Europäische Wirtschaftsverfassung und Gebrauchsmuster: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Ernst-Joachim Mestmäcker]]''
von ''[[Joseph Straus]]''
== 1. Überblick ==
== 1. Gegenstand und Zweck  ==
Der Vertrag über die Europäische Union ([[Europäische Union|EU]]-Vertrag) bestätigt den Bestand der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]] und das durch den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft geprägte Gemeinschaftsrecht (Art. 43 EU (1992)/20 EU (2007)). Die EG verwirklicht ihre Aufgaben durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion (Art. 2 EG/3 EU (2007)). Der Verfassungscharakter der EG folgt nach der Rechtsprechung des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] aus ihrer Rechtsordnung. Diese Verfassung ist eine Wirtschaftsverfassung, soweit sie Ziele und Mittel für die Ordnung des Wirtschaftsverkehrs im Geltungsbereich des EGV normiert. Der Gemeinsame Markt, der mit dem [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] weitgehend übereinstimmt, ist Ziel ''und Mittel'' eines Wirtschaftsraums ohne Binnengrenzen. Im gleichen Maße, in dem die Binnengrenzen entfallen, besteht die Aufgabe der Gemeinschaft darin, die Binnenordnung, die durch Freiverkehr und Wettbewerb gekennzeichnet ist, auf Dauer zu gewährleisten und weiter zu entwickeln.


Zu den Prinzipien, denen die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft verpflichtet sind und welche die Währungspolitik mitbestimmen, gehört eine „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Art. 4(1) und (2) EG/119 AEUV, Art. 105(1) EG/127(1) AEUV). Das Prinzip begründet wegen seiner Allgemeinheit keine Pflichten der Mitgliedstaaten und keine Rechte der Einzelnen (EuGH Rs. 126/86 − ''Gimènez Zaera'', Slg. 1987, I-3697, Rn. 10). Gleichwohl kommt ihm aus ökonomischen und rechtlichen Gründen normative Bedeutung zu: Mit der Größe des Marktes nehmen die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung zu; die dezentrale, über Märkte vermittelte Kooperation der Marktteilnehmer trägt zur Knappheit überwindenden Allokation der Ressourcen bei. Die marktwirtschaftliche Ordnung, die auch eine Voraussetzung für den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft ist, trägt zur Gewaltenteilung zwischen Staat und Wirtschaft bei, begrenzt den Kompetenzbedarf der Gemeinschaft und damit den Souveränitätsverzicht der Mitgliedstaaten. Gemeinschaftsrechtlich steht sie einer Politik entgegen, welche die Ziele des Art. 2 EG/3 EU (2007) mit zentralen Plänen verwirklichen will.
Nach § 1 Abs. 1 des deutschen Gebrauchsmustergesetzes (GebrMG) werden als Gebrauchsmuster ''Erfindungen'' geschützt, die ''neu'' sind, auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruhen und ''gewerblich anwendbar'' sind. Damit wird der Eindruck erweckt, als solle mit dem Begriff „Gebrauchsmuster“ der Gegenstand des Schutzes bezeichnet werden, während in der Tat Erfindungen, welche die genannten Schutzvoraussetzungen erfüllen, den Gegenstand des Schutzrechts „Gebrauchsmuster“ darstellen. Wie Patente ([[Patentrecht]]) so bilden auch Gebrauchsmuster einen Gegenstand des Schutzes des gewerblichen Eigentums i.S.v. Art. 1(1) der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) und Art. 36 EG/‌42 AEUV. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters in einem Verbandsland der PVÜ begründet ein zwölfmonatiges Prioritätsrecht für Nachanmeldungen in anderen Verbandsländern (Art. 4A und 4C PVÜ). Im Übrigen sichert die PVÜ in Bezug auf Gebrauchsmuster lediglich die Inländerbehandlung (Art. 2(1) PVÜ), aber keine Mindestrechte, die über das Prioritätsrecht hinausgehen. Im Internationalen Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS; [[Geistiges Eigentum (allgemein)|Geistiges Eigentum]]) sucht man nach den Begriffen „Gebrauchsmuster“, „utility model“, „certificat d’utilité“, „modello de utilitad“ gar vergeblich.  


Die Ziele des Art. 2 EG/3 EU (2007) gewinnen normativen Gehalt ferner im Zusammenhang mit den vom EGV normierten Mitteln zu ihrer Verwirklichung. Daraus folgt ihre Bedeutung als Maßstab für die Rechtsauslegung. Der Zusammenhang von Ziel und Mittel kann so eng sein, dass einem Ziel selbst zwingende Geltung zukommt. Ein Mindestmaß an Wettbewerb ist eine faktische Voraussetzung für die praktische Wirksamkeit einer großen Zahl von Normen des Gemeinschaftsrechts. Deshalb sind Wettbewerbsbeschränkungen absolut verboten, die geeignet sind, den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt auszuschalten (EuGH Rs. 6/72 − ''Continental Can'', Slg. 1973, 215).
Historisch betrachtet wurde Gebrauchsmusterschutz in Deutschland als Ergänzung des Geschmacksmuster- und des Patentschutzes eingeführt. Einerseits verweigerte das Reichsoberhandelsgericht (3.9.1878, ROHGE 24, 109) Mustern und Modellen, die keinem „ästhetischen“, sondern einem Gebrauchszweck dienen sollten, einen Schutz nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.1.1876. Andererseits war für Muster und Modelle mit Gebrauchszweck der Patentschutz nach dem Gesetz vom 25.5.1877 mit der darin verankerten Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen zu kostspielig. Darüber hinaus wurde früh erkannt, dass viele Gebrauchsmuster und Modelle die über die Neuheit hinausgehenden Voraussetzungen des Patentschutzes kaum würden erfüllen können.


== 2. Verfasste Wirtschaftsfreiheiten ==
Um dem Bedürfnis von kleinen und mittleren Gewerbetreibenden nach einem preiswerten und einfach zu erlangenden Schutz für weniger bedeutende Neuerungen mit Gebrauchszweck gerecht zu werden, verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 1.6.1891 das ''Gebrauchsmustergesetz'', das am 1.10.1891 in Kraft trat. Es führte einen Schutz ein für „Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Teilen derselben, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen“ (§ 1 Abs. 1). Der Schutz, der durch ordnungsgemäße Eintragung beim Patentamt allein, d.h. ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen, begründet wurde, war auf höchstens sechs Jahre, ab Anmeldung gerechnet, begrenzt. Auch wenn das Gesetz den Schutz von Gebrauchsmustern in die Nähe des Patentschutzes rückte und sich in der Praxis als Gegenstand des Schutzes die Erfindung im Sinne einer technischen Lehre durchsetzte, setzte der Schutz eine „Raumform“, d.h. eine „neue körperliche Formgestaltung“ voraus und war ''auf Verfahren'' ''nicht anwendbar''. Das Erfordernis der „Raumform“ wurde erst 1990 durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) gestrichen (BGH 17.2. 2004, BGHZ 158, 142). Obwohl im Gesetz nur von einer „neuen körperlichen Formgestaltung“ die Rede war, bildete sich bald die Auffassung heraus, dass die Neuheit allein als Schutzvoraussetzung nicht ausreiche, sondern dazu zusätzlich noch etwas Fortschrittlich-Neues hinzukommen müsse, ohne bereits erfinderisch zu sein.
Die europäische Wirtschaftsverfassung wird häufig unter zustimmender und mehr noch unter kritischer Bezugnahme auf die deutsche Herkunft des Begriffs erörtert. Um formelle Wirtschaftsverfassungen handelt es sich, wenn sie Teil der politischen Verfassung sind und Grundsätze für die Gestaltung des Wirtschaftslebens normieren (Weimarer Reichsverfassung, 5. Abschnitt „Das Wirtschaftsleben“; Verfassung der DDR). In dieser Tradition soll die Wirtschaftsverfassung den Vorrang der Politik für die Organisation und Lenkung der Wirtschaft legitimieren. Die Möglichkeit, Verfassungsprinzipien aus wirtschaftlichen Freiheitsrechten abzuleiten, kam nicht in den Blick oder wurde als in sich widersprüchlich verworfen. Dagegen wendet sich die Theorie der Wirtschaftsverfassung, die auf Prinzipien für eine wirtschaftliche Gesamtordnung beruht, in welcher die Freiheitsrechte der Einzelnen systembestimmend sind. Die Prinzipien folgen aus der Trennung von Staat und Wirtschaft, aus der Gewährleistung wirtschaftlicher Freiheitsrechte, der damit einhergehenden Begrenzung wirtschaftlicher Macht; und sie sind auf eine Wirtschaftspolitik gerichtet, die rationales Handeln der Einzelnen auf Wettbewerbsmärkten bei freier Preisbildung und auf der Grundlage einer stabilen Währung ermöglicht. Diese Leitideen haben die deutsche Nachkriegspolitik nachhaltig beeinflusst. Mit dem Vertrag von Rom (1958) wurden sie zu einer der Grundlagen der europäischen Wirtschaftsverfassung.


Die Idee verfasster Freiheit außerhalb oder neben der politischen Verfassung hat ihren Ursprung in der europäischen Aufklärung, in ihrer Anwendung auf die Wirtschaft hauptsächlich in Schottland. Die verfasste Freiheit (''constitutional liberty'') folgt – noch vor der Erklärung der Grund- und Menschenrechte in der französischen Revolution – aus gesellschaftlich respektierten Freiheitsbereichen der Einzelnen, insbesondere der Meinungsfreiheit, den wirtschaftlichen Freiheiten und dem allseitigen Respekt für Regeln gerechten Verhaltens (''rule of law''). In dieser Tradition wurde es möglich, die Wirtschaft als einen Teilbereich der Gesellschaft auf der Grundlage von Wirtschaftsfreiheiten, Wettbewerb und Regeln gerechten Verhaltens zu verfassen. Diese Regeln haben der Eigengesetzlichkeit des Rechts ebenso Rechnung zu tragen wie den Grenzen der Wirtschaftsfreiheiten, die sich aus den Erfordernissen wettbewerblicher Marktprozesse ergeben: Ohne die Institution des Wettbewerbs ist das Ertragstreben eine soziale Gefahr erster Ordnung (''Franz Böhm''). Staatliche wie unternehmerische Monopole oder Beschränkungen des Wettbewerbs können genutzt werden, um die Produktion zu Lasten der Allgemeinheit zu beschränken.
==2. Verhältnis zum Patentschutz ==


In der Gemeinschaft ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, dass die Mitgliedstaaten in der Wirtschafts- und Währungsunion ihre eigenen Wohlfahrtsagenden behalten. Die mit Binnenmarkt und Wettbewerbssystem in Konkurrenz stehenden Gemeinschaftspolitiken haben darin ihren Ursprung. Zu nennen sind die Industriepolitik, die Beschäftigungspolitik, transnationale Netze, die Sozialpolitik, der Umweltschutz, die Kultur- und die Gesundheitspolitik. Diese Lage ist für die Wirtschaftsverfassung mit besonderen Chancen und Risiken verbunden. Die besonderen Chancen folgen aus der gemeinschaftsrechtlichen Sonderstellung von Binnenmarkt und Wettbewerbssystem, deren zwingende Normen dem politischen Tauschhandel weitgehend entzogen sind. Die Risiken folgen bei den Wirtschaftspolitiken aus der Versuchung, protektionistische Ziele zu Lasten der Gesamtordnung zu verwirklichen. Im Übrigen gilt das Prinzip, dass konkurrierende Ziele der Gemeinschaft in den Grenzen zwingender Normen soweit wie möglich nebeneinander zu berücksichtigen und zu verwirklichen sind.
In seiner jetzigen, seit dem 1.1.1987 geltenden Fassung weist der deutsche Gebrauchsmusterschutz viele Gemeinsamkeiten mit dem Patentschutz auf. Er hat ''Erfindungen'', d.h. technische Lehren zum Gegenstand, ist ein ''zeitlich'' und ''räumlich'' begrenztes ''ausschließliches'' Recht, das dem ''Erstanmelder'' den Vorrang einräumt und ''Sperrwirkung'' entfaltet. Auch das Gebrauchsmuster wirkt also gegenüber Dritten, die die Erfindung selbständig und unabhängig zu Wege gebracht haben, diese aber entweder nicht oder erst später zum Patent oder Gebrauchsmuster beim Patent- und Markenamt angemeldet haben. Ein und dieselbe Erfindung kann, da die ''Kumulierung'' des Schutzes erlaubt ist, sowohl mit einem Patent als auch mit einem Gebrauchsmuster geschützt werden, wobei das jeweilige Recht entweder aufgrund unabhängig voneinander eingereichter Anmeldungen oder aufgrund einer sog. ''Abzweigung'', d.h. einer mit der Gebrauchsmusteranmeldung einzureichenden Erklärung, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird (§ 5 GbrMG), entstehen kann. Trotz dieser Gemeinsamkeiten besteht aber zwischen den beiden Schutzrechten eine Reihe von bedeutenden Unterschieden.


Regelgeleitete wirtschaftliche Handlungsfreiheiten führen unter Bedingungen wirksamen Wettbewerbs erfahrungsgemäß zu Ergebnissen, die den von der Gesamtordnung erwarteten positiven Wohlfahrtswirkungen entsprechen. Diese „Mustervoraussagen“, die sich am Wettbewerbsprozess orientieren, sind zu unterscheiden vom Utilitarismus und der sich daran anschließenden neoklassischen Wohlfahrtstheorie. Sie ermittelt gesamtwirtschaftlich optimale Ergebnisse oder die Tendenz zu solchen Ergebnissen auf der Grundlage von Konkurrenzmodellen (Pareto-Optimalität oder Kaldor-Hicks-Gleichgewicht). Die mit Hilfe solcher statischen Modelle dargestellten oder erwarteten Wohlfahrtsergebnisse gestatten aus ökonomischen und aus rechtlichen Gründen keinen Rückschluss auf die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhaltensweisen von Staaten oder Unternehmen. Der wichtigste wirtschaftsverfassungsrechtliche Einwand folgt daraus, dass in den so begründeten ökonomischen Gesetzen kein Platz für subjektive Rechte ist. Ohne sie kann die europäische Wirtschaftsverfassung jedoch nicht verstanden werden.
Was den ''geschützten Gegenstand'' betrifft, so sind vom Gebrauchsmusterschutz zusätzlich zu den vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenständen und Erfindungen auch ''biotechnologische Erfindungen'' ausgeschlossen, d.h. Erzeugnisse, die aus biologischem Material bestehen oder dieses enthalten (§ 1 Abs. 2 PatG), und ''Verfahren'' ganz generell (§§ 1, 2 GebrMG).


== 3. Institutionen ==
Der Stand der Technik, der die Neuheit eines Gebrauchsmusters als Schutzvoraussetzung bestimmt, unterscheidet sich von dem für das Patent relevanten Stand zum einen dadurch, dass mündliche Offenbarungen und die Benutzung außerhalb des Geltungsbereichs nicht zählen; ebenso wenig zählt (zum anderen) die innerhalb von sechs Monaten vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzung, die auf der Ausarbeitung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht; dementsprechend ist bei Anmeldungen, die eine Unionspriorität in Anspruch nehmen, der Prioritätstag maßgeblich (''Neuheitsschonfrist''<nowiki>; §&nbsp;3 Abs.&nbsp;1 GebrMG).</nowiki>
Alle Institutionen der Gemeinschaft, Rat ([[Rat und Europäischer Rat]]), [[Europäische Kommission]], [[Europäisches Parlament]], [[Europäische Zentralbank]] (EZB) und Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben an das Gemeinschaftsrecht gebunden. Die verschiedenen Aufgaben fordern jedoch einen jeweils gesondert zu ermittelnden, rechtlich gebundenen Beurteilungsspielraum. Um eine primär am Gemeinschaftsinteresse orientierte, insbesondere vom politischen Einfluss der Mitgliedstaaten unabhängige Willensbildung zu gewährleisten, garantiert das Gemeinschaftsrecht die Unabhängigkeit der wirtschaftsverfassungsrechtlich besonders wichtigen Institutionen. Das versteht sich für die europäischen Gerichte von selbst, die „das Recht in der Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu wahren haben“ (Art.&nbsp;220 EG/19(1) EU (2007)). Für die institutionelle Struktur der Gemeinschaft kennzeichnend ist die daneben bestehende Aufgabe der EG-Kommission „für die Anwendung dieses Vertrages sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen“ (Art.&nbsp;211 EG/17 EU (2007)). Diese in Unabhängigkeit auszuübende Aufgabe behält trotz der regierungsähnlich gewordenen Rolle der Kommission ihre grundsätzliche Bedeutung.


Das vorrangige Ziel der gemeinsamen Währungspolitik ist die Preisstabilität (Art.&nbsp;4, 105 EG/119, 127 AEUV). Eine solche Politik fordert die Unabhängigkeit des ESZB und der EZB von den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsinstitutionen (Art.&nbsp;108 EG/130 AEUV).
Wie eingangs ausgeführt, fordert §&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 GebrMG neben der ''Neuheit'' als Schutzvoraussetzung, dass die Erfindung ''gewerblich anwendbar'' ist und auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruht. Während aber §&nbsp;3 Abs.&nbsp;2 GebrMG wie §&nbsp;5 PatG Erfindungen als gewerblich anwendbar definieren, wenn sie auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden können, lässt es das GebrMG, anders als §&nbsp;4 PatG für das Patent, offen, wann eine Erfindung auf einem ''erfinderischen Schritt'' beruht. Seit der Einführung des Gebrauchsmusterschutzes im Jahre 1891 sind Rechtsprechung und Literatur, mit wenigen Ausnahmen, allgemein davon ausgegangen, dass für die Gewährung des Gebrauchsmusterschutzes ein gegenüber einem Patent geringeres Maß an Erfindungshöhe ausreiche (RG 25.1.1908, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1908, 188, 189). Der Gesetzgeber brachte dies in der Neufassung des Gebrauchsmustergesetzes von 1986 durch die differenzierte Formulierung „''erfinderischer Schritt''“ anstatt „''erfinderische Tätigkeit''“ auch explizit zum Ausdruck. Die Voraussetzung einer geringeren Erfindungshöhe sollte es insbesondere kleineren und mittleren Gewerbetreibenden ermöglichen, einen kostengünstigen und einfach zu erreichenden, wenn auch kürzeren Schutz für geringere Erfindungen zu erlangen, sie dadurch zu innovativem Verhalten anspornen und die dazu notwendigen Investitionen absichern. Das Bundespatentgericht hat z.B. das Vorliegen eines erfinderischen Schritts bejaht, wenn der Fachmann die Erfindung nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei Berücksichtigung des Standes der Technik ohne Weiteres finden kann (BPatG 13.2.2003, GRUR 2004, 852) oder wenn die Lösung für den Fachmann zwar nahelag, er sich aber eingehend mit den technischen Gegebenheiten auseinandersetzen musste, um sie aufzufinden (BPatG 2.8.2000, Mitt. 2002, 46).


Die Institutionen der EG sind in ihrem Verhältnis zueinander an die Kompetenzordnung und in der Verwirklichung ihrer Ziele an die gemeinschaftsrechtlich zugelassenen Mittel der Rechtsetzung, der Finanzierung, der Koordinierung oder der Empfehlung gebunden. Im Gegensatz zur Allzuständigkeit von Staaten wird die Gemeinschaft nur innerhalb der vertraglich normierten Befugnisse und Ziele tätig (Art.&nbsp;5(1) EG/5(1) EU (2007)). Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten gilt das Subsidiaritätsprinzip (Art.&nbsp;5 (2) EG/5(3) EU (2007)).
Diesem Grundverständnis des Gebrauchsmusterschutzes hat der Bundesgerichtshof 2006 ein Ende bereitet, in dem er in einem amtlichen Leitsatz feststellte:


== 4. Die Subjekte des Gemein&shy;schaftsrechts ==
„Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in §&nbsp;3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einen erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten.“ (BGH 20.6.2006, BGHZ 168, 142).
Von der Organisation der Gemeinschaft und ihren Handlungsformen zu unterscheiden sind die aus der Gemeinschaftsrechtsordnung folgenden Rechte und Pflichten der Gemeinschaftsinstitutionen, der Mitgliedstaaten und ihrer Bürger. Nur die von einer Rechtsordnung anerkannten Rechtssubjekte können in ihr Rechte und Pflichten haben. Das Gemeinschaftsrecht beruht auf völkerrechtlichen Verträgen. Rechtssubjekte des Völkerrechts sind grundsätzlich nur die Staaten. Mit der Entscheidung des EuGH, dass Rechtssubjekte der Gemeinschaft außer den Mitgliedstaaten auch die Einzelnen sind, hat die Gemeinschaft ihren rein völkerrechtlichen Charakter überwunden (EuGH Rs.&nbsp;26/62 – ''Van Gend & Loos'', Slg.&nbsp;1963, 1). Der EuGH verbindet die Eigenschaft der Einzelnen als Rechtssubjekte mit der Begründung subjektiver Rechte. Solche Rechte begründet das Gemeinschaftsrecht nicht nur in Fällen von Normen, die „ihrer Natur nach unmittelbar zwischen den Einzelnen gelten“, wie es für die Wettbewerbsregeln zutrifft. Vielmehr begründet das Gemeinschaftsrecht subjektive Rechte überall dort, wo es den Einzelnen, den Mitgliedstaaten oder den Organen der Gemeinschaft „eindeutige Verpflichtungen“ auferlegt. Eindeutige Verpflichtungen, die ohne Vorbehalt gelten, haben unmittelbare Wirkung und sind von Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten anzuwenden. Die Anwendung dieser justiziablen Normen können die Einzelnen durch die mit dem subjektiven Recht verbundene Klagebefugnis erzwingen. Das subjektive Recht folgt aus gemeinschaftsrechtlich geschützten Interessen und ist unabhängig von einem zusätzlichen subjektiven Schutzzweck. Der wichtigste Anwendungsbereich dieser subjektiven Rechte sind die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln.


Eine Wirtschaftsverfassung, die auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruht, setzt die Handlungs- und Planungsfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer voraus. Deshalb gehört das wirtschaftlich erhebliche Privatrecht in den Mitgliedstaaten, die Vertragsfreiheit wie die wirtschaftlich erheblichen Vermögensrechte, zum Substrat der EG. Dieser funktionale Zusammenhang des Gemeinschaftsrechts mit den Privatrechtsordnungen ist unabhängig von einer vorausgehenden Harmonisierung. Die subjektiven Rechte des Gemeinschaftsrechts sind nicht privatnützig und nicht gegen das Gemeinschaftsinteresse gerichtet. Daraus folgt ein wichtiger Gegensatz zum deutschen öffentlichen Recht, wo die privatnützigen subjektiven Rechte gegen das öffentliche Interesse des Staates durchzusetzen sind. In der Gemeinschaft folgen die subjektiven Rechte der Einzelnen aus ihren gemeinschaftsrechtlich geschützten Interessen und tragen zur praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bei. Sie ergänzen oder ersetzen die den Institutionen der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Verfahren und Sanktionen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten.
Zur Begründung dieses Paradigmenwechsels führt der BGH u.a. an: Das Kriterium des erfinderischen Schritts sei, wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht, ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives, daher gebe es hier wie dort kein „Maß“ für die erfinderische Leistung; die Wertungskriterien unterschieden sich nur marginal; wolle man die Ausschließlichkeit im Gebrauchsmusterrecht an eine „geringere“ erfinderische Leistung knüpfen als im Patentrecht, liefe das Gebrauchsmusterrecht Gefahr, zum Auffangbecken für nach dem Patentrecht gerade nicht Schutzfähiges zu werden. Gegen die unterschiedliche Bewertung einer erfinderischen Leistung spreche darüber hinaus, dass die Schutzwirkungen des Patents nach §§&nbsp;9, 10 PatG und des Gebrauchsmusters nach §&nbsp;11, 12a GebrMG jedenfalls im Wesentlichen die gleichen seien (BGH 20.6.2006, GRUR 2006, 845).


== 5. Grundfreiheiten ==
Nach dieser Entscheidung des BGH sind für das deutsche Recht zwei grundsätzliche Überlegungen anzustellen: Rechtfertigen ein gegenüber dem [[Patentrecht]] etwas enger definierter Schutzgegenstand und der für die Bestimmung der Neuheit und des erfinderischen Schritts = erfinderischen Tätigkeit etwas enger definierte Stand der Technik einen zusätzlich zum Patentschutz bestehenden Schutz von Erfindungen? Und, ist ein solcher, ''parallel zum Patentschutz'' zu erlangender Schutz von Erfindungen, der ''ohne sachliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen'' durch das Patent- und Markenamt allein aufgrund des Eintrags in die Gebrauchsmusterrolle zu einem sofort durchsetzbaren ausschließlichen Verbietungsrecht führt, während diese Wirkung beim Patent erst nach durchgeführter Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen und Erteilung des Patents eintritt, trotz seiner kürzeren Laufzeit, noch haltbar?
Die [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] prägen in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln die verfassungsmäßige Ordnung des Binnenmarktes ([[Wettbewerb im Binnenmarkt]]). Die dynamische Entwicklung der einzelnen Grundfreiheiten des Warenverkehrs ([[Warenverkehrsfreiheit]]), der Dienstleistungen ([[Dienstleistungsfreiheit]]), des Personenverkehrs, der Niederlassung ([[Niederlassungsfreiheit]]) und des Kapitalverkehrs ([[Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit]]) ist gekennzeichnet durch das Fortschreiten des Diskriminierungsverbots zum Beschränkungsverbot ([[Diskriminierungsverbot (allgemein)]]) und vom Bestimmungslandprinzip zum [[Herkunftslandprinzip]]. Diese Konvergenz der Grundfreiheiten schließt verschiedene Interessenkonflikte und Wertungsprobleme in Abhängigkeit von den Eigenarten der betroffenen Grundfreiheiten nicht aus. Ihre fortdauernde Eigenbedeutung folgt nicht zuletzt aus den verschiedenen, für sie geltenden Ausnahmen.


Die wichtigste allgemein geltende Ausnahme des primären Gemeinschaftsrechts gilt für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (Art.&nbsp;86(2), 16 EG/106(2), 14 AEUV). Zu prüfen ist, ob die Anwendung des Gemeinschaftsrechts die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Bisher ist es den Mitgliedstaaten nicht gelungen, einen Souveränitätsvorbehalt für diese öffentlichen Dienste anlässlich von Änderungen des Vertragsrechts durchzusetzen. Kommission und Rechtsprechung prüfen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, ob die in Anspruch genommene Ausnahme auf das unerlässliche Maß begrenzt ist.
== 3. Internationale und europäische Entwicklungen ==


Die Grundfreiheiten konkretisieren das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art.&nbsp;12 EG/18 AEUV. Rechtfertigend wirken nur solche Ausnahmen, die im EGV ausdrücklich vorgesehen sind.
Das deutsche Gebrauchsmustergesetz von 1891 war Vorreiter dieser besonderen Schutzform für Erfindungen. Inzwischen hat der Schutz von Gebrauchsmustern weite Verbreitung gefunden, auch wenn sich die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf den Schutzgegenstand (z.B. das Raumformerfordernis), die Schutzvoraussetzungen, die Schutzdauer und die Prüfung der Schutzvoraussetzungen unterscheiden. Die Entwicklung zeigt allerdings in die Richtung, dass an die Gebrauchsmusterschutzfähigkeit von Erfindungen geringere Anforderungen in Bezug auf die Neuheit (z.B. lediglich lokale Neuheit) und die „erfinderische“ Leistung gestellt werden als bei Patenten, dass die Schutzdauer tendenziell länger wird (bis zu 10&nbsp;Jahre) und der Schutz in aller Regel nach erfolgter Überprüfung der Formerfordernisse, aber ohne sachliche Überprüfung der Schutzvoraussetzungen durch Eintrag in das Register zu Stande kommt. Die Schutzvoraussetzungen werden erst im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen, z.B. in Verletzungsstreitigkeiten, oder aber auf Antrag in getrennten Löschungsverfahren geprüft. In manchen Rechtsordnungen setzt die Geltendmachung des Schutzes allerdings eine Amtsprüfung voraus. Empirische Daten zeigen, dass Gebrauchsmusterschutz ganz überwiegend von Inländern und relativ selten von ausländischen Anmeldern in Anspruch genommen wird. Unter den Mitgliedstaaten der [[Europäische Gemeinschaft|Europäischen Gemeinschaft]] verfügen lediglich Lettland, Litauen, Luxemburg, Rumänien und Schweden sowie das Vereinigte Königreich über keinen Gebrauchsmusterschutz. Außerhalb der Gemeinschaft sind das in Europa Island, Norwegen und die Schweiz. Besondere gesetzliche Regelungen sind vorhanden in Bulgarien (1993), Dänemark (1992), Estland (1994, 2002), Finnland (1995), Griechenland (1987), Italien (1940), Österreich (1994, 1998), Polen (1972, 1984), Portugal (1995), in der Slowakei (1992), in Spanien (1986), der Tschechischen Republik (1992) und Ungarn (1991). In Frankreich gibt es den Schutz in Form von Gebrauchsmusterzertifikaten – ''certificat d’utilité'' (Buch&nbsp;VI des ''Code de la Proprieté Intellectuelle'' 1992) und in Belgien (1984), Irland (1992), den Niederlanden (1995) sowie Slowenien (1992, 1993) Patente mit kurzer Laufzeit. Außerhalb Europas seien als Länder mit besonderem Gebrauchsmusterschutz lediglich genannt: Australien mit ''innovation patents'' (2001), Brasilien (1996), VR China (1984, 1992), Japan (1905, 1959, 1994), Republik Korea (1908, 1961, 1998) und Mexiko (1991).


Das Diskriminierungsverbot erfasst solche Hindernisse für den Freiverkehr nicht, die aus inhaltlich verschiedenen mitgliedstaatlichen Maßnahmen folgen. Auch solche nichtdiskriminierenden Maßnahmen können jedoch den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindern. Sie können durch ungeschriebene Ausnahmen gerechtfertigt sein, wenn und soweit sie notwendig sind, um „zwingenden Erfordernissen“ mitgliedstaatlicher öffentlicher Interessen Rechnung zu tragen (EuGH Rs.&nbsp;120/78 – ''Cassis de Dijon'', Slg.&nbsp;1979, 649, 662, Rn.&nbsp;8). Rechtfertigend wirken solche Maßnahmen nur, soweit sie im Hinblick auf den legitimen Zweck geeignet und verhältnismäßig sind.
Im Jahre 1995 hat sich auch die [[Europäische Kommission]] des Gebrauchsmusterschutzes angenommen. Im Grünbuch über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt (KOM (95) 370 endg.), das als Grundlage für umfangreiche Konsultationen in Bezug auf die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes auf europäischer Ebene dienen sollte, stellte die Kommission fest, dass folgende Gründe für diese Schutzform streiten: schnelle und einfache Eintragung, weniger stringente Schutzvoraussetzungen als für Patente, niedrigere Kosten und einstweiliger Schutz bereits während der Patenterteilungsverfahren. Darüber hinaus wurde in dem Grünbuch festgehalten, dass von den damaligen Mitgliedern der Gemeinschaft lediglich Luxemburg, Schweden und das Vereinigte Königreich keinen Gebrauchsmusterschutz vorsehen und dass die Regelungen in den anderen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Kommission stellte jedoch fest, dass alle nationalen Regelungen technische Erfindungen schützen und dieses System daher die Funktion eines „zusätzlichen Schutzes für technische Erfindungen“ erfülle, ferner, dass alle Regelungen die Registrierung (Eintragung) des Musters ohne vorherige Prüfung der Neuheit und Erfindungshöhe vorsehen, was die Erlangung des Schutzes schnell und preiswert mache. In Bezug auf die bestehenden Unterschiede identifizierte das Grünbuch drei Gruppen von Regelungen: Die erste misst die erfinderische Tätigkeit und (absolute) Neuheit im (den Patentschutz ergänzenden) Gebrauchsmusterschutz an denselben Kriterien wie im Patentrecht; die Raumform ist keine Voraussetzung für den Schutz (Belgien, Frankreich und die Niederlande); die zweite stellt an die Erfindungshöhe geringere Anforderungen als beim Patent, doch wird die Verwirklichung der Erfindung in dreidimensionaler Form gefordert (Griechenland, Finnland, Italien, Portugal und Spanien); die dritte Gruppe fordert ebenfalls eine geringere Erfindungshöhe, misst jedoch der dreidimensionalen Form entweder eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung für die Schutzfähigkeit zu (Dänemark, Irland und Österreich). Zu dieser Gruppe zählte die Kommission auch Deutschland, mit der zusätzlichen Besonderheit einer relativen Neuheit als Schutzvoraussetzung.


Soweit keine Ausnahme eingreift, sind Waren und Dienstleistungen, die in irgendeinem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr kommen, im ganzen Binnenmarkt verkehrsfähig. Dieser Übergang vom Bestimmungsland zum Herkunftslandprinzip kann zur Koexistenz verschiedener staatlicher Regulierungen führen. Der Begriff des Systemwettbewerbs hat darin seinen Ursprung.
Das Grünbuch stellte ferner fest, dass der Gebrauchsmusterschutz insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sei und dass es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen gebe. Als Hauptnutzer des Gebrauchsmustersystems wurden Maschinenbau, Elektroindustrie, Hersteller von Präzisionsinstrumenten, Optik, Spielzeugindustrie und Automobilindustrie identifiziert.  


Nach Gemeinschaftsrecht ergeben sich daraus für die Mitgliedstaaten die folgenden Optionen:
Das Grünbuch kommt zu dem Ergebnis, dass die [[Europäische Gemeinschaft]] die Pflicht habe, Schritte zu unternehmen, diese für den Binnenmarkt nachteilige Situation zu beseitigen und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Die Entwicklung der innovativen Tätigkeit in der [[Europäische Union|Europäischen Union]], die durch einen Trend zu geringerer Erfindungshöhe, größerer Sensibilität für Kosten, kürzere Produkt- und Vermarktungszyklen sowie eine kürzere Lebensdauer von Erfindungen gekennzeichnet sei, habe erhöhten Bedarf an einer Schutzform zur Folge, die einfachen und preiswerten Schutz für technische Erfindungen im gemeinsamen Markt biete. Zu den Optionen für eine etwaige Initiative der Gemeinschaft zählten die Annäherung der nationalen Schutzsysteme und die Schaffung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters.


(a)&nbsp;die Hinnahme der Koexistenz verschiedener staatlicher Regelungen mit der Folge, dass die eigenen Unternehmen an strengere Regeln gebunden sind als ihre Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten;
Am 12.12.1997 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster (KOM (97) 0691), zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 27.5.1998 Stellung genommen und das Parlament am 12.3.1999 eine legislative Entschließung verabschiedet hat. Am 28.6.1999 hat die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag vorgelegt (KOM(1999) 309 endg.). In den Erwägungsgründen dieses Vorschlages ist nachzulesen, dass es vor allem wichtig sei, kleine und mittlere Unternehmen in die Lage zu versetzen, innovativ zu sein und schnell auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Besonders kleine und mittlere Betriebe sowie Forscher müssten sich daher eines Instruments bedienen können, das kostengünstig sei und sich leicht und schnell überprüfen lasse. Gemessen an diesen Kriterien scheine der Gebrauchsmusterschutz gegenüber dem Patentschutz vor allem für technische Erfindungen mit einer spezifischen Erfindungshöhe die bessere Lösung zu sein. Was den schutzfähigen Gegenstand angeht, so sah der Vorschlag den Schutz ''sowohl für'' ''Erzeugnisse als auch für Verfahren'' vor, schloss aber vom Schutz, über die im Patentrecht vorgesehenen Ausschlüsse hinaus, auch ''Erfindungen betreffend biologisches Material und generell Erfindungen betreffend chemische oder pharmazeutische Stoffe und Verfahren sowie Erfindungen betreffend Computerprogramme'' aus (Art.&nbsp;4(b), (c), (d)). Die Schutzvoraussetzungen stimmten mit denen des Patentrechts bis auf die der erfinderischen Tätigkeit überein. Letztere sah Art.&nbsp;6 als gegeben an, „wenn der Anmelder … in verständlicher und nachvollziehbarer Weise erklärt, dass die Erfindung gemessen am Stand der Technik folgendes aufweist: a)&nbsp;eine besondere Funktionstüchtigkeit, entweder in Form einer vereinfachten Verwendung oder Handhabung b)&nbsp;oder einen praktischen oder gewerblichen Vorteil.“ Die Eintragung des Gebrauchsmusters sollte lediglich aufgrund der Prüfung der Formerfordernisse ohne Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen erfolgen (Art.&nbsp;15). Den Mitgliedstaaten sollte es aber unbenommen bleiben, die Erstellung eines ansonsten im Ermessen des Anmelders zu beantragenden Recherchenberichts, im Falle einer Verletzungsklage zwingend vorzuschreiben (Art.&nbsp;16 (1), (4)). Die maximale Schutzdauer war auf zehn Jahre begrenzt (Art.&nbsp;19) und die Kumulierung des Schutzes durch ein Patent und ein Gebrauchsmuster für dieselbe Erfindung erlaubt (Art.&nbsp;22).


(b)&nbsp;die Anpassung der eigenen Regelung, um eine gleichwertige Regelung im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten herzustellen;
Wie sich aus dem von der EU-Kommission am 26.7.2001 veröffentlichten Arbeitsdokument „Sondierung der Auswirkungen eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters zur Aktualisierung des Grünbuchs über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt“ (SEK(2001) 1307) ergibt, hat die Kommission die Arbeiten an dem geänderten Richtlinienvorschlag seit März 2000 ausgesetzt, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich dafür ausgesprochen hatte, den Arbeiten am Gemeinschaftspatent Vorrang einzuräumen. Drei Viertel der auf die „Sondierung“ Antwortenden sprach sich darauf hin gegen die Einführung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters aus, und in der Mehrzahl dieser Antworten wurde die Kommission aufgefordert, „alle Gebrauchsmusterinitiativen aufzugeben“. Die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Richtlinie wurde nur vereinzelt befürwortet. Damit dürfte feststehen, dass es in der Europäischen Gemeinschaft auf absehbare Zeit weder einen EU-weit harmonisierten noch einen Gemeinschaftsgebrauchsmusterschutz geben wird.
 
(c)&nbsp;die Teilnahme an der Rechtsangleichung nach Art.&nbsp;95(1) EG/114(1) AEUV, vor allem im Hinblick auf solche mitgliedstaatlichen Regulierungen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Schutz zwingender Erfordernisse gerechtfertigt sind und dadurch den Freiverkehr behindern;
 
(d)&nbsp;im Falle von Mehrheitsentscheidungen im Rat (Art.&nbsp;95(4) EG/114(4) AEUV), das Recht, fortbestehende Hindernisse aufrechtzuerhalten, die durch Art.&nbsp;30 EG/36 AEUV oder durch Gründe der Arbeit, Umwelt und des Umweltschutzes gerechtfertigt sind.
 
Im Wettbewerb der Regulierungssysteme sind es allein die Staaten, die politisch reagieren können. Der Mitgliedstaat, für dessen Angehörige strengere Vorschriften gelten, muss entscheiden, ob er den Systemwettbewerb zulassen, sein eigenes Recht autonom ändern oder auf Gemeinschaftsebene die Rechtsangleichung betreiben will. Das Herkunftslandprinzip fördert mithin nicht nur den ökonomischen Wettbewerb, es dynamisiert zugleich die politischen Prozesse in der Gemeinschaft.
 
Eine Begleiterscheinung gemeinschaftsrechtlicher Marktöffnung bei fortbestehenden unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Regulierungen ist die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum streitig erörterte „umgekehrte Diskriminierung“. Das Gemeinschaftsrecht zwingt die Mitgliedstaaten nicht, eine Schlechterstellung ihrer eigenen Staatsangehörigen abzustellen.
 
Besonderheiten gelten für die seit der Wirtschafts- und Währungsunion auch im Verhältnis zu Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit (Art.&nbsp;56 EG/63 AEUV). Für das Privatrecht ist die Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit von potentiell besonders weittragender Bedeutung, weil sie u.a. auf solche mitgliedstaatlichen Regelungen anwendbar ist, die geeignet sind, den Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen zu verhindern oder Anleger aus anderen Mitgliedstaaten abzuschrecken (EuGH Rs. C&nbsp;112/05 – ''Kommission/Bundesrepublik'', Slg. 2007, I-8995). Auch hier können „zwingende Erfordernisse“ in den Mitgliedstaaten rechtfertigend wirken. Die überaus weitreichende Frage, ob zwingende Normen des unterschiedslos anwendbaren nationalen Gesellschaftsrechts beschränkend wirken können und gegebenenfalls zu rechtfertigen sind, ist bisher nicht entschieden.
 
== 6. Verfassungsmäßige Ordnung der Wirtschaft ==
Die verfassungsmäßige Ordnung der Wirtschaft ist in der Gemeinschaft gekennzeichnet durch den systematischen Zusammenhang von Binnenmarkt und Wettbewerbssystem. Den Mitgliedstaaten ist die Herrschaft über den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr entzogen. Wirtschaftspolitische Ziele der Mitgliedstaaten begründen keine Ausnahmen vom Freiverkehr. Die vom EuGH in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegte systematische Einheit der wettbewerblichen Gesamtordnung trifft mit Überschneidungen in den Anwendungsbereichen der verschiedenen Normen und mit der Differenzierung in der Rechtstellung der Normadressaten zusammen. Die Maßstäbe, die in solchen Fällen übergreifend für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts bei Konflikten mit dem Recht der Mitgliedstaaten oder innerhalb des Gemeinschaftsrechts gelten, sind ein Prüfstein für die Wirtschaftsverfassung.
 
Das Verhältnis der staatsbezogenen zu den unternehmensbezogenen Normen des Gemeinschaftsrechts wird geprägt durch seine Unabhängigkeit von dem in den Mitgliedstaaten vorgefundenen Gegensatz von öffentlichem Recht und Privatrecht. Die gleichmäßige und effektive Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verbindet sich mit der Konkretisierung privatrechtlicher Ordnungsprinzipien, die den wettbewerblichen Austauschprozess kennzeichnen. Angebot und Nachfrage begegnen sich nicht in einem rechtsfreien Raum. Die Teilnehmer kooperieren durch privatrechtliche Verträge, die ihrerseits Teil des Wettbewerbsprozesses sind. Die folgenden notwendig beispielhaften Tatbestandsgruppen sind repräsentativ für diesen Zusammenhang.
 
Der EG-Vertrag lässt die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt (Art.&nbsp;295 EG/345 AEUV). Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Normen des Gemeinschaftsrechts trotzdem auf die Ausübung von Eigentumsrechten durch private Rechtsinhaber (gewerbliche Schutzrechte) wie auf den Staat als Eigentümer öffentlicher Unternehmen anwendbar. Über den Charakter der Wirtschaftsordnung entscheidet nicht das Eigentum an Produktionsmitteln, sondern das Koordinationsprinzip des Wettbewerbs.
 
Adressaten der Wettbewerbsregeln sind Unternehmen. Die funktionale Interpretation des Unternehmensbegriffs führt dazu, dass die Wettbewerbsregeln auf den Staat als solchen, auf seine Untergliederungen und auf öffentlich-rechtliche Organisationen immer dann anwendbar sind, wenn sie am Wirtschaftsverkehr teilnehmen.
 
Das aus den Grundfreiheiten abgeleitete Vergaberecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihr Beschaffungswesen so zu organisieren, dass es der privaten wettbewerblichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen möglichst nahekommt. Die Bieter werden durch zwingend gebotenen Rechtsschutz vor Diskriminierungen und der Willkür der staatlichen oder staatlich beeinflussten Nachfrager geschützt. Die Wettbewerbsregeln sind neben dem regulierten Vergabeverfahren ([[Vergaberecht]]) anwendbar.
 
Ist auf die Kapitalbeteiligung des Staates an privaten Unternehmen das Verbot wettbewerbsverfälschender Beihilfen anwendbar, so ist zu prüfen, ob die Bedingungen denen entsprechen, die auch ein privater Kapitalgeber auf dem Markt akzeptiert haben würde (''market economy investor principle'').
 
Soweit die Marktstrukturen, z.B. in der Telekommunikation oder in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, die Herstellung von Wettbewerb nicht ermöglichen, orientieren sich die notwendig bleibenden Regulierungen auf Gemeinschaftsebene und in den Mitgliedstaaten am Ordnungsprinzip des Wettbewerbs.


==Literatur==
==Literatur==
''Franz Böhm'', Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, 1950;'' Jürgen Basedow'','' ''Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992;'' Peter Behrens'','' ''Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft, in: Gert Brüggemeier (Hg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994, 73&nbsp;ff;'' Frank H. Knight'', The Ethics of Competition, 1997; ''Peter-Christian Müller-Graff'', Die wettbewerbsverfasste Marktwirtschaft als gemeineuropäisches Verfassungsprinzip? Europarecht 1997, 433&nbsp;ff.; ''Werner Mussler'', Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft im Wandel, 1998;'' Viktor J. Vanberg'', Konstitutionenökonomische Überlegungen zum Konzept der Wettbewerbsfreiheit, ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 52 (2001) 37&nbsp;ff.;'' Armin Hatje'', Wirtschaftsverfassung, in: Armin von Bogdandy (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2003, 683&nbsp;ff.;'' Walter Eucken'', Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 7.&nbsp;Aufl. 2004, 291&nbsp;ff.;'' Amartya Sen'', On Ethics and Economics, 2005;'' Ernst-Joachim Mestmäcker'', Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, 2.&nbsp;Aufl. 2006; ''Andreas Kellerhals'', Wirtschaftsrecht und europäische Integration, 2006; ''Peter Badura'','' ''Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 3.&nbsp;Aufl. 2008.
''Rudolf Kraßer'', Die Entwicklung des Gebrauchsmusterrechts in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd.&nbsp;I, 1991, 617&nbsp;ff.; ''Guenter Weitzel'', Pilotstudie: Die wirtschaftliche Bedeutung des Gebrauchsmusterschutzes in der Europäischen Union, 1993; ''Rudolf Kraßer'', Gebrauchsmuster unter internationalem und europäischem Aspekt, in: Johann Adrian, Wilhelm Nordemann, Artur-Axel Wandtke (Hg.), Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, 1996, 73&nbsp;ff.; ''Rudolf Kraßer'', Neuere Entwicklungen des Gebrauchsmusterrechts in Europa, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 527&nbsp;ff.; ''Takeyuki Iwai'', Modalities of Future Utility Model System, IIP Bulletin 2004, 38&nbsp;ff.; ''Hans-Friedrich Loth'', Gebrauchsmustergesetz, 2001; ''Alfred Keukenschrijver'', Gebrauchsmustergesetz, in: Rudolf Busse, Patentgesetz, 6.&nbsp;Aufl. 2003, 1545&nbsp;ff.; ''Peter Mes'', Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''Frank Peter Goebel'', Der erfinderische Schritt, 2005; ''Frank Peter Goebel'', Gebrauchsmustergesetz in: Georg Benkard, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10.&nbsp;Aufl. 2006, 1561&nbsp;ff; ''Rudolf Kraßer'', Wird der Gebrauchsmusterschutz noch gebraucht?, in: Festschrift für Ulrich Loewenheim, 2009, 157&nbsp;ff.


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Version vom 14. September 2016, 16:37 Uhr

von Joseph Straus

1. Gegenstand und Zweck

Nach § 1 Abs. 1 des deutschen Gebrauchsmustergesetzes (GebrMG) werden als Gebrauchsmuster Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Damit wird der Eindruck erweckt, als solle mit dem Begriff „Gebrauchsmuster“ der Gegenstand des Schutzes bezeichnet werden, während in der Tat Erfindungen, welche die genannten Schutzvoraussetzungen erfüllen, den Gegenstand des Schutzrechts „Gebrauchsmuster“ darstellen. Wie Patente (Patentrecht) so bilden auch Gebrauchsmuster einen Gegenstand des Schutzes des gewerblichen Eigentums i.S.v. Art. 1(1) der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) und Art. 36 EG/‌42 AEUV. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters in einem Verbandsland der PVÜ begründet ein zwölfmonatiges Prioritätsrecht für Nachanmeldungen in anderen Verbandsländern (Art. 4A und 4C PVÜ). Im Übrigen sichert die PVÜ in Bezug auf Gebrauchsmuster lediglich die Inländerbehandlung (Art. 2(1) PVÜ), aber keine Mindestrechte, die über das Prioritätsrecht hinausgehen. Im Internationalen Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS; Geistiges Eigentum) sucht man nach den Begriffen „Gebrauchsmuster“, „utility model“, „certificat d’utilité“, „modello de utilitad“ gar vergeblich.

Historisch betrachtet wurde Gebrauchsmusterschutz in Deutschland als Ergänzung des Geschmacksmuster- und des Patentschutzes eingeführt. Einerseits verweigerte das Reichsoberhandelsgericht (3.9.1878, ROHGE 24, 109) Mustern und Modellen, die keinem „ästhetischen“, sondern einem Gebrauchszweck dienen sollten, einen Schutz nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.1.1876. Andererseits war für Muster und Modelle mit Gebrauchszweck der Patentschutz nach dem Gesetz vom 25.5.1877 mit der darin verankerten Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen zu kostspielig. Darüber hinaus wurde früh erkannt, dass viele Gebrauchsmuster und Modelle die über die Neuheit hinausgehenden Voraussetzungen des Patentschutzes kaum würden erfüllen können.

Um dem Bedürfnis von kleinen und mittleren Gewerbetreibenden nach einem preiswerten und einfach zu erlangenden Schutz für weniger bedeutende Neuerungen mit Gebrauchszweck gerecht zu werden, verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 1.6.1891 das Gebrauchsmustergesetz, das am 1.10.1891 in Kraft trat. Es führte einen Schutz ein für „Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Teilen derselben, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen“ (§ 1 Abs. 1). Der Schutz, der durch ordnungsgemäße Eintragung beim Patentamt allein, d.h. ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen, begründet wurde, war auf höchstens sechs Jahre, ab Anmeldung gerechnet, begrenzt. Auch wenn das Gesetz den Schutz von Gebrauchsmustern in die Nähe des Patentschutzes rückte und sich in der Praxis als Gegenstand des Schutzes die Erfindung im Sinne einer technischen Lehre durchsetzte, setzte der Schutz eine „Raumform“, d.h. eine „neue körperliche Formgestaltung“ voraus und war auf Verfahren nicht anwendbar. Das Erfordernis der „Raumform“ wurde erst 1990 durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) gestrichen (BGH 17.2. 2004, BGHZ 158, 142). Obwohl im Gesetz nur von einer „neuen körperlichen Formgestaltung“ die Rede war, bildete sich bald die Auffassung heraus, dass die Neuheit allein als Schutzvoraussetzung nicht ausreiche, sondern dazu zusätzlich noch etwas Fortschrittlich-Neues hinzukommen müsse, ohne bereits erfinderisch zu sein.

2. Verhältnis zum Patentschutz

In seiner jetzigen, seit dem 1.1.1987 geltenden Fassung weist der deutsche Gebrauchsmusterschutz viele Gemeinsamkeiten mit dem Patentschutz auf. Er hat Erfindungen, d.h. technische Lehren zum Gegenstand, ist ein zeitlich und räumlich begrenztes ausschließliches Recht, das dem Erstanmelder den Vorrang einräumt und Sperrwirkung entfaltet. Auch das Gebrauchsmuster wirkt also gegenüber Dritten, die die Erfindung selbständig und unabhängig zu Wege gebracht haben, diese aber entweder nicht oder erst später zum Patent oder Gebrauchsmuster beim Patent- und Markenamt angemeldet haben. Ein und dieselbe Erfindung kann, da die Kumulierung des Schutzes erlaubt ist, sowohl mit einem Patent als auch mit einem Gebrauchsmuster geschützt werden, wobei das jeweilige Recht entweder aufgrund unabhängig voneinander eingereichter Anmeldungen oder aufgrund einer sog. Abzweigung, d.h. einer mit der Gebrauchsmusteranmeldung einzureichenden Erklärung, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird (§ 5 GbrMG), entstehen kann. Trotz dieser Gemeinsamkeiten besteht aber zwischen den beiden Schutzrechten eine Reihe von bedeutenden Unterschieden.

Was den geschützten Gegenstand betrifft, so sind vom Gebrauchsmusterschutz zusätzlich zu den vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenständen und Erfindungen auch biotechnologische Erfindungen ausgeschlossen, d.h. Erzeugnisse, die aus biologischem Material bestehen oder dieses enthalten (§ 1 Abs. 2 PatG), und Verfahren ganz generell (§§ 1, 2 GebrMG).

Der Stand der Technik, der die Neuheit eines Gebrauchsmusters als Schutzvoraussetzung bestimmt, unterscheidet sich von dem für das Patent relevanten Stand zum einen dadurch, dass mündliche Offenbarungen und die Benutzung außerhalb des Geltungsbereichs nicht zählen; ebenso wenig zählt (zum anderen) die innerhalb von sechs Monaten vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzung, die auf der Ausarbeitung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht; dementsprechend ist bei Anmeldungen, die eine Unionspriorität in Anspruch nehmen, der Prioritätstag maßgeblich (Neuheitsschonfrist; § 3 Abs. 1 GebrMG).

Wie eingangs ausgeführt, fordert § 1 Abs. 1 GebrMG neben der Neuheit als Schutzvoraussetzung, dass die Erfindung gewerblich anwendbar ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht. Während aber § 3 Abs. 2 GebrMG wie § 5 PatG Erfindungen als gewerblich anwendbar definieren, wenn sie auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden können, lässt es das GebrMG, anders als § 4 PatG für das Patent, offen, wann eine Erfindung auf einem erfinderischen Schritt beruht. Seit der Einführung des Gebrauchsmusterschutzes im Jahre 1891 sind Rechtsprechung und Literatur, mit wenigen Ausnahmen, allgemein davon ausgegangen, dass für die Gewährung des Gebrauchsmusterschutzes ein gegenüber einem Patent geringeres Maß an Erfindungshöhe ausreiche (RG 25.1.1908, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1908, 188, 189). Der Gesetzgeber brachte dies in der Neufassung des Gebrauchsmustergesetzes von 1986 durch die differenzierte Formulierung „erfinderischer Schritt“ anstatt „erfinderische Tätigkeit“ auch explizit zum Ausdruck. Die Voraussetzung einer geringeren Erfindungshöhe sollte es insbesondere kleineren und mittleren Gewerbetreibenden ermöglichen, einen kostengünstigen und einfach zu erreichenden, wenn auch kürzeren Schutz für geringere Erfindungen zu erlangen, sie dadurch zu innovativem Verhalten anspornen und die dazu notwendigen Investitionen absichern. Das Bundespatentgericht hat z.B. das Vorliegen eines erfinderischen Schritts bejaht, wenn der Fachmann die Erfindung nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei Berücksichtigung des Standes der Technik ohne Weiteres finden kann (BPatG 13.2.2003, GRUR 2004, 852) oder wenn die Lösung für den Fachmann zwar nahelag, er sich aber eingehend mit den technischen Gegebenheiten auseinandersetzen musste, um sie aufzufinden (BPatG 2.8.2000, Mitt. 2002, 46).

Diesem Grundverständnis des Gebrauchsmusterschutzes hat der Bundesgerichtshof 2006 ein Ende bereitet, in dem er in einem amtlichen Leitsatz feststellte:

„Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in § 3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einen erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten.“ (BGH 20.6.2006, BGHZ 168, 142).

Zur Begründung dieses Paradigmenwechsels führt der BGH u.a. an: Das Kriterium des erfinderischen Schritts sei, wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht, ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives, daher gebe es hier wie dort kein „Maß“ für die erfinderische Leistung; die Wertungskriterien unterschieden sich nur marginal; wolle man die Ausschließlichkeit im Gebrauchsmusterrecht an eine „geringere“ erfinderische Leistung knüpfen als im Patentrecht, liefe das Gebrauchsmusterrecht Gefahr, zum Auffangbecken für nach dem Patentrecht gerade nicht Schutzfähiges zu werden. Gegen die unterschiedliche Bewertung einer erfinderischen Leistung spreche darüber hinaus, dass die Schutzwirkungen des Patents nach §§ 9, 10 PatG und des Gebrauchsmusters nach § 11, 12a GebrMG jedenfalls im Wesentlichen die gleichen seien (BGH 20.6.2006, GRUR 2006, 845).

Nach dieser Entscheidung des BGH sind für das deutsche Recht zwei grundsätzliche Überlegungen anzustellen: Rechtfertigen ein gegenüber dem Patentrecht etwas enger definierter Schutzgegenstand und der für die Bestimmung der Neuheit und des erfinderischen Schritts = erfinderischen Tätigkeit etwas enger definierte Stand der Technik einen zusätzlich zum Patentschutz bestehenden Schutz von Erfindungen? Und, ist ein solcher, parallel zum Patentschutz zu erlangender Schutz von Erfindungen, der ohne sachliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen durch das Patent- und Markenamt allein aufgrund des Eintrags in die Gebrauchsmusterrolle zu einem sofort durchsetzbaren ausschließlichen Verbietungsrecht führt, während diese Wirkung beim Patent erst nach durchgeführter Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen und Erteilung des Patents eintritt, trotz seiner kürzeren Laufzeit, noch haltbar?

3. Internationale und europäische Entwicklungen

Das deutsche Gebrauchsmustergesetz von 1891 war Vorreiter dieser besonderen Schutzform für Erfindungen. Inzwischen hat der Schutz von Gebrauchsmustern weite Verbreitung gefunden, auch wenn sich die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf den Schutzgegenstand (z.B. das Raumformerfordernis), die Schutzvoraussetzungen, die Schutzdauer und die Prüfung der Schutzvoraussetzungen unterscheiden. Die Entwicklung zeigt allerdings in die Richtung, dass an die Gebrauchsmusterschutzfähigkeit von Erfindungen geringere Anforderungen in Bezug auf die Neuheit (z.B. lediglich lokale Neuheit) und die „erfinderische“ Leistung gestellt werden als bei Patenten, dass die Schutzdauer tendenziell länger wird (bis zu 10 Jahre) und der Schutz in aller Regel nach erfolgter Überprüfung der Formerfordernisse, aber ohne sachliche Überprüfung der Schutzvoraussetzungen durch Eintrag in das Register zu Stande kommt. Die Schutzvoraussetzungen werden erst im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen, z.B. in Verletzungsstreitigkeiten, oder aber auf Antrag in getrennten Löschungsverfahren geprüft. In manchen Rechtsordnungen setzt die Geltendmachung des Schutzes allerdings eine Amtsprüfung voraus. Empirische Daten zeigen, dass Gebrauchsmusterschutz ganz überwiegend von Inländern und relativ selten von ausländischen Anmeldern in Anspruch genommen wird. Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft verfügen lediglich Lettland, Litauen, Luxemburg, Rumänien und Schweden sowie das Vereinigte Königreich über keinen Gebrauchsmusterschutz. Außerhalb der Gemeinschaft sind das in Europa Island, Norwegen und die Schweiz. Besondere gesetzliche Regelungen sind vorhanden in Bulgarien (1993), Dänemark (1992), Estland (1994, 2002), Finnland (1995), Griechenland (1987), Italien (1940), Österreich (1994, 1998), Polen (1972, 1984), Portugal (1995), in der Slowakei (1992), in Spanien (1986), der Tschechischen Republik (1992) und Ungarn (1991). In Frankreich gibt es den Schutz in Form von Gebrauchsmusterzertifikaten – certificat d’utilité (Buch VI des Code de la Proprieté Intellectuelle 1992) und in Belgien (1984), Irland (1992), den Niederlanden (1995) sowie Slowenien (1992, 1993) Patente mit kurzer Laufzeit. Außerhalb Europas seien als Länder mit besonderem Gebrauchsmusterschutz lediglich genannt: Australien mit innovation patents (2001), Brasilien (1996), VR China (1984, 1992), Japan (1905, 1959, 1994), Republik Korea (1908, 1961, 1998) und Mexiko (1991).

Im Jahre 1995 hat sich auch die Europäische Kommission des Gebrauchsmusterschutzes angenommen. Im Grünbuch über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt (KOM (95) 370 endg.), das als Grundlage für umfangreiche Konsultationen in Bezug auf die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes auf europäischer Ebene dienen sollte, stellte die Kommission fest, dass folgende Gründe für diese Schutzform streiten: schnelle und einfache Eintragung, weniger stringente Schutzvoraussetzungen als für Patente, niedrigere Kosten und einstweiliger Schutz bereits während der Patenterteilungsverfahren. Darüber hinaus wurde in dem Grünbuch festgehalten, dass von den damaligen Mitgliedern der Gemeinschaft lediglich Luxemburg, Schweden und das Vereinigte Königreich keinen Gebrauchsmusterschutz vorsehen und dass die Regelungen in den anderen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Kommission stellte jedoch fest, dass alle nationalen Regelungen technische Erfindungen schützen und dieses System daher die Funktion eines „zusätzlichen Schutzes für technische Erfindungen“ erfülle, ferner, dass alle Regelungen die Registrierung (Eintragung) des Musters ohne vorherige Prüfung der Neuheit und Erfindungshöhe vorsehen, was die Erlangung des Schutzes schnell und preiswert mache. In Bezug auf die bestehenden Unterschiede identifizierte das Grünbuch drei Gruppen von Regelungen: Die erste misst die erfinderische Tätigkeit und (absolute) Neuheit im (den Patentschutz ergänzenden) Gebrauchsmusterschutz an denselben Kriterien wie im Patentrecht; die Raumform ist keine Voraussetzung für den Schutz (Belgien, Frankreich und die Niederlande); die zweite stellt an die Erfindungshöhe geringere Anforderungen als beim Patent, doch wird die Verwirklichung der Erfindung in dreidimensionaler Form gefordert (Griechenland, Finnland, Italien, Portugal und Spanien); die dritte Gruppe fordert ebenfalls eine geringere Erfindungshöhe, misst jedoch der dreidimensionalen Form entweder eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung für die Schutzfähigkeit zu (Dänemark, Irland und Österreich). Zu dieser Gruppe zählte die Kommission auch Deutschland, mit der zusätzlichen Besonderheit einer relativen Neuheit als Schutzvoraussetzung.

Das Grünbuch stellte ferner fest, dass der Gebrauchsmusterschutz insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sei und dass es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen gebe. Als Hauptnutzer des Gebrauchsmustersystems wurden Maschinenbau, Elektroindustrie, Hersteller von Präzisionsinstrumenten, Optik, Spielzeugindustrie und Automobilindustrie identifiziert.

Das Grünbuch kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäische Gemeinschaft die Pflicht habe, Schritte zu unternehmen, diese für den Binnenmarkt nachteilige Situation zu beseitigen und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Die Entwicklung der innovativen Tätigkeit in der Europäischen Union, die durch einen Trend zu geringerer Erfindungshöhe, größerer Sensibilität für Kosten, kürzere Produkt- und Vermarktungszyklen sowie eine kürzere Lebensdauer von Erfindungen gekennzeichnet sei, habe erhöhten Bedarf an einer Schutzform zur Folge, die einfachen und preiswerten Schutz für technische Erfindungen im gemeinsamen Markt biete. Zu den Optionen für eine etwaige Initiative der Gemeinschaft zählten die Annäherung der nationalen Schutzsysteme und die Schaffung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters.

Am 12.12.1997 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster (KOM (97) 0691), zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 27.5.1998 Stellung genommen und das Parlament am 12.3.1999 eine legislative Entschließung verabschiedet hat. Am 28.6.1999 hat die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag vorgelegt (KOM(1999) 309 endg.). In den Erwägungsgründen dieses Vorschlages ist nachzulesen, dass es vor allem wichtig sei, kleine und mittlere Unternehmen in die Lage zu versetzen, innovativ zu sein und schnell auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Besonders kleine und mittlere Betriebe sowie Forscher müssten sich daher eines Instruments bedienen können, das kostengünstig sei und sich leicht und schnell überprüfen lasse. Gemessen an diesen Kriterien scheine der Gebrauchsmusterschutz gegenüber dem Patentschutz vor allem für technische Erfindungen mit einer spezifischen Erfindungshöhe die bessere Lösung zu sein. Was den schutzfähigen Gegenstand angeht, so sah der Vorschlag den Schutz sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren vor, schloss aber vom Schutz, über die im Patentrecht vorgesehenen Ausschlüsse hinaus, auch Erfindungen betreffend biologisches Material und generell Erfindungen betreffend chemische oder pharmazeutische Stoffe und Verfahren sowie Erfindungen betreffend Computerprogramme aus (Art. 4(b), (c), (d)). Die Schutzvoraussetzungen stimmten mit denen des Patentrechts bis auf die der erfinderischen Tätigkeit überein. Letztere sah Art. 6 als gegeben an, „wenn der Anmelder … in verständlicher und nachvollziehbarer Weise erklärt, dass die Erfindung gemessen am Stand der Technik folgendes aufweist: a) eine besondere Funktionstüchtigkeit, entweder in Form einer vereinfachten Verwendung oder Handhabung b) oder einen praktischen oder gewerblichen Vorteil.“ Die Eintragung des Gebrauchsmusters sollte lediglich aufgrund der Prüfung der Formerfordernisse ohne Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen erfolgen (Art. 15). Den Mitgliedstaaten sollte es aber unbenommen bleiben, die Erstellung eines ansonsten im Ermessen des Anmelders zu beantragenden Recherchenberichts, im Falle einer Verletzungsklage zwingend vorzuschreiben (Art. 16 (1), (4)). Die maximale Schutzdauer war auf zehn Jahre begrenzt (Art. 19) und die Kumulierung des Schutzes durch ein Patent und ein Gebrauchsmuster für dieselbe Erfindung erlaubt (Art. 22).

Wie sich aus dem von der EU-Kommission am 26.7.2001 veröffentlichten Arbeitsdokument „Sondierung der Auswirkungen eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters zur Aktualisierung des Grünbuchs über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt“ (SEK(2001) 1307) ergibt, hat die Kommission die Arbeiten an dem geänderten Richtlinienvorschlag seit März 2000 ausgesetzt, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich dafür ausgesprochen hatte, den Arbeiten am Gemeinschaftspatent Vorrang einzuräumen. Drei Viertel der auf die „Sondierung“ Antwortenden sprach sich darauf hin gegen die Einführung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters aus, und in der Mehrzahl dieser Antworten wurde die Kommission aufgefordert, „alle Gebrauchsmusterinitiativen aufzugeben“. Die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Richtlinie wurde nur vereinzelt befürwortet. Damit dürfte feststehen, dass es in der Europäischen Gemeinschaft auf absehbare Zeit weder einen EU-weit harmonisierten noch einen Gemeinschaftsgebrauchsmusterschutz geben wird.

Literatur

Rudolf Kraßer, Die Entwicklung des Gebrauchsmusterrechts in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. I, 1991, 617 ff.; Guenter Weitzel, Pilotstudie: Die wirtschaftliche Bedeutung des Gebrauchsmusterschutzes in der Europäischen Union, 1993; Rudolf Kraßer, Gebrauchsmuster unter internationalem und europäischem Aspekt, in: Johann Adrian, Wilhelm Nordemann, Artur-Axel Wandtke (Hg.), Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, 1996, 73 ff.; Rudolf Kraßer, Neuere Entwicklungen des Gebrauchsmusterrechts in Europa, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 527 ff.; Takeyuki Iwai, Modalities of Future Utility Model System, IIP Bulletin 2004, 38 ff.; Hans-Friedrich Loth, Gebrauchsmustergesetz, 2001; Alfred Keukenschrijver, Gebrauchsmustergesetz, in: Rudolf Busse, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, 1545 ff.; Peter Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 2. Aufl. 2005; Frank Peter Goebel, Der erfinderische Schritt, 2005; Frank Peter Goebel, Gebrauchsmustergesetz in: Georg Benkard, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl. 2006, 1561 ff; Rudolf Kraßer, Wird der Gebrauchsmusterschutz noch gebraucht?, in: Festschrift für Ulrich Loewenheim, 2009, 157 ff.

Abgerufen von Europäische Wirtschaftsverfassung – HWB-EuP 2009 am 16. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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