Stiftung

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von Thomas von Hippel

1. Gegenstand und Zweck

Die Stiftung ist eine in den Rechtsordnungen des civil law verbreitete Rechtsform mit eigener Rechtspersönlichkeit, die keine Mitglieder hat, mit ihrem Vermögen einen bestimmten Zweck verfolgt und typischerweise einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegt.

Die Rechtsordnungen des common law (England, Irland) kennen die Stiftung als Rechtsform nicht, haben aber in dem mitgliederlosen Trust ein funktionales Äquivalent, wobei der Trust allerdings keine Rechtspersönlichkeit innehat.

Die traditionelle Funktion der Stiftung ist die auf Dauer angelegte Förderung eines bestimmten, typischerweise gemeinnützigen Zwecks, den der Stifter über seinen Tod hinaus festgelegt hat. In manchen europäischen Staaten kann die Stiftung aber auch andere Funktionen wahrnehmen. So hat etwa Liechtenstein 1924 neue, „eigennützige“ Stiftungsformen eingeführt, durch die der Stifter sich selbst als Begünstigten einsetzen kann („Stiftung für den Stifter“), und die – in Verbindung mit der besonderen Anonymität des liechtensteinischen Stiftungsrechts – Gestaltungsformen erlauben, die in die Themenkreise asset protection oder „Steuerhinterziehung“, oder gar „Geldwäsche“ fallen. Österreich hat das liechtensteinische Modell in den neunziger Jahren in abgeschwächter Form übernommen. Die Niederlande ermöglichen Stiftungen, bei denen eigentlich nur ein Gewinnausschüttungsverbot zwingend festgelegt ist, und die daher vielfältig für gewerbliche Zwecke (z.B. als verkappte Konsumgenossenschaft) genutzt werden. In Dänemark gibt es eine Reihe unternehmerischer Stiftungen, deren Hauptzweck der Erhalt eines Unternehmens ist, an dem die Stiftung die Mehrheit der Aktien hält. Allgemein anerkannt ist aber nur die Funktion der gemeinnützigen Stiftung, die einen gemeinnützigen Zweck fördert.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Im Zeitalter der absoluten Monarchien wurden die seinerzeit bestehenden gemeinnützigen Stiftungen mit Misstrauen, wenn nicht gar mit Ablehnung betrachtet, da der Staat seinerzeit das Wohlfahrtsmonopol beanspruchte und die „Einmischung“ von Stiftungen als störend empfand. Heute sind Stiftungen demgegenüber für den modernen Sozialstaat sehr willkommen, weil sich hiermit Hoffnungen verbinden, die mit privatem Vermögen ausgestatteten Stiftungen könnten den Sozialstaat entlasten, der sich einer zunehmenden Überforderung seiner Ressourcen ausgesetzt fühlt. Als weiterer Vorzug der Stiftung wird angeführt, dass sie zum Pluralismus der Zivilgesellschaft beitragen.

Dieser Wandel hinsichtlich der Bewertung der Funktion einer gemeinnützigen Stiftung durch den Staat lässt sich auch in der Reformentwicklung des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechts nachvollziehen.

Ursprünglich bedürften Stiftungen in den meisten Ländern einer staatlichen Genehmigung (Konzessionssystem), die im Ermessen der Obrigkeit stand und dass der Stiftungsaufsicht durch die Stiftungsbehörde ein weitgehender Einfluss auf die Geschicke der Stiftung eingeräumt wurde. Dieser Zustand hat sich während des 20. Jahrhunderts weitgehend geändert. Mittlerweile gewähren die meisten Mitgliedstaaten den Stiftern heute einen einklagbaren Anspruch auf Errichtung einer Stiftung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (insb. ein zulässiger Zweck und ein hinreichendes Anfangsvermögen nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen). In manchen Ländern gilt mittlerweile ein Registrierungssystem, in Skandinavien gibt es sogar teilweise die freie Stiftungserrichtung ohne jede staatliche Mitwirkung.

Auch die Intensität der Staatsaufsicht hat stark abgenommen. Dies gilt sowohl für die Eingriffsmöglichkeiten der Staatsaufsicht an sich (regelmäßig keine Fachaufsicht, sondern bloße Rechtsaufsicht), teilweise auch für das Aufsichtssystem (in manchen Staaten ist die Stiftungsaufsicht den Gerichten übertragen worden, die nur noch auf Antrag des Staatsanwalts tätig werden) und insbesondere auch für die Ausübung der Aufsicht, die in den meisten Ländern nur noch sporadisch durchgeführt zu werden scheint.

Konsequenterweise kann man in einer Reihe von Ländern Tendenzen erkennen, die Verringerung der Staatsaufsicht durch privatrechtliche Kontrollinstrumente zu ergänzen bzw. zu ersetzen (z.B. verbindliche Regeln zur Buchführung, Publizität, Wirtschaftsprüfung, etc.).

Hinsichtlich der Vermögensverwaltung ist ein gewisser Trend erkennbar, keine festen Vorgaben für die Anlage des Stiftungsvermögens mehr zu machen (früher waren in manchen Ländern nur mündelsichere Anlagen zulässig), sondern sich auf generelle Formulierungen („sicher und rentabel“) zurückzuziehen, die eine flexiblere, an die jeweiligen Umstände der individuellen Stiftung (Vermögenserhalt, Liquiditätsbedarf, Stiftungszweck, etc.) ermöglicht.

Viele Länder haben in den letzten 15 Jahren zudem Steuerprivilegien für gemeinnützige Stiftungen und ihre Stifter und Spender ausgeweitet, um mehr Anreize dafür zu geben, privates Vermögen für gemeinnützige Zwecke zu widmen.

Vor diesem Hintergrund verwundert nicht, dass die spärlichen empirischen Erkenntnisse einen beachtlichen Zuwachs der Zahl und wirtschaftlichen Bedeutung der Stiftung, und zwar insbesondere der gemeinnützigen Stiftung, in vielen Ländern andeuten.

3. Regelungsstrukturen

a) Stiftungszweck

Der historisch traditionelle Zweck der Stiftung war ein religiöser Zweck (kirchliche Stiftungen). Mittlerweile sind in allen Ländern gemeinnützige Stiftungszwecke wie Forschung, Bildung, Kunst und Kultur, etc. erlaubt. Rund die Hälfte der Länder (inklusive Deutschland) erlaubt inzwischen auch bestimmte nicht-gemeinnützige Zwecke (z.B. Familienstiftungen oder die bereits dargestellte liechtensteinische „Stiftung für den Stifter“).

b) Stiftungsvermögen

Vorausgesetzt wird ein Vermögen der Stiftung, das ihrem Zweck gewidmet ist. In Deutschland bedarf eine Stiftung rund EUR 50.000,- Anfangsvermögen, um eine staatliche Genehmigung (Anerkennung) zu erhalten. Manche Länder verlangen nur ein symbolisches oder überhaupt kein Anfangsvermögen (insbesondere die osteuropäischen Mitgliedstaaten, denen an einem Wiederaufbau der Stiftungskultur gelegen ist), während andere Länder traditionell ein vergleichsweise hohes Anfangsvermögen voraussetzen (Frankreich rund EUR 1 Mio.; Portugal ca. EUR 250.000,-).

c) Organisationsstruktur

Traditionell kennt das Stiftungsrecht kaum Vorgaben für die Organisationsstruktur. Aufgrund der Mitgliederlosigkeit kann es keine „Mitgliederversammlung“ geben. Regelmäßig notwendig ist ein Vorstand, wobei manche Mitgliedstaaten verlangen, dass dem Vorstand mindestens drei Mitglieder angehören müssen. Weitere Organe neben dem Vorstand werden nur von relativ wenigen Ländern zwingend verlangt.

Durch ihre Mitgliederlosigkeit unterscheidet sich die Stiftung durch die mitgliedschaftlich verfassten Körperschaften. Das Fehlen eines „obersten Organs“ in Form einer Versammlung der Mitglieder bzw. Gesellschafter führt idealtypischerweise dazu, dass der Stiftungszweck unabänderlich bis in die Ewigkeit erhalten bleibt, wenn der Stifter keine entsprechenden Modifikationen in der Satzung aufnimmt oder die Zweckerreichung unmöglich wird.

In manchen Ländern erkennt die Stiftungspraxis allerdings auch Gestaltungsformen an, bei denen mehr oder minder quasi-mitgliedschaftliche Strukturen bestehen, so dass die Stiftung einem fremdnützigen Verein angenähert wird (z.B. Niederlande, Italien). Inwieweit derartige „Bürgerstiftungen“ zulässig sind, ist in vielen Ländern nicht abschließend geklärt, da das nationale Stiftungsrecht diese Frage typischerweise nicht ausdrücklich regelt.

d) Staatsaufsicht

Nach wie vor unterliegen Stiftungen in fast allen Ländern einer besonderen Staatsaufsicht durch Behörden oder Gerichte. Allerdings hat der Einfluss dieser Staatsaufsicht, wie bereits dargestellt, mittlerweile oft abgenommen.

e) Wirtschaftliche Betätigung und Holdingstiftungen

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung einer Stiftung bestehen im Wesentlichen zwei Modelle: (1) Unbegrenzte Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung, teilweise allerdings nur unter Berücksichtigung besonderer Pflichten hinsichtlich Buchhaltung und Mitbestimmung (so z.B in den Niederlanden). (2) Zulässigkeit nur im Rahmen des Nebenzweckprivilegs bzw. Nebentätigkeitsprivilegs, das heißt solange die unternehmerischen Stiftungstätigkeiten bei einer wertenden Betrachtung gegenüber den anderen Vereinstätigkeiten untergeordnet erscheinen. Nur sehr vereinzelt werden einer Stiftung wirtschaftliche Tätigkeiten prinzipiell untersagt.

Holdingstiftungen, die Alleingesellschaft oder Mehrheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft oder GmbH sind, werden in fast allen Ländern zugelassen.

4. Vereinheitlichungsprojekte

Vereinheitlichungsprojekte im Stiftungsrecht bestehen derzeit nicht. Vielmehr besteht grundsätzliche Einigkeit, dass das Stiftungsrecht aufgrund seiner bestehenden unterschiedlichen Funktionen nicht harmonisiert werden sollte. Andererseits gibt es Bestrebungen, eine Europäische Stiftung zu schaffen, die Hindernisse für grenzüberschreitende Stiftungstätigkeiten verringern soll. Eine solche Stiftung könnte eine Vorbildfunktion im Sinne eines „Modellentwurfs“ gewinnen.

Literatur

Elie Alfandari, Amaury Nardone (Hg.), Associations et fondations en Europe, 1994; Council of Europe (Hg.), Associations and Foundations, 1998; Frits Hondius, Tymen van der Ploeg, Foundations, 2000; Klaus J. Hopt, Dieter Reuter (Hg.), Stiftungsrecht in Europa, 2001; Klaus J. Hopt, W. Rainer Walz, Thomas von Hippel, Volker Then (Hg.), The European Foundation, 2006; Andreas Richter, Thomas Wachter (Hg.): Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007; European Foundation Centre, Country Profiles, 2007.

Abgerufen von Stiftung – HWB-EuP 2009 am 28. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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