Vertragsschluss und Vertragsstrafe: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Begriff und Systematik ==
== 1. Gegenstand und Zweck der Vertragsstrafe ==
Der Vertragsschluss begründet den [[Vertrag]] zwischen zwei oder mehreren Parteien. In ihm manifestiert sich die Willensübereinstimmung der Parteien, deren zentrale Elemente heute in allen europäischen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerken Angebot und Annahme sind.
Unter der Vertragsstrafe versteht man das Versprechen eines Schuldners gegenüber seinem Gläubiger, dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung einer Verpflichtung oder der nicht vertragsgemäßen [[Erfüllung und ihre Surrogate|Erfüllung]] (insbesondere also der zu späten Leistung, aber auch bei sonstiger nicht gehöriger Erfüllung) eine vorab bestimmte Zahlung zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob dem Gläubiger durch die Nichterfüllung ein entsprechender Schaden entstanden ist.  


Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] regelt den Vertragsschluss in der Rechtsgeschäftslehre des [[Allgemeiner Teil|Allgemeinen Teils]]. Angebot und Annahme sind lediglich ein Unterfall der Willenserklärung, so dass neben den spezifischen Regelungen zum Vertragsschluss die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen zur Anwendung kommen. Dem folgt der polnische ''Kodeks cywilny'' ([[Polnisches Zivilgesetzbuch|Polnisches ZGB]]). Der portugiesische ''Código civil'' und das niederländische ''[[Burgerlijk Wetboek]]'' regeln zwar den Vertragsschluss als solchen im allgemeinen Schuldrecht, doch gelten für Angebot und Annahme zahlreiche Vorschriften der ebenfalls in einem Allgemeinen Teil enthaltenen Rechtsgeschäftslehre. Das [[Schweizerisches Obligationenrecht|schweizerische OR]] verortet Vertragsschluss und Rechtsgeschäftslehre im allgemeinen Schuldrecht.
Regelungen zur Vertragsstrafe verfolgen im Grundsatz zwei voneinander abzugrenzende Zwecke: Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe kann einerseits dazu dienen, Druck auf den Schuldner einer Verpflichtung auszuüben, damit diese tatsächlich erfüllt bzw. der Schuldner von einer Pflichtverletzung abgeschreckt wird. Der besondere Erfüllungsdruck kann dabei sowohl durch die Vereinbarung eines Betrages entstehen, der über dem erwarteten Schaden liegt, als auch dadurch, dass dem Schuldner eine konkrete Haftungssumme vor Augen steht. Die Vertragsstrafe hat in dieser Ausprägung also eine präventive Funktion. Als Druckmittel stellt sie das Gegenstück zur Belohnung dar.  


Die älteren, naturrechtlich geprägten [[Kodifikation]]en, allen voran der französische ''[[Code civil]]'' (1804) und ihm folgend ursprünglich auch der belgische ''Code civil'', der erste italienische ''[[Codice civile]]'' (1865) sowie der spanische ''[[Código civil]]'' (1889), aber auch das österreichische [[Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch|ABGB]] (1811) kannten weder eine Rechtsgeschäftslehre als solche, die im Wesentlichen ein Produkt der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts ist, noch enthielten sie Regelungen zum Vertragsschluss. Während das italienische, spanische und österreichische Recht die Lehre von Angebot und Annahme im Zuge von Reformierungen in ihre Kodifikationen aufnahmen, enthalten der französische und belgische ''Code civil'' bis heute keine Vorschriften zum Vertragsschluss (Art. 1108 frz. ''Code civil'' nennt lediglich die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Vertrags). Die entsprechenden Regeln wurden vielmehr durch die Rechtsprechung entwickelt.
Die Vertragsstrafe kann andererseits dazu dienen, dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung einer Verpflichtung den Nachweis des Schadenseintritts und/oder der genauen Höhe des Schadens zu erleichtern bzw. ganz abzunehmen. Das ist insbesondere in Fällen von Interesse, in denen die Beweisführung erschwert ist, wie bei der Verzögerung der Leistung, Wettbewerbsverstößen oder dem Vertragsbruch von Führungskräften, z.B. wenn diese, da sie selbst vor einem Unternehmenswechsel stehen, Mitarbeiter im eigenen Unternehmen zum Firmenwechsel animieren. Es wird also der Zweck verfolgt, für den Fall einer Pflichtverletzung den voraussichtlichen Schaden bereits vorab abzuschätzen. Dabei gibt eine Vereinbarung einer Vertragsstrafe auch die Möglichkeit, Schadenspositionen ersatzfähig zu machen, die im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach allgemeinen Regeln nicht oder nicht eindeutig geltend gemacht werden könnten, sei es z.B., dass es sich um einen nicht finanziellen Schaden handelt, sei es, dass die Schadenspositionen nach den allgemeinen Regeln nicht als adäquat kausal verursacht angesehen würden. Jedenfalls in der Praxis überlagern sich regelmäßig beide Zwecke.


Im nicht kodifizierten englischen ''[[common law]]'' ist der Vertragsschluss Bestandteil des noch immer im Wesentlichen aus ''case law'' ([[Richterrecht]]) bestehenden ''law of contract''. Nachdem der Vertrag ursprünglich auf das [[Versprechen]] als Grundlage rechtsgeschäftlicher Verpflichtung gestützt worden war, setzten sich im 19. Jahrhundert das Vertragsprinzip und mit ihm die Lehre von Angebot und Annahme durch.
Sehr eng mit der Vertragsstrafe in ihrer zweiten Ausprägung verwandt, ist die Schadenspauschale. Eine solche kommt zum Tragen, wenn tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, dessen Höhe die Parteien bei Vereinbarung der Pauschale abgeschätzt haben.


Vereinzelte Vorschriften des ''acquis communautaire''<nowiki> erwähnen das Erfordernis eines Vertragsschlusses (Art. 2(1) Fernabsatz-RL [RL 97/7]) und nehmen auf Angebot und Annahme Bezug (Art.&nbsp;1(3) und (4) Haustürwiderrufs-RL [RL&nbsp;85/ 577]). Auch der EuGH setzt in seiner Rechtsprechung das Vertragsschlussmodell von Angebot und Annahme voraus, ohne allerdings auf seine Ausgestaltung näher einzugehen (EuGH Rs.&nbsp;C-96/00 – </nowiki>''Gabriel'', Slg. 2002, I-6367, Rn.&nbsp;48&nbsp;f.) Der Vertragsschlussmechanismus von Angebot und Annahme wird damit zwar im ''acquis'' zugrunde gelegt, jedoch nicht geregelt. Die Vertragsschlussregeln der [[Principles of European Contract Law|PECL]], der [[Acquis Principles|ACQP]] und des [[Common Frame of Reference|DCFR]] mussten daher aus den Regelungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entwickelt werden, die jenseits der systematischen Unterschiede häufig zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Dabei übernehmen die ACQP und der DCFR die Vertragsschlussregeln der PECL inhaltlich fast unverändert.
Im Unterschied zur [[Garantie]] zielt die Vertragsstrafe auf die Beeinflussung des zukünftigen Verhaltens des Schuldners. Verspricht dieser eine Leistung für den Fall des Vorliegens oder des Eintritts bestimmter Umstände, die von seinem, des Schuldners, zukünftigen Verhalten unabhängig sind, handelt es sich nicht um eine Vertragsstrafe, sondern um eine Garantie. Der Garantie fehlt jede Straf- oder Zwangsfunktion. Anders als die Vertragsstrafe im Grundsatz setzt sie deshalb auch kein Verschulden oder Vertretenmüssen voraus.  


== 2. Angebot ==
In Abgrenzung zur Vertragsstrafe liegt eine so genannte Verfall- oder Verwirkungsklausel dann vor, wenn der Schuldner im Falle einer Verletzungshandlung keine zusätzliche Leistung erbringen muss, sondern eigene Rechte verliert.
Das Angebot ist in Art.&nbsp;2:201(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4:201(1) DCFR und Art.&nbsp;2.1.2 UNIDROIT PICC ausdrücklich definiert als ein hinreichend bestimmter und mit Rechtsbindungswillen gemachter Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages. Die meisten nationalen Rechtsordnungen setzen den Begriff des Angebots – inhaltlich damit übereinstimmend – schlicht voraus.


=== a) Rechtsbindungswille und ''invitatio ad offerendum'' ===
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
In allen Rechtsordnungen stellt sich bei Erklärungen gegenüber einem größeren Personenkreis die Frage, ob es sich dabei um ein Angebot (häufig ''ad incertas personas'') oder nur um eine sog. ''invitatio ad offerendum'' handelt. Entscheidend ist der objektiv, also anhand von Indizien zu ermittelnde Rechtsbindungswille des Erklärenden: Will der Erklärende den Erklärungsempfängern ermöglichen, durch Annahme bereits einen Vertrag zu schließen oder will er sie nur auffordern, ihrerseits Angebote abzugeben, deren Annahme ihm dann freisteht?
Das Institut der Vertragsstrafe hat seine Wurzeln im [[Römisches Recht|römischen Recht]]. Urteile mussten in Rom stets auf einen bestimmten Geldbetrag lauten (''omnis condemnatio pecuniaria''). Das hatte zur Konsequenz, dass eine Vielzahl von vertraglichen [[Versprechen]] nicht auf direktem Weg durchsetzbar waren, nämlich all die, die keinen finanziellen Wert für den Versprechensempfänger hatten. Dies betraf z.B. Zusagen des Versprechenden, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Hier half das römische Recht dem Gläubiger mit sog. unechten oder selbständigen Strafversprechen. Der Versprechende erklärte, er werde dem Versprechensempfänger eine bestimmte Geldsumme bezahlen, falls er, der Versprechende, eine bestimmte Handlung nicht vornimmt. Damit wurde die Handlung zwar nicht direkt, wohl aber indirekt durchsetzbar. Auch im römischen Recht hatte die Vereinbarung von Vertragsstrafen im übrigen schon den Zweck, dem Gläubiger die Rechtsverfolgung zu erleichtern, indem bereits bei Vertragsschluss im Wege der Schadensschätzung eine bestimmte Zahlungsverpflichtung für den Fall festgelegt wurde, dass der Schuldner seinen Pflichten nicht nachkommen sollte. Es handelte sich dann um ein echtes oder unselbständiges Strafversprechen.


Während alle europäischen Rechtsordnungen diese Differenzierung als solche kennen, typisieren sie bestimmte Fälle durch Auslegungsvermutungen abweichend. So wird die Anpreisung in Anzeigen, Katalogen oder einer Warenauslage im deutschen, italienischen und englischen Recht sowie nach Art.14(2) CISG ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) in der Regel nur als ''invitatio'' eingeordnet, während insbesondere die Auslage von Waren im französischen und schweizerischen Recht (letzterenfalls jedenfalls bei Preisangabe) als Angebot ''ad incertas personas'' angesehen wird. Ein Angebot vermuten im Fall der Anpreisung in Anzeigen, Katalogen und Warenauslagen auch Art.&nbsp;2:201(3) PECL und Art.&nbsp;II.-4:201(3) DCFR, allerdings beschränkt auf den vorhandenen Vorrat. Gegen ein Angebot mag insbesondere sprechen, dass sich der Erklärende den Vertragspartner nach dessen Zahlungsfähigkeit aussuchen oder die Ware breit streuen möchte.
Während vertragliche Versprechen unter bestimmten Voraussetzungen, einen bestimmten Betrag zu bezahlen, im Grundsatz in allen europäischen Rechtsordnungen bekannt sind, zeigen sich in der Einzelausgestaltung fundamentale Unterschiede. Dies betrifft vor allem die zulässigen Zwecke solcher Versprechen sowie die Abgrenzung zum allgemeinen Schadensersatzrecht. Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen den ''civil law'' und den ''[[common law]]''-Jurisdiktionen.  


=== b) Bestimmtheit und Dissens ===
Vertragsstrafenabreden werden in sämtlichen ''civil law''-Jurisdiktionen anerkannt. Die nationalen Regelungen erlauben mit der Vereinbarung von Vertragsstrafeversprechen die Verfolgung beider Zwecke, die Druck-/Präventivfunktion wie auch die Erleichterung der Schadloshaltung für den Gläubiger. In den ''civil law''-Jurisdiktionen (z.B. Frankreich, Italien, Deutschland und Schweden) ist daher ein konkreter Schadensnachweis nicht erforderlich. Weil beide Zwecke anerkannt sind, wird häufig auch nicht zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschale unterschieden.
Als Angebot muss die Erklärung des Anbietenden inhaltlich hinreichend bestimmt sein (so explizit Art.&nbsp;2:201(1) PECL, Art. II.-4:201(1) DCFR, Art.&nbsp;2.1.2 UNIDROIT PICC und Art.&nbsp;14 CISG; ebenso die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen). Dafür reicht es jedoch aus, dass die für den jeweiligen Vertragstyp wesentlichen Elemente, die sog. ''essentialia negotii'', bestimmbar sind. Dies betrifft insbesondere Vertragsgegenstand und Gegenleistung. Bestimmbar ist der Vertragsinhalt grundsätzlich auch im Falle eines Vorbehalts künftiger Vereinbarung und bei Vereinbarung einer einseitigen [[Leistungsbestimmung, nachträgliche|nachträglichen Leistungsbestimmung]]. Einige Regelwerke sehen zudem dispositive Regelungen vor, die bei Unbestimmtheit eingreifen (etwa für den Kaufpreis sec. 8 ''Sale of Goods Act 1979'', Art.&nbsp;7:4 BW, Art.&nbsp;1474 ''Codice civile'', Art.&nbsp;212 OR, Art.&nbsp;55 CISG). Fehlt es jedoch selbst an der Bestimmbarkeit, liegt in der Regel keine Einigung vor; der Vertragsschluss scheitert. Sind hingegen bloße ''accidentalia negotii'' unbestimmt oder gar nicht geregelt, hindert dies den Vertragsschluss meist nicht. Vielmehr greifen zur Lückenfüllung Handelsbräuche, Gepflogenheiten, eine ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Gesetzesrecht ein. Das Bestimmtheitserfordernis korrespondiert mit den Regeln des (offenen) Dissenses. Danach kommt der Vertrag nach den meisten Rechtsordnungen im Ergebnis zustande, auch wenn sich die Parteien nicht über jeden Punkt geeinigt haben, sofern es sich hierbei um einen unwesentlichen Punkt handelt. Dies gilt nicht, wenn eine Partei die Einigung über diesen Punkt zur Bedingung des Vertragsschlusses gemacht hat (so im Ergebnis das deutsche Recht über §&nbsp;154 BGB, das niederländische Recht über Art.&nbsp;6:225 BW sowie das französische, englische, österreichische und spanische Recht; ebenso Art.&nbsp;2:103 PECL, Art.&nbsp;II.-4:103 DCFR).


=== c) Wirksamwerden, Widerruflichkeit und Erlöschen des Angebots ===
Zahlreiche ''civil law''-Jurisdiktionen (z.B. Österreich, Dänemark, Finnland, Schweden, die Niederlande, Italien und Frankreich) kennen die Möglichkeit, die Herabsetzung einer überhöhten Vertragsstrafe gerichtlich erwirken zu können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. So kannte das römische Recht in großem Respekt vor der freien Selbstbindung der Vertragsparteien eine solche Möglichkeit zur Herabsetzung nicht. Richterliche Herabsetzungsrechte sind deshalb auch eine verhältnismäßig neue Entwicklung und tragen dem Umstand Rechnung, dass sich der Versprechende bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen häufig in einer deutlich unterlegenen Verhandlungsposition befindet. In Deutschland und Österreich besteht das Herabsetzungsrecht denn auch nicht bei Handelsverträgen. Das französische Recht kennt schließlich auch die Möglichkeit einer Heraufsetzung einer lächerlichen Vertragsstrafe (''peine dérisoire'').  
Unter Anwesenden (zahlreiche Rechtsordnungen stellen den telefonischen Vertragsschluss ausdrücklich gleich; etwa §&nbsp;147 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;4 Abs.&nbsp;2 OR, §&nbsp;862 S.&nbsp;2 ABGB) wird das Angebot im Augenblick der Erklärung wirksam und kann nur sofort angenommen werden. Geschieht dies nicht, erlischt es.


Unter Abwesenden wird das Angebot mit dem Zugang beim Empfänger wirksam. Im Hinblick auf die Widerruflichkeit ist zu differenzieren. Fast alle Regelwerke gehen davon aus, dass das Angebot vor oder zeitgleich mit seinem Zugang zurückgenommen werden kann (etwa §&nbsp;130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;3:37 Abs.&nbsp;5 BW, Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 OR (sogar bis Kenntniserlangung), Art.&nbsp;2.1.3(2) UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;15(2) CISG, Art.&nbsp;1:303(5), (6) PECL, Art.&nbsp;II.-106(1), (5) DCFR; meist gilt dies spiegelbildlich für die Annahmeerklärung). Ob dagegen das bereits zugegangene und damit wirksam gewordene Angebot widerrufen werden kann, ist einer der zentralen Unterschiede der europäischen Vertragsschlussregime. Dabei ist vorwegzuschicken, dass der Anbietende das Angebot nach allen Regelwerken widerruflich oder unwiderruflich (im englischen Recht allerdings nur gegen eine ''consideration'') ausgestalten kann. Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf den gesetzlichen Regelfall. Das deutsche Recht geht in §&nbsp;145 BGB von der Unwiderruflichkeit des Angebots aus. Dem folgen das schweizerische, österreichische und portugiesische Recht. Dagegen ist das Angebot nach französischem, italienischem, spanischem, aber auch englischem Recht sowie nach Art.&nbsp;2:202 PECL, Art.&nbsp;II.-4:202 DCFR, Art.&nbsp;2.1.4 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;16 CISG grundsätzlich widerruflich; der Widerruf muss der anderen Partei jedoch vor Absendung der Annahme zugehen. Dabei geht das englische Recht mit der freien Widerruflichkeit am weitesten, während etwa das französische Recht bei missbräuchlichem Widerruf (insb. vor Ablauf einer gesetzten Annahmefrist) eine deliktische Schadensersatzpflicht statuiert. PECL, DCFR und UNIDROIT PICC sehen das Angebot sogar als unwiderruflich an, wenn der Anbietende eine Annahmefrist setzt, der Annehmende auf die Unwiderruflichkeit vertrauen durfte oder bereits im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit gehandelt hat (nach Art.&nbsp;2:202(4) DCFR soll dies wiederum nicht gelten, wenn der Anbietende ein Widerrufsrecht nach Buch&nbsp;II oder IV des DCFR im Hinblick auf den Vertrag hätte).
Trotz des gemeinsamen Verständnisses von Vertragsstrafeversprechen ist das Verhältnis insbesondere zum allgemeinen Schadensersatzrecht ([[Schadensersatz]]) in den einzelnen ''civil law''-Jurisdiktionen gänzlich verschieden. In den meisten ''civil law''-Jurisdiktionen (z.B. in Frankreich, Italien oder Spanien) tritt die Vertragsstrafe an die Stelle des allgemeinen Schadensersatzanspruches mit der Konsequenz, dass der Gläubiger nicht alternativ den Ersatz seines tatsächlichen Schadens verlangen kann, auch wenn er ihn im Einzelnen belegen kann. Auch kann er nicht zusätzlich zur Vertragsstrafe einen Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regelungen geltend machen bzw. nur, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Dies ist keineswegs zwingend, wie z.B. das österreichische und deutsche Recht belegen. In Österreich kann der Gläubiger einen die Vertragsstrafe übersteigenden Schaden geltend machen. Ist der Schuldner Verbraucher ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]), muss dies jedoch vorab vereinbart werden. In Deutschland kann auch bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe der Gläubiger nach § 340 Abs. 2 BGB, sofern ihm ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zusteht, diesen (unter Anrechnung der Vertragsstrafe) vollständig nach allgemeinen Regeln ersetzt verlangen.  


Abgesehen von Rücknahme oder Widerruf erlischt das Angebot auch durch Ablehnung (etwa §&nbsp;146 BGB, Art.&nbsp;2:203 PECL, Art.&nbsp;II.-4:203 DCFR) und bei nicht rechtzeitiger Annahme innerhalb einer gesetzten Annahmefrist (s.u. 3.c). Ob der Tod des Anbietenden bzw. Angebotsempfängers zum Erlöschen führt, ist nach den Umständen und je nach Vertragstyp durch Auslegung zu ermitteln. Während einige Rechtsordnungen im Zweifel bei Tod des Anbietenden kein Erlöschen annehmen (etwa §&nbsp;130 Abs.&nbsp;2, 153 BGB, Art.&nbsp;6:222 BW, §&nbsp;862 ABGB), gehen andere Rechtsordnungen im Zweifel von einem Erlöschen aus (etwa Art.&nbsp;1329 Abs.&nbsp;2 ''Codice civile'', ebenso das englische Recht ab Kenntnis des Annehmenden).
Im Grundsatz Übereinstimmung besteht in den meisten ''civil law''-Jurisdiktionen im Verständnis des Verhältnisses zwischen [[Erfüllungsanspruch]] und Vertragsstrafe. So wird allgemein danach unterschieden, welches Interesse mit der Vertragsstrafenvereinbarung verfolgt wird. Soll mit dieser die Nichterfüllung der Vertragspflicht sanktioniert werden, kann der Gläubiger, wenn er die Vertragsstrafe verlangt, nicht weiter seinen Erfüllungsanspruch geltend machen. Anders ist die Situation bei Vertragsstrafenabreden zur Sicherung der ordnungsgemäßen, insbesondere der rechtzeitigen Erfüllung. Hier ist eine Kumulation von Straf- und Erfüllungsanspruch möglich.  


== 3. Annahme ==
Die ''common law''-Jurisdiktionen unterscheiden streng zwischen Vertragstrafenversprechen (''penalties'') und Schadenspauschalen (''liquidated damages''). Während Vereinbarungen von ''liquidated damages ''zulässig sind, sind Vereinbarungen von ''penalties'' unwirksam. Abgegrenzt wird danach, ob die Vereinbarung Strafcharakter (''in terrorem'') hat oder eine Vorabschätzung des voraussichtlichen Schadens für den Fall der Pflichtverletzung darstellt (''genuine pre-estimate of damages''). Die [[Unwirksamkeit]] von Vereinbarungen mit Strafcharakter geht auf die ''Equity''-Rechtsprechung (''[[equity]]'') des 17.&nbsp;Jahrhunderts zurück. Es entsprach einer verbreiteten Praxis, dass sich der Gläubiger (in der Regel eine Bank) in einer gesiegelten Urkunde vom Schuldner für den Fall, dass dieser nicht zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Geldsumme leistete, die Zahlung eines höheren, im Allgemeinen doppelt so hohen Betrages versprechen ließ. Wurden derartige Klauseln ursprünglich als Mittel verwandt, das Zinsverbot zu umgehen, setzte man ''penalties'' in der Folge insbesondere als Druckmittel ein, um die ''at law'' nicht erzwingbare ''specific performance'' ([[Erfüllungsanspruch]]) zu erreichen. Hiergegen wandte sich die ''Equity''-Rechtsprechung. Ob es sich bei der vereinbarten Summe um eine zulässige Schadenspauschalierung oder eine unzulässige Abrede einer Zivilstrafe handelt, wird in den ''common law''-Jurisdiktionen aus ''ex ante''-Sicht, also bezogen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Versprechens, beurteilt. Ist die Klausel danach wirksam, werden die ''liquidated damages'' geschuldet, und zwar gleichgültig, ob tatsächlich ein höherer oder ein niedrigerer Schaden entstanden ist. Ist die versprochene Summe nach diesen Maßstäben überhöht, stellt die Klausel also eine ''penalty'' dar, entfällt sie gänzlich; sie wird insbesondere nicht auf ein vertretbares Maß reduziert. Der Gläubiger kann dann jedoch vollen (unter anderem zu beweisenden) Schadensersatz nach allgemeinen Regeln verlangen. Weil zulässige Vertragsstrafen im englischen Recht keine Erfüllungssicherungsfunktion haben, geht grundsächlich bei der Geltendmachung von ''liquidated damages'' der Erfüllungsanspruch nicht unter. Der Gläubiger muss also nicht zwischen Erfüllung und Strafe wählen.
Die Annahme besteht grundsätzlich in der uneingeschränkten Zustimmung zum Angebot. Während das Angebot meist in Form einer Erklärung erfolgt, weist die Annahme häufiger auch andere Formen auf.


=== a) Annahme durch Erklärung ===
== 3. Rechtsvereinheitlichung ==
Im Falle der Annahme durch ausdrückliche Erklärung stellt sich vordringlich das Problem, zu welchem Zeitpunkt die Annahme wirksam wird und der Vertrag damit geschlossen ist, da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ein Widerruf des Angebots nicht mehr möglich ist. Auch unter Abwesenden verliert das Problem allerdings dadurch an Bedeutung, dass Absenden und Zugang einer Erklärung bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel, insbesondere Telefax und e-mail, ohne zeitliche Verzögerung stattfinden.
Vertragsstrafeabreden bieten für grenzüberschreitende Vertragswerke die Möglichkeit, eine oft mit hohem Aufwand und Kosten verbundene Schadensermittlung zu vermeiden. Daher sind Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Vertragsstrafenregelungen früh aufgekommen.  


Nach Art. 2:105(1) PECL, Art. II.-4:205(1) DCFR wird die Annahme wie in zahlreichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen erst mit dem Zugang beim Anbietenden wirksam (§&nbsp;862a ABGB, Art.&nbsp;224 portug. ''Código civil''<nowiki>; §&nbsp;130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB, Art.&nbsp;3:37 Abs.&nbsp;3 BW; ebenso Art.&nbsp;2.1.6(2) UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;18(2), 23 CISG). Auch das englische Recht geht im Grundsatz davon aus, dass die Annahme empfangsbedürftig ist, lässt davon jedoch mit der sog. </nowiki>''postal rule'' (''Adams v. Lindsell'' (1818) 1 B & Ald 681 (KB); ''Henthorn v. Fraser''<nowiki> [1892] 2 Ch 27 (CA)) eine wichtige Ausnahme zu. Im Falle der Versendung per Post ist die Annahme mit der Aufgabe zur Post wirksam und der Vertrag damit geschlossen, auch wenn der Brief auf dem Postweg abhanden kommt oder verspätet zugeht. Bei Nutzung von e-mail oder Telefax gilt die </nowiki>''postal rule'' nur, wenn der Annehmende einen in der Übertragung auftretenden Fehler nicht erkennen konnte. Auch auf die Übermittlung per Brief findet sie nur dann Anwendung, wenn diese Versendungsart angemessen war und der Anbietende den Zugang nicht zur Bedingung der wirksamen Annahme gemacht hat. In Frankreich ist die Rechtslage unklar. Die Rechtsprechung stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab. Zur Wahrung der Annahmefrist soll in der Regel die rechtzeitige Absendung genügen. Eine überholende Rücknahmeerklärung der Annahme ist jedoch wie im englischen Recht möglich.
Mit einer Konvention der Benelux-Staaten ([[Benelux]]) wurde am 26.11.1973 ein erster Versuch der Rechtsvereinheitlichung unternommen. Ausgangspunkt für diese Konvention war, dass in den Benelux-Ländern keine Rechtsgrundlage für ein richterliches Ermäßigungsrecht bei überhöhter Vertragsstrafe bestand. Bemerkenswert ist, dass die Konvention ausschließlich Regelungen über die Vertragsstrafe zum Inhalt hatte, was die Bedeutung dieses Instituts in der Rechtspraxis deutlich macht. Weil die Pläne für ein solches Einheitsrecht in den Benelux-Staaten wegen der voranschreitenden Vereinheitlichungsentwicklungen auf Ebene der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]]en aufgegeben wurden, ist es jedoch nie zu einer Ratifikation der Konvention gekommen. An die Konvention knüpfte aber eine Resolution des Europarates vom 20.1.1978 an. Diese Resolution, die keine unmittelbare Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten nach sich zog, empfahl, in die nationalen Rechtsordnungen ein entsprechendes Vertragsstrafenrecht aufzunehmen. Bei der Erarbeitung waren erstmals auch englische Rechtsexperten – also aus einer ''common law''-Jurisdiktion – einbezogen.  


Das Zusammenspiel von Widerruflichkeit des Angebots und Wirksamwerden der Annahme wird deutlich: Ist das Angebot unwiderruflich, bedarf der Angebotsempfänger nicht zusätzlich des Schutzes durch ein frühes Wirksamwerden der Annahme. Umgekehrt ist eine Widerruflichkeit eher hinzunehmen, wenn der Angebotsempfänger den Widerruf bereits durch Versendung der Annahme ausschließen kann. PECL, DCFR und CISG sehen eine Zwischenlösung vor: Zwar wird die Annahme erst mit Zugang wirksam und der Vertrag damit geschlossen, doch muss der Widerruf des Angebots vor Absendung der Annahme zugehen.
In den [[Principles of European Contract Law|PECL]] (Art.&nbsp;9:509), den [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]] (Art.&nbsp;7.4.13), dem [[Common Frame of Reference|DCFR]] (Art.&nbsp;III.-3:712) und dem ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)|Avant-projet]]'' (Art.&nbsp;170) ist das Institut der Vertragsstrafe weitgehend inhaltsgleich geregelt. Die ''[[Acquis Principles]]'' enthalten keine Regelungen zur Vertragsstrafe. Als Zweck der Vertragsstrafe erwähnen die Kommentierungen der PECL und der UNIDROIT PICC neben der Möglichkeit, mit der Vertragsstrafe eine erleichterte Schadloshaltung zu erreichen, ausdrücklich auch den Strafcharakter. Die übrigen Entwürfe treffen zu den Funktionen der Vertragsstrafe selbst keine Aussage, setzen aber die Möglichkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu beiden Zwecken voraus. Eine richterliche Herabsetzung der Strafsumme auf einen angemessenen Betrag kennen alle Modelle, und zwar wenn die Strafsumme im Verhältnis zu dem tatsächlich eingetretenen Schaden oder zu den sonstigen Umständen ''grossly excessive'', d.h. gröblich, stark oder offensichtlich überhöht ist. Wie diese Unverhältnismäßigkeit im Einzelnen festzustellen ist, lässt sich aus den Vereinheitlichungsmodellen und den dazugehörigen Begründungen nicht eindeutig entnehmen. Der Wortlaut legt jedoch den Schluss nahe, dass die Strafsumme nicht erst bei einer sittenwidrigen Höhe, sondern bereits bei einer Unverhältnismäßigkeit unterhalb dieser Schwelle herabzusetzen ist. Nach dem ''Avant-projet'' kommt eine Herabsetzung auch in Betracht, wenn der Schuldner eine teilweise Erfüllung bewirkt hat, ohne dass der Gläubiger sie zurückgewiesen hat.  


=== b) Annahme durch schlüssiges Verhalten ===
Ausweislich der Kommentierung der PECL und nach dem ''Avant-projet'' regelt die Strafvereinbarung die Schadensersatzfrage grundsätzlich abschließend. Ein Schadensnachweis ist jeweils ausdrücklich nicht erforderlich, allerdings ist auch der Nachweis eines höheren Schadens nicht möglich. So wird man auch die beiden anderen Entwürfe verstehen. Den Parteien ist es jedoch überall möglich, den Strafbetrag als Mindeststrafe festzulegen und dem Gläubiger die Möglichkeit offenzuhalten, den Eintritt eines höheren Schadens nach allgemeinen Regeln nachzuweisen. Ob für die [[Verwirkung]] des Strafbetrags ein Verschulden oder Vertretenmüssen notwendig ist, ergibt sich aus den Modelltexten und den dazugehörigen Kommentierungen nicht. Ob für die Verwirkung daher ein Verschulden oder Vertretenmüssen erforderlich sind, dürfte von dem konkreten Versprechen abhängen.
Zahlreiche Kodifikationen, etwa BGB, ABGB, OR, portug. ''Código civil'', ''Codice civile'', ''Kodeks cywilny'', erkennen eine Annahme durch schlüssiges Verhalten ebenso an wie das englische und französische Recht. In Art.&nbsp;2:204 PECL und Art.&nbsp;II-4:204 DCFR ist sie ausdrücklich von der Definition der Annahme erfasst: „Any form of statement or conduct …“ (ebenso Art.&nbsp;2.1.6(1)1 UNICROIT PICC). Die Annahme wird in diesen Fällen jedoch grundsätzlich erst wirksam, wenn der Anbietende von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangt. Dagegen kommt der Vertrag bereits mit dem Beginn der Ausführungshandlung des schlüssigen Verhaltens zustande, wenn das Angebot es so vorsieht oder sich dies aus Verkehrssitte, Handelsbrauch oder Übung zwischen den Parteien ergibt (Art.&nbsp;2:205(3) PECL, Art.&nbsp;II.-4:205(3) DCFR, Art.&nbsp;18(3) CISG, ähnlich §&nbsp;151 BGB und ihm folgend §&nbsp;864 Abs.&nbsp;1 ABGB, Art.&nbsp;1327 ''Codice civile'', Art.&nbsp;234 portug. ''Código civil''<nowiki>; ähnlich auch Art.&nbsp;10 Abs.2 OR).</nowiki>


=== c) Annahmefrist und verspätete Annahme ===
Alle Entwürfe orientieren sich damit im Prinzip an der Rechtslage in den ''civil law''-Jurisdiktionen. Der ''Avant-projet'' ordnet schließlich an, dass Vertragsstrafenklauseln in [[Allgemeine Geschäftsbedingungen|Allgemeinen Geschäftsbedingungen]] zu Lasten eines Verbrauchers stets unwirksam sind.
Es ist stets möglich, im Angebot eine Frist für die Annahme zu setzen (vgl. etwa §148 BGB; Art.&nbsp;2:206(1) PECL; Art.&nbsp;II.-4:206 DCFR). Fehlt es an einer solchen Fristsetzung, greift die dispositive gesetzliche Regelung ein. Während ein Angebot unter Anwesenden danach nur sofort angenommen werden kann (etwa Art.&nbsp;2.7 S.&nbsp;2 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;18(2)3 CISG, §&nbsp;147 Abs.&nbsp;1 BGB), ist unter Abwesenden zu differenzieren. Bei einer ausdrücklichen Annahme muss die Erklärung dem Anbietenden innerhalb einer unter Berücksichtigung der Überlegungs-, Entscheidungs- und Übermittlungszeit angemessenen Frist zugehen (§&nbsp;147 Abs.&nbsp;2 iVm § 130 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB, Art.&nbsp;6:221 Abs.&nbsp;1 iVm Art.&nbsp;3:37(3) BW, Art.&nbsp;862 ABGB Art.&nbsp;5 OR, Art.&nbsp;1326 Abs.&nbsp;2 ''Codice civile'', Art.&nbsp;2.7 S.&nbsp;1 UNIDROIT PICC; Art.&nbsp;18(3)2 CISG, Art.&nbsp;2.206(2) PECL und Art.&nbsp;II.-206(2) DCFR (beide „within a reasonable time“). Dies gilt auch im englischen Recht. Greift die ''postal rule'' ein, genügt es, die Annahme innerhalb einer ''reasonable time'' abzusenden; ebenso in der Regel das französische Recht. Im Fall der Annahme durch schlüssiges Verhalten muss der Anbietende innerhalb einer angemessenen Frist von dem schlüssigen Verhalten Kenntnis erlangen. Genügt zur schlüssigen Annahme jedoch der Beginn der Ausführungshandlung (s.o. 3. b), so reicht es aus, wenn dieser innerhalb der angemessenen Frist erfolgt (Art.&nbsp;2:206(3) PECL; Art. II.-4:206(3) DCFR, Art.&nbsp;18(3) CISG; ebenso implizit die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen).


Ein Vertrag kommt trotz verspäteter Annahme nach einigen Regelwerken mit Zugang dieser Annahme zustande, wenn der Anbietende die Annahme als rechtzeitig gelten lässt (Art.&nbsp;6:223 Abs.&nbsp;1 BW, Art.&nbsp;229(2) portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;1326 Abs.&nbsp;3 ''Codice civile'', Art.&nbsp;2.207(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4.207 DCFR, Art.&nbsp;21(1) CISG). Zahlreiche andere Rechtsordnungen (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien) kennen keine derartige Regel, kommen aber nach den Regeln über die modifizierende Annahme (s.u. 3. d) zu einem ähnlichen Ergebnis (Vertragsschluss allerdings zeitlich erst mit Annahme der als Angebot behandelten modifizierenden Annahme).
Bereits 1983 wurde der [[UNCITRAL]] Regelungsvorschlag für ''Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance'' formuliert, dies obwohl das UN-Kaufrecht bewusst auf entsprechende Regelungen verzichtet hatte. Dort ist ausdrücklich normiert, dass eine Vertragsstrafe sowohl als Druckmittel als auch zum Zwecke des Schadensausgleichs vereinbart werden kann. Ähnlich wie die übrigen Vereinheitlichungsmodelle sieht der UNCITRAL Vorschlag ein richterliches Ermäßigungsrecht vor, wenn das Verhältnis zwischen tatsächlichem Schaden und Strafsumme ''substantially disproportionate'' ist. Auch hier lässt sich ein genauer Maßstab den Modellvorschriften nicht entnehmen. Darüber hinaus enthält der Modellvorschlag der Vereinten Nationen Bestimmungen über das Verhältnis des Strafanspruchs zu den sonstigen Ansprüchen des Gläubigers. So sieht er vor, dass nur im Falle einer Strafvereinbarung wegen verspäteter Erfüllung der Anspruch auf Naturalerfüllung und die Strafe nebeneinander geltend gemacht werden können. Eine besondere Regelung enthält der UNCITRAL Vorschlag für das Verhältnis zwischen Vertragsstrafe und sonstigem Schadensersatz. Danach verbietet er zwar grundsätzlich eine parallele Geltendmachung. Gleichwohl ist dies ausnahmsweise und dann ohne vorherige Vereinbarung möglich, wenn die vereinbarte Summe den tatsächlichen Schaden ''substantially'' unterschreitet. Darüber hinaus regelt der UNCITRAL Vorschlag ausdrücklich, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe ein Verschulden des Schuldners voraussetzt. Ein unmittelbarer Einfluss des UNCITRAL Vorschlags auf die UNIDROIT PICC lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Substanz der UNIDROIT PICC nachweisen.  


Ein Vertrag kommt trotz einer bloß verspätet ''zugegangenen'' Annahme zustande, wenn der Anbietende den Grund der Verspätung kannte oder kennen musste und dies dem Annehmenden nicht unverzüglich anzeigt (§&nbsp;149 BGB, Art.&nbsp;862a S.&nbsp;2 ABGB, Art.&nbsp;5 Abs.&nbsp;3 OR, Art.&nbsp;6:223 Abs.&nbsp;2 BW, Art.&nbsp;229 Abs.&nbsp;1 portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;67 ''Kodeks cywilny'', Art.&nbsp;2:207(2) PECL, Art.&nbsp;II.-4:207(2) DCFR, Art.&nbsp;21(2) CISG). Im englischen und französischen Recht stellt sich die Problematik in der Regel nicht, da die Annahme in diesen Fällen mit rechtzeitiger Absendung per Post wirksam wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach allen Modellentwürfen Vertragsstrafen sowohl zum Zweck der Schadenspauschalierung wie auch der Abschreckung von einem Bruch der Verpflichtung zulässig sind. Durchgängig ist ein richterliches Ermäßigungsrecht vorgesehen. Darüber hinaus begreifen die Modelle die Vertragsstrafe allesamt als grundsätzlich abschließende Regelung eines Schadensersatzes. Lediglich der UNCITRAL Vorschlag setzt für die Verwirkung der Vertragsstrafe zwingend ein Verschulden voraus.


=== d) Modifizierende Annahme ===
== 4. Regelungen in CISG und CMR ==
Eine das Angebot modifizierende Antwort der anderen Partei ist grundsätzlich als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem Gegenangebot anzusehen (Art.&nbsp;2:208(1) PECL, Art.&nbsp;II.-4:208(1) DCFR, §&nbsp;150 Abs.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;1 BW, Art.&nbsp;233 portug. ''Código civil'', Art.&nbsp;68 ''Kodeks cywilny'', Art.&nbsp;19(1) CISG; ebenso die französische und englische Rechtsprechung). Ausnahmsweise stellt sie jedoch dann eine Annahme dar, wenn sie nur unwesentliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Angebot enthält und der Annehmende trotz der Modifizierungen seine Zustimmung zum Angebot zum Ausdruck bringt (Art.&nbsp;2:208(2) PECL; Art.&nbsp;II.-4:208(2) DCFR; Art.&nbsp;2.22(2) UNIDROIT PICC; Art.&nbsp;19(2) CISG; Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;2 BW, teilweise ebenso die deutsche Rechtsprechung). Hiervon wird allerdings eine Rückausnahme in denjenigen Fällen gemacht, in denen das Angebot eine Modifizierung ausdrücklich ausschließt, der Anbietende der Änderung unverzüglich widerspricht oder der Annehmende die Annahme von der Zustimmung des Anbietenden zu den Modifizierungen abhängig macht und ihn diese Zustimmung nicht nach einer angemessenen Bedenkzeit erreicht (so Art.&nbsp;2:208(3) PECL; Art.&nbsp;II.-4:208(3) DCFR). Nach Art. 6:225 Abs.&nbsp;2 BW, Art.&nbsp;2.1.11(2) UNIDROIT PICC und Art.&nbsp;19(2) CISG kann der Vertragsschluss mit dem modifizierten Inhalt vom Anbietenden dagegen nur durch unverzüglichen Widerspruch verhindert werden.
Das CISG ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) enthält umfangreiche Regelungen über den Schadensersatz, erwähnt jedoch dabei die Vertragsstrafe nicht. Die Parteien können aber in einem Vertrag, auf den das CISG Anwendung findet, durchaus Vertragsstrafenabreden vereinbaren. Die Wirksamkeit der jeweiligen Klausel bestimmt sich dann nach dem gemäß Kollisionsrecht anwendbaren nationalen Recht. Für internationale Straßentransportverträge findet sich eine grundsätzliche Beschränkung der Haftungshöhe in Art.&nbsp;23 Nr.&nbsp;6 CMR. Zugleich ist in Art.&nbsp;41 CMR geregelt, dass Vereinbarungen über eine höhere Haftung nichtig sind. Im Anwendungsbereich der CMR sind daher Vertragsstrafevereinbarungen unwirksam.
 
=== e) Schweigen und kaufmännisches Bestätigungsschreiben ===
Schweigen oder Untätigkeit stellen für sich genommen keine Annahme dar (so ausdrücklich Art.&nbsp;2:204(2) PECL, Art.&nbsp;II.-4:204(2) DCFR und Art.&nbsp;2.1.6(1)2 UNIDROIT PICC). Einzig das schweizerische Recht sieht in Art.&nbsp;6 OR vor, dass der Angebotsempfänger dem Angebot widersprechen muss, wenn nach der Natur des Geschäfts oder den Umständen eine Annahme nicht zu erwarten ist.
 
Entgegen der allgemeinen Regel kann Schweigen im geschäftlichen Verkehr (im Gegensatz zum Rechtsverkehr zwischen Verbrauchern) eine Annahme darstellen. Dies ist für bestimmte Situationen gesetzlich geregelt (etwa §&nbsp;362 dt. HGB), kann sich aber auch aus Handelsbrauch oder Verkehrssitte ergeben. Vereinzelte Fälle dieser Art finden sich in der deutschen, französischen, italienischen und englischen Rechtsprechung.
 
Ein besonderer Fall des Schweigens als Annahme im geschäftlichen Verkehr ist das sog. kaufmännische Bestätigungsschreiben, das vor allem im deutschen Recht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, aber auch Eingang in die PECL (Art.&nbsp;2:210), den DCFR (Art.&nbsp;II.-4:210) und die UNIDROIT PICC (Art.&nbsp;2.12) gefunden hat. Wird durch ein Schreiben unter Kaufleuten der Inhalt eines bereits geschlossenen (darauf sind PECL, DCFR und UNIDROIT PICC beschränkt) oder eines nur in der Vorstellung des Schreibenden geschlossenen Vertrages (so das deutsche, dänische und finnische Recht) präzisiert und fixiert, kommt der Vertrag mit diesem Inhalt zustande, wenn die andere Partei dem Schreiben nicht unverzüglich widerspricht. Dies gilt nicht, wenn der Inhalt bewusst unrichtig wiedergegeben wird (PECL und DCFR enthalten keine derartige Regel) oder wesentlich vom Verhandlungsergebnis bzw. dem bereits geschlossenen Vertrag abweicht. Damit behandeln die PECL und der DCFR die modifizierende Annahme und das kaufmännische Bestätigungsschreiben gleich, während dies im deutschen Recht nicht der Fall ist.
 
=== f) Kollidierende AGB ===
Ein besonderes Problem des Vertragsschlusses stellen kollidierende [[Allgemeine Geschäftsbedingungen]] in Angebot und Annahme dar. Es stellt sich die Frage, ob der Vertrag überhaupt zustande kommt und, wenn ja, mit welchem Inhalt. Die Beantwortung beider Fragen ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig, doch haben sich im Grundsatz zwei Lösungen herausgebildet.
 
Nach der sog. ''last shot rule'' gelten die allgemeinen Vertragsschlussregeln. Die Annahme unter Verweis auf die eigenen AGB ist daher als Ablehnung des Angebots, verbunden mit einem neuen Angebot anzusehen. Dieses kann der ursprünglich Anbietende – insbesondere konkludent, indem er mit der Vertragsdurchführung beginnt – annehmen. Verweist er in seiner Antwort jedoch wiederum auf seine AGB, lehnt er das Angebot, verbunden mit einem neuen, eigenen Angebot, ab. Der Vertrag kommt also entweder gar nicht zustande oder aber auf der Grundlage der AGB, auf die zuletzt unwidersprochen verwiesen wurde. Diesem Modell folgen das englische und schottische Recht. Das niederländische Recht sieht in Art.&nbsp;6:225 Abs.&nbsp;3 BW umgekehrt eine ''first shot rule'' vor; die AGB des Anbietenden gelten.
 
Nach der sog. ''knock out rule'' kommt der Vertrag trotz abweichender AGB (bereits mit der Annahme) zustande, wenn die Parteien sich ansonsten geeinigt haben. Die AGB werden nur insofern Inhalt des Vertrages, als sie sich nicht widersprechen. Im Übrigen greifen die dispositiven gesetzlichen Regelungen ein. Diesem Modell folgen etwa die PECL, der DCFR, die UNIDROIT PICC, das deutsche, österreichische und französische Recht, aber auch die wohl herrschende Auffassung zum CISG (an einer Regelung fehlt es). Nach Art.&nbsp;2:209(2) PECL und Art.&nbsp;II.-4:209(2) DCFR scheitert der Vertrag jedoch, wenn eine der Parteien – bezogen auf den konkreten Vertrag, also nicht durch eine Abwehrklausel in den AGB – zuvor geäußert hat, im Falle abweichender AGB der anderen Partei nicht gebunden sein zu wollen (ähnlich das deutsche und österreichische Recht) oder dies unverzüglich nach Erhalt der Annahme äußert.
 
== 4. Vertragsschluss jenseits von Angebot und Annahme ==
Insbesondere im Falle der Benutzung angebotener Einrichtungen, die keine direkte Zugangskontrolle vorweisen, etwa eines Parkplatzes oder der Straßenbahn, stellt sich die Frage, ob man den Vertrag in dieser eher auf dem tatsächlichen Leistungsaustausch als auf einer Willenseinigung beruhenden Situation mit dem rechtsgeschäftlichen Modell begründet. Die Art.&nbsp;2:211 PECL, Art.&nbsp;II.-4:211 DCFR und Art.&nbsp;2.1.1 UNIDROIT PICC erkennen einen Vertragsschluss auch auf anderem Wege als durch Angebot und Annahme an. Sie wenden – ebenso wie die meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – die Vorschriften über Angebot und Annahme entsprechend an. Die Grenze zwischen rein tatsächlichem Verhalten und konkludenter Erklärung von Angebot und Annahme ist freilich fließend. Die Regelungen haben daher eine bloße Auffangfunktion, um etwaige Lücken im Vertragsschlussmechanismus zu schließen.


== Literatur==
== Literatur==
''Rudolf B. Schlesinger'' (Hg.), Formation of Contracts: Study of the Common Core of Legal Systems, 2&nbsp;Bde., 1968; ''Arthur T. von Mehren'', The Formation of Contracts, in: IECL VII/1, Kap.&nbsp;9-19&nbsp;ff., 50&nbsp;ff., 112&nbsp;ff., 1991; ''Hein Kötz'', Europäisches Vertragsrecht, Bd. 1, 1996, §&nbsp;2; ''Helmut Köhler'', Das Verfahren des Vertragsschlusses, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 33&nbsp;ff.; ''Peter Oestmann'', §§&nbsp;145-156, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;I, 2003; ''Rodolfo Sacco'', Formation of Contracts, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron, Muriel Veldman (Hg.), Towards a European Civil Code, 3.&nbsp;Aufl. 2004, 353&nbsp;ff.; ''Karl Riesenhuber'', Europäisches Vertragsrecht, 2.&nbsp;Aufl. 2006, §&nbsp;13; ''Guenter H. Treitel'', ''Edwin Peel'', The Law of Contract, 12. Aufl. 2007, Kap.&nbsp;2; ''Filippo Ranieri'', Europäisches Obligationenrecht, 3.&nbsp;Aufl. 2009, Kap.&nbsp;2-4.
''Rolf Knütel'', Stipulatio Poenae: Studien zur römischen Vertragsstrafe, 1976; ''Georg Bucksch'', Rechtsvergleich zu Vertragsstrafe und/ oder pauschaliertem Schadensersatz, Recht der Internationalen Wirtschaft 1984, 778&nbsp;ff.; ''Guenter H. Treitel'', Remedies for Breach of Contract, 1988, 208 ff.; ''Ralf-Peter Sossna'', Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993, ''Klaus Peter Berger'', Vertragsstrafen und Schadenspauschalierungen im Internationalen Wirtschaftsvertragsrecht, Recht der Internationalen Wirtschaft 1999, 401&nbsp;ff.; ''Isabel Steltmann'', Die Vertragsstrafe in einem Europäischen Privatrecht, 2000; ''Peter Gottwald'', Zum Recht der Vertragsstrafe, in: Festschrift für Alfred Söllner, 2000, 379&nbsp;ff.; ''Harriët Natalie Schelhaas'', in Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo van Kooten, Harriët Natalie Schelhaas, Wendy M. Schramma (Hg.), The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, Art. 9:509; ''eadem'', Het boetebeding in het europese contractenrecht, 2004; ''eadem'', The Judicial Power To Reduce Contractual Penalty, Judgements of the Dutch Supreme Court, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 12 (2004) 386 ff.; ''Hugh Beale'' (Hg.), Chitty On Contracts, Bd.&nbsp;I, General Principles, 30.&nbsp;Aufl. 2008, Rn.&nbsp;26-109&nbsp;ff.; ''Francois Terré'', ''Philippe Simler'', ''Yves Leguette'', Droit Civil, Les Obligations, 9. Aufl. 2005, 613&nbsp;ff.; ''A. Mari'' in Luisa Antoniolli, Anna Veneziano (Hg.), Principles of European Contract Law and Italian Law, 2005, Art. 9:509; ''Guenter H. Treitel'', ''Edwin Peel'', The Law of Contract, 12. Aufl. 2007, 1075&nbsp;ff.


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Version vom 29. September 2021, 15:37 Uhr

von Marcus Baum

1. Gegenstand und Zweck der Vertragsstrafe

Unter der Vertragsstrafe versteht man das Versprechen eines Schuldners gegenüber seinem Gläubiger, dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung einer Verpflichtung oder der nicht vertragsgemäßen Erfüllung (insbesondere also der zu späten Leistung, aber auch bei sonstiger nicht gehöriger Erfüllung) eine vorab bestimmte Zahlung zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob dem Gläubiger durch die Nichterfüllung ein entsprechender Schaden entstanden ist.

Regelungen zur Vertragsstrafe verfolgen im Grundsatz zwei voneinander abzugrenzende Zwecke: Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe kann einerseits dazu dienen, Druck auf den Schuldner einer Verpflichtung auszuüben, damit diese tatsächlich erfüllt bzw. der Schuldner von einer Pflichtverletzung abgeschreckt wird. Der besondere Erfüllungsdruck kann dabei sowohl durch die Vereinbarung eines Betrages entstehen, der über dem erwarteten Schaden liegt, als auch dadurch, dass dem Schuldner eine konkrete Haftungssumme vor Augen steht. Die Vertragsstrafe hat in dieser Ausprägung also eine präventive Funktion. Als Druckmittel stellt sie das Gegenstück zur Belohnung dar.

Die Vertragsstrafe kann andererseits dazu dienen, dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung einer Verpflichtung den Nachweis des Schadenseintritts und/oder der genauen Höhe des Schadens zu erleichtern bzw. ganz abzunehmen. Das ist insbesondere in Fällen von Interesse, in denen die Beweisführung erschwert ist, wie bei der Verzögerung der Leistung, Wettbewerbsverstößen oder dem Vertragsbruch von Führungskräften, z.B. wenn diese, da sie selbst vor einem Unternehmenswechsel stehen, Mitarbeiter im eigenen Unternehmen zum Firmenwechsel animieren. Es wird also der Zweck verfolgt, für den Fall einer Pflichtverletzung den voraussichtlichen Schaden bereits vorab abzuschätzen. Dabei gibt eine Vereinbarung einer Vertragsstrafe auch die Möglichkeit, Schadenspositionen ersatzfähig zu machen, die im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach allgemeinen Regeln nicht oder nicht eindeutig geltend gemacht werden könnten, sei es z.B., dass es sich um einen nicht finanziellen Schaden handelt, sei es, dass die Schadenspositionen nach den allgemeinen Regeln nicht als adäquat kausal verursacht angesehen würden. Jedenfalls in der Praxis überlagern sich regelmäßig beide Zwecke.

Sehr eng mit der Vertragsstrafe in ihrer zweiten Ausprägung verwandt, ist die Schadenspauschale. Eine solche kommt zum Tragen, wenn tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, dessen Höhe die Parteien bei Vereinbarung der Pauschale abgeschätzt haben.

Im Unterschied zur Garantie zielt die Vertragsstrafe auf die Beeinflussung des zukünftigen Verhaltens des Schuldners. Verspricht dieser eine Leistung für den Fall des Vorliegens oder des Eintritts bestimmter Umstände, die von seinem, des Schuldners, zukünftigen Verhalten unabhängig sind, handelt es sich nicht um eine Vertragsstrafe, sondern um eine Garantie. Der Garantie fehlt jede Straf- oder Zwangsfunktion. Anders als die Vertragsstrafe im Grundsatz setzt sie deshalb auch kein Verschulden oder Vertretenmüssen voraus.

In Abgrenzung zur Vertragsstrafe liegt eine so genannte Verfall- oder Verwirkungsklausel dann vor, wenn der Schuldner im Falle einer Verletzungshandlung keine zusätzliche Leistung erbringen muss, sondern eigene Rechte verliert.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Das Institut der Vertragsstrafe hat seine Wurzeln im römischen Recht. Urteile mussten in Rom stets auf einen bestimmten Geldbetrag lauten (omnis condemnatio pecuniaria). Das hatte zur Konsequenz, dass eine Vielzahl von vertraglichen Versprechen nicht auf direktem Weg durchsetzbar waren, nämlich all die, die keinen finanziellen Wert für den Versprechensempfänger hatten. Dies betraf z.B. Zusagen des Versprechenden, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Hier half das römische Recht dem Gläubiger mit sog. unechten oder selbständigen Strafversprechen. Der Versprechende erklärte, er werde dem Versprechensempfänger eine bestimmte Geldsumme bezahlen, falls er, der Versprechende, eine bestimmte Handlung nicht vornimmt. Damit wurde die Handlung zwar nicht direkt, wohl aber indirekt durchsetzbar. Auch im römischen Recht hatte die Vereinbarung von Vertragsstrafen im übrigen schon den Zweck, dem Gläubiger die Rechtsverfolgung zu erleichtern, indem bereits bei Vertragsschluss im Wege der Schadensschätzung eine bestimmte Zahlungsverpflichtung für den Fall festgelegt wurde, dass der Schuldner seinen Pflichten nicht nachkommen sollte. Es handelte sich dann um ein echtes oder unselbständiges Strafversprechen.

Während vertragliche Versprechen unter bestimmten Voraussetzungen, einen bestimmten Betrag zu bezahlen, im Grundsatz in allen europäischen Rechtsordnungen bekannt sind, zeigen sich in der Einzelausgestaltung fundamentale Unterschiede. Dies betrifft vor allem die zulässigen Zwecke solcher Versprechen sowie die Abgrenzung zum allgemeinen Schadensersatzrecht. Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen den civil law und den common law-Jurisdiktionen.

Vertragsstrafenabreden werden in sämtlichen civil law-Jurisdiktionen anerkannt. Die nationalen Regelungen erlauben mit der Vereinbarung von Vertragsstrafeversprechen die Verfolgung beider Zwecke, die Druck-/Präventivfunktion wie auch die Erleichterung der Schadloshaltung für den Gläubiger. In den civil law-Jurisdiktionen (z.B. Frankreich, Italien, Deutschland und Schweden) ist daher ein konkreter Schadensnachweis nicht erforderlich. Weil beide Zwecke anerkannt sind, wird häufig auch nicht zwischen Vertragsstrafe und Schadenspauschale unterschieden.

Zahlreiche civil law-Jurisdiktionen (z.B. Österreich, Dänemark, Finnland, Schweden, die Niederlande, Italien und Frankreich) kennen die Möglichkeit, die Herabsetzung einer überhöhten Vertragsstrafe gerichtlich erwirken zu können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. So kannte das römische Recht in großem Respekt vor der freien Selbstbindung der Vertragsparteien eine solche Möglichkeit zur Herabsetzung nicht. Richterliche Herabsetzungsrechte sind deshalb auch eine verhältnismäßig neue Entwicklung und tragen dem Umstand Rechnung, dass sich der Versprechende bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen häufig in einer deutlich unterlegenen Verhandlungsposition befindet. In Deutschland und Österreich besteht das Herabsetzungsrecht denn auch nicht bei Handelsverträgen. Das französische Recht kennt schließlich auch die Möglichkeit einer Heraufsetzung einer lächerlichen Vertragsstrafe (peine dérisoire).

Trotz des gemeinsamen Verständnisses von Vertragsstrafeversprechen ist das Verhältnis insbesondere zum allgemeinen Schadensersatzrecht (Schadensersatz) in den einzelnen civil law-Jurisdiktionen gänzlich verschieden. In den meisten civil law-Jurisdiktionen (z.B. in Frankreich, Italien oder Spanien) tritt die Vertragsstrafe an die Stelle des allgemeinen Schadensersatzanspruches mit der Konsequenz, dass der Gläubiger nicht alternativ den Ersatz seines tatsächlichen Schadens verlangen kann, auch wenn er ihn im Einzelnen belegen kann. Auch kann er nicht zusätzlich zur Vertragsstrafe einen Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Regelungen geltend machen bzw. nur, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Dies ist keineswegs zwingend, wie z.B. das österreichische und deutsche Recht belegen. In Österreich kann der Gläubiger einen die Vertragsstrafe übersteigenden Schaden geltend machen. Ist der Schuldner Verbraucher (Verbraucher und Verbraucherschutz), muss dies jedoch vorab vereinbart werden. In Deutschland kann auch bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe der Gläubiger nach § 340 Abs. 2 BGB, sofern ihm ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zusteht, diesen (unter Anrechnung der Vertragsstrafe) vollständig nach allgemeinen Regeln ersetzt verlangen.

Im Grundsatz Übereinstimmung besteht in den meisten civil law-Jurisdiktionen im Verständnis des Verhältnisses zwischen Erfüllungsanspruch und Vertragsstrafe. So wird allgemein danach unterschieden, welches Interesse mit der Vertragsstrafenvereinbarung verfolgt wird. Soll mit dieser die Nichterfüllung der Vertragspflicht sanktioniert werden, kann der Gläubiger, wenn er die Vertragsstrafe verlangt, nicht weiter seinen Erfüllungsanspruch geltend machen. Anders ist die Situation bei Vertragsstrafenabreden zur Sicherung der ordnungsgemäßen, insbesondere der rechtzeitigen Erfüllung. Hier ist eine Kumulation von Straf- und Erfüllungsanspruch möglich.

Die common law-Jurisdiktionen unterscheiden streng zwischen Vertragstrafenversprechen (penalties) und Schadenspauschalen (liquidated damages). Während Vereinbarungen von liquidated damages zulässig sind, sind Vereinbarungen von penalties unwirksam. Abgegrenzt wird danach, ob die Vereinbarung Strafcharakter (in terrorem) hat oder eine Vorabschätzung des voraussichtlichen Schadens für den Fall der Pflichtverletzung darstellt (genuine pre-estimate of damages). Die Unwirksamkeit von Vereinbarungen mit Strafcharakter geht auf die Equity-Rechtsprechung (equity) des 17. Jahrhunderts zurück. Es entsprach einer verbreiteten Praxis, dass sich der Gläubiger (in der Regel eine Bank) in einer gesiegelten Urkunde vom Schuldner für den Fall, dass dieser nicht zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Geldsumme leistete, die Zahlung eines höheren, im Allgemeinen doppelt so hohen Betrages versprechen ließ. Wurden derartige Klauseln ursprünglich als Mittel verwandt, das Zinsverbot zu umgehen, setzte man penalties in der Folge insbesondere als Druckmittel ein, um die at law nicht erzwingbare specific performance (Erfüllungsanspruch) zu erreichen. Hiergegen wandte sich die Equity-Rechtsprechung. Ob es sich bei der vereinbarten Summe um eine zulässige Schadenspauschalierung oder eine unzulässige Abrede einer Zivilstrafe handelt, wird in den common law-Jurisdiktionen aus ex ante-Sicht, also bezogen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Versprechens, beurteilt. Ist die Klausel danach wirksam, werden die liquidated damages geschuldet, und zwar gleichgültig, ob tatsächlich ein höherer oder ein niedrigerer Schaden entstanden ist. Ist die versprochene Summe nach diesen Maßstäben überhöht, stellt die Klausel also eine penalty dar, entfällt sie gänzlich; sie wird insbesondere nicht auf ein vertretbares Maß reduziert. Der Gläubiger kann dann jedoch vollen (unter anderem zu beweisenden) Schadensersatz nach allgemeinen Regeln verlangen. Weil zulässige Vertragsstrafen im englischen Recht keine Erfüllungssicherungsfunktion haben, geht grundsächlich bei der Geltendmachung von liquidated damages der Erfüllungsanspruch nicht unter. Der Gläubiger muss also nicht zwischen Erfüllung und Strafe wählen.

3. Rechtsvereinheitlichung

Vertragsstrafeabreden bieten für grenzüberschreitende Vertragswerke die Möglichkeit, eine oft mit hohem Aufwand und Kosten verbundene Schadensermittlung zu vermeiden. Daher sind Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Vertragsstrafenregelungen früh aufgekommen.

Mit einer Konvention der Benelux-Staaten (Benelux) wurde am 26.11.1973 ein erster Versuch der Rechtsvereinheitlichung unternommen. Ausgangspunkt für diese Konvention war, dass in den Benelux-Ländern keine Rechtsgrundlage für ein richterliches Ermäßigungsrecht bei überhöhter Vertragsstrafe bestand. Bemerkenswert ist, dass die Konvention ausschließlich Regelungen über die Vertragsstrafe zum Inhalt hatte, was die Bedeutung dieses Instituts in der Rechtspraxis deutlich macht. Weil die Pläne für ein solches Einheitsrecht in den Benelux-Staaten wegen der voranschreitenden Vereinheitlichungsentwicklungen auf Ebene der Europäischen Gemeinschaften aufgegeben wurden, ist es jedoch nie zu einer Ratifikation der Konvention gekommen. An die Konvention knüpfte aber eine Resolution des Europarates vom 20.1.1978 an. Diese Resolution, die keine unmittelbare Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten nach sich zog, empfahl, in die nationalen Rechtsordnungen ein entsprechendes Vertragsstrafenrecht aufzunehmen. Bei der Erarbeitung waren erstmals auch englische Rechtsexperten – also aus einer common law-Jurisdiktion – einbezogen.

In den PECL (Art. 9:509), den UNIDROIT PICC (Art. 7.4.13), dem DCFR (Art. III.-3:712) und dem Avant-projet (Art. 170) ist das Institut der Vertragsstrafe weitgehend inhaltsgleich geregelt. Die Acquis Principles enthalten keine Regelungen zur Vertragsstrafe. Als Zweck der Vertragsstrafe erwähnen die Kommentierungen der PECL und der UNIDROIT PICC neben der Möglichkeit, mit der Vertragsstrafe eine erleichterte Schadloshaltung zu erreichen, ausdrücklich auch den Strafcharakter. Die übrigen Entwürfe treffen zu den Funktionen der Vertragsstrafe selbst keine Aussage, setzen aber die Möglichkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu beiden Zwecken voraus. Eine richterliche Herabsetzung der Strafsumme auf einen angemessenen Betrag kennen alle Modelle, und zwar wenn die Strafsumme im Verhältnis zu dem tatsächlich eingetretenen Schaden oder zu den sonstigen Umständen grossly excessive, d.h. gröblich, stark oder offensichtlich überhöht ist. Wie diese Unverhältnismäßigkeit im Einzelnen festzustellen ist, lässt sich aus den Vereinheitlichungsmodellen und den dazugehörigen Begründungen nicht eindeutig entnehmen. Der Wortlaut legt jedoch den Schluss nahe, dass die Strafsumme nicht erst bei einer sittenwidrigen Höhe, sondern bereits bei einer Unverhältnismäßigkeit unterhalb dieser Schwelle herabzusetzen ist. Nach dem Avant-projet kommt eine Herabsetzung auch in Betracht, wenn der Schuldner eine teilweise Erfüllung bewirkt hat, ohne dass der Gläubiger sie zurückgewiesen hat.

Ausweislich der Kommentierung der PECL und nach dem Avant-projet regelt die Strafvereinbarung die Schadensersatzfrage grundsätzlich abschließend. Ein Schadensnachweis ist jeweils ausdrücklich nicht erforderlich, allerdings ist auch der Nachweis eines höheren Schadens nicht möglich. So wird man auch die beiden anderen Entwürfe verstehen. Den Parteien ist es jedoch überall möglich, den Strafbetrag als Mindeststrafe festzulegen und dem Gläubiger die Möglichkeit offenzuhalten, den Eintritt eines höheren Schadens nach allgemeinen Regeln nachzuweisen. Ob für die Verwirkung des Strafbetrags ein Verschulden oder Vertretenmüssen notwendig ist, ergibt sich aus den Modelltexten und den dazugehörigen Kommentierungen nicht. Ob für die Verwirkung daher ein Verschulden oder Vertretenmüssen erforderlich sind, dürfte von dem konkreten Versprechen abhängen.

Alle Entwürfe orientieren sich damit im Prinzip an der Rechtslage in den civil law-Jurisdiktionen. Der Avant-projet ordnet schließlich an, dass Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten eines Verbrauchers stets unwirksam sind.

Bereits 1983 wurde der UNCITRAL Regelungsvorschlag für Uniform Rules on Contract Clauses for an Agreed Sum Due upon Failure of Performance formuliert, dies obwohl das UN-Kaufrecht bewusst auf entsprechende Regelungen verzichtet hatte. Dort ist ausdrücklich normiert, dass eine Vertragsstrafe sowohl als Druckmittel als auch zum Zwecke des Schadensausgleichs vereinbart werden kann. Ähnlich wie die übrigen Vereinheitlichungsmodelle sieht der UNCITRAL Vorschlag ein richterliches Ermäßigungsrecht vor, wenn das Verhältnis zwischen tatsächlichem Schaden und Strafsumme substantially disproportionate ist. Auch hier lässt sich ein genauer Maßstab den Modellvorschriften nicht entnehmen. Darüber hinaus enthält der Modellvorschlag der Vereinten Nationen Bestimmungen über das Verhältnis des Strafanspruchs zu den sonstigen Ansprüchen des Gläubigers. So sieht er vor, dass nur im Falle einer Strafvereinbarung wegen verspäteter Erfüllung der Anspruch auf Naturalerfüllung und die Strafe nebeneinander geltend gemacht werden können. Eine besondere Regelung enthält der UNCITRAL Vorschlag für das Verhältnis zwischen Vertragsstrafe und sonstigem Schadensersatz. Danach verbietet er zwar grundsätzlich eine parallele Geltendmachung. Gleichwohl ist dies ausnahmsweise und dann ohne vorherige Vereinbarung möglich, wenn die vereinbarte Summe den tatsächlichen Schaden substantially unterschreitet. Darüber hinaus regelt der UNCITRAL Vorschlag ausdrücklich, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe ein Verschulden des Schuldners voraussetzt. Ein unmittelbarer Einfluss des UNCITRAL Vorschlags auf die UNIDROIT PICC lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Substanz der UNIDROIT PICC nachweisen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach allen Modellentwürfen Vertragsstrafen sowohl zum Zweck der Schadenspauschalierung wie auch der Abschreckung von einem Bruch der Verpflichtung zulässig sind. Durchgängig ist ein richterliches Ermäßigungsrecht vorgesehen. Darüber hinaus begreifen die Modelle die Vertragsstrafe allesamt als grundsätzlich abschließende Regelung eines Schadensersatzes. Lediglich der UNCITRAL Vorschlag setzt für die Verwirkung der Vertragsstrafe zwingend ein Verschulden voraus.

4. Regelungen in CISG und CMR

Das CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) enthält umfangreiche Regelungen über den Schadensersatz, erwähnt jedoch dabei die Vertragsstrafe nicht. Die Parteien können aber in einem Vertrag, auf den das CISG Anwendung findet, durchaus Vertragsstrafenabreden vereinbaren. Die Wirksamkeit der jeweiligen Klausel bestimmt sich dann nach dem gemäß Kollisionsrecht anwendbaren nationalen Recht. Für internationale Straßentransportverträge findet sich eine grundsätzliche Beschränkung der Haftungshöhe in Art. 23 Nr. 6 CMR. Zugleich ist in Art. 41 CMR geregelt, dass Vereinbarungen über eine höhere Haftung nichtig sind. Im Anwendungsbereich der CMR sind daher Vertragsstrafevereinbarungen unwirksam.

Literatur

Rolf Knütel, Stipulatio Poenae: Studien zur römischen Vertragsstrafe, 1976; Georg Bucksch, Rechtsvergleich zu Vertragsstrafe und/ oder pauschaliertem Schadensersatz, Recht der Internationalen Wirtschaft 1984, 778 ff.; Guenter H. Treitel, Remedies for Breach of Contract, 1988, 208 ff.; Ralf-Peter Sossna, Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993, Klaus Peter Berger, Vertragsstrafen und Schadenspauschalierungen im Internationalen Wirtschaftsvertragsrecht, Recht der Internationalen Wirtschaft 1999, 401 ff.; Isabel Steltmann, Die Vertragsstrafe in einem Europäischen Privatrecht, 2000; Peter Gottwald, Zum Recht der Vertragsstrafe, in: Festschrift für Alfred Söllner, 2000, 379 ff.; Harriët Natalie Schelhaas, in Danny Busch, Ewoud H. Hondius, Hugo van Kooten, Harriët Natalie Schelhaas, Wendy M. Schramma (Hg.), The Principles of European Contract Law and Dutch Law, 2002, Art. 9:509; eadem, Het boetebeding in het europese contractenrecht, 2004; eadem, The Judicial Power To Reduce Contractual Penalty, Judgements of the Dutch Supreme Court, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 12 (2004) 386 ff.; Hugh Beale (Hg.), Chitty On Contracts, Bd. I, General Principles, 30. Aufl. 2008, Rn. 26-109 ff.; Francois Terré, Philippe Simler, Yves Leguette, Droit Civil, Les Obligations, 9. Aufl. 2005, 613 ff.; A. Mari in Luisa Antoniolli, Anna Veneziano (Hg.), Principles of European Contract Law and Italian Law, 2005, Art. 9:509; Guenter H. Treitel, Edwin Peel, The Law of Contract, 12. Aufl. 2007, 1075 ff.