Speditionsvertrag

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von Helga Jesser-Huß

1. Begriff und Abgrenzung

Durch den Speditionsvertrag verpflichtet sich der Spediteur gegen Entrichtung der vereinbarten Vergütung zur Organisation von Güterbeförderungen oder, mit den Worten des § 453 HGB oder Art. 439 OR, zur „Besorgung der Versendung“. Wie die Tätigkeit von Frachtführern sind speditionelle Tätigkeiten auf die Ortsveränderung von Gütern gerichtet. Im Gegensatz zum Transportvertrag übernimmt der Spediteur jedoch nicht die Ortsveränderung, er verspricht lediglich, andere damit zu betrauen. Dieser Hauptpflicht genügt der Spediteur durch den Abschluss derjenigen Frachtverträge mit Beförderern, die im Einzelnen notwendig sind, um das jeweilige Frachtgut an seinen Bestimmungsort zu bringen. Dabei obliegt ihm – unter Wahrung der Interessen des Versenders – die Auswahl von Beförderungsstrecke, Beförderungsmittel sowie der jeweiligen Beförderer. Daneben treffen ihn zum Teil auch abhängig von der jeweiligen Vereinbarung verschiedene Nebenpflichten, wie die Abholung und Verpackung des Gutes, die Beischaffung der Begleitpapiere bzw. die Überprüfung auf deren Vollständigkeit, Abschluss von Versicherungen, Verzollung des Gutes etc. Die Frachtverträge, die der Spediteur in Erfüllung der seinem Vertragspartner, dem Versender, gegenüber bestehenden Verpflichtungen, schließt, schließt er im Allgemeinen im eigenen Namen und auf Rechnung des Versenders, sodass er Vertragspartner des Frachtführers und im Verhältnis zu diesem Absender wird. Zwischen dem Frachtführer und dem Versender, dem Auftraggeber des Spediteurs, bestehen keinerlei vertragliche Beziehungen. Anders das common law, welches streng zwischen der Verpflichtung des freight forwarders als agent, der als bloßer Vermittler im Namen seines Vertragspartners auftritt, bzw. als principal unterscheidet.

Im Einzelnen bereitet die Abgrenzung zum Transport- oder Frachtvertrag Schwierigkeiten; entscheidend ist, dass der Spediteur die Güterbeförderung organisiert, der Frachtführer sie hingegen ausführt und den Beförderungserfolg schuldet. Aus dem Speditionsvertrag trifft den Spediteur jedenfalls nicht die Pflicht, die Güter zu befördern. Er kann aber in den von ihm abzuschließenden Frachtvertrag selbst ganz oder teilweise eintreten (Selbsteintritt) und übernimmt damit Frachtführerpflichten und ‑rechte. Die Problematik der Abgrenzung resultiert aus der Tatsache, dass die idealtypische Definition des Speditionsvertrages nicht dem Realbild der von Spediteuren durchgeführten Tätigkeiten entspricht. Hier verschwimmen die Grenzen gewerblicher Tätigkeiten, häufig sind Gemischtbetriebe, und die strenge Trennung ist auch dem umgangssprachlichen Gebrauch der Begriffe fremd. Die Grenzen zwischen Spedition und Beförderung sind fließend.

Die Speditionsverträgen idealtypisch zugrundeliegende Tätigkeit liegt in der Organisation von Transportabläufen von Waren für Versender und ist damit essentiell für den (internationalen) Warenaustausch. Sie ist einem zeitlichen Wandel unterworfen; zum einen erweitern Spediteure kontinuierlich ihr Betätigungsfeld, zum anderen werden auf der Verladerseite immer mehr Aufgabenbereiche aus dem eigenen Betrieb auf Fremdunternehmer ausgelagert. Der Begriff der Logistik, der die Organisation und Überwachung des Warenflusses im weitesten Sinn (Punkt 1.10 UN/‌ECE Terminologie) und damit die innerbetriebliche Materialverwaltung, die Verpackung sowie die Endverteilung zum Ort des Verbrauchs umfasst, ist heute untrennbar mit der Tätigkeit von Spediteuren verbunden. Diese verstehen sich zunehmend als umfassende Logistikdienstleister. Dem tragen etwa auch die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2003 (2.1) oder die FIATA Rules mit ihrer weiten Definition der freight forwarding services (2.1) Rechnung.

Durch das wachsende Güterverkehrsvolumen gewinnen diese Tätigkeiten weiter an Bedeutung. Steigendes Transportvolumen bedeutet auch wachsende Belastungen für ohnehin schon überlastete Verkehrswege. Durch bessere Organisation von Transportverläufen und die Ausschöpfung der Ladekapazitäten einzelner Beförderungsmittel durch Komplettladungen können vorhandene Ressourcen effektiver genutzt und durch Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger Straßen und Umwelt entlastet werden. Dazu bedarf es des verstärkten Einsatzes von kombinierten bzw. multimodalen Transportabläufen, deren Organisation Spediteuren obliegt.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Abgrenzung von Spedition und Beförderung anhand der von den Vertragsparteien getroffenen Abreden gestaltet sich schwierig. Relevant ist sie vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen Haftungsvorschriften. Während der Spediteur die Organisation der Beförderung verspricht, schuldet der Frachtführer den Beförderungserfolg. Für letzteren hat der Spediteur somit grundsätzlich nicht einzustehen. Er haftet lediglich für eigenes schuldhaftes Verhalten und jenes seiner Leute. Hinsichtlich der von ihm verpflichteten Frachtführer trifft den Spediteur hingegen typischerweise lediglich eine Haftung für Auswahlverschulden. Damit hat er – im Gegensatz zum Frachtführer – nicht die durchgehende Haftung bis zur Ablieferung der Güter an den Empfänger zu tragen und für den Beförderungserfolg einzustehen. Zu bedenken ist, dass auch ein Beförderer den Transport im Allgemeinen nicht selbst bzw. mit eigenen Leuten oder mit eigenen Fahrzeugen durchführen muss, sondern häufig Subunternehmer einsetzt. Dann ist er ebenso Transportmittler wie der Spediteur, haftet allerdings im Gegensatz zu diesem für den Beförderungserfolg. Da sich die Abreden zwischen Verlader und Spediteur oder Beförderer kaum unterscheiden, resultiert die Beurteilung des Vertrages mehr oder weniger aus dem subjektiven Haftungswillen des Vertragspartners des Verladers. Allerdings unterstellen jene Rechtsordnungen, die den Spediteur für Auswahlverschulden haften lassen, ihn in besonderen Fällen frachtrechtlichen Vorschriften. Das gilt neben dem Selbsteintritt auch für Sonderformen der Spedition, etwa wenn die Versendung zusammen mit Sendungen anderer Versender (Sammelladungsspedition) oder zu fixen Kosten (Fixkostenspedition) versprochen wird; diese Sonderformen bilden in der Praxis den Regelfall, nicht hingegen die den Vertragstypus prägende Form, die fremdnützige Geschäftsbesorgungsspedition, bei der der Spediteur auf Rechnung des Versenders tätig wird.

Das Dilemma der Vertragsqualifikation mit der Konsequenz unterschiedlicher Haftungsregeln vermeidet jener Regelungsansatz, der auch die Spediteure für die vertragsgemäße Ankunft des Gutes am Bestimmungsort einstehen lässt (zB.: Art. L 132-4 Code de commerce, Art. 439 OR). Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch zum Teil deutliche begriffliche Unterschiede. So entspricht der commissionaire de transport des französischen Rechts mehr dem Beförderer als dem Spediteur nach deutschem Rechtsverständnis, schuldet er doch den Beförderungserfolg.

Wie gezeigt kommen in weiten Bereichen speditioneller Tätigkeit frachtrechtliche Vorschriften zur Anwendung. Angesichts der Tendenz der Verladerseite, in steigendem Maße Komplettlösungen etwa in Form von Haus-zu-Haus-Beförderungen nachzufragen, die weit mehr als bloße Transportleistungen bzw. deren Organisation umfassen, rückt für den Auftraggeber die Abgrenzung zwischen Speditionsvertrag und Frachtvertrag mehr und mehr in den Hintergrund. Seine Erwartungen im Hinblick auf die Ortsveränderung des Gutes gehen dahin, dass sein Vertragspartner dafür Sorge trägt, dass das zu versendende Gut unbeschädigt, vollständig und pünktlich beim Empfänger einlangt, die durchgehende Verantwortung dafür trägt und im Schadensfall haftet. Diese Erwartungshaltung der Verlader findet ihre Entsprechung im Auftreten der Spediteure als umfassende Logistikdienstleister. Im Hinblick auf ihre Rolle bei der Konzeption und Abwicklung multimodaler Transporte sind sie die Unternehmer des multimodalen Transports, die zwar häufig Teilleistungen nur vermitteln, aber infolge ihrer durchgehenden Verantwortung für den gesamten Beförderungsverlauf als Beförderer anzusehen sind.

3. Internationale Rechtsvereinheitlichung

Zur selben Zeit als an der Vereinheitlichung des internationalen Straßengüterverkehrsrechts (Straßengüterverkehr) gearbeitet wurde, bestanden Bestrebungen auch für den internationalen Speditionsvertrag einheitliche Vorschriften zu schaffen. Schließlich gelang es UNIDROIT wenige Jahre nach dem Inkrafttreten der CMR, einen Übereinkommensentwurf über den internationalen Speditionsvertrag vorzulegen, in welchem der Spediteur grundsätzlich für Auswahlverschulden haften sollte, in drei Fällen jedoch der Frachtführerhaftung unterstellt wurde, und zwar bei der Fixkosten- und Sammelladungsspedition sowie bei Ausstellung eines speziellen Dokuments, des internationalen Speditionsscheins. Im Hinblick auf Arbeiten an einer internationalen verkehrsträgerübergreifenden Vereinheitlichung des Frachtrechts wurde dieser Übereinkommensentwurf jedoch zurückgestellt. Auch dem Übereinkommen, welches die Haftung von Unternehmern von Umschlagbetrieben, einem Teilaspekt speditioneller Tätigkeit, vereinheitlichen sollte, war kein Erfolg beschieden.

Im Rahmen der FIATA wurden schließlich 1996 Model Rules für speditionelle Tätigkeiten verabschiedet, deren Anwendbarkeit auf den konkreten Vertrag von den Vertragsparteien vereinbart werden kann. Hinsichtlich der Haftung wird unterschieden, ob der Spediteur als Beförderungsmittler (agent) oder als Beförderer (principal) agiert. Letzteres ist beim Selbsteintritt gegeben, wenn er mit eigenen Beförderungsmitteln den Transport durchführt oder durch Ausstellung eines Beförderungsdokuments oder auf anderem geeigneten Wege zu erkennen gibt, die Beförderung übernehmen zu wollen (7.1). In diesen Fällen unterliegen auch andere speditionelle Tätigkeiten dieser Haftung (7.2). Die Bedeutung dieser Model Rules in der Praxis ist jedoch begrenzt. Insgesamt mangelt es beim Speditionsvertrag an vereinheitlichten Quellen und die unterschiedlichen nationalen Regelungen lassen ein einheitliches Bild vermissen. Gegenwärtige Bestrebungen zielen auf eine Lösung für den multimodalen Transport mit dem Ziel, Spediteure diesen Haftungsvorschriften zu unterstellen.

4. Europäische Perspektiven

Das Bemühen der Europäischen Gemeinschaft um eine auf Dauer tragbare Mobilität ist für den Bereich des Güterverkehrs entscheidend geprägt von Maßnahmen zur Förderung der sogenannten Intermodalität (multimodaler Transport) mit dem Ziel der Errichtung verkehrsträgerunabhängiger Dienste von Haus zu Haus (KOM(97) 243 endg.). Ausgangspunkt dieser Bemühungen ist unter anderem die Tatsache, dass angesichts eines permanent steigenden Gütertransportvolumens manche Verkehrsträger überlastet sind, während andere zum Teil ohne Investitionsbedarf in die Infrastruktur brachliegende Kapazitäten aufweisen. Ferner steht schon heute die überlastete Straße umweltfreundlicheren Alternativen mit hinreichendem Verlagerungspotential gegenüber. Der Planung und Organisation von Transportabläufen unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt somit entscheidende Bedeutung zu, wenn vorhandene Kapazitäten besser genützt und Engpässe künftig vermieden werden sollen. Aus diesem Grund sollen die Rahmenbedingungen der Güterverkehrslogistik, die von der Planung über die Organisation bis zur Durchführung alle Maßnahmen von Güterverkehrsdiensten umfasst, verbessert werden, und zwar sowohl in ihrer rein verkehrsträgerbezogenen („unimodalen“) als auch in ihrer multimodalen Ausprägung. Als unabdingbares Ziel einer optimalen und nachhaltigen Ressourcennutzung im Rahmen des europäischen Verkehrssystems gilt die Ko-Modalität, worunter der effiziente Einsatz von Verkehrsträgern im europäischen Verkehrssystem in unimodaler als auch multimodaler Weise zu verstehen ist (KOM(2006) 336 endg. 3). Diese Aufgaben sollen von sogenannten Güterverkehrskonsolidatoren (Freight Integrators) (KOM(2001) 370 endg. 53 f.) wahrgenommen werden. Ihnen obliegt die Auswahl des jeweils leistungsfähigsten Verkehrsträgers in der Transportkette; je nach Beförderungsstrecke und Gut sind die spezifischen Qualitäten der einzelnen Verkehrsträger zu kombinieren und jene zu bevorzugen, die am kostengünstigsten, umweltschonendsten und zuverlässigsten sind. Ziel ist die Bildung vollständiger Ladungen in intermodalen Transporteinheiten, was eine entsprechende Ausbildung voraussetzt. Dabei kommt der Berufsgruppe der Spediteure gewissermaßen als „Architekten des Beförderungsablaufs“ eine Schlüsselrolle zu.

Privatrechtliche Maßnahmen wurden bislang seitens der Europäischen Gemeinschaft nicht angedacht. Erwogen wird eine Lösung für den multimodalen Transport.

Literatur

Jobst Baumhöfener, Der Speditionsvertrag im grenzüberschreitenden Güterverkehr, 1971; Johann Georg Helm, Speditionsrecht, 2. Aufl. 1986; Jürgen Basedow, Der Transportvertrag, 1987; Jan Ramberg, Unification of the Law of International Freight Forwarding, Uniform Law Review 1998, 5 ff.; UN/‌‌ECE, Terminologie des kombinierten Verkehrs, 2001; Jan Ramberg, The Law of Freight Forwarding, 2002; David A. Glass, Freight Forwarding and Multimodal Transport Contracts, 2004; Ingo Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007; Peter Bydlinski, §§ 453 ff. HGB, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd. VII, 2. Auf. 2009.

Abgerufen von Speditionsvertrag – HWB-EuP 2009 am 29. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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