Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament und Vertrag zugunsten Dritter: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck; Terminologie ==
In vielen europäischen Staaten gibt es neben dem [[Testament]] zwei weitere Arten von Verfügungen von Todes wegen, den Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament. Ein Erbvertrag ist ein vertraglich bindendes, d.h. nicht frei widerrufliches, zweiseitiges Rechtsgeschäft, das mindestens eine Verfügung von Todes wegen enthält. Kein Erbvertrag im hier verstandenen Sinne ist der Erbverzichtsvertrag (teilweise „renuntiativer Erbvertrag“ genannt), mit dem ein zukünftiger Erbe auf erbrechtliche Ansprüche verzichtet. Problematisch ist die Abgrenzung zur Schenkung von Todes wegen: Hierbei handelt es sich um ein Schenkungsversprechen, dessen Vollziehbarkeit unter der Bedingung des Todes des Schenkers steht. Aufgrund der identischen Wirkungen kann man ein solches Rechtsgeschäft auch als Erbvertrag einordnen (so unter bestimmten Voraussetzungen Deutschland: § 2301 Abs. 1 BGB und die Schweiz: Art. 245 Abs. 2 OR). Einige Rechtsordnungen, die keinen Erbvertrag kennen, lassen vor allem im Zusammenhang mit Eheverträgen vertragliche Verfügungen von Todes wegen zu (Frankreich, Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, bis 2003 auch die Niederlande). Diese Gestaltungsmöglichkeit wird gesetzessystematisch dann meist als eine ausnahmsweise gestattete Schenkung von Todes wegen eingeordnet (anders in Portugal, vgl. Art. 1700 ''Código civil'').
Durch einen Vertrag zugunsten Dritter vereinbaren die Parteien, dass eine dritte Person gegen eine der Parteien ein Recht auf Leistung erwirbt. Die dritte Person wird als „Begünstigter“ oder „Dritter“ (''beneficiary'', ''tiers''), die zur Leistung an den Dritten verpflichtete Partei als „Versprechender“ (''promisor'', ''promettant'') und die mit dem Versprechenden kontrahierende Partei als „Versprechensempfänger“ (''promisee'', ''stipulant'') bezeichnet. Die Bezeichnungen der Vertragsparteien deuten auf den historischen Vorläufer des Vertrags zugunsten Dritter im römischen Recht, die Kategorie des „Versprechens zugunsten eines anderen“ (''stipulatio alteri'') hin. Diese Terminologie spiegelt sich noch heute im französischen Recht wieder, wo das Rechtsinstitut gewöhnlich im Einklang mit der Terminologie des ''[[Code civil]]'' als ''stipulation pour autrui'' und nur im Ausnahmefall als ''contrat'' ''conclu'' ''pour'' ''autrui'' bezeichnet wird. Der Begriff „Vertrag zugunsten Dritter“ entwickelte sich erst in der deutschen Rechtssprache des 18. Jahrhunderts, und noch im [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] ist der einschlägige Titel mit „Versprechen der Leistung an einen Dritten“ überschrieben ([[Versprechen]]). Ähnlich verhält es sich im ''[[Codice civile]]''. Dort ist die zentrale Vorschrift mit ''contratto in favore di terzi'' überschrieben, der Normtext spricht aber von der ''stipulazione a favore di un terzo''. Die schottische Rechtssprache rückt das „vom Dritten erworbene Recht“ in den Vordergrund und spricht vom ''jus quaesitum tertio''. Im englischen Recht hat sich dagegen die Bezeichung ''contract for the benefit of a third party'' oder ''contract in favour of a third party'' durchgesetzt.


Das gemeinschaftliche Testament kommt in unterschiedlichen Erscheinungsformen vor und steht je nach Ausgestaltung entweder einem [[Testament]] oder einem Erbvertrag näher. Zunächst gibt es das sog. gleichzeitige gemeinschaftliche Testament (''testamentum mere simultaneum''), bei dem äußerlich die beiden Verfügungen (in der Regel in einer Urkunde) zusammengefasst sind, aber inhaltlich – wie bei zwei getrennten einfachen Testamenten – zusammenhanglos nebeneinander stehen. Bei dem sog. ''testamentum reciprocum'' bedenken sich die Ehegatten gegenseitig, so dass ein gewisser, wenn auch schwacher, inhaltlicher Zusammenhang besteht. Demgegenüber liegt ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament (''testamentum correspectivum'') dann vor, wenn die letztwillige Verfügung des einen Testierenden in ihrer Wirksamkeit von der Verfügung des anderen abhängt, sie also inhaltlich miteinander verknüpft sind, so dass die Verfügung des einen mit der des anderen „steht und fällt“. Rechtsordnungen, die diese Form des gemeinschaftlichen Testaments zulassen, sehen vielfach vor, dass nach dem Tod des einen Testators der länger Lebende seine Verfügungen nicht mehr widerrufen kann. In diesem Fall entfaltet das gemeinschaftliche Testament somit Wirkungen, die mit denjenigen des Erbvertrages vergleichbar sind.
In modernen Rechtsordnungen ist der Vertrag zugunsten Dritter von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Typische Fälle sind Verträge der Daseinsvorsorge, wie etwa die Lebensversicherung ([[Versicherungsvertrag]]) oder die Leibrente, doch grundsätzlich kann jeder Vertragstyp zugunsten eines Dritten ausgestaltet werden. Aus ökonomischer Perspektive ist der Vertrag zugunsten Dritter ein effizienzsteigerndes Instrument. Mit seiner Hilfe können die Parteien den Rechtserwerb des Dritten mit einer einzigen Transaktion herbeiführen, anstatt das Recht zunächst in einer der Parteien zur Entstehung zu bringen und dann durch ein zweites Geschäft auf den Dritten zu übertragen.


Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament liegen auf der Schnittstelle zweier sich widersprechender Grundprinzipien: Auf der einen Seite die [[Testierfreiheit]], die dafür streitet, dass Verfügungen von Todes wegen grundsätzlich frei widerruflich sind, auf der anderen Seite die Vertragsfreiheit, die dafür spricht, verbindliche Absprachen auch für den Todesfall treffen zu können. Das [[römisches Recht|römische Recht]] sah Erbverträge als unzulässige Einschränkung der Testierfreiheit an und bewertete sie daher als nichtig. Auch wenn die Unzulässigkeit gemeinschaftlicher Testamente für das römische Recht nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen ist, scheint festzustehen, dass sie faktisch nicht vorkamen, so dass viel dafür spricht, dass sie ebenfalls unzulässig waren.
Der Vertrag zugunsten Dritter ist von anderen Rechtsinstituten des Vertragsrechts zu unterscheiden, an denen ebenfalls drei Personen beteiligt sind. Im Gegensatz zur [[Abtretung]] wird beim Vertrag zugunsten Dritter kein bestehendes Recht übertragen, sondern das Klagrecht des Dritten entsteht erst mit Abschluss des Vertrags zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger. Bei der [[Stellvertretung]] wird der Vertretene durch das Handeln des Vertreters zur Vertragspartei, nicht aber der Stellvertreter. Mit dem Abschluss eines Vertrags zugunsten Dritter dagegen wird der Versprechensempfänger Vertragspartei, nicht aber der Dritte, in dessen Person nur ein Anspruch entsteht. Schließlich ist der Vertrag zugunsten Dritter auch von der vertraglichen Vereinbarung der Zuwendung eines bloßen Vorteils an einen Dritten abzugrenzen, bei der der Dritte kein klagbares Recht auf Leistung des Versprechenden erwirbt (sogenannter „unechter Vertrag zugunsten Dritter“; ''conferral of a mere benefit'','' rather than a right'').


Gleichzeitig zeigt die historische Entwicklung aber auch, dass ein praktisches Bedürfnis besteht, verbindliche Absprachen über letztwillige Verfügungen treffen zu können, ursprünglich vor allem, um die materielle Absicherung des überlebenden Ehegatten zu garantieren. So waren schon dem griechischen Recht Erbverträge geläufig; sie blieben in den griechischen Provinzen des römischen Reichs bis zum Ende der Antike in Gebrauch. Es wird vermutet, dass die römischen Juristen diese Praxis als Anwendung der ''donatio mortis causa'' (Schenkung von Todes wegen) aufgefasst haben. Im europäischen Rechtsleben des Mittelalters entwickelte sich in verschiedenen Regionen die gewohnheitsrechtliche Übung, erbrechtliche Fragen in Verträgen zu regeln, insbesondere im Zusammenhang mit Eheverträgen. Vor allem in Frankreich und Deutschland stellte man sich auf den Standpunkt, dass Erbverträge trotz des Verstoßes gegen das [[römisches Recht|römische Recht]] anerkannt werden könnten, wenn sie durch eine entsprechende Gewohnheit oder Statut zugelassen waren, da sie weder gegen das ''ius divinum'' ([[Kanonisches Recht]]) noch gegen das ''ius naturale'' ([[Naturrecht]]) verstießen.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die Anerkennung des Vertrags zugunsten Dritter war durch die gesamte europäische Rechtsgeschichte umstritten. Ausgangspunkt der Entwicklung war die Regel des [[Römisches Recht|römischen Recht]]s, dass sich niemand zugunsten eines anderen etwas versprechen lassen kann (''alteri stipulari nemo potest''<nowiki>; D.&nbsp;45,1,38,17). Danach war jedes Versprechen und jeder Vertrag zugunsten eines Dritten ohne rechtliche Wirkung. Nur für eine Handvoll von Geschäftstypen bejahten die römischen Juristen die Rechtswirksamkeit einer vertraglichen Drittbegünstigung und ließen ein Klagrecht des </nowiki>Versprechensempfängers oder des Dritten ausnahmsweise zu. Wissenschaft und Praxis des ''[[Ius commune (Gemeines Recht)|ius commune]]'' ergänzten diesen Ausnahmekatalog um einige weitere Transaktionen, doch der Grundsatz ''alteri stipulari nemo potest'' blieb intakt. Erst unter dem Einfluss des ''[[usus modernus]]'', des [[Naturrecht]]s und des Vernunftrechts brach sich die Auffassung Bahn, alle Verträge zugunsten Dritter seien grundsätzlich wirksam und klagbar.


== 2. Rechtsvergleichender Überblick: Erbverträge ==
Die Rechtslehre des 19.&nbsp;Jahrhunderts bemühte sich um eine Rückkehr zur Lösung des antiken römischen Rechts. Auch der ''[[Code civil]]'' folgte diesem Ansatz und stellte zwei Grundsätze auf. Erstens dürfe man sich nur für sich selbst etwas versprechen lassen (Art.&nbsp;1119). Damit wurden vertragliche Abreden zugunsten Dritter für unwirksam erklärt. Zweitens dürften Verträge nur zwischen den Parteien Wirkung haben und einem Dritten nicht zum Vorteil gereichen (Art.&nbsp;1165). Diese Betonung der „Relativität des Vertragsverhältnisses“ (''relativité'' ''des'' ''contrats'', ''effet'' ''relatif'' ''des'' ''conventions'') machte es für einen Dritten unmöglich, aus einem zwischen anderen Parteien abgeschlossenen Vertrag ein Recht zu erwerben. Als Ausnahme ließ das Gesetzbuch lediglich zwei bereits im römischen Recht anerkannte Fallgruppen zu. Zum einen waren dies Konstellationen, in denen der Versprechensempfänger ein geldwertes Interesse an der Leistung an einen Dritten hatte, zum anderen Schenkungen des Versprechensempfängers an den Versprechenden unter Auflage der Leistung an einen Dritten. Die übrigen romanischen Rechtsordnungen rezipierten dieses Modell.
=== a) Zulässigkeit ===
Eine Vielzahl von Rechtsordnungen bewertet Erbverträge im Anschluss an das römische Recht nach wie vor als anstößig und versagt ihnen explizit die Wirksamkeit (Griechenland: §&nbsp;1717 ZGB; Italien: Art.&nbsp;458 ''Codice civile''<nowiki>; Polen: Art.&nbsp;1047 </nowiki>''Kodeks cywilny''<nowiki>; Schweden: ÄB 17:3 S.&nbsp;1). Unterschiedlich sind allerdings die Folgerungen, die aus diesem Verbot im Einzelnen gezogen werden: Regelmäßig ist die Umdeutung eines Erbvertrags in ein einfaches Testament ausgeschlossen; allerdings wird sie etwa im portugiesischen Recht akzeptiert (Art.&nbsp;946 Abs.&nbsp;2 </nowiki>''Código civil''). Besonders streng ist das italienische Recht: Hat sich jemand vertraglich verpflichtet, ein bestimmtes Testament zu errichten, so ist auch das in Erfüllung dieser Abrede errichtete Testament unwirksam, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verfügende gerade deshalb in der fraglichen Weise testiert hat, weil er sich durch den – irrig für wirksam gehaltenen – Vertrag nach wie vor für gebunden hielt. Demgegenüber erstreckt sich beispielsweise nach griechischem Recht die Nichtigkeit des verbotenen Verpflichtungsvertrags nicht auf das zur „Erfüllung“ dieses Vertrags errichtete Testament.


Andere Rechtsordnungen lassen Erbverträge demgegenüber in gewissen Grenzen zu. Grundsätzlich ist es auch im französischen und'' ''belgischen Recht verboten, über den Nachlass einer noch lebenden Person einen Vertrag zu schließen (vgl. jeweils Art.&nbsp;1130 Abs.&nbsp;2 ''Code civil''). Doch können bindende Versprechen, dem Vertragspartner im Todesfall das gesamte Vermögen (oder einen Teil davon) zu überlassen, in einem Ehevertrag getroffen werden. Dabei kann dieses Versprechen nicht nur durch den einen Ehegatten zu Gunsten des anderen Ehegatten, sondern auch durch Dritte zugunsten der Ehegatten oder künftiger Kinder abgegeben werden. Ehegatten können außerdem eine entsprechende Vereinbarung auch in Form einer normalen Schenkung treffen (jeweils Art.&nbsp;1081&nbsp;ff.; 1091&nbsp;ff. ''Code civil''), doch ist diese frei widerruflich (jeweils Art.&nbsp;1096 ''Code civil''). Formal werden derartige Vereinbarungen als „donation de biens à venir“ bezeichnet und damit als Schenkungen eingeordnet. Der Sache nach lassen sich derartige Abreden jedoch mit einem Erbvertrag vergleichen und werden von der französischen Lehre konsequenterweise auch als „institution contractuelle“ angesehen. Auch das portugiesische und das spanische Recht eröffnen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten, allerdings nur soweit Verlobte vor der Eheschließung in einem Ehevertrag entsprechende Schenkungen vornehmen (Portugal: Art. 1700 ''Código civil''<nowiki>; Spanien: Art.&nbsp;1341 Abs.&nbsp;2 </nowiki>''Código civil''). Das ungarische Recht kennt demgegenüber Erbverträge als Unterart des Unterhalts- oder Leibrentenvertrags. Der im Erbvertrag als Erbe Eingesetze muss als Gegenleistung dem Erblasser Unterhalt oder eine Leibrente zusagen (§&nbsp;655 Abs.&nbsp;1 Gesetz IV/1959 über das Zivilgesetzbuch). Eigene Verfügungen von Todes wegen kann der Vertragspartner nicht treffen.
Erst im späten 19.&nbsp;Jahrhundert durchbrach die ''Cour de cassation'' diese engen Schranken und ließ auch ein „moralisches Interesse“ des Versprechensempfängers am Rechtserwerb des Dritten genügen. Auf diese Weise konnte etwa der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrags ein Klagrecht gegen den Versicherer erwerben. Mit der zunehmenden Verbreitung von Lebensversicherungen war auch in Deutschland die grundsätzliche Anerkennung der Wirksamkeit drittbegünstigender Verträge zum unabweisbaren praktischen Bedürfnis geworden. Schließlich unterstützte, im Anschluss an ''Bernhard Windscheid'' und ''Joseph Unger'', auch die Pandektenwissenschaft ([[Pandektensystem]]) dieses Anliegen. Das BGB erkannte dann den Vertrag zugunsten Dritter ohne nennenswerte Einschränkungen an (§&nbsp;328), wie bereits zuvor das [[Schweizerisches Obligationenrecht|Schweizerische Obligationenrecht]] (Art. 128; jetzt Art.&nbsp;112) und der spanische ''[[Código civil]]'' (Art.&nbsp;1257 Abs.&nbsp;2).


In den germanischen Rechtsordnungen spielen Erbverträge traditionell eine wichtige Rolle: Sowohl das deutsche (§§&nbsp;2274-2300 BGB) als auch das schweizerische Recht (Art.&nbsp;494 ZGB) und ihm folgend das türkische Recht (Art.&nbsp;527 ZGB) akzeptieren den Erbvertrag als allgemeine Form der letztwilligen Verfügung. Neben Erbverträgen zwischen Ehegatten, die auch in diesen Ländern im Vordergrund stehen, bilden Vereinbarungen, durch die sich der Bedachte in Aussicht auf die Erbschaft verpflichtet, dem Erblasser Dienste zu leisten oder Unterhalt zu zahlen, ein weiteres praktisch wichtiges Anwendungsfeld. Demgegenüber ist nach österreichischem Recht der Erbvertrag auf Eheleute und Verlobte begrenzt (§§&nbsp;1249&nbsp;ff. ABGB) und wird deshalb nicht dem Erb-, sondern dem Eherecht zugeordnet. Vertraglich bindend können in Deutschland, der Schweiz und der Türkei nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen ([[Testament]]) angeordnet werden (Deutschland: §&nbsp;2278 Abs.&nbsp;1 BGB; Schweiz: Art.&nbsp;494, 482 ZGB; Türkei Art.&nbsp;527 ZGB). Daneben können auch andere (widerrufliche) einseitige letztwillige Verfügungen getroffen werden (z.B. Anordnung einer Testamentsvollstreckung). Obwohl §&nbsp;1249 ABGB nur die vertraglich bindende Erbeinsetzung erwähnt, wird in der österreichischen Literatur vielfach auch ein Vermächtnisvertrag für zulässig gehalten.
Im 20.&nbsp;Jahrhundert setzte sich die Lehre von der grundsätzlichen Wirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter in allen europäischen Rechtsordnungen durch, entweder durch Neufassungen der Zivilrechtsgesetzbücher (Österreich, Portugal, Niederlande; siehe auch die bevorstehende Reform des französischen Vertragsrechts) oder durch kreative Interpretation der Kodifikationen seitens der Rechtsprechung (Italien). Überwunden wurden auch letzte Zweifel, ob der Dritte trotz der Relativität des Schuldverhältnisses ein unmittelbares Recht aus derartigen Verträgen erwerben könne. Eine Ausnahmestellung nahm lange Zeit das englische ''[[common law]]'' mit seiner Lehre von der ''privity of contract'' ein. Ihr zufolge gilt ein drittbegünstigender Vertrag zwar nicht per se als unwirksam, wie dies in der Nachfolge der Regel ''alteri stipulari'' auf dem Kontinent der Fall war. Er entfaltet aber nur zwischen den unmittelbaren Parteien Wirkung, so dass ein Dritter daraus kein klagbares Recht erwerben kann. Erst der ''Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999'' gewährt dem Dritten ein Klagerecht aus zu seinen Gunsten abgeschlossenen Verträgen. Bisher wird das Gesetz in der Kautelarpraxis jedoch regelmäßig abbedungen. In diesen Fällen gilt weiterhin das ''common law'', so dass die ''rule of privity'' von Bedeutung bleibt.


Dem englischen Recht ist der Erbvertrag als Verfügung von Todes wegen unbekannt. Es ist allerdings möglich, sich vertraglich zu verpflichten, bestimmte Vermögensgegenstände durch Verfügung von Todes wegen bestimmten Personen zuzuwenden (''contract to make a will'') oder ein Testament bzw. eine einzelne testamentarische Zuwendung nicht zu widerrufen (''contract not to revoke a will'').
Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Rechtswirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter und der Klagbarkeit des daraus entstehenden Rechts des Dritten hat sich das Interesse seit einigen Jahrzehnten zunehmend darauf verlagert, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Konsequenzen im Einzelnen der Dritte ein solches Recht erwerben kann und welche Rechte den anderen Beteiligten zukommen. Hier haben Gesetzgeber und Rechtsprechung detaillierte Regelungen entwickelt, die sich in den verschiedenen europäischen Vertragsrechten weitgehend ähneln und die in den neueren vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsprojekten rezipiert worden sind.


=== b) Errichtung ===
Schließlich hat sich ausgehend vom Vertrag zugunsten Dritter in einigen europäischen Rechtsordnungen im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung ([[Richterrecht]]) die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (''contratti con effeti prottetivi a favore dei terzi'') entwickelt. Ein Vertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten eines Dritten, wenn der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten miteinbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die genauen Voraussetzungen und Grenzen derartiger Ansprüche des Dritten bleiben jedoch umstritten. In anderen Rechtsordnungen, insbesondere im englischen Recht, besteht kein Bedürfnis für Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, da die einschlägigen Fälle in der Regel mit Hilfe des Deliktsrechts eine sachgerechte Lösung erfahren.
Vertraglich bindende Verfügungen von Todes wegen unterliegen – soweit sie zulässig sind – in allen europäischen Rechtsordnungen besonderen Formvorschriften. Rechtsordnungen, die erbrechtliche Verträge nur im Zusammenhang mit Eheverträgen oder – wie in Frankreich – in Form von Schenkungen zulassen, verlangen auch für die erbrechtlichen Anordnungen die Einhaltung der für Eheverträge bzw. Schenkungen geltenden (notariellen) Form.


Der Erbvertrag unterliegt in Rechtsordnungen, die ihn als allgemeine Form letztwilliger Verfügungen akzeptieren, ähnlichen Formvorschriften wie die Errichtung von Testamenten, wobei die privatschriftliche Errichtung stets ausgeschlossen und nur die Form des öffentlichen Testaments zugelassen wird (Deutschland: §&nbsp;2276 Abs.&nbsp;1 BGB; Schweiz: Art.&nbsp;512 Abs.&nbsp;1 ZGB; Österreich: §&nbsp;1 Notariatszwangsgesetz i.V.m. §&nbsp;67 Notariatsordnung). Im englischen Recht ist demgegenüber für eine Verpflichtung, eine letztwillige Verfügung zu treffen oder nicht zu widerrufen, keine bestimmte Form erforderlich. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen für den Abschluss von Verträgen.
== 3. Ausgestaltung in den vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsprojekten ==
Bisher ist der Vertrag zugunsten Dritter weder im Gemeinschaftsprivatrecht noch im internationalen Einheitsrecht, etwa im UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]), geregelt. Noch in den [[Principles of European Contract Law|PECL]] ist das Rechtsinstitut, in formaler Hinsicht dem französischen Vorbild folgend, eher bruchstückhaft und unzulänglich ausgestaltet (Art.&nbsp;6:110). Die neueren Vereinheitlichungsvorhaben dagegen enthalten in ihren Abschnitten über Inhalt und Wirkung von Verträgen detaillierte und ausgewogene Regelungen, die weitgehend dem in den nationalen Vertragsrechten erreichten Entwicklungsstand entsprechen, sich allerdings nicht mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter befassen (Kap.&nbsp;5.2 der [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]], Titel&nbsp;VI Abschn.&nbsp;5 des ''[[Code Européen des Contrats (Avant‑projet)]]'', Buch 2, Kap.&nbsp;9 Abschn.&nbsp;3 des [[Common Frame of Reference|DCFR]]).


=== c) Wirkungen ===
Die Vertragsrechtsentwürfe erkennen die Rechtswirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter durchgehend an. Ferner stellen sie ausdrücklich klar, dass der Dritte aus dem ihn begünstigenden Vertrag ein Recht erwerben kann. Die Einräumung eines Rechts zugunsten des Begünstigten umfasst auch das Recht, sich auf eine etwaige Vertragsbestimmung zu berufen, die seine Haftung ausschließt oder beschränkt. Sie schließt ferner das Recht ein, Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Leistung des Versprechenden geltend zu machen. Der Dritte muss zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder existieren, noch bestimmt sein. Es wird jedoch zu verlangen sein, dass er durch den Vertrag mit hinreichender Sicherheit bestimmbar ist (so ausdrücklich Art.&nbsp;5.2.2 UNIDROIT PICC).
Soweit eine Rechtsordnung Erbverträge anerkennt, spricht sie ihnen auch Bindungswirkung zu, so dass abweichende Verfügungen von Todes wegen nicht möglich sind (Belgien: Art.&nbsp;1083, 1093 ''Code civil''<nowiki>; Deutschland: §&nbsp;2289 Abs.&nbsp;1 BGB; Frankreich: Art.&nbsp;1083, 1093 </nowiki>''Code civil''<nowiki>; Österreich: §&nbsp;1254 S.&nbsp;1 ABGB; Schweiz: Art.&nbsp;494 ZGB; Portugal: Art.&nbsp;1701 </nowiki>''Código civil'').  


Demgegenüber bleibt das Recht des erbvertraglich gebundenen Erblassers, über sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen, grundsätzlich unberührt. Etwas anderes gilt nur für Schenkungen, weil durch die Vornahme unentgeltlicher Verfügungen die erbvertragliche Bindung ausgehöhlt werden kann: Im französischen und belgischen Recht entfaltet eine in einem Ehevertrag enthaltene erbvertragliche Anordnung weitreichende Bindungswirkung und schließt das Recht des Verpflichteten, über sein Vermögen unentgeltlich unter Lebenden zu verfügen, aus (jeweils Art.&nbsp;1083, 1093 ''Code civil''). In ähnlicher Weise unterliegen nach schweizerischem Recht Schenkungen, die mit dem Inhalt des Erbvertrags nicht vereinbar sind, der Anfechtung (Art.&nbsp;494 Abs.&nbsp;3 ZGB). In Österreich ist der Erblasser bei Verfügungen unter Lebenden völlig frei (§&nbsp;1252 ABGB), doch kann gemäß §&nbsp;364c ABGB ein bereits zu Lebzeiten geltendes Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart werden. Außerdem behält der Vertragschließende immer das Recht, über ein Viertel des nach Abzug der Passiva und des Pflichtteils verbleibenden Nachlasses frei zu verfügen (§&nbsp;1253 ABGB). Demgegenüber können nach deutschem Recht nur solche Schenkungen rückgängig gemacht werden, die der Schenker in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen hat (§§ 2287&nbsp;f. BGB).
Entstehungszeitpunkt, inhaltliche Ausgestaltung und Verlust des Rechts stehen weitgehend zur Disposition des Versprechenden und des Versprechensempfängers. Sofern diese nichts Entgegenstehendes vereinbart haben, entsteht das Recht sofort, unmittelbar (also ohne irgendeine Mitwirkungshandlung des Dritten, wie etwa Annahme oder Beitritt) und originär in der Person des Dritten (also ohne von einem zunächst erworbenen Recht des Versprechensempfängers abgeleitet zu sein). Die Vertragsparteien können die drittbegünstigende Vereinbarung jedoch widerrufen oder abändern, solange das Recht des Dritten noch nicht unentziehbar ist. Den Zeitpunkt der Unentziehbarkeit gestalten die Vereinheitlichungsvorhaben unterschiedlich aus. Vorgeschlagen werden die Erklärung der Annahme des Rechts durch den Dritten, die Mitteilung der Rechtsübertragung durch eine der Parteien an den Dritten und die Vornahme von Dispositionen seitens eines Dritten, der redlicherweise auf die Unentziehbarkeit des Rechts vertraut. Der Dritte kann das aus dem Vertrag erworbene Recht auch zurückweisen. Das Recht gilt dann als nicht erworben, und der Versprechende muss die zugunsten des Dritten versprochene Leistung an den Versprechensempfänger erbringen (so ausdrücklich Art.&nbsp;72(3)3 ''Avant-projet''). Der Versprechende kann gegenüber dem Dritten alle Einwendungen geltend machen, die der Versprechende gegenüber dem Versprechensempfänger aus dem Vertrag, der das Recht des Dritten begründet hat, erheben könnte.


Verstößt im englischen Recht ein Erblasser gegen die vertraglich übernommene Verpflichtung, bestimmte Vermögenswerte durch Verfügung von Todes wegen zu übertragen, so hat der Geschädigte einen Anspruch gegen den Nachlass ([[Erbenhaftung]]) wegen ''breach of contract''. Auch Verfügungen unter Lebenden können Ersatzansprüche auslösen, soweit der Erblasser durch eine entsprechende Transaktion seine vertraglichen Bindungen verletzt.
== Literatur==
 
''Gilbert William Frederick Dold'', Stipulations for a Third Party, 1948; ''M.A. Millner'', Ius Quaesitum Tertio, International and Comparative Law Quarterly 16 (1967) 446&nbsp;ff.; ''Hein Kötz'', Rights of Third Parties, in: IECL VII/2, Kap.&nbsp;13, 1992, Rn&nbsp;1&nbsp;ff.; ''Reinhard Zimmermann'', The Law of Obligations, 1996, 34&nbsp;ff.; ''Hein Kötz'', Europäisches Vertragsrecht, Bd.&nbsp;1, 1996, 371&nbsp;ff.; ''Edgar du Perron'', Contract and Third Parties, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron (Hg.), Towards a European Civil Code, 2. Aufl. 1998, 311&nbsp;ff.; ''Vernon Valentine Palmer'', Contracts in Favour of Third Persons in Europe, European Review of Private Law 11 (2003) 8&nbsp;ff.; ''Philip Sutherland'', Third-Party Contracts, in: Hector MacQueen, Reinhard Zimmermann (Hg.), European Contract Law, 2006, 203&nbsp;ff.; ''Stefan Vogenauer'', §§&nbsp;328&nbsp;ff., in Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/1, 2007; ''Eltjo J.H. Schrage'' (Hg.), Ius quaesitum tertio, 2008; ''Stefan Vogenauer'', Art.&nbsp;5.2.1&nbsp;ff., in: idem, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009; ''Stefan'' ''Vogenauer'', The Effects of Contracts on Third Parties, in: idem, John Cartwright, Simon Whittaker (Hg.), Reforming the French Law of Obligations, 2009, 235&nbsp;ff.
== 2. Rechtsvergleichender Überblick: Gemeinschaftliche Testamente ==
=== a) Zulässigkeit ===
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf die Zulassung gemeinschaftlicher Testamente: Der römischrechtlichen Tradition folgend verbieten die romanischen Rechtsordnungen gemeinschaftliche Testamente (Frankreich: Art.&nbsp;968 ''Code civil''<nowiki>; Italien: Art.&nbsp;589 </nowiki>''Codice civile''<nowiki>; Niederlande: Art.&nbsp;4:93 BW; Portugal: Art.&nbsp;2181 und </nowiki>Spanien: Art.&nbsp;669 ''Código civil'', doch mit Ausnahme von Katalonien und den Balearen in allen Foralrechtsgebieten gestattet). Auch den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen ist das gemeinschaftliche Testament fremd (etwa Polen: Art.&nbsp;942 ''Kodeks cywilny''<nowiki>; Ungarn: §&nbsp;644 Gesetz IV/1959 über das Zivilgesetzbuch; </nowiki>Griechenland: Art.&nbsp;1717 ZGB). Schon das bloße Simultantestament (''testamentum mere simultaneum'') wird missbilligt, um bereits die Beeinflussung des Testierenden während des Willensbildungsaktes zu verhindern. Auch anderweitige Konstruktionen, durch die letztwillige Verfügungen – etwa durch bedingte Anordnungen – inhaltlich voneinander abhängig gemacht werden (''testamentum correspectivum''), sind teilweise untersagt (Portugal: Art.&nbsp;2231 ''Código civil''<nowiki>; Italien: Art.&nbsp;635 </nowiki>''Codice civile''). In Frankreich und Belgien ist eine bloße innere Abhängigkeit hingegen nicht verboten, da dort ausdrücklich nur die Testierung in einem „même acte“ verboten ist (Frankreich: Art.&nbsp;968 ''Code civil''<nowiki>; Belgien: Art.&nbsp;968, 1097 </nowiki>''Code civil''). Bloße gegenseitige Zuwendungen (''testamentum reciprocum'') sind zulässig, soweit sie nicht gemeinschaftlich, sondern in getrennten Verfügungen vorgenommen werden. Eine Umdeutung eines unzulässigen gemeinschaftlichen Testaments in ein gültiges einfaches Testament desjenigen, der selbst alle Erfordernisse eines einfachen Testaments erfüllt, ist überwiegend ausgeschlossen, da durch die Umdeutung letztlich doch das unzulässige Ziel, die (faktische) Bindung des Erblassers, erreicht würde (Italien, Belgien, Frankreich, Griechenland; anders aber in der Schweiz und in Polen).
 
Selbst in den germanischen Rechtsordnungen, die bindenden Verfügungen in Form von Erbverträgen traditionell besonders aufgeschlossen gegenüber stehen, setzten sich gemeinschaftliche Testamente lediglich zögerlich und auch nur teilweise durch. Noch in den Motiven zum deutschen BGB wurde bemängelt, dass das gemeinschaftliche Testament eine „unklare Mitte zwischen Erbvertrag und Testament“ einnehme (Motive zum BGB, Bd.&nbsp;V, 253). Dem Vorbild des österreichischen ABGB folgend (§&nbsp;1248 ABGB) hat dann jedoch die zweite Kommission ([[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]]) für Ehegatten das gemeinschaftliche Testament zugelassen (§&nbsp;2265 BGB). Demgegenüber lehnte das schweizerische Bundesgericht die Anerkennung des im schweizerischen Recht nicht geregelten, aber auch nicht ausdrücklich verbotenen gemeinschaftlichen Testaments ab: ein Testament sei ein einseitiger Rechtsakt und könne nur einen einzigen letzten Willen ausdrücken; es müsse das Werk einer einzelnen Person sein und könne nicht mehrere Urheber haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsordnungen wird im schweizerischen Recht aber eine Umdeutung in ein gültiges einfaches Testament für möglich gehalten.
 
In den nordischen Ländern werden gegen gemeinschaftliche Testamente keine Bedenken erhoben (Schweden: ÄB 10:7; Finnland: 10:7 ''Perintökaari''<nowiki>; Norwegen: §&nbsp;49 </nowiki>''Lov om arv''<nowiki>; Dänemark: §&nbsp;47 </nowiki>''Arvelov''). Auch das englische Recht erlaubt gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen. So können mehrere Personen ohne weiteres in einer Urkunde testieren (''joint will''). Doch unterscheiden sich die Wirkungen nicht von zwei isoliert nebeneinander stehenden Testamenten. Bestimmen demgegenüber zwei Personen gemeinschaftlich – sei es in einer Urkunde oder in getrennten Erklärungen –, wie mit ihrem Vermögen nach ihrem Tod zu verfahren ist, so können sie vereinbaren, dass sie an diese Abrede gebunden sind (''agreement not to revoke the mutual will''). Derartige Vereinbarungen können von beliebigen Personen geschlossen werden, doch machen in der Praxis meist nur Ehegatten von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch.
 
=== b) Wirkungen ===
Regelmäßig sehen Rechtsordnungen, die gemeinschaftliche Testamente zulassen, keine besonderen Formvorschriften vor. Vielmehr gelten dieselben Bestimmungen wie bei der Errichtung eines einfachen Testaments. Eine Ausnahme stellt insofern das deutsche Recht dar, wo ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament auch in der Form errichtet werden kann, dass lediglich einer der Testierenden die letztwillige Verfügung in der vorgeschriebenen eigenhändigen Form errichtet und der andere eigenhändig mitunterzeichnet (§&nbsp;2267 BGB).
 
Im Übrigen haben gemeinschaftliche Testamente in den verschiedenen Rechtsordnungen aber höchst unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren. In Österreich (§&nbsp;1248 ABGB) dürfen nur Ehegatten, in Deutschland außerdem noch gleichgeschlechtliche Lebenspartner (§&nbsp;2265 BGB i.V.m. §&nbsp;10 Abs.&nbsp;4 LPartG) gemeinsam testieren. Vergleichbare Einschränkungen sind anderen Rechtsordnungen fremd. Auch die Rechtsfolgen sind nicht einheitlich. Die meisten Rechtsordnungen erklären beim Widerruf einer korrespektiven Verfügung auch die andere für gegenstandslos (Deutschland: §&nbsp;2271 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 BGB; Österreich: §&nbsp;1248 ABGB; Finnland: 10:7 ''Perintökaari''<nowiki>; Schweden: ÄB 10:7). Darüber hinaus erlischt in einigen Rechten mit Versterben eines der Testierenden die Möglichkeit des Widerrufs (Deutschland: § 2271 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;1 BGB; Norwegen: §&nbsp;57 </nowiki>''Lov om arv''), während etwa nach österreichischem (§&nbsp;1248 ABGB), finnischem (10:7 ''Perintökaari'') und schwedischem Recht (ÄB 10:7) der Testator seine Verfügung auch noch nach dem Tod des Erstversterbenden frei widerrufen kann.
 
Nach englischem Recht wird grundsätzlich weder durch einen ''joint will'' noch durch einen ''mutual will'' die Testierfreiheit der Beteiligten eingeschränkt. Wird allerdings die Vereinbarung getroffen, gemeinschaftlich getroffene Verfügungen nicht zu widerrufen (''agreement not to revoke the mutual will''), tritt eine gewisse Bindungswirkung mit dem Tod des Erstversterbenden ein. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der ''mutual will'' im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben oder durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung widerrufen werden. Nach dem Tod des Erstverstorbenen wird der Längerlebende jedoch zum Treuhänder des Vermögens, über das im ''mutual will'' bestimmt wurde (''constructive trust''). Hierdurch wird der Längerlebende nicht gehindert, eine anderweitige, im Widerspruch zum ''mutual will'' stehende Verfügung von Todes wegen zu treffen. Doch ändert dies nichts daran, dass nach seinem Tod der ''trust'' weiterhin auf seinem Nachlass lastet und nunmehr von dem mit der Nachlassabwicklung betrauten ''personal representative'' ([[Erbenhaftung]]) zu respektieren ist. Es liegt in der Hand der Parteien, zu vereinbaren, wie weit die Bindungswirkung im Einzelnen reichen soll. Verfügungen unter Lebenden sind regelmäßig zulässig und verstoßen erst dann gegen die Bindungen des ''constructive trust'', wenn sie darauf abzielen, den Treuhandbegünstigten zu benachteiligen.
 
== 4. Fazit ==
Alles in allem beurteilen die europäischen Rechtsordnungen die Zulässigkeit bindender Verfügungen von Todes wegen nach wie vor sehr unterschiedlich. Wie schwer es fällt, die Sachgerechtigkeit der gegensätzlichen Standpunkte zu beurteilen, zeigt sich daran, dass in den Rechtsordnungen, die bindende Verfügungen von Todes wegen zulassen, vielfach vor den Gefahren gewarnt wird, die mit dem Eingehen einer solchen Bindung verbunden sind. Gleichwohl erscheint es kaum vorstellbar, dass in diesen Rechtsordnungen eines Tages auf die Möglichkeit der Selbstbindung gänzlich verzichtet werden könnte. Denn – trotz aller damit verbundenen Probleme – eröffnet sie dem Erblasser zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten, weil er über das bei seinem Tod vorhandene Vermögen bereits zu Lebzeiten verbindlich disponieren kann.
 
==Literatur==
''Franz Schlegelberger ''(Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, 1929-1939: Stichwort: Erbvertrag (''Helmut Rühl''), Stichwort Schenkung (''Wolfgang'' ''Siebert''), Stichwort: Testament (''Walter Becker''); ''Robert Battes'', Gemeinschaftliches Testament und Ehegattenerbvertrag als Gestaltungsmittel für die Vermögensordnung der Familie, 1974; ''Christoph Döbereiner'', Ehe- und Erbverträge im deutsch-französischen Rechtsverkehr, 2001; ''Hans-Jürgen von Dickhuth-Harrach'', Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? in: Festschrift für Gerhard Otte, 2005, 55&nbsp;ff.; ''Rembert Süß'', Erbrecht in Europa, 2.&nbsp;Aufl. 2008;'' Carl Friedrich Nordmeier'', Zulässigkeit und Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente im Internationalen Privatrecht, 2008; ''Murad Ferid'', ''Karl Firsching'', ''Heinrich Dörner'', ''Rainer Hausmann'', Internationales Erbrecht, 9&nbsp;Bde. (Loseblatt); ''Walter Pintens ''(Hg.), International Encyclopedia of Laws, Bd.&nbsp;2, Family and Succession Law (Loseblatt).


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Version vom 31. August 2021, 19:08 Uhr

von Stefan Vogenauer

1. Gegenstand und Zweck; Terminologie

Durch einen Vertrag zugunsten Dritter vereinbaren die Parteien, dass eine dritte Person gegen eine der Parteien ein Recht auf Leistung erwirbt. Die dritte Person wird als „Begünstigter“ oder „Dritter“ (beneficiary, tiers), die zur Leistung an den Dritten verpflichtete Partei als „Versprechender“ (promisor, promettant) und die mit dem Versprechenden kontrahierende Partei als „Versprechensempfänger“ (promisee, stipulant) bezeichnet. Die Bezeichnungen der Vertragsparteien deuten auf den historischen Vorläufer des Vertrags zugunsten Dritter im römischen Recht, die Kategorie des „Versprechens zugunsten eines anderen“ (stipulatio alteri) hin. Diese Terminologie spiegelt sich noch heute im französischen Recht wieder, wo das Rechtsinstitut gewöhnlich im Einklang mit der Terminologie des Code civil als stipulation pour autrui und nur im Ausnahmefall als contrat conclu pour autrui bezeichnet wird. Der Begriff „Vertrag zugunsten Dritter“ entwickelte sich erst in der deutschen Rechtssprache des 18. Jahrhunderts, und noch im BGB ist der einschlägige Titel mit „Versprechen der Leistung an einen Dritten“ überschrieben (Versprechen). Ähnlich verhält es sich im Codice civile. Dort ist die zentrale Vorschrift mit contratto in favore di terzi überschrieben, der Normtext spricht aber von der stipulazione a favore di un terzo. Die schottische Rechtssprache rückt das „vom Dritten erworbene Recht“ in den Vordergrund und spricht vom jus quaesitum tertio. Im englischen Recht hat sich dagegen die Bezeichung contract for the benefit of a third party oder contract in favour of a third party durchgesetzt.

In modernen Rechtsordnungen ist der Vertrag zugunsten Dritter von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Typische Fälle sind Verträge der Daseinsvorsorge, wie etwa die Lebensversicherung (Versicherungsvertrag) oder die Leibrente, doch grundsätzlich kann jeder Vertragstyp zugunsten eines Dritten ausgestaltet werden. Aus ökonomischer Perspektive ist der Vertrag zugunsten Dritter ein effizienzsteigerndes Instrument. Mit seiner Hilfe können die Parteien den Rechtserwerb des Dritten mit einer einzigen Transaktion herbeiführen, anstatt das Recht zunächst in einer der Parteien zur Entstehung zu bringen und dann durch ein zweites Geschäft auf den Dritten zu übertragen.

Der Vertrag zugunsten Dritter ist von anderen Rechtsinstituten des Vertragsrechts zu unterscheiden, an denen ebenfalls drei Personen beteiligt sind. Im Gegensatz zur Abtretung wird beim Vertrag zugunsten Dritter kein bestehendes Recht übertragen, sondern das Klagrecht des Dritten entsteht erst mit Abschluss des Vertrags zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger. Bei der Stellvertretung wird der Vertretene durch das Handeln des Vertreters zur Vertragspartei, nicht aber der Stellvertreter. Mit dem Abschluss eines Vertrags zugunsten Dritter dagegen wird der Versprechensempfänger Vertragspartei, nicht aber der Dritte, in dessen Person nur ein Anspruch entsteht. Schließlich ist der Vertrag zugunsten Dritter auch von der vertraglichen Vereinbarung der Zuwendung eines bloßen Vorteils an einen Dritten abzugrenzen, bei der der Dritte kein klagbares Recht auf Leistung des Versprechenden erwirbt (sogenannter „unechter Vertrag zugunsten Dritter“; conferral of a mere benefit, rather than a right).

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Anerkennung des Vertrags zugunsten Dritter war durch die gesamte europäische Rechtsgeschichte umstritten. Ausgangspunkt der Entwicklung war die Regel des römischen Rechts, dass sich niemand zugunsten eines anderen etwas versprechen lassen kann (alteri stipulari nemo potest; D. 45,1,38,17). Danach war jedes Versprechen und jeder Vertrag zugunsten eines Dritten ohne rechtliche Wirkung. Nur für eine Handvoll von Geschäftstypen bejahten die römischen Juristen die Rechtswirksamkeit einer vertraglichen Drittbegünstigung und ließen ein Klagrecht des Versprechensempfängers oder des Dritten ausnahmsweise zu. Wissenschaft und Praxis des ius commune ergänzten diesen Ausnahmekatalog um einige weitere Transaktionen, doch der Grundsatz alteri stipulari nemo potest blieb intakt. Erst unter dem Einfluss des usus modernus, des Naturrechts und des Vernunftrechts brach sich die Auffassung Bahn, alle Verträge zugunsten Dritter seien grundsätzlich wirksam und klagbar.

Die Rechtslehre des 19. Jahrhunderts bemühte sich um eine Rückkehr zur Lösung des antiken römischen Rechts. Auch der Code civil folgte diesem Ansatz und stellte zwei Grundsätze auf. Erstens dürfe man sich nur für sich selbst etwas versprechen lassen (Art. 1119). Damit wurden vertragliche Abreden zugunsten Dritter für unwirksam erklärt. Zweitens dürften Verträge nur zwischen den Parteien Wirkung haben und einem Dritten nicht zum Vorteil gereichen (Art. 1165). Diese Betonung der „Relativität des Vertragsverhältnisses“ (relativité des contrats, effet relatif des conventions) machte es für einen Dritten unmöglich, aus einem zwischen anderen Parteien abgeschlossenen Vertrag ein Recht zu erwerben. Als Ausnahme ließ das Gesetzbuch lediglich zwei bereits im römischen Recht anerkannte Fallgruppen zu. Zum einen waren dies Konstellationen, in denen der Versprechensempfänger ein geldwertes Interesse an der Leistung an einen Dritten hatte, zum anderen Schenkungen des Versprechensempfängers an den Versprechenden unter Auflage der Leistung an einen Dritten. Die übrigen romanischen Rechtsordnungen rezipierten dieses Modell.

Erst im späten 19. Jahrhundert durchbrach die Cour de cassation diese engen Schranken und ließ auch ein „moralisches Interesse“ des Versprechensempfängers am Rechtserwerb des Dritten genügen. Auf diese Weise konnte etwa der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrags ein Klagrecht gegen den Versicherer erwerben. Mit der zunehmenden Verbreitung von Lebensversicherungen war auch in Deutschland die grundsätzliche Anerkennung der Wirksamkeit drittbegünstigender Verträge zum unabweisbaren praktischen Bedürfnis geworden. Schließlich unterstützte, im Anschluss an Bernhard Windscheid und Joseph Unger, auch die Pandektenwissenschaft (Pandektensystem) dieses Anliegen. Das BGB erkannte dann den Vertrag zugunsten Dritter ohne nennenswerte Einschränkungen an (§ 328), wie bereits zuvor das Schweizerische Obligationenrecht (Art. 128; jetzt Art. 112) und der spanische Código civil (Art. 1257 Abs. 2).

Im 20. Jahrhundert setzte sich die Lehre von der grundsätzlichen Wirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter in allen europäischen Rechtsordnungen durch, entweder durch Neufassungen der Zivilrechtsgesetzbücher (Österreich, Portugal, Niederlande; siehe auch die bevorstehende Reform des französischen Vertragsrechts) oder durch kreative Interpretation der Kodifikationen seitens der Rechtsprechung (Italien). Überwunden wurden auch letzte Zweifel, ob der Dritte trotz der Relativität des Schuldverhältnisses ein unmittelbares Recht aus derartigen Verträgen erwerben könne. Eine Ausnahmestellung nahm lange Zeit das englische common law mit seiner Lehre von der privity of contract ein. Ihr zufolge gilt ein drittbegünstigender Vertrag zwar nicht per se als unwirksam, wie dies in der Nachfolge der Regel alteri stipulari auf dem Kontinent der Fall war. Er entfaltet aber nur zwischen den unmittelbaren Parteien Wirkung, so dass ein Dritter daraus kein klagbares Recht erwerben kann. Erst der Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 gewährt dem Dritten ein Klagerecht aus zu seinen Gunsten abgeschlossenen Verträgen. Bisher wird das Gesetz in der Kautelarpraxis jedoch regelmäßig abbedungen. In diesen Fällen gilt weiterhin das common law, so dass die rule of privity von Bedeutung bleibt.

Mit der grundsätzlichen Anerkennung der Rechtswirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter und der Klagbarkeit des daraus entstehenden Rechts des Dritten hat sich das Interesse seit einigen Jahrzehnten zunehmend darauf verlagert, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Konsequenzen im Einzelnen der Dritte ein solches Recht erwerben kann und welche Rechte den anderen Beteiligten zukommen. Hier haben Gesetzgeber und Rechtsprechung detaillierte Regelungen entwickelt, die sich in den verschiedenen europäischen Vertragsrechten weitgehend ähneln und die in den neueren vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsprojekten rezipiert worden sind.

Schließlich hat sich ausgehend vom Vertrag zugunsten Dritter in einigen europäischen Rechtsordnungen im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung (Richterrecht) die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (contratti con effeti prottetivi a favore dei terzi) entwickelt. Ein Vertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten eines Dritten, wenn der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten miteinbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die genauen Voraussetzungen und Grenzen derartiger Ansprüche des Dritten bleiben jedoch umstritten. In anderen Rechtsordnungen, insbesondere im englischen Recht, besteht kein Bedürfnis für Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, da die einschlägigen Fälle in der Regel mit Hilfe des Deliktsrechts eine sachgerechte Lösung erfahren.

3. Ausgestaltung in den vertragsrechtlichen Vereinheitlichungsprojekten

Bisher ist der Vertrag zugunsten Dritter weder im Gemeinschaftsprivatrecht noch im internationalen Einheitsrecht, etwa im UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)), geregelt. Noch in den PECL ist das Rechtsinstitut, in formaler Hinsicht dem französischen Vorbild folgend, eher bruchstückhaft und unzulänglich ausgestaltet (Art. 6:110). Die neueren Vereinheitlichungsvorhaben dagegen enthalten in ihren Abschnitten über Inhalt und Wirkung von Verträgen detaillierte und ausgewogene Regelungen, die weitgehend dem in den nationalen Vertragsrechten erreichten Entwicklungsstand entsprechen, sich allerdings nicht mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter befassen (Kap. 5.2 der UNIDROIT PICC, Titel VI Abschn. 5 des Code Européen des Contrats (Avant‑projet), Buch 2, Kap. 9 Abschn. 3 des DCFR).

Die Vertragsrechtsentwürfe erkennen die Rechtswirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter durchgehend an. Ferner stellen sie ausdrücklich klar, dass der Dritte aus dem ihn begünstigenden Vertrag ein Recht erwerben kann. Die Einräumung eines Rechts zugunsten des Begünstigten umfasst auch das Recht, sich auf eine etwaige Vertragsbestimmung zu berufen, die seine Haftung ausschließt oder beschränkt. Sie schließt ferner das Recht ein, Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Leistung des Versprechenden geltend zu machen. Der Dritte muss zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder existieren, noch bestimmt sein. Es wird jedoch zu verlangen sein, dass er durch den Vertrag mit hinreichender Sicherheit bestimmbar ist (so ausdrücklich Art. 5.2.2 UNIDROIT PICC).

Entstehungszeitpunkt, inhaltliche Ausgestaltung und Verlust des Rechts stehen weitgehend zur Disposition des Versprechenden und des Versprechensempfängers. Sofern diese nichts Entgegenstehendes vereinbart haben, entsteht das Recht sofort, unmittelbar (also ohne irgendeine Mitwirkungshandlung des Dritten, wie etwa Annahme oder Beitritt) und originär in der Person des Dritten (also ohne von einem zunächst erworbenen Recht des Versprechensempfängers abgeleitet zu sein). Die Vertragsparteien können die drittbegünstigende Vereinbarung jedoch widerrufen oder abändern, solange das Recht des Dritten noch nicht unentziehbar ist. Den Zeitpunkt der Unentziehbarkeit gestalten die Vereinheitlichungsvorhaben unterschiedlich aus. Vorgeschlagen werden die Erklärung der Annahme des Rechts durch den Dritten, die Mitteilung der Rechtsübertragung durch eine der Parteien an den Dritten und die Vornahme von Dispositionen seitens eines Dritten, der redlicherweise auf die Unentziehbarkeit des Rechts vertraut. Der Dritte kann das aus dem Vertrag erworbene Recht auch zurückweisen. Das Recht gilt dann als nicht erworben, und der Versprechende muss die zugunsten des Dritten versprochene Leistung an den Versprechensempfänger erbringen (so ausdrücklich Art. 72(3)3 Avant-projet). Der Versprechende kann gegenüber dem Dritten alle Einwendungen geltend machen, die der Versprechende gegenüber dem Versprechensempfänger aus dem Vertrag, der das Recht des Dritten begründet hat, erheben könnte.

Literatur

Gilbert William Frederick Dold, Stipulations for a Third Party, 1948; M.A. Millner, Ius Quaesitum Tertio, International and Comparative Law Quarterly 16 (1967) 446 ff.; Hein Kötz, Rights of Third Parties, in: IECL VII/2, Kap. 13, 1992, Rn 1 ff.; Reinhard Zimmermann, The Law of Obligations, 1996, 34 ff.; Hein Kötz, Europäisches Vertragsrecht, Bd. 1, 1996, 371 ff.; Edgar du Perron, Contract and Third Parties, in: Arthur Hartkamp, Martijn Hesselink, Ewoud Hondius, Carla Joustra, Edgar du Perron (Hg.), Towards a European Civil Code, 2. Aufl. 1998, 311 ff.; Vernon Valentine Palmer, Contracts in Favour of Third Persons in Europe, European Review of Private Law 11 (2003) 8 ff.; Philip Sutherland, Third-Party Contracts, in: Hector MacQueen, Reinhard Zimmermann (Hg.), European Contract Law, 2006, 203 ff.; Stefan Vogenauer, §§ 328 ff., in Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II/1, 2007; Eltjo J.H. Schrage (Hg.), Ius quaesitum tertio, 2008; Stefan Vogenauer, Art. 5.2.1 ff., in: idem, Jan Kleinheisterkamp (Hg.), Commentary on the UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, 2009; Stefan Vogenauer, The Effects of Contracts on Third Parties, in: idem, John Cartwright, Simon Whittaker (Hg.), Reforming the French Law of Obligations, 2009, 235 ff.

Abgerufen von Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament – HWB-EuP 2009 am 25. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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