Insidergeschäft und Sachhalterhaftung: Unterschied zwischen den Seiten

Aus HWB-EuP 2009
(Unterschied zwischen Seiten)
 
 
Zeile 1: Zeile 1:
von ''[[Harald Baum]]''
von ''[[Gerhard Wagner]]''
== 1. Zum Phänomen und seinen ökonomischen Implikationen ==
== 1. Terminologie ==
Die Sachhalterhaftung – mitunter auch „Sachhaftung“ oder „Gardienhaftung“ genannt – ist ein Haftungsprinzip des französischen Rechts: ''responsabilité du fait des choses''. Von dort aus hat sie die Tochterrechtsordnungen des ''[[Code civil]]'' beeinflusst, nämlich das belgische, luxemburgische, italienische und das portugiesische Recht, aber auch das Recht der Niederlande. Sachhalterhaftung bedeutet die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Halters einer Sache als derjenigen Person, die die Herrschaftsmacht über eine Sache innehat.


Unter dem Begriff „Insiderhandel“ oder „Insidergeschäft“ (''insider trading ''<nowiki>[USA], </nowiki>''insider dealing ''<nowiki>[GB]) </nowiki>versteht man allgemein den Erwerb oder die Veräußerung von [[Finanzinstrument]]en, die auf der Grundlage unveröffentlichter kursrelevanter, dem Handelnden als „Insider“ jedoch bekannter Informationen erfolgen. Dieser nutzt den durch sein privilegiertes Insiderwissen vermittelten Informationsvorsprung aus, um an einem erwarteten Preisanstieg zu partizipieren oder um, umgekehrt, einem befürchteten künftigen Preisverfall zuvorzukommen. Der aus der US-amerikanischen Diskussion stammende Begriff „Insider“ ist inzwischen fester Bestandteil der deutschen (und europäischen) Rechtssprache geworden. Die Erscheinungsformen der unerwünschten Insidergeschäfte sind überaus vielfältig. Insiderhandelsverbote werden regelmäßig von dem Gebot flankiert, kursrelevante Informationen auf Seiten des Emittenten unverzüglich zu veröffentlichen, um so die Zeitspanne, innerhalb derer Insidergeschäfte erfolgreich getätigt werden können, möglichst kurz zu halten.
Dem deutschen Recht ist das Institut der Sachhalterhaftung unbekannt; insbesondere ist die Sachhalterhaftung nicht zu verwechseln mit der in §&nbsp;311 Abs.&nbsp;3 BGB geregelten Sachwalterhaftung. Das deutsche außervertragliche Haftungsrecht operiert vielmehr mit dem zweispurigen System von Verschuldens- und an die Gefährlichkeit einer Sache oder Aktivität knüpfender [[Gefährdungshaftung]]. Gleiches gilt für das englische ''[[common law]]'' und für die übrigen europäischen Rechtssysteme außerhalb des französischen Rechtskreises ([[Rechtskreislehre]]).


In der Terminologie des Gemeinschaftsrechts stellt der Insiderhandel zusammen mit der verwandten und ebenfalls unerwünschten „[[Marktmanipulation]]“ (''market manipulation'') einen „Marktmissbrauch“ (''market abuse'') dar. Beide unterscheiden sich dadurch, dass der ''Insider'' lediglich bereits bestehende Informationsasymmetrien ausnutzt, aber, anders als der Manipulant, selber keine für den Finanzmarkt nachteilige Fehlbildung des Kurses oder Preises herbeiführt. Im Gegenteil, durch den Insiderhandel werden wichtige nicht öffentliche Informationen in den Markt eingespeist, was im Ergebnis zu einer realitätsnäheren („informierteren“) Preisbildung führt und damit insoweit zunächst einmal zur Effizienz des Finanzmarktes beiträgt. Entsprechend ist das Verbot des Insiderhandels ökonomisch umstritten.
== 2. Das französische Recht ==
Die französische Sachhalterhaftung hat ihre gesetzliche Grundlage in Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'', der in seiner zweiten Alternative formuliert: „On est responsable … du dommage … causé par le fait des choses que l’on a sous sa garde“. Ursprünglich war diese Aussage lediglich als Hinweis auf die folgenden Art.&nbsp;1385, 1386 ''Code civil'' gemeint, die Tierhalter und Gebäudeeigentümer verschuldensunabhängigen Haftungen unterwerfen. Erst die Rechtsprechung hat diese deklaratorisch gemeinte Aussage in mehreren, spektakulären Schritten umfunktioniert zu einer objektiven, verschuldensunabhängigen Haftung für Sachen jeglicher Art.


Ausgelöst wurde die Diskussion um das Für und Wider eines Insiderhandelsverbots im Wesentlichen durch eine Publikation des amerikanischen Ökonomen ''Henry G''.'' Manne ''mit dem Titel „Insider Trading and the Stock Market“ aus dem Jahr 1966, die in der Zeit erschien, als die Justiz in den USA aktiv gegen den Insiderhandel vorzugehen begann. In seiner bahnbrechenden, wenn auch heftig umstrittenen ökonomischen Analyse der einschlägigen Regelungen vertrat ''Manne ''die These, dass Insiderhandel keinesfalls schädlich, sondern in der Regel sowohl für die Emittenten als auch für den Finanzmarkt nützlich sei. Denn auf diese Weise würden die Kurse der betreffenden Wertpapiere dem Preisniveau angenähert, das sich einstellen würde, wenn die Insiderinformation bekannt wäre. Generell fehle es an unmittelbar Geschädigten auf der Marktgegenseite des Insiders, da dessen Transaktionspartner ihre Geschäfte in gleicher Weise mit Dritten ohne Insiderkenntnisse durchgeführt hätten. Zum Zweiten sah ''Manne'' in dem Insiderhandel eine effiziente Möglichkeit, angestellte Manager von Publikumsgesellschaften, präziser die ''Entrepreure'' unter diesen, für die Produktion von Innovationen und damit (positiven) Informationen zu belohnen. Als Drittes verwies er auf das nach wie vor aktuelle Problem, eine Verbotsregelung zu schaffen, die überhaupt effektiv am Markt durchsetzbar sei.
Der erste Schritt in diese Richtung war der ''arrêt du remorqueur ''aus dem Jahre 1896 (''Cour de Cassation'', Cass. civ. 16.6.1896, DP 1897 I, 433). Der Dampfkessel eines Schleppers war explodiert und hatte den auf dem Schlepper beschäftigten Arbeiter tödlich verletzt, ohne dass dem Arbeitgeber eine Pflichtverletzung (''faute'') nachgewiesen werden konnte. Um die Haftung dennoch begründen zu können, interpretierte die ''Cour de Cassation'' Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'' um in eine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Haftung aus vermutetem Verschulden. Den zweiten Schritt hin zu der heute praktizierten objektiven verschuldensunabhängigen Haftung vollzog das Gericht im Jahre 1930 mit dem sog. ''arrêt Jand’heur'', in dem es um die Kollision einer Passantin mit einem Lkw ging (''Cour de Cassation'', Cass. ch. réunies 13.2.1930, D 1930 I, 57). In dieser Entscheidung rückte die ''Cour de Cassation'' von dem Verständnis des Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'' als Verschuldensvermutung (''présomption de faute'') ab zugunsten einer – selbstverständlich unwiderleglichen – Haftungsvermutung (''présomption de responsabilité''). Die heutige Doktrin versteht Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'' ganz offen als Anspruchsgrundlage für eine gesetzliche Haftung, die an das bloße Innehaben einer Sache geknüpft ist und eine Pflichtverletzung weder voraussetzt noch vermutet (''responsabilité de plein droit'').


Spätere Autoren betonen unter Weiterführung der Überlegungen von ''Manne'' zusätzlich, dass die Kosten eines Insiderregimes dessen potentiellen Nutzen überstiegen, da von einem Insiderhandelsverbot ohnehin nicht die Publikumsanleger, sondern ganz überwiegend nur die professionellen Marktteilnehmer aus der Finanzindustrie profitierten. Zudem habe das Bekanntwerden auch spektakulärer Insiderskandale keinen Einfluss auf die Handelsaktivitäten an den betroffenen Finanzmärkten gehabt, was zeige, dass deren Funktionsfähigkeit nicht von einem Insiderhandelsverbot abhänge.
Die Sachhalterhaftung gilt für Sachen jeglicher Art, seien sie beweglich oder unbeweglich, belebt oder unbelebt. Im Unterschied zur [[Gefährdungshaftung]] kommt es auch nicht darauf an, ob Sachen der jeweiligen Gattung als solche gefährlich sind, und genauso irrelevant ist es, ob die Sache in sicherheitsrelevanter Hinsicht fehlerhaft ist oder aus sonstigen Gründen ein individuelles Schadensrisiko darstellt. Ersatzpflichtig ist der ''gardien'' der Sache, d.h. der Halter als Inhaber der Herrschaftsmacht, also derjenige, der ''usage'','' direction et contrôle'' über die Sache hat. Auch Minderjährige und selbst Kleinkinder können ''gardiens'' sein. Eine Entlastung des Sachhalters kommt nicht schon dann in Betracht, wenn er nachweist, die gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen zu haben, wohl aber bei höherer Gewalt (''force majeure''). Dafür muss der Schaden durch eine unvorhersehbare und unabwendbare äußere Ursache verursacht worden sein (''une cause étrangère imprévisible et irrésistible''). Mitverschulden des Opfers (''faute de la victime'') führt regelmäßig nur zur Minderung des Ersatzanspruchs, die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch einen Dritten (''fait d’un tiers'') regelmäßig nur zu einem Ausgleich im Innenverhältnis der nach außen gesamtschuldnerisch haftenden Schädiger.


Auch 40&nbsp;Jahre später dauert die Diskussion unter Ökonomen noch an; allerdings scheint sich derzeit eine Mehrheit für ein Insiderhandelsverbot auszusprechen. Die Befürworter einer solchen Regelung verweisen insbesondere darauf, dass das Insidergeschäfte das anlegende Publikum jedenfalls aus dem Blickwinkel einer unterlassenen Aufklärung schädigten und entsprechend im Sinne einer ''averse selection'' langfristig das Vertrauen in die Finanzmärkte untergrüben und damit die Transaktionskosten erhöhten. Es bestünde ferner die Gefahr, dass sich die ''bid price spreads'' erhöhten, da sich ''market maker'' gegen vermutete Insidergeschäfte schützen würden. Auch im Verhältnis zwischen Emittenten und angestellten Managern würden die aus der Perspektive der ''principle-agent theory ''mit der Zulassung von Insiderhandel theoretisch möglichen Anreize zur Schaffung von Innovationen durch Probleme von ''moral hazard'','' perverse incentives'' und ''free-riding'' praktisch mehr als aufgewogen. Aus der Sicht einer im Vordringen befindlichen ''property rights analysis'' stellt das Insiderhandelsverbot ein wirksames Mittel gegen eine Verletzung der Verfügungsrechte des Emittenten über die Informationen durch Insider dar. Zudem wird darauf verwiesen, dass heutzutage bei professionellen Investoren die Erwartung bestehe, dass eine moderne Finanzmarktregulierung eine effizient ausgestaltete und durchgesetzte Insiderregelung kenne, weshalb kein im internationalen Wettbewerb stehender Finanzplatz darauf verzichten könne.
Die mehrfache Uminterpretation des Art. 1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'' durch die ''Cour de Cassation'' zum Zwecke der Haftungsbegründung konnte nicht verhindern, dass die Sachhalterhaftung in Frankreich in verschiedene Sondertatbestände zersplittert ist. Die Spezialgesetze betreffen durchweg Fälle, die in anderen Ländern der Gefährdungshaftung unterliegen. Praktisch von überragender Bedeutung ist die ''Loi Badinter'' von 1985, die eine im Interesse des Opferschutzes noch stärker objektivierte Haftungsregelung für Straßenverkehrsunfälle eingeführt hat. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kann Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil ''heute nur noch eingeschränkt als Generalklausel angesprochen werden. Richtig ist dies nur in dem Sinne, dass für Sachen, die keinem Spezialregime der Gefährdungshaftung unterliegen, die allgemeine Sachhalterhaftung des ''[[Code civil]]'' eingreift.


Aus juristischer Sicht stand neben der Integrität der Finanzmärkte und dem Erhalt des damit verbundenen Vertrauens der Öffentlichkeit seit jeher auch der Aspekt der Fairness im Mittelpunkt der Argumentation zugunsten eines Insiderhandelsverbots, da die Anleger angesichts der insiderbedingten Informationsasymmetrien andernfalls ungleiche Chancen am Markt hätten. Die Diskussion könnte vermutlich an Schärfe gewinnen, wenn zwischen der Verwendung von negativen und positiven Informationen durch den Insider unterschieden würde, da die rechtliche Qualifizierung seines Verhaltens je nach Art der nicht aufgedeckten Information differieren dürfte.
Die Sachhalterhaftung ist einer der Gegenstände des aktuellen französischen Projektentwurfs zur Reform des Obligationenrechts (''Avant-projet de réforme du droit des obligations''). Die vorbereitende Arbeitsgruppe hat erwogen, die Sachhalterhaftung durch eine Gefährdungshaftung zu ersetzen, die an die besondere Gefährlichkeit einer Sache oder Aktivität zu knüpfen gewesen wäre. Dieser Vorschlag hat sich nicht durchsetzen können; der Projektentwurf behält die Sachhalterhaftung vielmehr bei, führt jedoch ''zusätzlich'' eine dem französischen Recht bislang unbekannte Generalklausel der Gefährdungshaftung für ''activités anormalement dangereuses ''ein (Art.&nbsp;1362 ''Avant-projet''). Die Sachhalterhaftung ihrerseits soll sogar deutlich ausführlicher geregelt werden als bisher, und zwar durch Kodifikation des von der ''Cour de Cassation'' entwickelten Rechtszustands. Art.&nbsp;1354 ''Avant-projet'' formuliert: „On est responsable de plein droit des dommages causés par le fait des choses que l’on a sous sa garde“; darauf folgen Präzisierungen der Begriffe ''fait de la chose'' und ''gardien'' sowie eine Klarstellung, dass weder ein Fehler der Sache noch eine physische Beeinträchtigung des Halters zur Entlastung führen (Art.&nbsp;1354(1)-(4) ''Avant-projet'').


== 2. Zur Regulierung aus internationaler und vergleichender Perspektive ==
== 3. Andere europäische Rechtsordnungen ==
Die Sachhalterhaftung nach französischem Vorbild hat großen Einfluss auf andere europäische Rechtsordnungen ausgeübt, die den ''Code Napoléon'' übernommen oder sich an ihm orientiert haben. Zu nennen sind Luxemburg, Belgien, Italien, Portugal und die Niederlande. Das spanische Recht stellt die einzige europäische Tochterrechtsordnung des französischen ''Code civil'' dar, der die Sachhalterhaftung fremd ist.


Inzwischen kennen fast alle modernen Finanzmarktrechte ein Verbot des Insiderhandels. Reichweite, Ausgestaltung und Sanktionierung des Verbotes variieren international jedoch, wobei sich aber ein genereller Trend in Richtung einer kontinuierlichen Verschärfung der Regelwerke abzeichnet. Größere Unterschiede bestehen allerdings nach wie vor hinsichtlich der Durchsetzung der Insiderhandelsverbote an den nationalen Finanzplätzen.
Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 ''Code civil'' findet sich wortgenau im luxemburgischen und belgischen Recht. Der französischen Rechtsprechung folgend wird Art.&nbsp;1384 Abs.&nbsp;1 dort ebenfalls als eigenständige Anspruchsgrundlage interpretiert, die zu einer objektiven gesetzlichen Haftung führt. Während die luxemburgische Rechtsprechung der französischen bis ins Detail folgt, hat der belgische Kassationshof einen eigenständigen Weg beschritten und die Haftung auf Fälle begrenzt, in denen die Sache einen sicherheitsrelevanten Fehler aufweist. Damit ist die Sachhalterhaftung in eine [[Gefährdungshaftung]] verwandelt worden.


Außerhalb der [[Europäische Union|Europäischen Union]] (dazu nachfolgend 3.) hat sich bislang keine international vereinheitlichte Praxis bezüglich der Untersagung des Insiderhandels herausgebildet. Die einzige partiell einschlägige supranationale Regelung ist die Konvention des Europarates über den Insiderhandel vom 20.4.1989, die am 1.10.1991 in Kraft getreten ist. Die Konvention hat indes lediglich die Amtshilfe bei der Aufdeckung und Verfolgung von Insidergeschäften zwischen denjenigen Einrichtungen der Mitgliedstaaten zum Gegenstand, denen die Aufsicht über die Finanzmärkte obliegt. Sie enthält keine Vereinheitlichung materieller Regelungen. Einen ersten wichtigen Schritt in Richtung internationaler regulatorischer Standards stellen indes die (unverbindlichen) Empfehlungen des ''Emerging Markets Committee ''der ''International Organization of Securities Commissions'' (IOSCO) dar, die diese auf der Grundlage einer umfassenden rechtsvergleichenden Analyse international verbreiteter Insiderregelungen und deren Durchsetzung erarbeitet und in dem Bericht „Insider Trading: How Jurisdictions Regulate It” im März 2003 veröffentlicht hat. Die Empfehlungen richten sich an die nationalen Gesetzgeber und geben diesen einen Katalog von Kriterien zur Schaffung bzw. Verbesserung bereits bestehender Regelungen an die Hand.
Während in Luxemburg und in Belgien die französische Entwicklung von den lokalen Gerichten mehr oder weniger nachvollzogen wurde, hat in Italien, Portugal und den Niederlanden der Gesetzgeber zugunsten der Sachhalterhaftung interveniert. Der italienische ''[[Codice civile]]'' von 1942 stellt die erste europäische Kodifikation dar, die bewusst eine allgemeine Sachhalterhaftung etabliert (Art.&nbsp;2051 ''Codice civile''). Sie wurde von der Rechtsprechung als Haftung aus ''un''widerleglich vermutetem Verschulden qualifiziert, von der sich der Schädiger nur durch den Nachweis eines Zufalls befreien kann. Die dogmatische Einordnung im Sinne einer Verschuldensvermutung hat zur Folge, dass sie auf das Außenverhältnis zum Geschädigten begrenzt werden konnte und der Innenausgleich unter Gesamtschuldnern weiterhin dem Verschuldensprinzip unterstellt bleibt. Eine weitere Variante hat das portugiesische Recht entwickelt, indem es die Sachhalterhaftung als Haftung aus ''widerleglich'' vermutetem Verschulden ausgestaltet (Art.&nbsp;493 Abs.&nbsp;1 ''Código civil''). Sowohl im italienischen als auch im portugiesischen Recht tritt neben diese allgemeine Sachhalterhaftung eine Generalklausel für gefährliche Tätigkeiten (Art.&nbsp;2050 ''Codice civile'', Art.&nbsp;493 Abs.&nbsp;2 ''Código civil''). Ausgestaltet ist diese Haftung für gefährliche Tätigkeiten allerdings nicht im Sinne einer strikten Haftung, sondern als Haftung aus widerleglich vermutetem Verschulden.


Auf der Ebene des nationalen Rechts begann die Herausbildung des Insiderrechts als einem eigenständigen und zunehmend wichtigeren Teil des Kapitalmarktrechts in den USA. Die erste Entscheidung der dortigen bundesstaatlichen Aufsichtsbehörde, der ''Securities and Exchange Commission ''(''SEC''), die ein Verbot von Insidergeschäften bei Börsentransaktionen aussprach, stammt aus dem Jahr 1961 (''Cady'','' Roberts & Co''). Die erste Gerichtsentscheidung, die Insiderhandel als Verstoß gegen das allgemeine kapitalmarktrechtliche Betrugsverbot qualifizierte, folgte 1968 (''SEC v. Texas Gulf Sulphur Co''., 401 F.2d 833) und wurde mit dem Grundsatz ''disclose or abstain'' rasch zu einer Leitentscheidung mit internationaler Ausstrahlung. Es schlossen sich zahlreiche weitere, auch höchstrichterliche Gerichtsentscheidungen an, die in ihren Begründungen für das Verbot des Insiderhandels allerdings stark differierten. Teilweise stand der gleiche Zugang zu kapitalmarktrelevanten Informationen für alle Investoren im Vordergrund (''equal access theory''), teilweise wurde – wesentlich enger – eine Verletzung von Treuepflichten durch den ''Insider'' verlangt (''fiduciary duty theory''). Spätere Entscheidungen stellten auf eine Veruntreuung der fraglichen Information durch den ''Insider'' ab (''misappropriation theory''). Bezugspunkt war unabhängig von der Begründung stets das in sec. 10 lit. b des ''Securities and Exchange Act'' (SEA)'' ''von 1934 und der dazu erlassenen Rule&nbsp;10b-5 der SEC verankerte kapitalmarktrechtliche Betrugsverbot. Weitere einschlägige Regelungen finden sich in sec. 14 lit. e SEA i.V.m. Rule&nbsp;4e-3, die ein Verbot von Insidergeschäften im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten postulieren. Ferner sieht sec. 17 lit. a des ''Securities Act'' (SA) von 1933 ein Verbot betrügerischer Machenschaften und irreführender Informationen beim Verkauf von Wertpapieren vor, das auch den Verkauf durch einen ''Insider'' erfasst.
Auch das niederländische Recht kennt in Art.&nbsp;6:173 Abs.&nbsp;1 BW eine Form der Sachhalterhaftung. Anders als in Frankreich ist sie jedoch in doppelter Hinsicht begrenzt, nämlich auf bewegliche Sachen, die zudem eine besondere Gefahr für ihre Umwelt darstellen müssen. Das Erfordernis einer besonderen Gefahr wird nach den Grundsätzen der Produkthaftungs-RL (RL&nbsp;85/‌473) präzisiert im Sinne einer Enttäuschung berechtigter Sicherheitserwartungen.


Das US-amerikanische Kapitalmarktrecht kennt einen besonders differenzierteren und flexiblen Katalog von abgestuften Sanktionen, der von aufsichtsrechtlichen (disziplinarischen) Maßnahmen, wie verwaltungsrechtlichen Untersagungsverfügungen oder Berufsverboten, über eine Gewinnherausgabe und Bußgelder (''civil penalities'') bis zu Kriminalstrafen (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 20&nbsp;Jahren) reicht. Der ''Insider Trading Sanctions Act ''hatte 1984 eine zivilrechtliche Buße bis zur dreifachen Höhe des erzielten Vermögensvorteils eingeführt und der ''Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act ''verschärfte 1988 als Folge von Insiderskandalen die strafrechtlichen Sanktionen. Daneben werden geschädigten Anlegern ausdrücklich gesetzliche Schadensersatzansprüche zuerkannt. Die Sanktionen können teilweise kumulativ, teilweise aber auch nur alternativ verhängt werden.
Dem in Österreich im Jahre 2005 vorgelegten, hoch kontrovers diskutierten und sodann im Jahre 2007 überarbeiteten Entwurf zur Reform des Schadensersatzrechts ist eine allgemeine Sachhalterhaftung fremd. Halter von Quellen hoher Gefahr werden vielmehr einer Gefährdungshaftung unterstellt. Normative Grundlagen dieser Haftung ist nicht die Innehabung einer Sache, sondern die besondere Gefährlichkeit einer Aktivität. Derjenige, der lediglich Quellen ''besonderer'' Gefahr schafft oder aufrechterhält, haftet nach dem Entwurf aus vermutetem Verschulden.


Das verschärfte Vorgehen der amerikanischen Justiz gegen ''Insider'' hatte auch direkte und indirekte Auswirkungen auf andere Jurisdiktionen wie etwa die Schweiz. Der Justizkonflikt, der Anfang der 1980er Jahre zwischen den USA und der Schweiz wegen verweigerter Rechtshilfe im Zuge eines amerikanischen Insiderverfahrens entbrannte, trug als Katalysator maßgeblich mit zur Normierung eines strafrechtlichen Verbotes des Insiderhandels in Art.&nbsp;161 des schweizerischen StGB bei, das im Jahr 1988 in Kraft trat und sich in wichtigen Teilen an dem US-Vorbild orientiert. Danach kann ein ''Insider'' mit Geldbuße und/‌oder Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. Zudem ist die Einziehung des durch das Insidergeschäft erlangten Vermögensvorteils möglich.
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==
 
Den beiden großen Vereinheitlichungsprojekten des europäischen außervertraglichen Haftungsrechts, den ''[[Principles of European Tort Law]]'' (PETL) der ''European Group on Tort Law'' und dem die außervertragliche Haftung betreffenden VI.&nbsp;Buch des Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]], ist eine allgemeine Sachhalterhaftung unbekannt. Beide Entwürfe entscheiden sich vielmehr für ein dualistisches System aus Verschuldens- und Gefährdungshaftung. Wer eine außergewöhnlich gefährliche Aktivität ausführt, haftet nach Art.&nbsp;5:101 PETL ohne Verschulden für solche Schäden, die durch die Aktivität verursacht wurden und sich als Realisierung des aktivitätsspezifischen Risikos darstellen. Zwar soll der Begriff „Aktivität“ die Haftung nicht auf gefährliches ''Verhalten ''beschränken, sondern auch die Innehabung gefährlicher Sachen umfassen. Anknüpfungspunkt für die Haftung gemäß Art.&nbsp;5:101 PETL bleibt jedoch die Schaffung einer besonderen Gefahr, nicht hingegen die Innehabung einer Sache. Art.&nbsp;5:101 PETL ist somit eine Generalklausel der Gefährdungshaftung, keine Generalklausel der Sachhalterhaftung. Der DCFR kennt gleichfalls keine Sachhalterhaftung. Im Abschnitt&nbsp;2 von Buch&nbsp;VI über ''Accountability without intention or negligence'' ist eine Reihe von Tatbeständen der Gefährdungshaftung aufgelistet, etwa für Tiere, Kraftfahrzeuge sowie für gefährliche Stoffe und Emissionen. Darunter ist kein einziger Fall, in dem die strikte Haftung an die bloße Innehabung einer – möglicherweise ungefährlichen – Sache geknüpft ist. Das Institut der Sachhalterhaftung scheint sich daher international nicht durchzusetzen und eine Besonderheit des französischen Rechtskreises zu bleiben.
Auch der japanische Gesetzgeber, der ebenfalls im Jahr 1988 ein strafbewehrtes Insiderhandelsverbot einführte, orientierte sich an dem Vorbild der USA. Nach mehreren Tatbestandsausweitungen und Verschärfungen kann verbotener Insiderhandel heute mit Geldbuße und/‌ oder Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden (Art.&nbsp;166, 167, 197-2 Finanzprodukte- und Börsengesetz). Zudem ist nach Art.&nbsp;207 eine Doppelbestrafung des ''Insiders'' wie auch der Gesellschaft, bei der er beschäftigt ist, möglich. Allerdings bestehen in Japan nach allgemeiner Einschätzung trotz der Strafverschärfungen nach wie vor erhebliche Vollzugsdefizite.
 
Das deutsche Recht hat sich der Unterbindung des Insiderhandels nur zögerlich genähert. Am Anfang stand eine Selbstregulierung in Form der von der Börsensachverständigenkommission veröffentlichten „Empfehlungen zur Lösung der Insiderprobleme“ aus dem Jahr 1970, deren Geltung eine vorherige vertragliche Annerkennung voraussetzte. Auch wenn die Empfehlungen in den Folgejahren mehrfach überarbeitet wurden, galten sie von Anfang an als praktisch bedeutungslos. Zu einer gesetzlichen Regelung kam es erst im Zuge der Umsetzung der Insiderrichtlinie von 1989 durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz mit dem Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) im Jahr 1994. Dieses wurde unter Einschluss seiner insiderhandelsrechtlichen Bestimmungen aus Anlass der Umsetzung der Marktmissbrauchs-RL (RL&nbsp;2003/‌6) von 2003 durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz im Jahr 2004 novelliert. Die einschlägigen Regelungen einschließlich der Vorschrift zur ''Ad hoc''-Publizität finden sich heute in den §§&nbsp;12–16b, 38, 39 WpHG, die weitgehend durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben determiniert sind (dazu sogleich unter 3.). Hinsichtlich der Sanktionen hat sich der deutsche Gesetzgeber in den §§&nbsp;38, 39 WpHG für eine Kombination von Kriminalstrafen (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) und Bußgeldern entschieden. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht lassen sich aus einem Verstoß gegen das deutsche Insiderhandelsverbot in aller Regel keine zivilrechtlichen Ansprüche ableiten, da die Vorschrift nach herrschender, wenn auch umstrittener Ansicht kein Schutzgesetz i.S.v. §&nbsp;823 Abs.&nbsp;2 BGB ist, sondern vordringlich – wenn auch nicht exklusiv – einen überindividuellen Funktionsschutz bezweckt.
 
Die gesetzlichen Vorschriften werden durch die Wertpapierhandelsanzeige- und Insider-VO vom 13.12.2004 ergänzt. Für die Praxis spielt der Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 15.7.2005 eine zentrale Rolle. Hierbei handelt es sich zwar um keine Rechtsverordnung, sondern nur um eine intern bindende norminterpretierende Verwaltungsvorschrift. Diese dürfte aber zur Herausbildung einer gefestigten Verwaltungspraxis führen, an der sich voraussichtlich auch die Gerichte künftig orientieren werden.
 
== 3. Genese und zentrale Elemente des gemeinschaftsrechtlichen Regelwerkes „Insiderhandelsverbot“ ==
 
In der Europäischen Gemeinschaft reichen die Versuche, ein einheitliches Insiderhandelsrecht zu schaffen, bis in die 1970er Jahre zurück. Bereits die im Jahr 1977 veröffentlichten „Europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen“ enthielten einige, wenn auch unverbindliche Empfehlungen zum Insiderhandel. Nach längeren Vorarbeiten wurde am 13.11.1989 die Insider-RL (RL&nbsp;89/‌592) verabschiedet – ein Meilenstein in der Geschichte der Insiderhandelsregeln in Europa. Im Zuge der Ausarbeitung eines Regelwerkes zur Bekämpfung der [[Marktmanipulation]] innerhalb der Gemeinschaft wurden auch die Bestimmungen der Insider-RL überarbeitet und neben den Vorschriften zu Marktmanipulation zusammen mit einer neuen Regelung zur ''ad hoc''-Publizität in die Marktmissbrauchs-RL integriert. Diese hat die Insider-RL abgelöst.
 
Die Marktmissbrauchs-RL ist eine der ersten Richtlinien, die nach den Vorgaben des im Jahr 2002 eingeführten vereinfachten Rechtsetzungsverfahrens, des sog. Komitologieverfahrens, zustande kam. Gemäß ihrem Charakter als Rahmenrichtlinie legt sie lediglich Grundprinzipien fest, während die technischen Einzelheiten auf der zweiten Stufe des Komitologieverfahrens in Form von Durchführungsmaßnahmen geregelt werden. Die Kommission hat in den Jahren 2003 und 2004 drei derartige Durchführungsrichtlinien (RL&nbsp;2003/‌124, 2003/‌125, 2004/‌72) erlassen. Diese werden durch die Verordnung der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchs-RL (VO&nbsp;2273/‌2003) ergänzt. Auf der dritten Ebene des Komitologieverfahrens interpretieren (bislang) drei Ausgaben von Leitlinien des ''Committee of European Securities Regulators'' (CESR) aus den Jahren 2004 bis 2008 das vorstehende Regelwerk.
 
Das ausdifferenzierte Regulierungsregime „Insiderhandelsverbot “ zielt auf die Schaffung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens zum Schutz der Marktintegrität und der Sicherung des Anlegervertrauens (Erwägungsgründe 2 und 12 Marktmissbrauchs-RL). Die Neuregelung des Insiderhandels soll Lücken im bisherigen einschlägigen Gemeinschaftsrecht schließen (Erwägungsgrund 13). Gemäß Art.&nbsp;2(1) Marktmissbrauchs-RL haben die Mitgliedstaaten bestimmten Personen als Primärinsidern zu untersagen, unter Ausnutzung von Insiderinformationen Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen beziehen, direkt oder indirekt für eigene oder fremde Rechnung zu erwerben oder zu veräußern oder dies zu versuchen. Als Primärinsider gelten Personen, die qua ihrer herausgehobenen Stellung beim Emittenten oder aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung an diesem, von Berufs wegen oder aufgrund krimineller Aktivitäten über Insiderinformationen verfügen (Art.&nbsp;2 (2) Marktmissbrauchs-RL). Nach Art.&nbsp;3 Marktmissbrauchs-RL ist diesen Personen zudem zu verbieten, Insiderinformationen an Dritte weiterzugeben oder auf deren Grundlage Kauf- oder Verkaufsempfehlungen auszusprechen. Gemäß Art.&nbsp;4 Marktmissbrauchs-RL haben die Mitgliedstaaten ferner sicherzustellen, dass auch Personen, die nicht zum Kreis der in Art.2(2) Marktmissbrauchs-RL genannten Primärinsider gehören, von den Verboten der Art.&nbsp;2 und 3 Marktmissbrauchs-RL erfasst werden, wenn sie wussten oder hätten wissen müssen, dass es sich um Insiderinformationen handelt (Sekundärinsider).
 
Der Begriff „Insiderinformation“ ist in Art. 1(1) Marktmissbrauchs-RL i.V.m. Art.&nbsp;1 Durchführungs-RL der Kommission vom 23.12. 2003 (RL&nbsp;2003/‌124) definiert und wird in der CESR-Leitlinie zu Insidergeschäften vom Juli 2007 (CESR/‌06-562b) näher erläutert. Er enthält vier zentrale Elemente: (i) Die Information muss hinreichend präzise sein (Gerüchte werden nicht erfasst); (ii) sie darf noch nicht öffentlich bekannt sein; (iii) ferner muss sie sich direkt oder indirekt auf einen Emittenten von Finanzinstrumenten oder auf Finanzinstrumente i.S.d. Marktmissbrauchs-RL beziehen; (iv) und schließlich muss es sich um eine kursrelevante Information handeln, die geeignet ist, im Falle ihrer Veröffentlichung den Kurs des betreffenden Finanzinstruments oder sich darauf beziehender derivater Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Der Begriff „Finanzinstrument“ ist in Art.1(3) Marktmissbrauchs-RL weit definiert und umfasst neben Wertpapieren, die an einem organisierten Markt in einem Mitgliedstaat zum Handel zugelassen sind, auch ''Swaps'', Warenderivate, Geldmarktinstrumente u.a. mehr.
 
Das Insiderhandelsverbot wird durch verschiedene Maßnahmen flankiert. Nach Art.&nbsp;6(1) und (3) Marktmissbrauchs-RL sind Emittenten von Finanzinstrumenten zu verpflichten, Insiderinformationen so bald als möglich zu veröffentlichen und Verzeichnisse derjenigen Personen zu führen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben. Art.&nbsp;6(4) und (9) Marktmissbrauchs-RL statuieren zudem Meldepflichten für Führungskräfte des Emittenten bei Eigengeschäften und für Finanzdienstleister im Falle von verdächtigen Transaktionen.
 
Nach Art.&nbsp;14 Marktmissbrauchs-RL haben die Mitgliedstaaten unbeschadet der Möglichkeit zusätzlich Kriminalstrafen zu verhängen, dafür zu sorgen, dass bei Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot verhältnismäßige, aber ausreichend wirksame und abschreckende Verwaltungsmaßnahmen ergriffen werden können. Zur Frage eines zivilrechtlichen Schadensersatzes schweigt die Marktmissbrauchs-RL.


==Literatur==
==Literatur==
''Henry G''.'' Manne'', Insider Trading and the Stock Market, 1966; ''Klaus J''.'' Hopt'', ''Eddy Wymeersch'' (Hg.), European Insider Dealing, 1991;'' Klaus J''.'' Hopt'', Ökonomische Theorie und Insiderrecht, Die Aktiengesellschaft 1995, 353&nbsp;ff.;'' Stephen M''.'' Bainbridge'', Insider Trading, in: Boudewijn Bouckaert, Gerrit De&nbsp;Geest (Hg.), Encyclopedia of Law and Economics, 2000, Bd.&nbsp;III, 772&nbsp;ff.; ''Martin Oppitz'', Insiderrecht aus ökonomischer Perspektive, 2003; ''The Emerging Markets Committee of the International Organization of Securities Commissions'', Insider Trading: How Jurisdictions Regulate It. Report, March 2003; ''Guido A. Ferrarini'', The European Market Abuse Directive, Common Market Law Review 41 (2004) 711&nbsp;ff.;'' Mark Stamp'', ''Tom Jaggers'', ''Edward F''.'' Greene'' (Hg.), International Insider Dealing, 2005; ''Stephen M''.'' Bainbridge'', The Iconic Insider Trading Cases, UCLA School of Law, Law & Economics Research Paper Series, Research Paper No. 08-05; ''Daniela Koenig'', Das Verbot von Insiderhandel, 2006;'' Klaus J. Hopt'', Insider- und ''ad-hoc''-Publizitätsprobleme, in: Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte, Hans-Jürgen Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, 3.&nbsp;Aufl. 2007, Bd.&nbsp;II, 1005&nbsp;ff.
''Louis Josserand'', De la responsabilité du fait des choses inanimées, 1897; ''Emile Bonnet'', De la responsabilité du fait des choses (théorie générale), 1908;'' Ulrich M. Hübner'', Die Haftung des Gardien im französischen Zivilrecht, 1972; ''Bernhard A. Koch'', Die Sachhaftung, 1992;'' Fabrice Leduc'','' Jean-Pierre Bourgois'','' Patrice Jourdain'', La responsabilité du fait des choses, 1997; ''Christian von Bar'', Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Bd.&nbsp;1, 1996, 117&nbsp;ff.; ''Geneviève Schamps'', La mise en danger: Un concept fondateur d’un principe général de responsabilité, 1998; ''Bernhard A. Koch'','' Helmut Koziol'' (Hg.), Unification of Tort Law: Strict Liability, 2002; ''Cees van Dam'', European Tort Law, 2006.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Insidergeschäft]]
[[en:Custodian’s_Liability]]

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 18:00 Uhr

von Gerhard Wagner

1. Terminologie

Die Sachhalterhaftung – mitunter auch „Sachhaftung“ oder „Gardienhaftung“ genannt – ist ein Haftungsprinzip des französischen Rechts: responsabilité du fait des choses. Von dort aus hat sie die Tochterrechtsordnungen des Code civil beeinflusst, nämlich das belgische, luxemburgische, italienische und das portugiesische Recht, aber auch das Recht der Niederlande. Sachhalterhaftung bedeutet die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Halters einer Sache als derjenigen Person, die die Herrschaftsmacht über eine Sache innehat.

Dem deutschen Recht ist das Institut der Sachhalterhaftung unbekannt; insbesondere ist die Sachhalterhaftung nicht zu verwechseln mit der in § 311 Abs. 3 BGB geregelten Sachwalterhaftung. Das deutsche außervertragliche Haftungsrecht operiert vielmehr mit dem zweispurigen System von Verschuldens- und an die Gefährlichkeit einer Sache oder Aktivität knüpfender Gefährdungshaftung. Gleiches gilt für das englische common law und für die übrigen europäischen Rechtssysteme außerhalb des französischen Rechtskreises (Rechtskreislehre).

2. Das französische Recht

Die französische Sachhalterhaftung hat ihre gesetzliche Grundlage in Art. 1384 Abs. 1 Code civil, der in seiner zweiten Alternative formuliert: „On est responsable … du dommage … causé par le fait des choses que l’on a sous sa garde“. Ursprünglich war diese Aussage lediglich als Hinweis auf die folgenden Art. 1385, 1386 Code civil gemeint, die Tierhalter und Gebäudeeigentümer verschuldensunabhängigen Haftungen unterwerfen. Erst die Rechtsprechung hat diese deklaratorisch gemeinte Aussage in mehreren, spektakulären Schritten umfunktioniert zu einer objektiven, verschuldensunabhängigen Haftung für Sachen jeglicher Art.

Der erste Schritt in diese Richtung war der arrêt du remorqueur aus dem Jahre 1896 (Cour de Cassation, Cass. civ. 16.6.1896, DP 1897 I, 433). Der Dampfkessel eines Schleppers war explodiert und hatte den auf dem Schlepper beschäftigten Arbeiter tödlich verletzt, ohne dass dem Arbeitgeber eine Pflichtverletzung (faute) nachgewiesen werden konnte. Um die Haftung dennoch begründen zu können, interpretierte die Cour de Cassation Art. 1384 Abs. 1 Code civil um in eine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Haftung aus vermutetem Verschulden. Den zweiten Schritt hin zu der heute praktizierten objektiven verschuldensunabhängigen Haftung vollzog das Gericht im Jahre 1930 mit dem sog. arrêt Jand’heur, in dem es um die Kollision einer Passantin mit einem Lkw ging (Cour de Cassation, Cass. ch. réunies 13.2.1930, D 1930 I, 57). In dieser Entscheidung rückte die Cour de Cassation von dem Verständnis des Art. 1384 Abs. 1 Code civil als Verschuldensvermutung (présomption de faute) ab zugunsten einer – selbstverständlich unwiderleglichen – Haftungsvermutung (présomption de responsabilité). Die heutige Doktrin versteht Art. 1384 Abs. 1 Code civil ganz offen als Anspruchsgrundlage für eine gesetzliche Haftung, die an das bloße Innehaben einer Sache geknüpft ist und eine Pflichtverletzung weder voraussetzt noch vermutet (responsabilité de plein droit).

Die Sachhalterhaftung gilt für Sachen jeglicher Art, seien sie beweglich oder unbeweglich, belebt oder unbelebt. Im Unterschied zur Gefährdungshaftung kommt es auch nicht darauf an, ob Sachen der jeweiligen Gattung als solche gefährlich sind, und genauso irrelevant ist es, ob die Sache in sicherheitsrelevanter Hinsicht fehlerhaft ist oder aus sonstigen Gründen ein individuelles Schadensrisiko darstellt. Ersatzpflichtig ist der gardien der Sache, d.h. der Halter als Inhaber der Herrschaftsmacht, also derjenige, der usage, direction et contrôle über die Sache hat. Auch Minderjährige und selbst Kleinkinder können gardiens sein. Eine Entlastung des Sachhalters kommt nicht schon dann in Betracht, wenn er nachweist, die gebotenen Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen zu haben, wohl aber bei höherer Gewalt (force majeure). Dafür muss der Schaden durch eine unvorhersehbare und unabwendbare äußere Ursache verursacht worden sein (une cause étrangère imprévisible et irrésistible). Mitverschulden des Opfers (faute de la victime) führt regelmäßig nur zur Minderung des Ersatzanspruchs, die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch einen Dritten (fait d’un tiers) regelmäßig nur zu einem Ausgleich im Innenverhältnis der nach außen gesamtschuldnerisch haftenden Schädiger.

Die mehrfache Uminterpretation des Art. 1384 Abs. 1 Code civil durch die Cour de Cassation zum Zwecke der Haftungsbegründung konnte nicht verhindern, dass die Sachhalterhaftung in Frankreich in verschiedene Sondertatbestände zersplittert ist. Die Spezialgesetze betreffen durchweg Fälle, die in anderen Ländern der Gefährdungshaftung unterliegen. Praktisch von überragender Bedeutung ist die Loi Badinter von 1985, die eine im Interesse des Opferschutzes noch stärker objektivierte Haftungsregelung für Straßenverkehrsunfälle eingeführt hat. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kann Art. 1384 Abs. 1 Code civil heute nur noch eingeschränkt als Generalklausel angesprochen werden. Richtig ist dies nur in dem Sinne, dass für Sachen, die keinem Spezialregime der Gefährdungshaftung unterliegen, die allgemeine Sachhalterhaftung des Code civil eingreift.

Die Sachhalterhaftung ist einer der Gegenstände des aktuellen französischen Projektentwurfs zur Reform des Obligationenrechts (Avant-projet de réforme du droit des obligations). Die vorbereitende Arbeitsgruppe hat erwogen, die Sachhalterhaftung durch eine Gefährdungshaftung zu ersetzen, die an die besondere Gefährlichkeit einer Sache oder Aktivität zu knüpfen gewesen wäre. Dieser Vorschlag hat sich nicht durchsetzen können; der Projektentwurf behält die Sachhalterhaftung vielmehr bei, führt jedoch zusätzlich eine dem französischen Recht bislang unbekannte Generalklausel der Gefährdungshaftung für activités anormalement dangereuses ein (Art. 1362 Avant-projet). Die Sachhalterhaftung ihrerseits soll sogar deutlich ausführlicher geregelt werden als bisher, und zwar durch Kodifikation des von der Cour de Cassation entwickelten Rechtszustands. Art. 1354 Avant-projet formuliert: „On est responsable de plein droit des dommages causés par le fait des choses que l’on a sous sa garde“; darauf folgen Präzisierungen der Begriffe fait de la chose und gardien sowie eine Klarstellung, dass weder ein Fehler der Sache noch eine physische Beeinträchtigung des Halters zur Entlastung führen (Art. 1354(1)-(4) Avant-projet).

3. Andere europäische Rechtsordnungen

Die Sachhalterhaftung nach französischem Vorbild hat großen Einfluss auf andere europäische Rechtsordnungen ausgeübt, die den Code Napoléon übernommen oder sich an ihm orientiert haben. Zu nennen sind Luxemburg, Belgien, Italien, Portugal und die Niederlande. Das spanische Recht stellt die einzige europäische Tochterrechtsordnung des französischen Code civil dar, der die Sachhalterhaftung fremd ist.

Art. 1384 Abs. 1 Code civil findet sich wortgenau im luxemburgischen und belgischen Recht. Der französischen Rechtsprechung folgend wird Art. 1384 Abs. 1 dort ebenfalls als eigenständige Anspruchsgrundlage interpretiert, die zu einer objektiven gesetzlichen Haftung führt. Während die luxemburgische Rechtsprechung der französischen bis ins Detail folgt, hat der belgische Kassationshof einen eigenständigen Weg beschritten und die Haftung auf Fälle begrenzt, in denen die Sache einen sicherheitsrelevanten Fehler aufweist. Damit ist die Sachhalterhaftung in eine Gefährdungshaftung verwandelt worden.

Während in Luxemburg und in Belgien die französische Entwicklung von den lokalen Gerichten mehr oder weniger nachvollzogen wurde, hat in Italien, Portugal und den Niederlanden der Gesetzgeber zugunsten der Sachhalterhaftung interveniert. Der italienische Codice civile von 1942 stellt die erste europäische Kodifikation dar, die bewusst eine allgemeine Sachhalterhaftung etabliert (Art. 2051 Codice civile). Sie wurde von der Rechtsprechung als Haftung aus unwiderleglich vermutetem Verschulden qualifiziert, von der sich der Schädiger nur durch den Nachweis eines Zufalls befreien kann. Die dogmatische Einordnung im Sinne einer Verschuldensvermutung hat zur Folge, dass sie auf das Außenverhältnis zum Geschädigten begrenzt werden konnte und der Innenausgleich unter Gesamtschuldnern weiterhin dem Verschuldensprinzip unterstellt bleibt. Eine weitere Variante hat das portugiesische Recht entwickelt, indem es die Sachhalterhaftung als Haftung aus widerleglich vermutetem Verschulden ausgestaltet (Art. 493 Abs. 1 Código civil). Sowohl im italienischen als auch im portugiesischen Recht tritt neben diese allgemeine Sachhalterhaftung eine Generalklausel für gefährliche Tätigkeiten (Art. 2050 Codice civile, Art. 493 Abs. 2 Código civil). Ausgestaltet ist diese Haftung für gefährliche Tätigkeiten allerdings nicht im Sinne einer strikten Haftung, sondern als Haftung aus widerleglich vermutetem Verschulden.

Auch das niederländische Recht kennt in Art. 6:173 Abs. 1 BW eine Form der Sachhalterhaftung. Anders als in Frankreich ist sie jedoch in doppelter Hinsicht begrenzt, nämlich auf bewegliche Sachen, die zudem eine besondere Gefahr für ihre Umwelt darstellen müssen. Das Erfordernis einer besonderen Gefahr wird nach den Grundsätzen der Produkthaftungs-RL (RL 85/‌473) präzisiert im Sinne einer Enttäuschung berechtigter Sicherheitserwartungen.

Dem in Österreich im Jahre 2005 vorgelegten, hoch kontrovers diskutierten und sodann im Jahre 2007 überarbeiteten Entwurf zur Reform des Schadensersatzrechts ist eine allgemeine Sachhalterhaftung fremd. Halter von Quellen hoher Gefahr werden vielmehr einer Gefährdungshaftung unterstellt. Normative Grundlagen dieser Haftung ist nicht die Innehabung einer Sache, sondern die besondere Gefährlichkeit einer Aktivität. Derjenige, der lediglich Quellen besonderer Gefahr schafft oder aufrechterhält, haftet nach dem Entwurf aus vermutetem Verschulden.

4. Vereinheitlichungsprojekte

Den beiden großen Vereinheitlichungsprojekten des europäischen außervertraglichen Haftungsrechts, den Principles of European Tort Law (PETL) der European Group on Tort Law und dem die außervertragliche Haftung betreffenden VI. Buch des Draft DCFR, ist eine allgemeine Sachhalterhaftung unbekannt. Beide Entwürfe entscheiden sich vielmehr für ein dualistisches System aus Verschuldens- und Gefährdungshaftung. Wer eine außergewöhnlich gefährliche Aktivität ausführt, haftet nach Art. 5:101 PETL ohne Verschulden für solche Schäden, die durch die Aktivität verursacht wurden und sich als Realisierung des aktivitätsspezifischen Risikos darstellen. Zwar soll der Begriff „Aktivität“ die Haftung nicht auf gefährliches Verhalten beschränken, sondern auch die Innehabung gefährlicher Sachen umfassen. Anknüpfungspunkt für die Haftung gemäß Art. 5:101 PETL bleibt jedoch die Schaffung einer besonderen Gefahr, nicht hingegen die Innehabung einer Sache. Art. 5:101 PETL ist somit eine Generalklausel der Gefährdungshaftung, keine Generalklausel der Sachhalterhaftung. Der DCFR kennt gleichfalls keine Sachhalterhaftung. Im Abschnitt 2 von Buch VI über Accountability without intention or negligence ist eine Reihe von Tatbeständen der Gefährdungshaftung aufgelistet, etwa für Tiere, Kraftfahrzeuge sowie für gefährliche Stoffe und Emissionen. Darunter ist kein einziger Fall, in dem die strikte Haftung an die bloße Innehabung einer – möglicherweise ungefährlichen – Sache geknüpft ist. Das Institut der Sachhalterhaftung scheint sich daher international nicht durchzusetzen und eine Besonderheit des französischen Rechtskreises zu bleiben.

Literatur

Louis Josserand, De la responsabilité du fait des choses inanimées, 1897; Emile Bonnet, De la responsabilité du fait des choses (théorie générale), 1908; Ulrich M. Hübner, Die Haftung des Gardien im französischen Zivilrecht, 1972; Bernhard A. Koch, Die Sachhaftung, 1992; Fabrice Leduc, Jean-Pierre Bourgois, Patrice Jourdain, La responsabilité du fait des choses, 1997; Christian von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Bd. 1, 1996, 117 ff.; Geneviève Schamps, La mise en danger: Un concept fondateur d’un principe général de responsabilité, 1998; Bernhard A. Koch, Helmut Koziol (Hg.), Unification of Tort Law: Strict Liability, 2002; Cees van Dam, European Tort Law, 2006.

Abgerufen von Insidergeschäft – HWB-EuP 2009 am 29. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).