Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen) und Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR): Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Bedeutung ==
== 1. Europäisches IPR  ==
Die [[Europäische Gemeinschaft]] ist gemäß Art. 4(1) EG den Grundsätzen einer offenen Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs verpflichtet. Für einen unverfälschten und funktionierenden Wettbewerb ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auch gegen unlautere Wettbewerbshandlungen von zentraler Bedeutung. Im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen ist zunächst von Interesse, welche konkreten Ansprüche aus einem Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften resultieren. Daneben ist zu klären, wer im Einzelfall zur Geltendmachung der aus unlauteren Wettbewerbshandlungen herrührenden Ansprüche berechtigt ist.
Das IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist in der EU mit der VO 864/2007 v. 11.7.2007 (Rom II-VO) nach mehr als dreißigjährigen Vorarbeiten vereinheitlicht worden. Die Rom II-VO ist ab dem 11.1.2009 anwendbar. Die Anwendbarkeit der Verordnung setzt lediglich eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten voraus, wobei es sich nicht unbedingt um Mitgliedstaaten handeln muss (Art. 1(1)1 Rom II-VO). Art. 3 Rom II-VO bestimmt, dass das Recht, auf das die Verordnung verweist, auch dann anzuwenden ist, wenn es sich hierbei nicht um das Recht eines Mitgliedstaates handelt. Aufgrund der Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO behält jedoch das autonome Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten z.B. für Persönlichkeitsrechtsverletzungen weiterhin Bedeutung (Art. 1(2)(g) Rom II-VO). Ferner bleiben die Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung (HPÜ) und auf Straßenverkehrsunfälle anwendbare Recht (HStVÜ) unberührt (Art. 28(2) Rom II-VO). Zudem ist der Vorrang spezieller Gemeinschaftsrechtsakte zu beachten (Art. 27 Rom II-VO). Schließlich gilt die Rom II-VO nicht in Dänemark (Art. 1(4) Rom II-VO), aber in Großbritannien und Irland, die ein ''opt-in'' erklärt haben. Insgesamt bietet das europäische IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse trotz aller Bemühungen um Vereinheitlichung in Kernbereichen nach wie vor ein zersplittertes Bild.


Weder durch das europäische Gemeinschaftsrecht noch durch andere völkerrechtliche Verträge oder internationales [[Einheitsrecht]] werden ein bestimmtes System der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ([[Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen)]]) oder konkrete Rechtsfolgen zwingend vorgeschrieben. Durch das Unionsrecht werden materiell-rechtliche Grundlagen für den lauteren Wettbewerb geschaffen und Zielvorgaben für die Rechtsdurchsetzung aufgestellt, wobei die Ausgestaltung und Durchsetzung Angelegenheit der nationalen Gesetzgeber ist. Von Bedeutung für die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts ist die VO&nbsp;2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]), da zu den durchzusetzenden Richtlinien im Sinne der Verordnung beispielsweise auch die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (Irreführungs-RL<nowiki> [RL&nbsp;2006/114]) und die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL [RL&nbsp;2005/29]; </nowiki> [[Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen)]]) zählen. Zu den Durchsetzungsbefugnissen, die den zuständigen Behörden nach der Verordnung zustehen müssen, zählen gemäß Art.&nbsp;4(3) und (6) die Befugnisse, einen Verletzer zur Einstellung eines Verstoßes zu verpflichten (lit.&nbsp;e), sowie ihm im Falle der Nichtbeachtung einer Entscheidung die Zahlung einer Geldsumme aufzuerlegen (lit.&nbsp;g). Art.&nbsp;11(1) UGP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich zur Bereitstellung geeigneter und wirksamer Mittel zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken. Art.&nbsp;13 UGP-RL konkretisiert die von den Mitgliedstaaten zu erfüllenden Anforderungen dahingehend, dass diese Sanktionen festlegen müssen, welche bei Verstößen gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie anzuwenden sind, und sie alle geeigneten Maßnahmen zu treffen haben, um die Durchsetzung der Richtlinie sicherzustellen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Auch Art.&nbsp;10<sup>bis</sup>(1) der Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) bestimmt lediglich allgemein, dass die Verbandsländer gehalten sind, den Verbandsangehörigen einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu sichern. Zu diesem Zweck sind gemäß Art.&nbsp;10<sup>ter</sup>(1) PVÜ „geeignete Rechtsbehelfe“ zur wirksamen Unterdrückung unlauteren Wettbewerbs bereit zu stellen. Schließlich wird auch in Art.&nbsp;1(1)(b) der WIPO Modellvorschriften gegen unlauteren Wettbewerb aus dem Jahr 1996 auf die Bezeichnung einzelner Sanktionen verzichtet ([[World Intellectual Property Organization|WIPO]]).
== 2. Methodologische Grundlagen der Rom II-VO  ==
Obwohl die Vergemeinschaftung des IPR von manchen geradezu als eine „Revolution“ bezeichnet wird, erweist sich die Rom&nbsp;II-VO in methodologischer Hinsicht als eher konservativ. Ihr oberstes Ziel bleibt der in Erwägungsgrund 6 beschworene internationale Entscheidungseinklang, der seit ''Friedrich Carl von Savigny'' die Leitidee des europäischen Kollisionsrechts bildet. Ein allgemeiner Umschwung zu einem Herkunftslandprinzip, dem im internationalen Deliktsrecht die Grundanknüpfung an den Handlungsort entsprochen hätte, ist unterblieben. Ein solches Prinzip hätte die Informationslasten in Bezug auf die Anwendung fremden Rechts einseitig dem Geschädigten aufgebürdet und unweigerlich zu einer Spaltung zwischen dem Gemeinschafts-IPR und dem gegenüber Drittstaaten anwendbaren Kollisionsrecht geführt. Die Vorgabe des internationalen Entscheidungseinklangs prägt die Methodik der Rom&nbsp;II-VO, die letztlich auf dem Prinzip der engsten Verbindung beruht (Art.&nbsp;4(3), 5(2), 10(6), 11(4), 12(2)(c) Rom&nbsp;II-VO), dieses aber aus Gründen der Rechtssicherheit in festen Anknüpfungsregeln für einzelne Typen konkretisiert. Grundsätzlich soll nicht das Gericht den Sitz des Rechtsverhältnisses bestimmen, sondern der Gesetzgeber. Der Verordnungsgeber hat Vorschlägen zur Ausweitung der Ausweichklausel, die von Methoden der US-amerikanischen ''conflicts revolution'' der 1960-er und 1970-er Jahre inspiriert waren, eine Absage erteilt. Andererseits ist der Verordnungsgeber nicht der Versuchung erlegen, den Leitgedanken der Rechtssicherheit zu übersteigern, sondern bekennt sich ausdrücklich zur notwendigen Flexibilität der richterlichen Entscheidung (Erwägungsgrund 14, Art.&nbsp;4(3) Rom&nbsp;II-VO). Lediglich im Bereich der Produkthaftung ist mit der vom HPÜ beeinflussten Technik der Kaskadenanknüpfung (Art.&nbsp;5 Rom&nbsp;II-VO) eine mittelbare Rezeption der ''conflicts revolution'' festzustellen. Schließlich entspricht die Rom&nbsp;II-VO insoweit dem klassischen IPR, als grundsätzlich das „räumlich“ beste und nicht das materiellrechtlich „beste“ Recht zur Anwendung bestimmt wird. Nur in drei speziellen Fällen – ''Multi-State''-Delikte im Kartellrecht (Art.&nbsp;6(3)(b) Rom&nbsp;II-VO), Umweltschäden (Art.&nbsp;7 Rom&nbsp;II-VO), Direktanspruch des Haftpflichtversicherten (Art.&nbsp;18 Rom&nbsp;II-VO) – wird wahlweise ein weiteres Recht zur Verfügung gestellt. Insgesamt bewirkt die Rom&nbsp;II-VO für das europäische IPR keinen grundlegenden methodologischen Paradigmenwechsel, sondern ist Ausdruck eines kontinuierlichen Evolutionsprozesses, der dem Erbe ''Savignys'' verpflichtet ist.


An der Schnittstelle zwischen dem Lauterkeits- und dem Immaterialgüterrecht sind das TRIPS und die Durchsetzungs-RL (RL&nbsp;2004/48) zu beachten. Die Mitglieder des TRIPS sind gemäß Art.&nbsp;41 TRIPS verpflichtet, bestimmte zivil- oder verwaltungsrechtliche Durchsetzungsverfahren (Art.&nbsp;42&nbsp;ff. TRIPS) vorzusehen, darunter einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen (Art.&nbsp;50 TRIPS), Unterlassungsanordnungen (Art.&nbsp;44 TRIPS) und die Verpflichtung zu [[Schadensersatz]] (Art.&nbsp;45 TRIPS). Die Durchsetzungsrichtlinie enthält unter anderem konkrete Vorgaben zu einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen (Art.&nbsp;9), zu Abhilfemaßnahmen (Art.&nbsp;10) sowie zu Schadensersatzansprüchen (Art.&nbsp;13).
== 3. Sachlicher Anwendungsbereich der Rom II&#8209;VO  ==
Die Rom&nbsp;II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen anwendbar, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art.&nbsp;1(1)1 Rom&nbsp;II-VO). Der Begriff der Zivil- und Handelssache ist autonom zu bestimmen, wobei auf die Rechtsprechung des EuGH z.B. zur EuGVO (VO&nbsp;44/ 2001) zurückgegriffen werden kann. Öffentlich-rechtliche Materien (Steuern, Zölle, Verwaltungsrecht) werden explizit ausgeschlossen (Art. 1(1)2 Rom&nbsp;II-VO). Staatshaftungsansprüche für hoheitliches Handeln bilden keine Zivilsache i.S.d. Verordnung (Art.&nbsp;1(1) 2 Rom&nbsp;II-VO). Art.&nbsp;1 (2) Rom&nbsp;II-VO nennt bestimmte zivilrechtliche Materien, die von der Anwendung der Verordnung ausgenommen werden, so namentlich Familien- und ähnliche Verhältnisse (z.B. eingetragene Lebenspartnerschaften), das Güterstandsrecht, das Wertpapierrecht, bestimmte Fragen des Gesellschaftsrechts, Trusts und Nuklearschäden sowie Persönlichkeitsrechtsverletzungen (Art.&nbsp;1(2)(a)-(g) Rom&nbsp;II-VO). Zahlreiche Abgrenzungsprobleme ruft der Ausschluss des Wertpapier- und Gesellschaftsrechts (lit.&nbsp;c und d) hervor. [[Kapitalmarktrecht, internationales|Internationales Kapitalmarktrecht]], [[Gesellschaftsrecht, internationales|Internationales Gesellschaftsrecht]]. Der Ausschluss der Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist darauf zurückzuführen, dass insoweit kein politischer Konsens erzielt werden konnte. Die Kommission ist jedoch zur Vorlage einer Studie verpflichtet (Art.&nbsp;30(1)(i) Rom&nbsp;II-VO). Die Abgrenzung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen erfolgt kraft autonomer Qualifikation. Zu den unerlaubten Handlungen i.S.d. Art.&nbsp;2(1) Rom&nbsp;II-VO gehören auch Ansprüche aus Gefährdungshaftung. Art.&nbsp;2(1) Rom&nbsp;II-VO stellt ferner klar, dass auch Ansprüche aus einem Verschulden bei Vertragsschluss (''[[Culpa in Contrahendo|culpa in contrahendo]]'') i.S.d. Verordnung als außervertraglich gelten, folglich Rom&nbsp;II und nicht Rom&nbsp;I unterfallen (Art.&nbsp;1(2)(i) Rom&nbsp;I-VO); s. näher unten 5. d). Diese Qualifikation der c.i.c dient der Konsistenz mit der EuGVO (vgl. Erwägungsgrund 7 Rom&nbsp;II-VO). Art.&nbsp;2(2), (3) Rom&nbsp;II-VO bezieht den wahrscheinlichen Eintritt eines schädigenden Ereignisses bzw. eines Schadens in den Anwendungsbereich der Verordnung ein und ermöglicht so die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei vorbeugenden Unterlassungsklagen. Nach Art.&nbsp;1(3) Rom&nbsp;II-VO gilt die Verordnung unbeschadet der Art.&nbsp;21 und 22 Rom&nbsp;II-VO nicht für den Beweis und das Verfahren. Im Übrigen folgt die Abgrenzung zwischen ''lex causae'' und Verfahrensrecht aus mehreren Buchstaben des Art.&nbsp;15 Rom&nbsp;II-VO, die vor allem für die Rechtsordnungen des ''common law'' bedeutsam sind. Haftungsausschlüsse und &#8209;beschränkungen ebenso wie das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung unterfallen dem Deliktsstatut (Art. 15(b), (c) Rom&nbsp;II-VO). Eine verfahrensrechtliche Qualifikation der Schadensbemessung (''quantification of damages'') wird damit ausgeschlossen. Erwägungsgrund 33 verpflichtet zwar die Gerichte, die tatsächlichen Verluste und Kosten des Opfers im Rahmen des anwendbaren materiellen Rechts zu berücksichtigen, erlaubt aber keine Sonderanknüpfung dieser Frage. Art.&nbsp;15(d) Rom&nbsp;II-VO unterwirft die Maßnahmen, die ein Gericht zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz eines Schadens anordnen kann, der ''lex causae'', allerdings nur innerhalb der Grenzen seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse. Schließlich qualifiziert Art.&nbsp;15 (h) Rom&nbsp;II-VO die Frage der Verjährung verbindlich als materiell- und nicht als prozessrechtlich.


Häufig stehen in den einzelnen europäischen Staaten zivilrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten kumulativ oder alternativ zur Verfügung. Teilweise, etwa in Italien oder in der tschechischen Republik, werden bestimmte unlautere Wettbewerbshandlungen (zum Beispiel Werbeverstöße) administrativ verfolgt, während andere Lauterkeitsverstöße zivilrechtlich sanktioniert sind. In Deutschland ist die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Lauterkeitsrechts zivil- und strafrechtlich ausgestaltet. Das niederländische Wettbewerbsrecht ist demgegenüber ausschließlich zivilrechtlich sanktioniert. In einigen Ländern spielen bei der Sanktionierung unlauteren Wettbewerbs auch Selbstregulierungssysteme der Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Bekanntestes Beispiel ist die englische ''Advertising Standards Authority'', die mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet ist.
== 4. Das auf Delikte anwendbare Recht nach der Rom II-VO ==
=== a) Grundregel und allgemeine Fragen der Anknüpfung  ===
Gemäß Art.&nbsp;4(1) Rom&nbsp;II-VO ist auf eine unerlaubte Handlung unabhängig davon, in welchem Staat die schadensbegründende Handlung vorgenommen worden ist und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt. Hiermit ist i.S.d. herkömmlichen deutschen Sprachgebrauchs der Erfolgsort, d.h. der Ort der Rechtsgutsverletzung, gemeint (vgl. auch Erwägungsgrund&nbsp;17). Die Anknüpfung an den Erfolgsort ist im Regelfall eine effiziente Lösung, weil dem Schädiger grundsätzlich angesonnen werden kann, sich über das Recht des Staates zu informieren, in dem Schadensfolgen eintreten, während sie es dem Opfer erlaubt, sich bei der Wahl seines Versicherungsschutzes an dem Recht der ihm vertrauten Umwelt zu orientieren. Tritt der schädigende Erfolg in mehreren Staaten ein, greift eine Mosaikbetrachtung, d.h. jede Rechtsgutsverletzung wird nach dem Recht des jeweiligen Erfolgsortes beurteilt. Jedoch bestimmt Art.&nbsp;17 Rom&nbsp;II-VO, dass Sicherheits- und Verhaltensvorschriften am Handlungsort als sog. ''local data''<nowiki> zu berücksichtigen sind. Die Anknüpfung an den Erfolgsort wird verdrängt, wenn die Parteien im Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben (Art.&nbsp;4(2) Rom&nbsp;II-VO). Diese Auflockerung des Deliktsstatuts ermöglicht eine effizientere Bewältigung von Rechtsstreitigkeiten, insbesondere bei Straßenverkehrsunfällen, weil das Opfer gegen den Schädiger typischerweise am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt prozessiert und auch in diesem Staat die Folgen der erlittenen Schädigung bewältigen muss. Für Sicherheits- und Verhaltensvorschriften des Unfallortes gilt auch insoweit Art.&nbsp;17 Rom&nbsp;II-VO. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in Art.&nbsp;23 Rom&nbsp;II-VO ausschnittsweise definiert. Die allgemeine Ausweichklausel (Art.&nbsp;4(3) Rom&nbsp;II-VO) ist nur ausnahmsweise anzuwenden, nämlich wenn sich „aus der Gesamtheit der Umstände [ergibt], dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist.“ Eine Auflockerung ist hierbei für die gesamte unerlaubte Handlung vorzunehmen; eine Aufspaltung (</nowiki>''dépeçage'') der Anknüpfung in einzelne Teilfragen (z.B. Haftungsbegründung einerseits, Schadensbemessung andererseits) ist unzulässig. Die Ausweichklausel kann auch dazu führen, dass von der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Abs.&nbsp;2) zugunsten des Erfolgsortes (Abs.&nbsp;1) wieder abgewichen wird, wenn auf diesen Ort weitere Anknüpfungsmomente verweisen (z.B. die Zulassung und die Versicherung eines Kraftfahrzeugs bei Mietwagenunfällen). Art.&nbsp;4(3)2 Rom&nbsp;II-VO ermöglicht eine akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis, wie z.B. einen Vertrag.


== 2. Rechtsfolgen ==
Die objektiven Anknüpfungen werden durch eine Rechtswahl der Parteien verdrängt. Nicht-gewerbliche Parteien bleiben auf die nachträgliche Rechtswahl beschränkt (Art.&nbsp;14(1)(a) Rom&nbsp;II-VO). Die Rechtswahl muss hinreichend sicher feststellbar sein (Art.&nbsp;14(1)2 Rom&nbsp;II-VO). Sie lässt die Rechte Dritter unberührt (Art.&nbsp;14(1)2 Rom&nbsp;II-VO). Die Abs.&nbsp;2 und 3 des Art.&nbsp;14 Rom&nbsp;II-VO erklären intern zwingende Normen in reinen Inlands- oder Binnenmarktfällen trotz der Rechtswahl der Parteien für anwendbar. Die Anknüpfung zwingenden Rechts in reinen Inlandsfällen wird sodann entsprechend auf allein mit dem Gemeinschaftsgebiet verknüpfte Fälle übertragen (Art.&nbsp;14(3) Rom&nbsp;II-VO). Die Rechtswahl nach Art.&nbsp;14 Rom&nbsp;II-VO ist auf staatliches Recht beschränkt. Auch die in dem jüngst vorgelegten Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens enthaltenen Normen für außervertragliche Schuldverhältnisse dürfen nicht im Wege einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl vereinbart werden; lediglich im Rahmen einer materiellrechtlichen Rechtswahl ist ihre Vereinbarung möglich.
Unter den Rechtsfolgen unlauterer Wettbewerbshandlungen ist der ''Unterlassungsanspruch'' von zentraler Bedeutung. Der Unterlassungsanspruch richtet sich darauf, dass eine konkrete Verletzungshandlung in Zukunft nicht mehr begangen wird. Er dient damit der Abwehr künftiger Beeinträchtigungen und entsteht in Form des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs bereits dann, wenn eine konkrete Beeinträchtigung noch nicht eingetreten ist, sondern lediglich bevorsteht (vgl. Art.&nbsp;11(2)1(b) UGP-RL). Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist das Bestehen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, wobei die Wiederholungsgefahr hinsichtlich gleichartiger Verletzungshandlungen aufgrund einer bereits erfolgten unlauteren Wettbewerbshandlung zumeist vermutet wird. Die Wiederholungsgefahr kann beispielsweise durch eine ernstliche, strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung beseitigt werden. Der Unterlassungsanspruch setzt nicht voraus, dass der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Besonders wichtig in der Praxis ist die Durchsetzung eines einstweiligen Unterlassungsanspruchs im beschleunigten Verfahren. Sofern der Rechtsschutz zivilrechtlich ausgestaltet ist, richtet sich die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in einigen Ländern nach den allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften (zum Beispiel in Deutschland). Zum Teil existieren auch besondere Verfahren, wie das beim Handelsgerichtspräsidenten anzustrengende ''référé''-Verfahren in Belgien. Bei der verwaltungsrechtlichen Ausprägung des Lauterkeitsrechts können auch staatliche Behörden zum Erlass von Unterlassungsanordnungen befugt sein. Beispiele dafür finden sich in Portugal und Italien.


Ein Anspruch auf ''[[Schadensersatz]]'' kommt in Betracht, wenn der Verletzer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine unlautere Wettbewerbshandlung begeht. Im Unterschied zum Unterlassungsanspruch setzt der Schadensersatzanspruch daher schuldhaftes Handeln des Verletzers voraus. Durch das schuldhafte unlautere Handeln muss ein Schaden verursacht worden sein. Als problematisch erweist sich in der Praxis oftmals die Bezifferung des tatsächlich entstandenen Schadens, welcher auch den entgangenen Gewinn umfasst. In einzelnen Ländern kann der entgangene Gewinn nach dem Ermessen des Gerichts geschätzt werden (zum Beispiel in Großbritannien und den Niederlanden). Zur Schadensberechnung wird zum Teil auch auf den vom Verletzer erzielten Gewinn abgestellt. In Konstellationen mit Bezug zum Immaterialgüterrecht besteht bei der Schadensbezifferung oftmals auch die Möglichkeit der Orientierung an dem Betrag, den der Verletzer zur Einholung der Erlaubnis für sein Handeln hätte entrichten müssen (fiktive Lizenzgebühr, vgl. auch Art.&nbsp;13(1)2(b) DurchsetzungsRL).
Während in neueren Verordnungen zum internationalen Zivilverfahrensrecht auf eine ''ordre-public''-Klausel (''[[ordre public]]'') verzichtet wird, stellt die Rom&nbsp;II-VO einen solchen Vorbehalt weiterhin auf (Art.&nbsp;26 Rom&nbsp;II-VO). Erwägungsgrund&nbsp;32 stellt klar, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten Formen des Strafschadensersatzes weiterhin als mit der öffentlichen Ordnung der ''lex fori'' unvereinbar einstufen dürfen. Auch wenn nach der Rom&nbsp;II-VO ein ausländisches Recht anwendbar ist, bleibt eine Sonderanknüpfung der Eingriffsnormen der ''lex fori'' vorbehalten (Art.&nbsp;16 Rom&nbsp;II-VO). Das Konzept der Eingriffsnorm sollte aus Gründen der konsistenten Auslegung (Erwägungsgrund&nbsp;7 Rom&nbsp;II-VO) im Einklang mit der in Art.&nbsp;9(1) Rom&nbsp;I-VO gegebenen Legaldefinition interpretiert werden. Für die Anknüpfung ausländischer Eingriffsnormen enthält die Rom&nbsp;II-VO hingegen keine ausdrückliche Regelung. Auch nach Inkrafttreten der Rom&nbsp;II-VO sollte diese Frage der weiteren Entwicklung der europäischen Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen bleiben. Zumindest wird man es den Gerichten nicht verwehren können, ausländische Eingriffsnormen wie bisher im Rahmen der Generalklauseln des materiellen Rechts (z.B. §§&nbsp;138, 826 BGB) zu beachten, da die Rom&nbsp;II-VO nicht das materielle Zivilrecht vereinheitlicht. Der ''[[Renvoi]]'' ist generell ausgeschlossen (Art.&nbsp;24 Rom&nbsp;II-VO).


Neben dem in der Praxis bedeutsamsten Unterlassungsanspruch und dem Anspruch auf Schadensersatz existiert noch eine Reihe weiterer Rechtsfolgen unlauterer Wettbewerbshandlungen. Dabei ist zunächst der Anspruch auf ''Beseitigung'' der durch die unlautere Handlung entstandenen Folgen zu nennen. Der Beseitigungsanspruch ist neben dem Unterlassungsanspruch ein zweiter verschuldensunabhängiger Anspruch. Der Inhalt des Beseitigungsanspruchs richtet sich nach der Art und dem Umfang der eingetretenen Beeinträchtigung. Wichtige Anwendungsfälle des Beseitigungsanspruchs sind der Anspruch auf Widerruf einer wettbewerbswidrigen Äußerung sowie der Anspruch auf Veröffentlichung berichtigender Erklärungen oder berichtigender Werbung. Der Beseitigung eines Störungszustandes dient auch der Anspruch auf Veröffentlichung von Entscheidungen der für die Verfolgung von Lauterkeitsverstößen zuständigen Gerichte bzw. Behörden, welcher auch in Art.&nbsp;11(2)3(a) UGP-RL normiert ist.
=== b) Besondere Anknüpfungsregeln  ===
Für besondere Deliktstypen spielt der Handlungsort weiterhin eine wichtige Rolle. Er kann subsidiär zur Anknüpfung gelangen, wenn das Recht am Erfolgsort für den Schädiger nicht vorhersehbar ist, so in Form des Herstellersitzes bei der Produkthaftung (Art.&nbsp;5(1)2 Rom&nbsp;II-VO). Für Arbeitskampfmaßnahmen wird sogar ausschließlich an den Handlungsort angeknüpft (Art.&nbsp;9 Rom&nbsp;II-VO). Des Weiteren wird der Handlungsort bei Umweltschäden dem Geschädigten wahlweise zur Verfügung gestellt, um ein hohes Umweltschutzniveau zu gewährleisten (Art.&nbsp;7 Rom&nbsp;II-VO). Ferner kann der Geschädigte bei durch Kartelldelikte verursachten Streuschäden aus Gründen der Prozessökonomie die Anwendung des am Sitz, also der Verhaltenszentrale, des Schädigers geltenden Rechts verlangen (Art.&nbsp;6(3)(b) Rom&nbsp;II-VO). Zudem wird bei Verletzungen von Gemeinschafts-Immaterialgüterrechten an den Begehungsort angeknüpft, weil das Schutzlandprinzip hier keine eindeutige räumliche Zuweisung ermöglicht. Andere Spezialregeln verfolgen zwar einen an der Rechtsgutsverletzung orientierten Ansatz, modifizieren diesen aber gegenüber dem Erfolgsortbegriff der Grundregel. Hierzu zählen die Anknüpfungsleiter für die Produkthaftung (Art.&nbsp;5(1)1 Rom&nbsp;II-VO), die Anknüpfung an den betroffenen Markt bei Wettbewerbsdelikten (Art.&nbsp;6(1) und (3)(a) Rom&nbsp;II-VO) sowie das bei Immaterialgüterrechten nach nationalem Recht geltende Schutzlandprinzip (Art.&nbsp;8(1) Rom&nbsp;II-VO). Die Spezialregeln für besondere Deliktstypen sind nur zum Teil einer Auflockerung zugänglich. Für die Produkthaftung und für Arbeitskampfmaßnahmen bleibt die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ausdrücklich vorbehalten (Art.&nbsp;5 (1) und Art. 9 Rom&nbsp;II-VO). Die anderen Spezialregeln können hingegen nicht durch den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt verdrängt werden, wobei für Wettbewerbsverstöße nur zulasten eines Konkurrenten wiederum eine Unterausnahme eingreift (Art.&nbsp;6(2) Rom&nbsp;II-VO). Die Spezialregeln unterliegen nur vereinzelt einer Korrektur anhand des Prinzips der engsten Verbindung. Für die Produkthaftung enthält Art. 5(2) Rom&nbsp;II-VO eine spezielle Ausweichklausel, die inhaltlich Art.&nbsp;4(3) Rom&nbsp;II-VO widerspiegelt. Vorbehalten bleibt die Ausweichklausel auch für bilaterale Wettbewerbsverstöße (Art.&nbsp;6 (2) Rom&nbsp;II-VO). Für alle übrigen besonders geregelten Deliktstypen ist der Rückgriff auf die Ausweichklausel hingegen versperrt. Die Parteiautonomie wird stets gewährt, wenn dem keine ausdrückliche Ausnahmevorschrift entgegensteht, also bei der Produkthaftung (Art.&nbsp;5 Rom&nbsp;II-VO), bei Umweltschäden (Art.&nbsp;7 Rom&nbsp;II-VO) und bei Arbeitskampfmaßnahmen (Art.&nbsp;9 Rom&nbsp;II-VO). Explizit ausgeschlossen ist sie hingegen im Lauterkeits- und Kartellrecht (Art.&nbsp;6(4) Rom&nbsp;II-VO) sowie im Immaterialgüterrecht (Art.&nbsp;8(3) Rom&nbsp;II-VO). Für weitere Einzelheiten muss auf die Spezialliteratur verwiesen werden.


In einzelnen europäischen Staaten bestehen neben den genannten Rechtsfolgen ''besondere Sanktionsmöglichkeiten''. Zu nennen sind beispielhaft die Marktstörungsabgabe nach den §§&nbsp;22&nbsp;ff. des schwed. Marktvertriebsgesetzes, der Gewinnabschöpfungsanspruch nach §&nbsp;10 des dt. UWG oder die Pflicht zur Zahlung einer Geldsumme für einen sozialen Zweck nach Art.&nbsp;18 des poln. Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Art.&nbsp;18 des span. Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sieht die Möglichkeit vor, eine Klage auf Feststellung der Unlauterkeit der Handlung zu erheben.
== 5. Andere außervertragliche Ansprüche nach der Rom II-VO ==
=== a) Allgemeines  ===
Auch für die nicht-deliktischen Ansprüche besteht die Möglichkeit der Rechtswahl; die unter 4.&nbsp;a) gemachten Ausführungen zu ''ordre public'', Eingriffsnormen und ''renvoi'' gelten auch hier.


Sofern einzelne Wettbewerbsverstöße strafbewehrt sind, erfolgt die Verfahrenseinleitung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Diese werden von Amts wegen, in manchen Ländern zum Teil auch nach Vorermittlungen besonderer Behörden (zum Beispiel der ''Direction générale de la concurrence et de la répression des fraudes'' in Frankreich) oder nur auf Antrag des Verletzten tätig. In einigen Ländern, darunter Deutschland, England und Irland, besteht für die Verletzten auch die Möglichkeit einer privaten Klage vor den Strafgerichten. Wettbewerbsverstöße können aus strafrechtlicher Sicht mit ''Geld- oder Freiheitsstrafe'' geahndet werden. Im Falle der administrativen Durchsetzung des Lauterkeitsrechts besteht neben Unterlassungs- und Beseitigungsanordnungen durch die zuständigen Behörden häufig die Möglichkeit zur Verhängung von ''Bußgeldern'' bei Wettbewerbsverstößen.
=== b) Ungerechtfertigte Bereicherung  ===
Bei einer engen Verbindung des Schuldverhältnisses aus ungerechtfertigter Bereicherung mit einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien (z.B. aus Vertrag oder Delikt) wird akzessorisch angeknüpft (Art.&nbsp;10(1) Rom&nbsp;II-VO). Kommt eine solche Anknüpfung nicht in Betracht, wird das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts berufen (Art.&nbsp;10(2) Rom&nbsp;II-VO). Wenn auch dies nicht weiterhilft, kommt es auf das Recht des Staates an, in dem die Bereicherung eintritt (Art.&nbsp;10(3) Rom&nbsp;II-VO). Angemessene Flexibilität soll durch eine Ausweichklausel ermöglicht werden (Art.&nbsp;10(4) Rom&nbsp;II-VO).


== 3. Aktiv- und Passivlegitimation ==
=== c) Geschäftsführung ohne Auftrag  ===
Bei der Frage nach der Berechtigung, gegen unlautere Wettbewerbshandlungen gerichtlich vorzugehen oder ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, kann zwischen individuellem und kollektivem Rechtsschutz unterschieden werden. Als Einzelpersonen sind die betroffenen Mitbewerber des unlauter handelnden Konkurrenten in der Regel klage- bzw. antragsberechtigt. Vielfach besteht – jedenfalls theoretisch – auch für einzelne Verbraucher die Möglichkeit, gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]). Die sekundärrechtlichen Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts verlangen, dass für Personen, die ein „berechtigtes Interesse“ an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs haben, entsprechende Möglichkeiten im Recht der Mitgliedstaaten vorhanden sein müssen (vgl. Art.&nbsp;11(1)2 UGP-RL, Art.&nbsp;5(1)2 IrreführungsRL). Eine besondere Rolle bei der Rechtsdurchsetzung in den skandinavischen Ländern spielt der Konsumentenombudsmann. Der [[Ombudsmann]] kann im Interesse der Verbraucher Klage erheben, teilweise jedoch auch selbst Maßnahmen und Regelungen gegen unlautere Wettbewerbshandlungen treffen.
Auch Ansprüche aus [[Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio)|Geschäftsführung ohne Auftrag]] werden grundsätzlich akzessorisch an ein bestehendes Rechtsverhältnis angeknüpft (Art.&nbsp;11(1) Rom&nbsp;II-VO). Ist dies nicht möglich, kommt das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zuge (Art.&nbsp;11(2) Rom&nbsp;II-VO). Wenn auch diese Anknüpfung ins Leere geht, wird das Recht am Vornahmeort berufen (Art.&nbsp;11(3) Rom&nbsp;II-VO). Auch bei der GoA ist eine Auflockerung der Anknüpfung durch eine Ausweichklausel möglich (Art.&nbsp;11(4) Rom&nbsp;II-VO). Eine Spezialregel für die freiwillige Tilgung fremder Verbindlichkeiten fehlt.


Im Bereich der kollektiven Verfolgung von Wettbewerbsverstößen sind zumeist Verbraucherverbände, Verbände der gewerblichen Wirtschaft sowie andere Interessenvereinigungen aktivlegitimiert. Die [[Verbandsklage]] ist bei der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts insbesondere in den Konstellationen von Bedeutung, in denen Einzelpersonen von der Erhebung einer Klage oder der Einleitung eines Verfahrens absehen, etwa infolge wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Verletzer oder weil der entstandene Schaden lediglich gering ist. Bei der kollektiven Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen können Einschränkungen bestehen. Teilweise, insbesondere in straf- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren, sind auch spezielle staatliche Durchsetzungsbehörden aktivlegitimiert.
=== d) ''Culpa in contrahendo''  ===
Ansprüche aus c.i.c. werden grundsätzlich akzessorisch an das tatsächliche oder hypothetische Vertragsstatut, das wiederum nach der Rom&nbsp;I-VO ([[Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]) zu bestimmen ist, angeknüpft (Art.&nbsp;12 Rom&nbsp;II-VO). Der Begriff des Verschuldens bei Vertragsschluss ist autonom auszulegen. In erster Linie hat der Rat die Verletzung von Aufklärungspflichten und die Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen ins Auge gefasst. Hingegen sollen Personenschäden, die eine Partei während der Vertragsverhandlungen erleidet, Art.&nbsp;4 Rom&nbsp;II-VO oder den anderen einschlägigen Bestimmungen der Rom&nbsp;II-VO unterliegen. Lässt sich das anwendbare Recht nicht gemäß Art.&nbsp;12(1) Rom&nbsp;II-VO bestimmen, gilt das Recht am Erfolgsort (Art.&nbsp;12(2)(a) Rom&nbsp;II-VO), das wiederum vom Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien verdrängt wird (Art.&nbsp;12(2)(b) Rom&nbsp;II-VO). Schließlich bleibt auch bei der c.i.c. eine Auflockerung wegen einer offensichtlich engeren Verbindung mit einem anderen Staat möglich (Art.&nbsp;12(2)(c) Rom&nbsp;II-VO).


Passivlegitimiert ist jeder, der den Wettbewerbsverstoß selbst oder durch einen anderen begeht. Ansprüche können sich daneben auch gegen Personen richten, die zu einem fremden Wettbewerbsverstoß kausal beitragen, wobei insbesondere im Bereich der Medien, zum Beispiel bei der Veröffentlichung wettbewerbswidriger Werbeanzeigen, einschränkende Voraussetzungen gelten können.
==Literatur==
 
''Helmut Heiss'', ''Leander D. Loacker'', Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, Juristische Blätter 2007, 613&nbsp;ff.; ''Abbo Junker'', Die Rom II-Verordnung: Neues Internationales Deliktsrecht auf europäischer Grundlage, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 3675&nbsp;ff.; ''Stefan Leible'', ''Matthias Lehmann'', Die neue EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (“Rom II”), Recht der Internationalen Wirtschaft 2007, 721&nbsp;ff.; ''Andrew Dickinson'', The Rome II Regulation: The Law Applicable to Non-Contractual Obligations (2008); ''Jan von Hein'', Something Old and Something Borrowed, but Nothing New? Rome II and the European Choice of Law Evolution, Tulane Law Review 82 (2008) 1663&nbsp;ff.; ''Thomas Kadner Graziano'', Das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht nach Inkrafttreten der Rom&nbsp;II-Verordnung, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 1&nbsp;ff.; ''Phaedon John Kozyris'', Rome II: Tort Conflicts on the Right Track!, American Journal of Comparative Law 56 (2008) 471&nbsp;ff.; ''Luis de Lima Pinheiro'', Choice of Law on Non-Contractual Obligations between Communitarization and Globalization, Rivista di diritto internazionale privato et processuale 44 (2008) 5&nbsp;ff.; ''Symeon C. Symeonides'', Rome II and Tort Conflicts: A Missed Opportunity, American Journal of Comparative Law 56 (2008) 173&nbsp;ff.; ''Gerhard Wagner'', Die neue Rom II-Verordnung, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2008, 1&nbsp;ff.; ''Gralf-Peter Calliess'' (Hg.), The Rome Regulations (Rome I and II): Commentary on the European Rules for Conflict of Laws, 2009.
== Literatur==
''Gerhard Schricker'' (Hg.), Recht der Werbung in Europa, 1995; ''Frauke Henning-Bodewig'','' ''International Protection Against Unfair Competition: Art. 10<sup>bis</sup> Paris Convention, TRIPS and WIPO Model Provisions, International Review of Industrial Property and Copyright Law 1999, 166&nbsp;ff.; ''eadem'','' ''Unfair Competition Law: European Union and Member States, 2006; ''Hans-Wolfgang Micklitz'', EG F, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, Bd.&nbsp;1, 2006; ''Roger W. de Vrey'', Towards a European Unfair Competition Law, 2006; ''Otto Teplitzky'', Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9.&nbsp;Aufl. 2007; ''Thomas M.J. Möllers'', ''Andreas Heinemann'' (Hg.), The Enforcement of Competition Law in Europe, 2007; ''Helmut Köhler'', §§&nbsp;8&nbsp;ff. UWG, in: Wolfgang Hefermehl, idem, Joachim Bornkamm (Hg.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 27.&nbsp;Aufl. 2009.


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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 15:01 Uhr

von Jan von Hein

1. Europäisches IPR

Das IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist in der EU mit der VO 864/2007 v. 11.7.2007 (Rom II-VO) nach mehr als dreißigjährigen Vorarbeiten vereinheitlicht worden. Die Rom II-VO ist ab dem 11.1.2009 anwendbar. Die Anwendbarkeit der Verordnung setzt lediglich eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten voraus, wobei es sich nicht unbedingt um Mitgliedstaaten handeln muss (Art. 1(1)1 Rom II-VO). Art. 3 Rom II-VO bestimmt, dass das Recht, auf das die Verordnung verweist, auch dann anzuwenden ist, wenn es sich hierbei nicht um das Recht eines Mitgliedstaates handelt. Aufgrund der Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich der Rom II-VO behält jedoch das autonome Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten z.B. für Persönlichkeitsrechtsverletzungen weiterhin Bedeutung (Art. 1(2)(g) Rom II-VO). Ferner bleiben die Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung (HPÜ) und auf Straßenverkehrsunfälle anwendbare Recht (HStVÜ) unberührt (Art. 28(2) Rom II-VO). Zudem ist der Vorrang spezieller Gemeinschaftsrechtsakte zu beachten (Art. 27 Rom II-VO). Schließlich gilt die Rom II-VO nicht in Dänemark (Art. 1(4) Rom II-VO), aber in Großbritannien und Irland, die ein opt-in erklärt haben. Insgesamt bietet das europäische IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse trotz aller Bemühungen um Vereinheitlichung in Kernbereichen nach wie vor ein zersplittertes Bild.

2. Methodologische Grundlagen der Rom II-VO

Obwohl die Vergemeinschaftung des IPR von manchen geradezu als eine „Revolution“ bezeichnet wird, erweist sich die Rom II-VO in methodologischer Hinsicht als eher konservativ. Ihr oberstes Ziel bleibt der in Erwägungsgrund 6 beschworene internationale Entscheidungseinklang, der seit Friedrich Carl von Savigny die Leitidee des europäischen Kollisionsrechts bildet. Ein allgemeiner Umschwung zu einem Herkunftslandprinzip, dem im internationalen Deliktsrecht die Grundanknüpfung an den Handlungsort entsprochen hätte, ist unterblieben. Ein solches Prinzip hätte die Informationslasten in Bezug auf die Anwendung fremden Rechts einseitig dem Geschädigten aufgebürdet und unweigerlich zu einer Spaltung zwischen dem Gemeinschafts-IPR und dem gegenüber Drittstaaten anwendbaren Kollisionsrecht geführt. Die Vorgabe des internationalen Entscheidungseinklangs prägt die Methodik der Rom II-VO, die letztlich auf dem Prinzip der engsten Verbindung beruht (Art. 4(3), 5(2), 10(6), 11(4), 12(2)(c) Rom II-VO), dieses aber aus Gründen der Rechtssicherheit in festen Anknüpfungsregeln für einzelne Typen konkretisiert. Grundsätzlich soll nicht das Gericht den Sitz des Rechtsverhältnisses bestimmen, sondern der Gesetzgeber. Der Verordnungsgeber hat Vorschlägen zur Ausweitung der Ausweichklausel, die von Methoden der US-amerikanischen conflicts revolution der 1960-er und 1970-er Jahre inspiriert waren, eine Absage erteilt. Andererseits ist der Verordnungsgeber nicht der Versuchung erlegen, den Leitgedanken der Rechtssicherheit zu übersteigern, sondern bekennt sich ausdrücklich zur notwendigen Flexibilität der richterlichen Entscheidung (Erwägungsgrund 14, Art. 4(3) Rom II-VO). Lediglich im Bereich der Produkthaftung ist mit der vom HPÜ beeinflussten Technik der Kaskadenanknüpfung (Art. 5 Rom II-VO) eine mittelbare Rezeption der conflicts revolution festzustellen. Schließlich entspricht die Rom II-VO insoweit dem klassischen IPR, als grundsätzlich das „räumlich“ beste und nicht das materiellrechtlich „beste“ Recht zur Anwendung bestimmt wird. Nur in drei speziellen Fällen – Multi-State-Delikte im Kartellrecht (Art. 6(3)(b) Rom II-VO), Umweltschäden (Art. 7 Rom II-VO), Direktanspruch des Haftpflichtversicherten (Art. 18 Rom II-VO) – wird wahlweise ein weiteres Recht zur Verfügung gestellt. Insgesamt bewirkt die Rom II-VO für das europäische IPR keinen grundlegenden methodologischen Paradigmenwechsel, sondern ist Ausdruck eines kontinuierlichen Evolutionsprozesses, der dem Erbe Savignys verpflichtet ist.

3. Sachlicher Anwendungsbereich der Rom II‑VO

Die Rom II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen anwendbar, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art. 1(1)1 Rom II-VO). Der Begriff der Zivil- und Handelssache ist autonom zu bestimmen, wobei auf die Rechtsprechung des EuGH z.B. zur EuGVO (VO 44/ 2001) zurückgegriffen werden kann. Öffentlich-rechtliche Materien (Steuern, Zölle, Verwaltungsrecht) werden explizit ausgeschlossen (Art. 1(1)2 Rom II-VO). Staatshaftungsansprüche für hoheitliches Handeln bilden keine Zivilsache i.S.d. Verordnung (Art. 1(1) 2 Rom II-VO). Art. 1 (2) Rom II-VO nennt bestimmte zivilrechtliche Materien, die von der Anwendung der Verordnung ausgenommen werden, so namentlich Familien- und ähnliche Verhältnisse (z.B. eingetragene Lebenspartnerschaften), das Güterstandsrecht, das Wertpapierrecht, bestimmte Fragen des Gesellschaftsrechts, Trusts und Nuklearschäden sowie Persönlichkeitsrechtsverletzungen (Art. 1(2)(a)-(g) Rom II-VO). Zahlreiche Abgrenzungsprobleme ruft der Ausschluss des Wertpapier- und Gesellschaftsrechts (lit. c und d) hervor. Internationales Kapitalmarktrecht, Internationales Gesellschaftsrecht. Der Ausschluss der Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist darauf zurückzuführen, dass insoweit kein politischer Konsens erzielt werden konnte. Die Kommission ist jedoch zur Vorlage einer Studie verpflichtet (Art. 30(1)(i) Rom II-VO). Die Abgrenzung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen erfolgt kraft autonomer Qualifikation. Zu den unerlaubten Handlungen i.S.d. Art. 2(1) Rom II-VO gehören auch Ansprüche aus Gefährdungshaftung. Art. 2(1) Rom II-VO stellt ferner klar, dass auch Ansprüche aus einem Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) i.S.d. Verordnung als außervertraglich gelten, folglich Rom II und nicht Rom I unterfallen (Art. 1(2)(i) Rom I-VO); s. näher unten 5. d). Diese Qualifikation der c.i.c dient der Konsistenz mit der EuGVO (vgl. Erwägungsgrund 7 Rom II-VO). Art. 2(2), (3) Rom II-VO bezieht den wahrscheinlichen Eintritt eines schädigenden Ereignisses bzw. eines Schadens in den Anwendungsbereich der Verordnung ein und ermöglicht so die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei vorbeugenden Unterlassungsklagen. Nach Art. 1(3) Rom II-VO gilt die Verordnung unbeschadet der Art. 21 und 22 Rom II-VO nicht für den Beweis und das Verfahren. Im Übrigen folgt die Abgrenzung zwischen lex causae und Verfahrensrecht aus mehreren Buchstaben des Art. 15 Rom II-VO, die vor allem für die Rechtsordnungen des common law bedeutsam sind. Haftungsausschlüsse und ‑beschränkungen ebenso wie das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung unterfallen dem Deliktsstatut (Art. 15(b), (c) Rom II-VO). Eine verfahrensrechtliche Qualifikation der Schadensbemessung (quantification of damages) wird damit ausgeschlossen. Erwägungsgrund 33 verpflichtet zwar die Gerichte, die tatsächlichen Verluste und Kosten des Opfers im Rahmen des anwendbaren materiellen Rechts zu berücksichtigen, erlaubt aber keine Sonderanknüpfung dieser Frage. Art. 15(d) Rom II-VO unterwirft die Maßnahmen, die ein Gericht zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz eines Schadens anordnen kann, der lex causae, allerdings nur innerhalb der Grenzen seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse. Schließlich qualifiziert Art. 15 (h) Rom II-VO die Frage der Verjährung verbindlich als materiell- und nicht als prozessrechtlich.

4. Das auf Delikte anwendbare Recht nach der Rom II-VO

a) Grundregel und allgemeine Fragen der Anknüpfung

Gemäß Art. 4(1) Rom II-VO ist auf eine unerlaubte Handlung unabhängig davon, in welchem Staat die schadensbegründende Handlung vorgenommen worden ist und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt. Hiermit ist i.S.d. herkömmlichen deutschen Sprachgebrauchs der Erfolgsort, d.h. der Ort der Rechtsgutsverletzung, gemeint (vgl. auch Erwägungsgrund 17). Die Anknüpfung an den Erfolgsort ist im Regelfall eine effiziente Lösung, weil dem Schädiger grundsätzlich angesonnen werden kann, sich über das Recht des Staates zu informieren, in dem Schadensfolgen eintreten, während sie es dem Opfer erlaubt, sich bei der Wahl seines Versicherungsschutzes an dem Recht der ihm vertrauten Umwelt zu orientieren. Tritt der schädigende Erfolg in mehreren Staaten ein, greift eine Mosaikbetrachtung, d.h. jede Rechtsgutsverletzung wird nach dem Recht des jeweiligen Erfolgsortes beurteilt. Jedoch bestimmt Art. 17 Rom II-VO, dass Sicherheits- und Verhaltensvorschriften am Handlungsort als sog. local data zu berücksichtigen sind. Die Anknüpfung an den Erfolgsort wird verdrängt, wenn die Parteien im Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben (Art. 4(2) Rom II-VO). Diese Auflockerung des Deliktsstatuts ermöglicht eine effizientere Bewältigung von Rechtsstreitigkeiten, insbesondere bei Straßenverkehrsunfällen, weil das Opfer gegen den Schädiger typischerweise am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt prozessiert und auch in diesem Staat die Folgen der erlittenen Schädigung bewältigen muss. Für Sicherheits- und Verhaltensvorschriften des Unfallortes gilt auch insoweit Art. 17 Rom II-VO. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in Art. 23 Rom II-VO ausschnittsweise definiert. Die allgemeine Ausweichklausel (Art. 4(3) Rom II-VO) ist nur ausnahmsweise anzuwenden, nämlich wenn sich „aus der Gesamtheit der Umstände [ergibt], dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist.“ Eine Auflockerung ist hierbei für die gesamte unerlaubte Handlung vorzunehmen; eine Aufspaltung (dépeçage) der Anknüpfung in einzelne Teilfragen (z.B. Haftungsbegründung einerseits, Schadensbemessung andererseits) ist unzulässig. Die Ausweichklausel kann auch dazu führen, dass von der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Abs. 2) zugunsten des Erfolgsortes (Abs. 1) wieder abgewichen wird, wenn auf diesen Ort weitere Anknüpfungsmomente verweisen (z.B. die Zulassung und die Versicherung eines Kraftfahrzeugs bei Mietwagenunfällen). Art. 4(3)2 Rom II-VO ermöglicht eine akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis, wie z.B. einen Vertrag.

Die objektiven Anknüpfungen werden durch eine Rechtswahl der Parteien verdrängt. Nicht-gewerbliche Parteien bleiben auf die nachträgliche Rechtswahl beschränkt (Art. 14(1)(a) Rom II-VO). Die Rechtswahl muss hinreichend sicher feststellbar sein (Art. 14(1)2 Rom II-VO). Sie lässt die Rechte Dritter unberührt (Art. 14(1)2 Rom II-VO). Die Abs. 2 und 3 des Art. 14 Rom II-VO erklären intern zwingende Normen in reinen Inlands- oder Binnenmarktfällen trotz der Rechtswahl der Parteien für anwendbar. Die Anknüpfung zwingenden Rechts in reinen Inlandsfällen wird sodann entsprechend auf allein mit dem Gemeinschaftsgebiet verknüpfte Fälle übertragen (Art. 14(3) Rom II-VO). Die Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO ist auf staatliches Recht beschränkt. Auch die in dem jüngst vorgelegten Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens enthaltenen Normen für außervertragliche Schuldverhältnisse dürfen nicht im Wege einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl vereinbart werden; lediglich im Rahmen einer materiellrechtlichen Rechtswahl ist ihre Vereinbarung möglich.

Während in neueren Verordnungen zum internationalen Zivilverfahrensrecht auf eine ordre-public-Klausel (ordre public) verzichtet wird, stellt die Rom II-VO einen solchen Vorbehalt weiterhin auf (Art. 26 Rom II-VO). Erwägungsgrund 32 stellt klar, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten Formen des Strafschadensersatzes weiterhin als mit der öffentlichen Ordnung der lex fori unvereinbar einstufen dürfen. Auch wenn nach der Rom II-VO ein ausländisches Recht anwendbar ist, bleibt eine Sonderanknüpfung der Eingriffsnormen der lex fori vorbehalten (Art. 16 Rom II-VO). Das Konzept der Eingriffsnorm sollte aus Gründen der konsistenten Auslegung (Erwägungsgrund 7 Rom II-VO) im Einklang mit der in Art. 9(1) Rom I-VO gegebenen Legaldefinition interpretiert werden. Für die Anknüpfung ausländischer Eingriffsnormen enthält die Rom II-VO hingegen keine ausdrückliche Regelung. Auch nach Inkrafttreten der Rom II-VO sollte diese Frage der weiteren Entwicklung der europäischen Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen bleiben. Zumindest wird man es den Gerichten nicht verwehren können, ausländische Eingriffsnormen wie bisher im Rahmen der Generalklauseln des materiellen Rechts (z.B. §§ 138, 826 BGB) zu beachten, da die Rom II-VO nicht das materielle Zivilrecht vereinheitlicht. Der Renvoi ist generell ausgeschlossen (Art. 24 Rom II-VO).

b) Besondere Anknüpfungsregeln

Für besondere Deliktstypen spielt der Handlungsort weiterhin eine wichtige Rolle. Er kann subsidiär zur Anknüpfung gelangen, wenn das Recht am Erfolgsort für den Schädiger nicht vorhersehbar ist, so in Form des Herstellersitzes bei der Produkthaftung (Art. 5(1)2 Rom II-VO). Für Arbeitskampfmaßnahmen wird sogar ausschließlich an den Handlungsort angeknüpft (Art. 9 Rom II-VO). Des Weiteren wird der Handlungsort bei Umweltschäden dem Geschädigten wahlweise zur Verfügung gestellt, um ein hohes Umweltschutzniveau zu gewährleisten (Art. 7 Rom II-VO). Ferner kann der Geschädigte bei durch Kartelldelikte verursachten Streuschäden aus Gründen der Prozessökonomie die Anwendung des am Sitz, also der Verhaltenszentrale, des Schädigers geltenden Rechts verlangen (Art. 6(3)(b) Rom II-VO). Zudem wird bei Verletzungen von Gemeinschafts-Immaterialgüterrechten an den Begehungsort angeknüpft, weil das Schutzlandprinzip hier keine eindeutige räumliche Zuweisung ermöglicht. Andere Spezialregeln verfolgen zwar einen an der Rechtsgutsverletzung orientierten Ansatz, modifizieren diesen aber gegenüber dem Erfolgsortbegriff der Grundregel. Hierzu zählen die Anknüpfungsleiter für die Produkthaftung (Art. 5(1)1 Rom II-VO), die Anknüpfung an den betroffenen Markt bei Wettbewerbsdelikten (Art. 6(1) und (3)(a) Rom II-VO) sowie das bei Immaterialgüterrechten nach nationalem Recht geltende Schutzlandprinzip (Art. 8(1) Rom II-VO). Die Spezialregeln für besondere Deliktstypen sind nur zum Teil einer Auflockerung zugänglich. Für die Produkthaftung und für Arbeitskampfmaßnahmen bleibt die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ausdrücklich vorbehalten (Art. 5 (1) und Art. 9 Rom II-VO). Die anderen Spezialregeln können hingegen nicht durch den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt verdrängt werden, wobei für Wettbewerbsverstöße nur zulasten eines Konkurrenten wiederum eine Unterausnahme eingreift (Art. 6(2) Rom II-VO). Die Spezialregeln unterliegen nur vereinzelt einer Korrektur anhand des Prinzips der engsten Verbindung. Für die Produkthaftung enthält Art. 5(2) Rom II-VO eine spezielle Ausweichklausel, die inhaltlich Art. 4(3) Rom II-VO widerspiegelt. Vorbehalten bleibt die Ausweichklausel auch für bilaterale Wettbewerbsverstöße (Art. 6 (2) Rom II-VO). Für alle übrigen besonders geregelten Deliktstypen ist der Rückgriff auf die Ausweichklausel hingegen versperrt. Die Parteiautonomie wird stets gewährt, wenn dem keine ausdrückliche Ausnahmevorschrift entgegensteht, also bei der Produkthaftung (Art. 5 Rom II-VO), bei Umweltschäden (Art. 7 Rom II-VO) und bei Arbeitskampfmaßnahmen (Art. 9 Rom II-VO). Explizit ausgeschlossen ist sie hingegen im Lauterkeits- und Kartellrecht (Art. 6(4) Rom II-VO) sowie im Immaterialgüterrecht (Art. 8(3) Rom II-VO). Für weitere Einzelheiten muss auf die Spezialliteratur verwiesen werden.

5. Andere außervertragliche Ansprüche nach der Rom II-VO

a) Allgemeines

Auch für die nicht-deliktischen Ansprüche besteht die Möglichkeit der Rechtswahl; die unter 4. a) gemachten Ausführungen zu ordre public, Eingriffsnormen und renvoi gelten auch hier.

b) Ungerechtfertigte Bereicherung

Bei einer engen Verbindung des Schuldverhältnisses aus ungerechtfertigter Bereicherung mit einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien (z.B. aus Vertrag oder Delikt) wird akzessorisch angeknüpft (Art. 10(1) Rom II-VO). Kommt eine solche Anknüpfung nicht in Betracht, wird das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts berufen (Art. 10(2) Rom II-VO). Wenn auch dies nicht weiterhilft, kommt es auf das Recht des Staates an, in dem die Bereicherung eintritt (Art. 10(3) Rom II-VO). Angemessene Flexibilität soll durch eine Ausweichklausel ermöglicht werden (Art. 10(4) Rom II-VO).

c) Geschäftsführung ohne Auftrag

Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag werden grundsätzlich akzessorisch an ein bestehendes Rechtsverhältnis angeknüpft (Art. 11(1) Rom II-VO). Ist dies nicht möglich, kommt das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zuge (Art. 11(2) Rom II-VO). Wenn auch diese Anknüpfung ins Leere geht, wird das Recht am Vornahmeort berufen (Art. 11(3) Rom II-VO). Auch bei der GoA ist eine Auflockerung der Anknüpfung durch eine Ausweichklausel möglich (Art. 11(4) Rom II-VO). Eine Spezialregel für die freiwillige Tilgung fremder Verbindlichkeiten fehlt.

d) Culpa in contrahendo

Ansprüche aus c.i.c. werden grundsätzlich akzessorisch an das tatsächliche oder hypothetische Vertragsstatut, das wiederum nach der Rom I-VO (Vertragliche Schuldverhältnisse (IPR)) zu bestimmen ist, angeknüpft (Art. 12 Rom II-VO). Der Begriff des Verschuldens bei Vertragsschluss ist autonom auszulegen. In erster Linie hat der Rat die Verletzung von Aufklärungspflichten und die Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen ins Auge gefasst. Hingegen sollen Personenschäden, die eine Partei während der Vertragsverhandlungen erleidet, Art. 4 Rom II-VO oder den anderen einschlägigen Bestimmungen der Rom II-VO unterliegen. Lässt sich das anwendbare Recht nicht gemäß Art. 12(1) Rom II-VO bestimmen, gilt das Recht am Erfolgsort (Art. 12(2)(a) Rom II-VO), das wiederum vom Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien verdrängt wird (Art. 12(2)(b) Rom II-VO). Schließlich bleibt auch bei der c.i.c. eine Auflockerung wegen einer offensichtlich engeren Verbindung mit einem anderen Staat möglich (Art. 12(2)(c) Rom II-VO).

Literatur

Helmut Heiss, Leander D. Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse durch Rom II, Juristische Blätter 2007, 613 ff.; Abbo Junker, Die Rom II-Verordnung: Neues Internationales Deliktsrecht auf europäischer Grundlage, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 3675 ff.; Stefan Leible, Matthias Lehmann, Die neue EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (“Rom II”), Recht der Internationalen Wirtschaft 2007, 721 ff.; Andrew Dickinson, The Rome II Regulation: The Law Applicable to Non-Contractual Obligations (2008); Jan von Hein, Something Old and Something Borrowed, but Nothing New? Rome II and the European Choice of Law Evolution, Tulane Law Review 82 (2008) 1663 ff.; Thomas Kadner Graziano, Das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht nach Inkrafttreten der Rom II-Verordnung, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 73 (2009) 1 ff.; Phaedon John Kozyris, Rome II: Tort Conflicts on the Right Track!, American Journal of Comparative Law 56 (2008) 471 ff.; Luis de Lima Pinheiro, Choice of Law on Non-Contractual Obligations between Communitarization and Globalization, Rivista di diritto internazionale privato et processuale 44 (2008) 5 ff.; Symeon C. Symeonides, Rome II and Tort Conflicts: A Missed Opportunity, American Journal of Comparative Law 56 (2008) 173 ff.; Gerhard Wagner, Die neue Rom II-Verordnung, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 2008, 1 ff.; Gralf-Peter Calliess (Hg.), The Rome Regulations (Rome I and II): Commentary on the European Rules for Conflict of Laws, 2009.

Abgerufen von Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen) – HWB-EuP 2009 am 26. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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