Faires Verfahren und Finanzanalyst: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Christian Heinze]]''
von ''[[Patrick C. Leyens]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Begriff des Finanzanalysten ==
Das Recht auf ein faires Verfahren zählt zu den elementaren justiziellen Grundrechten und scheidet seit jeher Rechtsstaat von Willkürherrschaft. Als generalklauselartiges Recht entzieht es sich abstrakter Definition, seine Abgrenzung zu anderen Garantien wie dem rechtlichen Gehör oder dem effektiven Rechtsschutz ist fließend. Im Folgenden wird das Recht auf ein faires Verfahren als Oberbegriff für sämtliche justiziellen Grundrechte verstanden, die Anforderungen an die konkrete Verfahrensgestaltung ''im'' gerichtlichen Verfahren formulieren. Einbezogen wird ferner das Recht auf effektiven Rechtsschutz und damit auf Zugang ''zum'' gerichtlichen Verfahren, wobei sich die grundrechtliche Rechtsschutzgarantie im Gemeinschaftsrecht regelmäßig mit der Verpflichtung zum effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts (Art. 10 EG/4(3), 19(1) EU (2007), [[Effektivitätsgrundsatz]]) überschneidet und in jüngeren Entscheidungen des EuGH zu einem einheitlichen Institut zu verschmelzen scheint (EuGH Rs. C-432/05 – ''Unibet'', Slg. 2007, I-2271, Rn. 37 f.; EuGH Rs. C-268/06 – ''Impact'', Slg. 2008, I-2483, Rn. 40 ff.).  
Finanzanalysten vermitteln dem Anlegerpublikum des Kapitalmarkts Information über den Emittenten oder die von ihm emittierten [[Finanzinstrument]]e. Finanzanalysen enthalten direkt oder indirekt eine Empfehlung zu einer bestimmten Anlageentscheidung, also zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Finanzinstruments. Finanzanalysen unterscheiden sich von der Anlageberatung dadurch, dass ihre Empfehlungen nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und Anlageziele eines bestimmten Kunden abgestimmt sind. Für eine zielgenaue Anlageberatung sind Finanzanalysen jedoch von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Die vertriebsorientierte Analyse (''sell-side analysis'') wird ganz überwiegend von Banken und nur zu einem kleinen Teil von unabhängigen Finanzanalysten erbracht. Demgegenüber werden die selteneren Finanzanalysen im Auftrag der Käuferseite (''buy-side analysis'') in der Regel von Analysten erstellt, die in einem festen Beschäftigungsverhältnis zu einem professionellen Anleger stehen.


Als Zweck des fairen Verfahrens – wenn man einen solchen neben seiner immanenten Rechtfertigung als grundlegende Freiheitsgarantie überhaupt verlangen will – mag man'' ''mit ''Niklas Luhmann'' die Legitimation der ergehenden Entscheidung durch das vorangegangene Verfahren ansehen. Zudem vermag eine kontradiktorische Verfahrensgestaltung mit Äußerungs- und Antragsrechten aller Beteiligten die Richtigkeit der ergehenden Entscheidung zu erhöhen, weil einer einseitigen Perspektive des Gerichts vorgebeugt wird. Jüngere verhaltenspsychologische Studien deuten außerdem darauf hin, dass die Bereitschaft zu normkonformem Verhalten wesentlich von einer als wirksam und in einem fairen Verfahren verhängten Sanktionierung der Normabweichung abhängt.  
== 2. Einordnung und Funktion der Finanzanalyse ==
Finanzanalysten zählen zu den [[Finanzintermediär]]en im weiteren Sinne. Mit dem Begriff der Finanzintermediation wird die Zusammenführung von Kapitalangebot und ‑nachfrage beschrieben. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken ([[Europäischer Bankenmarkt]]). Diese nehmen Kapital in Form von Spareinlagen auf und vergeben Kredite an Unternehmen. Dadurch gleichen sie die Unterschiede in den Anlagevolumina-, Zeit- und Risikopräferenzen von Kapitalanbietern und ‑nachfragern aus. Finanzintermediäre im weiteren Sinne erbringen hierzu Informationsleistungen, die die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage ermöglichen oder unterstützen. Eine der Finanzanalyse vergleichbare Bedeutung kommt den Informationsdienstleistungen von [[Abschlussprüfer]]n und [[Rating-Agenturen]] zu. Zusammen mit diesen gelten Finanzanalysten als die wichtigsten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts.  


== 2. Ursprung und Entwicklung ==
Übergreifend besteht die Aufgabe dieser Intermediäre darin, fehlende Informationen zu substituieren, vorhandene Informationen zu verifizieren und Informationen im wirtschaftlichen Gesamtkontext zu evaluieren. Die Leistungen der Informationsintermediäre ergänzen sich und bauen zum Teil direkt oder indirekt aufeinander auf. Sie folgen aber einer jeweils eigenen Methodik. Bei der Finanzanalyse liegt der Schwerpunkt auf der zukunftsbezogenen Evaluation von Unternehmensdaten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Finanzmarkts. Einbezogen werden insbesondere die Wettbewerbssituation des Emittenten, die Entwicklung von Währungsrisiken und die nationale wirtschaftliche Entwicklung im internationalen Vergleich.
Auch wenn mit dem fairen Verfahren verwandte Rechtsgrundsätze wie insbesondere das rechtliche Gehör bereits der Bibel (Jesus Sirach 11,7 f.), den antiken Rechtsordnungen und dem Sachsenspiegel bekannt waren, so lässt sich der umfassendere Begriff des fairen Verfahrens wohl erstmals auf die englische ''Magna Charta Libertatum'' von 1215 (1297 c.9) zurückführen, insbesondere auf deren Kapitel 39 (in der Fassung von 1297 Kapitel 29), wonach für Eingriffe in Leben, Freiheit und Eigentum ein „lawful judgment of his Peers, or by the Law of the Land (legale judicium parium suorum vel per legem terre)“ verlangt wird. In einer späteren Fassung aus dem Jahr 1354 findet sich erstmals die berühmte ''due process''-Klausel, die im 17. und 18. Jahrhundert ihren Weg in den fünften und vierzehnten Zusatzartikel zur US-amerikanischen Verfassung nahm. Aus der angelsächsischen Rechtstradition fand das Recht auf ein faires Verfahren Eingang in Art. 10 der Universellen Erklärung der Menschenrechte von 1948, der wiederum Vorbild für Art. 6 EMRK wurde ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]). Mit Verbindlichkeit der GRCh (Art. 6(1) EU (2007)) wird der bisher als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannte Anspruch auf ein faires Verfahren (EuGH Rs. C-185/95 P – ''Baustahlgewebe'', Slg. 1998, I-8417, Rn. 20 f.; EuGH Rs. C-305/05 – ''Ordre des barreaux francophones'', Slg. 2007, I-5305, Rn. 29) auch Bestandteil des geschriebenen Gemeinschaftsrechts (Art. 47(2) GRCh). Das benachbarte Recht auf effektiven Rechtsschutz und Zugang zu Gericht (Art. 47(1) GRCh) hat der [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|EGMR]] bereits in den siebziger Jahren aus Art. 6(1) EMRK abgeleitet (EGMR Nr. 4451/70 – ''Golder'', siehe auch Art. 13 EMRK). Der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] übernahm es in den achtziger Jahren als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts (EuGH Rs. 222/84 – ''Johnston'', Slg. 1986, 1651, Rn. 18 f.). Auch Bemühungen zur internationalen Prozessrechtsharmonisierung liegt stets das Recht auf ein faires Verfahren zugrunde (ALI/Unidroit ''Principles of Transnational Civil Procedure'' 1, 3, 4, 5, 20 und 23; Art. 41(2), 42 TRIPS).  


== 3. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die Existenz von Finanzanalysten ist wie die der [[Finanzintermediär]]e allgemein mit der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie zu erklären. Finanzanalysten tragen hiernach vor allem dazu bei, die Informationsasymmetrien zwischen Emittenten und Anlegern zu überwinden. Die Informationsasymmetrien sind am Kapitalmarkt besonders ausgeprägt und können ohne die Leistungen von Intermediären nicht oder nur eingeschränkt überwunden werden. Dies hängt zum einen mit den Vertrauenseigenschaften von Finanzinstrumenten zusammen, deren Eignung zur Erfüllung individueller Anlageziele erst durch verlässliche, also insbesondere hinreichend unabhängige Informationen beurteilbar wird. Zum anderen kann sich die im Markt verfügbare Anlegerinformation als unzureichend erweisen. Grundlage der Anlegerinformation ist das weitgehend europäisch vereinheitlichte System der [[Publizität]] von Emittenten, das von der periodischen Regelpublizität bis hin zu ''ad hoc''-Veröffentlichungspflichten reicht. Die von der Unternehmensführung des Emittenten zu veröffentlichenden Informationen unterliegen aber unvermeidbaren Färbungen und können unvollständig oder bewusst fehlerhaft sein. Die Finanzanalyse leistet einen unerlässlichen Beitrag zur Überwindung der hieraus entstehenden Informationsunsicherheit des Anlegerpublikums.
Im Gegensatz zu einzelnen Ausprägungen wie dem rechtlichen Gehör wurde ein übergreifender Grundsatz des fairen Verfahrens erst vergleichsweise spät als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt. Auch im Kontext des Art. 6 EMRK stand der Zivilprozess – abgesehen von den gängigen Beschwerden über die Dauer von Gerichtsverfahren – lange im Schatten der strafprozessualen Garantien. Mit zunehmender Expansion des europäischen Privatrechts und vor dem Hintergrund wachsender Sensibilität für die menschenrechtliche Relevanz des Zivilprozesses hat sich dies seit den neunziger Jahren gewandelt. Mit jedem Jahr wächst die Zahl der Entscheidungen aus Luxemburg und Straßburg, die auch für den Zivilprozess relevant sind. Bemerkenswert ist dabei eine sehr umfassende Rezeption der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|EGMR]] durch den [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]], obwohl die EMRK für die Gemeinschaft formaljuristisch vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon keine Bindung entfaltet (vgl. nunmehr Art. 6(2) EU (2007)). So hat der EuGH den Grundsatz des fairen Verfahrens ausdrücklich „aus den Grundrechten der EMRK“ entwickelt (EuGH Rs. C-185/95 P – ''Baustahlgewebe'', Slg. 1998, I-8417, Rn. 20), misst der Menschenrechtskonvention bei der Definition verfahrensrechtlicher Standards „besondere Bedeutung“ zu (EuGH Rs. C-7/98 – ''Krombach'', Slg. 2000, I-1935, Rn. 25, vgl. auch Art. 52(3) GRCh) und setzt sich auch in Einzelfragen eingehend mit der Rechtsprechung des EGMR auseinander (vgl. etwa EuGH Rs. C-283/05 – ''ASML'', Slg. 2006, I-12041, Rn. 27 f.). Dem Konkordanzstreben auf Seiten des EuGH steht ein Vertrauensvorschuss auf Seiten des EGMR gegenüber, welcher den im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Schutz der Grundrechte als dem der EMRK gleichwertig ansieht (EGMR Nr. 45036/98 – ''Bosphorus'', § 165). Art. 6 EMRK und die justiziellen Grundrechte der Europäischen Union garantieren heute umfassend sowohl den wirksamen Rechtsschutz durch Zugang ''zu'' Gericht wie ein faires Verfahren ''vor'' Gericht. Kleinere Schutzlücken bestehen nur, soweit weder der Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (mangels „Streitigkeit“ über zivilrechtliche Ansprüche) noch der EU-Grundrechte (mangels Anwendung oder Durchführung von Gemeinschaftsrecht, vgl. EuGH Rs. 5/88 – ''Wachauf'', Slg. 1989, 2609, Rn. 19, 22; EuGH Rs. 260/89 – ''ERT'', Slg. 1991, I-2925, Rn. 42, nunmehr Art. 51(1) GRCh) eröffnet ist. Es wäre zu wünschen, solche Lücken durch umfassende Anwendung des Art. 6 EMRK auf sämtliche (Zivil‑)Verfahren zu schließen. Mittelfristig steht zu erwarten, dass die europäische Rechtsprechung von der EMRK maßgeblich inspirierte, aber zumindest im Hinblick auf die von ihr ausgenommenen Verfahren zugleich emanzipierte europäische Verfahrensgarantien ausbilden wird. Eine solche Entwicklung immer konkreterer europäischer Verfahrensgrundsätze ließe sich durch legislatorische Festlegung von Mindeststandards für (internationale) Zivilverfahren unterstützen, die im Gegenzug zur Abschaffung des Exequaturverfahrens ([[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen]]) diskutiert wird.


== 4. Regelungsstrukturen ==
== 3. Stand der europäischen Rechtsangleichung ==
Art. 6(1)1 EMRK und Art. 47(2)1 GRCh garantieren jeder Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (s. auch EuGH verb. Rs. C-341/06 P, C-342/06 P – ''La Poste'', Slg. EStAL 2008, 571, Rn. 45). Art. 6(1) EMRK gewährleistet nicht nur eine bestimmte Gestaltung des Verfahrens vor Gericht, sondern bereits den Zugang zu Gericht (EGMR Nr. 4451/70 – ''Golder'', § 35 f., siehe auch Art. 13 EMRK). Ein entsprechendes Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz findet sich nun auch ausdrücklich in Art. 47(1) GRCh, soweit es um die Verletzung unionsrechtlich garantierter Rechte geht (zuvor bereits EuGH Rs. 222/84 – ''Johnston'', Slg. 1986, 1651, Rn. 18 f.). Art. 47(2)2 und Art. 47(3) GRCh flankieren das Recht auf effektiven und fairen Rechtsschutz durch ein Recht auf Beratung, Verteidigung und Vertretung vor Gericht (zur EMRK EGMR Nr. 30882/96 – ''Pellegrini'', § 46) sowie durch einen Anspruch auf [[Prozesskostenhilfe]], während Art. 6(1)2 EMRK die öffentliche Verkündung des Urteils und den Ausschluss der Öffentlichkeit regelt (vgl. dazu EuGH verb. Rs. 209/78 bis 215/78 und 218/78 – ''van Landewyk'', Slg. 1980, 3125, Rn. 18). Die weiteren Garantien in Art. 48 bis Art. 50 GRCh und Art. 6(2) und (3) EMRK gelten unmittelbar nur für Strafverfahren. Zwar geben sie Hinweise auf allgemeine Verfahrensgrundsätze, die über die Generalklausel des fairen Verfahrens auch Eingang in den Zivilprozess finden können, jedoch ist bei der Reichweite der Verfahrensgarantien durchaus zwischen zivil- und strafrechtlichen Verfahren zu unterscheiden (vgl. EuGH Rs. C-60/92 – ''Postbank'', Slg. 1993, I-5683, Rn. 16 f. zum Selbstbelastungsverbot; EuGH Rs. C-14/07 – ''Weiss'', Slg. 2008, I-3367, Rn. 57 zum Übersetzungserfordernis). Zu den wichtigsten Ausprägungen des fairen (Zivil‑)Verfahrens zählen das Recht auf Zugang zu Gericht, der Grundsatz der Waffengleichheit (EuGH Rs. C-305/05 – ''Ordre des barreaux francophones'', Slg. 2007, I-5305, Rn. 31), der kontradiktorische Charakter des Verfahrens (EuGH Rs. C-450/06 – ''Varec'', Slg. 2008, I-581, Rn. 46) und das Ergehen einer Entscheidung in angemessener Frist (EuGH Rs. C-403/04 P – ''Sumitomo'', Slg. 2007, I-729, Rn. 115).
Kapitalmarktinformationen wie Finanzanalysen haben eine ''per se'' grenzüberschreitende Dimension. Schon deshalb ist die europäische Rechtsangleichung wie in Bezug auf [[Finanzintermediär]]e insgesamt weit fortgeschritten. Dem hohen Anteil der Banken am Markt für vertriebsorientierte Finanzanalysen entsprechend konzentriert sich die Regelsetzung darauf, einen ordnungsgemäßen Umgang mit [[Interessenkonflikte]]n sicherzustellen, die unvermeidlich aus der Kombination der Finanzanalyse mit dem Vertrieb von Finanzinstrumenten resultieren. Die Europäische Kommission hat sich zuletzt in einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament von 2006 mit dem Stand der europäischen Rechtsangleichung im Recht der Finanzanalyse auseinandergesetzt.


=== a) Zugang zu Gericht  ===
Die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6) enthielt in Art. 6(5) erstmals spezielle Verhaltensanforderungen in Bezug auf Finanzanalysten ([[Marktmanipulation]]). Danach müssen Informationen mit Empfehlungen zu Anlagestrategien sachgerecht dargeboten und etwaige [[Interessenkonflikte]] offengelegt werden. Die Marktmissbrauchs-RL ist nicht auf Wertpapierdienstleister beschränkt. Sie betrifft demgemäß auch unabhängige Analysehäuser. Die Durchführungs-RL (RL 2003/125) sieht umfassende Pflichten zur Offenlegung in Bezug auf Interessenkonflikte vor, die im Zusammenhang mit Analystenempfehlungen entstehen.
==== aa) Gewährleistungs­inhalt ====
Das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gewährleistet den Zugang zu Gericht auch in Streitigkeiten zwischen Privaten (EuGH Rs. C-185/97 – ''Coote'', Slg. 1998, I-5199, Rn. 21 f.). In Anlehnung an Art. 234 EG/267 EU (2007) lässt sich ein Gericht definieren als eine ständige Einrichtung, die auf gesetzlicher Grundlage errichtet wurde, unabhängig und unparteilich ist und als obligatorische Gerichtsbarkeit durch Anwendung von Rechtsnormen in einem streitigen Verfahren entscheidet (EuGH Rs. C-96/04 – ''Standesamt Niebüll'', Slg. 2006, I-3561, Rn. 12). Dabei deckt das Unparteilichkeitsgebot zwei Aspekte ab: Zum einen muss das Gericht subjektiv unparteiisch sein, d.h. keines seiner Mitglieder darf Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen, wobei die persönliche Unparteilichkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird. Zum anderen muss das Gericht objektiv unparteiisch sein, d.h. hinreichende Garantien bieten, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (EuGH verb. Rs. C-341/06 P und C-342/06 P – ''La Poste'', EStAL 2008, 571, Rn. 54). In der Sache muss die durch das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verbürgte erste (EGMR Nr. 2689/65 – ''Delcourt'', § 25) gerichtliche Instanz so zugänglich sein, dass die Betroffenen ihre Rechte in Kenntnis aller Umstände zur Einschätzung der Zweckmäßigkeit eines gerichtlichen Vorgehens bestmöglich geltend machen (EuGH Rs. 222/86 – ''Heylens'', Slg. 1987, 4097, Rn. 15) und umfassenden Rechtsschutz erlangen können (EuGH Rs. C-185/97 – ''Coote'', Slg. 1998, I-5199, Rn. 24 – 28; EGMR Nr. 20641/92 – ''Terra Woningen'', § 52 ff.). Zulässig ist es im Interesse der Kostenersparnis, eine vorgeschaltete Kontrolle durch eine Schiedsinstanz vorzusehen (EuGH Rs. C-63/01 – ''Evans'', Slg. 2003, I-14447, Rn. 47 ff.), allerdings darf der Zugang zu Gericht nicht durch fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ([[Prozesskostenhilfe]]) oder schwer zu überwindende Verfahrens- oder Beweishindernisse unverhältnismäßig behindert werden (EuGH Rs. C-185/97 – ''Coote'', Slg. 1998, I-5199, Rn. 21). Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes impliziert, dass eine ergangene Entscheidung umzusetzen und zu vollziehen ist (EGMR Nr. 35091/02 – ''Mykhaylenky'', § 51).


==== bb) Beschränkungen ====
In der gleich einer Verfassung für den Finanzmarkt konzipierten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/39) sind eine allgemeine Zulassungspflicht für das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen und zahlreiche Verhaltenspflichten vorgesehen. Finanzanalysen unterliegen diesen Regeln als Nebendienstleistungen im Sinne der MiFID. Die allgemeinen Vorgaben der MiFID zu [[Interessenkonflikte]]n der Finanzanalysten werden wiederum im Wege einer Durchführungs-RL (RL 2006/73) konkretisiert. Danach sind organisatorische Maßnahmen in Hinblick auf Analysten und andere Personen zu ergreifen, deren Aufgaben oder Geschäftsinteressen mit den Interessen der Zielgruppe von Finanzanalysen kollidieren können.
Das Recht auf Gerichtszugang nach Art. 6 EMRK darf Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese legitime Ziele verfolgen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und nicht den Kerngehalt des Rechts beeinträchtigen (EGMR Nr. 8225/78 – ''Ashingdane'', § 57). Zulässige Einschränkungen des Rechts auf Gerichtszugang sind etwa die Berücksichtigung der Eigenheiten besonderer Verfahrensarten (EGMR Nr. 28028/95 – ''Edificaciones March Gallego'', § 36), Formvorschriften (EGMR Nr. 21920/93 – ''Levages Prestations'', § 48), (Verjährungs‑) Fristen (EGMR Nr. 22083/93 – ''Stubbings'', § 51 ff.), die Pflicht zur Zahlung von Gerichtsgebühren (soweit nicht exzessiv, EGMR Nr. 28249/95 – ''Kreuz'', § 60, 66) und die Leistung einer Sicherheit in angemessener Höhe im Verhältnis zu den erwarteten Prozesskosten (EGMR Nr. 18139/91 – ''Tolstoy Miloslawsky'', § 61 f., 67). Auch das unionsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes gestattet den Mitgliedstaaten die Bestimmung der Zuständigkeiten und die Ausgestaltung der gerichtlichen Verfahren (EuGH Rs. C-432/05 – ''Unibet'', Slg. 2007, I-2271, Rn. 39), sofern die nationalen Regeln nicht ungünstiger gestaltet sind als bei entsprechenden Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH Rs. C-467/01 – ''Eribrand'', Slg. 2003, I-6471, Rn. 61 f., [[Effektivitätsgrundsatz]]).


=== b) Rechtliches Gehör und kontradiktorisches Verfahren ===
Zu den organisatorischen Maßnahmen zählt die Trennung von Tätigkeiten, die unterschiedlichen Kunden- oder Geschäftsinteressen dienen. International üblich sind in diesem Zusammenhang Unterbrechungen des Informationsflusses (''chinese walls'') zwischen Finanzanalyse- und Verkaufsabteilungen der Bank. Die Objektivität der Finanzanalyse ist weiterhin dadurch sicherzustellen, dass den Mitarbeitern Geschäfte untersagt werden, soweit sie Kenntnis vom Veröffentlichungszeitpunkt oder dem noch nicht öffentlichen Inhalt der Finanzanalyse haben. Verhindert wird dadurch das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen gegenüber anderen Marktteilnehmern und insbesondere den Kunden des jeweiligen Finanzinstituts (''front running''). Gleichzeitig wird dem Verbot Rechnung getragen, durch eine Finanzanalyse keine neue Tatsachen zu schaffen, die zu einem Kursanstieg oder ‑verfall bei einem Finanzinstrument führen und an denen der Analyst ein Eigeninteresse hat (''scalping''). Zu unterbinden sind außerdem Geschäfte, die der Analyseempfehlung entgegen laufen. Insgesamt wird die Gefahr eingedämmt, dass Analysten unwahre Informationen verbreiten, um sich persönlich zu bereichern. Hiermit im Zusammenhang steht das Verbot, größere Leistungen für das Versprechen günstiger Analysen anzunehmen, dessen Anwendungsbereich auch Personen einschließt, die Entwürfe der Analysen überprüfen dürfen. Zuletzt gelten Einschränkungen dazu, zu welchen Zwecken Analysen überprüft werden dürfen.
Herausragende Bedeutung für ein faires Verfahren hat sodann der Anspruch auf rechtliches Gehör (EuGH Rs. C-341/04 – ''Eurofood'', Slg. 2006, I-3813, Rn. 66), der zuweilen auch allgemeiner unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Verteidigungsrechte (EuGH Rs. C-283/05 – ''ASML'', Slg. 2006, I-12041, Rn. 27) oder dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens diskutiert wird (EuGH Rs. C-450/06 – ''Varec'', Slg. 2008, I-581, Rn. 46 f.). Unterscheiden lassen sich drei Verwirklichungsstufen des rechtlichen Gehörs: Zunächst muss die betroffene Partei durch Übermittlung sämtlicher Verfahrensunterlagen über die Einleitung und den Stand des Verfahrens informiert werden (EuGH Rs. C-63/01 – ''Evans'', Slg. 2003, I-14447, Rn. 56). Sodann muss das Gericht den Parteien eine echte Möglichkeit wirksamer Stellungnahme zu allen aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen und den Beweismitteln geben (EGMR Nr. 12952/87 – ''Ruiz-Mateos'', § 63; EuGH Rs. C-276/01 – ''Steffensen'', Slg. 2003, I-3735, Rn. 77), was nur möglich ist, wenn ihnen der Vortrag der Gegenseite und alle Beweismittel zur Kenntnis mitgeteilt werden (EGMR Nr. 18990/91 – ''Nideröst-Huber'', § 24, 28 ff.). Schließlich ist das Gericht verpflichtet, sich bei seiner Entscheidungsfindung mit dem entscheidungserheblichen Vorbringen der Parteien und den Beweismitteln auseinanderzusetzen und die ergehende Entscheidung zu begründen. Der Richter muss nicht auf das gesamte Vorbringen sämtlicher Parteien eingehen, sondern sich nur mit dem rechtsrelevanten Vorbringen auseinandersetzen und darlegen, welche tatsächlichen Umstände seiner Entscheidung zugrunde liegen (EGMR Nr. 16034/90 – ''van de Hurk'', § 59 ff.; EuGH Rs. C-221/97 P – ''Schröder'', Slg. 1998, I-8255, Rn. 24).  


Auch das Recht auf rechtliches Gehör ist nicht absolut gewährleistet. Seine Ausprägungen können in Relation zur Eilbedürftigkeit des Verfahrens variieren, solange jede Beschränkung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß gerechtfertigt ist und mit Verfahrensgarantien einhergeht, die eine Möglichkeit zur Anfechtung von Eilentscheidungen sicherstellen (EuGH Rs. C-341/04 – ''Eurofood'', Slg. 2006, I-3813, Rn. 66). In bestimmten Fällen kann es zur Wahrung der Grundrechte Dritter oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein, den kontradiktorischen Charakter des Verfahrens einzuschränken und den Parteien zum Schutz der Vertraulichkeit bestimmte Informationen vorzuenthalten. Dem Recht auf ein faires Verfahren wird insofern genüge getan, wenn das Gericht seine Entscheidung in voller Kenntnis sämtlicher Umstände einschließlich der vertraulichen Informationen treffen kann, während die Vertraulichkeit gewahrt wird, wenn das Gericht der betreffenden Partei vor Weitergabe der Informationen an die Gegenseite die Möglichkeit gibt, sich auf die Vertraulichkeit zu berufen (EuGH Rs. C-450/06 – ''Varec'', Slg. 2008, I-581, Rn. 47, 53 f.).
Die Entwicklung des europäischen Privatrechts wird im Bereich der Finanzanalyse wie in Bezug auf [[Finanzintermediär]]e insgesamt durch die Empfehlungen der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden beeinflusst und vorangetrieben (''International Organization of Securities Commissions'', IOSCO). Die von der IOSCO 2003 veröffentlichten Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten ist für zweierlei Adressatenkreise von Bedeutung: Erstens richten sie sich an Finanzanalysten und empfehlen konkrete Maßnahmen zur Vermeidung und Handhabung von [[Interessenkonflikte]]n, die internationale Geltung beanspruchen. Zweitens richten sie sich an Emittenten und Wertpapierdienstleister, die von einer selektiven Informationsweitergabe an Finanzanalysten absehen und die Analyseergebnisse nicht beeinflussen sollen.


=== c) Prozessuale Waffengleichheit ===
== 4. Regelungsfragen und ‑strukturen ==
Ausdruck des fairen Verfahrens ist auch der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit. Während er in der ständigen Rechtsprechung des EGMR seit einigen Jahren anerkannt ist (EGMR Nr. 14448/88 – ''Dombo Beheer'', § 33), lässt er sich im Gemeinschaftsrecht bisher nur in wenig konturierter Form nachweisen und wird dort zuweilen im Zusammenhang mit dem rechtlichen Gehör oder dem kontradiktorischen Verfahren genannt (EuGH Rs. C-341/04 – ''Eurofood'', Slg. 2006, I-3813, Rn. 66). Die prozessuale Waffengleichheit gebietet eine Gelegenheit zur Sachdarlegung und Zeugenbefragung, die die Partei im Verhältnis zur Gegenseite nicht wesentlich benachteiligt; nicht erforderlich ist eine finanzielle Gleichstellung der Parteien (EGMR Nr. 68416/01 – ''Steel und Morris'', § 62). Eine Benachteiligung ist beispielsweise dann gegeben, wenn einer Partei die Anhörung ihres Geschäftsführers wegen der Parteistellung versagt wird, während die Gegenseite zum selben Vorgang einen Angestellten als Zeugen präsentieren darf (EGMR Nr. 14448/88 – ''Dombo Beheer'', § 34 f.).  
Im Recht der Finanzanalyse stellen sich im Kern zwei Regelungsaufgaben: zum einen die Sicherstellung ordnungsgemäßer Analyseverfahren, zum anderen die Gewährleistung hinreichender Objektivität der Finanzanalysten. Die Notwendigkeit zu regulatorischen Eingriffen besteht jedoch nur, soweit der Markt nicht selbst zu befriedigenden Ergebnissen kommt. In der US-amerikanisch geprägten Debatte wird unter Hinweis auf den Reputationsmechanismus (vereinzelt) ein Absehen von Regulierung oder die Beschränkung auf Offenlegungspflichten vorgeschlagen. Angenommen wird, dass die Glaubwürdigkeit von Finanzanalysen durch ihre Treffgenauigkeit bedingt ist. Ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit ist erst bei wiederholt zutreffenden Analyseergebnissen aufzubauen. Die hieraus entstehende Reputation ist deshalb ein langfristiges Investitionsgut, das nach allgemeiner Regel nicht zur Erzielung bloß kurzfristiger Gewinne aufs Spiel gesetzt wird.


=== d) Beweisrecht ===
Im Einzelnen ist vieles noch ungeklärt. Auszugehen sein dürfte aber davon, dass es insbesondere im Zusammenhang mit Marktblasen zu Änderungen der beschriebenen Anreizstrukturen kommt. Die Kauf- und Verkaufentscheidungen werden in überhitzten Märkten gerade nicht auf der Grundlage von Intermediärleistungen getroffen. Demgemäß sinkt die Nachfrage nach Finanzanalysten. Theoretisch kommt es gleichzeitig zu einer gesteigerten Bereitschaft von Analysten, den Emittenten eine günstige Beurteilung zu versprechen. Die Folgen werden durch ein sog. Herdenverhalten potenziert. Mit dem Begriff des Herdenverhaltens wird die Beobachtung umschrieben, nach der eine Vielzahl von Finanzanalysten gleichlautende Empfehlungen abgibt, die nicht mit den verfügbaren Marktdaten zu rechtfertigen sind. Zumindest in Teilen ist dieses Phänomen mit erfolgsorientierten Vergütungsmodellen zu erklären, die ein kurzfristorientiertes Empfehlungsverhalten fördern und den Analysten dazu anreizen, eine Marktblase bis zu ihrem Platzen weiter anzureichern.
Auch im Beweisrecht ähneln die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben an das faire Verfahren denjenigen der EMRK. So hat der EuGH unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR festgestellt, dass Beweiserhebung, Beweisverwertungsverbote und Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des nationalen Rechts sind (EuGH Rs. C-276/01 – ''Steffensen'', Slg. 2003, I-3735, Rn. 75). Allerdings ist dem übergreifenden Prinzip der Verfahrensfairness nur dann genügt, wenn die Parteien am Beweisverfahren angemessen beteiligt werden und es sich bei ihrem Äußerungsrecht um eine echte Möglichkeit wirksamer Stellungnahme zu den Beweismitteln handelt (EuGH Rs. C-276/01 – ''Steffensen'', Slg. 2003, I-3735, Rn. 76 f.). So ist das Prinzip der kontradiktorischen Verhandlungsführung und Beweisaufnahme verletzt, wenn eine Partei keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Gutachten oder keinen Zugang zu den vorgelegten Beweisen und Stellungnahmen hat (EGMR Nr. 30882/96 – ''Pellegrini'', § 44). Bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln muss es den Parteien möglich sein, den Wert der Beweise so in Zweifel zu ziehen, dass der Richter im Rahmen der Beweiswürdigung den Beweis als nicht erbracht anzusehen vermag. Sofern die Zulassung rechtswidrig erlangter Beweismittel zu einem Verstoß gegen den kontradiktorischen Charakter des Verfahrens führen kann, sind die betreffenden Beweismittel auszuschließen (EuGH, Rs. C-276/01 – ''Steffensen'', Slg. 2003, I-3735, Rn. 79; vgl. auch EuGH, Rs. C-411/04 P – ''Salzgitter'', Slg. 2007, I-959, Rn. 44).  


=== e) Entscheidung in angemessener Zeit ===
Maßgeblich zur Verfestigung der europäischen wie internationalen Regulierungsansätze hat der unerwartete Zusammenbruch von Enron, dem seinerzeit zweitgrößten Energieversorger der USA, im Jahr 2001 beigetragen. Nicht nur Anteilseigner, sondern auch Arbeitnehmer waren von den dramatischen Folgen betroffen. Letztere verloren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern büßten auch Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge ein. Ursache waren u.a. gezielte Falschbilanzierungen, die vom [[Abschlussprüfer]] nicht angezeigt worden waren. Trotz gegenläufiger Indizien waren Anteile an Enron aber auch noch wenige Tage vor der [[Insolvenz, grenzüberschreitende|Insolvenz]] durch die Mehrzahl der Finanzanalysten zum Kauf empfohlen worden.
Schließlich beinhaltet das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6(1)1 EMRK und Art. 47(2) GRCh ein Recht auf eine gerichtliche Entscheidung in angemessener Frist, wobei die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen jeder einzelnen Rechtssache, nach den Interessen, die für die Betroffenen auf dem Spiel stehen, nach der Komplexität des Falles und dem Verhalten der Parteien zu beurteilen ist (EuGH Rs. C-185/95 P – ''Baustahlgewebe'', Slg. 1998, I-8417, Rn. 29; EGMR Nr. 50615/99 – ''Boca'', § 24).


=== f) Rechtsfolge bei Verstoß ===
Die Geschehnisse um Enron führten in den USA zu erheblichen Verschärfungen der Kapitalmarktregulierung. Die [[Europäische Kommission]] reagierte auf die Befürchtung vergleichbarer Schwächen der ''[[Corporate Governance]]'' von Finanzanalysten mit der Einsetzung der Expertengruppe ''Financial Analysts Forum''. Der Abschlussbericht von 2003 nahm im Vergleich zu dem nahezu zeitgleich vorgelegten Empfehlungswerk der ISOCO deutlich geringeren Einfluss. Er trug aber dazu bei, dass sich auch in Europa die Erkenntnis durchsetzte, nach der Leistungskombinationen wie der Vertrieb von Finanzinstrumenten bei gleichzeitiger Erstellung von Finanzanalysen für einen einzelnen [[Finanzintermediär]] zu kaum lösbaren [[Interessenkonflikte]]n führen. Hieraus ist die angesprochene beschriebene Verdichtung der Regeln zum Umgang mit [[Interessenkonflikte]]n bei der vertriebsorientierten'' ''Finanzanalyse zu erklären.
Verstöße gegen die Verfahrensgarantien können grundsätzlich durch das Gericht oder die nächste Instanz geheilt werden (EGMR Nr. 16034/90 – ''van de Hurk'', § 57). Unterbleibt dies, so ist die Folge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im Gemeinschaftsrecht die Aufhebung der betreffenden Entscheidung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verfahren ohne die Verletzung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (EuGH Rs. 301/87 – ''Frankreich/ Kommission'', Slg. 1990, I-307, Rn. 30 f.). Auch ist die Anerkennung ausländischer Entscheidungen verboten, die unter Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren oder auf rechtliches Gehör ergangen sind (Art. 34 Nr. 1, 2 EuGVO). Bei Verstoß gegen die Pflicht zur Entscheidung in angemessener Frist muss ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein, wobei die überlange Verfahrensdauer nur dann zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, wenn die Verfahrensdauer Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits hatte (EuGH Rs. C-185/95 P – ''Baustahlgewebe'', Slg. 1998, I-8417, Rn. 48 f.). Ansonsten ist der Verstoß durch einen Schadensersatzanspruch zu sanktionieren.
 
Noch nicht abschließend beantwortet ist, wie sicherzustellen ist, dass der Markt hinreichend mit Finanzanalysen zu kleinen und mittleren Emittenten versorgt wird. Aufgeworfen werden in diesem Zusammenhang komplexe Fragen zur Finanzierung der Finanzanalysen. Mit der Quersubventionierung durch das Vertriebsgeschäft der Banken sind die beschriebenen Interessenkonflikte verbunden, die sich nicht vollständig vermeiden lassen. Auf die Analyse kleinerer Emittenten wird von Seiten der Banken z.T. ganz verzichtet. Unabhängige Analysen sind zwar geeignet, die aus Emittenten- wie Anlegersicht kaum verzichtbare Informationsversorgung sicherzustellen. Die Vergütung durch den Emittenten birgt aber kaum geringere Gefahren für Interessenkonflikte als die Finanzanalyse durch Banken. Eine Alternative wird durch das ''US'' ''Global Settlement'' von 2003 aufgezeigt. Im ''Global Settlement'', einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem ''Attorney General'','' New York'', und den führenden Investmentbanken, verpflichteten sich letztere, über fünf Jahre einen zweistelligen Millionenbetrag für die unabhängige Finanzanalyse zur Verfügung zu stellen. Ob diese Form der Quersubventionierung sich außerhalb der akuten Krisenbewältigung auch zur nachhaltigen Finanzierung der Finanzanalyse als erfolgversprechend erweisen kann, ist bislang nicht geklärt.
 
== 5.Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven ==
Aktuell beschäftigt sich die Europäische Kommission in enger Anlehnung an die Themen der IOSCO-Empfehlung mit den folgenden vier Regulierungsfragen: Erstens die Möglichkeit einer obligatorischen Registrierung der Analysten, eventuell in Verbindung mit Berufsqualifikationen, zweitens die regulatorische und wettbewerbsmäßige Stellung unabhängiger Finanzanalyseinstitute gegenüber der Erbringung von Finanzanalysen durch Investmentbanken, drittens die Frage, ob es wünschenswert ist, weitere Regeln zur ''[[Corporate Governance]]'' der Analysten und zum Wohlverhalten der Analysten in ihrer der Beziehung zu Emittenten einzuführen und viertens die Ausbildung der Anleger im Erkennen und in der Bewertung von Interessenkonflikten auf dem Gebiet der Finanzanalyse.
 
Perspektivisch ist zu fragen, ob und inwieweit die Finanzanalysten in ein übergreifendes Konzept der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (''gatekeeping'') eingebunden werden können und sollten. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Regulierungsfrage die über Finanzanalysten hinaus sämtliche [[Finanzintermediär]]e betrifft.


==Literatur==
==Literatur==
''Max Vollkommer'', Der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren im Zivilprozeß, in: Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns, 1980, 195 ff.;'' Dieter Dörr'','' ''Faires Verfahren: Gewährleistung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, 1984; ''Walther J. Habscheid'', Zur Philosophie des Zivilprozessrechts, insbesondere zum Prinzip der Fairness, in: Perspektiven der Philosophie, Neues Jahrbuch, Bd. 4 (1988) 293 ff., ND in: Walther J. Habscheid, Kleinere Schriften zu einem rechtsstaatlichen Zivil- und Verfahrensrecht, 2008, 49 ff.; ''Andreas Wacke'', Audiatur et altera pars: Zum rechtlichen Gehör im römischen Zivil- und Strafprozeß, in: Festschrift für Wolfgang Waldstein zum 65. Geburtstag, 1993, 369 ff.; ''Denis J. Galligan'', Due Process and Fair Procedures: A Study of Administrative Procedures, 1996; ''Wolfgang'' ''Peukert'', Verfahrensgarantien und Zivilprozess (Art. 6 EMRK), RabelsZ 63 (1999) 600 ff.; ''Franz Matscher'', Der Begriff des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK, in: Festschrift für Kostas E. Beys, Bd. 2, 2003, 989 ff.; ''Joachim Renzikowski'' (Hg.), Die EMRK im Privat- Straf- und Öffentlichen Recht, Grundlagen einer europäischen Rechtskultur, 2004; ''Katrin Haase'', Die Anforderungen an ein faires Gerichtsverfahren auf europäischer Ebene, 2006; ''Christian Heinze'', Europäisches Primärrecht und Zivilprozess, Europarecht 2008, 654 ff.
''Charles Hollander'','' Simon Salzedo'', Conflicts of Interest & Chinese Walls, 2000; ''Hanno Merkt'','' ''Unternehmenspublizität, 2001; ''International Organization of Securities Commissions'', Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, September 2003; ''Jill E. Fisch'','' Hillary A''. ''Sale'','' ''The Securities Analyst as Agent,'' ''Iowa Law Review 88 (2003) 1035 ff.; ''Stephen J''.'' Choi'', ''Jill E. Fisch'', How to Fix Wall Street, Yale Law Journal 113 (2003) 269 ff.; ''Ulrich L''.'' Göres'','' ''Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und ‑analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004; ''Christoph H''.'' Seibt'','' ''Finanzanalysten im Blickfeld von Aktien- und Kapitalmarktrecht, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2006, 501 ff.; ''John C''.'' Coffee'','' ''Gatekeepers, 2006; ''Jan von Hein'','' ''Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008; ''Patrick C''.'' Leyens'', Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 423 ff.


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Version vom 9. September 2016, 14:17 Uhr

von Patrick C. Leyens

1. Begriff des Finanzanalysten

Finanzanalysten vermitteln dem Anlegerpublikum des Kapitalmarkts Information über den Emittenten oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente. Finanzanalysen enthalten direkt oder indirekt eine Empfehlung zu einer bestimmten Anlageentscheidung, also zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Finanzinstruments. Finanzanalysen unterscheiden sich von der Anlageberatung dadurch, dass ihre Empfehlungen nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und Anlageziele eines bestimmten Kunden abgestimmt sind. Für eine zielgenaue Anlageberatung sind Finanzanalysen jedoch von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Die vertriebsorientierte Analyse (sell-side analysis) wird ganz überwiegend von Banken und nur zu einem kleinen Teil von unabhängigen Finanzanalysten erbracht. Demgegenüber werden die selteneren Finanzanalysen im Auftrag der Käuferseite (buy-side analysis) in der Regel von Analysten erstellt, die in einem festen Beschäftigungsverhältnis zu einem professionellen Anleger stehen.

2. Einordnung und Funktion der Finanzanalyse

Finanzanalysten zählen zu den Finanzintermediären im weiteren Sinne. Mit dem Begriff der Finanzintermediation wird die Zusammenführung von Kapitalangebot und ‑nachfrage beschrieben. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken (Europäischer Bankenmarkt). Diese nehmen Kapital in Form von Spareinlagen auf und vergeben Kredite an Unternehmen. Dadurch gleichen sie die Unterschiede in den Anlagevolumina-, Zeit- und Risikopräferenzen von Kapitalanbietern und ‑nachfragern aus. Finanzintermediäre im weiteren Sinne erbringen hierzu Informationsleistungen, die die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage ermöglichen oder unterstützen. Eine der Finanzanalyse vergleichbare Bedeutung kommt den Informationsdienstleistungen von Abschlussprüfern und Rating-Agenturen zu. Zusammen mit diesen gelten Finanzanalysten als die wichtigsten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts.

Übergreifend besteht die Aufgabe dieser Intermediäre darin, fehlende Informationen zu substituieren, vorhandene Informationen zu verifizieren und Informationen im wirtschaftlichen Gesamtkontext zu evaluieren. Die Leistungen der Informationsintermediäre ergänzen sich und bauen zum Teil direkt oder indirekt aufeinander auf. Sie folgen aber einer jeweils eigenen Methodik. Bei der Finanzanalyse liegt der Schwerpunkt auf der zukunftsbezogenen Evaluation von Unternehmensdaten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Finanzmarkts. Einbezogen werden insbesondere die Wettbewerbssituation des Emittenten, die Entwicklung von Währungsrisiken und die nationale wirtschaftliche Entwicklung im internationalen Vergleich.

Die Existenz von Finanzanalysten ist wie die der Finanzintermediäre allgemein mit der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie zu erklären. Finanzanalysten tragen hiernach vor allem dazu bei, die Informationsasymmetrien zwischen Emittenten und Anlegern zu überwinden. Die Informationsasymmetrien sind am Kapitalmarkt besonders ausgeprägt und können ohne die Leistungen von Intermediären nicht oder nur eingeschränkt überwunden werden. Dies hängt zum einen mit den Vertrauenseigenschaften von Finanzinstrumenten zusammen, deren Eignung zur Erfüllung individueller Anlageziele erst durch verlässliche, also insbesondere hinreichend unabhängige Informationen beurteilbar wird. Zum anderen kann sich die im Markt verfügbare Anlegerinformation als unzureichend erweisen. Grundlage der Anlegerinformation ist das weitgehend europäisch vereinheitlichte System der Publizität von Emittenten, das von der periodischen Regelpublizität bis hin zu ad hoc-Veröffentlichungspflichten reicht. Die von der Unternehmensführung des Emittenten zu veröffentlichenden Informationen unterliegen aber unvermeidbaren Färbungen und können unvollständig oder bewusst fehlerhaft sein. Die Finanzanalyse leistet einen unerlässlichen Beitrag zur Überwindung der hieraus entstehenden Informationsunsicherheit des Anlegerpublikums.

3. Stand der europäischen Rechtsangleichung

Kapitalmarktinformationen wie Finanzanalysen haben eine per se grenzüberschreitende Dimension. Schon deshalb ist die europäische Rechtsangleichung wie in Bezug auf Finanzintermediäre insgesamt weit fortgeschritten. Dem hohen Anteil der Banken am Markt für vertriebsorientierte Finanzanalysen entsprechend konzentriert sich die Regelsetzung darauf, einen ordnungsgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten sicherzustellen, die unvermeidlich aus der Kombination der Finanzanalyse mit dem Vertrieb von Finanzinstrumenten resultieren. Die Europäische Kommission hat sich zuletzt in einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament von 2006 mit dem Stand der europäischen Rechtsangleichung im Recht der Finanzanalyse auseinandergesetzt.

Die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6) enthielt in Art. 6(5) erstmals spezielle Verhaltensanforderungen in Bezug auf Finanzanalysten (Marktmanipulation). Danach müssen Informationen mit Empfehlungen zu Anlagestrategien sachgerecht dargeboten und etwaige Interessenkonflikte offengelegt werden. Die Marktmissbrauchs-RL ist nicht auf Wertpapierdienstleister beschränkt. Sie betrifft demgemäß auch unabhängige Analysehäuser. Die Durchführungs-RL (RL 2003/125) sieht umfassende Pflichten zur Offenlegung in Bezug auf Interessenkonflikte vor, die im Zusammenhang mit Analystenempfehlungen entstehen.

In der gleich einer Verfassung für den Finanzmarkt konzipierten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/39) sind eine allgemeine Zulassungspflicht für das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen und zahlreiche Verhaltenspflichten vorgesehen. Finanzanalysen unterliegen diesen Regeln als Nebendienstleistungen im Sinne der MiFID. Die allgemeinen Vorgaben der MiFID zu Interessenkonflikten der Finanzanalysten werden wiederum im Wege einer Durchführungs-RL (RL 2006/73) konkretisiert. Danach sind organisatorische Maßnahmen in Hinblick auf Analysten und andere Personen zu ergreifen, deren Aufgaben oder Geschäftsinteressen mit den Interessen der Zielgruppe von Finanzanalysen kollidieren können.

Zu den organisatorischen Maßnahmen zählt die Trennung von Tätigkeiten, die unterschiedlichen Kunden- oder Geschäftsinteressen dienen. International üblich sind in diesem Zusammenhang Unterbrechungen des Informationsflusses (chinese walls) zwischen Finanzanalyse- und Verkaufsabteilungen der Bank. Die Objektivität der Finanzanalyse ist weiterhin dadurch sicherzustellen, dass den Mitarbeitern Geschäfte untersagt werden, soweit sie Kenntnis vom Veröffentlichungszeitpunkt oder dem noch nicht öffentlichen Inhalt der Finanzanalyse haben. Verhindert wird dadurch das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen gegenüber anderen Marktteilnehmern und insbesondere den Kunden des jeweiligen Finanzinstituts (front running). Gleichzeitig wird dem Verbot Rechnung getragen, durch eine Finanzanalyse keine neue Tatsachen zu schaffen, die zu einem Kursanstieg oder ‑verfall bei einem Finanzinstrument führen und an denen der Analyst ein Eigeninteresse hat (scalping). Zu unterbinden sind außerdem Geschäfte, die der Analyseempfehlung entgegen laufen. Insgesamt wird die Gefahr eingedämmt, dass Analysten unwahre Informationen verbreiten, um sich persönlich zu bereichern. Hiermit im Zusammenhang steht das Verbot, größere Leistungen für das Versprechen günstiger Analysen anzunehmen, dessen Anwendungsbereich auch Personen einschließt, die Entwürfe der Analysen überprüfen dürfen. Zuletzt gelten Einschränkungen dazu, zu welchen Zwecken Analysen überprüft werden dürfen.

Die Entwicklung des europäischen Privatrechts wird im Bereich der Finanzanalyse wie in Bezug auf Finanzintermediäre insgesamt durch die Empfehlungen der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden beeinflusst und vorangetrieben (International Organization of Securities Commissions, IOSCO). Die von der IOSCO 2003 veröffentlichten Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten ist für zweierlei Adressatenkreise von Bedeutung: Erstens richten sie sich an Finanzanalysten und empfehlen konkrete Maßnahmen zur Vermeidung und Handhabung von Interessenkonflikten, die internationale Geltung beanspruchen. Zweitens richten sie sich an Emittenten und Wertpapierdienstleister, die von einer selektiven Informationsweitergabe an Finanzanalysten absehen und die Analyseergebnisse nicht beeinflussen sollen.

4. Regelungsfragen und ‑strukturen

Im Recht der Finanzanalyse stellen sich im Kern zwei Regelungsaufgaben: zum einen die Sicherstellung ordnungsgemäßer Analyseverfahren, zum anderen die Gewährleistung hinreichender Objektivität der Finanzanalysten. Die Notwendigkeit zu regulatorischen Eingriffen besteht jedoch nur, soweit der Markt nicht selbst zu befriedigenden Ergebnissen kommt. In der US-amerikanisch geprägten Debatte wird unter Hinweis auf den Reputationsmechanismus (vereinzelt) ein Absehen von Regulierung oder die Beschränkung auf Offenlegungspflichten vorgeschlagen. Angenommen wird, dass die Glaubwürdigkeit von Finanzanalysen durch ihre Treffgenauigkeit bedingt ist. Ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit ist erst bei wiederholt zutreffenden Analyseergebnissen aufzubauen. Die hieraus entstehende Reputation ist deshalb ein langfristiges Investitionsgut, das nach allgemeiner Regel nicht zur Erzielung bloß kurzfristiger Gewinne aufs Spiel gesetzt wird.

Im Einzelnen ist vieles noch ungeklärt. Auszugehen sein dürfte aber davon, dass es insbesondere im Zusammenhang mit Marktblasen zu Änderungen der beschriebenen Anreizstrukturen kommt. Die Kauf- und Verkaufentscheidungen werden in überhitzten Märkten gerade nicht auf der Grundlage von Intermediärleistungen getroffen. Demgemäß sinkt die Nachfrage nach Finanzanalysten. Theoretisch kommt es gleichzeitig zu einer gesteigerten Bereitschaft von Analysten, den Emittenten eine günstige Beurteilung zu versprechen. Die Folgen werden durch ein sog. Herdenverhalten potenziert. Mit dem Begriff des Herdenverhaltens wird die Beobachtung umschrieben, nach der eine Vielzahl von Finanzanalysten gleichlautende Empfehlungen abgibt, die nicht mit den verfügbaren Marktdaten zu rechtfertigen sind. Zumindest in Teilen ist dieses Phänomen mit erfolgsorientierten Vergütungsmodellen zu erklären, die ein kurzfristorientiertes Empfehlungsverhalten fördern und den Analysten dazu anreizen, eine Marktblase bis zu ihrem Platzen weiter anzureichern.

Maßgeblich zur Verfestigung der europäischen wie internationalen Regulierungsansätze hat der unerwartete Zusammenbruch von Enron, dem seinerzeit zweitgrößten Energieversorger der USA, im Jahr 2001 beigetragen. Nicht nur Anteilseigner, sondern auch Arbeitnehmer waren von den dramatischen Folgen betroffen. Letztere verloren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern büßten auch Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge ein. Ursache waren u.a. gezielte Falschbilanzierungen, die vom Abschlussprüfer nicht angezeigt worden waren. Trotz gegenläufiger Indizien waren Anteile an Enron aber auch noch wenige Tage vor der Insolvenz durch die Mehrzahl der Finanzanalysten zum Kauf empfohlen worden.

Die Geschehnisse um Enron führten in den USA zu erheblichen Verschärfungen der Kapitalmarktregulierung. Die Europäische Kommission reagierte auf die Befürchtung vergleichbarer Schwächen der Corporate Governance von Finanzanalysten mit der Einsetzung der Expertengruppe Financial Analysts Forum. Der Abschlussbericht von 2003 nahm im Vergleich zu dem nahezu zeitgleich vorgelegten Empfehlungswerk der ISOCO deutlich geringeren Einfluss. Er trug aber dazu bei, dass sich auch in Europa die Erkenntnis durchsetzte, nach der Leistungskombinationen wie der Vertrieb von Finanzinstrumenten bei gleichzeitiger Erstellung von Finanzanalysen für einen einzelnen Finanzintermediär zu kaum lösbaren Interessenkonflikten führen. Hieraus ist die angesprochene beschriebene Verdichtung der Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten bei der vertriebsorientierten Finanzanalyse zu erklären.

Noch nicht abschließend beantwortet ist, wie sicherzustellen ist, dass der Markt hinreichend mit Finanzanalysen zu kleinen und mittleren Emittenten versorgt wird. Aufgeworfen werden in diesem Zusammenhang komplexe Fragen zur Finanzierung der Finanzanalysen. Mit der Quersubventionierung durch das Vertriebsgeschäft der Banken sind die beschriebenen Interessenkonflikte verbunden, die sich nicht vollständig vermeiden lassen. Auf die Analyse kleinerer Emittenten wird von Seiten der Banken z.T. ganz verzichtet. Unabhängige Analysen sind zwar geeignet, die aus Emittenten- wie Anlegersicht kaum verzichtbare Informationsversorgung sicherzustellen. Die Vergütung durch den Emittenten birgt aber kaum geringere Gefahren für Interessenkonflikte als die Finanzanalyse durch Banken. Eine Alternative wird durch das US Global Settlement von 2003 aufgezeigt. Im Global Settlement, einem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Attorney General, New York, und den führenden Investmentbanken, verpflichteten sich letztere, über fünf Jahre einen zweistelligen Millionenbetrag für die unabhängige Finanzanalyse zur Verfügung zu stellen. Ob diese Form der Quersubventionierung sich außerhalb der akuten Krisenbewältigung auch zur nachhaltigen Finanzierung der Finanzanalyse als erfolgversprechend erweisen kann, ist bislang nicht geklärt.

5.Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven

Aktuell beschäftigt sich die Europäische Kommission in enger Anlehnung an die Themen der IOSCO-Empfehlung mit den folgenden vier Regulierungsfragen: Erstens die Möglichkeit einer obligatorischen Registrierung der Analysten, eventuell in Verbindung mit Berufsqualifikationen, zweitens die regulatorische und wettbewerbsmäßige Stellung unabhängiger Finanzanalyseinstitute gegenüber der Erbringung von Finanzanalysen durch Investmentbanken, drittens die Frage, ob es wünschenswert ist, weitere Regeln zur Corporate Governance der Analysten und zum Wohlverhalten der Analysten in ihrer der Beziehung zu Emittenten einzuführen und viertens die Ausbildung der Anleger im Erkennen und in der Bewertung von Interessenkonflikten auf dem Gebiet der Finanzanalyse.

Perspektivisch ist zu fragen, ob und inwieweit die Finanzanalysten in ein übergreifendes Konzept der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (gatekeeping) eingebunden werden können und sollten. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Regulierungsfrage die über Finanzanalysten hinaus sämtliche Finanzintermediäre betrifft.

Literatur

Charles Hollander, Simon Salzedo, Conflicts of Interest & Chinese Walls, 2000; Hanno Merkt, Unternehmenspublizität, 2001; International Organization of Securities Commissions, Statement of Principles for Addressing Sell-Side Securities Analyst Conflicts of Interest, September 2003; Jill E. Fisch, Hillary A. Sale, The Securities Analyst as Agent, Iowa Law Review 88 (2003) 1035 ff.; Stephen J. Choi, Jill E. Fisch, How to Fix Wall Street, Yale Law Journal 113 (2003) 269 ff.; Ulrich L. Göres, Die Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und ‑analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004; Christoph H. Seibt, Finanzanalysten im Blickfeld von Aktien- und Kapitalmarktrecht, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2006, 501 ff.; John C. Coffee, Gatekeepers, 2006; Jan von Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008; Patrick C. Leyens, Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 423 ff.

Abgerufen von Faires Verfahren – HWB-EuP 2009 am 19. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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