: An Experimental Study on Withdrawal Rights, Journal of Institutional and Theoretical Economics 163 (2007) 84 ff.; Werner Güth, Georg von Wangenheim, Fairness Crowded Out by Law: An Experimental Study on Withdrawal Rights Comment, Journal of Institutional and Theoretical Economics 163 (2007) 102 ff.; Bettina Rockenbach, Fairness Crowded Out by Law: An Experimental Study on Withdrawal Rights Comment, Journal of Institutional and Theoretical Economics 163 (2007) 106 ff.; Evelyne Terryn, Bedenktijden in het consumentenrecht, 2008.