Heiliges Römisches Reich und Rügeobliegenheit: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Hans-Peter Haferkamp]]''
von ''[[Knut B. Pißler]]''
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Im Zivilrecht spielt die Rügeobliegenheit in den europäischen Rechtsordnungen vor allem im Kaufrecht ([[Kauf]]) eine Rolle, außerhalb des Zivilrechts aber beispielsweise auch im öffentlichen [[Vergaberecht]].


Bezeichnung für das seit dem Mittelalter bis 1806 existierende Alte Reich, das in der Neuzeit zeitweise neben den deutschen Ländern Teile Italiens, Lothringen, die spanischen Niederlande, die Schweizer Eidgenossenschaft, Böhmen und Schlesien umfasste. Seit dem 15. Jahrhundert häufig mit dem Zusatz „Deutscher Nation“.
Im Kaufrecht dient sie – verbunden mit der Sanktion von Rechtsverlusten bei Versäumung dieser Obliegenheit – der Realisierung des Prinzips der Mitverantwortung des Käufers für eine rechtzeitige Klärung und Abwicklung von Mangelproblemen. Der Verkäufer soll in die Lage versetzt werden, durch Nach-, Ersatzlieferung oder Nachbesserung die Vertragswidrigkeit zu beheben oder einen Schaden des Käufers zu verringern. Außerdem soll der Verkäufer durch die Rüge die Möglichkeit erhalten, sich auf eventuelle Verhandlungen oder Streitigkeiten mit dem Käufer über die Vertragswidrigkeit der Ware einzustellen und sich darauf vorzubereiten, indem er beispielsweise das notwendige Beweismaterial sichert. Überdies wird der Verkäufer so in die Lage versetzt, sich auch auf einen Rückgriff auf den Zulieferer vorzubereiten. Schließlich soll der Verkäufer zu einem bestimmten Zeitpunkt Gewissheit darüber haben, welche Rechnungsposten er in seine Bücher einstellen kann.


== 1. Begriffliches ==
Ähnliche Ziele verfolgen auch Regelungen zur [[Verjährung]], so dass einige Rechtsordnungen statt mit Rügeobliegenheiten mit Verjährungsfristen sicherstellen, dass die schutzwürdigen Interessen des Verkäufers ausreichend Berücksichtigung finden.


Die Kaiserkrönung ''Karls des Großen'' im Jahr 800 in Rom dokumentierte, dass die römisch-päpstliche Kirche auf der Suche nach Schutz vor der langobardischen Bedrohung sich im 8. Jahrhundert zum Frankenreich, nicht zu Byzanz hin orientiert hatte. ''Otto der Große'' festigte durch die Wiederherstellung des Kaiserreiches 962 den hier behaupteten Legitimitätsvorsprung vor den anderen europäischen Monarchien. Seit 976 sprachen die Urkunden vom „Imperator Romanorum“. Mit der Vorstellung, dass Rom nie untergegangen sei und im Frankenreich fortlebte verband sich die Deutung dieses Prozesses als Heilsgeschehen. In der kaiserlichen Kanzlei Barbarossas tauchte im Umfeld der Kreuzzüge 1157 die Bezeichnung „Sacrum Imperium“ (Geheiligtes Reich) auf, ab 1254 dann auch „Sacrum Imperium Romanum“. Die seit dem 12. Jahrhundert verbreitete Lehre von der ''translatio imperii'' interpretierte die Prophetie Daniels (Dan 2, 21) als göttliche Übertragung der Weltherrschaft von Babylon über Persien und Griechenland auf Rom. Der Papst vermittelte durch die Kaiserkrönung in dieser Interpretation nicht nur die weltgeschichtliche Bedeutung des Römischen Reiches, sondern auch die Schirmherrschaft über die ganze Christenheit an die fränkischen bzw. deutschen Könige. Mit der Bezeichnung des Reiches als ''sacrum'' wurde im aufkommenden Investiturstreit zugleich die Gleichstellung des Reiches gegenüber der Kirche behauptet. Im Landfriedensgesetz ''Friedrichs III.'' (1495) tauchte erstmals der Zusatz „Deutscher Nation“ auf. Die traditionell transnational gedachte Einheit des Reiches, mit seinen Hauptmassen Germanien, Italien und Gallien (insb. Burgund und Lothringen), löste sich langsam auf. Die Reichsreformen von 1495 umfassten weitestgehend nur die deutschsprachigen Reichsglieder. Insbesondere die meisten regionalen Herrschaften Italiens und Burgund waren nur noch lehensrechtlich dem Reich verbunden, an den Reichsinstitutionen, insbesondere dem Reichstag, aber nicht mehr beteiligt.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die Lösungen, den einzelne Rechtsordnungen für diesen Problemkreis anbieten, sind dementsprechend recht unterschiedlich, auch weil sie teilweise eher zugunsten des Käufers teilweise eher zugunsten des Verkäufers ausgestaltet sind.


== 2. Verfassungsstruktur ==
Zunächst ist festzustellen, dass einige Rechtsordnungen eine ausdrückliche Rügepflicht des Käufers kennen: Zu diesen zählt vor allem das deutsche (§§&nbsp;377,&nbsp;378&nbsp;HGB) und das österreichische (§§&nbsp;377, 378 Unternehmensgesetz), das schweizerische (Art.&nbsp;201 OR), das italienische (Art.&nbsp;1495 Abs.&nbsp;1 ''Codice civile''), das dänische (§§&nbsp;51, 52 ''Løv om køp''<nowiki> [Kaufgesetz]) und das niederländische Recht (Art.&nbsp;7:23 Abs.&nbsp;1 BW). In einigen der Rechtsordnungen, die eine Rügepflicht kennen, ist diese allerdings auf den Handelskauf beschränkt: Als Beispiele sind hier wiederum das deutsche und das österreichische Recht zu nennen. Italien und die Niederlande kennen hingegen eine allgemeine Rügepflicht. Auch das dänische Recht sieht eine Rügepflicht sowohl im Handelskauf als auch im Zivilkauf vor.</nowiki>


=== a) Staatstheoretische Einordnung ===
Im englischen Recht braucht der Käufer nach sec. 35 Abs. 4 ''Sale of Goods Act 1979'' hingegen nur zu rügen, wenn er Vertragsaufhebung geltend machen will. In Spanien ist für den zivilrechtlichen Kauf nur vorgesehen, dass der Käufer sein Recht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich ausübt. Beim handelsrechtlichen Kauf muss der Käufer Mängel rügen, wobei aber unklar ist, ob diese Rüge außergerichtlich erfolgen kann und welche Fristen einzuhalten sind.


Die Frage nach der staatstheoretischen Einordnung des Alten Reiches war bereits früh nicht nur ein innerwissenschaftliches Begriffsspiel sondern vor allem ein Tummelplatz für tagespolitische Stellungnahmen. Im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges fand eine erste lebhafte Debatte statt. Die Einordnung des Reiches in die noch immer am aristotelischen Schema orientierte Staatsformenlehre machte Schwierigkeiten. Mit ''Jean'' ''Bodin'' rückte dabei die ''maiestas'' des Herrschers, seine Souveränität, als Unterscheidungsmerkmal in den Vordergrund. Kaisernahe Autoren wie ''Dietrich Reinkingk'' sprachen dem Kaiser die alleinige Souveräntität zu, während hiergegen vor allem ''Hippolithus à Lapide'' bzw. ''Bogislaw v. Chemnitz'' den im Reichstag agierenden Ständen die Entscheidungsgewalt zusprach und das Reich damit als Aristokratie verortete. Angesichts der auf Kaiser und Stände verteilten Befugnisse setzte sich in der Staatslehre des Alten Reiches eine dritte Auffassung durch, demzufolge ein Mischgebilde zwischen den traditionellen Staatsformen vorliege (''status mixtus''). Pointiert spitzte ''Samuel Pufendorf'' 1667 unter dem Pseudonym ''Severinus de Monzambano'' zu und bezeichnete das Reich als „irregulare aliquod corpus et monstro simile“, das besser als Bündnis unabhängiger Staaten zu begreifen sei. Auch nach 1806 blieb die Frage, ob das Alte Reich ein Staat gewesen sei, an politischen Tagesfragen ausgerichtet. ''Wilhelm v. Humboldt'' sah in seiner „Denkschrift zur Deutschen Verfassung“ von 1813 in der Gemengelage zwischen dezentralen und zentralen Strukturen im Alten Reich gerade die spezifische Staatsform der Deutschen verwirklicht. Mit Blick auf Preußen und den Nationalstaat von 1871 rückte die proborussische Historiographie (''Gustav Droysen'','' Heinrich v. Sybel'','' Heinrich v. Treitschke'') starke Herrscherfiguren der Ottonen, Salier und Staufer in den Vordergrund und idealisierte den „hohen Staat des Mittelalters“ (''Heinrich Mitteis'') als Kontrast zum Alten Reich der Neuzeit als Verfallsperiode, dem wiederum das preußische Erfolgsmodell entgegengesetzt wurde. Mit der „kleindeutschen“ Orientierung kam dabei – aus preußischer Sicht negativ – die Annäherung des ja lange von den Habsburgern dominierten Reiches an das ausgeschlossene Österreich hinzu. Für ''Friedrich Meinecke'' (Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908) hatte ''Humboldt'' in dieser Perspektive eine „unstaatliche Sicht vom Staate“. Versuche, das Alte Reich im Vorfeld des „Anschlusses“ als Leitbild für eine „gesamtdeutsche“ Staatlichkeit zwischen Preußen und Österreich wiederzubeleben (''Heinrich von Srbik'', Deutsche Einheit, 1935) blieben vereinzelt, weil gerade auch der nationalsozialistische Staat am Bild „geschichtsunfähiger Staatslosigkeit“ (''Ernst Rudolf Huber'') des Alten Reiches festhielt.
Auch in den anderen Rechtsordnungen, die eine Rügepflicht kennen, wird die Frist, innerhalb derer gerügt werden muss, unterschiedlich bemessen. Im deutschen Rechtskreis wird die unverzügliche oder (in der Schweiz) sofortige Anzeige verlangt, während in England die Einhaltung einer ''reasonable time'' genügt. In den Niederlanden muss die Anzeige grundsätzlich innerhalb einer angemessenen Frist ab Entdeckung oder ab Entdeckbarkeit des Mangels erfolgen; bei Verbraucherverträgen kommt es hingegen seit 2003 auf die Entdeckbarkeit nicht an und eine Anzeige innerhalb von zwei Monaten nach der Entdeckung gilt als angemessen. In Italien gilt hingegen eine zeitlich genau bestimmte allgemeine Rügefrist von acht Tagen ab Entdeckung der Mängel. In Dänemark muss der Käufer bei einem Handelskauf sofort rügen, während bei einem Verbraucherkauf gemäß §&nbsp;81 ''Løv om køp'' (Kaufgesetz) innerhalb einer angemessenen Frist gerügt werden muss. Liegt weder ein Handelskauf noch ein Verbraucherkauf vor, ist ohne schuldhaftes Zögern zu rügen.


Mit dem Beginn der europäischen Integration veränderte sich in den 1950er Jahren der Blick. Die Vorstellung eines Staatenbundes, die einheitliche [[Gerichtsbarkeit]] und die im Westfälischen Frieden gefundene europäische Friedensordnung machten das Alte Reich nun zu einer vorbildhaften Friedens- und Rechtsordnung (''Franz Schnabel'','' Karl Otmar Frhr. v. Aretin''). Historiker mit einem stärker sozialhistorischen Blick (''Volker Press'','' Peter Moraw'') entfernten sich dabei vom juristischen Sprachgebrauch und sprachen etwa vom „Reich als politisches System“ (''Volker Preß'') oder „Reichssystem“ (''Heinz Schilling''). Demgegenüber haben ''Georg Schmidt'' („komplementärer Reichs-Staat“, 1999) und ''Johannes Burkhard'' („Rechtsstaat“, 1998) jüngst erneut versucht, einen Staatsbegriff zur Klassifikation heranzuziehen, was ihnen den Vorwurf einbrachte, im Nachgang zur Wiedervereinigung 1989 einen „neuen nationalhistorischen Diskurs“ (''Wolfgang Reinhard'') initiieren zu wollen.
Im französischen Recht fehlt eine Rügepflicht gänzlich, da man sich für eine Lösung durch das Festsetzen einer Verjährungsfrist entschieden hat. Einzige Voraussetzung für das Geltendmachen von Käuferansprüchen ist dort, dass dieser Sachmängel innerhalb eines ''bref délai'' gerichtlich geltend macht, Art.&nbsp;1648 ''Code civile''.


===b) Abgrenzungen zum modernen Staatsbegriff ===
Eine jüngere Tendenz, Rügeobliegenheiten beim [[Verbrauchsgüterkauf]] einzuführen, damit Verbraucher in den Genuss eines besonderen Schutzes kommen, ist nach der Verabschiedung der Verbrauchsgüterkauf-RL (RL&nbsp;99/‌‌44) vom 7.7.1999 festzustellen. Gemäß Art.&nbsp;5(2) der Verbrauchsgüterkauf-RL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Inanspruchnahme seiner Rechte über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, unterrichten muss.


Die ''Jellinek''’sche „Drei-Elemente-Lehre“ vermag die Struktur des Alten Reiches nicht adäquat zu beschreiben, taugt aber zur Folie, auf der die Eigentümlichkeiten dieses Gebildes deutlich werden. Eine einheitliche ''Staatsgewalt'' mit direkten Herrschaftsrechten gegenüber den Untertanen hatte der Kaiser bzw. König nur innerhalb seines eigenen Königsgutes, was zwar die Reichsstädte mitumfasste, auch in der Zeit der Habsburger aber den größten Teil des Reiches ausschloss. Die dem Kaiser zunächst allgemein zustehenden ''Hoheitsrechte'' wie ein Münz-, Berg- oder Forstregal gingen zumeist bereits im Mittelalter auf einzelne Reichsglieder über. Gleiches galt teilweise für die Justizhoheit (''privilegia de non appellando/‌evocando''). Nach dem Reichstag von Worms 1495 blieben dem Kaiser von seiner ursprünglichen ''plenitudo potestatis'' nur noch wenige nicht zustimmungspflichtige Reservatrechte (''iura caesarea illimitata''), insbesondere Standeserhöhungen, akademische Grade und Universitätsprivilegien. Die übrigen Herrschaftsrechte konnten als sog. Komitialrechte nur zusammen mit dem Reichstag ausgeübt werden.
Sechzehn Mitgliedstaaten haben sich nach einer Mitteilung der Kommission vom 24.4.2007 (KOM(2007)210 endg.) dafür entschieden, in ihren Gesetzen eine Anzeigepflicht vorzusehen, wobei allerdings einige Mitgliedstaaten von der Anzeigepflicht unter bestimmten Bedingungen absehen: In Dänemark und Finnland besteht keine Anzeigepflicht, wenn der Verkäufer gegen das Gebot der Redlichkeit verstoßen oder grob fahrlässig gehandelt hat. In Italien hat der Käufer keine Anzeigepflicht, wenn der Verkäufer Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte. Das belgische Gesetz sieht eine abweichende Regelung vor, der zufolge die Vertragsparteien eine bestimmte Frist, innerhalb der eine Vertragwidrigkeit mitzuteilen ist, vereinbaren können und untereinander die Rechtsfolgen im Falle des Ausbleibens einer solchen Mitteilung festlegen dürfen. Die Anzeigefrist darf jedoch nicht weniger als zwei Monate betragen. Nach slowakischem Recht muss der Verbraucher eine Vertragswidrigkeit „ohne ungebührliche Verzögerung“ mitteilen; diese Bestimmung interpretiert die Mitteilung der Kommission dahingehend, dass die Frist weniger als zwei Monate beträgt. Folgende Mitgliedstaaten haben nicht von dieser Möglichkeit, die ihnen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bietet, Gebrauch gemacht: Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Lettland, Luxemburg, Österreich, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Es handelt sich bei den Ländern größtenteils gerade um diejenigen Mitgliedstaaten, die entweder gar keine Rügeobliegenheiten oder diese nur für den handelsrechtlichen Kauf kennen.


Im ''Lehenswesen'', das bis 1806 das Reich verband, blieb die Vorstellung eines hierarchisch gegliederten Verbandes erhalten. Es gelang jedoch nicht, dem König die Entscheidungsgewalt über die Lehen zu belassen. Während etwa in Frankreich oder England bei Tod des Vasallen ein „Heimfall“ des Lehens erfolgte und damit dem König die Lehen als herrschaftsstärkende Verfügungsmasse verblieben, setzte sich im Reich schon im Mittelalter die Praxis durch, die Lehen an die Verwandten des Vasallen wieder auszugeben. Dies war weniger ein rechtlicher „Leihezwang“ als Ausdruck der Tatsache, dass es dem König politisch nicht gelang, der Vorstellung einer Lehensanwartschaft der Verwandten eigene Machtansprüche entgegenzusetzen. Dies hing auch damit zusammen, dass sich nach dem Tod ''Heinrichs VI.'' 1197 das Prinzip der ''Wahlmonarchie'' endgültig gegen das der Erbmonarchie durchsetzte. Herrschaft setzte damit stete Zustimmung der Reichsstände voraus. Nachdem die Einführung eines sog. Reichsregiments als ein paritätisch besetztes und ständig handlungsfähiges Regierungsorgan nach zwei Versuchen (1500–1502 und 1521–1530) scheiterte, lag die ''Staatsgewalt'' in allen wichtigen Fragen beim Reichstag, der seit dem 15.&nbsp;Jahrhundert klare Strukturen annahm. Die Versuche, die Königsmacht durch Ausbau einer ''zentralisierten'' ''Verwaltungsstruktur'' zu stärken, scheiterten. Dies gilt für die Versuche der Salier und Staufer, über die Reichsministerialität einen eigenen Verwaltungsapparat aufzubauen. In den Reichsreformen seit 1495 gelang es zudem nicht, dauerhaft eine Reichssteuer („Gemeiner Pfennig“) durchzusetzen, um finanzielle Handlungsfähigkeit zu erlangen. Da die Kaiser seit dem Mittelalter auch kein eigenes Reichskammergut mehr besaßen, standen alle größeren Entscheidungen finanziell unter Zustimmungsvorbehalt. Die 1500 gebildeten Verwaltungsstrukturen (Reichskreise) konnten ohne Exekutivorgane und hinreichende Kompetenzen dem steten Zustimmungserfordernis nicht entgehen. Sucht man im Alten Reich nach ''Staatsgewalt'', so findet man sie nur in den erstarkenden großen Territorien der Neuzeit, nicht beim Kaiser.
== 3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht ==
Im UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]) trifft den Käufer nach Art.&nbsp;38 und&nbsp;39 bei Abnahme der Ware die Pflicht, diese am Bestimmungsort zu untersuchen oder untersuchen zu lassen und eine Vertragswidrigkeit anzuzeigen. Die Rüge ist innerhalb einer angemessenen Frist zu erheben; eine noch in Art.&nbsp;39(1)1 EKG für die Rüge normierte „kurze“ Frist konnte sich gegen Wünsche nach einer flexibleren Ausgestaltung der Rügeregelung nicht durchsetzen. Der Verlust von Käuferansprüchen als Rechtsfolge bei Rügeversäumung erfasst gemäß Art.&nbsp;44 UN-Kaufrecht nicht die Minderung und einen eingeschränkten Schadensersatzanspruch (außer auf entgangenen Gewinn) wenn der Käufer eine „vernünftige Entschuldigung“ dafür hat, dass er die erforderliche Anzeige unterlassen hat. Der Käufer verliert seine Rechte nach Art.&nbsp;39(2) UN-Kaufrecht wegen vertragswidriger Beschaffenheit der Ware jedenfalls zwei Jahre nach tatsächlicher Übergabe der Ware. Art.&nbsp;43 UN-Kaufrecht sieht außerdem eine Rügepflicht bei Rechtsmängeln vor, die den meisten nationalen Rechtsordnungen jedoch fremd ist.


Auch die Vorstellung eines ''Staatsvolks'' beschreibt die Situation im Reich unzureichend. Es gab weder ein Reichsbürgerrecht noch allgemeine Rechtsgleichheit. Der Einzelne sah sich in der gestuften Machtverteilung des Reiches verschiedenen Obrigkeiten ausgesetzt, von denen mangels wirksamer Durchgriffsrechte der Kaiser untergeordnet erschien. Während es dem Kaiser nicht gelang, die Reichsstände zu entmachten, nahmen die Mitwirkungsbefugnis der Landstände und die Autonomien vieler intermediärer Gewalten in den Territorien seit 1500 ab, sodass man auch ein „Staatsvolk“ allenfalls dort, nicht im Reich verorten kann.
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==
In den [[Principles of European Contract Law|PECL]] sind Rügeobliegenheiten nicht festgelegt. Der Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] enthält hingegen in den Art.&nbsp;IV.A.-4:302 und&nbsp;4:303 Rügeobliegenheiten, wenn der Kaufsache nicht Vertragsgemäß ist. Der Rügeobliegenheit ist in Art.&nbsp;IV.A.-4:301 DCFR eine Untersuchungspflicht vorgeschaltet, die allerdings nicht für den Verbraucherkauf gilt (Art.&nbsp;IV.A.-4:301 Abs.&nbsp;4 DCFR). Die Rüge muss gemäß Art.&nbsp;IV.A.-4:302(1) DCFR innerhalb einer angemessenen Frist erhoben werden. Wird die Rüge versäumt, verliert der Käufer das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Kaufsache zu berufen. Art.&nbsp;IV.A.-4:302(3) DCFR normiert eine Ausschlussfrist, nach der der Käufer in jedem Fall das Recht verliert, sich auf die Vertragswidrigkeit zu berufen, wenn er sie nicht spätestens innerhalb von zwei Jahren anzeigt, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist.


Zuletzt besaß das Reich auch kein ''Staatsgebiet'' im modernen Sinne. Vor dem 15.&nbsp;Jahrhundert verstand sich Herrschaft nicht gebiets-, sondern personenbezogen, als Herrschaft über Menschen. Für die spätere Zeit passt das Bild nicht, weil sich die Ordnungsgeflechte des Reiches nicht deckten: Über das Lehenswesen waren Glieder mit dem Kaiser verknüpft, die nicht reichsständisch, also nicht im Reichstag, dem zweiten Bezugsgeflecht, vertreten waren. Für Teile Italiens, der Niederlande oder auch für die Schweiz zwischen 1499 und 1648 war die Reichszugehörigkeit daher eine Frage der juristischen und politischen Argumentation. Zugleich gab es Territorien wie Holstein oder auch Preußen bis ins 16.&nbsp;Jahrhundert, die zugleich Landsherrschaften (Dänemark bzw. Deutschritterorden/‌ Polen) unterfielen, die nicht Reichsstände waren.
Bei Verbraucherkäufen gelten einige Ausnahmen: Zunächst gilt gemäß Art.&nbsp;IV.A.-4:302(2) DCFR eine Frist von zwei Monaten als angemessen im Sinne von Art.&nbsp;IV.A.-4:302(1) DCFR. Der Käufer verliert außerdem nach Art.&nbsp;IV.A.-4:302(6) DCFR nicht die Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz, soweit letzterer nicht den Kaufpreis übersteigt. Dies bedeutet, dass der Käufer auch nach Ablauf der Ausschlussfrist Minderung und Schadensersatz verlangen kann; der Verkäufer soll in diesem Fall aber die Möglichkeit haben, die Behebung der Vertragswidrigkeit anzubieten, wenn dies für ihn günstiger ist. Art.&nbsp;IV.A.-4:303 DCFR legt schließlich fest, dass der Käufer dem Verkäufer nicht anzeigen muss, dass nicht alle Ware geliefert worden ist, soweit er Grund zu der Annahme hat, die ausstehende Ware werde noch geliefert.
 
== 3. Normen, Institutionen, Erfolge ==
 
Legitimation fand die Struktur des Reiches in einem historisch gewachsenen komplexen Geflecht von rechtlichen und sozialen, oft rituellen und symbolischen Regelungen. Rechtspositionen trafen bisweilen konkurrierend aufeinander, wurden gemeinsam ausgeübt oder ruhten zeitweise. Recht existierte im Reich als schriftliche Norm, wissenschaftliches Recht, Herkommen und Rechtsgewohnheit, als [[Stadtrecht|Stadt-]] und Landrecht, als rezipiertes römisch-kanonisches Recht, zudem als individuelles Ausnahmerecht (Privileg) oder vertragliche Aushandlung. Ein systematisch hierarchisiertes Rechtsgefüge oder eine konsentiert feststehende Rechtsquellenlehre existierten nicht. Die einzelnen Rechtspositionen wurden als „wohlerworbene Rechte“ und damit als historisch gewachsen legitimiert. Das Reich als Rechtsträger und Rechtsverleiher konkurrierte dabei nicht nur mit Territorien, sondern auch mit einer Fülle rechtlich teilautonomer intermediärer Gewalten wie Zünften oder Universitäten. Als ''Reichsrecht'' im engeren Sine verstand man die sog. Reichsgrundgesetze (''leges fundamentales Imperii''), die auf den Reichstagen ausgehandelten Reichsabschiede bzw. Reichsschlüsse (''recessus bzw. conclusa imperii''), unter kaiserlicher Beteiligung zustande gekommene Ordnungen, Edikte, Satzungen und Mandate und verschiedene Formen von Reichsgewohnheitsrecht. Seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert beschäftigte sich die Reichspublizistik mit diesem sog. Reichsherkommen, und zeichnete vielbändig Gesetze, Verträge, Judikate und vielfältige Formen auf Reichsebene verrechtlichter politischer und sozialer Praxis auf.
 
Den schriftlich gesetzten Rahmen für die ''Verfassung'' des Reiches schuf zunächst die Goldene Bulle von 1356, die das Wahlrecht des Königs und die Position der Kurfürsten festschrieb. Die verfassungspolitisch wohl größte Leistung gelang, nachdem der Augsburger Religionsfrieden von 1555 den Dreißigjährigen Krieg nicht verhindern konnte, mit dem Westfälischen Frieden von 1648. Vor allem durch den strikten Grundsatz der Parität gelang es, das Reich nicht an den konfessionellen Spannungen scheitern zu lassen. Mit dem Reichsdeputationsschluss von 1803 wurden auf Kosten der kleinen Reichsstände großflächige Staaten festgeschrieben und es wurde der Übergang zu einem Staatenbund eingeleitet. Infolge des Austritts des Rheinbundes unter dem Druck Napoleons kam es 1806 zur Niederlegung der Kaiserkrone durch ''Franz II''. und damit zum Ende des Alten Reiches.
 
Als ''Friedensordnung'' war das Reich wiederholt um die Eindämmung der Fehde bemüht (Reichslandfrieden von 1103, 1152, 1186, 1235 bis zum sog. Ewigen Landfrieden von 1495). Strafrechtsgeschichtlich ein Meilenstein war die erstmals von der oberitalienischen Strafrechtswissenschaft beeinflusste ''Constitutio Criminalis Carolina'' von 1532. Seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert unterstützte das Reich zudem die planende, „gute“ Ordnung und Gestaltung des Gemeinwesens („Polizey“ (von ''Politeia''), also weiter verstanden als das heutige Sicherheits- und Ordnungsrecht) in den Territorien durch eine Rahmenpolizeigesetzgebung (insb. in den Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548, 1577).
 
Im Zivilrecht setzte sich im 16.&nbsp;Jahrhundert das durch die oberitalienische [[Rechtswissenschaft]] rezipierte antike [[römisches Recht|römische Recht]], angereichert insbesondere durch [[kanonisches Recht]], als sog. Gemeines Recht ([[ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']]) durch. Nach einhelliger Ansicht hatte auch dieses, auch „Kaiserrecht“ genannte wissenschaftliche Recht nur subsidiäre Geltung, wurde also durch das Recht kleinerer Rechtskreise verdrängt. Wie auch der Reichsgesetzgebung im Polizei- und Strafrecht kam dem ''ius commune'' daher vor allem Vorbildfunktion für die Herausbildung territorialen und städtischen Rechts zu. Wenn auch nur mittelbar, so schuf das Reich auf diese Weise doch eine weitgehende ''Rechtseinheit''. Hierzu trug auch das 1495 als von den Ständen dominierte in Konkurrenz zum kaiserlichen Reichshofrat eingesetzte [[Reichskammergericht]] bei. Sobald partikulares Recht das Herkommen oder Rechte von Reichsständen oder Untertanen verletzte, drohte eine Klage vor dem ''Reichskammergericht''. Dieses konnte von Reichsunmittelbaren immer, ansonsten vor allem bei Landfriedensbruch, Rechtsverweigerung sowie, wenn nicht durch landesherrliches Privileg ausgeschlossen, als Appellationsinstanz auch gegen landesherrliche Interessen angerufen werden. In seiner inzwischen deutlich positiver als früher eingeschätzten Geschichte trug es bis zu seiner Auflösung im Jahr 1806 maßgeblich zur Rechtsvereinheitlichung, aber auch zur Verrechtlichung und Verwissenschaftlichung politischer Konflikte bei.
 
Einheitsstiftende Wirkung kam auch dem ''Reichstag'' zu, der im Zuge der Reichsreform von 1495 als Nachfolger der alten Hoftage institutionalisiert wurde. Das nur teilweise gesetzlich gefasste Verfahren teilte die Reichsstände in drei Reichskollegien auf, das Kurfürstenkollegium, den Fürstenrat (Fürsten, Prälaten, Grafen) sowie das Kollegium der Reichsstädte. Mit den Kurfürsten und Fürsten lag die Entscheidungsgewalt damit in den Händen weniger, oft versippter Familien. Dem Kaiser gegenüber war das Machtgefälle weiterhin gering. Das Reichstagsverfahren zielte auf gütliche Einigung (''amicabilis compositio'') zwischen den drei Kollegien und dem Kaiser ab. Seit dem westfälischen Frieden war innerhalb der Kollegien in vielen Fällen Stimmenmehrheit ausreichend, insb. aber nicht in Religionssachen. Mit der Zustimmung des Kaisers entstand ein Reichsschluss (''conclusum imperii''), der auch die abwesenden Reichsstände band. Mit dem Mehrheitsprinzip und der Bindung Abwesender wurde das alte Vertragsprinzip (''Quod omnes tangit'','' ab omnibus approbetur'') verlassen und der Weg zu einem politischen Leitungsorgan beschritten. Seit 1663 tagte der zuvor an wechselnden Orten einberufene Reichstag als Gesandtenkongress in Regensburg (Immerwährender Reichstag). Seine Bedeutung als politisches Kommunikationsorgan in der nun hoch formalisierten Gesandtendiplomatie rückte gegenüber seiner rechtsetzenden Tätigkeit in den Vordergrund.


==Literatur==
==Literatur==
''Peter Moraw'', Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; ''Michael Stolleis'', Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd.&nbsp;1, 1988; ''Heinz Angermeier'', Nationales Denken und Reichstradition am Ende des Alten Reiches, in: Wilhelm Brauneder (Hg.), Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, 1993, 169&nbsp;ff.; ''Karl Otmar von Aretin'', Das Alte Reich 1648–1806, 3&nbsp;Bde., 1993–1997; ''Heinz Mohnhaupt'', Gesetzgebung des Reichs und Recht im Reich vom 16.-18.&nbsp;Jahrhundert, in: Barbara Dölemeyer, Diethelm Klippel (Hg.), Gesetz und Gesetzgebung im Europa der Frühen Neuzeit (Beiheft 22 der Zeitschrift für Historische Forschung), 1998, 83&nbsp;ff.; ''Georg Schmidt'', Geschichte des Alten Reiches, 1999; ''Bernhard Diestelkamp'', Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, 1999; ''Matthias Schnettger'' (Hg.), Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichsstaat, 2002; ''Axel Gotthard'', Das Alte Reich 1495–1806, 2003; Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hg.), Lesebuch Altes Reich, 2006; ''Barbara Stollberg-Rilinger'', Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, 3.&nbsp;Aufl. 2007.
''Friedrich Graf von Westphalen'' (Hg.), Handbuch des Kaufvertragsrechts in den EG-Staaten, 1992; ''Michael Georg Gerny'', Untersuchungs- und Rügepflichten beim Kauf nach schweizerischem, französischem und US-amerikanischen Recht sowie nach CISG, 1999;'' André Janssen'', Die Untersuchungs- und Rügepflichten im deutschen, niederländischen und internationalen Kaufrecht, 2001;'' Ulrich Magnus'', Wiener UN-Kaufrecht, in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung 2005; ''Kommission der Europäischen Gemeinschaften'', Die Anwendung der Richtlinie 1999/‌44/‌EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, mit einer Analyse zur Frage der Zweckmäßigkeit der Einführung einer unmittelbaren Produzentenhaftung, 2007 (KOM(2007)210 endg.); ''Peter Schlechtriem'', ''Ingeborg Schwenzer'' (Hg.), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5.&nbsp;Aufl. 2008.
 
'''Quellen.''' ''Hans Hubert Hofmann'', Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1495–1815, 1976; ''Arno Buschmann'' (Hg.), Kaiser und Reich, 2 Bde., 2.&nbsp;Aufl. 1994.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Holy_Roman_Empire]]
[[en:Notification_Requirement_(Commercial_Sales)]]

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 17:58 Uhr

von Knut B. Pißler

1. Gegenstand und Zweck

Im Zivilrecht spielt die Rügeobliegenheit in den europäischen Rechtsordnungen vor allem im Kaufrecht (Kauf) eine Rolle, außerhalb des Zivilrechts aber beispielsweise auch im öffentlichen Vergaberecht.

Im Kaufrecht dient sie – verbunden mit der Sanktion von Rechtsverlusten bei Versäumung dieser Obliegenheit – der Realisierung des Prinzips der Mitverantwortung des Käufers für eine rechtzeitige Klärung und Abwicklung von Mangelproblemen. Der Verkäufer soll in die Lage versetzt werden, durch Nach-, Ersatzlieferung oder Nachbesserung die Vertragswidrigkeit zu beheben oder einen Schaden des Käufers zu verringern. Außerdem soll der Verkäufer durch die Rüge die Möglichkeit erhalten, sich auf eventuelle Verhandlungen oder Streitigkeiten mit dem Käufer über die Vertragswidrigkeit der Ware einzustellen und sich darauf vorzubereiten, indem er beispielsweise das notwendige Beweismaterial sichert. Überdies wird der Verkäufer so in die Lage versetzt, sich auch auf einen Rückgriff auf den Zulieferer vorzubereiten. Schließlich soll der Verkäufer zu einem bestimmten Zeitpunkt Gewissheit darüber haben, welche Rechnungsposten er in seine Bücher einstellen kann.

Ähnliche Ziele verfolgen auch Regelungen zur Verjährung, so dass einige Rechtsordnungen statt mit Rügeobliegenheiten mit Verjährungsfristen sicherstellen, dass die schutzwürdigen Interessen des Verkäufers ausreichend Berücksichtigung finden.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Lösungen, den einzelne Rechtsordnungen für diesen Problemkreis anbieten, sind dementsprechend recht unterschiedlich, auch weil sie teilweise eher zugunsten des Käufers teilweise eher zugunsten des Verkäufers ausgestaltet sind.

Zunächst ist festzustellen, dass einige Rechtsordnungen eine ausdrückliche Rügepflicht des Käufers kennen: Zu diesen zählt vor allem das deutsche (§§ 377, 378 HGB) und das österreichische (§§ 377, 378 Unternehmensgesetz), das schweizerische (Art. 201 OR), das italienische (Art. 1495 Abs. 1 Codice civile), das dänische (§§ 51, 52 Løv om køp [Kaufgesetz]) und das niederländische Recht (Art. 7:23 Abs. 1 BW). In einigen der Rechtsordnungen, die eine Rügepflicht kennen, ist diese allerdings auf den Handelskauf beschränkt: Als Beispiele sind hier wiederum das deutsche und das österreichische Recht zu nennen. Italien und die Niederlande kennen hingegen eine allgemeine Rügepflicht. Auch das dänische Recht sieht eine Rügepflicht sowohl im Handelskauf als auch im Zivilkauf vor.

Im englischen Recht braucht der Käufer nach sec. 35 Abs. 4 Sale of Goods Act 1979 hingegen nur zu rügen, wenn er Vertragsaufhebung geltend machen will. In Spanien ist für den zivilrechtlichen Kauf nur vorgesehen, dass der Käufer sein Recht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich ausübt. Beim handelsrechtlichen Kauf muss der Käufer Mängel rügen, wobei aber unklar ist, ob diese Rüge außergerichtlich erfolgen kann und welche Fristen einzuhalten sind.

Auch in den anderen Rechtsordnungen, die eine Rügepflicht kennen, wird die Frist, innerhalb derer gerügt werden muss, unterschiedlich bemessen. Im deutschen Rechtskreis wird die unverzügliche oder (in der Schweiz) sofortige Anzeige verlangt, während in England die Einhaltung einer reasonable time genügt. In den Niederlanden muss die Anzeige grundsätzlich innerhalb einer angemessenen Frist ab Entdeckung oder ab Entdeckbarkeit des Mangels erfolgen; bei Verbraucherverträgen kommt es hingegen seit 2003 auf die Entdeckbarkeit nicht an und eine Anzeige innerhalb von zwei Monaten nach der Entdeckung gilt als angemessen. In Italien gilt hingegen eine zeitlich genau bestimmte allgemeine Rügefrist von acht Tagen ab Entdeckung der Mängel. In Dänemark muss der Käufer bei einem Handelskauf sofort rügen, während bei einem Verbraucherkauf gemäß § 81 Løv om køp (Kaufgesetz) innerhalb einer angemessenen Frist gerügt werden muss. Liegt weder ein Handelskauf noch ein Verbraucherkauf vor, ist ohne schuldhaftes Zögern zu rügen.

Im französischen Recht fehlt eine Rügepflicht gänzlich, da man sich für eine Lösung durch das Festsetzen einer Verjährungsfrist entschieden hat. Einzige Voraussetzung für das Geltendmachen von Käuferansprüchen ist dort, dass dieser Sachmängel innerhalb eines bref délai gerichtlich geltend macht, Art. 1648 Code civile.

Eine jüngere Tendenz, Rügeobliegenheiten beim Verbrauchsgüterkauf einzuführen, damit Verbraucher in den Genuss eines besonderen Schutzes kommen, ist nach der Verabschiedung der Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 99/‌‌44) vom 7.7.1999 festzustellen. Gemäß Art. 5(2) der Verbrauchsgüterkauf-RL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verbraucher den Verkäufer zur Inanspruchnahme seiner Rechte über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, unterrichten muss.

Sechzehn Mitgliedstaaten haben sich nach einer Mitteilung der Kommission vom 24.4.2007 (KOM(2007)210 endg.) dafür entschieden, in ihren Gesetzen eine Anzeigepflicht vorzusehen, wobei allerdings einige Mitgliedstaaten von der Anzeigepflicht unter bestimmten Bedingungen absehen: In Dänemark und Finnland besteht keine Anzeigepflicht, wenn der Verkäufer gegen das Gebot der Redlichkeit verstoßen oder grob fahrlässig gehandelt hat. In Italien hat der Käufer keine Anzeigepflicht, wenn der Verkäufer Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte. Das belgische Gesetz sieht eine abweichende Regelung vor, der zufolge die Vertragsparteien eine bestimmte Frist, innerhalb der eine Vertragwidrigkeit mitzuteilen ist, vereinbaren können und untereinander die Rechtsfolgen im Falle des Ausbleibens einer solchen Mitteilung festlegen dürfen. Die Anzeigefrist darf jedoch nicht weniger als zwei Monate betragen. Nach slowakischem Recht muss der Verbraucher eine Vertragswidrigkeit „ohne ungebührliche Verzögerung“ mitteilen; diese Bestimmung interpretiert die Mitteilung der Kommission dahingehend, dass die Frist weniger als zwei Monate beträgt. Folgende Mitgliedstaaten haben nicht von dieser Möglichkeit, die ihnen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bietet, Gebrauch gemacht: Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Lettland, Luxemburg, Österreich, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Es handelt sich bei den Ländern größtenteils gerade um diejenigen Mitgliedstaaten, die entweder gar keine Rügeobliegenheiten oder diese nur für den handelsrechtlichen Kauf kennen.

3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht

Im UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) trifft den Käufer nach Art. 38 und 39 bei Abnahme der Ware die Pflicht, diese am Bestimmungsort zu untersuchen oder untersuchen zu lassen und eine Vertragswidrigkeit anzuzeigen. Die Rüge ist innerhalb einer angemessenen Frist zu erheben; eine noch in Art. 39(1)1 EKG für die Rüge normierte „kurze“ Frist konnte sich gegen Wünsche nach einer flexibleren Ausgestaltung der Rügeregelung nicht durchsetzen. Der Verlust von Käuferansprüchen als Rechtsfolge bei Rügeversäumung erfasst gemäß Art. 44 UN-Kaufrecht nicht die Minderung und einen eingeschränkten Schadensersatzanspruch (außer auf entgangenen Gewinn) wenn der Käufer eine „vernünftige Entschuldigung“ dafür hat, dass er die erforderliche Anzeige unterlassen hat. Der Käufer verliert seine Rechte nach Art. 39(2) UN-Kaufrecht wegen vertragswidriger Beschaffenheit der Ware jedenfalls zwei Jahre nach tatsächlicher Übergabe der Ware. Art. 43 UN-Kaufrecht sieht außerdem eine Rügepflicht bei Rechtsmängeln vor, die den meisten nationalen Rechtsordnungen jedoch fremd ist.

4. Vereinheitlichungsprojekte

In den PECL sind Rügeobliegenheiten nicht festgelegt. Der Draft DCFR enthält hingegen in den Art. IV.A.-4:302 und 4:303 Rügeobliegenheiten, wenn der Kaufsache nicht Vertragsgemäß ist. Der Rügeobliegenheit ist in Art. IV.A.-4:301 DCFR eine Untersuchungspflicht vorgeschaltet, die allerdings nicht für den Verbraucherkauf gilt (Art. IV.A.-4:301 Abs. 4 DCFR). Die Rüge muss gemäß Art. IV.A.-4:302(1) DCFR innerhalb einer angemessenen Frist erhoben werden. Wird die Rüge versäumt, verliert der Käufer das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Kaufsache zu berufen. Art. IV.A.-4:302(3) DCFR normiert eine Ausschlussfrist, nach der der Käufer in jedem Fall das Recht verliert, sich auf die Vertragswidrigkeit zu berufen, wenn er sie nicht spätestens innerhalb von zwei Jahren anzeigt, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist.

Bei Verbraucherkäufen gelten einige Ausnahmen: Zunächst gilt gemäß Art. IV.A.-4:302(2) DCFR eine Frist von zwei Monaten als angemessen im Sinne von Art. IV.A.-4:302(1) DCFR. Der Käufer verliert außerdem nach Art. IV.A.-4:302(6) DCFR nicht die Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz, soweit letzterer nicht den Kaufpreis übersteigt. Dies bedeutet, dass der Käufer auch nach Ablauf der Ausschlussfrist Minderung und Schadensersatz verlangen kann; der Verkäufer soll in diesem Fall aber die Möglichkeit haben, die Behebung der Vertragswidrigkeit anzubieten, wenn dies für ihn günstiger ist. Art. IV.A.-4:303 DCFR legt schließlich fest, dass der Käufer dem Verkäufer nicht anzeigen muss, dass nicht alle Ware geliefert worden ist, soweit er Grund zu der Annahme hat, die ausstehende Ware werde noch geliefert.

Literatur

Friedrich Graf von Westphalen (Hg.), Handbuch des Kaufvertragsrechts in den EG-Staaten, 1992; Michael Georg Gerny, Untersuchungs- und Rügepflichten beim Kauf nach schweizerischem, französischem und US-amerikanischen Recht sowie nach CISG, 1999; André Janssen, Die Untersuchungs- und Rügepflichten im deutschen, niederländischen und internationalen Kaufrecht, 2001; Ulrich Magnus, Wiener UN-Kaufrecht, in: Julius v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung 2005; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Anwendung der Richtlinie 1999/‌44/‌EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, mit einer Analyse zur Frage der Zweckmäßigkeit der Einführung einer unmittelbaren Produzentenhaftung, 2007 (KOM(2007)210 endg.); Peter Schlechtriem, Ingeborg Schwenzer (Hg.), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2008.

Abgerufen von Heiliges Römisches Reich – HWB-EuP 2009 am 28. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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