Unwirksamkeit und Urheberrecht: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Phillip Hellwege]]''
von ''[[Axel Metzger]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Die Rechte Europas kennen verschiedene Unwirksamkeitsgrade. Sie werden danach unterschieden, wer sich auf die Unwirksamkeit berufen kann, wie sie geltend zu machen ist und wie sie wirkt; Unwirksamkeit ist also ein Oberbegriff. In der Rechtsvereinheitlichung setzt sich der Begriff ''invalidity'' (Ungültigkeit) durch ([[Principles of European Contract Law|PECL]], [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]], [[Common Frame of Reference|DCFR]]). Formen der Unwirksamkeit sind z.B. die relative Unwirksamkeit, die Anfechtbarkeit und die Teilunwirksamkeit. Die nationalen Gesetze definieren diese Unwirksamkeitsgrade nicht. Stattdessen ist es Aufgabe der Wissenschaft, die Formen der Unwirksamkeit in ein kohärentes System zu bringen. Dass dies gelingt, ist nicht selbstverständlich: Das römische und gemeine Recht kannten noch kein klares System der Unwirksamkeitstypen, dieses wurde erst seit dem 19. Jahrhundert entwickelt.
Das Urheberrecht (''copyright'', ''droit d’auteur'','' diritto d’autore'','' derecho de auto''r,'' auteursrecht'') ist ein Recht des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentums]], welches die schöpferisch-kreative Leistung des Urhebers unter Schutz stellt. Traditionelle Gegenstände des Urheberrechts sind die Werke der Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft. Heute werden zusätzlich Fotografien, Computerprogramme, Datenbanken und in vielen Urheberrechtsordnungen auch Werke der angewandten Kunst durch das Urheberrecht geschützt. Das Urheberrecht bietet damit die rechtliche Grundlage für die verschiedenartigen Geschäftsmodelle der modernen Kultur- und Unterhaltungsindustrie, für Informationsdienstleistungen und sonstige kreative Branchen. Es schützt den Urheber in seinen vermögenswerten und in seinen persönlich-geistigen Interessen am Werk und stattet ihn und die Inhaber abgeleiteter Rechte mit Ausschließlichkeitsrechten aus, auf deren Grundlage sie die Nutzung der Werke verbieten oder gegen Vergütung gestatten können. Auf diese Weise wird die Amortisierung der zum Teil erheblichen Kosten ermöglicht, die mit der Schaffung von schutzfähigen Werken verbunden sind. Die Ausschlusswirkung führt allerdings zu einer Erschwerung des Zugangs der Allgemeinheit zu Informationen und sonstigen Inhalten. Deshalb ist das Schutzrecht zeitlich begrenzt und erlischt in der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]] 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Zudem sichern besondere Rechtfertigungsgründe das Allgemeininteresse an den geschützten Inhalten, indem einzelne Handlungen vom Schutzbereich des Verbotsrechts ausgenommen werden (Urheberrechtsschranken). Das Urheberrecht ist seit den frühen 1990er Jahren durch mehrere [[Richtlinie]]n der Europäischen Gemeinschaft in wichtigen Teilbereichen harmonisiert worden. Es ist zudem Gegenstand mehrerer bedeutsamer Staatsverträge.


Die europäische Rechtswissenschaft beschäftigt sich aus zwei Gründen mit dem Begriff der Unwirksamkeit. Sie versucht dort, wo europäische Regelwerke verschiedene Unwirksamkeitsgrade kennen, diese zu ordnen. So spricht der ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)|Code Européen des Contrats]]''<nowiki> etwa von nullité, inefficacité, inexistence, annulation, rescision, extinction, [cesser] d’avoir effet. Des Weiteren wirkt sie auf einen stimmigen Einsatz der Unwirksamkeitsgrade in der weiteren Rechtsvereinheitlichung hin. Freilich steht der wissenschaftliche Diskurs über den Unwirksamkeitsbegriff auf europäischer Ebene noch am Anfang.</nowiki>
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die Anfänge des Urheberrechts im Sinne eines umfassenden Schutzes der kreativen Leistung liegen in der frühen Neuzeit und wurden maßgeblich durch die Erfindung des Buchdrucks befördert. Seit dem ausgehenden 15.&nbsp;Jahrhundert wurden von den jeweiligen Landesherren einzelne Privilegien an Buchdrucker, Verleger und Urheber vergeben, um diese vor dem unberechtigten Nachdruck von Werken zu schützen. Noch die ersten Urheberrechtsgesetze zielten vor allem auf den Schutz des Verlegers vor dem Nachdruck, so insbesondere das englische ''Statute of Ann'' aus dem Jahre 1710. Erst später, unter dem Einfluss des Naturrechts, wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht der Autor als originärer Inhaber des Urheberrechts angesehen werden muss. Die schließlich im späten 18.&nbsp;Jahrhundert geführte Debatte über die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks bildete den Hintergrund für die Anerkennung eines an die Person des Urhebers gebundenen Urheberrechts in der französischen Revolutionsgesetzgebung. Von hier trat die Vorstellung vom Urheberrecht als höchstpersönlichem Recht des Urhebers ihren Siegeszug in weiten Teilen des Kontinents an. Allerdings vollzogen nicht alle europäischen Rechtsordnungen diese Entwicklung in gleichem Maße. Während die kontinentaleuropäischen ''droit d’auteur''-Systeme, insbesondere in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Polen, Rumänien sowie die skandinavischen Urheberrechtsgesetze, ein Urheberpersönlichkeitsrecht (''droit moral'') anerkannten, blieb es im englischen ''copyright'' zunächst bei einer primär auf die wirtschaftlichen Aspekte bezogene Konzeption des Urheberrechts. Die Dichotomie zwischen ''droit d’auteur-'' und ''copyright''-Systemen ist durch die Unterzeichnung der Revidierten Berner Übereinkunft durch das Vereinigte Königreich (hierzu sogleich unter 4.) sowie die zunehmende Harmonisierung des Urheberrechts durch die [[Europäische Gemeinschaft]] jedoch zwischenzeitlich zu weiten Teilen aufgelöst worden.


== 2. Gegenstand der Unwirksamkeit ==
Am deutlichsten lässt sich der Unterschied zwischen ''droit d’auteur ''und ''copyright''-Systemen heute bei der Frage der ersten Inhaberschaft erkennen. Während die meisten kontinentaleuropäischen Urheberrechtssysteme davon ausgehen, dass stets die natürliche Person, welche ein Werk schafft, „Urheber“ dieses Werkes ist, auch wenn das Werk in Erfüllung der Pflichten eines Arbeitsverhältnisses geschaffen wurde, geht das englische Recht von der „work made for hire“-Doktrin aus. Hiernach kann der Arbeitgeber originärer Inhaber des Urheberrechts sein. Eine ähnliche Regelung findet sich allerdings auch in den Niederlanden. Das vielfach gezeichnete Bild vom Gegensatz zwischen britischem und kontinentalem Urheberrechtsdenken ist also nicht ganz zutreffend.  
Die Unwirksamkeitsgrade werden heute im Vertragsrecht (Italien, Frankreich, England) oder der Rechtsgeschäftslehre (Deutschland) ([[Rechtsgeschäft]]) dargestellt. Die PECL und die UNIDROIT PICC sind von vornherein auf das Vertragsrecht und damit auf die Unwirksamkeit von Verträgen beschränkt. Aber auch Urteile, Gesetze und Verwaltungsakte können unwirksam sein. Zwar gibt es für die Unwirksamkeit aller juristischer Tatsachen gemeinsame historische Wurzeln: So entwickelte sich die Restitutionsklage gegen ein rechtskräftiges Urteil aus der römischen ''restitutio in integrum'', welche auch bei der Vertragsanfechtung wegen Minderjährigkeit statthaft war. Doch wäre ein System der Unwirksamkeitstypen aller juristischen Tatsachen nicht leistungsfähig, und entsprechende Systematisierungsversuche blieben erfolglos.


Ist ein unwirksamer Vertrag vollzogen worden, erfolgt eine [[Rückabwicklung von Verträgen|Rückabwicklung]]. In Deutschland wird die Rückabwicklung nicht von dem Unwirksamkeitsbegriff erfasst, sondern im Bereicherungsrecht ([[Leistungskondiktion]]) geregelt. Doch ist diese Trennung von Unwirksamkeit und Rückabwicklung nicht selbstverständlich: So zielt die spanische Nichtigkeitsklage (''acción de nulidad'') etwa wegen Irrtums auf die Vernichtung des Vertrages und zugleich auf dessen Rückabwicklung. In England ist Anfechtungsvoraussetzung, dass der Anfechtende Erlangtes zurückgewähren und so ''restitutio in integrum'' leisten kann, und der Begriff ''rescission'' beschreibt auch die Rückabwicklung. Auch die PECL und die UNIDROIT PICC regeln im Abschnitt zur Gültigkeit ebenfalls die Rückabwicklung als Anfechtungsfolge. Unwirksamkeit und Rückabwicklung gehen hier jeweils Hand in Hand.
Unterschiede zeigen sich daneben bei der Übertragbarkeit des Urheberrechts. Während das britische, irische, niederländische und schweizerische Urheberrecht von der Übertragbarkeit des Urheberrechts ausgehen, wird diese vom deutschen, kroatischen und österreichischen Recht grundsätzlich verneint. Der Ausschluss der Übertragbarkeit erklärt sich aus der in diesen Ländern herrschenden „monistischen“ Urheberrechtskonzeption, welche die Verwertungsrechte und das Urheberpersönlichkeitsrecht als Bestandteile eines einheitlichen und damit unübertragbaren Rechts ansehen. In der Mitte stehen die „dualistischen“ Rechtsordnungen, die wie das französische, belgische, griechische, italienische, portugiesische und spanische Recht die Verwertungsrechte als frei übertragbar ausgestaltet haben, das ''droit moral'' jedoch als unverzichtbar behandeln.  


Schließlich gibt es neben den allgemeinen noch besondere Regeln zur Unwirksamkeit von Verträgen, z.B. im Ehe- und Gesellschaftsrecht. Hier müssen die Regelungsprobleme – wer darf sich auf die Unwirksamkeit berufen? Wie ist sie geltend zu machen? Wie wirkt sie? – anderen Lösungen zugeführt werden als im allgemeinen Vertragsrecht. Die wissenschaftliche Diskussion darf sich indes nicht auf den Unwirksamkeitsbegriff des allgemeinen Vertragsrechts beschränken, sondern muss die Verknüpfungen zu den besonderen Regeln herstellen. Denn nur so offenbart sich, dass die allgemeinen Regeln immer Ausnahmen haben, es werden die Wertungen der Regeln und Ausnahmen deutlich, und nur so ist es möglich, einen stimmigen Einsatz auch der Ausnahmen in der zukünftigen Rechtsvereinheitlichung vorzubereiten.
In vielen Grundfragen verläuft die Rechtsentwicklung in Europa heute jedoch weitgehend parallel. Das Urheberrecht wird in ganz Europa geschützt, ohne dass es einer Anmeldung oder Registrierung des Werkes bedarf. Der Grundsatz des formfreien Erwerbs gilt nicht nur in der gesamten Europäischen Gemeinschaft, sondern auch in der Schweiz, in Norwegen, Russland und der Türkei.  


== 3. Gründe der Unwirksamkeit ==
Im Hinblick auf die dem Urheberrechtsschutz zugänglichen Gegenstände ist eine allgemeine Tendenz der Absenkung der Schutzvoraussetzungen zu verzeichnen. War das Urheberrecht im 19.&nbsp;Jahrhundert für die wenigen, mit Individualität ausgestatteten Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst reserviert, so dient es heute auch für den Rechtsschutz der weniger originellen Alltagsgestaltungen. Zudem wurde das Urheberrecht zunächst für Software ([[Softwareschutz: Urheberrecht und Patentrecht]]) und später auch für Datenbanken ([[Datenbankschutz]]) geöffnet, was die Entwicklung von einem eng gefassten Privileg für schöngeistige Werke und zu einem umfassenden Schutzrecht für alle Medien- und Kommunikationsinhalte und für Informationstechnologien beschleunigte.  
Die klassischen Unwirksamkeitsgründe sind im Kapitel der PECL zur ''validity'' abgebildet: [[Irrtum]], [[Täuschung]], [[Drohung]], unangemessene Ausnutzung, mangelnde [[Geschäftsfähigkeit]], [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen|Gesetzes- und Sittenwidrigkeit]]. Es handelt sich um Fehler, die bereits bei Vertragsschluss vorliegen und die nach den PECL den Vertrag ''ex tunc'' vernichten sollen. So scheinen die PECL die Unwirksamkeit von drei Seiten her zu beschränken: Sie ''wirkt zurück'', ''vernichtet'' den Vertrag, und ihr Grund liegt ''bei Vertragsschluss'' vor. Dieser Unwirksamkeitsbegriff schimmert auch in vielen nationalen Wissenschaften durch. Eine europäische Wissenschaft muss sich freilich seiner Grenzen bewusst sein: Möchte man Mängel bei Vertragsschluss ordnen, sollte man einen Oberbegriff wählen, der den Blick auf die Unwirksamkeitsgründe lenkt, etwa Fehlerhaftigkeit. Unwirksamkeit ist eine Rechtsfolge. Sie kann auch bei Vertragsdurchführung eintreten (auflösende [[Bedingung und Befristung|Bedingung]]). Umgekehrt werden nicht alle Fehler bei Vertragsschluss berücksichtigt ([[anfängliche Unmöglichkeit]]), sondern nur solche, die eine bestimmte Rechtsfolge (''ex tunc''-Nichtigkeit) haben. Es besteht auch nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Mangels und seiner Wirkung: Bei Gesellschafts- und Arbeitsverträgen wirkt auch ein anfänglicher Fehler nur ''ex nunc''. Es kann also nur auf die Vernichtung als Rechtsfolge ankommen. Damit sind die Fälle ausgeblendet, in denen die Parteien nur von der Erfüllung befreit werden (anfängliche Unmöglichkeit, [[Nichterfüllung]]). Diese Ausblendung ist indes ebenfalls nicht zwingend: So ist in England und Schottland die ''unenforceability'' ein Unwirksamkeitsgrad, obwohl sie den Vertrag nicht vernichtet. Auch die PECL nennen die Gesetzeswidrigkeit im Kapitel zur ''validity'' als Unwirksamkeitsgrund, ordnen im Kapitel zur ''illegality'' aber gerade nicht die Nichtigkeit an, sondern verfolgen ein flexibles System von Unwirksamkeitsgraden, das die ''unenforceablity'' einschließt. Der oben skizzierte Unwirksamkeitsbegriff ist mithin allenfalls eine Annäherung, aber keine Definition.


Man sollte demnach die Unwirksamkeit allein von der Rechtsfolge blickend definieren: Ein unwirksamer Vertrag erzeugt die intendierten Wirkungen ''ex tunc'' oder ''ex nunc'' nicht oder nicht vollständig. Diese Definition erfasst die ''unenforceability'' und die Rücktrittsfolgen. Denn durch den Rücktritt verliert der Vertrag als Behaltensgrund ausgetauschter Leistungen seine Wirkung. Unwirksamkeitsgrund ist, was diese Folge hat. Diese Definition vermeidet Abgrenzungsprobleme. Sie vereinfacht den Rechtsvergleich, denn sie lässt die unterschiedliche dogmatische Erfassung etwa der anfänglichen Unmöglichkeit und des Rücktritts nicht als Systemunterschiede erscheinen. Zwar berühren Nichterfüllung und anfängliche Unmöglichkeit in der modernen Entwicklung den Vertrag nicht in seinem Bestand. Doch vielerorts führt die anfängliche Unmöglichkeit noch zur Nichtigkeit (Frankreich, Italien, Portugal, Ungarn) und der Rücktritt zur Vertragsauflösung ''ex tunc'' (Frankreich, Spanien, Österreich). Diese Unterschiede sind nur noch verschiedene Einordnungen in einem System abgestufter Unwirksamkeitsgrade. Die vorgeschlagene Definition vereinfacht auch die weitere Rechtsvereinheitlichung, indem sie den Regelgebern ein solches System abgestufter Unwirksamkeitsgrade zur Verfügung stellt. Schließlich ist sie mit den Rechten Europas, den PECL, UNIDROIT PICC und dem DCFR vereinbar. Auch wenn alle Regelwerke den Begriff der Unwirksamkeit benutzen, definieren sie ihn nicht als Oberbegriff. Der Unwirksamkeitsbegriff ist ein Begriff der Wissenschaft, der sich allein an seiner Leistungsfähigkeit messen lassen muss.
Gleichzeitig mit der Ausweitung der vom Urheberrecht geschützten Gegenstände wurden die Verbotsrechte des Urhebers und der Inhaber abgeleiteter Rechte schrittweise erweitert. Dies betrifft insbesondere die neuen Nutzungsformen im Internet. Auch wurden Handlungen im privaten Bereich und zu privaten Zwecken in die Verbotsrechte einbezogen. Wer Software, elektronische Datenbanken und andere digitalisierte Inhalte bestimmungsgemäß benutzen möchte, bedarf hierfür entweder der Erlaubnis des Rechtsinhabers oder muss sich auf die eng formulierten und nicht für alle digitalisierten Inhalte vorgesehenen Ausnahmebestimmungen in den Urheberrechtsgesetzen berufen. Entsprechende Erweiterungen der Verbotsrechte in den privaten Bereich finden sich heute in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Zusätzlichen Schutz bieten die [[Verwandte Schutzrechte|verwandten Schutzrechte]] sowie der durch die Richtlinie zum Urheberrecht in der [[Informationsgesellschaft, Urheberrecht in der|Informationsgesellschaft]] europaweit etablierte Rechtsschutz für technische Schutzsysteme (Kopierschutz, Verschlüsselungstechnologien etc.).  


Schließlich klammern einige Rechte den Tatbestandsmangel aus (Deutschland, Ungarn): Nur der tatbestandlich existierende Vertrag kann unwirksam sein. Diese Trennung ist schlüssig, doch ohne praktische Relevanz und findet sich vielerorts nicht (England, Italien). Ein rechtsfolgenorientierter Unwirksamkeitsbegriff vermag den Tatbestandsmangel zu erfassen. Auch er führt dazu, dass der (vermeintliche) Vertrag die intendierten Wirkungen nicht erzeugt.
Die Urheberrechtsschranken haben mit dieser kontinuierlichen Erweiterung der Verbotsrechte nicht Schritt halten können. Die europäischen Urheberrechtsgesetze sehen heute zwar zahlreiche Ausnahmen von den Verbotsrechten zugunsten der Allgemeinheit vor. Dabei kann die Wahrnehmung dieser Ausnahmen entweder kostenlos gestattet sein; entsprechende Regelungen finden sich vielfach hinsichtlich des Zitatrechts. Oder die Wahrnehmung von Urheberrechtsschranken ist an die Zahlung einer Vergütung gebunden, welche in pauschalierter Form von Verwertungsgesellschaft eingenommen und an die Rechtsinhaber verteilt wird; dieses Modell findet sich regelmäßig bei der Herstellung von Vervielfältigungsstücken für den privaten Gebrauch. Dieser gewachsene Grundbestand an Urheberrechtsschranken wurde zuletzt jedoch nur zögerlich erweitert. Der Grund hierfür liegt in den Umsatzeinbrüchen der Musik- und Filmindustrie, deren Inhalte im Internet massenhaft und ohne Einwilligung der Rechtsinhaber kopiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Den Industrien ist es bislang nicht gelungen, auf diese Herausforderung mit neuen Vertriebsmodellen zu reagieren, die von den Nutzern auch angenommen werden. Vielmehr wenden sie sich in den letzten Jahren regelmäßig (und vielfach erfolgreich) mit Forderungen nach einer Verstärkung der Verbotsrechte und einer Verengung der Schrankenvorschriften an die Legislativorgane. Dadurch fehlt es heute an Ausnahmebestimmungen, welche die durch Digitalisierung und Vernetzung erst möglich gewordenen, privaten Nutzungsmöglichkeiten für zulässig erklären und entsprechende Pauschalvergütungen vorsehen. Der fehlende Ausbau der Schrankenvorschriften betrifft nicht nur private Nutzungsformen, sondern auch die Verwendung von schutzfähigen Inhalten im Unterricht an Schulen und Hochschulen sowie für wissenschaftliche Zwecke.  


== 4. Wer darf die Unwirksamkeit geltend machen? ==
== 3. Gemeinschaftsrecht ==
Kann nur eine der Vertragsparteien die Unwirksamkeit geltend machen, spricht man von einer ''relativen Unwirksamkeit'', von einer ''absoluten Unwirksamkeit'', wenn sich jeder auf sie berufen kann. Ausnahmsweise dürfen sich nur bestimmte Dritte auf die Unwirksamkeit berufen, so bei der Testamentsanfechtung. Auch in diesen Fällen sollte man von einer relativen Unwirksamkeit sprechen.
Das Urheberrecht gehört seit den frühen 1990er Jahren zu den am stärksten bearbeiteten Feldern der europäischen Binnenmarktpolitik. Den Anfang machte die RL&nbsp;91/250 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, welche Programme europaweit den urheberrechtlichen Vorschriften über Sprachwerke unterstellte ([[Softwareschutz: Urheberrecht und Patentrecht]]). Die Richtlinie geht ausdrücklich davon aus, dass keine besonderen qualitativen Anforderungen für die Zuerkennung von Urheberrechtsschutz gefordert werden. Sie erweitert die Verbotsrechte des Rechtsinhabers im Vergleich zum herkömmlichen Urheberrecht und beschneidet zugleich die Schrankenvorschriften. Bemerkenswert ist zudem die gesetzliche Zuordnung der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Arbeitgeber für den Fall der von Arbeitnehmern geschaffenen Programme.


Die Grenzen zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit einerseits und Nichtigkeit und Anfechtbarkeit andererseits laufen in der Regel, aber nicht immer parallel. So führt das deutsche gesetzliche Veräußerungsverbot zu einer relativen Unwirksamkeit, wird aber von Amts wegen berücksichtigt. In den PECL kann die Gesetzeswidrigkeit dazu führen, dass nur eine Partei die Erfüllung nicht verlangen kann. Trotzdem wird sie von Amts wegen berücksichtigt. In Deutschland können Eheverbote vertreten durch öffentliche Stellen von der Allgemeinheit geltend gemacht werden, doch werden sie nur in einem besonderen Aufhebungsverfahren berücksichtigt (Anfechtung).
Es folgte die RL&nbsp;92/100 (kodifizierte Fassung RL&nbsp;2006/115) zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, welche einen unverzichtbaren Vergütungsanspruch der Urheber für den Fall der Vermietung des Werks einführte und eine Harmonisierung der verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler, Sendeunternehmen und Tonträgerhersteller brachte. Kurze Zeit später wurde die RL&nbsp;93/83 betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung verabschiedet, welche einzelne Fragen des Satelliten- und Kabelrundfunks regelte. Im gleichen Jahr wurde durch die Schutzdauer-RL&nbsp;93/98 (kodifizierte Fassung RL&nbsp;2006/116) die Schutzfrist von Urheberrechten in der gesamten Gemeinschaft auf 70&nbsp;Jahre nach dem Tod des Urhebers festgelegt. Für die Rechte der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Filmhersteller und Sendeunternehmen gilt eine Schutzdauer von 50&nbsp;Jahre nach der Darbietung, Aufzeichnung oder Erstsendung.


Die Abgrenzung zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit erfolgt danach, ob durch die Unwirksamkeitsanordnung nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Uneinheitlich zugeordnet werden dabei die fehlende [[Geschäftsfähigkeit]] (absolut: Deutschland, Griechenland, Polen; relativ: Frankreich, Italien, Niederlande) und die Übervorteilung (absolut: Deutschland; relativ: Frankreich, Italien, Polen, Ungarn, Niederlande, PECL). Die relative Unwirksamkeit ist immer nur ein Durchgangsstadium zu einem Zustand, der dem der absoluten Nichtigkeit entspricht.
Die Datenbank-RL&nbsp;96/9 harmonisierte den Urheberrechtsschutz für Datenbankwerke, welche durch die Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen, und führte zugleich ein neuartiges Datenbankherstellerrecht ein, welches ähnlich einem Tonträgerherstellerrecht die Investition in die Herstellung von Datenbanken mit einem eigenständigen Schutzrecht honoriert. Die Richtlinie bestätigt die Tendenz des entstehenden europäischen Urheberrechts, die Verbotsrechte der Urheber und der Inhaber verwandter Schutzrechte auszuweiten und zugleich die Schrankenvorschriften einzuengen.


== 5. Wie muss die Unwirksamkeit geltend gemacht werden? ==
Das Jahr 2001 brachte gleich zwei bedeutsame Richtlinien. Zunächst verabschiedete die Gemeinschaft die RL&nbsp;2001/29 zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Die Richtlinie harmonisiert die wichtigsten Verwertungsrechte sowie die Urheberrechtsschranken, wobei es weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob sie aufgelistete Schranken in das nationale Recht übernehmen und welche das sind. Die Richtlinie setzt zugleich die Pflichten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen um, welche sich aus den WIPO-Verträgen (''[[World Intellectual Property Organization]]'') aus dem Jahr 1996 ergeben (hierzu sogleich unter 4.). Die Folgerechts-RL&nbsp;2001/84 ([[Folgerecht (droit de suite)|Folgerecht]]) führte zu europaweit einheitliche Regelungen über die Beteiligung der Urheber von Werken der bildenden Kunst bei der Veräußerung von Werkoriginalen durch Kunsthändler.
Die meisten Rechte unterscheiden zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit (Italien, Portugal, England, Schottland, Irland, Niederlande, Deutschland, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Bei der Nichtigkeit wird die Unwirksamkeit von Amts wegen berücksichtigt, bei der Anfechtbarkeit muss sie besonders geltend gemacht werden. Freilich wird der Begriff der Nichtigkeit nicht nur über das Wie der Geltendmachung definiert. Die Nichtigkeit beschreibt zugleich die sachliche Wirkung der Unwirksamkeit. Der nichtige Vertrag erzeugt überhaupt keine Wirkungen. Die ''unenforceability'' wird zwar auch von Amts wegen berücksichtigt, aber ohne dass der Vertrag nichtig ist. Ein Gegenbegriff zur Anfechtbarkeit als Oberbegriff für alle Unwirksamkeiten, die von Amts wegen beachtet werden, ist noch nicht gefunden.


Für die Anfechtung sehen viele Rechte ihre klageweise Durchsetzung vor (Frankreich, Belgien, Griechenland, Spanien). Wird der Anfechtungsberechtigte verklagt, kann er die Unwirksamkeit auch einredeweise geltend machen. Diese Rechte stehen in der Tradition des [[Ius commune (Gemeines Recht)|gemeinen Rechts]], das ebenfalls die Anfechtung durch ''actio'' und ''exceptio'' kannte. Doch setzt sich die Anfechtung durch Erklärung durch (Deutschland, Polen, PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). Das niederländische Recht kennt zwar beides, doch ist die Anfechtung durch Erklärung die Regel. Bedenkt man die Tendenz in Europa, dass eine bloße Anfechtungserklärung in der Regel ausreicht, wirkt die Debatte in England, die Anfechtung durch Erklärung zu verdrängen (''Janet'' ''O’Sullivan''), rückwärtsgewandt. Freilich ist die Anfechtung durch Erklärung überall auf das allgemeine Vertragsrecht begrenzt. In Deutschland müssen etwa Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und Ehen (Eheaufhebung) durch Klage angefochten werden. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR kennen diese Ausnahmen nicht, weil sie in ihrem Anwendungsbereich auf das allgemeine Vertragsrecht beschränkt sind. Dort wo eine Anfechtungserklärung ausreicht, kann sie meist formlos erfolgen (PECL, UNIDROIT PICC, DCFR). In Polen ist dagegen eine schriftliche Erklärung erforderlich. In Deutschland muss eine besondere Form nur ausnahmsweise beachtet werden, so bei Anfechtung eines Erbvertrags. Neben Klage, Einrede und Erklärung erwähnte ''Friedrich Carl'' ''v.&nbsp;Savigny'' noch die Anfechtung in Gestalt „einer Obligation auf neue juristische Handlung von einem, der früheren Thatsache entgegengesetzten, Erfolg“. Das deutsche Recht kennt diese Anfechtung durch Geltendmachung eines Anspruchs bis heute bei der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteilung. Im Übrigen ist sie in den Hintergrund getreten.
Den bisherigen Schlusspunkt bei den legislativen Maßnahmen setzte die RL&nbsp;2004/48 über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ([[Geistiges Eigentum (Durchsetzung)]]), welche horizontal einheitliche Regelungen zu den materiellrechtlichen Ansprüchen bei Verletzungen von Urheber-, Marken-, Patent- und sonstigen geistigen Eigentumsrechten und einheitliche prozessuale Rechtsschutzmöglichkeiten einführte. Im Jahr 2005 folgte eine Empfehlung der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden. 2008 wurde ein Grünbuch zu Urheberrechten in der wissensbestimmten Wirtschaft vorgelegt, welches sich im Kern mit den Schrankenvorschriften in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Unterricht auseinandersetzt. Schließlich legte die Kommission ebenfalls im Jahr 2008 einen Vorschlag für eine Änderung der Schutzdauer-RL vor, welche eine Verlängerung der Schutzfrist für die Rechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller auf 95&nbsp;Jahre nach der ersten Veröffentlichung bringen soll.


Definiert man die Anfechtung darüber, dass eine Unwirksamkeit besonders geltend gemacht werden muss, und versteht man auch die Nichterfüllung als Unwirksamkeitsgrund, so handelt es sich auch beim Rücktritt (ebenso wie bei der Kündigung und dem Widerspruch des Verbrauchers) um eine Anfechtung. Das erscheint aus dem Blickwinkel des allgemeinen Vertragsrechts, das strikt zwischen Anfechtung, Widerruf, Rücktritt und Kündigung trennt, ungewöhnlich. Freilich ist ein solch weiter Anfechtungsbegriff nicht ohne Vorbilder: Historisch war die Anfechtung nicht auf die regelmäßig ''ex tunc'' wirkende Anfechtung durch Erklärung wegen anfänglicher Vertragsfehler begrenzt. Und noch heute wird der Begriff der Anfechtung in Deutschland außerhalb der Rechtsgeschäftslehre sehr weit verstanden. In England umfasste der Begriff der ''rescission'' bis vor kurzem sowohl die Anfechtung als auch den Rücktritt. Man kann also eine Anfechtung im engeren Sinne und eine im weiteren Sinn unterscheiden.
Zu den Richtlinien, Empfehlungen und Grünbüchern treten einige Entscheidungen des [[Europäischer Gerichtshof|Europäischen Gerichtshof]]s, die von zentraler Bedeutung für das europäische Urheberrecht sind, insbesondere zur Anerkennung der gemeinschaftsweiten Erschöpfung des Verbreitungsrechts (EuGH Rs.&nbsp;78/70 – ''Deutsche Grammophon/Metro'', Slg. 1971, 487), zum Diskriminierungsverbot im Urheberrecht (EuGH verb. Rs.&nbsp;C-92/92 und C-326/92 – ''Phil Collins u.a.'', Slg. 1993, I-5145) und zur Anerkennung des Territorialitätsgrundsatzes (EuGH Rs.&nbsp;C-192/04 – ''Lagardère/SPRE'', Slg. 2005, I-7199).  


Einige Rechte kennen im allgemeinen Vertragsrecht besondere Formen der Anfechtung, so bei Übervorteilung (Italien, Frankreich, ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)|Code Européen des Contrats]]''). In England unterscheidet man bis heute die Anfechtung nach ''law'' und ''equity'': Nur die Unwirksamkeitsgründe, die ihre historische Wurzel in der ''[[equity]]'' haben, müssen klageweise durchgesetzt werden. Die Tendenz geht jedoch dahin, innerhalb des allgemeinen Vertragsrechts die Anfechtung nicht weiter zu untergliedern (PECL, UNIDROIT PICC).
Zusammenfassend lassen sich folgende Tendenzen im heutigen Urheberrechtssystem der Europäischen Gemeinschaft erkennen: die Schutzvoraussetzungen sind niedrig angesetzt, die so genannte „kleine Münze“ des Urheberrechts genießt vollen Rechtsschutz; der Kreis der schutzfähigen Gegenstände wird zunehmend für technisch-funktional geprägte Gegenstände geöffnet; die vermögenswerten Verbotsrechte werden kontinuierlich ausgebaut; flankiert wird der Schutz durch die Anerkennung verwandter Schutzrechte und zusätzlichen Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen; dabei werden die Schranken den Mitgliedstaaten nicht in gleichem Maße zwingend vorgeschrieben, was insgesamt zu einer Verschiebung des Interessenausgleichs zugunsten der Rechtsinhaber und zulasten der Allgemeinheit führt. Bemerkenswert ist, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht vom europäischen Urheberrecht bislang gänzlich ausgespart wird, was auf Dauer zu einem schleichenden Bedeutungsverlust führen muss. Weitgehend unangetastet sind bisher auch das Urhebervertragsrecht sowie die vielfältigen Rechtsfragen, die sich im Hinblick auf die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften stellen. Auch die Frage der Inhaberschaft des Urheberrechts wurde bislang nicht systematisch aufgegriffen, allerdings sieht die Computerprogramm-RL eine gesetzliche Übertragung der „vermögensrechtlichen Befugnisse“ auf den Arbeitgeber vor.  


Kennzeichen der Nichtigkeit ist, dass sie von Amts wegen berücksichtigt wird. Auch hiervon gibt es Ausnahmen (Frankreich, Spanien). So unterscheidet man in Frankreich nicht zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sondern zwischen ''nullité absolue'' und ''nullité relative''. Die ''nullité absolue'' soll der Nichtigkeit entsprechen, doch muss sie regelmäßig durch Klage geltend gemacht werden. Außerhalb des allgemeinen Vertragsrechts kennen freilich auch andere Rechte eine Nichtigkeitsklage: In Deutschland ist sie etwa bei der Nichtigkeit eines rechtskräftigen Urteils nötig und in Österreich bei der Nichtigkeit einer Ehe. Hier sollte man besser von einer Anfechtung sprechen.
== 4. Staatsverträge ==
Für das Urheberrecht bilden Staatsverträge eine wesentliche Rechtsquelle. Die größte Bedeutung kommt der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) aus dem Jahr 1886 zu, welcher heute über 160&nbsp;Staaten angehören, darunter alle bedeutsamen Industrienationen einschließlich der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, der USA, China, Japan und Russland. Die RBÜ gilt in der Pariser Fassung von 1971. Sie regelt in ihren zentralen Bestimmungen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Urheber aus anderen Vertragsstaaten mit inländischen Urhebern und schreibt vor, dass die „Inländerbehandlung“ nicht an die Erfüllung von Formalitäten wie der Eintragung oder der Aufnahme von gesetzlich vorgegebenen Urheberrechtsvermerken geknüpft werden darf. Der Verzicht auf formale Anforderungen hat sich heute weltweit durchgesetzt. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg war der Beitritt der USA im Jahr 1989. Neben dem Inländerbehandlungsgrundsatz sieht die RBÜ eine Reihe von Mindestrechten vor, welche die Mitgliedstaaten den Urhebern aus anderen Vertragsstaaten gewähren müssen, unter anderem das Vervielfältigungsrecht und das Senderecht sowie einen Grundbestand an urheberpersönlichkeitsrechtlichen Verbotsrechten. Diese Mindestrechte haben, auch wenn hierzu keine rechtliche Pflicht besteht, zu einer sukzessiven Angleichung der nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten an die RBÜ geführt, da nur so eine Diskriminierung von Inländern vermieden werden kann. Der Mangel einer zentralen Instanz hat zu unterschiedlichen Interpretationen des Übereinkommens in den Mitgliedstaaten geführt.  


Im allgemeinen Vertragsrecht führen [[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen|Gesetzes- und Sittenwidrigkeit]] und die Nichteinhaltung eines [[Formerfordernisse]]s zur Nichtigkeit, Willensmängel dagegen zur Anfechtbarkeit. Uneinigkeit herrscht wiederum bei Zuordnung der fehlenden [[Geschäftsfähigkeit]] und der Übervorteilung. Nach den PECL sind unangemessene Vertragsklauseln, die nicht individuell ausgehandelt worden sind, also insbesondere unangemessene AGB, nur anfechtbar. Die Zuordnung zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit erfolgt grundsätzlich danach, ob nur eine bestimmte Partei oder Interessen der Allgemeinheit geschützt werden. Hinzu kommen aber noch Erwägungen der Verkehrssicherheit. Besonders bedeutende, komplexe oder eine Vielzahl von Personen betreffende Geschäfte sollen nur durch (gegebenenfalls förmliche) Erklärung oder Klage angefochten werden können.
Das WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) aus dem Jahr 1994 hat der RBÜ zu weiterer Durchsetzung verholfen, weil sich die WTO-Mitgliedstaaten zur Anerkennung der Grundsätze der RBÜ einschließlich der im TRIPS-Abkommen geregelten, über den Schutzstandard der RBÜ hinausgehenden Mindestrechte verpflichten („Berne plus approach“). Von dieser Pflicht ausgenommen sind die Vorschriften der RBÜ zum Urheberpersönlichkeitsrecht.


== 6. Wirkungen der Unwirksamkeit ==
Die RBÜ wurde im Jahr 1996 durch zwei Übereinkommen ergänzt, die so genannten WIPO-Verträge, die mittlerweile über 60&nbsp;Mitgliedstaaten einschließlich der großen Industriestaaten unterzeichnet haben. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) ist ein Sonderabkommen zur RBÜ. Der Vertrag stellt klar, dass Computerprogramme und Datenbankwerke urheberrechtlich geschützt sind und erweitert die Mindestrechte der Urheber um das Verbreitungsrecht, das Vermietrecht sowie das Recht der öffentlichen Wiedergabe, welches insbesondere auch die Internetnutzung umfasst. Zugleich werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen hinreichenden Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen einzuführen. Der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) ist ein eigenständiger Vertrag für den Bereich der [[Verwandte Schutzrechte|verwandten Schutzrechte]]. Er regelt neben dem Inländerbehandlungsgrundsatz eine Reihe von Mindestrechten für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller und verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einführung eines hinreichenden Rechtsschutzes im Hinblick auf technische Schutzsysteme.  
Bei den Wirkungen der Unwirksamkeit muss eine ''zeitliche'' und eine ''sachliche'' Ebene unterschieden werden. In zeitlicher Hinsicht kann eine Unwirksamkeit ''ex tunc'' oder ''ex nunc'' wirken. Die Nichtigkeit wirkt regelmäßig ''ex tunc'', ebenso die Anfechtung wegen Mängeln bei Vertragsschluss. Von diesem Grundsatz kennen alle Rechte Europas Ausnahmen (Arbeits- und Gesellschaftsverträge).


In sachlicher Hinsicht sind Voll- und Teilunwirksamkeit zu trennen. Eine besondere Form der Teilunwirksamkeit ist die quantitative Teilunwirksamkeit. Strittig ist, ob die Teilunwirksamkeit die Regel oder die Ausnahme sein soll, wenn der Unwirksamkeitsgrund nur einen Teil des Vertrags betrifft. Im gemeinen Recht leitete man aus den antiken Quellen die regelmäßige Restwirksamkeit des übrigen Vertrages her (''utile per inutile non vitiatur''). Das deutsche BGB wich in §&nbsp;139 BGB hiervon ab. Doch gehen Theorie und Praxis in Übereinstimmung mit der Tendenz der Rechtsentwicklung in Europa inzwischen wieder in der Regel von einer Restwirksamkeit aus. In Europa wird die Frage unterschiedlich beantwortet, wann von der regelmäßigen Restwirksamkeit Ausnahmen zuzulassen sind. Zum Teil wird auf den Willen der Parteien abgestellt (Griechenland), zum Teil auch darauf, ob die Nichtigkeit einen wesentlichen oder nur unwesentlichen Teil des Vertrages betrifft (Frankreich) oder ob beide Teile des Vertrags in einem unlösbaren Zusammenhang stehen (Niederlande). Als besonders bedeutsam erweist sich überall der Zweck des Unwirksamkeitsgrundes. Dieser Zweck bestimmt auch, ob eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist. Die PECL, UNIDROIT PICC und der DCFR machen die Frage, ob der gesamte Vertrag von der Unwirksamkeit erfasst werden soll, zu einer Frage der ''reasonableness''.
Ebenfalls bedeutsam für den Bereich der verwandten Schutzrechte ist das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen aus dem Jahr 1961, das so genannte „Rom-Abkommen“, dem heute über 80&nbsp;Mitgliedstaaten, nicht aber die USA und China angehören. Das „Rom-Abkommen“ folgt dem Regelungsansatz der RBÜ. Es geht vom Inländerbehandlungsgrundsatz aus und regelt Mindestrechte. Das „Rom-Abkommen“ hat maßgeblich zur internationalen Durchsetzung der verwandten Schutzrechte beigetragen.
 
Zudem stellt sich in sachlicher Hinsicht die Frage, ob eine Unwirksamkeit dingliche Wirkung hat. Rechte, die das Abstraktionsprinzip kennen, lehnen sie ab, wenn nicht das Verfügungsgeschäft selbst vom Unwirksamkeitsgrund erfasst wird (Deutschland, Schottland); Rechte, denen es unbekannt ist, bejahen regelmäßig die dingliche Wirkung (Italien, Frankreich, Portugal, Niederlande).
 
Weiterhin kann in sachlicher Hinsicht danach unterschieden werden, ob eine Unwirksamkeit bereits endgültig eingetreten ist oder ob ihr Eintritt oder auch die Endgültigkeit ihres Eintritts noch unentschieden ist. Das letztere ist der Fall bei der schwebenden Unwirksamkeit und der schwebenden Wirksamkeit.
 
Versteht man auch die Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsfolgen als Unwirksamkeiten, so muss man für die Frage der Auswirkungen der Unwirksamkeit zwischen den verschiedenen Wirkungen, die ein Vertrag oder ein Rechtsgeschäft hat, sachlich unterscheiden. Nichtigkeit und Anfechtung im engeren Sinne vernichten den Vertrag regelmäßig ''ex tunc'' und hinsichtlich jeder Wirkung. Der Rücktritt vernichtet den Vertrag in der Regel ''ex tunc'' als Behaltensgrund für ausgetauschte Leistungen. Insoweit ist der Vertrag unwirksam. Im Übrigen, z.B. in Hinblick auf Schadensersatzansprüche, führt der Rücktritt in vielen Rechten aber nur ''ex nunc'' zur Auflösung des Vertrages. Die Kündigung wirkt in jeder Hinsicht nur ''ex nunc''.
 
== 7. Wie kann ein unwirksamer Vertrag gerettet werden? ==
Alle Rechte Europas kennen mit der Heilung, Umdeutung, Genehmigung, Bestätigung und Neuvornahme verschiedene Instrumente, um einen Vertrag vor der Unwirksamkeit zu retten. Diese Instrumente unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen, Anwendungsbereichen und Wirkungen. Ein weiteres Instrument, um Verträge vor der Unwirksamkeit zu retten, kennt die Auslegungslehre: So soll nach vielen nationalen Rechten wie auch nach den PECL diejenige Auslegung bevorzugt werden, die zu einer Wirksamkeit des Vertrages führt.


== Literatur==
== Literatur==
''Friedrich Carl v.&nbsp;Savigny'', System des heutigen Römischen Rechts, Bd.&nbsp;IV, 1841, 536&nbsp;ff.; ''Friedrich Hellmann'', Zur Terminologie der römischen Rechtsquellen in der Lehre von der Unwirksamkeit der juristischen Thatsachen, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 23 (1902) 380&nbsp;ff., 24 (1903) 50&nbsp;ff.; ''Alfred Manigk'', Unwirksamkeit. Ungültigkeit, in: Fritz Stier-Somlo, Alexander Elster (Hg.), Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd.&nbsp;6, 1929, 292&nbsp;ff.; ''Manfred Harder'', Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, Archiv für die civilistische Praxis 173 (1973) 209&nbsp;ff; ''Reinhard Zimmermann'', The Law of Obligations, 1996, 678&nbsp;ff.; ''Janet O’Sullivan'', Rescission as a self-help remedy: a critical analysis, Cambridge Law Journal 59 (2000) 509&nbsp;ff.; ''Peter Schlechtriem'', Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa, Bd.&nbsp;I, 2000, 403&nbsp;ff.; ''András Földi'', Zur Frage der Gültigkeit und der Wirksamkeit im modernen Zivilrecht, in: Festschrift für Ferenc Benedek, 2001, 73&nbsp;ff; ''Bruno Schmidlin'', Der Rücktritt vom Vertrag: Von der Nichtigkeit ''ex tunc'' zum vertraglichen Liquidationsverhältnis: Ein dogmengeschichtlicher Wandel, in: Festschrift für Theo Mayer-Maly, 2002, 677&nbsp;ff.
''Michael M. Walter ''(Hg.), Europäisches Urheberrecht, 2001; ''Axel Metzger'', Europäisches Urheberrecht ohne Droit moral?, in: Festschrift für Gerhard Schricker, 2005, 455&nbsp;ff; ''Jacob Hendrik Spoor'', ''Dirk W.F. Verkade'', ''Dirk J.G. Visser'', Auteursrecht, 3.&nbsp;Aufl. 2005; ''André Lucas'', ''Henri-Jacques Lucas'', Traité de la propriété littéraire et artistique, 3.&nbsp;Aufl. 2006; ''Gerhard Schricker ''(Hg.),'' ''Urheberrecht, 3.&nbsp;Aufl. 2006; ''Thomas Dreier'', ''Bernt Hugenholtz ''(Hg.), Concise European Copyright Law, 2006; ''William Rodolph Cornish'', ''David Llewelyn'', Intellectual Property, 6.&nbsp;Aufl. 2007; ''Haimo Schack'', Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4.&nbsp;Aufl. 2007; ''Matthias Leistner'', Konsolidierung und Entwicklungsperspektive des europäischen Urheberrechts, 2008; ''Paul Katzenberger'', ''Gerhard Schricker'', ''Erich Schulze'', ''Konrad Zweigert ''(Hg.), Quellen des Urheberrechts (Loseblatt).


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Version vom 29. September 2021, 13:23 Uhr

von Axel Metzger

1. Gegenstand und Zweck

Das Urheberrecht (copyright, droit d’auteur, diritto d’autore, derecho de autor, auteursrecht) ist ein Recht des geistigen Eigentums, welches die schöpferisch-kreative Leistung des Urhebers unter Schutz stellt. Traditionelle Gegenstände des Urheberrechts sind die Werke der Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft. Heute werden zusätzlich Fotografien, Computerprogramme, Datenbanken und in vielen Urheberrechtsordnungen auch Werke der angewandten Kunst durch das Urheberrecht geschützt. Das Urheberrecht bietet damit die rechtliche Grundlage für die verschiedenartigen Geschäftsmodelle der modernen Kultur- und Unterhaltungsindustrie, für Informationsdienstleistungen und sonstige kreative Branchen. Es schützt den Urheber in seinen vermögenswerten und in seinen persönlich-geistigen Interessen am Werk und stattet ihn und die Inhaber abgeleiteter Rechte mit Ausschließlichkeitsrechten aus, auf deren Grundlage sie die Nutzung der Werke verbieten oder gegen Vergütung gestatten können. Auf diese Weise wird die Amortisierung der zum Teil erheblichen Kosten ermöglicht, die mit der Schaffung von schutzfähigen Werken verbunden sind. Die Ausschlusswirkung führt allerdings zu einer Erschwerung des Zugangs der Allgemeinheit zu Informationen und sonstigen Inhalten. Deshalb ist das Schutzrecht zeitlich begrenzt und erlischt in der Europäischen Gemeinschaft 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Zudem sichern besondere Rechtfertigungsgründe das Allgemeininteresse an den geschützten Inhalten, indem einzelne Handlungen vom Schutzbereich des Verbotsrechts ausgenommen werden (Urheberrechtsschranken). Das Urheberrecht ist seit den frühen 1990er Jahren durch mehrere Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft in wichtigen Teilbereichen harmonisiert worden. Es ist zudem Gegenstand mehrerer bedeutsamer Staatsverträge.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Anfänge des Urheberrechts im Sinne eines umfassenden Schutzes der kreativen Leistung liegen in der frühen Neuzeit und wurden maßgeblich durch die Erfindung des Buchdrucks befördert. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert wurden von den jeweiligen Landesherren einzelne Privilegien an Buchdrucker, Verleger und Urheber vergeben, um diese vor dem unberechtigten Nachdruck von Werken zu schützen. Noch die ersten Urheberrechtsgesetze zielten vor allem auf den Schutz des Verlegers vor dem Nachdruck, so insbesondere das englische Statute of Ann aus dem Jahre 1710. Erst später, unter dem Einfluss des Naturrechts, wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht der Autor als originärer Inhaber des Urheberrechts angesehen werden muss. Die schließlich im späten 18. Jahrhundert geführte Debatte über die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks bildete den Hintergrund für die Anerkennung eines an die Person des Urhebers gebundenen Urheberrechts in der französischen Revolutionsgesetzgebung. Von hier trat die Vorstellung vom Urheberrecht als höchstpersönlichem Recht des Urhebers ihren Siegeszug in weiten Teilen des Kontinents an. Allerdings vollzogen nicht alle europäischen Rechtsordnungen diese Entwicklung in gleichem Maße. Während die kontinentaleuropäischen droit d’auteur-Systeme, insbesondere in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, Polen, Rumänien sowie die skandinavischen Urheberrechtsgesetze, ein Urheberpersönlichkeitsrecht (droit moral) anerkannten, blieb es im englischen copyright zunächst bei einer primär auf die wirtschaftlichen Aspekte bezogene Konzeption des Urheberrechts. Die Dichotomie zwischen droit d’auteur- und copyright-Systemen ist durch die Unterzeichnung der Revidierten Berner Übereinkunft durch das Vereinigte Königreich (hierzu sogleich unter 4.) sowie die zunehmende Harmonisierung des Urheberrechts durch die Europäische Gemeinschaft jedoch zwischenzeitlich zu weiten Teilen aufgelöst worden.

Am deutlichsten lässt sich der Unterschied zwischen droit d’auteur und copyright-Systemen heute bei der Frage der ersten Inhaberschaft erkennen. Während die meisten kontinentaleuropäischen Urheberrechtssysteme davon ausgehen, dass stets die natürliche Person, welche ein Werk schafft, „Urheber“ dieses Werkes ist, auch wenn das Werk in Erfüllung der Pflichten eines Arbeitsverhältnisses geschaffen wurde, geht das englische Recht von der „work made for hire“-Doktrin aus. Hiernach kann der Arbeitgeber originärer Inhaber des Urheberrechts sein. Eine ähnliche Regelung findet sich allerdings auch in den Niederlanden. Das vielfach gezeichnete Bild vom Gegensatz zwischen britischem und kontinentalem Urheberrechtsdenken ist also nicht ganz zutreffend.

Unterschiede zeigen sich daneben bei der Übertragbarkeit des Urheberrechts. Während das britische, irische, niederländische und schweizerische Urheberrecht von der Übertragbarkeit des Urheberrechts ausgehen, wird diese vom deutschen, kroatischen und österreichischen Recht grundsätzlich verneint. Der Ausschluss der Übertragbarkeit erklärt sich aus der in diesen Ländern herrschenden „monistischen“ Urheberrechtskonzeption, welche die Verwertungsrechte und das Urheberpersönlichkeitsrecht als Bestandteile eines einheitlichen und damit unübertragbaren Rechts ansehen. In der Mitte stehen die „dualistischen“ Rechtsordnungen, die wie das französische, belgische, griechische, italienische, portugiesische und spanische Recht die Verwertungsrechte als frei übertragbar ausgestaltet haben, das droit moral jedoch als unverzichtbar behandeln.

In vielen Grundfragen verläuft die Rechtsentwicklung in Europa heute jedoch weitgehend parallel. Das Urheberrecht wird in ganz Europa geschützt, ohne dass es einer Anmeldung oder Registrierung des Werkes bedarf. Der Grundsatz des formfreien Erwerbs gilt nicht nur in der gesamten Europäischen Gemeinschaft, sondern auch in der Schweiz, in Norwegen, Russland und der Türkei.

Im Hinblick auf die dem Urheberrechtsschutz zugänglichen Gegenstände ist eine allgemeine Tendenz der Absenkung der Schutzvoraussetzungen zu verzeichnen. War das Urheberrecht im 19. Jahrhundert für die wenigen, mit Individualität ausgestatteten Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst reserviert, so dient es heute auch für den Rechtsschutz der weniger originellen Alltagsgestaltungen. Zudem wurde das Urheberrecht zunächst für Software (Softwareschutz: Urheberrecht und Patentrecht) und später auch für Datenbanken (Datenbankschutz) geöffnet, was die Entwicklung von einem eng gefassten Privileg für schöngeistige Werke und zu einem umfassenden Schutzrecht für alle Medien- und Kommunikationsinhalte und für Informationstechnologien beschleunigte.

Gleichzeitig mit der Ausweitung der vom Urheberrecht geschützten Gegenstände wurden die Verbotsrechte des Urhebers und der Inhaber abgeleiteter Rechte schrittweise erweitert. Dies betrifft insbesondere die neuen Nutzungsformen im Internet. Auch wurden Handlungen im privaten Bereich und zu privaten Zwecken in die Verbotsrechte einbezogen. Wer Software, elektronische Datenbanken und andere digitalisierte Inhalte bestimmungsgemäß benutzen möchte, bedarf hierfür entweder der Erlaubnis des Rechtsinhabers oder muss sich auf die eng formulierten und nicht für alle digitalisierten Inhalte vorgesehenen Ausnahmebestimmungen in den Urheberrechtsgesetzen berufen. Entsprechende Erweiterungen der Verbotsrechte in den privaten Bereich finden sich heute in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Zusätzlichen Schutz bieten die verwandten Schutzrechte sowie der durch die Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft europaweit etablierte Rechtsschutz für technische Schutzsysteme (Kopierschutz, Verschlüsselungstechnologien etc.).

Die Urheberrechtsschranken haben mit dieser kontinuierlichen Erweiterung der Verbotsrechte nicht Schritt halten können. Die europäischen Urheberrechtsgesetze sehen heute zwar zahlreiche Ausnahmen von den Verbotsrechten zugunsten der Allgemeinheit vor. Dabei kann die Wahrnehmung dieser Ausnahmen entweder kostenlos gestattet sein; entsprechende Regelungen finden sich vielfach hinsichtlich des Zitatrechts. Oder die Wahrnehmung von Urheberrechtsschranken ist an die Zahlung einer Vergütung gebunden, welche in pauschalierter Form von Verwertungsgesellschaft eingenommen und an die Rechtsinhaber verteilt wird; dieses Modell findet sich regelmäßig bei der Herstellung von Vervielfältigungsstücken für den privaten Gebrauch. Dieser gewachsene Grundbestand an Urheberrechtsschranken wurde zuletzt jedoch nur zögerlich erweitert. Der Grund hierfür liegt in den Umsatzeinbrüchen der Musik- und Filmindustrie, deren Inhalte im Internet massenhaft und ohne Einwilligung der Rechtsinhaber kopiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Den Industrien ist es bislang nicht gelungen, auf diese Herausforderung mit neuen Vertriebsmodellen zu reagieren, die von den Nutzern auch angenommen werden. Vielmehr wenden sie sich in den letzten Jahren regelmäßig (und vielfach erfolgreich) mit Forderungen nach einer Verstärkung der Verbotsrechte und einer Verengung der Schrankenvorschriften an die Legislativorgane. Dadurch fehlt es heute an Ausnahmebestimmungen, welche die durch Digitalisierung und Vernetzung erst möglich gewordenen, privaten Nutzungsmöglichkeiten für zulässig erklären und entsprechende Pauschalvergütungen vorsehen. Der fehlende Ausbau der Schrankenvorschriften betrifft nicht nur private Nutzungsformen, sondern auch die Verwendung von schutzfähigen Inhalten im Unterricht an Schulen und Hochschulen sowie für wissenschaftliche Zwecke.

3. Gemeinschaftsrecht

Das Urheberrecht gehört seit den frühen 1990er Jahren zu den am stärksten bearbeiteten Feldern der europäischen Binnenmarktpolitik. Den Anfang machte die RL 91/250 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, welche Programme europaweit den urheberrechtlichen Vorschriften über Sprachwerke unterstellte (Softwareschutz: Urheberrecht und Patentrecht). Die Richtlinie geht ausdrücklich davon aus, dass keine besonderen qualitativen Anforderungen für die Zuerkennung von Urheberrechtsschutz gefordert werden. Sie erweitert die Verbotsrechte des Rechtsinhabers im Vergleich zum herkömmlichen Urheberrecht und beschneidet zugleich die Schrankenvorschriften. Bemerkenswert ist zudem die gesetzliche Zuordnung der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Arbeitgeber für den Fall der von Arbeitnehmern geschaffenen Programme.

Es folgte die RL 92/100 (kodifizierte Fassung RL 2006/115) zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, welche einen unverzichtbaren Vergütungsanspruch der Urheber für den Fall der Vermietung des Werks einführte und eine Harmonisierung der verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler, Sendeunternehmen und Tonträgerhersteller brachte. Kurze Zeit später wurde die RL 93/83 betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung verabschiedet, welche einzelne Fragen des Satelliten- und Kabelrundfunks regelte. Im gleichen Jahr wurde durch die Schutzdauer-RL 93/98 (kodifizierte Fassung RL 2006/116) die Schutzfrist von Urheberrechten in der gesamten Gemeinschaft auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers festgelegt. Für die Rechte der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Filmhersteller und Sendeunternehmen gilt eine Schutzdauer von 50 Jahre nach der Darbietung, Aufzeichnung oder Erstsendung.

Die Datenbank-RL 96/9 harmonisierte den Urheberrechtsschutz für Datenbankwerke, welche durch die Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen, und führte zugleich ein neuartiges Datenbankherstellerrecht ein, welches ähnlich einem Tonträgerherstellerrecht die Investition in die Herstellung von Datenbanken mit einem eigenständigen Schutzrecht honoriert. Die Richtlinie bestätigt die Tendenz des entstehenden europäischen Urheberrechts, die Verbotsrechte der Urheber und der Inhaber verwandter Schutzrechte auszuweiten und zugleich die Schrankenvorschriften einzuengen.

Das Jahr 2001 brachte gleich zwei bedeutsame Richtlinien. Zunächst verabschiedete die Gemeinschaft die RL 2001/29 zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Die Richtlinie harmonisiert die wichtigsten Verwertungsrechte sowie die Urheberrechtsschranken, wobei es weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob sie aufgelistete Schranken in das nationale Recht übernehmen und welche das sind. Die Richtlinie setzt zugleich die Pflichten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen um, welche sich aus den WIPO-Verträgen (World Intellectual Property Organization) aus dem Jahr 1996 ergeben (hierzu sogleich unter 4.). Die Folgerechts-RL 2001/84 (Folgerecht) führte zu europaweit einheitliche Regelungen über die Beteiligung der Urheber von Werken der bildenden Kunst bei der Veräußerung von Werkoriginalen durch Kunsthändler.

Den bisherigen Schlusspunkt bei den legislativen Maßnahmen setzte die RL 2004/48 über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Geistiges Eigentum (Durchsetzung)), welche horizontal einheitliche Regelungen zu den materiellrechtlichen Ansprüchen bei Verletzungen von Urheber-, Marken-, Patent- und sonstigen geistigen Eigentumsrechten und einheitliche prozessuale Rechtsschutzmöglichkeiten einführte. Im Jahr 2005 folgte eine Empfehlung der Europäischen Kommission für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden. 2008 wurde ein Grünbuch zu Urheberrechten in der wissensbestimmten Wirtschaft vorgelegt, welches sich im Kern mit den Schrankenvorschriften in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Unterricht auseinandersetzt. Schließlich legte die Kommission ebenfalls im Jahr 2008 einen Vorschlag für eine Änderung der Schutzdauer-RL vor, welche eine Verlängerung der Schutzfrist für die Rechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller auf 95 Jahre nach der ersten Veröffentlichung bringen soll.

Zu den Richtlinien, Empfehlungen und Grünbüchern treten einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, die von zentraler Bedeutung für das europäische Urheberrecht sind, insbesondere zur Anerkennung der gemeinschaftsweiten Erschöpfung des Verbreitungsrechts (EuGH Rs. 78/70 – Deutsche Grammophon/Metro, Slg. 1971, 487), zum Diskriminierungsverbot im Urheberrecht (EuGH verb. Rs. C-92/92 und C-326/92 – Phil Collins u.a., Slg. 1993, I-5145) und zur Anerkennung des Territorialitätsgrundsatzes (EuGH Rs. C-192/04 – Lagardère/SPRE, Slg. 2005, I-7199).

Zusammenfassend lassen sich folgende Tendenzen im heutigen Urheberrechtssystem der Europäischen Gemeinschaft erkennen: die Schutzvoraussetzungen sind niedrig angesetzt, die so genannte „kleine Münze“ des Urheberrechts genießt vollen Rechtsschutz; der Kreis der schutzfähigen Gegenstände wird zunehmend für technisch-funktional geprägte Gegenstände geöffnet; die vermögenswerten Verbotsrechte werden kontinuierlich ausgebaut; flankiert wird der Schutz durch die Anerkennung verwandter Schutzrechte und zusätzlichen Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen; dabei werden die Schranken den Mitgliedstaaten nicht in gleichem Maße zwingend vorgeschrieben, was insgesamt zu einer Verschiebung des Interessenausgleichs zugunsten der Rechtsinhaber und zulasten der Allgemeinheit führt. Bemerkenswert ist, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht vom europäischen Urheberrecht bislang gänzlich ausgespart wird, was auf Dauer zu einem schleichenden Bedeutungsverlust führen muss. Weitgehend unangetastet sind bisher auch das Urhebervertragsrecht sowie die vielfältigen Rechtsfragen, die sich im Hinblick auf die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften stellen. Auch die Frage der Inhaberschaft des Urheberrechts wurde bislang nicht systematisch aufgegriffen, allerdings sieht die Computerprogramm-RL eine gesetzliche Übertragung der „vermögensrechtlichen Befugnisse“ auf den Arbeitgeber vor.

4. Staatsverträge

Für das Urheberrecht bilden Staatsverträge eine wesentliche Rechtsquelle. Die größte Bedeutung kommt der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) aus dem Jahr 1886 zu, welcher heute über 160 Staaten angehören, darunter alle bedeutsamen Industrienationen einschließlich der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, der USA, China, Japan und Russland. Die RBÜ gilt in der Pariser Fassung von 1971. Sie regelt in ihren zentralen Bestimmungen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Urheber aus anderen Vertragsstaaten mit inländischen Urhebern und schreibt vor, dass die „Inländerbehandlung“ nicht an die Erfüllung von Formalitäten wie der Eintragung oder der Aufnahme von gesetzlich vorgegebenen Urheberrechtsvermerken geknüpft werden darf. Der Verzicht auf formale Anforderungen hat sich heute weltweit durchgesetzt. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg war der Beitritt der USA im Jahr 1989. Neben dem Inländerbehandlungsgrundsatz sieht die RBÜ eine Reihe von Mindestrechten vor, welche die Mitgliedstaaten den Urhebern aus anderen Vertragsstaaten gewähren müssen, unter anderem das Vervielfältigungsrecht und das Senderecht sowie einen Grundbestand an urheberpersönlichkeitsrechtlichen Verbotsrechten. Diese Mindestrechte haben, auch wenn hierzu keine rechtliche Pflicht besteht, zu einer sukzessiven Angleichung der nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten an die RBÜ geführt, da nur so eine Diskriminierung von Inländern vermieden werden kann. Der Mangel einer zentralen Instanz hat zu unterschiedlichen Interpretationen des Übereinkommens in den Mitgliedstaaten geführt.

Das WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) aus dem Jahr 1994 hat der RBÜ zu weiterer Durchsetzung verholfen, weil sich die WTO-Mitgliedstaaten zur Anerkennung der Grundsätze der RBÜ einschließlich der im TRIPS-Abkommen geregelten, über den Schutzstandard der RBÜ hinausgehenden Mindestrechte verpflichten („Berne plus approach“). Von dieser Pflicht ausgenommen sind die Vorschriften der RBÜ zum Urheberpersönlichkeitsrecht.

Die RBÜ wurde im Jahr 1996 durch zwei Übereinkommen ergänzt, die so genannten WIPO-Verträge, die mittlerweile über 60 Mitgliedstaaten einschließlich der großen Industriestaaten unterzeichnet haben. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) ist ein Sonderabkommen zur RBÜ. Der Vertrag stellt klar, dass Computerprogramme und Datenbankwerke urheberrechtlich geschützt sind und erweitert die Mindestrechte der Urheber um das Verbreitungsrecht, das Vermietrecht sowie das Recht der öffentlichen Wiedergabe, welches insbesondere auch die Internetnutzung umfasst. Zugleich werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen hinreichenden Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen einzuführen. Der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) ist ein eigenständiger Vertrag für den Bereich der verwandten Schutzrechte. Er regelt neben dem Inländerbehandlungsgrundsatz eine Reihe von Mindestrechten für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller und verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einführung eines hinreichenden Rechtsschutzes im Hinblick auf technische Schutzsysteme.

Ebenfalls bedeutsam für den Bereich der verwandten Schutzrechte ist das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen aus dem Jahr 1961, das so genannte „Rom-Abkommen“, dem heute über 80 Mitgliedstaaten, nicht aber die USA und China angehören. Das „Rom-Abkommen“ folgt dem Regelungsansatz der RBÜ. Es geht vom Inländerbehandlungsgrundsatz aus und regelt Mindestrechte. Das „Rom-Abkommen“ hat maßgeblich zur internationalen Durchsetzung der verwandten Schutzrechte beigetragen.

Literatur

Michael M. Walter (Hg.), Europäisches Urheberrecht, 2001; Axel Metzger, Europäisches Urheberrecht ohne Droit moral?, in: Festschrift für Gerhard Schricker, 2005, 455 ff; Jacob Hendrik Spoor, Dirk W.F. Verkade, Dirk J.G. Visser, Auteursrecht, 3. Aufl. 2005; André Lucas, Henri-Jacques Lucas, Traité de la propriété littéraire et artistique, 3. Aufl. 2006; Gerhard Schricker (Hg.), Urheberrecht, 3. Aufl. 2006; Thomas Dreier, Bernt Hugenholtz (Hg.), Concise European Copyright Law, 2006; William Rodolph Cornish, David Llewelyn, Intellectual Property, 6. Aufl. 2007; Haimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl. 2007; Matthias Leistner, Konsolidierung und Entwicklungsperspektive des europäischen Urheberrechts, 2008; Paul Katzenberger, Gerhard Schricker, Erich Schulze, Konrad Zweigert (Hg.), Quellen des Urheberrechts (Loseblatt).