Gebrauchsmuster und Gefahrübergang: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Joseph Straus]]''
von ''[[Florian Faust]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==


Nach § 1 Abs. 1 des deutschen Gebrauchsmustergesetzes (GebrMG) werden als Gebrauchsmuster ''Erfindungen'' geschützt, die ''neu'' sind, auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruhen und ''gewerblich anwendbar'' sind. Damit wird der Eindruck erweckt, als solle mit dem Begriff „Gebrauchsmuster“ der Gegenstand des Schutzes bezeichnet werden, während in der Tat Erfindungen, welche die genannten Schutzvoraussetzungen erfüllen, den Gegenstand des Schutzrechts „Gebrauchsmuster“ darstellen. Wie Patente ([[Patentrecht]]) so bilden auch Gebrauchsmuster einen Gegenstand des Schutzes des gewerblichen Eigentums i.S.v. Art. 1(1) der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) und Art. 36 EG/‌42 AEUV. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters in einem Verbandsland der PVÜ begründet ein zwölfmonatiges Prioritätsrecht für Nachanmeldungen in anderen Verbandsländern (Art. 4A und 4C PVÜ). Im Übrigen sichert die PVÜ in Bezug auf Gebrauchsmuster lediglich die Inländerbehandlung (Art. 2(1) PVÜ), aber keine Mindestrechte, die über das Prioritätsrecht hinausgehen. Im Internationalen Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS; [[Geistiges Eigentum (allgemein)|Geistiges Eigentum]]) sucht man nach den Begriffen „Gebrauchsmuster“, „utility model“, „certificat d’utilité“, „modello de utilitad“ gar vergeblich.  
Die Frage des Gefahrübergangs stellt sich im Rahmen des Leistungsstörungsrechts. Sie ist ein Unteraspekt des allgemeinen Problems der Gefahrtragung. Es geht dabei um die Gefahr des Eintritts von Umständen, die eine Leistung erschweren oder unmöglich machen.


Historisch betrachtet wurde Gebrauchsmusterschutz in Deutschland als Ergänzung des Geschmacksmuster- und des Patentschutzes eingeführt. Einerseits verweigerte das Reichsoberhandelsgericht (3.9.1878, ROHGE 24, 109) Mustern und Modellen, die keinem „ästhetischen“, sondern einem Gebrauchszweck dienen sollten, einen Schutz nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.1.1876. Andererseits war für Muster und Modelle mit Gebrauchszweck der Patentschutz nach dem Gesetz vom 25.5.1877 mit der darin verankerten Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen zu kostspielig. Darüber hinaus wurde früh erkannt, dass viele Gebrauchsmuster und Modelle die über die Neuheit hinausgehenden Voraussetzungen des Patentschutzes kaum würden erfüllen können.
Sachlogisch kann man zwischen Leistungsgefahr und Gegenleistungs- oder Preisgefahr unterscheiden. Der mitunter verwendete Begriff der Sachgefahr entstammt dagegen nicht dem Leistungsstörungsrecht; er bezeichnet das allgemeine Risiko des Verlusts oder der Beschädigung einer Sache, das nach dem Satz ''casum sentit dominus'' normalerweise der Eigentümer trägt.


Um dem Bedürfnis von kleinen und mittleren Gewerbetreibenden nach einem preiswerten und einfach zu erlangenden Schutz für weniger bedeutende Neuerungen mit Gebrauchszweck gerecht zu werden, verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 1.6.1891 das ''Gebrauchsmustergesetz'', das am 1.10.1891 in Kraft trat. Es führte einen Schutz ein für „Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Teilen derselben, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen“ (§ 1 Abs. 1). Der Schutz, der durch ordnungsgemäße Eintragung beim Patentamt allein, d.h. ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen, begründet wurde, war auf höchstens sechs Jahre, ab Anmeldung gerechnet, begrenzt. Auch wenn das Gesetz den Schutz von Gebrauchsmustern in die Nähe des Patentschutzes rückte und sich in der Praxis als Gegenstand des Schutzes die Erfindung im Sinne einer technischen Lehre durchsetzte, setzte der Schutz eine „Raumform“, d.h. eine „neue körperliche Formgestaltung“ voraus und war ''auf Verfahren'' ''nicht anwendbar''. Das Erfordernis der „Raumform“ wurde erst 1990 durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) gestrichen (BGH 17.2. 2004, BGHZ 158, 142). Obwohl im Gesetz nur von einer „neuen körperlichen Formgestaltung“ die Rede war, bildete sich bald die Auffassung heraus, dass die Neuheit allein als Schutzvoraussetzung nicht ausreiche, sondern dazu zusätzlich noch etwas Fortschrittlich-Neues hinzukommen müsse, ohne bereits erfinderisch zu sein.
=== a) Leistungsgefahr===


==2. Verhältnis zum Patentschutz ==
Bei der Leistungsgefahr geht es um die Frage, ob der Schuldner eine Leistung trotz bestehender oder eintretender Hindernisse erbringen muss. Aus Sicht des Schuldners bezeichnet die Leistungsgefahr daher das Risiko, seine Leistungsanstrengungen aufgrund von Leistungshindernissen intensivieren zu müssen. Aus Sicht des Gläubigers ist die Leistungsgefahr das Risiko, die Leistung des Schuldners infolge von Leistungshindernissen nicht oder nicht ordnungsgemäß zu erhalten. Die Leistungsgefahr ist bei allen Arten von Verbindlichkeiten von Belang, z.B. auch bei Vermächtnissen. Unmittelbar relevant werden kann sie nur, soweit die betreffende Rechtsordnung überhaupt [[Erfüllungsanspruch|Erfüllungsansprüche]] vorsieht. Ist dies – wie normalerweise im ''[[common law]]'' – nicht der Fall, kann sich die Leistungsgefahr nur mittelbar auswirken, nämlich als Vorfrage für Sekundärrechtsbehelfe, insbesondere Schadensersatzansprüche ([[Schadensersatz]]): Ob der Schuldner die Leistungsgefahr trug und deshalb ein Leistungshindernis hätte überwinden müssen, entscheidet dann darüber, ob er sich durch die Nichtleistung schadensersatzpflichtig gemacht hat.


In seiner jetzigen, seit dem 1.1.1987 geltenden Fassung weist der deutsche Gebrauchsmusterschutz viele Gemeinsamkeiten mit dem Patentschutz auf. Er hat ''Erfindungen'', d.h. technische Lehren zum Gegenstand, ist ein ''zeitlich'' und ''räumlich'' begrenztes ''ausschließliches'' Recht, das dem ''Erstanmelder'' den Vorrang einräumt und ''Sperrwirkung'' entfaltet. Auch das Gebrauchsmuster wirkt also gegenüber Dritten, die die Erfindung selbständig und unabhängig zu Wege gebracht haben, diese aber entweder nicht oder erst später zum Patent oder Gebrauchsmuster beim Patent- und Markenamt angemeldet haben. Ein und dieselbe Erfindung kann, da die ''Kumulierung'' des Schutzes erlaubt ist, sowohl mit einem Patent als auch mit einem Gebrauchsmuster geschützt werden, wobei das jeweilige Recht entweder aufgrund unabhängig voneinander eingereichter Anmeldungen oder aufgrund einer sog. ''Abzweigung'', d.h. einer mit der Gebrauchsmusteranmeldung einzureichenden Erklärung, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird (§ 5 GbrMG), entstehen kann. Trotz dieser Gemeinsamkeiten besteht aber zwischen den beiden Schutzrechten eine Reihe von bedeutenden Unterschieden.
Zu beachten ist, dass es „die“ Leistungsgefahr nicht gibt, sondern dass hinsichtlich der jeweiligen Leistungsstörung zu differenzieren ist und die verschiedenen Leistungsgefahren unterschiedlich zugewiesen sein können. So trägt das Risiko einer unbehebbaren Verschlechterung des einzigen erfüllungstauglichen Stücks zwangsläufig der Gläubiger, weil er im Fall einer solchen Verschlechterung keine mangelfreie Leistung erhält. Das Risiko einer behebbaren Verschlechterung kann dagegen sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner tragen, je nachdem, ob der Schuldner zur Beseitigung der Verschlechterung verpflichtet ist oder nicht. Das Risiko des Untergangs aller (nach dem ursprünglichen Inhalt der Verbindlichkeit) erfüllungstauglichen Stücke trägt zwangsläufig der Gläubiger, während das Risiko des Untergangs einzelner solcher Stücke entweder dem Schuldner oder dem Gläubiger zugewiesen sein kann. Der Vorgang, durch den das Risiko des Untergangs und der unbehebbaren Verschlechterung einzelner erfüllungstauglicher Stücke vom Schuldner auf den Gläubiger übergeht, wird im deutschen Recht Konkretisierung (seltener Konzentration) genannt. Plastisch umschrieben wird dies in der Rechtsfolge von § 243 Abs. 2 BGB: „… so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf diese Sache.“ Die Beschränkung des Schuldverhältnisses auf die betreffenden Stücke führt dazu, dass der Gläubiger die Leistungsgefahr hinsichtlich des Untergangs und der unbehebbaren Verschlechterung dieser Stücke trägt, während es zuvor der Schuldner war, weil er gegebenenfalls mit anderen Stücken erfüllen musste.


Was den ''geschützten Gegenstand'' betrifft, so sind vom Gebrauchsmusterschutz zusätzlich zu den vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenständen und Erfindungen auch ''biotechnologische Erfindungen'' ausgeschlossen, d.h. Erzeugnisse, die aus biologischem Material bestehen oder dieses enthalten (§ 1 Abs. 2 PatG), und ''Verfahren'' ganz generell (§§ 1, 2 GebrMG).
Die Leistungsgefahr kann unabhängig davon relevant sein, ob der Schuldner die Leistungsstörung – nach welchen Kriterien auch immer – zu vertreten hat. So trägt der Gläubiger die Leistungsgefahr in Bezug auf nicht überwindbare Leistungsstörungen zwangsläufig auch dann, wenn der Schuldner diese zu vertreten hat. Aber auch für vom Schuldner zu vertretende überwindbare Leistungsstörungen kann die Leistungsgefahr dem Gläubiger auferlegt werden, etwa wenn sich der Schuldner auf die Konkretisierung berufen kann, obwohl er den Untergang der betreffenden Sache zu vertreten hat. Die Interessen des Gläubigers können dann durch einen Ausgleich auf der Ebene der Sekundärrechte – insbesondere durch einen Schadensersatzanspruch – gewahrt werden.


Der Stand der Technik, der die Neuheit eines Gebrauchsmusters als Schutzvoraussetzung bestimmt, unterscheidet sich von dem für das Patent relevanten Stand zum einen dadurch, dass mündliche Offenbarungen und die Benutzung außerhalb des Geltungsbereichs nicht zählen; ebenso wenig zählt (zum anderen) die innerhalb von sechs Monaten vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzung, die auf der Ausarbeitung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht; dementsprechend ist bei Anmeldungen, die eine Unionspriorität in Anspruch nehmen, der Prioritätstag maßgeblich (''Neuheitsschonfrist''<nowiki>; §&nbsp;3 Abs.&nbsp;1 GebrMG).</nowiki>
===b)&nbsp;Gegenleistungs- oder Preisgefahr===


Wie eingangs ausgeführt, fordert §&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 GebrMG neben der ''Neuheit'' als Schutzvoraussetzung, dass die Erfindung ''gewerblich anwendbar'' ist und auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruht. Während aber §&nbsp;3 Abs.&nbsp;2 GebrMG wie §&nbsp;5 PatG Erfindungen als gewerblich anwendbar definieren, wenn sie auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden können, lässt es das GebrMG, anders als §&nbsp;4 PatG für das Patent, offen, wann eine Erfindung auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruht. Seit der Einführung des Gebrauchsmusterschutzes im Jahre 1891 sind Rechtsprechung und Literatur, mit wenigen Ausnahmen, allgemein davon ausgegangen, dass für die Gewährung des Gebrauchsmusterschutzes ein gegenüber einem Patent geringeres Maß an Erfindungshöhe ausreiche (RG 25.1.1908, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1908, 188, 189). Der Gesetzgeber brachte dies in der Neufassung des Gebrauchsmustergesetzes von 1986 durch die differenzierte Formulierung „''erfinderischer Schritt''“ anstatt „''erfinderische Tätigkeit''“ auch explizit zum Ausdruck. Die Voraussetzung einer geringeren Erfindungshöhe sollte es insbesondere kleineren und mittleren Gewerbetreibenden ermöglichen, einen kostengünstigen und einfach zu erreichenden, wenn auch kürzeren Schutz für geringere Erfindungen zu erlangen, sie dadurch zu innovativem Verhalten anspornen und die dazu notwendigen Investitionen absichern. Das Bundespatentgericht hat z.B. das Vorliegen eines erfinderischen Schritts bejaht, wenn der Fachmann die Erfindung nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei Berücksichtigung des Standes der Technik ohne Weiteres finden kann (BPatG 13.2.2003, GRUR 2004, 852) oder wenn die Lösung für den Fachmann zwar nahelag, er sich aber eingehend mit den technischen Gegebenheiten auseinandersetzen musste, um sie aufzufinden (BPatG 2.8.2000, Mitt. 2002, 46).
Die Gegenleistungs- oder Preisgefahr entscheidet über das Schicksal der Gegenleistung für die Leistung, die von einem Leistungshindernis betroffen wird. Sie ist daher nur relevant, wenn es eine solche Gegenleistung gibt, nicht also z.B. bei unentgeltlichen Leistungen. Aus Sicht des Schuldners bezeichnet die Preisgefahr das Risiko, die Gegenleistung für seine eigene Leistung nicht oder nicht vollständig zu erhalten, weil bei der eigenen Leistung Probleme auftreten. Aus Sicht des Gläubigers ist die Preisgefahr das Risiko, seine eigene Leistung (vollständig) erbringen zu müssen, ohne die Gegenleistung ordnungsgemäß zu erhalten. Der Gläubiger kann die Preisgefahr nur in Bezug auf solche Umstände tragen, für die er auch die Leistungsgefahr trägt, da die Preisgefahr nur relevant wird, wenn die Leistung des Schuldners nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht werden muss.


Diesem Grundverständnis des Gebrauchsmusterschutzes hat der Bundesgerichtshof 2006 ein Ende bereitet, in dem er in einem amtlichen Leitsatz feststellte:
Die Preisgefahr kann nur bezogen auf spezifische Güter übergehen, die eindeutig dem Vertrag zugeordnet sind (Art.&nbsp;67(2), 69(3) CISG; Art.&nbsp;16, 20 ''Sale of Goods Act 1979''<nowiki>; Art.&nbsp;1585&nbsp;f. frz. </nowiki>''Code civil'', Art.&nbsp;5:102(2) PEL&nbsp;S). Das ist von Bedeutung, wenn die Gefahr unabhängig von der Übergabe übergeht.


„Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in §&nbsp;3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einen erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten.“ (BGH 20.6.2006, BGHZ 168, 142).
Im Gegensatz zur Leistungsgefahr ist die Gegenleistungsgefahr typischerweise nur bei nicht vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen einschlägig; hat der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, wird der Gläubiger nämlich zumindest von der Gegenleistungspflicht ganz oder teilweise frei.


Zur Begründung dieses Paradigmenwechsels führt der BGH u.a. an: Das Kriterium des erfinderischen Schritts sei, wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht, ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives, daher gebe es hier wie dort kein „Maß“ für die erfinderische Leistung; die Wertungskriterien unterschieden sich nur marginal; wolle man die Ausschließlichkeit im Gebrauchsmusterrecht an eine „geringere“ erfinderische Leistung knüpfen als im Patentrecht, liefe das Gebrauchsmusterrecht Gefahr, zum Auffangbecken für nach dem Patentrecht gerade nicht Schutzfähiges zu werden. Gegen die unterschiedliche Bewertung einer erfinderischen Leistung spreche darüber hinaus, dass die Schutzwirkungen des Patents nach §§&nbsp;9, 10 PatG und des Gebrauchsmusters nach §&nbsp;11, 12a GebrMG jedenfalls im Wesentlichen die gleichen seien (BGH 20.6.2006, GRUR 2006, 845).
Auch im Hinblick auf die Freiheit von Sachmängeln ist sinnvollerweise auf den Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr abzustellen, da das Risiko der Verschlechterung vorher dem Schuldner und nachher dem Gläubiger zur Last fallen soll (z.B. Art.&nbsp;36(1) CISG, Art.&nbsp;25 Entwurf der Verbraucherrechte-RL, §&nbsp;434 BGB, Art.&nbsp;2:208 (1) PEL&nbsp;S, Art.&nbsp;IV.A.-2:308(1) Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]]).


Nach dieser Entscheidung des BGH sind für das deutsche Recht zwei grundsätzliche Überlegungen anzustellen: Rechtfertigen ein gegenüber dem [[Patentrecht]] etwas enger definierter Schutzgegenstand und der für die Bestimmung der Neuheit und des erfinderischen Schritts = erfinderischen Tätigkeit etwas enger definierte Stand der Technik einen zusätzlich zum Patentschutz bestehenden Schutz von Erfindungen? Und, ist ein solcher, ''parallel zum Patentschutz'' zu erlangender Schutz von Erfindungen, der ''ohne sachliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen'' durch das Patent- und Markenamt allein aufgrund des Eintrags in die Gebrauchsmusterrolle zu einem sofort durchsetzbaren ausschließlichen Verbietungsrecht führt, während diese Wirkung beim Patent erst nach durchgeführter Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen und Erteilung des Patents eintritt, trotz seiner kürzeren Laufzeit, noch haltbar?
== 2.&nbsp;Tendenzen der Rechtsentwicklung ==


== 3. Internationale und europäische Entwicklungen ==
Im Zentrum der gesetzlichen Normen steht der Übergang der Preisgefahr; so wurde im [[römisches Recht|römischen Recht]] unter ''periculum'' nur die Preisgefahr verstanden. In Bezug auf die Leistungsgefahr werden zwar die Grenzen der Einstandspflicht des Schuldners geregelt, aber es wird nur selten angeordnet, dass sich diese Einstandspflicht verringert, d.h. die Leistungsgefahr (teilweise) auf den Gläubiger übergeht. Wichtiges Beispiel sind §§&nbsp;243 Abs.&nbsp;2, 300 Abs.&nbsp;2 BGB, die die Konkretisierung von Gattungsschulden betreffen. Allerdings kann aus den Regeln über die Preisgefahr häufig auf die Leistungsgefahr geschlossen werden, da der Gläubiger spätestens von dem Zeitpunkt an, ab dem er die Preisgefahr trägt, auch die Leistungsgefahr tragen muss, weil die Preisgefahr nur Wirkung entfalten kann, wenn der Schuldner nicht mehr leisten muss.


Das deutsche Gebrauchsmustergesetz von 1891 war Vorreiter dieser besonderen Schutzform für Erfindungen. Inzwischen hat der Schutz von Gebrauchsmustern weite Verbreitung gefunden, auch wenn sich die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf den Schutzgegenstand (z.B. das Raumformerfordernis), die Schutzvoraussetzungen, die Schutzdauer und die Prüfung der Schutzvoraussetzungen unterscheiden. Die Entwicklung zeigt allerdings in die Richtung, dass an die Gebrauchsmusterschutzfähigkeit von Erfindungen geringere Anforderungen in Bezug auf die Neuheit (z.B. lediglich lokale Neuheit) und die „erfinderische“ Leistung gestellt werden als bei Patenten, dass die Schutzdauer tendenziell länger wird (bis zu 10&nbsp;Jahre) und der Schutz in aller Regel nach erfolgter Überprüfung der Formerfordernisse, aber ohne sachliche Überprüfung der Schutzvoraussetzungen durch Eintrag in das Register zu Stande kommt. Die Schutzvoraussetzungen werden erst im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen, z.B. in Verletzungsstreitigkeiten, oder aber auf Antrag in getrennten Löschungsverfahren geprüft. In manchen Rechtsordnungen setzt die Geltendmachung des Schutzes allerdings eine Amtsprüfung voraus. Empirische Daten zeigen, dass Gebrauchsmusterschutz ganz überwiegend von Inländern und relativ selten von ausländischen Anmeldern in Anspruch genommen wird. Unter den Mitgliedstaaten der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]] verfügen lediglich Lettland, Litauen, Luxemburg, Rumänien und Schweden sowie das Vereinigte Königreich über keinen Gebrauchsmusterschutz. Außerhalb der Gemeinschaft sind das in Europa Island, Norwegen und die Schweiz. Besondere gesetzliche Regelungen sind vorhanden in Bulgarien (1993), Dänemark (1992), Estland (1994, 2002), Finnland (1995), Griechenland (1987), Italien (1940), Österreich (1994, 1998), Polen (1972, 1984), Portugal (1995), in der Slowakei (1992), in Spanien (1986), der Tschechischen Republik (1992) und Ungarn (1991). In Frankreich gibt es den Schutz in Form von Gebrauchsmusterzertifikaten – ''certificat d’utilité'' (Buch&nbsp;VI des ''Code de la Proprieté Intellectuelle'' 1992) und in Belgien (1984), Irland (1992), den Niederlanden (1995) sowie Slowenien (1992, 1993) Patente mit kurzer Laufzeit. Außerhalb Europas seien als Länder mit besonderem Gebrauchsmusterschutz lediglich genannt: Australien mit ''innovation patents'' (2001), Brasilien (1996), VR China (1984, 1992), Japan (1905, 1959, 1994), Republik Korea (1908, 1961, 1998) und Mexiko (1991).
Nach der berühmten Regel aus Inst.&nbsp;III,23,3 galt: „emptione perfecta periculum est emptoris“; die Preisgefahr ging also schon mit Abschluss des Kaufvertrags – unabhängig vom Verbleib der Kaufsache – auf den Käufer über, sofern die Sache dem Vertrag eindeutig zugeordnet war. Der Anwendungsbereich der Regel war allerdings ursprünglich wohl deshalb beschränkt, weil der Verkäufer zwischen Vertragsschluss und Übergabe der strengen ''custodia''-Haftung unterlag; auf die Gefahrtragung kam es dann nur im Fall höherer Gewalt an. In den modernen Regelwerken hat die römische Regel wenig Gefolgschaft gefunden; sie findet sich insbesondere noch in Art.&nbsp;185 OR. Etliche nationale Rechte lassen die Gefahr gleichzeitig mit dem Eigentum übergehen (z.B. Art.&nbsp;1138 Abs.&nbsp;2 frz. ''Code civil'', sec. 20 Abs.&nbsp;1 ''Sale of Goods Act 1979''); der Preisgefahr kommt dann keine eigenständige Bedeutung zu. Sofern das Eigentum mit Abschluss des Kaufvertrags übergeht (Art.&nbsp;1583 frz. ''Code civil''), führt das zum selben Ergebnis wie ''periculum est emptoris''. Die Tendenz geht – gerade im [[Einheitsrecht]] und den internationalen Modellregeln – dahin, diejenige Partei die Gefahr tragen zu lassen, in deren Herrschaftsbereich sich die Ware befindet. Denn diese Partei kann die Güter am besten vor Schaden schützen und auch am besten versichern (Art.&nbsp;69(1) CISG, §&nbsp;446 S.&nbsp;1 BGB, §§&nbsp;1049, 1064 ABGB). Muss der Schuldner dem Gläubiger die Ware zusenden, wird ein Übergang der Preisgefahr teilweise schon mit Auslieferung der Ware an den Beförderer angeordnet (Art.&nbsp;67 CISG, §&nbsp;447 Abs.&nbsp;1 BGB). Schließlich sehen viele Rechtsordnungen einen Übergang der Preisgefahr auf den Gläubiger vor, wenn dieser seiner Pflicht oder Obliegenheit zur Abnahme der Ware nicht nachkommt (§§&nbsp;326 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;1 Alt.&nbsp;2, 446 S.&nbsp;3 BGB, Art.&nbsp;20 Abs.&nbsp;2 ''Sale of Goods Act 1979'').


Im Jahre 1995 hat sich auch die [[Europäische Kommission]] des Gebrauchsmusterschutzes angenommen. Im Grünbuch über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt (KOM (95) 370 endg.), das als Grundlage für umfangreiche Konsultationen in Bezug auf die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes auf europäischer Ebene dienen sollte, stellte die Kommission fest, dass folgende Gründe für diese Schutzform streiten: schnelle und einfache Eintragung, weniger stringente Schutzvoraussetzungen als für Patente, niedrigere Kosten und einstweiliger Schutz bereits während der Patenterteilungsverfahren. Darüber hinaus wurde in dem Grünbuch festgehalten, dass von den damaligen Mitgliedern der Gemeinschaft lediglich Luxemburg, Schweden und das Vereinigte Königreich keinen Gebrauchsmusterschutz vorsehen und dass die Regelungen in den anderen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Kommission stellte jedoch fest, dass alle nationalen Regelungen technische Erfindungen schützen und dieses System daher die Funktion eines „zusätzlichen Schutzes für technische Erfindungen“ erfülle, ferner, dass alle Regelungen die Registrierung (Eintragung) des Musters ohne vorherige Prüfung der Neuheit und Erfindungshöhe vorsehen, was die Erlangung des Schutzes schnell und preiswert mache. In Bezug auf die bestehenden Unterschiede identifizierte das Grünbuch drei Gruppen von Regelungen: Die erste misst die erfinderische Tätigkeit und (absolute) Neuheit im (den Patentschutz ergänzenden) Gebrauchsmusterschutz an denselben Kriterien wie im Patentrecht; die Raumform ist keine Voraussetzung für den Schutz (Belgien, Frankreich und die Niederlande); die zweite stellt an die Erfindungshöhe geringere Anforderungen als beim Patent, doch wird die Verwirklichung der Erfindung in dreidimensionaler Form gefordert (Griechenland, Finnland, Italien, Portugal und Spanien); die dritte Gruppe fordert ebenfalls eine geringere Erfindungshöhe, misst jedoch der dreidimensionalen Form entweder eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung für die Schutzfähigkeit zu (Dänemark, Irland und Österreich). Zu dieser Gruppe zählte die Kommission auch Deutschland, mit der zusätzlichen Besonderheit einer relativen Neuheit als Schutzvoraussetzung.
Bei [[Verbraucherverträge (IPR und IZPR)|Verbraucherverträgen]] gelten teilweise spezielle Regeln, mit der Tendenz, dass die Gefahr erst mit der Übergabe oder eventuell der Nicht-Abnahme auf den Käufer übergeht (§&nbsp;474 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;2 BGB, Art.&nbsp;20 Abs.&nbsp;4 ''Sale of Goods Act 1979'', Art.&nbsp;5:103 PEL&nbsp;S).


Das Grünbuch stellte ferner fest, dass der Gebrauchsmusterschutz insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sei und dass es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen gebe. Als Hauptnutzer des Gebrauchsmustersystems wurden Maschinenbau, Elektroindustrie, Hersteller von Präzisionsinstrumenten, Optik, Spielzeugindustrie und Automobilindustrie identifiziert.
== 3.&nbsp;Internationales Einheitsrecht und internationale Modellregeln ==


Das Grünbuch kommt zu dem Ergebnis, dass die [[Europäische Gemeinschaft]] die Pflicht habe, Schritte zu unternehmen, diese für den Binnenmarkt nachteilige Situation zu beseitigen und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Die Entwicklung der innovativen Tätigkeit in der [[Europäische Union|Europäischen Union]], die durch einen Trend zu geringerer Erfindungshöhe, größerer Sensibilität für Kosten, kürzere Produkt- und Vermarktungszyklen sowie eine kürzere Lebensdauer von Erfindungen gekennzeichnet sei, habe erhöhten Bedarf an einer Schutzform zur Folge, die einfachen und preiswerten Schutz für technische Erfindungen im gemeinsamen Markt biete. Zu den Optionen für eine etwaige Initiative der Gemeinschaft zählten die Annäherung der nationalen Schutzsysteme und die Schaffung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters.  
<nowiki>Die Regelwerke des Einheitsrechts und die internationalen Modellregeln enthalten Vorschriften über die Grenzen des Erfüllungsanspruchs (Art.&nbsp;79 CISG, Art.&nbsp;3(3) Verbrauchsgüterkauf-RL [RL 1999/‌44]), Art.&nbsp;26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL [KOM(2008) 614 endg.], Art.&nbsp;7.2.2 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;9:102 PECL, Art.&nbsp;4:202(1) PEL&nbsp;S, Art.&nbsp;III.-3:302 DCFR) und verteilen dadurch die Leistungsgefahr. Regeln zum Übergang der Leistungsgefahr – d.h. Regeln, nach denen sich die vom Schuldner verlangten Leistungsanstrengungen ab einem bestimmten Zeitpunkt vermindern – finden sich für Kaufverträge</nowiki> ([[Kauf]]) nicht. In ''Comment&nbsp;C'' zu Art.&nbsp;5:101 PEL&nbsp;S wird jedoch festgestellt, dass (spätestens) ab dem Übergang der Preisgefahr der Verkäufer Leistungshindernisse nicht überwinden muss; das ergibt sich im übrigen schon aus dem Grundsatz, dass die Preisgefahr nicht vor der Leistungsgefahr übergehen kann.


Am 12.12.1997 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster (KOM (97) 0691), zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 27.5.1998 Stellung genommen und das Parlament am 12.3.1999 eine legislative Entschließung verabschiedet hat. Am 28.6.1999 hat die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag vorgelegt (KOM(1999) 309 endg.). In den Erwägungsgründen dieses Vorschlages ist nachzulesen, dass es vor allem wichtig sei, kleine und mittlere Unternehmen in die Lage zu versetzen, innovativ zu sein und schnell auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Besonders kleine und mittlere Betriebe sowie Forscher müssten sich daher eines Instruments bedienen können, das kostengünstig sei und sich leicht und schnell überprüfen lasse. Gemessen an diesen Kriterien scheine der Gebrauchsmusterschutz gegenüber dem Patentschutz vor allem für technische Erfindungen mit einer spezifischen Erfindungshöhe die bessere Lösung zu sein. Was den schutzfähigen Gegenstand angeht, so sah der Vorschlag den Schutz ''sowohl für'' ''Erzeugnisse als auch für Verfahren'' vor, schloss aber vom Schutz, über die im Patentrecht vorgesehenen Ausschlüsse hinaus, auch ''Erfindungen betreffend biologisches Material und generell Erfindungen betreffend chemische oder pharmazeutische Stoffe und Verfahren sowie Erfindungen betreffend Computerprogramme'' aus (Art.&nbsp;4(b), (c), (d)). Die Schutzvoraussetzungen stimmten mit denen des Patentrechts bis auf die der erfinderischen Tätigkeit überein. Letztere sah Art.&nbsp;6 als gegeben an, „wenn der Anmelder … in verständlicher und nachvollziehbarer Weise erklärt, dass die Erfindung gemessen am Stand der Technik folgendes aufweist: a)&nbsp;eine besondere Funktionstüchtigkeit, entweder in Form einer vereinfachten Verwendung oder Handhabung b)&nbsp;oder einen praktischen oder gewerblichen Vorteil.“ Die Eintragung des Gebrauchsmusters sollte lediglich aufgrund der Prüfung der Formerfordernisse ohne Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen erfolgen (Art.&nbsp;15). Den Mitgliedstaaten sollte es aber unbenommen bleiben, die Erstellung eines ansonsten im Ermessen des Anmelders zu beantragenden Recherchenberichts, im Falle einer Verletzungsklage zwingend vorzuschreiben (Art.&nbsp;16 (1), (4)). Die maximale Schutzdauer war auf zehn Jahre begrenzt (Art.&nbsp;19) und die Kumulierung des Schutzes durch ein Patent und ein Gebrauchsmuster für dieselbe Erfindung erlaubt (Art.&nbsp;22).  
Keines der Regelwerke folgt dem Prinzip „periculum est emptoris“. Die Preisgefahr wird vielmehr zunächst jeweils dem Schuldner zugewiesen. Dies geschieht entweder dadurch, dass die Gegenleistungspflicht automatisch erlischt, soweit der Schuldner ''excused'' ist (Art.&nbsp;III.-3:104(4)2 DCFR), oder dadurch, dass der Gläubiger bei ''excuse'' des Schuldners zurücktreten (Art.&nbsp;49 CISG, Art.&nbsp;3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art.&nbsp;26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL, Art.&nbsp;7.3.1 UNIDROIT PICC, Art.&nbsp;9:301&nbsp;ff. PECL, Art.&nbsp;4:201 (2)(a) PEL&nbsp;S) oder mindern (Art.&nbsp;50&nbsp;f. CISG, Art.&nbsp;3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art.&nbsp;26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL, Art.&nbsp;9:401 PECL, Art.&nbsp;4:201(2)(b) PEL&nbsp;S) kann.


Wie sich aus dem von der EU-Kommission am 26.7.2001 veröffentlichten Arbeitsdokument „Sondierung der Auswirkungen eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters zur Aktualisierung des Grünbuchs über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt“ (SEK(2001) 1307) ergibt, hat die Kommission die Arbeiten an dem geänderten Richtlinienvorschlag seit März 2000 ausgesetzt, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich dafür ausgesprochen hatte, den Arbeiten am Gemeinschaftspatent Vorrang einzuräumen. Drei Viertel der auf die „Sondierung“ Antwortenden sprach sich darauf hin gegen die Einführung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters aus, und in der Mehrzahl dieser Antworten wurde die Kommission aufgefordert, „alle Gebrauchsmusterinitiativen aufzugeben“. Die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Richtlinie wurde nur vereinzelt befürwortet. Damit dürfte feststehen, dass es in der Europäischen Gemeinschaft auf absehbare Zeit weder einen EU-weit harmonisierten noch einen Gemeinschaftsgebrauchsmusterschutz geben wird.
Zum Übergang der Preisgefahr enthalten die Verbrauchsgüterkauf-RL, die UNIDROIT PICC und die [[Principles of European Contract Law|PECL]] keine Regeln; erstere überlässt nach ihrer 14.&nbsp;Begründungserwägung die Regelung des Gefahrübergangs ausdrücklich dem nationalen Recht. Der Entwurf der Verbraucherrechte-RL legt dagegen den Zeitpunkt des Gefahrübergangs selbst fest; abweichende nationale Vorschriften sind auch zugunsten des Verbrauchers unzulässig (Art.&nbsp;4). Nach Art.&nbsp;23 geht das Risiko eines Verlusts und einer Beschädigung auf den Verbraucher über, wenn er oder ein von ihm bestimmter Dritter, der nicht der Beförderer ist, den Besitz an den Waren erwirbt. Unternimmt der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, keine angemessenen Schritte, um den Besitz an den Waren zu erwerben, geht das Risiko zum vereinbarten Liefertermin auf den Verbraucher über. Gedacht ist dabei etwa an den Fall, dass der Verbraucher die Ware nicht innerhalb der von der Post angegebenen Frist beim „Postamt“ abholt (Begründungserwägung&nbsp;38).
 
Detaillierte – und einander recht ähnliche – Normen in Bezug auf Kaufverträge finden sich in Art.&nbsp;66&nbsp;ff. CISG, Art.&nbsp;5:101&nbsp;ff. PEL&nbsp;S und Art.&nbsp;IV.A.-5:101&nbsp;ff. DCFR. Übergehen soll allerdings nur die Gefahr von Schäden, die nicht auf eine Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zurückzuführen sind. Welche Art der Zurechnung damit gemeint ist, ist unklar. In den ''Comments''<nowiki> zu Art.&nbsp;5:101 PEL&nbsp;S finden sich ganz unterschiedliche Formulierungen: „in a fortuitous event, i.e. due to no fault of either party“, „events that neither party could foresee“, „if the seller is [not] responsible“. Die Entstehungsgeschichte des CISG legt nahe, dass dort ein pflichtwidriges, wenn auch (wegen eines engen Verständnisses der vertraglichen Nebenpflichten) nicht vertragswidriges Verhalten des Verkäufers gemeint ist.</nowiki>
 
Nach dem CISG geht die Preisgefahr prinzipiell auf den Käufer über, wenn er die Ware übernimmt, wenn sie ihm vertragsgemäß vom Verkäufer an einem anderen Ort als an dessen Niederlassung zur Verfügung gestellt wird und der Käufer dies weiß oder wenn er die Ware vertragswidrig nicht abnimmt (Art.&nbsp;69 CISG). Beim Versendungskauf ist die Übergabe an den Beförderer maßgeblich (Art.&nbsp;67 CISG), beim Verkauf reisender Ware der Vertragsschluss oder (rückwirkend) die Übergabe an den Beförderer (Art.&nbsp;68 CISG).
 
Die PEL&nbsp;S stellen ebenfalls prinzipiell auf die Übernahme der Ware ab (Art.&nbsp;5:102 PEL&nbsp;S). Außer bei Verbraucherkäufen geht die Gefahr ferner über, wenn die Ware dem Käufer mit dessen Wissen zur Verfügung gestellt wird (Art.&nbsp;5:201 PEL&nbsp;S), wenn sie bei Versendungskäufen dem Beförderer übergeben wird (Art.&nbsp;5:202 PEL&nbsp;S) und – bei reisender Ware – bei Übergabe an den Beförderer oder bei Vertragsschluss (Art.&nbsp;5:203 PEL&nbsp;S). Bei Verbraucherverträgen führt neben der Übernahme der Ware nur die vertragswidrige Nicht-Abnahme zum Gefahrübergang (Art.&nbsp;5:103 PEL&nbsp;S).
 
Der DCFR stellt grundsätzlich auf die Übernahme der Ware durch den Käufer (Art.&nbsp;IV.A.-5:102(1) und Art.&nbsp;IV.A.-5:103(1) DCFR) oder den Eintritt eines Annahmeverzugs ab, dessen Voraussetzungen näher umschrieben werden (Art. IV.A.-5:103(2), IV.A.-5:201 DCFR). Außer bei Verbraucherverträgen geht die Preisgefahr auch über, wenn der Käufer Dokumente übernimmt, die die Ware repräsentieren (Art.&nbsp;IV.A.-5:102(1) DCFR), oder wenn die Güter vertragsgemäß einem Beförderer übergeben werden (Art.&nbsp;IV.A.-5:202 DCFR); beim Verkauf von Waren, die sich auf dem Transport befinden, ist der Abschluss des Kaufvertrags oder die Übergabe an den ersten Beförderer ausschlaggebend (Art.&nbsp;IV.A.-5:203 DCFR). Der DCFR enthält Regeln über den Übergang der Preisgefahr auch für Bauverträge, ''processing contracts'' (Verträge über Arbeiten an existierenden Sachen) und Lagerverträge. Der Einlagerer muss die vereinbarte Vergütung trotz einer Beschädigung oder Zerstörung des Lagerguts, die der Lagerhalter nicht zu vertreten hat, zahlen, wenn der Lagerhalter die Rücknahme des Lagerguts verlangt hat (Art.&nbsp;IV.C.-5:108(2) DCFR). Für Bauverträge und ''processing contracts'' findet sich auch eine Regel über die Leistungsgefahr: Der Unternehmer muss nicht mehr leisten und kann trotzdem die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn (1.) das Bauwerk oder die zu reparierende, zu säubernde etc. Sache aus Gründen, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, beschädigt oder zerstört wird und (2.) der Unternehmer vorher zu Recht die Übernahme der Sache verlangt hatte, weil er die Arbeit als abgeschlossen betrachtete, oder – falls es bei Bauwerken keiner Übernahme bedarf – den Bauherrn über der Fertigstellung der Arbeiten informiert hatte (Art.&nbsp;IV.C.-3:108(5), IV.C.-4:107(2) DCFR). Preis- und Leistungsgefahr gehen also durch das berechtigte Rücknahmeverlangen über.


==Literatur==
==Literatur==
''Rudolf Kraßer'', Die Entwicklung des Gebrauchsmusterrechts in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd.&nbsp;I, 1991, 617&nbsp;ff.; ''Guenter Weitzel'', Pilotstudie: Die wirtschaftliche Bedeutung des Gebrauchsmusterschutzes in der Europäischen Union, 1993; ''Rudolf Kraßer'', Gebrauchsmuster unter internationalem und europäischem Aspekt, in: Johann Adrian, Wilhelm Nordemann, Artur-Axel Wandtke (Hg.), Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, 1996, 73&nbsp;ff.; ''Rudolf Kraßer'', Neuere Entwicklungen des Gebrauchsmusterrechts in Europa, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 527&nbsp;ff.; ''Takeyuki Iwai'', Modalities of Future Utility Model System, IIP Bulletin 2004, 38&nbsp;ff.; ''Hans-Friedrich Loth'', Gebrauchsmustergesetz, 2001; ''Alfred Keukenschrijver'', Gebrauchsmustergesetz, in: Rudolf Busse, Patentgesetz, 6.&nbsp;Aufl. 2003, 1545&nbsp;ff.; ''Peter Mes'', Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''Frank Peter Goebel'', Der erfinderische Schritt, 2005; ''Frank Peter Goebel'', Gebrauchsmustergesetz in: Georg Benkard, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10.&nbsp;Aufl. 2006, 1561&nbsp;ff; ''Rudolf Kraßer'', Wird der Gebrauchsmusterschutz noch gebraucht?, in: Festschrift für Ulrich Loewenheim, 2009, 157&nbsp;ff.
''Günter Hager'', Die Gefahrtragung beim Kauf, 1982; ''Bernd von Hoffmann'', Passing of Risk in International Sales of Goods, in: Petar Sarcevic, Paul Volken (Hg.), International Sale of Goods: Dubrovnik Lectures, 1986, 265&nbsp;ff.; ''Reinhard Zimmermann'', The Law of Obligations, 1996, 281&nbsp;ff.; ''Claus-Wilhelm Canaris'', Die Bedeutung des Übergangs der Gegenleistungsgefahr im Rahmen von §&nbsp;243 Abs.&nbsp;2 BGB und §&nbsp;275 Abs.&nbsp;2 BGB, Juristische Schulung 2007, 793&nbsp;ff.; ''Franz Dorn'', §&nbsp;243, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/‌1, 2007; ''Martin Josef Schermaier'', §&nbsp;326, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/‌2, 2007; ''Günter Hager'', ''Felix Maultzsch'', Art.&nbsp;66&nbsp;ff., in: Peter Schlechtriem, Ingeborg Schwenzer (Hg), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5.&nbsp;Aufl. 2008.


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Version vom 12. September 2016, 10:32 Uhr

von Florian Faust

1. Gegenstand und Zweck

Die Frage des Gefahrübergangs stellt sich im Rahmen des Leistungsstörungsrechts. Sie ist ein Unteraspekt des allgemeinen Problems der Gefahrtragung. Es geht dabei um die Gefahr des Eintritts von Umständen, die eine Leistung erschweren oder unmöglich machen.

Sachlogisch kann man zwischen Leistungsgefahr und Gegenleistungs- oder Preisgefahr unterscheiden. Der mitunter verwendete Begriff der Sachgefahr entstammt dagegen nicht dem Leistungsstörungsrecht; er bezeichnet das allgemeine Risiko des Verlusts oder der Beschädigung einer Sache, das nach dem Satz casum sentit dominus normalerweise der Eigentümer trägt.

a) Leistungsgefahr

Bei der Leistungsgefahr geht es um die Frage, ob der Schuldner eine Leistung trotz bestehender oder eintretender Hindernisse erbringen muss. Aus Sicht des Schuldners bezeichnet die Leistungsgefahr daher das Risiko, seine Leistungsanstrengungen aufgrund von Leistungshindernissen intensivieren zu müssen. Aus Sicht des Gläubigers ist die Leistungsgefahr das Risiko, die Leistung des Schuldners infolge von Leistungshindernissen nicht oder nicht ordnungsgemäß zu erhalten. Die Leistungsgefahr ist bei allen Arten von Verbindlichkeiten von Belang, z.B. auch bei Vermächtnissen. Unmittelbar relevant werden kann sie nur, soweit die betreffende Rechtsordnung überhaupt Erfüllungsansprüche vorsieht. Ist dies – wie normalerweise im common law – nicht der Fall, kann sich die Leistungsgefahr nur mittelbar auswirken, nämlich als Vorfrage für Sekundärrechtsbehelfe, insbesondere Schadensersatzansprüche (Schadensersatz): Ob der Schuldner die Leistungsgefahr trug und deshalb ein Leistungshindernis hätte überwinden müssen, entscheidet dann darüber, ob er sich durch die Nichtleistung schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Zu beachten ist, dass es „die“ Leistungsgefahr nicht gibt, sondern dass hinsichtlich der jeweiligen Leistungsstörung zu differenzieren ist und die verschiedenen Leistungsgefahren unterschiedlich zugewiesen sein können. So trägt das Risiko einer unbehebbaren Verschlechterung des einzigen erfüllungstauglichen Stücks zwangsläufig der Gläubiger, weil er im Fall einer solchen Verschlechterung keine mangelfreie Leistung erhält. Das Risiko einer behebbaren Verschlechterung kann dagegen sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner tragen, je nachdem, ob der Schuldner zur Beseitigung der Verschlechterung verpflichtet ist oder nicht. Das Risiko des Untergangs aller (nach dem ursprünglichen Inhalt der Verbindlichkeit) erfüllungstauglichen Stücke trägt zwangsläufig der Gläubiger, während das Risiko des Untergangs einzelner solcher Stücke entweder dem Schuldner oder dem Gläubiger zugewiesen sein kann. Der Vorgang, durch den das Risiko des Untergangs und der unbehebbaren Verschlechterung einzelner erfüllungstauglicher Stücke vom Schuldner auf den Gläubiger übergeht, wird im deutschen Recht Konkretisierung (seltener Konzentration) genannt. Plastisch umschrieben wird dies in der Rechtsfolge von § 243 Abs. 2 BGB: „… so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf diese Sache.“ Die Beschränkung des Schuldverhältnisses auf die betreffenden Stücke führt dazu, dass der Gläubiger die Leistungsgefahr hinsichtlich des Untergangs und der unbehebbaren Verschlechterung dieser Stücke trägt, während es zuvor der Schuldner war, weil er gegebenenfalls mit anderen Stücken erfüllen musste.

Die Leistungsgefahr kann unabhängig davon relevant sein, ob der Schuldner die Leistungsstörung – nach welchen Kriterien auch immer – zu vertreten hat. So trägt der Gläubiger die Leistungsgefahr in Bezug auf nicht überwindbare Leistungsstörungen zwangsläufig auch dann, wenn der Schuldner diese zu vertreten hat. Aber auch für vom Schuldner zu vertretende überwindbare Leistungsstörungen kann die Leistungsgefahr dem Gläubiger auferlegt werden, etwa wenn sich der Schuldner auf die Konkretisierung berufen kann, obwohl er den Untergang der betreffenden Sache zu vertreten hat. Die Interessen des Gläubigers können dann durch einen Ausgleich auf der Ebene der Sekundärrechte – insbesondere durch einen Schadensersatzanspruch – gewahrt werden.

b) Gegenleistungs- oder Preisgefahr

Die Gegenleistungs- oder Preisgefahr entscheidet über das Schicksal der Gegenleistung für die Leistung, die von einem Leistungshindernis betroffen wird. Sie ist daher nur relevant, wenn es eine solche Gegenleistung gibt, nicht also z.B. bei unentgeltlichen Leistungen. Aus Sicht des Schuldners bezeichnet die Preisgefahr das Risiko, die Gegenleistung für seine eigene Leistung nicht oder nicht vollständig zu erhalten, weil bei der eigenen Leistung Probleme auftreten. Aus Sicht des Gläubigers ist die Preisgefahr das Risiko, seine eigene Leistung (vollständig) erbringen zu müssen, ohne die Gegenleistung ordnungsgemäß zu erhalten. Der Gläubiger kann die Preisgefahr nur in Bezug auf solche Umstände tragen, für die er auch die Leistungsgefahr trägt, da die Preisgefahr nur relevant wird, wenn die Leistung des Schuldners nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht werden muss.

Die Preisgefahr kann nur bezogen auf spezifische Güter übergehen, die eindeutig dem Vertrag zugeordnet sind (Art. 67(2), 69(3) CISG; Art. 16, 20 Sale of Goods Act 1979; Art. 1585 f. frz. Code civil, Art. 5:102(2) PEL S). Das ist von Bedeutung, wenn die Gefahr unabhängig von der Übergabe übergeht.

Im Gegensatz zur Leistungsgefahr ist die Gegenleistungsgefahr typischerweise nur bei nicht vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen einschlägig; hat der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, wird der Gläubiger nämlich zumindest von der Gegenleistungspflicht ganz oder teilweise frei.

Auch im Hinblick auf die Freiheit von Sachmängeln ist sinnvollerweise auf den Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr abzustellen, da das Risiko der Verschlechterung vorher dem Schuldner und nachher dem Gläubiger zur Last fallen soll (z.B. Art. 36(1) CISG, Art. 25 Entwurf der Verbraucherrechte-RL, § 434 BGB, Art. 2:208 (1) PEL S, Art. IV.A.-2:308(1) Draft DCFR).

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Im Zentrum der gesetzlichen Normen steht der Übergang der Preisgefahr; so wurde im römischen Recht unter periculum nur die Preisgefahr verstanden. In Bezug auf die Leistungsgefahr werden zwar die Grenzen der Einstandspflicht des Schuldners geregelt, aber es wird nur selten angeordnet, dass sich diese Einstandspflicht verringert, d.h. die Leistungsgefahr (teilweise) auf den Gläubiger übergeht. Wichtiges Beispiel sind §§ 243 Abs. 2, 300 Abs. 2 BGB, die die Konkretisierung von Gattungsschulden betreffen. Allerdings kann aus den Regeln über die Preisgefahr häufig auf die Leistungsgefahr geschlossen werden, da der Gläubiger spätestens von dem Zeitpunkt an, ab dem er die Preisgefahr trägt, auch die Leistungsgefahr tragen muss, weil die Preisgefahr nur Wirkung entfalten kann, wenn der Schuldner nicht mehr leisten muss.

Nach der berühmten Regel aus Inst. III,23,3 galt: „emptione perfecta periculum est emptoris“; die Preisgefahr ging also schon mit Abschluss des Kaufvertrags – unabhängig vom Verbleib der Kaufsache – auf den Käufer über, sofern die Sache dem Vertrag eindeutig zugeordnet war. Der Anwendungsbereich der Regel war allerdings ursprünglich wohl deshalb beschränkt, weil der Verkäufer zwischen Vertragsschluss und Übergabe der strengen custodia-Haftung unterlag; auf die Gefahrtragung kam es dann nur im Fall höherer Gewalt an. In den modernen Regelwerken hat die römische Regel wenig Gefolgschaft gefunden; sie findet sich insbesondere noch in Art. 185 OR. Etliche nationale Rechte lassen die Gefahr gleichzeitig mit dem Eigentum übergehen (z.B. Art. 1138 Abs. 2 frz. Code civil, sec. 20 Abs. 1 Sale of Goods Act 1979); der Preisgefahr kommt dann keine eigenständige Bedeutung zu. Sofern das Eigentum mit Abschluss des Kaufvertrags übergeht (Art. 1583 frz. Code civil), führt das zum selben Ergebnis wie periculum est emptoris. Die Tendenz geht – gerade im Einheitsrecht und den internationalen Modellregeln – dahin, diejenige Partei die Gefahr tragen zu lassen, in deren Herrschaftsbereich sich die Ware befindet. Denn diese Partei kann die Güter am besten vor Schaden schützen und auch am besten versichern (Art. 69(1) CISG, § 446 S. 1 BGB, §§ 1049, 1064 ABGB). Muss der Schuldner dem Gläubiger die Ware zusenden, wird ein Übergang der Preisgefahr teilweise schon mit Auslieferung der Ware an den Beförderer angeordnet (Art. 67 CISG, § 447 Abs. 1 BGB). Schließlich sehen viele Rechtsordnungen einen Übergang der Preisgefahr auf den Gläubiger vor, wenn dieser seiner Pflicht oder Obliegenheit zur Abnahme der Ware nicht nachkommt (§§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 446 S. 3 BGB, Art. 20 Abs. 2 Sale of Goods Act 1979).

Bei Verbraucherverträgen gelten teilweise spezielle Regeln, mit der Tendenz, dass die Gefahr erst mit der Übergabe oder eventuell der Nicht-Abnahme auf den Käufer übergeht (§ 474 Abs. 2 S. 2 BGB, Art. 20 Abs. 4 Sale of Goods Act 1979, Art. 5:103 PEL S).

3. Internationales Einheitsrecht und internationale Modellregeln

Die Regelwerke des Einheitsrechts und die internationalen Modellregeln enthalten Vorschriften über die Grenzen des Erfüllungsanspruchs (Art. 79 CISG, Art. 3(3) Verbrauchsgüterkauf-RL [RL 1999/‌44]), Art. 26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL [KOM(2008) 614 endg.], Art. 7.2.2 UNIDROIT PICC, Art. 9:102 PECL, Art. 4:202(1) PEL S, Art. III.-3:302 DCFR) und verteilen dadurch die Leistungsgefahr. Regeln zum Übergang der Leistungsgefahr – d.h. Regeln, nach denen sich die vom Schuldner verlangten Leistungsanstrengungen ab einem bestimmten Zeitpunkt vermindern – finden sich für Kaufverträge (Kauf) nicht. In Comment C zu Art. 5:101 PEL S wird jedoch festgestellt, dass (spätestens) ab dem Übergang der Preisgefahr der Verkäufer Leistungshindernisse nicht überwinden muss; das ergibt sich im übrigen schon aus dem Grundsatz, dass die Preisgefahr nicht vor der Leistungsgefahr übergehen kann.

Keines der Regelwerke folgt dem Prinzip „periculum est emptoris“. Die Preisgefahr wird vielmehr zunächst jeweils dem Schuldner zugewiesen. Dies geschieht entweder dadurch, dass die Gegenleistungspflicht automatisch erlischt, soweit der Schuldner excused ist (Art. III.-3:104(4)2 DCFR), oder dadurch, dass der Gläubiger bei excuse des Schuldners zurücktreten (Art. 49 CISG, Art. 3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art. 26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL, Art. 7.3.1 UNIDROIT PICC, Art. 9:301 ff. PECL, Art. 4:201 (2)(a) PEL S) oder mindern (Art. 50 f. CISG, Art. 3(5) Verbrauchsgüterkauf-RL, Art. 26(3) Entwurf der Verbraucherrechte-RL, Art. 9:401 PECL, Art. 4:201(2)(b) PEL S) kann.

Zum Übergang der Preisgefahr enthalten die Verbrauchsgüterkauf-RL, die UNIDROIT PICC und die PECL keine Regeln; erstere überlässt nach ihrer 14. Begründungserwägung die Regelung des Gefahrübergangs ausdrücklich dem nationalen Recht. Der Entwurf der Verbraucherrechte-RL legt dagegen den Zeitpunkt des Gefahrübergangs selbst fest; abweichende nationale Vorschriften sind auch zugunsten des Verbrauchers unzulässig (Art. 4). Nach Art. 23 geht das Risiko eines Verlusts und einer Beschädigung auf den Verbraucher über, wenn er oder ein von ihm bestimmter Dritter, der nicht der Beförderer ist, den Besitz an den Waren erwirbt. Unternimmt der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, keine angemessenen Schritte, um den Besitz an den Waren zu erwerben, geht das Risiko zum vereinbarten Liefertermin auf den Verbraucher über. Gedacht ist dabei etwa an den Fall, dass der Verbraucher die Ware nicht innerhalb der von der Post angegebenen Frist beim „Postamt“ abholt (Begründungserwägung 38).

Detaillierte – und einander recht ähnliche – Normen in Bezug auf Kaufverträge finden sich in Art. 66 ff. CISG, Art. 5:101 ff. PEL S und Art. IV.A.-5:101 ff. DCFR. Übergehen soll allerdings nur die Gefahr von Schäden, die nicht auf eine Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zurückzuführen sind. Welche Art der Zurechnung damit gemeint ist, ist unklar. In den Comments zu Art. 5:101 PEL S finden sich ganz unterschiedliche Formulierungen: „in a fortuitous event, i.e. due to no fault of either party“, „events that neither party could foresee“, „if the seller is [not] responsible“. Die Entstehungsgeschichte des CISG legt nahe, dass dort ein pflichtwidriges, wenn auch (wegen eines engen Verständnisses der vertraglichen Nebenpflichten) nicht vertragswidriges Verhalten des Verkäufers gemeint ist.

Nach dem CISG geht die Preisgefahr prinzipiell auf den Käufer über, wenn er die Ware übernimmt, wenn sie ihm vertragsgemäß vom Verkäufer an einem anderen Ort als an dessen Niederlassung zur Verfügung gestellt wird und der Käufer dies weiß oder wenn er die Ware vertragswidrig nicht abnimmt (Art. 69 CISG). Beim Versendungskauf ist die Übergabe an den Beförderer maßgeblich (Art. 67 CISG), beim Verkauf reisender Ware der Vertragsschluss oder (rückwirkend) die Übergabe an den Beförderer (Art. 68 CISG).

Die PEL S stellen ebenfalls prinzipiell auf die Übernahme der Ware ab (Art. 5:102 PEL S). Außer bei Verbraucherkäufen geht die Gefahr ferner über, wenn die Ware dem Käufer mit dessen Wissen zur Verfügung gestellt wird (Art. 5:201 PEL S), wenn sie bei Versendungskäufen dem Beförderer übergeben wird (Art. 5:202 PEL S) und – bei reisender Ware – bei Übergabe an den Beförderer oder bei Vertragsschluss (Art. 5:203 PEL S). Bei Verbraucherverträgen führt neben der Übernahme der Ware nur die vertragswidrige Nicht-Abnahme zum Gefahrübergang (Art. 5:103 PEL S).

Der DCFR stellt grundsätzlich auf die Übernahme der Ware durch den Käufer (Art. IV.A.-5:102(1) und Art. IV.A.-5:103(1) DCFR) oder den Eintritt eines Annahmeverzugs ab, dessen Voraussetzungen näher umschrieben werden (Art. IV.A.-5:103(2), IV.A.-5:201 DCFR). Außer bei Verbraucherverträgen geht die Preisgefahr auch über, wenn der Käufer Dokumente übernimmt, die die Ware repräsentieren (Art. IV.A.-5:102(1) DCFR), oder wenn die Güter vertragsgemäß einem Beförderer übergeben werden (Art. IV.A.-5:202 DCFR); beim Verkauf von Waren, die sich auf dem Transport befinden, ist der Abschluss des Kaufvertrags oder die Übergabe an den ersten Beförderer ausschlaggebend (Art. IV.A.-5:203 DCFR). Der DCFR enthält Regeln über den Übergang der Preisgefahr auch für Bauverträge, processing contracts (Verträge über Arbeiten an existierenden Sachen) und Lagerverträge. Der Einlagerer muss die vereinbarte Vergütung trotz einer Beschädigung oder Zerstörung des Lagerguts, die der Lagerhalter nicht zu vertreten hat, zahlen, wenn der Lagerhalter die Rücknahme des Lagerguts verlangt hat (Art. IV.C.-5:108(2) DCFR). Für Bauverträge und processing contracts findet sich auch eine Regel über die Leistungsgefahr: Der Unternehmer muss nicht mehr leisten und kann trotzdem die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn (1.) das Bauwerk oder die zu reparierende, zu säubernde etc. Sache aus Gründen, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, beschädigt oder zerstört wird und (2.) der Unternehmer vorher zu Recht die Übernahme der Sache verlangt hatte, weil er die Arbeit als abgeschlossen betrachtete, oder – falls es bei Bauwerken keiner Übernahme bedarf – den Bauherrn über der Fertigstellung der Arbeiten informiert hatte (Art. IV.C.-3:108(5), IV.C.-4:107(2) DCFR). Preis- und Leistungsgefahr gehen also durch das berechtigte Rücknahmeverlangen über.

Literatur

Günter Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, 1982; Bernd von Hoffmann, Passing of Risk in International Sales of Goods, in: Petar Sarcevic, Paul Volken (Hg.), International Sale of Goods: Dubrovnik Lectures, 1986, 265 ff.; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 281 ff.; Claus-Wilhelm Canaris, Die Bedeutung des Übergangs der Gegenleistungsgefahr im Rahmen von § 243 Abs. 2 BGB und § 275 Abs. 2 BGB, Juristische Schulung 2007, 793 ff.; Franz Dorn, § 243, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/‌1, 2007; Martin Josef Schermaier, § 326, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/‌2, 2007; Günter Hager, Felix Maultzsch, Art. 66 ff., in: Peter Schlechtriem, Ingeborg Schwenzer (Hg), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2008.

Abgerufen von Gebrauchsmuster – HWB-EuP 2009 am 18. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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