Sortenschutz und Sozialistisches Recht: Unterschied zwischen den Seiten

Aus HWB-EuP 2009
(Unterschied zwischen Seiten)
K 1 Version importiert
 
de>Jentz
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
von ''[[Joseph Straus]]''
von ''[[Knut B. Pißler]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Funktionalisierung des Rechts als Prinzip ==
Trotz einer Reihe von Eigentümlichkeiten, welche der Sortenschutz z.B. gegenüber dem [[Patentrecht]] aufweist, zählt er richtigerweise zu den Rechten des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s. Anders als das Patentrecht, das generische, d.h. allgemein anwendbare technische Lehren schützt und spätestens seit der Einbeziehung der Biologie in den Technikbegriff (BGH 27.3.1969, BGHZ 52, 74) in Bezug auf die erfassten Gebiete der Technik als neutral bezeichnet werden kann, bezieht sich der Sortenschutz allein auf züchterische Leistungen im Bereich der Pflanzenzüchtung. Den Tierzüchtern steht er nicht zur Verfügung. Im Unterschied zu der im Patentrecht geschützten Erfindung, die vom Gesetzgeber bewusst nicht definiert wurde, legt der moderne Sortenschutzgesetzgeber den Schutzgegenstand, die ''Sorte'', anhand einer Legaldefinition fest und verankert diese auch international. Nach Art. 1(vi) des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Üb) vom 2.12.1961 und, dem folgend, § 2 Nr. 1a SortSchG und Art. 5(2) Sortenschutz-VO, (VO 2001/‌94) ist unter dem Begriff „Sorte“ zu verstehen:
Das sozialistische Recht ist als Rechtskreis ([[Rechtskreislehre]]) nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast verschwunden. Es erhielt seinen besonderen Charakter dadurch, dass es auf der weltanschaulichen Grundlage des Marxismus-Leninismus beruhte. Dies wird in der viel zitierten Definition von Recht durch ''Wyschinski'' deutlich, der es als „Gesamtheit der Verhaltensregeln begreift, die den Willen der herrschenden Klasse ausdrücken und auf gesetzgeberischem Wege festgelegt sind, sowie der Gebräuche und Regeln des Gemeinschaftslebens, die von der Staatsgewalt sanktioniert sind. Die Anwendung dieser Regeln wird durch die Zwangsgewalt des Staates gewährleistet zwecks Sicherung, Festigung und Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und Zustände, die der herrschenden Klasse genehm und vorteilhaft sind.


„Eine Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen, soweit aus diesen wieder vollständige Pflanzen gewonnen werden können, innerhalb eines bestimmten Taxons der untersten bekannten Rangstufe, die unabhängig davon, ob sie den Voraussetzungen für die Erteilung eines Sortenschutzes entspricht,  
Recht dient nach dieser Auffassung als ein Instrument zur planmäßigen Steuerung der ökonomischen und sozialen Struktur des Landes, um den nach der Lehre des dialektischen und historischen Materialismus naturgesetzlich festgelegten Prozess der Bewegung auf die klassenlose Gesellschaft hin aktiv voranzutreiben und mitzugestalten. Hiermit wird ein wichtiger und am stärksten ins Auge fallender Unterschied zu anderen Rechtssystemen deutlich: die politisch-gesellschaftliche Funktionalisierung des Rechts wird zum Prinzip erhoben. Konsequenterweise wird abgelehnt, dass das Recht daneben die Verwirklichung anderer, eigenständiger Werte zum Ziel hat. Insbesondere wird verneint, dass das Recht der Politik Grenzen setzen kann, indem es dem einzelnen Bürger Freiheitsräume sichert, die dem staatlichen Zugriff auch dann entzogen sind, wenn ein solcher Zugriff durch politisch-gesellschaftliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten gerechtfertigt zu sein scheint. Für einen Staat, der sich im Besitz einer angeblich wissenschaftlich begründeten Heilslehre weiß, ist es nur natürlich, dass er das Interesse an der Durchsetzung der von ihm als richtig erkannten materialen Inhalte höher stellt as das Interesse an der Sicherung formaler Freiräume, wie es den Verfahrensregeln der westlichen Länder zugrunde liegt.
a) durch die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergebende Ausprägung der Merkmale definiert,  
b) von jeder anderen Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen durch die Ausprägung mindestens eines dieser Merkmale unterschieden und
c) hinsichtlich ihrer Eignung, unverändert vermehrt zu werden, als Einheit angesehen werden kann.


Dadurch, dass die Definition auf die ''Gesamtheit'', also eine Gruppe von Pflanzen oder Pflanzenteilen abstellt, die definiert wird durch die Ausprägung von Merkmalen, für die ein ''bestimmter Genotyp'' oder eine ''bestimmte Kombination von Genotypen'' verantwortlich ist, sich diese Pflanzengesamtheit durch die Ausprägung mindestens eines dieser Merkmale, die von dem bestimmenden Genotypen abhängt und bei der Vermehrung erhalten bleiben muss, von jeder anderen Pflanzengesamtheit unterscheidet, wird deutlich, dass sich der Sortenschutz nicht als eine Form des Sacheigentums begreifen lässt. Der Sortenschutz hat vielmehr die gesamte genetische Information, also das Genom der fraglichen „Gesamtheit von Pflanzen oder Pflanzenteilen“ zum Gegenstand. Er erfasst auch die Folgegenerationen solcher pflanzlichen Gesamtheiten, so lange deren durch den bestimmten Genotyp oder die bestimmte Kombination von Genotypen definierten Merkmale erhalten bleiben.
Nach dem Fall der Mauer öffnete sich der Blick auf eine (sozialistische) Rechtswirklichkeit in Ostdeutschland, in der nicht nur ein „System“ tätig war, sondern Menschen, die zwar den politischen Vorgaben folgten, aber die doch auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten vernünftig handelten und Konflikte lösten. Das Recht spielte dabei freilich nur eine Nebenrolle, es hielt keine Freiräume offen und schützte nicht vor dem aufdringlichen Erziehungsgestus des Staates und der Richter, wurde aber andererseits auch nicht immer konsequent durchgesetzt.


Das im Rahmen des Sortenschutzes gewährte Züchterrecht bezieht sich anders als das Patentrecht, das eine allgemein anwendbare und wiederholbare technische Lehre zum Gegenstand hat, jeweils ausdrücklich auf ''eine bestimmte Pflanzensorte'', wobei der geschützte Gegenstand nicht in der Sache „Samen“, „Setzling“, „Steckling“, usw., als konkretes Vermehrungsmaterial zu erblicken ist, sondern in der Gesamtheit der für die wie auch immer definierte Pflanzensorte entscheidenden genetischen Informationen, die im Wege der Nachkommen weitergegeben werden.
== 2. Sozialistisches Zivilrecht ==
1922 schuf die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik in der Periode der so genannten „Neuen Ökonomischen Politik“ ein Zivilgesetzbuch, welches nach der Pandektentradition ([[Pandektensystem]]) in einem allgemeinen Teil „Rechtssubjekte“, „Rechtsobjekte“ und „Rechtsgeschäfte“ behandelte, in seinem Sachenrecht aber die neuen Figuren des „Staatseigentums“, „Genossenschaftseigentums“ und „Privateigentums“ einführte, während das Schuldrecht dem deutschen Recht nahestand. Als charakteristisch für den Geist des Gesetzes kann Art. 1 gelten, wonach die bürgerlichen Rechte keinen Schutz genießen, wenn „sie im Widerspruch zu ihrer sozial-wirtschaftlichen Bestimmung verwirklicht werden“. Nachdem allerdings ''Josef'' ''Stalin'' in den 1930er Jahren seine Stellung zu einem unumschränkten Diktator ausgebaut hatte, kam es zu einer Zeit der rechtstheoretischen Diskussionen um die Schaffung eines Wirtschaftsrechts, da ein sozialistisches Zivilrecht für denkunmöglich gehalten wurde. Dies änderte sich erst nach dem Tod ''Stalins'' 1953, als man mit Vorarbeiten zu einem neuen Zivilgesetzbuch begann, das 1964 erlassen wurde ([[Russisches Zivilgesetzbuch]]). Auch dieses neue Gesetz folgte im Großen und Ganzen immer noch den Vorstellungen der klassischen bürgerlichen Zivilistik, enthielt es doch nach wie vor einen vorangestellten [[Allgemeiner Teil|Allgemeinen Teil]], in dem sich eine lehrbuchhafte Definition von [[„Rechtsgeschäften“ befand. Das Zivilgesetz von 1964 fand auch Anwendung im Verhältnis der staatlichen, genossenschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen untereinander, übernahm also nicht den jahrelang diskutierten Vorschlag von Rechtswissenschaftlern, Rechtsverhältnisse der sozialistischen Unternehmen in einem besonderen Wirtschaftsgesetzbuch zu regeln. Auch das Familienrecht wurde in dieser Zeit neu geordnet, was neben der später auch für andere sozialistische Länder typischen Einführung der standesamtlichen Eheschließung vor allem zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zur Ehescheidung aufgrund des Zerrüttungsprinzips und zur weitgehenden Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen führte.


Dank der Vererbungslehre von Gregor Mendel und dank auch den Fortschritten in der Pflanzengenetik, Pflanzenpathologie, Biochemie und Molekularbiologie konnte die Pflanzenzüchtung seit Anfang des 20. Jahrhunderts beachtliche Erfolge erzielen. Hybridzüchtung, Ploidie und Rückkreuzung ermöglichten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg beachtliche Steigerungen von Ernten und waren maßgeblich für die Überwindung von Ernährungsproblemen in einer Reihe von Ländern verantwortlich. Die spätere Entwicklung der Wissenschaft und Technik, die der Pflanzenzüchtung weitere neue Verfahren, wie Pflanzengewebkultur, Protoplastenfusion und Mikroinjektion bescherten, führten mit Hilfe der DNA-Technologie zum gezielten Gentransfer und letztlich zu transgenen herbizid-, pestizid-, oder insektenresistenten Pflanzen.
Mit Ausnahme der Mongolei, die mit Hilfe der Sowjetunion zu Beginn der 1920er Jahre unabhängig geworden war und hiernach ihr Recht nach dem sowjetischen Vorbild gestaltete, konnte sich das sozialistische Recht außerhalb der Sowjetunion allerdings erst verbreiten, als die Rote Armee gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nach Mitteleuropa vordrang. In der Volksrepublik China begann der Aufbau eines sozialistischen Rechts, nachdem ''Mao Tse-Tung'' im Jahr 1949 die Volksrepublik ausgerufen hatte. Auch dort gehörte eine Reform des Familienrechts im Jahr 1950 zu den ersten umfassenden gesetzgeberischen Vorhaben. Allerdings kam es erst nach dem Ende der Kulturrevolution im Zuge der so genannten Politik der Reform und Öffnung nach 1978 zu energischen Kodifikationsarbeiten. Diese Arbeiten waren dann allerdings – auch bedingt durch das Zerwürfnis mit der Sowjetunion Anfang der 1960er Jahre – nicht mehr primär durch sowjetische Vorbilder geprägt. Es ist vielmehr eine [[Ausstrahlung des europäischen Privatrechts ins chinesische Recht festzustellen, die sich Ende der 1990er Jahre noch verstärkte. Die Arbeiten an einem Zivilgesetzbuch dauern in China gegenwärtig noch an.


Der große finanzielle und zeitliche Aufwand, der für die Züchtung neuer Pflanzensorten notwendig ist, und die Leichtigkeit mit der man wegen der Selbstvermehrungsfähigkeit des biologischen Materials – Samen, Setzlinge, Stecklinge, usw. – ohne besonderen Schutz die Züchtungsergebnisse beliebig kostenlos verwerten kann, zeigten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit auf, für die Pflanzenzüchter einen wirksamen Schutz einzuführen. Versuche, Pflanzenzüchtungen in den Kreis der patentfähigen Gegenstände einzubeziehen, begegneten jedoch einer Reihe von Schwierigkeiten. Zum einen handelt es sich beim züchterischen Material um belebte Natur, zum anderen war es nicht möglich, den Züchtungsvorgang in der Patentanmeldung so vollständig und deutlich zu beschreiben, dass er nur auf der Grundlage der Beschreibung wiederholt werden könnte. Um dem abzuhelfen, verabschiedete eine Reihe europäischer Staaten besondere gesetzliche Regelungen zum Schutz von Pflanzensorten, die diesen Besonderheiten Rechnung getragen haben. Die Vorreiterrolle spielte die Tschechoslowakei mit dem Gesetz von 1921. Später folgten Frankreich (1922 und 1932), die Niederlande (1942), Österreich (1946) und die Bundesrepublik Deutschland (Saatgutgesetz von 1953). Dabei verfolgt der Gesetzgeber mit dem Sortenschutz primär das Ziel, die Züchter im Interesse der Landwirtschaft, einschließlich des Gartenbaus und der Forstwirtschaft zur Schaffung neuer, leistungsfähiger Sorten anzuregen.
In den meisten der ehemals sozialistischen Ländern Mitteleuropas wurden hingegen nach dem Zweiten Weltkrieg umfassende Zivilgesetzbücher erlassen: in Ungarn im Jahr 1959, in Polen und in der Tschechoslowakei 1964, in der DDR 1975 (ein Familiengesetzbuch war bereits in 1965 verabschiedet worden) und in Albanien 1981; in Jugoslawien trat 1978 ein „Gesetz über Obligationenverhältnisse“ in Kraft. Allerdings entwickelten einige der Länder auf dem Gebiet der staatlichen Wirtschaftsverwaltung eigenständige Lösungen, indem etwa den Betrieben in Jugoslawien und Ungarn ein breiter Spielraum für eigene Initiativen eingeräumt wurde. Auch in gesetzessystematischer Hinsicht löste man sich in einigen dieser Länder von der sowjetischen Lehre, indem man das Wirtschaftsrecht aus dem Zivilrecht herauslöste: So beispielsweise in der Tschechoslowakei und in der DDR, wo das Zivilgesetzbuch für die Rechtsbeziehungen unter den staatlichen Unternehmen keine Bedeutung hatte. In der DDR schuf man außerdem im Jahr 1976 ein „Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge“, das für Verträge zwischen staatlichen Unternehmen und Ausländern galt, soweit diese Verträge nach dem Recht der DDR zu beurteilen waren.


Um den Patentschutz auch für Pflanzenzüchtungen, wenigstens teilweise zu öffnen, verabschiedete der US-Gesetzgeber 1930 das ''Plant Patent Act'', mit dem unter geringeren Anforderungen an die wiederholbare Offenbarung, aber auch mit geringerem Schutzumfang Patentschutz für vegetativ vermehrbare Pflanzen eingeführt wurde. Obwohl das US-amerikanische Patentgesetz (35 U.S.C.) keine Ausschlussbestimmungen in Bezug auf Erfindungen von Pflanzen oder Pflanzensorten enthält, dauerte es bis 2001, bis der ''Supreme Court'' endgültig die Frage geklärt hat, dass Pflanzen generell als patentierbare Gegenstände nach 35 U.S.C. § 101 anzusehen sind (''Supreme Court'' 10.12.2001, GRUR Int. 2002, 355). Das Gericht hat dabei insbesondere auch klargestellt, dass die Tatsache, dass es für ''vegetativ vermehrbare Pflanzen'' auch den Schutz nach den inzwischen in 35 U.S.C. integrierten Vorschriften des ''Plant Patent Act ''gibt und darüber hinaus seit 1978 ''generativ vermehrbare'' ''Pflanzen'' den besonderen Sortenschutz nach dem ''Plant Variety Protection Act'' genießen, nicht die Schlussfolgerung erlaubt, Pflanzen seien nach den allgemeinen Vorschriften des Patentgesetzes nicht patentierbar. Vielmehr stelle das Patentgesetz höhere Anforderungen an die Schutzfähigkeit, gewähre aber auch einen weitergehenden Schutz als die beiden anderen Schutzformen.  
Das sozialistische Zivilrecht hat unter dem Einfluss der marxistischen Lehre auf dem Gebiet des Eigentumsrechts ein besonderes Begriffsinstrumentarium geschaffen, das sich von dem anderer Rechtssysteme stark unterscheidet. Während das Eigentum hier eine umfassende Herrschaft über die Sache verleiht, die grundsätzlich unbeschränkt ist, beinhaltet das Eigentum in den sozialistischen Staaten von vornherein lediglich diejenigen Befugnisse, deren der jeweilige Rechtsträger zur Erfüllung der vom Staat vorgegebenen, in der Wirtschaftsplanung niedergelegten Ziele bedarf.


Obwohl höchstrichterlich nicht abgesichert, fingen auch einige Patentämter in Europa an, für Pflanzenzüchtungsverfahren und auch für Pflanzensorten Patente zu erteilen. So das Deutsche Reichspatentamt seit Mitte der 1930er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ähnliches galt für Belgien, Frankreich, Italien, Schweden und Ungarn, und außerhalb Europas für Japan. Hingegen waren keine Pflanzenpatente erhältlich z.B. in Dänemark, Griechenland, Norwegen und der Schweiz, die im Übrigen auch keinen Sortenschutz kannten. Die Erteilungspraxis des Deutschen Patentamts, das nach dem Zweiten Weltkrieg die Praxis des Reichspatentamtes fortführte, wurde von der Rechtsprechung (BPatG 16.10.1973, Bl. PMZ 1974, 203; BGH 6.7.1962, GRUR 1962, 577) nicht bestätigt. Die Gerichte sahen die Voraussetzung der ausreichenden Offenbarung allein anhand der schriftlichen Beschreibung als nicht erfüllt an. Eine Änderung dieser Rechtsprechung deutete sich erst an, nachdem der BGH in Ergänzung der schriftlichen Beschreibung die Hinterlegung von Mikroorganismen in öffentlich zugänglichen Hinterlegungsstellen auch für Produktpatente als ausreichend ansah (BGH 12.2.1987, BGHZ 100, 67; BGH 30.3.1993, GRUR 1993, 651).
Auch dem Vertrag kommt im sozialistischen Zivilrecht eine besondere Funktion zu: er dient primär der Vorbereitung, Konkretisierung und Durchführung der staatlichen Wirtschaftsplanung. Nicht der Vertrag ist in erster Linie das Mittel der Ordnung des Wirtschaftsverkehrs, sondern der Plan. Der Vertrag wird zwar als Mechanismus benutzt, um für die gegenläufigen, jeweils auf Gewinnerzielung gerichteten Interessen der einzelnen, relativ selbständig wirtschaftenden Betriebe einen Ausgleich zu finden. Wenn er als Mittel zur Verfolgung von Einzel- oder Gruppeninteressen zur Verfügung steht, dann aber nur deshalb, weil dadurch das Gesamtinteresse gefördert werden soll, das in der staatlichen Wirtschaftsplanung verbindlich festgelegt wird. Der Vertrag dient damit stets dem Plan, während das Einzelinteresse dem Gesamtinteresse dient.


== 2. Internationale Einbettung des Sortenschutzes ==
== 3. Sozialistische Rechtspflege ==
Die Rechtsunsicherheit, die in Bezug auf die Möglichkeit herrschte, Pflanzensorten mit Patenten zu schützen, und die unkoordinierte Entwicklung der besonderen Sortenschutzgesetzgebung in einigen europäischen Ländern machten das Bedürfnis nach einer internationalen Regelung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre des 20. Jahrhunderts deutlich. 1957 ergriff die französische Regierung die Initiative für eine solche Regelung, die dann unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und stark an den Grundsätzen des Saatgutgesetzes von 1953 orientiert, 1961 in Paris mit der Unterzeichnung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen zustande kam. Mit diesem Übereinkommen gründeten die Vertragsstaaten auch eine Union zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (''Union pour la protection des obtentions végétales''). Das Übereinkommen, das seither international allgemein als „UPOV-Übereinkommen“ bezeichnet wird (UPOV-Üb), wurde außerhalb der PVÜ angesiedelt, ist also kein Sonderabkommen i.S.d. Art. 19 PVÜ. Das UPOV-Üb stellt eine materiell-rechtliche Lösung der Probleme des Schutzes von Pflanzenzüchtungen dar, indem den Vertragsstaaten einheitliche Standards auferlegt werden in Bezug auf Schutzvoraussetzungen und deren Prüfung, sowie die Wirkungen und die Dauer des Schutzes des im Übereinkommen vorgesehenen Züchterrechts. Da die meisten Mitgliedsländer der PVÜ keinen Schutz von Pflanzenzüchtungen kannten, hätte die uneingeschränkte Anwendung des Inländerbehandlungsgrundsatzes aus Art. 2 PVÜ für die Vertragsstaaten des neuen Übereinkommens negative Folgen.
Die Rechtspflege in sozialistischen Staaten ist zunächst dadurch geprägt, dass der Richter seine gesamte Tätigkeit in den Dienst der von der Kommunistischen Partei vorgegebenen politischen Ziele zu stellen hat und sich gegenüber der Partei einer ständigen Kontrolle, Aufsicht und Rechenschaftspflicht unterwirft. Insofern kann die Justiz dort nicht den Status einer unabhängigen dritten Gewalt haben, was sich etwa auch in der DDR an der jederzeitigen Abberufbarkeit der Richter durch die Volksvertretungen zeigte.


Die 1961 unterzeichnete Fassung des UPOV-Üb enthielt noch keine klare Definition des Sortenbegriffs. Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine neue, unterscheidbare, homogene und beständige Sorte (worunter auch Klone, Linien, Stämme und Hybriden fielen) handelt, die ihrer Art nach im Artenverzeichnis des Vertragsstaates aufgeführt sind, sah das Übereinkommen für ''Entdecker'' und ''Züchter'' solcher Sorten das ausschließliche Recht für die gewerbsmäßige Erzeugung und den gewerbsmäßigen Vertrieb des Vermehrungsmaterials der geschützten Sorte vor. UPOV-Üb sieht keinen Schutz von Züchtungsverfahren vor. Die Mindestschutzdauer betrug 15 Jahre, bei Reben, Obst-, Wald- und Zierbäumen 18 Jahre. Von den Schutzwirkungen nicht erfasst war das Konsumgut, sei es in Form von ganzen Pflanzen, sei es in Form von Pflanzenteilen, z.B. Früchten. Des Weiteren erstreckte sich die Wirkung auch nicht auf Erzeugung von Vermehrungsgut für den eigenen Betrieb – Anbau auf eigenem Feld – der Landwirte (''Landwirteprivileg''). Das UPOV-Üb 1961 kannte auch keine Abhängigkeit: Die Verwendung einer geschützten Sorte als Ausgangsmaterial zur Züchtung neuer Sorten, war zustimmungs- und vergütungsfrei, ebenso die Kommerzialisierung der daraus gezüchteten neuen Sorte (''Züchterprivileg''). Eine Ausnahme machte das Übereinkommen nur für die Fälle, in welchen das Ausgangsmaterial für die gewerbsmäßige Erzeugung einer anderen Sorte fortlaufend verwendet werden muss. Die Schutzvoraussetzungen werden im Felde geprüft (''Anbauprüfung''). Für die folgende nationale Rechtsentwicklung war von besonderer Bedeutung, dass das UPOV-Üb 1961 zwar jedem Verbandsstaat „das in diesem Übereinkommen vorgesehene Züchterrecht“ durch die Gewährung eines besonderen Schutzrechts oder eines Patents zuerkennen ließ, jedoch die Verbandsstaaten daran hinderte, beide Schutzformen für dieselbe botanische Gattung oder Art vorzusehen (''Doppelschutzverbot'').
Kennzeichnend ist weiterhin, dass der Rechtspflege in sozialistischen Staaten in besonderem Maße eine erzieherische Funktion zukommt. Denn das sozialistische Recht will die Menschen bewusst durch Beeinflussung ihrer inneren Haltung zu einer „sozialistischen Moral“ erziehen, ohne die der von der marxistisch-leninistischen Lehre angestrebte Zustand nicht erreicht werden kann, in dem individuelle Egoismen überwunden und eine Güterverteilung nach dem Prinzip „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ möglich sein sollen. Die Erziehungsfunktion wird insbesondere durch Einrichtungen wie die Teilnahme von prozessfremden Vertretern des Kollektivs, dem eine Prozesspartei angehört, an Verfahren oder die Verlegung der Verhandlung in den betroffenen Betrieb oder die betroffene Wohngebiet deutlich.


Das UPOV-Üb ist 1978 erstmals revidiert worden. Den Mitgliedsländern wurde die Möglichkeit eingeräumt, den Inhalt des Züchterrechts dahin zu erweitern, dass davon auch das pflanzliche Endprodukt erfasst werden kann. Um den Beitritt der Vereinigten Staaten von Amerika, die Pflanzenzüchtungen sowohl mit Pflanzenpatenten als auch mit Sortenschutzrechten schützten, zu ermöglichen, wurde das ''Doppelschutzverbot'' durch eine auf USA zugeschnittene Vorschrift durchbrochen. Endgültig und vollständig aufgehoben wurde das ''Doppelschutzverbot ''im Zuge der großen Revision des Übereinkommens im Jahre 1991 (UPOV-Üb 1991). Außer der Festlegung des Sortenbegriffs in Art. 1(vi), wurde eine Reihe weiterer Neuerungen in das Übereinkommen eingeführt. Sie alle bringen den Sortenschutz näher an den Patentschutz heran. So sind die Vertragsparteien, die der Fassung von 1991 beitreten, verpflichtet, nach einer Frist von 10 Jahren Schutz für Sorten aller Pflanzengattungen und Arten zu gewährleisten. Wenn der Züchter keine angemessene Gelegenheit hatte, sein Recht in Bezug auf das Vermehrungsmaterial auszuüben, kann sich sein Recht auch auf das Erntegut oder bestimmte Erzeugnisse erstrecken (Art. 14(2) und (3) UPOV-Üb). Darüber hinaus erstreckt sich das Züchterrecht auch auf sog. im Wesentlichen von der geschützten Sorte abgeleiteten Sorten (Art. 14(5) UPOV-Üb). Zwar erlaubt es auch das UPOV-Üb 1991, das sog. ''Züchterprivileg'' vorzusehen, d.h. zu erlauben, dass geschützte Sorten zur Züchtung neuer Sorten frei verwendet werden und auch die Ergebnisse solcher Züchtung frei vermarktet werden dürfen, jedoch schränkt UPOV-Üb 1991 dieses Recht dahin ein, dass, wenn das Ergebnis solcher Weiterzüchtung eine im Wesentlichen abgeleitete Sorte ist, der Züchter von dem sog. Ursprungszüchter eine Erlaubnis zur Vermarktung bedarf (Art. 15 UPOV-Üb 1991). Auch das ''Landwirteprivileg'' ist weiterhin erlaubt, jedoch nur unter Beachtung der Züchterrechte und Bezahlung einer angemessenen Vergütung. Ohne den Begriff „''Zwangslizenz''“ zu verwenden, räumt das Übereinkommen den Vertragsparteien das Recht ein, aus Gründen des ''öffentlichen Interesses'' das Züchterrecht zu beschränken und Dritten, gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Züchter, zu erlauben, Handlungen vorzunehmen, die der Zustimmung des Züchters bedürften (Art. 17 UPOV-Üb). Die Schutzdauer wurde auf mindestens 20 Jahre, bei Bäumen und Reben mindestens 25 Jahre ab Erteilung des Züchterrechts verlängert (Art. 19 UPOV-Üb). Das UPOV-Üb schreibt auch zwingend vor, dass jede Sorte mit einer ''Sortenbezeichnung'' als Gattungsbezeichnung zu kennzeichnen ist (Art. 20 UPOV-Üb). Die Sortenbezeichnung dient der Identifizierung der Sorte. Damit entstehen nicht nur Probleme mit der Unterscheidbarkeit unter einzelnen Sortenbezeichnungen, sondern kommt es auch zu Konflikten im Verhältnis zu Marken. Nach § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 4 des deutschen Markengesetzes stellt eine ältere Sortenbezeichnung ein relatives Schutzhindernis (Löschungsgrund) dar.
Ein weiteres typisches Merkmal der Rechtspflege in sozialistischen Staaten ist, dass staatliche Rechtspflegefunktionen in die gesellschaftliche Selbstverwaltung übertragen werden. Um die staatlichen Rechtspflegeorgane von Bagatellstreitigkeiten des täglichen Lebens zu entlasten und gleichzeitig die Bevölkerung unmittelbar an der Lösung von Konfliktfällen zu beteiligen, schuf man in Betrieben, staatlichen Ausbildungseinrichtungen und Behörden „gesellschaftliche Gerichte“, „Konfliktkommissionen“ oder „Schiedskommissionen“.


Nach sehr zögerlicher Entwicklung der Mitgliedschaft, zählt die UPOV nach mehr als 45-jährigem Bestehen 67 Mitgliedstaaten (2009), wobei die wachsende Anzahl der Mitgliedstaaten in erster Linie im Zusammenhang mit der Verpflichtung der WTO-Mitglieder zu sehen ist, nach Art. 27(3)(b) TRIPS für neue Pflanzensorten den Patentschutz oder einen wirksamen Schutz ''sui generis'', oder eine Kombination der beiden vorzusehen.  
Da sozialistische Staaten einen Anspruch auf umfassende politische Lenkung aller staatlichen Tätigkeit erheben, kommt schließlich auch dem Institut der Rechtskraft nicht dieselbe Bedeutung zu wie in anderen Rechtssystemen, wo es die Parteien in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand der durch das Urteil geschaffenen Lage schützt und der Rechtssicherheit dient. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung wird dort vielmehr immer dann durchbrochen, wenn dies dem sozialistischen Staat aus übergeordneten Gründen oder im Interesse der einheitlichen Durchsetzung politischer Zielvorstellungen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Einleitung eines solchen Gerichtsaufsichtsverfahren stellen können typischerweise die Staatsanwaltschaft und höhere Gerichte. Die Parteien des Rechtsstreits haben hingegen keine Möglichkeit, dieses Verfahren in Gang zu setzen.


== 3. Gemeinschaftlicher Sortenschutz ==
== 4. Sozialistisches Recht heute ==
Mit VO 2100/‌94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz hat die Europäische Gemeinschaft 1994 einen gemeinschaftlichen Sortenschutz als einzige und ausschließliche Form des gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutzes für Pflanzensorten geschaffen (Art. 2 VO 2100/‌94). Trotz des Anspruchs auf Exklusivität lässt die VO 2100/‌94 das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, nationale Schutzrechte für Sorten weiterhin zu erteilen. Dies allerdings mit der Einschränkung, dass die Sorten, die Gegenstand eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind, weder Gegenstand eines nationalen Sortenschutzes noch eines Patents für die betreffende Sorten sein können. Gegen dieses Doppelschutzverbot erteilte Schutzrechte entfalten keine Wirkung (Art. 3 i.V.m. Art. 92 VO 2100/‌‌94). Die VO folgt, was die Schutzvoraussetzungen und die Schutzwirkungen angeht, den Vorgaben des UPOV Üb 1991. Dabei ist die Schutzdauer allgemein auf 25 Jahre, bei Sorten von Reben und Baumarten auf 30 Jahre, gerechnet von dem auf die Erteilung folgenden Kalenderjahr, festgelegt. Auf Vorschlag der Kommission kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit die Schutzdauer für be-stimmte Gattungen und Arten bis zu weiteren 5 Jahren verlängern (Art. 19 (1) und (2) VO 2100/‌‌94).
Nach der Auflösung der Sowjetunion und den Reformen in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas stellt sich die Frage, ob ein sozialistisches Recht heute noch existiert. Neben der Demokratischen Volksrepublik Korea, über deren Recht bislang wenig in westlichen Sprachen geforscht wurde, und der Sozialistischen Republik Kuba, wo man erst kurz vor der Wendezeit im Jahr 1987 ein neues Zivilgesetz schuf, dessen Verwandtschaft zum iberoamerikanischen Rechtskreis ([[Rechtskreislehre]]) ebenso deutlich ist wie die zu sozialistischen Vorbildern, fällt der Blick auf das Recht der Volksrepublik China mit ihrer als „sozialistische Marktwirtschaft“ bezeichneten Wirtschaftsordnung.


Die VO 2100/‌94 folgt nicht nur den Grundsätzen der Regelung des UPOV Üb 1991, sondern auch den Regelungen des TRIPS Übereinkommens und des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Sie hält an dem ''Doppelschutzverbot'' fest, in dem in den Erwägungsgründen klar gestellt wird, dass nach dem EPÜ nur ''Pflanzensorten als solche'' von der Patentierung ausgeschlossen sind. Das sog. ''Landwirteprivileg'' sieht die VO 2100/‌94 lediglich für Futterpflanzen, Getreide, Kartoffeln und Öl- sowie Faserpflanzen vor, wobei, mit Ausnahme der Kleinlandwirte, die Landwirte verpflichtet sind, bei Verwendung des Erntegutes für die nächste Aussaat an den Sortenschutzinhaber eine angemessene Entschädigung zu zahlen, "die deutlich niedriger sein muss als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorten in Lizenz verlangt wird" (Art. 14 VO 2100/‌‌94).
In der Tat lassen sich in der Volksrepublik China nach wie vor Stilelemente des sozialistischen Rechts finden. So wird im materiellen Zivilrecht auch nach der Verabschiedung des Sachenrechtsgesetzes im Jahr 2007 in der Tradition des sozialistischen Rechts zwischen staatlichem, kollektivem und privatem Eigentum unterschieden. Grund und Boden verbleiben weiterhin in Staatseigentum oder kollektivem Eigentum, wurden jedoch bereits seit Mitte der 1980er Jahre durch die Schaffung von (dem deutschen Erbbaurecht ähnlichen) Landnutzungsrechten kommerzialisiert. Bis zum Inkrafttreten des chinesischen Vertragsgesetzes im Jahr 1999 galt außerdem – wie in anderen der ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas – eine Trennung zwischen Zivilrecht und Wirtschaftsrecht: Während die 1986 nach Vorbildern in der Sowjetunion, der DDR, Ungarns und der Tschechoslowakei geschaffenen „Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts“ (AGZR) auf Rechtsbeziehungen anwendbar waren, an denen zumindest eine (chinesische) natürliche Person beteiligt ist, gab es für Rechtsbeziehungen zwischen juristischen Personen gesonderte Gesetze: das Wirtschaftsvertragsgesetz und (das auf Rechtsbeziehungen mit ausländischen natürlichen und juristischen Personen anwendbare) Außenwirtschaftsvertragsgesetz. Mit Inkrafttreten des Vertragsgesetzes ist diese Trennung aufgehoben worden. Das Vertragsgesetz lässt erkennen, dass man sich am internationalen Einheitsrecht (am CISG) und an international anerkannten Prinzipien des Vertragsrechts orientiert hat ([[Ausstrahlungen des europäischen Privatrechts ins chinesische Recht). Zugleich sind dort jedoch auch Reste der Planwirtschaft zu finden. Im Gesellschaftsrecht ist ein entsprechender Rechtsdualismus zwischen dem Recht, das auf rein chinesische Gesellschaften Anwendung findet, und dem besonderen Recht für Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung im Rückzug begriffen. Ein Merkmal, das nicht ausschließlich auf sozialistisches Recht hinweist, sondern auch auf die Besonderheiten der chinesischen Schriftzeichen zurückzuführen ist, ist die Vagheit der Formulierung von Rechtsnormen. In der Praxis ermöglicht diese Vagheit dann allerdings staatliches Handeln, das für sozialistische Rechtssysteme typisch ist, indem etwa das Erteilen von Genehmigungen an Tatbestandsvoraussetzungen wie „Nützlichkeit für die Modernisierung und den sozialistischen Aufbau“ geknüpft wird, die nicht justiziabel sind.


Mit der VO 2100/‌94 ist das ''Gemeinschaftssortenamt'' mit Sitz in Angers/‌Frankreich gegründet worden, dessen Organe der Verwaltungsrat, der Präsident und die Beschwerdekammern sind. Das Amt führt die Formalprüfung des Antrages durch. Die sachliche Prüfung, d.h. die Prüfung der Schutzvoraussetzungen im Anbauversuch, führen hingegen nationale Sortenämter der Mitgliedstaaten durch. Auf Antrag eines Mitgliedstaates, der Kommission oder einer auf Gemeinschaftsebene arbeitenden und bei der Kommission registrierten Organisation kann das Gemeinschaftssortenamt aus Gründen des ''öffentlichen Interesses'' eine ''Zwangslizenz'' entweder einer Gruppe von Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, oder einem Einzelnen innerhalb eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder gemeinschaftsweit zu angemessenen Bedingungen gewähren. Zum letzteren zählt auch die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr als geeignete Vergütung an den Inhaber des Züchterrechts. Aus Gründen des öffentlichen Interesses kann das Amt darüber hinaus Zwangslizenzen auf Antrag des Inhabers einer ''im Wesentlichen abgeleiteten Sorte'' gegen Zahlung einer angemessenen Gebühr an den Inhaber der ''Ursprungssorte'' gewähren (Art. 29(1)-(5) VO 2100/‌‌94). Schließlich erteilt das Amt gegen Zahlung einer angemessenen Gebühr Zwangslizenzen auch dem Inhaber eines Patents für eine biotechnologische Erfindung für die nicht ausschließliche Nutzung einer geschützten Pflanzensorten nach Art. 12(1) der RL 98/‌44, vorausgesetzt, der Patentinhaber weist nach, dass er vergeblich um Erteilung einer vertraglichen Lizenz ersucht hatte und die Erfindung einen bedeutenden technischen Fortschritt von erheblichem wirtschaftlichen Interesse gegenüber der geschützten Pflanzensorte darstellt. Wurde einem Inhaber eines Gemeinschaftszüchterrechts eine Zwangslizenz gemäß Art. 12(1) der RL 98/‌44 für die nicht ausschließliche Nutzung einer patentierten Erfindung erteilt, damit er in der Lage ist, sein gemeinschaftliches Sortenschutzrecht zu erwerben oder zu verwerten, so wird das Amt auf Antrag zu angemessenen Bedingungen eine nicht ausschließliche gegenseitige Zwangslizenz zur Verwertung der Sorte erteilen (Art. 29(5a) VO 2100/‌94). Gegen die Entscheidungen des Amtes ist Beschwerde zu den Beschwerdekammern möglich, die innerhalb von zwei Monaten einzureichen ist. Sowohl die Entscheidungen der Beschwerdekammern als auch die des Amtes sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung mit der Klage beim Europäischen Gerichtshof anfechtbar. Die Klage ist nur zulässig wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EGV oder der VO 2100/‌94 selbst, oder einer auf ihrer Grundlage erlassenen Durchführungsnorm, schließlich wegen Ermessensmissbrauch (Art. 73(1) und (2) VO 2100/‌94). Für Entscheidungen über die Verletzung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind Gerichte der Mitgliedstaaten nach den Regeln des Luganer Übereinkommens international zuständig (Art. 101 VO 2100/‌94).  
Stärker als im materiellen Zivilrecht sind Stilelemente des sozialistischen Rechts noch im chinesischen Zivilprozessrecht zu finden. So gibt es keine unabhängigen Richter im Sinne der Gewaltenteilung. Richter werden ganz für den sozialistischen Staat in die Pflicht genommen. Das Oberste Volksgericht fungiert außerdem durch den Erlass von justiziellen Interpretationen (wie Oberstes Gericht der Sowjetunion), die für die Untergerichte bindend sind, teilweise als Ersatzgesetzgeber. Die chinesische Staatsanwaltschaft kann aus eigener Initiative „rechtskräftige“ Gerichtsentscheidungen überprüfen lassen. Auch wird die erzieherische Funktion des Rechts und der Rechtspflege an mehreren Stellen offensichtlich: So sehen die AGZR als Rechtsfolgen einer vertraglichen oder deliktischen Haftung beispielsweise das Abfassen einer Reueerklärung und eine Entschuldigung vor. Hinzu kommt, dass Gerichtsverhandlungen „bei Bedarf“ auch außerhalb des Gerichtsgebäudes abgehalten werden können. Der Schlichtung kommt (sicher auch aufgrund der chinesischen Streitvermeidungskultur) innerhalb und außerhalb des Gerichtsverfahrens eine wichtige Funktion zu. Bei der gerichtsinternen Schlichtung hat das Gericht überdies die Möglichkeit, prozessfremde Personen zum Verfahren hinzuzuziehen, die „mit den Beteiligten besondere Beziehungen haben und für den Erfolg der Schlichtung nützlich sind“.
 
Es lässt sich also sagen, dass Stilelemente des sozialistischen Rechts beispielsweise in der Volksrepublik China weiterleben. Ob dies allerdings eine Rechtfertigung dafür ist, weiterhin von einem Rechtskreis „sozialistisches Recht“ zu sprechen, ist fraglich, da im chinesischen Recht inzwischen Einflüsse des kontinentaleuropäischen Rechts und des ''common law'' mindestens ebenso stark zu spüren sind.


==Literatur==
==Literatur==
''Peter Lange'', Die Natur des Züchterrechts (Sortenschutzrecht) in Abgrenzung zur patentfähigen Erfindung, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 1985, 88 ff.; ''Joseph Straus'', Das Verhältnis von Sortenschutz und Patentschutz für biotechnologische Erfindungen in internationaler Sicht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International 1987, 333 ff.; ''Hans Neumeier'', Sortenschutz und/‌oder Patentschutz für Pflanzenzüchtungen, 1990; ''Barry Greengras'', The 1991 Act of the UPOV Convention, European Intellectual Property Review 1991, 466 ff.; ''Noel Byrne'', Commentary on the Substantive Law of the 1991 UPOV-Convention for the Protection of Plant Varieties, 1991; ''Joseph Straus'', Der Schutz biotechnologischer Erfindungen, insbesondere von Pflanzenzüchtungen, in: Friedrich-Karl Beier, Alfons Kraft, Gerhard Schricker, Elmar Wadle (Hg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. I, 1991, 363 ff.; ''Rudolf Teschemacher'', Die Schnittstelle zwischen Patent- und Sortenschutz nach der Revision des UPOV Übereinkommens, in: Festschrift für Rudolf Nirk, 1992, 1005 ff.; ''Joseph Straus'', Pflanzenpatente und Sortenschutz – Friedliche Co-Existenz, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1993, 794 ff.; ''Franz Wuesthoff'', ''Herbert Leßmann'', ''Gert Würtenberger'', Handbuch zum deutschen und europäischen Sortenschutz, 1999; ''Alfred Keukenschrijver'', Sortenschutzgesetz unter Berücksichtigung der Verordnung No. 2100/‌94 (EG) des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, 2001; ''Michael A. Kock'', ''Susann Porzig'', ''Eva Willnegger'', Der Schutz von pflanzenbiotechnologischen Erfindungen und von Pflanzensorten unter Berücksichtigung der Umsetzung der Biopatentrichtlinie, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2005, 183 ff.; ''Margaret Llewelyn'', ''Mike Adcock'', European Plant Intellectual Property, 2006.
''Andrei Januarjewitsch Wyschinski'', Die Hauptaufgaben der Wissenschaft vom sozialistischen Sowjetrecht, Sowjetische Beiträge zur Staats- und Rechtstheorie, 1953, 50 ff.; ''Ernst-Wolfgang Böckenförde'', Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 1967; ''Ferdinand O. Kopp'', Das Verfassungsverständnis in den sozialistischen Staaten, in: Hans Hablitzel, Michael Wollenschläger (Hg.), Recht und Staat, 1972,'' ''573 ff.; ''Norbert Reich'', Sozialismus und Zivilrecht, 1972; ''Norbert Reich'', ''Hans-Christian Reichel'', Einführung in das sozialistische Recht, 1975; ''Georg Brunner'', Einführung in das Recht der DDR, 1979; ''Klaus Westen'', ''Joachim Schleider'', Zivilrecht im Systemvergleich, 1984; ''Dietrich Nelle'', Das neue kubanische Zivilgesetzbuch, Recht in Ost und West 34 (1990) 262 ff.; ''Albert H.Y. Chen'', Socialist Law, Civil Law, Common Law, and the Classification of Contemporary Chinese Law, in: Jan Michiel Otto, Maurice V. Polak, Jianfu Jian, Yuwen Li (Hg.), Law-Making in the People’s Republic of China, 2000, 55 ff.; ''Imre Szabó'', The Socialist Concept of Law, in: IECL II, Kap. 1-86 ff, 1970; ''Inga Markovits'', Gerechtigkeit in Lüritz: Eine ostdeutsche Rechtsgeschichte, 2006.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Plant_Variety_Protection]]
[[en:Socialist_Law]]

Version vom 29. September 2021, 09:39 Uhr

von Knut B. Pißler

1. Funktionalisierung des Rechts als Prinzip

Das sozialistische Recht ist als Rechtskreis (Rechtskreislehre) nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast verschwunden. Es erhielt seinen besonderen Charakter dadurch, dass es auf der weltanschaulichen Grundlage des Marxismus-Leninismus beruhte. Dies wird in der viel zitierten Definition von Recht durch Wyschinski deutlich, der es als „Gesamtheit der Verhaltensregeln begreift, die den Willen der herrschenden Klasse ausdrücken und auf gesetzgeberischem Wege festgelegt sind, sowie der Gebräuche und Regeln des Gemeinschaftslebens, die von der Staatsgewalt sanktioniert sind. Die Anwendung dieser Regeln wird durch die Zwangsgewalt des Staates gewährleistet zwecks Sicherung, Festigung und Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und Zustände, die der herrschenden Klasse genehm und vorteilhaft sind.“

Recht dient nach dieser Auffassung als ein Instrument zur planmäßigen Steuerung der ökonomischen und sozialen Struktur des Landes, um den nach der Lehre des dialektischen und historischen Materialismus naturgesetzlich festgelegten Prozess der Bewegung auf die klassenlose Gesellschaft hin aktiv voranzutreiben und mitzugestalten. Hiermit wird ein wichtiger und am stärksten ins Auge fallender Unterschied zu anderen Rechtssystemen deutlich: die politisch-gesellschaftliche Funktionalisierung des Rechts wird zum Prinzip erhoben. Konsequenterweise wird abgelehnt, dass das Recht daneben die Verwirklichung anderer, eigenständiger Werte zum Ziel hat. Insbesondere wird verneint, dass das Recht der Politik Grenzen setzen kann, indem es dem einzelnen Bürger Freiheitsräume sichert, die dem staatlichen Zugriff auch dann entzogen sind, wenn ein solcher Zugriff durch politisch-gesellschaftliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten gerechtfertigt zu sein scheint. Für einen Staat, der sich im Besitz einer angeblich wissenschaftlich begründeten Heilslehre weiß, ist es nur natürlich, dass er das Interesse an der Durchsetzung der von ihm als richtig erkannten materialen Inhalte höher stellt as das Interesse an der Sicherung formaler Freiräume, wie es den Verfahrensregeln der westlichen Länder zugrunde liegt.

Nach dem Fall der Mauer öffnete sich der Blick auf eine (sozialistische) Rechtswirklichkeit in Ostdeutschland, in der nicht nur ein „System“ tätig war, sondern Menschen, die zwar den politischen Vorgaben folgten, aber die doch auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten vernünftig handelten und Konflikte lösten. Das Recht spielte dabei freilich nur eine Nebenrolle, es hielt keine Freiräume offen und schützte nicht vor dem aufdringlichen Erziehungsgestus des Staates und der Richter, wurde aber andererseits auch nicht immer konsequent durchgesetzt.

2. Sozialistisches Zivilrecht

1922 schuf die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik in der Periode der so genannten „Neuen Ökonomischen Politik“ ein Zivilgesetzbuch, welches nach der Pandektentradition (Pandektensystem) in einem allgemeinen Teil „Rechtssubjekte“, „Rechtsobjekte“ und „Rechtsgeschäfte“ behandelte, in seinem Sachenrecht aber die neuen Figuren des „Staatseigentums“, „Genossenschaftseigentums“ und „Privateigentums“ einführte, während das Schuldrecht dem deutschen Recht nahestand. Als charakteristisch für den Geist des Gesetzes kann Art. 1 gelten, wonach die bürgerlichen Rechte keinen Schutz genießen, wenn „sie im Widerspruch zu ihrer sozial-wirtschaftlichen Bestimmung verwirklicht werden“. Nachdem allerdings Josef Stalin in den 1930er Jahren seine Stellung zu einem unumschränkten Diktator ausgebaut hatte, kam es zu einer Zeit der rechtstheoretischen Diskussionen um die Schaffung eines Wirtschaftsrechts, da ein sozialistisches Zivilrecht für denkunmöglich gehalten wurde. Dies änderte sich erst nach dem Tod Stalins 1953, als man mit Vorarbeiten zu einem neuen Zivilgesetzbuch begann, das 1964 erlassen wurde (Russisches Zivilgesetzbuch). Auch dieses neue Gesetz folgte im Großen und Ganzen immer noch den Vorstellungen der klassischen bürgerlichen Zivilistik, enthielt es doch nach wie vor einen vorangestellten Allgemeinen Teil, in dem sich eine lehrbuchhafte Definition von [[„Rechtsgeschäften“ befand. Das Zivilgesetz von 1964 fand auch Anwendung im Verhältnis der staatlichen, genossenschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen untereinander, übernahm also nicht den jahrelang diskutierten Vorschlag von Rechtswissenschaftlern, Rechtsverhältnisse der sozialistischen Unternehmen in einem besonderen Wirtschaftsgesetzbuch zu regeln. Auch das Familienrecht wurde in dieser Zeit neu geordnet, was neben der später auch für andere sozialistische Länder typischen Einführung der standesamtlichen Eheschließung vor allem zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zur Ehescheidung aufgrund des Zerrüttungsprinzips und zur weitgehenden Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen führte.

Mit Ausnahme der Mongolei, die mit Hilfe der Sowjetunion zu Beginn der 1920er Jahre unabhängig geworden war und hiernach ihr Recht nach dem sowjetischen Vorbild gestaltete, konnte sich das sozialistische Recht außerhalb der Sowjetunion allerdings erst verbreiten, als die Rote Armee gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nach Mitteleuropa vordrang. In der Volksrepublik China begann der Aufbau eines sozialistischen Rechts, nachdem Mao Tse-Tung im Jahr 1949 die Volksrepublik ausgerufen hatte. Auch dort gehörte eine Reform des Familienrechts im Jahr 1950 zu den ersten umfassenden gesetzgeberischen Vorhaben. Allerdings kam es erst nach dem Ende der Kulturrevolution im Zuge der so genannten Politik der Reform und Öffnung nach 1978 zu energischen Kodifikationsarbeiten. Diese Arbeiten waren dann allerdings – auch bedingt durch das Zerwürfnis mit der Sowjetunion Anfang der 1960er Jahre – nicht mehr primär durch sowjetische Vorbilder geprägt. Es ist vielmehr eine [[Ausstrahlung des europäischen Privatrechts ins chinesische Recht festzustellen, die sich Ende der 1990er Jahre noch verstärkte. Die Arbeiten an einem Zivilgesetzbuch dauern in China gegenwärtig noch an.

In den meisten der ehemals sozialistischen Ländern Mitteleuropas wurden hingegen nach dem Zweiten Weltkrieg umfassende Zivilgesetzbücher erlassen: in Ungarn im Jahr 1959, in Polen und in der Tschechoslowakei 1964, in der DDR 1975 (ein Familiengesetzbuch war bereits in 1965 verabschiedet worden) und in Albanien 1981; in Jugoslawien trat 1978 ein „Gesetz über Obligationenverhältnisse“ in Kraft. Allerdings entwickelten einige der Länder auf dem Gebiet der staatlichen Wirtschaftsverwaltung eigenständige Lösungen, indem etwa den Betrieben in Jugoslawien und Ungarn ein breiter Spielraum für eigene Initiativen eingeräumt wurde. Auch in gesetzessystematischer Hinsicht löste man sich in einigen dieser Länder von der sowjetischen Lehre, indem man das Wirtschaftsrecht aus dem Zivilrecht herauslöste: So beispielsweise in der Tschechoslowakei und in der DDR, wo das Zivilgesetzbuch für die Rechtsbeziehungen unter den staatlichen Unternehmen keine Bedeutung hatte. In der DDR schuf man außerdem im Jahr 1976 ein „Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge“, das für Verträge zwischen staatlichen Unternehmen und Ausländern galt, soweit diese Verträge nach dem Recht der DDR zu beurteilen waren.

Das sozialistische Zivilrecht hat unter dem Einfluss der marxistischen Lehre auf dem Gebiet des Eigentumsrechts ein besonderes Begriffsinstrumentarium geschaffen, das sich von dem anderer Rechtssysteme stark unterscheidet. Während das Eigentum hier eine umfassende Herrschaft über die Sache verleiht, die grundsätzlich unbeschränkt ist, beinhaltet das Eigentum in den sozialistischen Staaten von vornherein lediglich diejenigen Befugnisse, deren der jeweilige Rechtsträger zur Erfüllung der vom Staat vorgegebenen, in der Wirtschaftsplanung niedergelegten Ziele bedarf.

Auch dem Vertrag kommt im sozialistischen Zivilrecht eine besondere Funktion zu: er dient primär der Vorbereitung, Konkretisierung und Durchführung der staatlichen Wirtschaftsplanung. Nicht der Vertrag ist in erster Linie das Mittel der Ordnung des Wirtschaftsverkehrs, sondern der Plan. Der Vertrag wird zwar als Mechanismus benutzt, um für die gegenläufigen, jeweils auf Gewinnerzielung gerichteten Interessen der einzelnen, relativ selbständig wirtschaftenden Betriebe einen Ausgleich zu finden. Wenn er als Mittel zur Verfolgung von Einzel- oder Gruppeninteressen zur Verfügung steht, dann aber nur deshalb, weil dadurch das Gesamtinteresse gefördert werden soll, das in der staatlichen Wirtschaftsplanung verbindlich festgelegt wird. Der Vertrag dient damit stets dem Plan, während das Einzelinteresse dem Gesamtinteresse dient.

3. Sozialistische Rechtspflege

Die Rechtspflege in sozialistischen Staaten ist zunächst dadurch geprägt, dass der Richter seine gesamte Tätigkeit in den Dienst der von der Kommunistischen Partei vorgegebenen politischen Ziele zu stellen hat und sich gegenüber der Partei einer ständigen Kontrolle, Aufsicht und Rechenschaftspflicht unterwirft. Insofern kann die Justiz dort nicht den Status einer unabhängigen dritten Gewalt haben, was sich etwa auch in der DDR an der jederzeitigen Abberufbarkeit der Richter durch die Volksvertretungen zeigte.

Kennzeichnend ist weiterhin, dass der Rechtspflege in sozialistischen Staaten in besonderem Maße eine erzieherische Funktion zukommt. Denn das sozialistische Recht will die Menschen bewusst durch Beeinflussung ihrer inneren Haltung zu einer „sozialistischen Moral“ erziehen, ohne die der von der marxistisch-leninistischen Lehre angestrebte Zustand nicht erreicht werden kann, in dem individuelle Egoismen überwunden und eine Güterverteilung nach dem Prinzip „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ möglich sein sollen. Die Erziehungsfunktion wird insbesondere durch Einrichtungen wie die Teilnahme von prozessfremden Vertretern des Kollektivs, dem eine Prozesspartei angehört, an Verfahren oder die Verlegung der Verhandlung in den betroffenen Betrieb oder die betroffene Wohngebiet deutlich.

Ein weiteres typisches Merkmal der Rechtspflege in sozialistischen Staaten ist, dass staatliche Rechtspflegefunktionen in die gesellschaftliche Selbstverwaltung übertragen werden. Um die staatlichen Rechtspflegeorgane von Bagatellstreitigkeiten des täglichen Lebens zu entlasten und gleichzeitig die Bevölkerung unmittelbar an der Lösung von Konfliktfällen zu beteiligen, schuf man in Betrieben, staatlichen Ausbildungseinrichtungen und Behörden „gesellschaftliche Gerichte“, „Konfliktkommissionen“ oder „Schiedskommissionen“.

Da sozialistische Staaten einen Anspruch auf umfassende politische Lenkung aller staatlichen Tätigkeit erheben, kommt schließlich auch dem Institut der Rechtskraft nicht dieselbe Bedeutung zu wie in anderen Rechtssystemen, wo es die Parteien in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand der durch das Urteil geschaffenen Lage schützt und der Rechtssicherheit dient. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung wird dort vielmehr immer dann durchbrochen, wenn dies dem sozialistischen Staat aus übergeordneten Gründen oder im Interesse der einheitlichen Durchsetzung politischer Zielvorstellungen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Einleitung eines solchen Gerichtsaufsichtsverfahren stellen können typischerweise die Staatsanwaltschaft und höhere Gerichte. Die Parteien des Rechtsstreits haben hingegen keine Möglichkeit, dieses Verfahren in Gang zu setzen.

4. Sozialistisches Recht heute

Nach der Auflösung der Sowjetunion und den Reformen in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas stellt sich die Frage, ob ein sozialistisches Recht heute noch existiert. Neben der Demokratischen Volksrepublik Korea, über deren Recht bislang wenig in westlichen Sprachen geforscht wurde, und der Sozialistischen Republik Kuba, wo man erst kurz vor der Wendezeit im Jahr 1987 ein neues Zivilgesetz schuf, dessen Verwandtschaft zum iberoamerikanischen Rechtskreis (Rechtskreislehre) ebenso deutlich ist wie die zu sozialistischen Vorbildern, fällt der Blick auf das Recht der Volksrepublik China mit ihrer als „sozialistische Marktwirtschaft“ bezeichneten Wirtschaftsordnung.

In der Tat lassen sich in der Volksrepublik China nach wie vor Stilelemente des sozialistischen Rechts finden. So wird im materiellen Zivilrecht auch nach der Verabschiedung des Sachenrechtsgesetzes im Jahr 2007 in der Tradition des sozialistischen Rechts zwischen staatlichem, kollektivem und privatem Eigentum unterschieden. Grund und Boden verbleiben weiterhin in Staatseigentum oder kollektivem Eigentum, wurden jedoch bereits seit Mitte der 1980er Jahre durch die Schaffung von (dem deutschen Erbbaurecht ähnlichen) Landnutzungsrechten kommerzialisiert. Bis zum Inkrafttreten des chinesischen Vertragsgesetzes im Jahr 1999 galt außerdem – wie in anderen der ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas – eine Trennung zwischen Zivilrecht und Wirtschaftsrecht: Während die 1986 nach Vorbildern in der Sowjetunion, der DDR, Ungarns und der Tschechoslowakei geschaffenen „Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts“ (AGZR) auf Rechtsbeziehungen anwendbar waren, an denen zumindest eine (chinesische) natürliche Person beteiligt ist, gab es für Rechtsbeziehungen zwischen juristischen Personen gesonderte Gesetze: das Wirtschaftsvertragsgesetz und (das auf Rechtsbeziehungen mit ausländischen natürlichen und juristischen Personen anwendbare) Außenwirtschaftsvertragsgesetz. Mit Inkrafttreten des Vertragsgesetzes ist diese Trennung aufgehoben worden. Das Vertragsgesetz lässt erkennen, dass man sich am internationalen Einheitsrecht (am CISG) und an international anerkannten Prinzipien des Vertragsrechts orientiert hat ([[Ausstrahlungen des europäischen Privatrechts ins chinesische Recht). Zugleich sind dort jedoch auch Reste der Planwirtschaft zu finden. Im Gesellschaftsrecht ist ein entsprechender Rechtsdualismus zwischen dem Recht, das auf rein chinesische Gesellschaften Anwendung findet, und dem besonderen Recht für Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung im Rückzug begriffen. Ein Merkmal, das nicht ausschließlich auf sozialistisches Recht hinweist, sondern auch auf die Besonderheiten der chinesischen Schriftzeichen zurückzuführen ist, ist die Vagheit der Formulierung von Rechtsnormen. In der Praxis ermöglicht diese Vagheit dann allerdings staatliches Handeln, das für sozialistische Rechtssysteme typisch ist, indem etwa das Erteilen von Genehmigungen an Tatbestandsvoraussetzungen wie „Nützlichkeit für die Modernisierung und den sozialistischen Aufbau“ geknüpft wird, die nicht justiziabel sind.

Stärker als im materiellen Zivilrecht sind Stilelemente des sozialistischen Rechts noch im chinesischen Zivilprozessrecht zu finden. So gibt es keine unabhängigen Richter im Sinne der Gewaltenteilung. Richter werden ganz für den sozialistischen Staat in die Pflicht genommen. Das Oberste Volksgericht fungiert außerdem durch den Erlass von justiziellen Interpretationen (wie Oberstes Gericht der Sowjetunion), die für die Untergerichte bindend sind, teilweise als Ersatzgesetzgeber. Die chinesische Staatsanwaltschaft kann aus eigener Initiative „rechtskräftige“ Gerichtsentscheidungen überprüfen lassen. Auch wird die erzieherische Funktion des Rechts und der Rechtspflege an mehreren Stellen offensichtlich: So sehen die AGZR als Rechtsfolgen einer vertraglichen oder deliktischen Haftung beispielsweise das Abfassen einer Reueerklärung und eine Entschuldigung vor. Hinzu kommt, dass Gerichtsverhandlungen „bei Bedarf“ auch außerhalb des Gerichtsgebäudes abgehalten werden können. Der Schlichtung kommt (sicher auch aufgrund der chinesischen Streitvermeidungskultur) innerhalb und außerhalb des Gerichtsverfahrens eine wichtige Funktion zu. Bei der gerichtsinternen Schlichtung hat das Gericht überdies die Möglichkeit, prozessfremde Personen zum Verfahren hinzuzuziehen, die „mit den Beteiligten besondere Beziehungen haben und für den Erfolg der Schlichtung nützlich sind“.

Es lässt sich also sagen, dass Stilelemente des sozialistischen Rechts beispielsweise in der Volksrepublik China weiterleben. Ob dies allerdings eine Rechtfertigung dafür ist, weiterhin von einem Rechtskreis „sozialistisches Recht“ zu sprechen, ist fraglich, da im chinesischen Recht inzwischen Einflüsse des kontinentaleuropäischen Rechts und des common law mindestens ebenso stark zu spüren sind.

Literatur

Andrei Januarjewitsch Wyschinski, Die Hauptaufgaben der Wissenschaft vom sozialistischen Sowjetrecht, Sowjetische Beiträge zur Staats- und Rechtstheorie, 1953, 50 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 1967; Ferdinand O. Kopp, Das Verfassungsverständnis in den sozialistischen Staaten, in: Hans Hablitzel, Michael Wollenschläger (Hg.), Recht und Staat, 1972, 573 ff.; Norbert Reich, Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Norbert Reich, Hans-Christian Reichel, Einführung in das sozialistische Recht, 1975; Georg Brunner, Einführung in das Recht der DDR, 1979; Klaus Westen, Joachim Schleider, Zivilrecht im Systemvergleich, 1984; Dietrich Nelle, Das neue kubanische Zivilgesetzbuch, Recht in Ost und West 34 (1990) 262 ff.; Albert H.Y. Chen, Socialist Law, Civil Law, Common Law, and the Classification of Contemporary Chinese Law, in: Jan Michiel Otto, Maurice V. Polak, Jianfu Jian, Yuwen Li (Hg.), Law-Making in the People’s Republic of China, 2000, 55 ff.; Imre Szabó, The Socialist Concept of Law, in: IECL II, Kap. 1-86 ff, 1970; Inga Markovits, Gerechtigkeit in Lüritz: Eine ostdeutsche Rechtsgeschichte, 2006.