Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)

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von Giesela Rühl

1. Grundlagen

Internationale Verträge gehören zu den wichtigsten Instrumenten des internationalen Handels. Ihre Bedeutung hat im Laufe des 20. Jahrhunderts angesichts der zunehmenden Integration von Märkten stetig zugenommen. Da sie zahlreiche Probleme aufwerfen, die nationalen Verträgen fremd sind, halten die meisten nationalen Rechtsordnungen und internationalen Regelwerke allerdings besondere Vorschriften für sie bereit.

a) Ausgangsproblem

Internationale Verträge unterscheiden sich von nationalen Verträgen dadurch, dass sie Beziehungen zu mehreren, inhaltlich unterschiedlich ausgestalteten Rechtsordnungen aufweisen. Anders als nationale Verträge, die unter dem Schutz einer einzigen Rechtsordnung stehen, sehen sie sich deshalb einer besonderen Form von Unsicherheit ausgesetzt, die dazu führen kann, dass rational handelnde Parteien vom Abschluss internationaler Verträge Abstand nehmen. Empirische Studien, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, bestätigen diese Überlegungen. Sie weisen nämlich mit Unterschieden im Detail nach, dass das Handelsvolumen an der Grenze zwischen zwei Ländern deutlich absinkt. Sie legen damit nahe, dass der Abschluss eines nationalen Vertrags dem Abschluss eines internationalen Vertrags regelmäßig vorgezogen wird. Die Ursachen dieses – in der ökonomischen Theorie als Grenzeffekt (border effect) bekannten – Phänomens sind im Einzelnen noch nicht abschließend geklärt. Neben geographischer Entfernung, unterschiedlichen Präferenzen, Zöllen, Steuern und Wechselkursen führen Ökonomen den an Grenzen beobachteten Abfall des Handelsvolumens insbesondere auf regulatorische und informationelle Asymmetrien sowie technische Unterschiede zurück. Vollständig erklären können sie den border effect damit allerdings nicht. Denn es bleibt offen, warum das Handelsvolumen auch an der Grenze zwischen unmittelbar benachbarten Ländern sinkt, die – wie beispielsweise die USA und Kanada – ihren Handel nahezu vollständig liberalisiert haben und die sich sowohl sprachlich als auch kulturell ähnlich sind. In den letzten Jahren hat sich in der ökonomischen Diskussion deshalb mehr und mehr die Ansicht durchgesetzt, dass sich der border effect darauf zurückführen lässt, dass Grenzen internationale Verträge vor Informations- und Durchsetzungsprobleme stellen, weil sie den Wechsel von einer Rechtsordnung zur anderen markieren. Der Abschluss internationaler Verträge ist nach dieser Ansicht aufgrund institutioneller Diskontinuitäten mit höheren Transaktionskosten als der Abschluss nationaler Verträge verbunden, was zur Folge hat, dass die Parteien auf den Abschluss eines internationalen Vertrags häufig verzichten. Da dies selbst dann gilt, wenn der Abschluss eines internationalen Vertrags für beide Parteien bei ordnungsgemäßer Durchführung vorteilhaft wäre, stellt sich das Ausgangsproblem internationaler Verträge als Dilemma dar, das „Dilemma internationaler Transaktionen“ oder – kurz – „internationales Transaktionsdilemma“ genannt werden kann.

b) Lösungsstrategien

Dass das Scheitern internationaler Transaktionen in einer auf Vernetzung und Integration von Märkten ausgerichteten Welt ein unerwünschtes Phänomen ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die beiden entscheidenden Fragen sind deshalb: Kann das internationale Transaktionsdilemma überwunden werden? Und wenn ja, wie? Die Antwort auf die erste Frage fällt leicht. Sie ergibt sich aus der Entwicklung des weltweiten Handelsvolumens. Dieses ist nämlich alleine in den letzten 70 Jahren von USD 20 Mill. auf USD 9.000 Mill. gestiegen. Das Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen schließt den Abschluss internationaler Verträge folglich nicht aus, sondern schwächt ihn lediglich im Sinne des border effect ab. Schwieriger zu beantworten ist die zweite Frage: Wie wird das internationale Transaktionsdilemma überwunden? Verschiedene Lösungsstrategien aus dem Bereich staatlicher Regulierung (public ordering) und dem Bereich privatautonomer Gestaltung (private ordering) scheinen sich zu ergänzen. Die Lösungsstrategien, die dem Bereich des public ordering zuzuordnen sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie von einem zentralen Regelgeber, insbesondere von einem nationalen oder internationalen Gesetzgeber gesteuert werden. Sie werden den betroffenen Akteuren gleichsam „von oben“ (top down) vorgegeben. Lösungsstrategien, die sich dem private ordering zuordnen lassen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie dezentral durch die betroffenen Akteure selbst und damit „von unten“ (bottom up) geschaffen werden (Private Rechtsetzung und Codes of Conduct).

2. Internationales Vertragsrecht

Die wichtigste Strategie, die zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas auf der Ebene des public ordering beiträgt, ist das internationale Vertragsrecht. Es ist Teil des internationalen Privatrechts und bestimmt, welches Recht auf einen Vertrag Anwendung findet, der Beziehungen zu mehreren Rechtsordnungen aufweist. Seine Rechtsquellen findet es – trotz seines internationalen Regelungsgegenstandes – grundsätzlich im nationalen Recht. Allerdings hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl internationaler Regelwerke zugenommen: Von den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft wurde im Jahr 1980 zunächst das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) und im Jahr 2008 die Rom I-VO (VO 593/ 2008) verabschiedet. Letztere findet heute im Verhältnis zu den meisten Mitgliedstaaten Anwendung und hat das EVÜ insofern ersetzt. Lediglich im Verhältnis zu Dänemark ist weiterhin auf das EVÜ zurückzugreifen. Soweit der Anwendungsbereich der Verordnung reicht, schließt sie, wie schon das EVÜ, einen Rückgriff auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten aus, und zwar sowohl bei reinen Gemeinschaftssachverhalten als auch bei Sachverhalten mit Bezug zu Drittstaaten.

Außerhalb Europas sind internationale Regelwerke insbesondere in Südamerika anzutreffen. Hier ergibt sich namentlich das internationale Vertragsrecht Mexikos und Venezuelas aus der im Jahr 1994 verabschiedeten Konvention von Mexiko. Von Bolivien, Brasilien und Uruguay wurde die Konvention zumindest gezeichnet. Keine internationale Grundlage findet das internationale Vertragsrecht demgegenüber in den USA. Die einschlägigen Kollisionsnormen sind vielmehr dem Recht der einzelnen Bundesstaaten zu entnehmen. Allerdings haben sowohl das vom American Law Institute vorgelegte Restatement (Second) of Conflict of Laws (Restatements) als auch der von der National Conference of Commissioners on Uniform State Law verabschiedete Uniform Commercial Code (UCC) große Vereinheitlichungseffekte erzielt. Zwar finden beide Regelwerke keine unmittelbare Anwendung und haben auch keine Bindungswirkung. Die meisten Bundesstaaten haben die Anregungen des Restatements und des UCC allerdings aufgegriffen und die einschlägigen Regelungen umgesetzt.

a) Subjektive Anknüpfung

Die überwältigende Mehrheit aller nationalen Rechtsordnungen sowie alle internationalen Regelwerke unterstellen internationale Verträge dem Grundsatz der Parteiautonomie. Die Parteien können deshalb das auf ihren Vertrag anwendbare Recht regelmäßig frei wählen (Rechtswahl). In Europa ergibt sich dies aus Art. 3 EVÜ und Art. 3 Rom I-VO. In den USA findet sich das Bekenntnis zur Rechtswahlfreiheit in § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws sowie in § 1-105 UCC. In Südamerika räumt ihr Art. 7 der Konvention von Mexiko oberste Priorität ein und in Japan gilt sie auf der Grundlage von Art. 7 des neuen japanischen Rechtsanwendungsgesetzes. Zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas trägt die Rechtswahlfreiheit bei, weil sie den Parteien die Möglichkeit gibt, im Vorfeld einer Streitigkeit ihre Rechte und Pflichten einer einzigen Rechtsordnung zu unterstellen. Sie beseitigt damit die Unsicherheit über das anzuwendende Recht und verringert die mit der Ermittlung des anwendbaren Rechts einhergehenden Kosten. In Verbindung mit der Möglichkeit, das international zuständige Gericht zu wählen, gestattet sie den Parteien, ihre vertraglichen Beziehungen von Anfang an in einer Weise zu regeln, die der Regelung nationaler Verträge nahe kommt.

b) Objektive Anknüpfung

Welches Recht Anwendung findet, wenn die Parteien keine Vereinbarung über das anwendbare Recht treffen, ist weltweit nicht einheitlich geregelt. Die traditionellen Anknüpfungspunkte sind der Abschlussort, der Erfüllungsort und der hypothetische Parteiwille. Sie dominierten lange Zeit die Diskussion und finden auch heute noch vereinzelt Anwendung. In Europa, den USA sowie in zahlreichen anderen Ländern wurden alle drei Anknüpfungspunkte jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts durch das Prinzip der engsten Verbindung (closest connection, most significant relationship, proper law of the contract, principe de proximité) ersetzt. In Europa findet es sich seit 1980 – konkretisiert durch das Prinzip der charakteristischen Leistung – in Art. 4 EVÜ und seit 2008 in Art. 4 Rom I-VO. Allerdings ist Art. 4 Rom I-VO insofern weniger deutlich als Art. 4 EVÜ: Während Art. 4(1) EVÜ ausdrücklich anordnet, dass Verträge dem Recht des Staates unterliegen, zu dem sie die engste Verbindung haben, nimmt Art. 4 Rom I-VO lediglich in den Ausweichklauseln auf die engste Verbindung Bezug. Ursächlich für die vermeintlich untergeordnete Stellung der engsten Verbindung in Art. 4 Rom I-VO ist die im Vergleich zu Art. 4 EVÜ geänderte Struktur der Vorschrift: Während Art. 4(2) bis (4) EVÜ lediglich widerlegbar vermuten, zu welchem Staat bestimmte Verträge die engste Verbindung aufweisen, stellen Art. 4(1) und (2) Rom I-VO im Interesse größerer Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit feste Regeln für die Anknüpfung auf. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Prinzip der engsten Verbindung ist deshalb an dieser Stelle entbehrlich. Da Art. 4(3) und (4) Rom I-VO allerdings weiterhin eine abweichende Anknüpfung, und zwar an das Recht der engsten Verbindung zulassen, hat sich an der Bedeutung der engsten Verbindung als grundlegendes Anknüpfungsprinzip in der Sache nichts geändert. Dies ergibt sich auch daraus, dass die in Art. 4(1) und (2) Rom I-VO niedergelegten Regeln den Vermutungen der Art. 4(2) bis (4) EVÜ sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung im Wesentlichen entsprechen. Insbesondere ordnet Art. 4(2) Rom I-VO ebenso wie Art. 4(2) EVÜ an, dass Verträge die engste Verbindung zu dem Staat aufweisen, in dem die Partei, die die charakteristische und damit die nicht-monetäre Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz hat. Nach Art. 4(1) Rom I-VO findet deshalb wie schon nach Art. 4(2) EVÜ auf Kaufverträge das Recht des Verkäufers, auf Dienstverträge das Recht des Dienstleisters, auf Grundstücksverträge das Recht des Belegenheitsortes, auf kurzfristige Miet- und Pachtverträge im Ausland das gemeinsame Recht der Parteien, bei Franchiseverträgen das Recht des Franchisenehmers und bei Vertriebsverträgen das Recht des Vertriebshändlers Anwendung.

In den USA ergibt sich das Prinzip der engsten Verbindung aus § 188 Restatement (Second) of Conflict of Laws. Nachdem das Restatement (First) of Conflict of Laws internationale Verträge noch streng an den Abschlussort oder den Erfüllungsort angeknüpft hatte, spricht § 188 Restatement (Second) ausdrücklich davon, dass Verträge dem Recht der most significant relationship unterliegen. Ebenso wie Art. 4 EVÜ und Art. 4 Rom I-VO wird das Prinzip der engsten Verbindung in den §§ 189 bis 197 Restatement (Second) konkretisiert. Dabei verfahren die einschlägigen Bestimmungen in ähnlicher Weise wie Art. 4 EVÜ, indem sie für verschiedene Vertragsarten widerlegbar vermuten, zu welchem Recht die engste Verbindung besteht. Im Ergebnis weichen die Vermutungen dabei allerdings von den europäischen Bestimmungen zum Teil erheblich ab. Zwar werden Grundstücksverträge nach §§ 189 Restatement (Second) ebenso wie nach Art. 4(3) EVÜ und Art. 4(1) Rom I-VO grundsätzlich an den Belegenheitsort angeknüpft. Kaufverträge über bewegliche Sachen unterstehen allerdings nach § 191 dem Recht des Ortes, an den die Sache geliefert werden soll. Desgleichen findet auf Dienstleistungsverträge nach § 196 das Recht des Ortes Anwendung, an dem die Dienstleistung erbracht wird. Und für Beförderungsverträge ist nach § 197 der Ort entscheidend, an dem die Reise angetreten wurde.

Ob und inwiefern das Prinzip der engsten Verbindung zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas beiträgt, lässt sich vor diesem Hintergrund schwer sagen. Zwar sind sowohl das europäische als auch das US-amerikanische Recht aus sich heraus verständlich. Solange die Parteien aber nicht wissen, wo im Falle eines Rechtsstreits Klage erhoben wird, bleiben sie weiterhin im Unklaren darüber, welches Recht Anwendung findet. Das Prinzip der engsten Verbindung kann dementsprechend zwar größere Flexibilität für sich in Anspruch nehmen als die Anknüpfung an den Abschlussort oder den Erfüllungsort. In Ermangelung einer einheitlichen Konkretisierung geht es allerdings auf Kosten der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, die die Parteien beim Abschluss und der Abwicklung internationaler Verträge benötigen. Dies gilt erst recht, wenn es an einer Konkretisierung, wie beispielsweise im Rahmen der Konvention von Mexiko, vollständig fehlt: Art. 9(1) der Konvention bringt in Ermangelung einer Rechtswahl das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung, lässt aber offen, was dies für einzelne Vertragsarten im Einzelnen bedeutet. Stattdessen legt Art. 9(2) fest, dass der zuständige Richter, unter Berücksichtigung aller „objektiven und subjektiven Elemente des Vertrags“ das Recht der engsten Verbindung im Einzelfall zu bestimmen hat. Dass dies die Rechtsicherheit und Vorhersehbarkeit fördert, die die Parteien vor dem Hintergrund des internationalen Transaktionsdilemmas bei internationalen Verträgen benötigen, erscheint nahezu ausgeschlossen.

c) Sonderregeln

Sonderregeln zur Anknüpfung finden sich in den meisten Rechtsordnungen für internationale Verträge, bei denen eine Partei, beispielsweise als Folge von Informationsasymmetrien, besonders schutzwürdig ist. Als Vorreiter können hier namentlich Art. 5 und 6 EVÜ sowie Art. 6 und 8 Rom I-VO gelten. Sie schränken das Recht der Parteien zur Wahl des anwendbaren Rechts bei Verbraucherverträgen und Arbeitsverträgen ein und bringen das Recht der als schwächer empfundenen Partei zur Anwendung (Verbraucherverträge (IPR und IZPR); Arbeitsrecht, internationales). Art. 5 und 7 Rom I-VO schränken die Rechtswahlfreiheit darüber hinaus bei Beförderungsverträgen und Versicherungsverträgen ein (Versicherungsvertragsrecht, internationales). In den USA werden ähnliche Ergebnisse über die allgemeine und sehr flexible fundamental public policy doctrine erzielt (Rechtswahl).

3. Vereinheitlichtes und angeglichenes Vertragsrecht

Neben dem internationalen Vertragsrecht, das internationale Verträge einer der vielen nebeneinander bestehenden Rechtsordnungen zuweist, sind Rechtsvereinheitlichung und Rechtsangleichung die wichtigsten Strategien, die auf der Ebene des public ordering zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas beitragen. Beide zielen darauf ab, internationale Verträge einem einheitlichen Regime zu unterstellen. Da sie sich darum bemühen, das Nebeneinander inhaltlich unterschiedlich ausgestalteter Rechtsordnungen abzuschaffen, beseitigen sie, zumindest dem Grunde nach, die institutionelle Diskontinuität und die aus ihr folgende Unsicherheit, die ausschlaggebend für das internationale Transaktionsdilemma ist.

Am weitesten geht auf diesem Weg die vollständige Vereinheitlichung des materiellen Vertragsrechts. Sie bemüht sich um die Schaffung global oder regional einheitlicher Regeln, und zwar entweder in der Form von echtem oder unechtem Einheitsrecht. Das echte Einheitsrecht enthält einheitliche materiellrechtliche Regelungen für internationale und nationale Verträge. Es wird auf europäischer Ebene durch Verordnungen und auf internationaler Ebene durch völkerrechtliche Verträge geschaffen. Da es die Unterschiede zwischen nationalen Rechtsordnungen vollständig beseitigt, bekämpft es das Problem internationaler Verträge an seiner Wurzel. Ähnlich liegt der Fall beim unechten Einheitsrecht. Dieses findet zwar anders als das echte internationale Einheitsrecht lediglich auf internationale Verträge Anwendung und überlässt die Regelung nationaler Verträge weiterhin dem nationalen Recht. Für die Verträge, die zum Opfer des internationalen Transaktionsdilemmas werden können, beseitigt es allerdings das Nebeneinander inhaltlich unterschiedlich ausgestalteter Rechtsordnungen. Prominentestes Beispiel für einheitliches Vertragsrecht in diesem Sinne ist das UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf, das nach Art. 1(1) nur auf internationale Kaufverträge Anwendung findet (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)).

Neben der Schaffung internationalen Einheitsrechts, das der vollständigen Gleichschaltung der beteiligten Vertragsrechte dient, kann das internationale Transaktionsdilemma auch durch die bloße Angleichung nationalen Vertragsrechts bekämpft werden. Anders als die Vereinheitlichung des Vertragsrechts dient die Angleichung nicht der vollständigen Beseitigung von Unterschieden zwischen den einschlägigen nationalen Bestimmungen, sondern lediglich ihrer Annäherung. Die entsprechenden Rechtsakte, namentlich die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft treten deshalb nicht an die Stelle des nationalen Rechts, sondern machen lediglich bestimmte Vorgaben für seine Ausgestaltung. Da die einzelnen Vertragsrechte bestehen bleiben, kann die Rechtsangleichung – anders als die Rechtsvereinheitlichung – das internationale Transaktionsdilemma allerdings nicht vollständig überwinden, sondern lediglich abmildern.

4. Privatisiertes Vertragsrecht

Neben den verschiedenen Formen des public ordering tragen in der Praxis verschiedene Strategien des private ordering zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas bei (Private Rechtsetzung). Die wichtigsten privatautonomen Regelungsmechanismen, die als privatisiertes Vertragsrecht, selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft, autonomes Recht des Welthandels oder schlicht Lex Mercatoria, bezeichnet werden können, sind spezifische, auf die Bedürfnisse internationaler Verträge zugeschnittene Handlungsstrategien. Sie tragen zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas bei, indem sie Anreize zur Einhaltung vertraglicher Versprechen setzen. Sie tun dies auf zwei verschiedene Weisen: Zum einen erhöhen sie den im Falle nicht ordnungsgemäßen Verhaltens kurzfristig oder unmittelbar zu erwartenden Verlust, zum anderen steigern sie den langfristig oder mittelbar zu erwartenden Verlust. Für beide Formen finden sich in der Praxis zahllose Beispiele. Im Hinblick auf die Erhöhung des kurzfristig oder unmittelbar zu erwartenden Verlustes kann insbesondere auf die Bereitstellung von Sicherheiten in Form von Bankgarantien (Garantie) auf erstes Anfordern verwiesen werden. Mit ihnen verspricht eine Bank, für die Forderungen gegen eine Partei unabhängig von dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis und ohne Prüfung der Berechtigung auf erstes Anfordern einzustehen. Sie garantiert dem Sicherungsnehmer folglich, den Sicherungsgeber so zu stellen wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Sicherungsnehmer stünde. Im Hinblick auf die Erhöhung des langfristig zu erwartende Verlustes lässt sich als Beispiel der allgemein zu beobachtende Trend zum Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen sowie die Einschaltung von Informationsdiensten nennen. Im ersten Fall werden anonyme Markttransaktionen durch gefestigte Rechtsbeziehungen mit einem Geschäftspartner ersetzt. Mangelnde Kooperation kann hier mit dem Abbruch der gesamten Geschäftsbeziehung geahndet werden und damit den Verlust vorteilhafter Geschäfte in der Zukunft mit sich bringen. Im zweiten Fall werden Informationen über früheres Verhalten der Parteien zugänglich gemacht. In der Praxis übernehmen Industrie- und Handelskammern, Außenhandelskammern, Auslandsvereine, Auskunfteien und Rating-Agenturen die Sammlung und Verbreitung von relevanten Informationen. In jüngster Zeit haben darüber hinaus Institutionen an Bedeutung gewonnen, die Erfahrungen einzelner Verbraucher mit bestimmten Händlern anderen Verbrauchern und zukünftigen Vertragspartnern im Internet zur Verfügung stellen.

Neben den spezifischen Handlungsstrategien stellt sich die Standardisierung von Verträgen als privatautonomer Mechanismus zur Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas dar. Sie bekämpft das Problem internationaler Verträge, ebenso wie die Vereinheitlichung oder Angleichung des Vertragsrechts, an seiner Wurzel, indem sie internationale Verträge speziellen Regelungen unterwirft, die sich bewusst vom nationalen Vertragsrecht distanzieren. Ähnlich wie für die oben beschriebenen Handlungsstrategien finden sich für diese Art der Überwindung des internationalen Transaktionsdilemmas in der Praxis zahllose Beispiele. Genannt seien hier zum einen die von Branchenorganisationen zur Verfügung gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Standard- und Modellverträge, die auf der Grundlage jahrelanger Praxis entwickelt werden. Verwiesen sei zum anderen auf die von internationalen Einrichtungen oder Gremien verabschiedeten Regelwerke, von denen insbesondere die Incoterms der Internationalen Handelskammer weltweite Bedeutung erlangt haben. In jüngster Zeit haben sich darüber hinaus für den Bereich der elektronischen Verbraucherverträge vermittelt durch Institutionen wie ICANN, aber auch durch große Internet-Unternehmen wie Ebay und Amazon, international einheitliche Regelwerke entwickelt, die als Standardisierung des internationalen Verbrauchervertragsrechts einzuordnen sind. In Verbindung mit den oben beschriebenen spezifischen Handlungsstrategien führt die Standardisierung von Verträgen in der Praxis häufig dazu, dass das internationale Transaktionsdilemma ohne Rückgriff auf das internationale Vertragsrecht überwunden wird.

Literatur

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Abgerufen von Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR) – HWB-EuP 2009 am 06. Oktober 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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