Verbraucherverträge (IPR und IZPR) und Verbrauchsgüterkauf: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Hannes Rösler]]''
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== 1. Regelungserfordernis und Verbraucherbegriff ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Für den zunehmend mit grenzüberschreitenden Geschäften konfrontierten Verbraucher ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) sind im Fall vertragsrechtlicher Probleme zwei Fragen bedeutsam: die nach dem anwendbaren Recht und nach der ggf. zuständigen staatlichen Gerichtsbarkeit. Schließlich rufen die Ermittlung ausländischen Rechts und die Rechtsverfolgung im Ausland einige Zusatzmühen und ‑kosten hervor. Neben dem sonstigen Zivil- und Prozessrecht variiert auch das Niveau des verbraucherspezifischen Sachrechts – trotz (und teils wegen) der Verpflichtung der [[Europäische Gemeinschaft|EG]] zu einem hohen Verbraucherschutzniveau. Der Verbraucher würde angesichts der oft geringen Streitwerte ohne Abhilfe seitens der EG seine Ansprüche noch seltener durchsetzen. Dies wäre unvereinbar mit einem einheitlichen Binnenmarkt, der gerade auf vermehrte Mobilität zielt.  
Zur Stärkung des Verbrauchervertrauens in den auszubauenden europäischen Binnenmarkt harmonisiert die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44) den Kauf von Waren zum privaten Konsum von beruflichen und gewerblichen Verkäufern. Mit Umsetzungsfrist zum 1.1.2002 prägt die Richtlinie Teile der mitgliedstaatlichen Gewährleistungsrechte durch die Etablierung eines gemeinsamen kaufrechtlichen Mindestsockels zugunsten des Verbrauchers (Grundsatz der Mindestharmonisierung, Art. 8(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Konsumenten sollen effektiven und effizienzsteigernden Gebrauch machen von der infolge Marktöffnung, Fernverkehr und ‑kommunikation erweiterten Angebotsvielfalt. Die Richtlinie geht von einem aktiven Verbraucher aus, der EU-weit unter Nutzung der Grundfreiheiten agiert. Er bedarf damit entsprechenden Schutzes – unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat er Geschäfte tätigt. Darum werden auch rein innerstaatliche Verträge erfasst, so wie es für die Richtlinien im Verbraucherrecht kennzeichnend ist.


Die europäischen Rechtsakte zum [[Internationales Privatrecht|internationalen Privatrecht]] sowie zum internationalen Zivilprozessrecht sehen direkte und einfache Sonderregeln zugunsten des Verbrauchers vor: Der Verbraucher wird grundsätzlich in Form der Anwendung des Rechts seines gewöhnlichen Aufenthaltsstaates sowie durch die Zuständigkeit der Gerichte in seinem Wohnsitzstaat bevorzugt. Davon abweichende Parteivereinbarungen sind nur in engen Grenzen möglich.
Jedoch zielt der Rechtsakt zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter nicht allein auf die Wahrung ökonomischer Interessen beim wichtigsten sämtlicher Verbrauchergeschäfte. Zugleich wird auch die Produktqualität und ‑sicherheit erhöht, indem die berechtigten Verbrauchererwartungen geschützt werden. Anders als die Klausel-RL (RL 93/13) weist die Richtlinie keine schwache, rein hinweisgebende „graue“ Anhangliste auf. Der bislang wichtigsten privatrechtlichen Richtlinie mit weitgehend zwingenden Regelungen kommt eine systembildende Bedeutung für die Fortentwicklung des europäischen Vertragsrechts zu. Da sie Letzteres mit dem UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) gemein hat, wird nachfolgend auf die angesichts der unterschiedlichen Anwendungsbereiche überraschenden Parallelen hingewiesen.


''Personelle ''Voraussetzung ist übergreifend das Vorliegen eines [[Rechtsgeschäft]]s zwischen Endverbraucher und Unternehmer. Die Definitionen dieses Gegensatzpaares entsprechen den Systembegriffen des Verbraucher-''acquis'' ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). Nur im IZPR besteht eine Abweichung: Bedingt durch die Vorgängervorschrift im Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) schließt heute Art. 15(1) Brüssel I-VO (VO 44/ 2001, auch mit EuGVO abgekürzt) juristische Personen vom Verbraucherbegriff nicht aus. Aber die nachfolgende Rom I-VO (VO 593/2008) beschränkt den Schutz zutreffenderweise auf natürliche Personen ([[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Sinnvoll wäre nun eine parallele Klarstellung in der Brüssel I-VO. Der EuGH legt die personellen Voraussetzungen zumindest bei der Zuständigkeit erstaunlich strikt aus. So hat der EuGH Rs. C-464/01 –'' Gruber'', Slg. 2005, I-439 beim Dachziegelkauf für einen Bauernhof das Vorliegen einer Verbrauchersache wegen beruflich-gewerblicher Komponente abgelehnt (näher [[Verbraucher und Verbraucherschutz]]).
== 2. Regelungsgehalt der Verbrauchsgüterkauf-RL (im Vergleich zum CISG) ==
=== a) Anwendungsbereich ===
Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie wird durch die Begriffe des Verbrauchers und gewerblichen Verkäufers festgelegt (Art. 1(2)(a) und (c) Verbrauchsgüterkauf-RL), wobei das Begriffspaar den allgemeinen Definitionen von Verbraucher und Gewerbetreibendem entspricht ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). In sachlicher Hinsicht sind Kauf- und auch „Werklieferungsverträge“ erfasst (s. Art. 1(4), 2(3) 3. Alt. Verbrauchsgüterkauf-RL; ebenfalls gleichstellend: Art. 3(1) CISG). Beim Vertragsgegenstand der „Verbrauchsgüter“ handelt es sich nach Art. 1(2)(b) Verbrauchsgüterkauf-RL – ähnlich weitgefasst wie § 90 BGB – schlicht um bewegliche körperliche Gegenstände. Ausgenommen sind Waren aus Zwangsversteigerungen sowie Energie, aber auch Wasser aus Leitungen (weitgehend in Übereinstimmung mit Art. 2(c) und (f) CISG).


== 2. EuGH und Gleichklang zwischen IPR und IZPR ==
=== b) Begriff der Vertragsgemäßheit  ===
Die Verordnungen Rom I und Brüssel I sind Maßnahmen zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, und zwar auf Grundlage des Kompetenztitels Art. 61(c) i.V.m. 65 EG/81 AEUV. Damit ist die Zuständigkeit des EuGH gemäß Art. 68 EG eröffnet. (Dagegen hatte der Gerichtshof aufgrund eines Auslegungsprotokolls von 1971 die Zuständigkeit für das völkerrechtliche EuGVÜ. Beim EVÜ erhielt der EuGH sie zum 1.8.2004.) Allerdings beschränkt Art. 68(1) EG die vorlageberechtigten und ‑verpflichteten Gerichte noch auf solche, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.  
Zentraler Ansatzpunkt der Verkäuferhaftung ist die „Vertragsgemäßheit“ der Kaufsache. Erwägungsgrund 7 Verbrauchsgüterkauf-RL erklärt dazu zwar nur knapp, es handele sich um ein gemeinsames Grundelement der verschiedenen Rechtstraditionen. Ausführlicher nimmt das Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst Stellung (KOM (93) 509 endg.), das die besondere Beachtung des niederländischen (Art. 7:17 BW), nordischen und englischen Rechts verdeutlicht. Offen beabsichtigt ist zudem die Anlehnung an das UN-Kaufrecht. Dies gilt sowohl beim Konzept eines einheitlichen Vertragsbruchstatbestands (der also nicht nach der Art der Vertragswidrigkeit differenziert) als auch bei den Einzelheiten.


Die Beschränkung der Vorlagebefugnis streicht der Vertrag von Lissabon erfreulicherweise ersatzlos, indem er die Materie den allgemeinen Regeln über die Gerichtsbarkeit in Art. 251 ff. AEUV unterstellt. Damit besteht vermehrt die Chance, mit Hilfe einer einheitlichen Auslegung der Rom I-VO, der Brüssel I-VO sowie der Rom II-VO (VO 864/2007) über [[Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)|außervertragliche Schuldverhältnisse]]) eine einheitliche Terminologie richterlich zu konkretisieren. Dem kommt angesichts der relativen Definitionsarmut der Verordnungen und der Verpflichtung zur autonomen Begriffsbestimmung eine große Bedeutung zu (s. auch Art. 18 EVÜ bzw. Art. 36 EGBGB mit der Verpflichtung zur einheitlichen Auslegung).  
Zur Beurteilung der Vertragsgemäßheit hat die ausdrückliche Parteiabrede über die Sollbeschaffenheit Vorrang. Fehlt es hieran, wird die Vertragsgemäßheit beweiserleichternd nach den kumulativen Gesichtspunkten des Art. 2(2) Verbrauchsgüterkauf-RL vermutet: So in subjektiver Hinsicht, wenn die Ware mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung und den vorgelegten Proben und Mustern übereinstimmt (a) oder sie sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignet, der dem Verkäufer zustimmend zur Kenntnis gebracht wurde (b). (Die Ausnahme des fehlenden Vertrauens bzw. Vertrauendürfens des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers nach Art. 35(2)(b) 2. Halbsatz CISG wurde dagegen nicht übernommen.) Unter objektiven Gesichtspunkten wird die Vertragsgemäßheit vermutet, sofern sich die Ware für die Zwecke eignet, die für Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden (c) oder sie eine Qualität und Leistung aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die vom Verbraucher vernünftigerweise erwartet werden können (d).


So musste der EuGH z.B. den Vertragsbegriff durch Rs. C-27/02 – ''Engler'', Slg. 2005, I-481 erst näher definieren. Dort ging es um Verpflichtungen im Fall isolierter Gewinnmitteilungen aus dem Ausland. Solche nicht mit einer Warenbestellung verbundenen Gewinnmitteilungen unterfallen als einseitige Verpflichtungen nicht dem als Sondervorschrift eng auszulegenden Art. 13(1) Nr. 3 EuGVÜ. (Vgl. dagegen für den weiter gefassten Vertragsbegriff in Art. 15(1)(c) Brüssel I-VO jüngst EuGH Rs. C-180/06 – ''Ilsinger'', EWS 2009, 280, Rn. 51). Allerdings sind Gewinnmitteilungen freiwillig eingegangene Verpflichtungen, so dass nach ''Engler'' der allgemeine, weit auszulegende Vertragsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ eröffnet sein soll, der eine deliktische Zuständigkeit verdrängt.
Dies ist mit Art. 35(2) CISG praktisch identisch. Allerdings kommt es nach UN-Kaufrecht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs an, während die Richtlinie auf den unbestimmten Zeitpunkt der „Lieferung“ abstellt. Zudem sind hier zwei Innovationen enthalten: Erstens wird die Vertragsgemäßheit einer Kaufsache nach Art. 2 (2)(d) i.V.m. (4) Verbrauchsgüterkauf-RL auch durch Werbung oder Etikettierung des Verkäufers, Herstellers oder seines Vertreters bestimmt. Sie muss dazu notwendigerweise ernst zu nehmen und sachbezogen sein. Zweitens hat der Käufer Ansprüche wegen Vertragswidrigkeit, wenn der Mangel aufgrund unsachgemäßer Montage bzw. falscher oder unzureichender Montageanleitung erst nach Lieferung entstanden ist (sog. Ikea-Bestimmung in Art. 2(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Eine Regelung über unzureichende Verpackung wie in Art. 35(2)(d) CISG weist die Richtlinie nicht auf.


Angesichts der Parallelen zwischen beiden Verordnungen ist die wechselseitige Übertragung von Begriffsbestimmungen erstrebt und mehr als sinnvoll. (Diese Abstimmung galt auch schon für EVÜ und EuGVÜ, siehe nur den ''Giuliano/Lagarde''-Bericht zum EVÜ, ABl. 1980 C 282//1). Inwieweit dies nun im Einzelnen möglich ist, bleibt zwar wegen unterschiedlicher Funktion von Kollisions- und Prozessrecht grundsätzlich umstritten. Die Bedenken können aber für die verbraucherschützenden Bestimmungen kaum Geltung beanspruchen. Beim Verbraucherschutz gibt das Kollisionsrecht seine strikte Neutralität auf und nähert sich dem Prozessrecht an, das auch allgemein von Schutzerwägungen geleitet wird. Ein Auslegungsgleichklang ist hier erwünscht. Die Parallelen führen auch dazu, dass anwendbares Recht und das Heimatforum des Verbrauchers regelmäßig zusammenfallen. Ein solcher Gleichlauf von anwendbarem Recht und Gerichtsstand ist wegen des typischerweise niedrigen Streitwerts bei Verbraucherverträgen zielführend.  
=== c) Rechtsbehelfe und Zwei-Jahres-Frist ===
Im Fall der Vertragswidrigkeit bestehen auf zwei Stufen je zwei Rechtsbehelfe. Vorrangig kann der Verbraucher nach Art. 3(2), (3) Verbrauchsgüterkauf-RL Nachbesserung oder Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten verlangen ([[Nacherfüllung]]). (Das englische Recht musste darum in sec. 48E Abs. 2 ''Sale of Goods Act 1979'' die ''specific performance ''erlauben.) Eingeschränkt wird das Wahlrecht durch die Befugnis des Verkäufers, eine der beiden Abhilfeformen wegen Unverhältnismäßigkeit (Kosten) oder Unmöglichkeit zu verweigern (vgl. Art. 49 CISG). Zur zweiten Stufe kommt es nur unter erschwerten Umständen. Dazu muss die – für den Verbraucher unentgeltliche – Herstellung des vertragskonformen Zustands des Verbrauchsgutes in jeder der beiden Formen unmöglich sein oder sich insgesamt als objektiv unverhältnismäßig erweisen; oder der Verkäufer schafft nicht innerhalb einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten Abhilfe. Dann hat der Verbraucher Anspruch auf eine angemessene Minderung des Kaufpreises nach Art. 3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL. Vertragsauflösung mit möglicherweise komplizierter Rückgängigmachung der Leistungen kann er nur im Fall einer nicht geringfügigen Vertragswidrigkeit verlangen (Art. 3(6) Verbrauchsgüterkauf-RL). Dies ist Ausdruck der vertragserhaltenden und insoweit kostenreduzierenden Grundtendenz der Richtlinie, die sich ebenfalls in der Wiener Konvention findet (Art. 49 CISG). Allerdings sieht die Richtlinie für den Übergang von der ersten Stufe zur zweiten keine Nachfristsetzung vor, was einen Unterschied zu Art. 47 CISG und auch § 323 BGB darstellt ([[Nichterfüllung]]).


Großbritannien hat von der Möglichkeit des ''opt-in'' zu Rom I Gebrauch gemacht, wie schon bei der Brüssel I-VO. Im Verhältnis zu Dänemark wird allerdings wegen Art. 69 EG wohl nicht Rom I, sondern noch weiterhin das EVÜ gelten. Dänemark hat sich freilich der Brüssel I-VO angeschlossen, und zwar auf der Grundlage eines am 1.7.2007 in Kraft getretenen Abkommens (ABl. 2007 L 94/70). Das insoweit zwischenzeitlich weitergeltende EuGVÜ wurde endgültig ersetzt.  
Eine weitere Vorgabe ist die Zwei-Jahres-Frist nach Lieferung des Verbrauchsgutes, in welcher der Verkäufer dem Verbraucher für eine Vertragswidrigkeit haftet (Art. 5(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zeigt sich die Vertragswidrigkeit innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung, ist zu vermuten, sie habe schon zu diesem entscheidenden Zeitpunkt bestanden. Eine solche dem UN-Kaufrecht fremde Regel ist angesichts der teils hochtechnisierten Verbrauchsgüter sinnvoll. Für die restlichen 18 Monate gilt wieder die klassische Beweislast des Käufers, und zwar nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts. Die somit auf ein halbes Jahr befristete Beweislastumkehr nach Art. 5(3) Verbrauchsgüterkauf-RL kommt dem Käufer ohnehin nicht zugute, wenn sie mit der Art des Gutes oder der Vertragswidrigkeit unvereinbar ist. Zwar besteht im Unterschied zum Handelskauf keine Untersuchungsobliegenheit des Verbrauchers. Hatte der Verbraucher aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis'' ''von der Vertragswidrigkeit oder konnte er darüber vernünftigerweise nicht in Unkenntnis sein, ist eine Haftung gemäß Art. 2(3) Verbrauchsgüterkauf-RL ausgeschlossen – insoweit genau wie bei Art. 35(3) CISG.


== 3. Anwendbares Recht ==
=== d) Garantiezusagen ===
=== a) Art. 5 EVÜ und Art. 6 Rom I-VO ===
Des Weiteren schreibt Art. 6 Verbrauchsgüterkauf-RL die [[Transparenz]] und Haftung bei Garantiezusagen vor. Solche Zusagen sind abzugrenzen von [[Garantie]]n, die gegen Bezahlung oder von Dritten (z.B. Versicherungen) abgegeben werden. Erfasst sind nur ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtungen des Verkäufers oder Herstellers, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder anderweitig Abhilfe zu schaffen (Art. 1(2)(e) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantie ist für den Verwender gemäß den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen bindend (Art. 6(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantieerklärung hat in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt, die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers anzugeben. Klarzustellen ist außerdem, dass die vertragsrechtliche Garantie die gesetzlichen Rechte nicht berührt (Art. 6(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Bei verbraucherseitigem Verlangen muss die Garantie textlich zur Verfügung gestellt werden (Art. 6(3) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zur Verhinderung von Umgehungen sind Garantien auch dann bindend, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt wurden (Art. 6(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Sanktionen sind nur außerhalb der Richtlinie denkbar, insbesondere lauterkeitsrechtliche. Zu bedenken ist auch das Transparenzgebot nach Art. 5 S. 1 Klausel-RL (RL 93/13).
Das Kollisionsrecht der internationalen Verbraucherverträge ist innerhalb der EU bestimmt durch die Rom I-VO. Sie ersetzt das EVÜ für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Gegenüber dem völkerrechtlichen Vorgänger wird beim neuen Gemeinschaftsinstrument der ''sachliche ''Anwendungsbereich erweitert: Die verbraucherrechtliche Bestimmung des Art. 5 EVÜ (in Deutschland inkorporiert mit Art. 29 EGBGB) gilt nur für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen sowie darauf bezogene Kreditverträge. Dagegen sind dem Art. 6(1) Rom I-VO prinzipiell alle Verbraucherverträge unterworfen. Erfasst sind endlich auch immaterielle Leistungsgegenstände (z.B. Software und Musik-Downloads).  


Mit Art. 6(4) Rom I-VO gelten aber weiterhin die vom EVÜ bekannten Ausnahmen. Dazu zählen bedauerlicherweise Dienstleistungen, die ausschließlich außerhalb des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers erbracht werden (z.B. Hotelverträge, Feriensprachunterricht, Sportkurse), aber auch Beförderungsverträge (es gilt Art. 5 Rom I-VO), bis auf Pauschalreisen im Sinne der RL 90/314 ([[Reisevertrag (Pauschalreisen)]], Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen und Mietverträge, ausgenommen Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien im Sinne der RL 94/47. Des Weiteren sind nach Maßgabe von lit. d) und e) bestimmte Aspekte von [[Finanzinstrument]]en nicht erfasst. Mit Art. 7 Rom I-VO findet sich eine vorrangige Vorschrift zu Versicherungsverträgen, die überfällig war. Das EVÜ nimmt sie aus. Vorvertragliche Schuldverhältnisse unterliegen nur den Vorschriften der Rom II-VO (vgl. Art. 1(2)(j) Rom I-VO). Bei deliktischen Produkthaftungsansprüchen gilt speziell Art. 5 der am 11.1.2009 in Kraft getretenen Rom II-VO.
=== e) Sonstige Vorschriften ===
Klauseln oder Vereinbarungen, welche die in der Richtlinie gewährten Rechte außer Kraft setzen oder einschränken, sind für den Verbraucher nicht bindend (Art. 7(1)1 Verbrauchsgüterkauf-RL). Nicht zuletzt aufgrund deutscher Bemühungen bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, im Fall von gebrauchten Gütern den Vertragsparteien zu gestatten, eine kürzere Einstandsfrist als die zweijährige zu vereinbaren. Dabei darf allerdings ein Jahr nicht unterschritten werden (Art. 7(1)2 und 3 Verbrauchsgüterkauf-RL sowie § 475 Abs. 2 BGB). Für Waren „aus zweiter Hand“ besteht damit im Fall eines gewerbsmäßigen Händlers für den Verbraucher eine einjährige Minimumgewährleistung. Damit ist im Fall des Verbraucher-Unternehmer-Geschäfts, z.B. bei Gebrauchtwagen, kein „gekauft wie besehen“ mehr möglich. Die Unabdingbarkeit dieses Mindestsockels ist vor allem in Deutschland heftig als übertriebener protektionistischer Eingriff in die Vertragsfreiheit kritisiert worden.


Für den besonderen kollisionsrechtlichen Schutz muss neben dem erläuterten persönlichen und sachlichen auch der ''situative ''Anwendungsbereich'' ''eröffnet sein. Der Unternehmer hat entweder im Verbraucherstaat eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auszuüben oder – der Rom I-VO folgend – seine vertragsbezogene Tätigkeit „auf irgend einem Wege“ auf ihn auszurichten. Mit diesem neuen übergreifenden Ausrichtungsmerkmal erübrigt sich die Auflistung einzelner Vertragsschluss- und Vertragsanbahnungssituationen. Eine komplexe Liste wie in Art. 5(2) EVÜ erwies sich als zu unflexibel: als mal zu weit, als mal zu lückenhaft. Letzteres war etwa bei den umstrittenen Gran-Canaria-Fällen gegeben, wo ein Tourist im Ausland geworben wurde, sein Vertrag aber erst später im Heimatland zu erfüllen war und er darum als Verbraucher oft schutzlos blieb (vgl. aber BGH 15.11. 1990, BGHZ 113, 11).  
Ferner hat der Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL Rückwirkungen auf die handelsrechtlichen Beziehungen des Verkäufers zu Herstellern, Großhändlern und Importeuren. Dabei kann der Letztverkäufer im Fall einer Ursächlichkeit für die Vertragswidrigkeit gegen die vorherigen Verkäufer in einer Vertragskette oder gegen den Hersteller Regress nehmen. Dieser Rückgriff erfolgt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts und unter – ausdrücklicher – Beachtung der Vertragsfreiheit (Erwägungsgrund 9 Verbrauchsgüterkauf-RL). Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL ist Überbleibsel weitergehender Entwürfe. Nicht durchsetzen konnte sich vor allem eine ''action directe'', also ein Haftungsdurchgriff des Verbrauchers auf den Hersteller nach französischem Vorbild (anders noch das Grünbuch, 112). Zu erwähnen bleibt: Der Rechtsakt unterliegt dem Anwendungsbereich der Unterlassungsklagen-RL (RL 98/27) und enthält mit Art. 7(2) Verbrauchsgüterkauf-RL die übliche IPR-Klausel zum Schutz vor missbräuchlicher [[Rechtswahl]] ([[Verbraucherverträge (IPR und IZPR)]]).


Im Zuge der Vereinfachung stellt Art. 6 Rom I-VO sinnvollerweise nicht mehr auf den Abgabeort der Vertragserklärung ab. Schließlich ist es im Internetzeitalter gleichgültig, ob sich der Verbraucher bei [[Vertragsschluss]] in seinem gewöhnlichen Aufenthaltstaat befand oder nicht. Dieser Ort ist eher zufällig oder verleitet gar einen Unternehmer, den Verbraucher aus seinem Aufenthaltsstaat herauszulocken. Die Streichung in Art. 6 Rom I-VO (gegenüber Art. 5(2) 1. Spiegelstrich EVÜ) folgt der Novellierung in Art. 15(1)(c) Brüssel I-VO (gegenüber Art. 13(1) Nr. 3(b) EuGVÜ).  
== 3. Divergenzen bei der Umsetzung ==
Die Europäisierung eines derart zentralen Bereichs wie des Kaufgewährleistungsrechts bezeugt den erreichten Grad der Rechtsharmonisierung, die sich zuvor auf speziellere Verträge – wie z.B. Haustür- oder Fernabsatzverträge – beschränkte. Die Tragweite der Verbrauchsgüterkauf-RL wird auch durch die Ansicht des deutschen Gesetzgebers verdeutlicht, erstmals sei eine Umsetzung in Sondergesetzen (außerhalb des BGB) nicht mehr sinnvoll. Er nutzte die Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf-RL sowie der RL 2000/35 zum [[Zahlungsverzug]] und der RL 2000/31 zum [[Elektronischer Geschäftsverkehr – E‑Commerce|elektronischen Geschäftsverkehr]] als Anlass zu einer weitreichenden Modernisierung des Schuld- und Verjährungsrechts.


Die „Ausrichtung“ auf den Verbraucherstaat ist noch im Einzelnen klärungsbedürftig – schließlich wurde das Tatbestandsmerkmal vom Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst undefiniert und mit Blick auf noch unbekannte Vermarktungstechniken entwicklungsoffen gelassen. Dies gilt nicht nur bei der Rom I-VO, sondern auch im Fall der Brüssel I-VO, wo es zur Erfassung des Fernabsatzes erstmals 2001 eingeführt wurde (s. zu Art. 15(1)(c) unten 4). Die Parallelität führt zu besagtem begünstigenden Gleichlauf zwischen IPR und IZPR: Verbraucher können vor den Gerichten ihres Aufenthaltsstaats unter Anwendung ihres Sachrechts klagen. Das ist als billiger Interessenausgleich zu begrüßen: Der Unternehmer kann die Anwendung von bestimmten Rechtsordnungen durch die Ausrichtung seiner Tätigkeit vermeiden. Dem Verbraucher wird aber das [[Zwingendes Recht (Regelungsstrukturen)|zwingende Recht]], dem er prinzipiell vertraut, nicht entzogen.  
Seitdem besteht mit §§ 474-479 BGB eine gemeinschaftsrechtliche Insel zu Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs. Zahlreiche Bestimmungen wurden aber überschießend umgesetzt ([[Auslegung des Gemeinschaftsrechts]]), so vor allem die Vertragsgemäßheit nach Art. 2 und die Rechtsfolgen nach Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL. Das BGB in § 433 Abs. 1 hat damit die Erfüllungstheorie von Art. 2(1) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art. 35(1) CISG und des ''common law ''übernommen und sich von der Gewährleistungstheorie verabschiedet. Das Kaufgewährleistungsrecht wurde weitgehend in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert. Dagegen entschied sich die Mehrzahl der restlichen Mitgliedstaaten für eine kleine Lösung, indem sie das neu geschaffene oder reformierte Verbraucherkaufrecht neben das klassische Kaufrecht stellten ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) und auch nicht auf alle Kaufverträge erstreckten.  


Erforderlich für die Sonderanknüpfung durch „Ausrichtung“ ist ein bewusstes und zielgerichtetes Ergreifen von absatzfördernden Maßnahmen in Richtung auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers. Unzureichend ist dagegen die reine Zugänglichmachung einer Internetseite. So verhält es sich etwa mit einer an alle Welt gerichteten Seite mit Produktinformation, die aber für den Verkauf auf Vertriebshändler oder Handelsvertreter verweist. Vielmehr muss die Internetseite auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbieten (z.B. Fax) und der Abschluss hat hierüber zu erfolgen.'' ''
Selbst im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs sind die Mitgliedstaaten vielfältig von der Richtlinie abgewichen. Als Ergebnis von Verhandlungskompromissen sind vier Abweichungen sogar ausdrücklich vorgesehen: Die Mehrheit der Umsetzungsgesetze nutzt erstens besagten Art. 7(1)2 Verbrauchsgüterkauf-RL über die privatautonome Verkürzung der Verjährung im Gebrauchtwarenkauf. (So z.B. Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 und 2 österreich. KSchG; Art.&nbsp;1649quater Abs.&nbsp;1 belg. ''Code civil''<nowiki>; Art.&nbsp;134 Abs.&nbsp;2 ital. </nowiki>''Codice del consuma''<nowiki>; §&nbsp;475 Abs.&nbsp;2 BGB; Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 span. </nowiki>''Ley 23/2003 de garantías en la venta de bienes de consumo'' und Art.&nbsp;17 schwed. Konsumentköplag.) Ebenfalls mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hat zweitens den Verbrauchern besagte [[Rügeobliegenheit]] auferlegt. Für diese vielfach kritisierte Option nach Art.&nbsp;5(2) Verbrauchsgüterkauf-RL haben sich z.B. Dänemark, Finnland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden entschieden.


Dabei soll die auf einer Internetseite benutzte Sprache oder die Währung keine Relevanz haben (Gemeinsame Erklärung von Rat und Parlament zu Brüssel I, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2001, 259, 261; wiederholt in Erwägungsgrund&nbsp;24 der Rom&nbsp;I-VO). Dies macht aber bei international selten verwendeten Sprachen kaum Sinn. Allerdings beschränkt sich das Merkmal nicht nur auf Internet-Sachverhalte. Erfasst sind beispielsweise auch alle Arten der Werbung (die schon die beiden Vorgängerrechtsakte ausdrücklich erwähnten). Dazu zählen auch Zeitungsanzeigen, speziell versandte Kataloge und Angebote durch Vertreter (EuGH Rs.&nbsp;C-96/00 – ''Gabriel'', Slg. 2002, I-6367, Rn.&nbsp;44). Schließlich gilt für beide Verordnungen selbstverständlich: Der Vertrag muss im Rahmen dieser Tätigkeit überhaupt geschlossen worden sein.
Ebenso großer Beliebtheit erfreute sich drittens die (ursprünglich aus dem Lebensmittelkennzeichnungsrecht stammende) Kann-Bestimmung nach Art.&nbsp;6(4) Verbrauchsgüterkauf-RL. Danach können die Mitgliedstaaten verlangen, dass Garantien in einer bestimmten Sprache abzufassen sind – so geschehen im englischen Recht mit sec. 15 Abs.&nbsp;5 ''Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002''. Eine geringere Zahl an Rechtsordnungen hat schließlich von dem unter britischer Ratspräsidentschaft eingefügten Art.&nbsp;1(3) Verbrauchsgüterkauf-RL Gebrauch gemacht und öffentliche Versteigerung ausgenommen; z.B. §&nbsp;474 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;L. 211-2 ''Code de la consommation'' und sec. 12 Abs.&nbsp;2 ''Unfair Contract Terms Act 1977''.


Art.&nbsp;5(2) EVÜ erlaubt die ''[[Rechtswahl]] ''auch im b2c-Bereich. Bis zuletzt war unter den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament umstritten, ob daran festgehalten werden sollte. Die verabschiedete Verordnung hält – auf Drängen Deutschlands und Luxemburgs – an der Parteiautonomie fest: nach Art.&nbsp;6(2) i.V.m. Art.&nbsp;3 Rom&nbsp;I-VO ist die Rechtswahl weiterhin zulässig. Nun kann auch künftig auf Grundlage von Klauselwerken das unternehmerseitige Recht zur Anwendung kommen. Damit soll eine übermäßige Belastung von kleinen und mittelständischen Anbietern verhindert werden. Die Rechtswahlvereinbarung muss dabei – wie stets – ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (Art.&nbsp;3(1) Rom&nbsp;I-VO).  
Die Mindestharmonisierung führt zu weiteren Abweichungen bei der Umsetzung, da sie ein höheres Schutzniveau erlaubt. In Finnland gilt darum etwa die dreijährige Verjährungsfrist und in Großbritannien sowie Irland eine sechsjährige. Beträchtliche Umsetzungsabweichungen finden sich auch bei der Vertragswidrigkeit und der Bestimmung des Lieferungszeitpunkts (s. Umsetzungsbericht KOM(2007) 210 final).


Jedoch bleiben zum Schutz des Verbrauchers die zwingenden verbraucherbegünstigenden Vorschriften seines Aufenthaltstaates bestehen. Dies gilt beispielsweise für eine nationale Gewährleistungsfrist, die zwingend über diejenige nach der Verbrauchsgüterkauf-RL (RL&nbsp;1999/44, [[Verbrauchsgüterkauf]]) hinausgeht. Damit finden im Fall der Rechtswahl weiterhin (und wie auch zum Schutz des Arbeitnehmers bei Art.&nbsp;8 Rom&nbsp;I-VO) zwei Rechtssysteme Anwendung: insgesamt das gewählte nationale oder auch nicht-staatliche Recht, das ergänzt wird um das zwingende verbrauchereigene Schutzrecht. Wenn jedoch die gewählte und die abbedungene Rechtsordnung denselben Gegenstand unterschiedlich zwingend regeln, wird auch weiterhin ein Günstigkeitsvergleich erforderlich.  
== 4. Einschätzung ==
Die Richtlinie schafft kein flächendeckendes Sonderkaufrecht für den Verbraucher, sondern konzentriert sich auf einen Mindestschutz bei Sachmängeln sowie auf Informationsregeln zu Garantien. Aufgrund der verschiedenen Rechtstraditionen bleiben wichtige Bereiche unharmonisiert. Ausgeklammert wurden der Vertragsschluss (anders als in Art.&nbsp;11-24 CISG), der Gefahrübergang, die Verjährungshemmung bzw. ‑unterbrechung, der Mangel- und Mangelfolgeschaden sowie der Schadensersatz. Damit weist die Richtlinie insbesondere in letzterem Bereich eine beträchtliche Lücke auf, und zwar gerade im Vergleich zu Art.&nbsp;74-77 CISG, die eine – verschuldensunabhängige – Schadensersatzhaftung vorsehen.  


Ist danach das gewählte Recht für den Verbraucher vorteilhafter als sein eigenes, kann der Verbraucher sogar von der Rechtswahl profitieren. Angesichts dieses „Rosinenpickens“ ist eine Rechtswahlklausel für den Unternehmer auch weiterhin recht unattraktiv. Bei Obsiegen des Verbrauchers nach eigenem Recht unterlassen die Gerichte den schwer handhabbaren Günstigkeitsvergleich meist: Wegen der Vorteile des Gleichlaufs von anwendbarem Recht und Gerichtsstand wendet das Gericht wohl recht häufig forumeigenes Recht an und übergeht die Rechtswahl.
Insofern wird das Recht des häufigsten Rechtsgeschäfts des Unionsbürgers nur teilweise vereinfacht. Im Detail wurden die Rechtsfragmentierung und die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit stellenweise sogar vorangetrieben. Der Preis ist schließlich auch die nationale Herausbildung einer zum allgemeinen Kaufrecht teils parallelen (wie in Italien und Großbritannien), teils auf einige Sonderfälle (wie in Deutschland) beschränkten Rechtskategorie des europäisch determinierten Verbrauchsgüterkaufs. Vor der Umsetzung sah z.B. das deutsche Recht hier keine Sondervorschriften vor – anders als das niederländische (Art. 7.1 BW), britische (''Sale and Supply of Goods Act 1994'' zur Änderung des ''Sale of Goods Act 1979'') und irische Recht sowie die nordischen Rechtsordnungen.


Liegt keine Rechtswahl vor, kommt es zur objektiven Anknüpfung. Abweichend von Art.&nbsp;4 EVÜ bzw. der Rom&nbsp;I-VO (in Deutschland Art.&nbsp;28 EGBGB) ist dabei nicht das Recht des Staates mit der engsten Verbindung einschlägig, sondern gemäß der erläuterten Voraussetzung diejenige Rechtsordnung, in der der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dabei muss es sich nicht um einen Mitgliedstaat der EU handeln, auch wenn der Entwurf (KOM(2005) 650 endg.) irrtümlicherweise gerade keine allseitige Kollisionsnorm vorsah.
Die nationalen Disparitäten beim Verbrauchsgüterkauf sind nicht nur Folge der Mindestharmonisierung, die die Kommission mit der vorgeschlagenen „horizontalen“ Richtlinie über Rechte der Verbraucher (KOM(2008) 614 endg.) abschaffen würde. Bedenklich sind in erster Linie die vier Abweichungsoptionen. So etwa die optionale Einführung einer Rügeobliegenheit mit zweimonatiger Frist ab Kenntnis der Vertragswidrigkeit. Sie soll dem säumigen Verbraucher die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Mängeln verwehren. Allerdings ist eine solche Anzeigeobliegenheit außerhalb des Handelskaufs (etwa Art.&nbsp;39(1) CISG, §&nbsp;377 HGB) kaum angebracht. (Fallengelassen wurden Kommissionspläne, wie im CISG und HGB eine Untersuchungsobliegenheit einzuführen.) Damit ist zusätzliches Streitpotential geschaffen. Dies ist wegen des oft geringen Streitwerts bei Verbrauchersachen unangemessen, wobei der Verkäufer die schwierige Beweislast für die Fristversäumnis und damit den Verlust der Gewährleistungsrechte des Käufers trägt. Doch vor allem widerspricht die Option den Regelungszielen der Binnenmarktharmonisierung und der Erhöhung des Verbrauchervertrauens.


=== b) Richtlinienkollisionsrecht ===
In der Summe hat die Richtlinie gleichwohl mit weitgehend halbzwingendem Recht und der Beweislastumkehr (für die ersten sechs Monate) das verschuldensunabhängige Gewährleistungsrisiko erhöht. Damit wurde die Rechtsstellung des europäischen Verbrauchers nicht nur grenzübergreifend verbessert. Es handelt sich mit Regelungen zu Werbung, Vertragsgarantien, Regress in Absatzketten und vorrangigem Nacherfüllungsanspruch, der sich den Gattungskauf als Vorbild nimmt, um ein modern-funktionales und ausgewogenes Gewährleistungsregime, das sich an der Marktrealität des Verkaufes industrieller Konsumgüter orientiert.
Fünf jüngere Verbrauchervertragsrichtlinien enthalten Beschränkungen für den Fall der Rechtswahl eines Nichtmitgliedstaates. Dies ist auf die Kompetenz zur Verwirklichung des Binnenmarktes durch Rechtsharmonisierung gestützt (und darum außerhalb von EVÜ bzw. der Rom I-VO). Solche IPR-Klauseln finden sich in Art. 6(2) Klausel-RL (RL 93/13), Art. 9 Timesharing-RL (RL 94/47), Art. 12(2) Fernabsatz-RL (RL 97/7), Art. 7(2) Verbrauchsgüterkauf-RL und Art. 12(2) Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (RL 2002/65). Hiernach ist bei Vereinbarung von Drittstaatenrecht die Einhaltung des Richtlinienrechts sicherzustellen, wenn der Vertrag einen „engen Zusammenhang“ mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist. Die dazu „erforderlichen Maßnahmen“ haben die EU-Staaten und (auf Grundlage des EWR-Abkommens) auch die anderen EWR-Mitglieder zu treffen.


Deutschland ist den kollisionsrechtlichen Umsetzungsaufträgen in Form des zusammenfassenden Art.&nbsp;29a EGBGB nachgekommen. Der zweite Absatz der im Jahr 2000 geschaffenen Sonderanknüpfung enthält ein Regelbeispiel für den geforderten „engen Zusammenhang“. Anzunehmen ist er, wenn der Vertrag auf Grund eines öffentlichen Angebots, einer öffentlichen Werbung oder einer ähnlichen geschäftlichen Tätigkeit zustande kommt, die in einem EU- oder EWR-Staat entfaltet wird und der andere Teil seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei Abgabe seiner Vertragserklärung in eben diesem Raum hat.  
Gleichwohl bemängeln einige Kritiker in ökonomischer Betrachtung, der Konsument werde durch die verhältnismäßig lange Verjährung als eine Art „Versicherung“ nur noch unzureichend zur Sorgfalt, Pflege und Wartung des Konsumartikels angehalten. Doch bei genauerer Sicht muss nach Art.&nbsp;3(1) Verbrauchsgüterkauf-RL die Vertragswidrigkeit bereits bei „Lieferung“ vorhanden sein. Garantiert ist also nicht die Dauerhaftigkeit eines Produkts (s. auch Erwägungsgrund&nbsp;14 Verbrauchsgüterkauf-RL).  


Gleichgültig ist insoweit, wo der Verbraucher seine Willenserklärung abgegeben hat (etwa ob im Heimatland oder am Urlaubsort in EU/EWG oder im Drittland). Anerkannte Bewertungskriterien für die Annahme eines bestimmten Näheverhältnisses sind die Nationalität, der Firmensitz oder die Niederlassung des Verwenders, verwendete Sprache, Ort des Vertragsabschlusses, Erfüllungsort der Leistungen oder die Belegenheit des Leistungsgegenstandes. Bedenklicherweise ist ein Günstigkeitsvergleich nach der deutschen Umsetzung nicht ausdrücklich vorgesehen.  
Zu hoffen bleibt, dass die Gerichte von den Vorlagemöglichkeiten an den EuGH mehr Gebrauch machen als bei vorherigen Richtlinien. Immerhin hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des BGH bereits entschieden, dass §§&nbsp;439 Abs.&nbsp;4 und 346 BGB, die einen Wertersatz für die Nutzung der Sache bis zur Ersatzlieferung vorsehen, mit der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßem Zustands nach Art.&nbsp;3(3)1 Verbrauchsgüterkauf-RL unvereinbar sind (EuGH Rs.&nbsp;C-404/06 – ''Quelle'', Slg. 2008, I-2685; siehe nun § 474 Abs. 2 S. 1 BGB).


Europaweit ist umstritten, ob und inwieweit etwa die Haustürwiderrufs-RL (RL 85/577, [[Haustürgeschäfte]]) und Produkthaftungs-RL (RL 85/374, [[Produkthaftung]]) sowie das [[Herkunftslandprinzip]] in Art.&nbsp;3(1) E-Commerce-RL (RL&nbsp;2000/31) ungeschriebenerweise kollisionsrechtlichen Gehalt entfalten. Künftig ist insbesondere hier auch Art.&nbsp;3(4) Rom&nbsp;I-VO zu beachten, zumal Art.&nbsp;23 i.V.m. Anhang I der Rom&nbsp;I-VO die Verbraucherrichtlinien nicht als vorrangig aufführt.
== 5. Einheitsrecht ==
Der aufgezeigte Gleichklang mit dem UN-Kaufrecht war auch erwünscht, um den Mitgliedstaaten eine weitergehende Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts in Europa am Vorbild des CISG nahezulegen. Dies geschah z.B. in Deutschland (siehe oben), Griechenland (Art. 534&nbsp;ff. ZGB), Österreich (§§&nbsp;922&nbsp;ff. ABGB) und Ungarn (vor allem §§&nbsp;305&nbsp;ff. ZGB). Doch haben die meisten Staaten sich auf eine Minimalumsetzung beschränkt. Damit wurden die Hoffnungen auf eine Verallgemeinerung der Verbrauchsgüterkauf-RL bislang nur bedingt erfüllt.


== 4. Forumsfragen – Art. 15-17 Brüssel I-VO ==
Zu den Unterschieden zwischen der Verbrauchsgüterkauf-RL und CISG zählen die zahlreichen halbzwingenden Vorschriften in der Richtlinie, während das UN-Kaufrecht gemäß Art.&nbsp;6 CISG als vollständig dispositives Recht konzipiert ist. Relevant werden die Unterschiede bei der ungeklärten Kollisionsfrage, die der zweite Halbsatz von Art.&nbsp;2(a) CISG hervorruft: Wenn ein Kauf zu einem persönlichen Gebrauch erfolgt und der Verkäufer dies weder wusste noch wissen musste, kann prinzipiell auch das UN-Kaufrecht eingreifen (näher [[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). Vereinzelt wird ein Vorrang des Gemeinschaftsschutzrechts analog Art.&nbsp;90 CISG angenommen, da die Richtlinie formal einem völkerrechtlichen Übereinkommen entspreche. Vielfach wird dagegen im UN-Kaufrecht die ''lex specialis ''gesehen''.'' Überzeugender wäre es freilich, würden die EG-Mitgliedstaaten, die zugleich Konventionsstaaten sind, eine Vorbehaltserklärung nach Art.&nbsp;94 CISG abgeben.
Die Bestimmung des internationalen – und im Fall des Art.&nbsp;16(1) 2.&nbsp;Alt. Brüssel&nbsp;I-VO auch örtlichen – Verbrauchergerichtsstandes unterliegt bei grenzüberschreitenden Zivilverfahren mit Art. 15-17 Brüssel&nbsp;I-VO seit 1.3.2002 dem Gemeinschaftsrecht. Im Verhältnis zur Schweiz, Island und Norwegen gilt das LugÜ, das entsprechend der Brüssel&nbsp;I-VO reformiert wird.
 
Wie bei sämtlichen Rechtsakten bestehen weitreichende Ausnahmen vom Grundsatz des Beklagtenwohnsitzes, wie er vor allem in Art.&nbsp;2(1) Brüssel&nbsp;I-VO festgeschrieben ist: Bei Aktivprozessen des Verbrauchers hat er das Wahlrecht zwischen dem Gerichtsstand an seinem Wohnort und dem seines Vertragspartners (Art.&nbsp;16(1) 1. und 2.&nbsp;Alt. Brüssel&nbsp;I-VO). Dabei wird er meist den Klägergerichtstand wählen. Klagt dagegen ein Unternehmer, kann er seine Klage allein im Wohnsitzstaat des Verbrauchers anstrengen (Art.&nbsp;16(2) Brüssel&nbsp;I-VO). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Klageerhebung.
 
Zugunsten des Verbrauchers wird der räumlich-persönliche Anwendungsbereich seines Klägergerichtsstands entscheidend erweitert: Nach Art.&nbsp;15(2) Brüssel&nbsp;I-VO unterliegen ihm auch Anbieter aus Drittstaaten, sofern sie eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung in der Gemeinschaft unterhalten. Dies stellt eine Teilausnahme von der ansonsten auch beim Schutzgerichtsstand geltenden territorialen Einschränkung in Art.&nbsp;4(1) Brüssel&nbsp;I-VO dar, wonach der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben muss. Zu beachten ist auch der besondere Gerichtsstand der Niederlassung nach Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;5 Brüssel&nbsp;I-VO (so Art.&nbsp;15(1) Brüssel&nbsp;I-VO).
 
Zum ''sachlichen ''Anwendungsbereich: Eine Herausnahme von außerhalb des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers erbrachten Dienstleistungen kennt die Brüssel&nbsp;I-VO nicht. (Dies sollte auch die Rom&nbsp;I-VO nachvollziehen.) Denn Art.&nbsp;15(1)(c) Brüssel&nbsp;I-VO schafft im Zusammenhang mit dem „Ausrichten“ auch sachlich einen weiten Auffangtatbestand. (Dort heißt es „in allen anderen Fällen“, wohingegen sich Art.&nbsp;13(1) Nr.&nbsp;1 EuGVÜ auf Dienstleistungs- und Lieferverträge beschränkt.) Dementsprechend vorrangig sind die nur historisch zu erklärenden Vertragskategorien des Art.&nbsp;15(1)(a) und (b), also Kaufverträge von beweglichen Sachen auf Teilzahlung sowie Kreditverträge, sofern sie zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt sind.
 
Allerdings gilt der verbraucherrechtliche Abschnitt der Brüssel&nbsp;I-VO gemäß dessen Art.&nbsp;15(3) nicht für Beförderungsverträge, mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen. Vorrangig sind auch die Vorschriften für Versicherungssachen (Art.&nbsp;8-14 Brüssel&nbsp;I-VO) und für ausschließliche Zuständigkeiten, etwa für die Miete von unbeweglichen Sachen (Art.&nbsp;22 Brüssel&nbsp;I-VO).
 
Zum ''situativen ''Anwendungsbereich: Nach Art. 16(1)(c) 1. Alt. Brüssel I-VO handelt es sich um eine Verbrauchersache, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Verbraucherstaat ausübt. Ansonsten muss aber als 2. Alternative das „Ausrichten“ der unternehmerischen Tätigkeit auf den Staat des Verbrauchers vorliegen, das schon zu Art. 6 Rom I-VO näher erläutert wurde (s.o. 3.a). Wiederum muss der Vertrag natürlich in den Bereich der betriebenen oder ausgerichteten Tätigkeit fallen. Ebenfalls kommt es nicht mehr auf den Ort der Vornahme der Rechtshandlungen an.
 
Eine ''[[Gerichtsstandsvereinbarung, internationale|Gerichtsstandsvereinbarung]]'' ist bei Verbrauchersachverhalten weitgehend verboten und nur nach Maßgabe der Art.&nbsp;17 Brüssel&nbsp;I-VO möglich (so Art.&nbsp;23(5) Brüssel&nbsp;I-VO). Wirksam sind solche Vereinbarungen allenfalls, wenn sie nach Entstehung der Streitigkeit getroffen wurden oder sie dem Verbraucher ermöglichen, weitere Gerichte anzurufen; ferner unter besonderen Umständen, wenn der Verbraucher nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz wechselt. Zu beachten sind die Formvorschriften des Art.&nbsp;23 Brüssel&nbsp;I-VO, insbesondere das Schrifterfordernis. Die Vorschrift schließt eine weitere Missbrauchskontrolle, etwa auf Basis der Klausel-RL, nicht aus.
 
Art.&nbsp;24 Brüssel&nbsp;I-VO sieht zwar die Heilung eines Zuständigkeitsmangels durch rügelose Einlassung vor. Auf Grundlage der Klausel-RL hat der EuGH allerdings in Rs. C-240/98 bis 244/98 – ''Océano Grupo'', Slg. 2000, I-4941 entschieden, eine unwirksame Schiedsklausel führe selbst dann zur Aufhebung eines gegen den Verbraucher ergangenen Schiedsspruchs, wenn die Nichtigkeit nicht im Schiedsverfahren selbst geltend gemacht wurde.
 
Ein Fehlen der verbraucherrechtlichen Zuständigkeit führt zudem – abweichend von der Grundregel in Art.&nbsp;35(3) Brüssel&nbsp;I-VO – zur Versagung der [[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen]], denn eine Gerichtskontrolle über die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats hat insoweit weiterhin zu erfolgen (Art.&nbsp;35(1) Brüssel&nbsp;I-VO).


== Literatur==
== Literatur==
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[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
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[[en:Sale_of_Consumer_Goods]]

Version vom 29. September 2021, 13:27 Uhr

von Hannes Rösler

1. Gegenstand und Zweck

Zur Stärkung des Verbrauchervertrauens in den auszubauenden europäischen Binnenmarkt harmonisiert die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44) den Kauf von Waren zum privaten Konsum von beruflichen und gewerblichen Verkäufern. Mit Umsetzungsfrist zum 1.1.2002 prägt die Richtlinie Teile der mitgliedstaatlichen Gewährleistungsrechte durch die Etablierung eines gemeinsamen kaufrechtlichen Mindestsockels zugunsten des Verbrauchers (Grundsatz der Mindestharmonisierung, Art. 8(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Konsumenten sollen effektiven und effizienzsteigernden Gebrauch machen von der infolge Marktöffnung, Fernverkehr und ‑kommunikation erweiterten Angebotsvielfalt. Die Richtlinie geht von einem aktiven Verbraucher aus, der EU-weit unter Nutzung der Grundfreiheiten agiert. Er bedarf damit entsprechenden Schutzes – unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat er Geschäfte tätigt. Darum werden auch rein innerstaatliche Verträge erfasst, so wie es für die Richtlinien im Verbraucherrecht kennzeichnend ist.

Jedoch zielt der Rechtsakt zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter nicht allein auf die Wahrung ökonomischer Interessen beim wichtigsten sämtlicher Verbrauchergeschäfte. Zugleich wird auch die Produktqualität und ‑sicherheit erhöht, indem die berechtigten Verbrauchererwartungen geschützt werden. Anders als die Klausel-RL (RL 93/13) weist die Richtlinie keine schwache, rein hinweisgebende „graue“ Anhangliste auf. Der bislang wichtigsten privatrechtlichen Richtlinie mit weitgehend zwingenden Regelungen kommt eine systembildende Bedeutung für die Fortentwicklung des europäischen Vertragsrechts zu. Da sie Letzteres mit dem UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) gemein hat, wird nachfolgend auf die angesichts der unterschiedlichen Anwendungsbereiche überraschenden Parallelen hingewiesen.

2. Regelungsgehalt der Verbrauchsgüterkauf-RL (im Vergleich zum CISG)

a) Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie wird durch die Begriffe des Verbrauchers und gewerblichen Verkäufers festgelegt (Art. 1(2)(a) und (c) Verbrauchsgüterkauf-RL), wobei das Begriffspaar den allgemeinen Definitionen von Verbraucher und Gewerbetreibendem entspricht (Verbraucher und Verbraucherschutz). In sachlicher Hinsicht sind Kauf- und auch „Werklieferungsverträge“ erfasst (s. Art. 1(4), 2(3) 3. Alt. Verbrauchsgüterkauf-RL; ebenfalls gleichstellend: Art. 3(1) CISG). Beim Vertragsgegenstand der „Verbrauchsgüter“ handelt es sich nach Art. 1(2)(b) Verbrauchsgüterkauf-RL – ähnlich weitgefasst wie § 90 BGB – schlicht um bewegliche körperliche Gegenstände. Ausgenommen sind Waren aus Zwangsversteigerungen sowie Energie, aber auch Wasser aus Leitungen (weitgehend in Übereinstimmung mit Art. 2(c) und (f) CISG).

b) Begriff der Vertragsgemäßheit

Zentraler Ansatzpunkt der Verkäuferhaftung ist die „Vertragsgemäßheit“ der Kaufsache. Erwägungsgrund 7 Verbrauchsgüterkauf-RL erklärt dazu zwar nur knapp, es handele sich um ein gemeinsames Grundelement der verschiedenen Rechtstraditionen. Ausführlicher nimmt das Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst Stellung (KOM (93) 509 endg.), das die besondere Beachtung des niederländischen (Art. 7:17 BW), nordischen und englischen Rechts verdeutlicht. Offen beabsichtigt ist zudem die Anlehnung an das UN-Kaufrecht. Dies gilt sowohl beim Konzept eines einheitlichen Vertragsbruchstatbestands (der also nicht nach der Art der Vertragswidrigkeit differenziert) als auch bei den Einzelheiten.

Zur Beurteilung der Vertragsgemäßheit hat die ausdrückliche Parteiabrede über die Sollbeschaffenheit Vorrang. Fehlt es hieran, wird die Vertragsgemäßheit beweiserleichternd nach den kumulativen Gesichtspunkten des Art. 2(2) Verbrauchsgüterkauf-RL vermutet: So in subjektiver Hinsicht, wenn die Ware mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung und den vorgelegten Proben und Mustern übereinstimmt (a) oder sie sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignet, der dem Verkäufer zustimmend zur Kenntnis gebracht wurde (b). (Die Ausnahme des fehlenden Vertrauens bzw. Vertrauendürfens des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers nach Art. 35(2)(b) 2. Halbsatz CISG wurde dagegen nicht übernommen.) Unter objektiven Gesichtspunkten wird die Vertragsgemäßheit vermutet, sofern sich die Ware für die Zwecke eignet, die für Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden (c) oder sie eine Qualität und Leistung aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die vom Verbraucher vernünftigerweise erwartet werden können (d).

Dies ist mit Art. 35(2) CISG praktisch identisch. Allerdings kommt es nach UN-Kaufrecht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs an, während die Richtlinie auf den unbestimmten Zeitpunkt der „Lieferung“ abstellt. Zudem sind hier zwei Innovationen enthalten: Erstens wird die Vertragsgemäßheit einer Kaufsache nach Art. 2 (2)(d) i.V.m. (4) Verbrauchsgüterkauf-RL auch durch Werbung oder Etikettierung des Verkäufers, Herstellers oder seines Vertreters bestimmt. Sie muss dazu notwendigerweise ernst zu nehmen und sachbezogen sein. Zweitens hat der Käufer Ansprüche wegen Vertragswidrigkeit, wenn der Mangel aufgrund unsachgemäßer Montage bzw. falscher oder unzureichender Montageanleitung erst nach Lieferung entstanden ist (sog. Ikea-Bestimmung in Art. 2(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Eine Regelung über unzureichende Verpackung wie in Art. 35(2)(d) CISG weist die Richtlinie nicht auf.

c) Rechtsbehelfe und Zwei-Jahres-Frist

Im Fall der Vertragswidrigkeit bestehen auf zwei Stufen je zwei Rechtsbehelfe. Vorrangig kann der Verbraucher nach Art. 3(2), (3) Verbrauchsgüterkauf-RL Nachbesserung oder Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten verlangen (Nacherfüllung). (Das englische Recht musste darum in sec. 48E Abs. 2 Sale of Goods Act 1979 die specific performance erlauben.) Eingeschränkt wird das Wahlrecht durch die Befugnis des Verkäufers, eine der beiden Abhilfeformen wegen Unverhältnismäßigkeit (Kosten) oder Unmöglichkeit zu verweigern (vgl. Art. 49 CISG). Zur zweiten Stufe kommt es nur unter erschwerten Umständen. Dazu muss die – für den Verbraucher unentgeltliche – Herstellung des vertragskonformen Zustands des Verbrauchsgutes in jeder der beiden Formen unmöglich sein oder sich insgesamt als objektiv unverhältnismäßig erweisen; oder der Verkäufer schafft nicht innerhalb einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten Abhilfe. Dann hat der Verbraucher Anspruch auf eine angemessene Minderung des Kaufpreises nach Art. 3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL. Vertragsauflösung mit möglicherweise komplizierter Rückgängigmachung der Leistungen kann er nur im Fall einer nicht geringfügigen Vertragswidrigkeit verlangen (Art. 3(6) Verbrauchsgüterkauf-RL). Dies ist Ausdruck der vertragserhaltenden und insoweit kostenreduzierenden Grundtendenz der Richtlinie, die sich ebenfalls in der Wiener Konvention findet (Art. 49 CISG). Allerdings sieht die Richtlinie für den Übergang von der ersten Stufe zur zweiten keine Nachfristsetzung vor, was einen Unterschied zu Art. 47 CISG und auch § 323 BGB darstellt (Nichterfüllung).

Eine weitere Vorgabe ist die Zwei-Jahres-Frist nach Lieferung des Verbrauchsgutes, in welcher der Verkäufer dem Verbraucher für eine Vertragswidrigkeit haftet (Art. 5(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zeigt sich die Vertragswidrigkeit innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung, ist zu vermuten, sie habe schon zu diesem entscheidenden Zeitpunkt bestanden. Eine solche dem UN-Kaufrecht fremde Regel ist angesichts der teils hochtechnisierten Verbrauchsgüter sinnvoll. Für die restlichen 18 Monate gilt wieder die klassische Beweislast des Käufers, und zwar nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts. Die somit auf ein halbes Jahr befristete Beweislastumkehr nach Art. 5(3) Verbrauchsgüterkauf-RL kommt dem Käufer ohnehin nicht zugute, wenn sie mit der Art des Gutes oder der Vertragswidrigkeit unvereinbar ist. Zwar besteht im Unterschied zum Handelskauf keine Untersuchungsobliegenheit des Verbrauchers. Hatte der Verbraucher aber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit oder konnte er darüber vernünftigerweise nicht in Unkenntnis sein, ist eine Haftung gemäß Art. 2(3) Verbrauchsgüterkauf-RL ausgeschlossen – insoweit genau wie bei Art. 35(3) CISG.

d) Garantiezusagen

Des Weiteren schreibt Art. 6 Verbrauchsgüterkauf-RL die Transparenz und Haftung bei Garantiezusagen vor. Solche Zusagen sind abzugrenzen von Garantien, die gegen Bezahlung oder von Dritten (z.B. Versicherungen) abgegeben werden. Erfasst sind nur ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtungen des Verkäufers oder Herstellers, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder anderweitig Abhilfe zu schaffen (Art. 1(2)(e) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantie ist für den Verwender gemäß den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen bindend (Art. 6(1) Verbrauchsgüterkauf-RL). Die Garantieerklärung hat in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt, die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers anzugeben. Klarzustellen ist außerdem, dass die vertragsrechtliche Garantie die gesetzlichen Rechte nicht berührt (Art. 6(2) Verbrauchsgüterkauf-RL). Bei verbraucherseitigem Verlangen muss die Garantie textlich zur Verfügung gestellt werden (Art. 6(3) Verbrauchsgüterkauf-RL). Zur Verhinderung von Umgehungen sind Garantien auch dann bindend, wenn diese Anforderungen nicht erfüllt wurden (Art. 6(5) Verbrauchsgüterkauf-RL). Sanktionen sind nur außerhalb der Richtlinie denkbar, insbesondere lauterkeitsrechtliche. Zu bedenken ist auch das Transparenzgebot nach Art. 5 S. 1 Klausel-RL (RL 93/13).

e) Sonstige Vorschriften

Klauseln oder Vereinbarungen, welche die in der Richtlinie gewährten Rechte außer Kraft setzen oder einschränken, sind für den Verbraucher nicht bindend (Art. 7(1)1 Verbrauchsgüterkauf-RL). Nicht zuletzt aufgrund deutscher Bemühungen bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, im Fall von gebrauchten Gütern den Vertragsparteien zu gestatten, eine kürzere Einstandsfrist als die zweijährige zu vereinbaren. Dabei darf allerdings ein Jahr nicht unterschritten werden (Art. 7(1)2 und 3 Verbrauchsgüterkauf-RL sowie § 475 Abs. 2 BGB). Für Waren „aus zweiter Hand“ besteht damit im Fall eines gewerbsmäßigen Händlers für den Verbraucher eine einjährige Minimumgewährleistung. Damit ist im Fall des Verbraucher-Unternehmer-Geschäfts, z.B. bei Gebrauchtwagen, kein „gekauft wie besehen“ mehr möglich. Die Unabdingbarkeit dieses Mindestsockels ist vor allem in Deutschland heftig als übertriebener protektionistischer Eingriff in die Vertragsfreiheit kritisiert worden.

Ferner hat der Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL Rückwirkungen auf die handelsrechtlichen Beziehungen des Verkäufers zu Herstellern, Großhändlern und Importeuren. Dabei kann der Letztverkäufer im Fall einer Ursächlichkeit für die Vertragswidrigkeit gegen die vorherigen Verkäufer in einer Vertragskette oder gegen den Hersteller Regress nehmen. Dieser Rückgriff erfolgt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts und unter – ausdrücklicher – Beachtung der Vertragsfreiheit (Erwägungsgrund 9 Verbrauchsgüterkauf-RL). Art. 4 Verbrauchsgüterkauf-RL ist Überbleibsel weitergehender Entwürfe. Nicht durchsetzen konnte sich vor allem eine action directe, also ein Haftungsdurchgriff des Verbrauchers auf den Hersteller nach französischem Vorbild (anders noch das Grünbuch, 112). Zu erwähnen bleibt: Der Rechtsakt unterliegt dem Anwendungsbereich der Unterlassungsklagen-RL (RL 98/27) und enthält mit Art. 7(2) Verbrauchsgüterkauf-RL die übliche IPR-Klausel zum Schutz vor missbräuchlicher Rechtswahl (Verbraucherverträge (IPR und IZPR)).

3. Divergenzen bei der Umsetzung

Die Europäisierung eines derart zentralen Bereichs wie des Kaufgewährleistungsrechts bezeugt den erreichten Grad der Rechtsharmonisierung, die sich zuvor auf speziellere Verträge – wie z.B. Haustür- oder Fernabsatzverträge – beschränkte. Die Tragweite der Verbrauchsgüterkauf-RL wird auch durch die Ansicht des deutschen Gesetzgebers verdeutlicht, erstmals sei eine Umsetzung in Sondergesetzen (außerhalb des BGB) nicht mehr sinnvoll. Er nutzte die Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf-RL sowie der RL 2000/35 zum Zahlungsverzug und der RL 2000/31 zum elektronischen Geschäftsverkehr als Anlass zu einer weitreichenden Modernisierung des Schuld- und Verjährungsrechts.

Seitdem besteht mit §§ 474-479 BGB eine gemeinschaftsrechtliche Insel zu Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs. Zahlreiche Bestimmungen wurden aber überschießend umgesetzt (Auslegung des Gemeinschaftsrechts), so vor allem die Vertragsgemäßheit nach Art. 2 und die Rechtsfolgen nach Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL. Das BGB in § 433 Abs. 1 hat damit die Erfüllungstheorie von Art. 2(1) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art. 35(1) CISG und des common law übernommen und sich von der Gewährleistungstheorie verabschiedet. Das Kaufgewährleistungsrecht wurde weitgehend in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert. Dagegen entschied sich die Mehrzahl der restlichen Mitgliedstaaten für eine kleine Lösung, indem sie das neu geschaffene oder reformierte Verbraucherkaufrecht neben das klassische Kaufrecht stellten (Verbraucher und Verbraucherschutz) und auch nicht auf alle Kaufverträge erstreckten.

Selbst im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs sind die Mitgliedstaaten vielfältig von der Richtlinie abgewichen. Als Ergebnis von Verhandlungskompromissen sind vier Abweichungen sogar ausdrücklich vorgesehen: Die Mehrheit der Umsetzungsgesetze nutzt erstens besagten Art. 7(1)2 Verbrauchsgüterkauf-RL über die privatautonome Verkürzung der Verjährung im Gebrauchtwarenkauf. (So z.B. Art. 9 Abs. 1 S. 1 und 2 österreich. KSchG; Art. 1649quater Abs. 1 belg. Code civil; Art. 134 Abs. 2 ital. Codice del consuma; § 475 Abs. 2 BGB; Art. 9 Abs. 1 S. 2 span. Ley 23/2003 de garantías en la venta de bienes de consumo und Art. 17 schwed. Konsumentköplag.) Ebenfalls mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hat zweitens den Verbrauchern besagte Rügeobliegenheit auferlegt. Für diese vielfach kritisierte Option nach Art. 5(2) Verbrauchsgüterkauf-RL haben sich z.B. Dänemark, Finnland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden entschieden.

Ebenso großer Beliebtheit erfreute sich drittens die (ursprünglich aus dem Lebensmittelkennzeichnungsrecht stammende) Kann-Bestimmung nach Art. 6(4) Verbrauchsgüterkauf-RL. Danach können die Mitgliedstaaten verlangen, dass Garantien in einer bestimmten Sprache abzufassen sind – so geschehen im englischen Recht mit sec. 15 Abs. 5 Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002. Eine geringere Zahl an Rechtsordnungen hat schließlich von dem unter britischer Ratspräsidentschaft eingefügten Art. 1(3) Verbrauchsgüterkauf-RL Gebrauch gemacht und öffentliche Versteigerung ausgenommen; z.B. § 474 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. L. 211-2 Code de la consommation und sec. 12 Abs. 2 Unfair Contract Terms Act 1977.

Die Mindestharmonisierung führt zu weiteren Abweichungen bei der Umsetzung, da sie ein höheres Schutzniveau erlaubt. In Finnland gilt darum etwa die dreijährige Verjährungsfrist und in Großbritannien sowie Irland eine sechsjährige. Beträchtliche Umsetzungsabweichungen finden sich auch bei der Vertragswidrigkeit und der Bestimmung des Lieferungszeitpunkts (s. Umsetzungsbericht KOM(2007) 210 final).

4. Einschätzung

Die Richtlinie schafft kein flächendeckendes Sonderkaufrecht für den Verbraucher, sondern konzentriert sich auf einen Mindestschutz bei Sachmängeln sowie auf Informationsregeln zu Garantien. Aufgrund der verschiedenen Rechtstraditionen bleiben wichtige Bereiche unharmonisiert. Ausgeklammert wurden der Vertragsschluss (anders als in Art. 11-24 CISG), der Gefahrübergang, die Verjährungshemmung bzw. ‑unterbrechung, der Mangel- und Mangelfolgeschaden sowie der Schadensersatz. Damit weist die Richtlinie insbesondere in letzterem Bereich eine beträchtliche Lücke auf, und zwar gerade im Vergleich zu Art. 74-77 CISG, die eine – verschuldensunabhängige – Schadensersatzhaftung vorsehen.

Insofern wird das Recht des häufigsten Rechtsgeschäfts des Unionsbürgers nur teilweise vereinfacht. Im Detail wurden die Rechtsfragmentierung und die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit stellenweise sogar vorangetrieben. Der Preis ist schließlich auch die nationale Herausbildung einer zum allgemeinen Kaufrecht teils parallelen (wie in Italien und Großbritannien), teils auf einige Sonderfälle (wie in Deutschland) beschränkten Rechtskategorie des europäisch determinierten Verbrauchsgüterkaufs. Vor der Umsetzung sah z.B. das deutsche Recht hier keine Sondervorschriften vor – anders als das niederländische (Art. 7.1 BW), britische (Sale and Supply of Goods Act 1994 zur Änderung des Sale of Goods Act 1979) und irische Recht sowie die nordischen Rechtsordnungen.

Die nationalen Disparitäten beim Verbrauchsgüterkauf sind nicht nur Folge der Mindestharmonisierung, die die Kommission mit der vorgeschlagenen „horizontalen“ Richtlinie über Rechte der Verbraucher (KOM(2008) 614 endg.) abschaffen würde. Bedenklich sind in erster Linie die vier Abweichungsoptionen. So etwa die optionale Einführung einer Rügeobliegenheit mit zweimonatiger Frist ab Kenntnis der Vertragswidrigkeit. Sie soll dem säumigen Verbraucher die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Mängeln verwehren. Allerdings ist eine solche Anzeigeobliegenheit außerhalb des Handelskaufs (etwa Art. 39(1) CISG, § 377 HGB) kaum angebracht. (Fallengelassen wurden Kommissionspläne, wie im CISG und HGB eine Untersuchungsobliegenheit einzuführen.) Damit ist zusätzliches Streitpotential geschaffen. Dies ist wegen des oft geringen Streitwerts bei Verbrauchersachen unangemessen, wobei der Verkäufer die schwierige Beweislast für die Fristversäumnis und damit den Verlust der Gewährleistungsrechte des Käufers trägt. Doch vor allem widerspricht die Option den Regelungszielen der Binnenmarktharmonisierung und der Erhöhung des Verbrauchervertrauens.

In der Summe hat die Richtlinie gleichwohl mit weitgehend halbzwingendem Recht und der Beweislastumkehr (für die ersten sechs Monate) das verschuldensunabhängige Gewährleistungsrisiko erhöht. Damit wurde die Rechtsstellung des europäischen Verbrauchers nicht nur grenzübergreifend verbessert. Es handelt sich mit Regelungen zu Werbung, Vertragsgarantien, Regress in Absatzketten und vorrangigem Nacherfüllungsanspruch, der sich den Gattungskauf als Vorbild nimmt, um ein modern-funktionales und ausgewogenes Gewährleistungsregime, das sich an der Marktrealität des Verkaufes industrieller Konsumgüter orientiert.

Gleichwohl bemängeln einige Kritiker in ökonomischer Betrachtung, der Konsument werde durch die verhältnismäßig lange Verjährung als eine Art „Versicherung“ nur noch unzureichend zur Sorgfalt, Pflege und Wartung des Konsumartikels angehalten. Doch bei genauerer Sicht muss nach Art. 3(1) Verbrauchsgüterkauf-RL die Vertragswidrigkeit bereits bei „Lieferung“ vorhanden sein. Garantiert ist also nicht die Dauerhaftigkeit eines Produkts (s. auch Erwägungsgrund 14 Verbrauchsgüterkauf-RL).

Zu hoffen bleibt, dass die Gerichte von den Vorlagemöglichkeiten an den EuGH mehr Gebrauch machen als bei vorherigen Richtlinien. Immerhin hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des BGH bereits entschieden, dass §§ 439 Abs. 4 und 346 BGB, die einen Wertersatz für die Nutzung der Sache bis zur Ersatzlieferung vorsehen, mit der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßem Zustands nach Art. 3(3)1 Verbrauchsgüterkauf-RL unvereinbar sind (EuGH Rs. C-404/06 – Quelle, Slg. 2008, I-2685; siehe nun § 474 Abs. 2 S. 1 BGB).

5. Einheitsrecht

Der aufgezeigte Gleichklang mit dem UN-Kaufrecht war auch erwünscht, um den Mitgliedstaaten eine weitergehende Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts in Europa am Vorbild des CISG nahezulegen. Dies geschah z.B. in Deutschland (siehe oben), Griechenland (Art. 534 ff. ZGB), Österreich (§§ 922 ff. ABGB) und Ungarn (vor allem §§ 305 ff. ZGB). Doch haben die meisten Staaten sich auf eine Minimalumsetzung beschränkt. Damit wurden die Hoffnungen auf eine Verallgemeinerung der Verbrauchsgüterkauf-RL bislang nur bedingt erfüllt.

Zu den Unterschieden zwischen der Verbrauchsgüterkauf-RL und CISG zählen die zahlreichen halbzwingenden Vorschriften in der Richtlinie, während das UN-Kaufrecht gemäß Art. 6 CISG als vollständig dispositives Recht konzipiert ist. Relevant werden die Unterschiede bei der ungeklärten Kollisionsfrage, die der zweite Halbsatz von Art. 2(a) CISG hervorruft: Wenn ein Kauf zu einem persönlichen Gebrauch erfolgt und der Verkäufer dies weder wusste noch wissen musste, kann prinzipiell auch das UN-Kaufrecht eingreifen (näher Verbraucher und Verbraucherschutz). Vereinzelt wird ein Vorrang des Gemeinschaftsschutzrechts analog Art. 90 CISG angenommen, da die Richtlinie formal einem völkerrechtlichen Übereinkommen entspreche. Vielfach wird dagegen im UN-Kaufrecht die lex specialis gesehen. Überzeugender wäre es freilich, würden die EG-Mitgliedstaaten, die zugleich Konventionsstaaten sind, eine Vorbehaltserklärung nach Art. 94 CISG abgeben.

Literatur

Jürgen Basedow, Das BGB im künftigen europäischen Privatrecht: Der hybride Kodex, Archiv für die civilistische Praxis 200 (2000) 445 ff.; idem. (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000; Stefan Grundmann, Dieter Medicus, Walter Rolland (Hg.), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000; Andreas Schwartze, Europäische Sachmängelgewährleistung beim Warenkauf, 2000; Stefan Grundmann, Cesare M. Bianca (Hg.), EU-Kaufrechts-Richtlinie, 2002; Ulrich G. Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005; Ministero dello Sviluppo Economico (Hg.), Le garanzie post-vendita sui beni Europa, 2006 (auf Italienisch und Englisch); Hannes Rösler, Siebzig Jahre Recht des Warenkaufs von Ernst Rabel: Werk- und Wirkgeschichte, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 70 (2006) 793 ff.; Thomas Zerres, Die Bedeutung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für die Europäisierung des Vertragsrechts: Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und englischen Kaufrechts, 2007; Hans-W. Micklitz, Kap. 4: Sale of Consumer Goods, in: idem, Norbert Reich, Peter Rott, Understanding EU Consumer Law, 2009.