Insolvenz, grenzüberschreitende und Rating-Agenturen: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Regelungsproblem und Terminologie ==
== 1. Begriff der Rating-Agentur ==
Rating-Agenturen geben Stellungnahmen zur Kreditwürdigkeit von Emittenten oder [[Finanzinstrument]]en ab. Die Einschätzungen von Rating-Agenturen sind von erheblichem Gewicht für die Kauf- oder Verkaufentscheidungen des Anlegerpublikums. Das Rating gibt die Wahrscheinlichkeit an, zu der ein Emittent aktuell entweder all seinen finanziellen Verpflichtungen oder seinen Verpflichtungen aus einem bestimmten Schuldtitel oder festverzinslichen Wertpapier nachzukommen vermag (Emittenten- bzw. Instrumenten-Rating). Ratings sind nicht auf Unternehmen beschränkt, sondern können sich auch auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Staaten beziehen. Das Rating wird unter Verwendung einer feingliedrigen Bonitätsskala ausgedrückt, die von der höchsten Bonitätsstufe (''investment grade'') bis zur schlechtesten Einstufung (''speculative grade'') reicht. Der Risikograd wird häufig durch eine Buchstabenkombination, z.B. „AAA“ für höchste und „D“ für niedrigste Bonität, ausgedrückt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Rating wie die Finanzanalyse als Meinungskundgabe einzuordnen ist. Im Unterschied dazu stellt das Rating aber keine Empfehlung dar und unterliegt deshalb nicht den für die [[Finanzanalyst]]en geltenden Vorgaben. Vom Regelfall des Ratings im Auftrag des Emittenten (''Solicited Rating'') ist die auftragslose Abgabe einer Bonitätsbewertung (''Unsolicited Rating'') zu unterscheiden. Bei letzterer erfolgt kein Zugriff auf interne Informationen des Emittenten. Neben ihrem Kerngeschäft bieten die Agenturen häufig auch Risikobewertungen im Rahmen der Beratung zu Anlageobjekten oder zur Strukturierung von Finanzprodukten an.


Grenzüberschreitender Handel, wirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen von Unternehmen aber auch Mobilität und Migration von Privatpersonen führen dazu, dass Insolvenzen grenzüberschreitende Bezüge aufweisen. Insbesondere wenn das Vermögen des insolventen Schuldners verschiedenen Staaten unterliegt, stellt sich die Frage, welche Wirkungen dies auf die Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihn hat. Grenzüberschreitende Bezüge können sich jedoch auch durch Verfahrensbeteiligte oder durch die Anwendbarkeit ausländischen Rechts auf eines der Rechtsverhältnisse ergeben. Soweit eine grenzüberschreitende Wirkung der Insolvenz anerkannt wird, stellt sich die weitere Frage, wie das in mehreren Staaten belegene Vermögen gerecht unter allen in- und ausländischen Gläubigern aufgeteilt werden bzw. wie das international tätige Unternehmen saniert werden kann. Dazu gehört insbesondere, es sinnvoll zu erfassen, zu verwalten bzw. zu verwerten.
== 2. Einordnung und Funktion des Ratings ==
Rating-Agenturen zählen zu den [[Finanzintermediär]]en im weiteren Sinne. Finanzintermediäre im weiteren Sinne erbringen vor allem Informationsdienstleistungen. Damit ermöglichen oder unterstützen sie die Zusammenführung von Kapitalangebot und ‑nachfrage durch Finanzintermediäre im engeren Sinne wie insbesondere die Banken ([[Europäischer Bankenmarkt]]). Informationsdienstleistungen von vergleichbarer Bedeutung erbringen neben den bereits angesprochenen [[Finanzanalyst]]en auch die [[Abschlussprüfer]]. Zusammen mit diesen gelten Rating-Agenturen als die wichtigsten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts. Übergreifend besteht die Aufgabe sämtlicher Informationsintermediäre darin, fehlende Informationen zu substituieren, vorhandene Informationen zu verifizieren und Informationen im wirtschaftlichen Gesamtkontext zu evaluieren. Die Leistungen der genannten Informationsintermediäre ergänzen sich und bauen teilweise direkt oder indirekt aufeinander auf. Sie folgen aber einer jeweils eigenen Methodik. Der Schwerpunkt des Ratings liegt in der Evaluation, die anders als die ebenfalls schwerpunktmäßig evaluierende Finanzanalyse nicht zukunfts-, sondern wie der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers gegenwartsbezogen ist.


Auf nationaler Ebene sehen alle europäischen Rechtsordnungen für den Fall des finanziellen Zusammenbruchs des Schuldners Verfahren vor, die eine umfassende Haftungsverwirklichung in einem Gesamt- bzw. Kollektivverfahren vorsehen. Privatautonome Gläubigerbefriedigung und Gläubigerzugriff mittels Einzelzwangsvollstreckung werden ausgesetzt, um eine bestmögliche kollektive Haftungsverwirklichung und wirtschaftliche Verwertung bei Ressourcenknappheit zu erreichen; es soll einerseits ein gesamtwirtschaftlich schädlicher Wettlauf der Einzelrechtsverfolgung verhindert, andererseits, soweit der Fortführungswert den Liquidationswert übersteigt, eine Fortführung des Unternehmens ermöglicht werden. Deswegen sehen die Rechtsordnungen neben Liquidations- auch sog. Sanierungs- bzw. Restrukturierungsverfahren vor.
Das Rating-Urteil stützt sich auf die Analyse quantitativer Daten wie Umsatz, ''cash flow'', Eigenkapitalquote, bezieht aber auch Branchenrisiken und Risiken des nationalen Wirtschaftsraums mit ein. Auch qualitative Kriterien wie insbesondere das Verhalten bei der Rückzahlung von Krediten in der Vergangenheit und die ''[[Corporate Governance]]'' des Emittenten werden bewertet. Vor allem zur Beurteilung der qualitativen Kriterien nehmen Rating-Agenturen in der Regel Kontakt mit der Unternehmensleitung des Emittenten auf.  


Dem internationalen Insolvenzrecht kommt die Aufgabe zu, diese Regelungsziele auch in Insolvenzsachverhalten mit Auslandsbezug zu verwirklichen. Wesentlicher Grundgedanke nationaler Verfahren ist die Gläubigergleichbehandlung (''par conditio creditorum''). Die konkrete Ausgestaltung, insbesondere die Rangfolge der vorrangig zu befriedigenden Gläubiger, ist in den europäischen Rechtsordnungen jedoch unterschiedlich. Zudem sind die Interessen der Gläubiger und ihr Verhältnis untereinander auch nicht alleine ausschlaggebend; auch die Interessen des Insolvenzschuldners, Schutz von Dritten sowie das Interesse der Allgemeinheit müssen angemessen berücksichtigt werden. Dementsprechend ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht stets strikt und zwingend; auch kann eine Ungleichbehandlung gerade aus Gerechtigkeitserwägungen geboten sein. Darüber hinaus erhält das Postulat der Gläubigergleichbehandlung im Kontext des internationalen Insolvenzrechts eine kollisionsrechtliche Dimension: sie kann einerseits eine einheitliche Regelanknüpfung des Insolvenzkollisionsrechts erfordern, andererseits kommen aber aus besonderen Gründen, z.B. zum Schutz einzelner Verfahrensbeteiligter, kollisionsrechtliche Sonderanknüpfungen in Betracht. Hinzu kommen internationalsachrechtliche Überlegungen: eine umfassende Haftungsverwirklichung ist nur möglich, wenn das Verfahren im Ausland anerkannt wird oder wenn eine Koordination mit ausländischen Parallelverfahren gelingt; dafür müssen die betroffenen Rechtsordnungen kollisions- und sachrechtlich aufeinander abgestimmt werden, zur Not mittels des kollisionsrechtlichen Instituts der Angleichung. Nach welchen Grundsätzen grenzüberschreitende Insolvenzen heute im Einzelnen abzuwickeln sind, ist nicht einheitlich beantwortbar. Neben das Postulat der Gläubigergleichbehandlung und einer marktkonformen Insolvenzbewältigung treten im grenzüberschreitenden Kontext vielfach sich widersprechende nationale Interessen, wie zum Beispiel der Schutz nationaler Gläubiger, bestimmter Gläubigergruppen oder der eigenen Wirtschaft, sowie wirtschaftspolitische Zielsetzungen.
Ratings sind heute weltweit ein fester Bestandteil der Vertragsgestaltung innerhalb und außerhalb des Finanzmarkts. Durch sog. ''Rating-Triggers'' wird der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen vertraglich von Veränderungen der Bonität des Vertragspartners abhängig gemacht. Z.B. bei langfristigen [[Darlehen]] wird die Zinshöhe an Veränderungen der Bonitätsbeurteilung des Schuldners ausgerichtet. Rechtstechnisch handelt es sich um eine aufschiebende oder auflösende [[Bedingung und Befristung|Bedingung]]. Von besonderer Bedeutung sind Ratings für Finanzintermediäre im engeren Sinne. So wirken sich die Ratings der Darlehensnehmer auf die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten aus. Die Bonitätsbewertung und die Risikoklassifikation des Kreditinstituts selbst können außerdem für den Beitragssatz maßgeblich sein, den das Kreditinstitut zur Finanzierung der Einlagensicherung zu leisten hat. Die hierzu herangezogenen Risikoklassifikationen werden allerdings z.B. in Deutschland nicht durch allgemeine Rating-Agenturen, sondern durch spezialisierte Prüfungsverbände erbracht. Einige Staaten knüpfen weitere aufsichtsrechtliche Regeln an ein bestimmtes Rating-Ergebnis. Z.B. können sich die Möglichkeiten eines Pensionsfonds, in private Anleihen zu investieren, nach deren Rating bestimmen. Hinzu kommen Regeln von [[Börsen]] wie z.B. die von Euronext, nach denen die Platzierung von Finanzinstrumenten von der Vorlage und Veröffentlichung eines Ratings abhängig gemacht werden kann.


Ein einheitliches Insolvenzrecht für grenzüberschreitende Sachverhalte gibt es in Europa nicht. Aufgrund großer Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen versucht man Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass nationale Insolvenzverfahren grenzüberschreitend durchgeführt werden können. Dabei setzen Hoheitsrechte ausländischer Staaten der Rechtsdurchsetzung nationalen Insolvenzrechts Grenzen. Ob und mit welchen Regeln diese überwunden werden, hing bisher in erster Linie davon ab, wie groß das Vertrauen in das Justiz- und Insolvenzwesen der anderen Staaten war. Die ''United Nations Commission on International Trade Law ''(UNCITRAL) beschränkte die Regelungen des ''UNCITRAL-Modellgesetzes ''(1997) aus diesen Gründen auf die Anerkennung von ausländischen Insolvenzverfahren, die Befugnisse ausländischer Insolvenzverwalter sowie die Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Insolvenzverwaltern in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren. Die ''Europäische Insolvenzverordnung ''<nowiki>(EuInsVO [VO&nbsp;1346/‌2000]) geht auf der Grundlage des </nowiki>''Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens'' zwischen den Mitgliedstaaten einen Schritt weiter und schafft einen verbindlichen einheitlichen Rechtsrahmen für [[Zuständigkeit, internationale|internationale Zuständigkeit]], Anerkennung ([[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen]]) und anwendbares Recht grenzüberschreitender nationaler Insolvenzverfahren. Dieser Ansatz wirft grundlegende Probleme von Reichweite, Durchführung und Zusammenspiel nationaler Insolvenzrechte und &#8209;verfahren auf. Sie berühren dabei sowohl Fragestellungen des internationalen Verfahrensrechts als auch kollisionsrechtliche Fragestellungen des [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]]. Beide sind im Bereich des internationalen Insolvenzrechts eng miteinander verzahnt, da spezifisch insolvenzrechtliche Regelungen vielfach sowohl verfahrensrechtliche als auch materiellrechtliche Komponenten enthalten, die schwer voneinander abzugrenzen sind. Die Möglichkeit paralleler nationaler Verfahren über das Vermögen eines Schuldners bzw. mehrerer zusammenhängender (Konzern&#8209;)Unternehmen machen zudem eine Koordination der Verfahren und Kooperation von Gerichten, Verwaltern, ggf. Gläubigern aus verschiedenen Ländern erforderlich.
Im finanzmarktlichen Kontext ist das Rating regelmäßig rechtstatsächliche Voraussetzung für die Fremdfinanzierung durch Finanzinstrumente wie Inhaberschuldverschreibungen. Das gilt in besonderem Maße für noch nicht fest etablierte Emittenten. Zu weiten Teilen bestimmt das Rating den Zinssatz, der für die Inanspruchnahme einer Fremdfinanzierung anzubieten ist, wirkt sich aber auch auf die Börsenkurse und somit auf die Kosten der Kapitaleinwerbung insgesamt aus.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
== 3. Stand der europäischen Rechtsangleichung ==
Die europäische Rechtsangleichung blickt bei Rating-Agenturen auf eine noch junge Geschichte zurück. Erst am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745 und 2746) durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament verabschiedet (dazu unter 4.). Die vorausgehend diskutierten Kernfragen und die wesentlichen Entwicklungsschritte werden hier nachgezeichnet.


Bis ins 20.&nbsp;Jahrhundert beherrschte der Streit zwischen ''Universalitäts- und Territorialitätsprinzip'' die Diskussion um grenzüberschreitende Insolvenzen. Befürworter des sog. ''Universalitätsprinzips'' gingen von universalen Wirkungen der Insolvenz aus und sahen die Gesamtvollstreckung und die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger als vorrangig an. Das sog. ''Territorialitätsprinzip'' berücksichtigte den hoheitlichen Charakter der Insolvenzeröffnung und die Beschränkung des staatlichen Eingriffs in private Rechte des Schuldners auf das im Staatsgebiet belegene Vermögen.
Der nach wie vor geltende Rechtsrahmen besteht zunächst aus den beiden Richtlinien, die die marktlichen Verhaltenspflichten der [[Finanzintermediär]]e insgesamt betreffen. Die wichtigste ist die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/‌6), nach der jede Form der Beeinflussung der Kurse von [[Finanzinstrument]]en, also [[Insidergeschäft]]e und [[Marktmanipulation]]en, mit Sanktionen belegt wird. Für Rating-Agenturen besonders relevant sind die Regeln zu [[Interessenkonflikte]]n, zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und zum Zugang zu Insider-Informationen. Wie die [[Finanzanalyst]]en haben auch Rating-Agenturen interne Grundsätze und Verfahren zur Gewährleistung einer sachgerechten Informationsvermittlung festzulegen. Darüber hinaus sind alle nennenswerten Interessen oder Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem [[Finanzinstrument]] oder Emittenten, das bzw. der Gegenstand eines Ratings ist, offen zu legen. Kommt die Rating-Agentur mit Insiderwissen in Berührung, unterliegt sie einer Geheimhaltungspflicht bis zur Veröffentlichung der Information durch den Emittenten. Auch das Rating selbst kann eine Insider-Information darstellen und darf vor seiner Veröffentlichung nicht für Handelszwecke verwendet werden.


Abgesehen von vereinzelten Beispielen aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit herrschte in Europa bis zur Mitte des 20.&nbsp;Jahrhunderts eine vom sog. ''Territorialitätsprinzip ''geprägte'' ''Praxis vor, nämlich ausländischen Konkursen keine inländischen Wirkungen zuzugestehen. Nur bilaterale Staatsverträge (vgl. Auflistung in Art.&nbsp;44 EuInsVO) sowie das multilaterale Nordische Konkursübereinkommen vom 7.11.1933 der nordeuropäischen Staaten gaben grenzüberschreitenden Insolvenzen einen rechtssicheren Rahmen. Ausländische Urteile zu Insolvenzverfahren wurden vielfach gar nicht und wenn dann nur mittels eines formellen Exequaturverfahrens anerkannt, wie z.B. in Frankreich und Italien. In Deutschland hatte sich das Reichsgericht zwar in seinen ersten Entscheidungen zur Konkursordnung noch anerkennungsfreundlich gezeigt, ist aber ab 1902 mit Hinweis auf § 238 KO einem strengen Territorialitätsprinzip gefolgt (RGZ 52, 155).
Weiter ist für Rating-Agenturen die gleich einer Verfassung für den Finanzmarkt konzipierte Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL&nbsp;2004/‌39) von Bedeutung. In den Anwendungsbereich der MiFID und ihrer Durchführungsvorschriften fallen Rating-Agenturen jedoch nur, wenn sie wie andere Finanzintermediäre Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen erbringen. Rating-Agenturen können hiernach also einer Genehmigung bedürfen und unterliegen dann auch den engmaschigen Wohlverhaltensregeln und organisatorischen Anforderungen der MiFID. Etwa bei der Erbringung von Anlageberatungsleistungen können (kostspielige) organisatorische Maßnahmen zur Trennung zwischen Wertpapierdienstleistungen und Ratings erforderlich werden.


Universalistische Forderungen der Wissenschaft blieben dabei lange ohne Einfluss. So hatte ''Friedrich Carl v.'' ''Savigny'' in seinen kollisionsrechtlichen Ausführungen bereits im 19.&nbsp;Jahrhundert die Ansicht vertreten, dass es nur ein Verfahren geben könne und zwar am Ort und im Staat des Schuldners; andere Staaten hätten Rechtshilfe zu gewähren. Wohl auf Grundlage der Ansicht ''v. Savignys'' wurde Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts das ''Universalitätsprinzip'' um die Forderung nach einem einheitlichen grenzüberschreitenden Verfahren erweitert (sog. ''Grundsatz der Einheit des Verfahrens''). Insbesondere im Rahmen der ''[[Haager Konferenz für IPR|Haager Konferenz für Internationales Privatrecht]]'' setzten sich die Befürworter der Universalität und Einheit der Insolvenz durch (1894–1925). Die theoretische Diskussion widmete sich jedoch wenig konkreten kollisionsrechtlichen Fragestellungen und versuchte vergeblich, dem in der Praxis vorherrschenden ''Territorialitätsprinzip'' entgegenzuwirken.
Von bloß mittelbarer aber gleichwohl kaum zu unterschätzender Bedeutung sind die Richtlinien zur Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister (RL&nbsp;2006/48 und RL&nbsp;2006/49). In deren Zusammenhang werden Rating-Agenturen durch die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 2004 geschlossene Rahmenvereinbarung „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ (Basel&nbsp;II, überarbeitet 2005) regulatorisch in Dienst genommen. Die Risikogewichte und die daraus resultierenden Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister dürfen hiernach anhand externer Ratings bestimmt werden. Von den zuständigen Aufsichtsbehörden werden aber lediglich die Ratings akkreditierter Agenturen akzeptiert. Das Akkreditierungsverfahren wird durch die Richtlinie selbst geregelt und stellt Anforderungen an die Objektivität, Unabhängigkeit, und Transparenz des Ratings. Zudem haben die Agenturen die veröffentlichten Bonitätsbeurteilungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.  


In Deutschland wurden Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren im Inland erst ab 1985 anerkannt (BGH 11.7.1985, BGHZ 95, 256). Wie in der Literatur seit Ende der sechziger Jahre überwiegend vertreten, begann man Fragen des internationalen Insolvenzrechts vermehrt mit den allgemeinen Regeln des internationalen Verfahrens- und Privatrechts zu lösen. Im anglo-amerikanischen Raum werden dagegen kollisionsrechtliche Regeln des internationalen Privatrechts von einigen nach wie vor als untauglich angesehen.
Kennzeichnend für die Regulierung von Rating-Agenturen war im Übrigen, dass in größerem Maße als bei der Abschlussprüfung oder der Finanzanalyse auf die Selbstregulierung durch ''Codes of Conduct'' ([[Private Rechtsetzung und Codes of Conduct|Private Rechtsetzung und ''Codes of Conduct'']]) gesetzt wurde. Wie für Finanzintermediäre allgemein waren insoweit auch für Rating-Agenturen die Berichte und Empfehlungen der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (''International'' ''Organization of Securities Commissions'', IOSCO) von maßgeblicher Bedeutung. Im Jahre 2003 legte die IOSCO einen Verhaltenskodex für Rating-Agenturen vor, der zuletzt im Mai 2008 überarbeitet wurde. Die dort formulierten Anforderungen gehen (deutlich) über das bis hierher beschriebene europäische Richtlinienrecht hinaus. Empfohlen werden konkrete Verhaltensweisen zur Gewährleistung und Überwachung der Qualität und Ordnungsmäßigkeit des Rating-Verfahrens. Vor allem aber werden detaillierte Empfehlungen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur und ihrer Mitarbeiter und zur Vermeidung von Interessenkonflikten aufgestellt.


Übereinstimmend geht man heute davon aus, dass ein einheitliches Verfahren, in dem das weltweite Vermögen des Schuldners nach einheitlichen Regeln erfasst und abgewickelt wird, die bestmögliche Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen darstellt. Soweit kein einheitliches grenzüberschreitendes Verfahren zur Verfügung steht, würde die Abwicklung idealerweise in einem einzigen nationalen Verfahren und unter einer einzigen Rechtsordnung durchgeführt und Befugnisse und Entscheidungen würden weltweit anerkannt. Parallele Verfahren würden nur höhere Transaktionskosten und größeren Aufwand an Informationsbeschaffung und Kooperation bedeuten und dadurch die Masse, die den Gläubigern zur Befriedigung zur Verfügung steht, schmälern.
In Reaktion auf Erfahrungen im Rahmen der 2007 ausgelösten Finanzmarktkrise fasste die IOSCO im Jahr 2008 das Verbot von Leistungskombinationen klarer. Abgesehen werden soll hiernach von der Beratung zur Strukturierung von Finanzprodukten, sofern die Agentur ein Rating zu eben diesen Produkten anbietet. Weiterhin werden Empfehlungen zum verantwortungsvollen Umgang mit den Interessen des Anlegerpublikums und der Emittenten ausgesprochen. Hierzu zählen die transparente und zügige Veröffentlichung der Bonitätsbeurteilung und auch Geheimhaltungspflichten. Zuletzt wird die Veröffentlichung einer Erklärung dazu verlangt, ob und wie die Rating-Agentur die Kodex-Empfehlungen umsetzt.


In den Entwürfen eines Europäischen Übereinkommens über den Konkurs, Vergleiche und ähnliche Verfahren (1970 bzw. 1980) versuchte man, die Prinzipien von Einheit und Universalität zu verwirklichen. Man musste aber feststellen, dass die materiellrechtlichen Unterschiede der europäischen Rechtsordnungen, insbesondere im Hinblick auf insolvenzrechtliche Vorrechte und Kreditsicherheiten, so groß waren, dass sie in einem Einheitsverfahren nur durch komplizierte Sonderregelungen unter Berücksichtigung des Belegenheitsstaates und Bildung rechnerischer Untermassen in den einzelnen Staaten überwunden werden konnten. Dazu kommen praktische Probleme, wie die Größe europaweiter Verfahren, Kenntnis mehrerer Sprachen und Rechtsordnungen. Erst das Istanbuler Übereinkommen von 1990 auf Initiative des Europarats verhalf zum Durchbruch. Genauso wie das UNCITRAL-Modellgesetz (1997) beabsichtigt auch das Istanbuler Übereinkommen lediglich eine gegenseitige Anerkennung von Insolvenzverfahren und Regelungen für eine Kooperation der Verwalter. Es diente als Grundlage für das aus politischen Gründen nicht in Kraft getretene Europäische Insolvenzübereinkommen von 1995 (EuInsÜ) sowie für die beinahe wortgleiche EuInsVO. Der Erlass einer EG-Verordnung war durch das Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam vom 1.5.1999 möglich geworden, da die Europäische Gemeinschaft damit Kompetenzen zur Regelung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen erhielt.
Der Kodex baut auf eine freiwillige Befolgung und wurde, soweit ersichtlich, in keinem der europäischen Mitgliedstaaten vollständig in nationales Recht umgesetzt. Mehrere Rating-Agenturen sind der Empfehlung der IOSCO gefolgt und haben jeweils einen eigenen Verhaltenskodex aufgestellt. Die drei größten Rating-Agenturen verpflichteten sich außerdem um den Jahreswechsel 2005/‌06 dazu, dem von der Europäischen Kommission eingesetzten Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (''Committee of European Securities Regulators'', CESR) jährlich in Briefform über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der IOSCO-Empfehlungen zu berichten. Dem von CESR veröffentlichten Jahresbericht 2008 ist zu entnehmen, dass der Befolgungsgrad als grundsätzlich hoch einzuschätzen ist.


Seit Verabschiedung von EuInsVO und UNCITRAL-Modellgesetz haben viele Mitgliedstaaten begonnen, ihr außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO anwendbares internationales Insolvenzrecht zu reformieren, z.B. Deutschland (Art.&nbsp;102 EGInsO und §&nbsp;335&nbsp;ff. InsO 2003), Spanien (''Ley Consursal und Ley de Reforma Concursal 2004''), England (''The Cross-Border Insolvency Regulations 2006''), Niederlande (''Voorontwerp Insolventierecht 2007''). In den Reformen zeigt sich deutlich der Einfluss einer oder beider Modelle, wobei zwischen den Mitgliedstaaten keine einheitliche Präferenz besteht; so hat Großbritannien das UNCITRAL-Modellgesetz übernommen, Deutschland die EuInsVO. Ein zentraler Unterschied zwischen EuInsVO und UNCITRAL-Modellgesetz liegt in der Anerkennung: Während die EuInsVO eine automatische Anerkennung vorsieht, verlangt das UNCITRAL-Modellgesetz ein formelles Anerkennungsverfahren, wobei sich die Wirkungen im Anerkennungsstaat grundsätzlich nach dessen Recht richten. Das UNCITRAL-Modellgesetz hat deswegen grundsätzlich ein internationaleres Anwendungsspektrum, da es weder Vertrauen in die ausländische Rechtsordnung noch Kenntnis des ausländischen Rechts voraussetzt und zudem Friktionen im Zusammenspiel der Rechtsordnungen vermeiden kann. Im Gegenzug dafür müssen Gerichte im Anerkennungsstaat aber kompetent und bereit sein, kurzfristig auch Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, die sich an das Recht des Eröffnungsstaates anlehnen und so nach nationalem Recht nicht vorgesehen sind.
== 4. Regelungsfragen und &#8209;strukturen ==
In der Debatte um die 2009 im Verordnungswege verabschiedete Regulierung von Rating-Agenturen stellten sich vergleichbare Grundsatzfragen zu Reichweite und Grenzen der Marktkräfte wie bei [[Finanzanalyst]]en. Auslöser für die international intensiv geführte Debatte war auch bei den Rating-Agenturen nicht erst die seit 2007 fortdauernde Finanzmarktkrise, sondern bereits zuvor der plötzliche Zusammenbruch von Enron im Jahr 2001. Enron, dem seinerzeit zweitgrößten Energieversorger der USA, war noch wenige Wochen vor der Insolvenzanmeldung von führenden Rating-Agenturen eine hohe Bonität (''investment grade'') bescheinigt worden. Der vergleichbar unerwartete Zusammenbruch des italienischen Herstellers von Milchprodukten Parmalat im Jahre 2003 belegte sodann, dass bei Enron nicht allein Schwächen des US-amerikanischen Systems der Rating-Regulierung zu Tage getreten waren.


Keines der beiden Modelle regelt Fragen grenzüberschreitender Insolvenzen jedoch umfassend. Viele Probleme erfordern wie bisher pragmatische, an den Interessen der Beteiligten orientierte Lösungen (s. z.B. zur Zusammenarbeit von Gerichten und Verwaltern von der Praxis verwendete Protokolle bzw. Guidelines von UNCITRAL, ALI oder INSOL Europe). Gleichzeitig ist auch das nationale Insolvenzrecht vieler Mitgliedstaaten in Bewegung geraten, was nicht zuletzt auf den Erlass der Verordnung zurückgeführt werden kann. Für die Akteure der verschiedenen Länder ist es finanziell interessant, die Abwicklung grenzüberschreitender, insbesondere großer lukrativer (Konzern&#8209;) Insolvenzen möglichst ins eigene Land zu holen und nach vertrautem Recht abzuwickeln. In diesem Zusammenhang ist ein Wettstreit darum entstanden, möglichst schnell die Eröffnung des Hauptverfahrens vor den Gerichten des eigenen Landes zu erreichen. Gerichten in anderen Mitgliedstaaten ist dann sowohl die Nachprüfung der Entscheidung als auch die Eröffnung eines weiteren Hauptverfahrens verwehrt (sog. ''Exklusivität des Hauptverfahrens'' und ''Prioritätsprinzip'' auf Grundlage des ''gegenseitigen Vertrauens'','' ''Art.&nbsp;3(2) bzw. Erwägungsgrund&nbsp;22 EuInsVO). Die verschiedenen Eröffnungsmodalitäten und damit auch Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten inklusive des jeweiligen materiellen Insolvenzrechtrechts sind so in direkte Konkurrenz getreten. Offenkundige Unterschiede ließen Standortnachteile vermuten, was in vielen Mitgliedstaaten zu erheblichem Reformdruck seitens der Praxis geführt hat (vgl. z.B. Reform des Insolvenzrechts 2005 in Frankreich (''Loi No. 2005-845'' v. 26.7.2005,'' ''Ausführungsdekret Nr. 2005-1677 v. 28.12.2005), insbesondere Einführung der ''procédure de sauvegarde'', und in Italien (''Legge No. 80/‌2005'' v. 14.5.2005). Fälle, in denen Unternehmen zur Sanierung mit großem finanziellen Aufwand in ein vermeintlich günstigeres Insolvenzrechtsregime migriert sind (eigentlich will die EuInsVO ''forum shopping ''gerade verhindern, Erwägungsgrund&nbsp;4), bewirkten, dass bisher unumstößliche Grundsätze zur Diskussion gestellt wurden (vgl. Diskussionen insbesondere im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Vorschriften). Im Ergebnis haben Verfahren mit vergleichsähnlichem Charakter, die den Erhalt des Unternehmenswertes (''going concern value'') und Abwendung förmlicher Liquidationsverfahren stärker in den Mittelpunkt rücken (vgl. u.a. ''Enterprise Act 2002 in England; Best Procedure Project on Restructuring'','' Bankruptcy and a Fresh Start der EU in 2002'') an Gewicht gewonnen. Vielfach greifen sie auch bereits vor traditioneller Insolvenzreife und kommen ohne förmliche Strukturen und gerichtliche Mitwirkung aus. Bei einigen dieser Verfahren greift die EuInsVO nicht; ihrer Konzeption nach scheint sie eher formalisierte Verfahren mit hoheitlicher Beteiligung vor Augen zu haben. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bleibt abzuwarten, inwieweit die EuInsVO in ihrer derzeitigen Form das zentrale Instrument zur Bewältigung grenzüberschreitender Insolvenzen bleiben wird. Rechtsprechung und Literatur beschäftigten sich derzeit weniger mit Fragen grenzüberschreitender Sanierung als mit internationalverfahrens- und kollisionsrechtlichen Problemen, die bei der Anwendung der EuInsVO auftreten (z.B. Bestimmung des ''Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen'' des Schuldners im Rahmen der internationalen Zuständigkeit nach Art. 3(1) EuInsVO, EuGH Rs.&nbsp;C-341/‌04 – ''Eurofood/‌ Parmalat'', Slg. 2006 I-3813, bzw. Einordnung sog. Annexverfahren, siehe EuGH Rs.&nbsp;C-339/‌07 – ''Deko Marty Belgium'', EWir 2009, 53).
Gleichwohl sollte dem ersten CESR-Bericht von 2005 zufolge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechtsvorschriften und Selbstregulierung bereits gefunden sein. Zunächst folgte die Europäische Kommission dieser Sichtweise in ihrer 2006 veröffentlichten Mitteilung (2006/‌ C&nbsp;59/‌02). Erneute Zweifel kamen jedoch im Zusammenhang mit der 2007 ausgelösten Finanzkrise auf. Ursache der Finanzkrise sind nach derzeitigem Kenntnisstand Überbewertungen im US-amerikanischen Hypothekenmarkt. Diese flossen in strukturierte Finanzprodukte ein, die einen hohen Komplexitätsgrad aufwiesen, infolge dessen die Risiken auch von professionellen Marktteilnehmern wie den Banken nicht mehr beherrschbar waren. Frühwarnungen durch Rating-Agenturen unterblieben auch hier.


== 3. Regelungsstrukturen der Europäischen Insolvenzrechtsverordnung ==
Noch nach dem Mitte 2008 vorgelegten Bericht der Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (''European Securities Markets Expert Group'', ESME) sollten Maßnahmen ausreichen, die in der allgemeinen Debatte um die ''[[Corporate Governance]]'' seit langem bekannt sind. Dazu gehören die Trennung von Leitungs- und Überwachungsaufgaben in einem einstufig organisierten Verwaltungsrat. Hierzu soll der Verwaltungsratsvorsitz (''chairman of the board'') und der Geschäftsführungsvorsitz (''chief executive officer'', CEO) zwischen verschiedenen Personen aufgeteilt werden. Auch soll die Rolle der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder (''non-executive directors'') gestärkt werden, um die Leistungsfähigkeit der Überwachung zu steigern.


Die EuInsVO strebt grundsätzlich an, der Eröffnung nationaler Insolvenzverfahren in allen Mitgliedstaaten universelle Wirkungen beizulegen. Sie versucht, dies mithilfe einheitlicher Regelungen über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Art.&nbsp;3), über die automatische Anerkennung der Wirkungen der Verfahrenseröffnung, der Befugnisse des Verwalters und weiterer Entscheidungen (Art.&nbsp;16 ff.) und über die grundsätzliche Maßgeblichkeit der ''lex fori concursus'' (Art.&nbsp;4) zu verwirklichen. Nur der Einwand eines ''[[ordre public]]''-Verstoßes bleibt zulässig (Art.&nbsp;26). Wie auch nach dem UNCITRAL-Modellgesetz ist für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens das Gericht des Staates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (Art.&nbsp;3(1) EuInsVO). Für die Insolvenz von verbundenen (Konzern&#8209;)Gesellschaften gelten insoweit die gleichen Regeln; trotz Kritik in Literatur und Praxis sind keine speziellen Regelungen für Konzerninsolvenzen vorgesehen. In der Praxis scheint sich nun aber eine Lösung unter Art.&nbsp;3(1) EuInsVO heraus zu kristalisieren (vgl. etwa ''Re Lennox Holdings Plc''<nowiki> [2009] BCC 155 (ChD).</nowiki>
Die weiteren ESME-Vorschläge zur Vermeidung von Interessenkonflikten entsprechen den aus dem Recht der [[Abschlussprüfer]] bekannten Ansätzen. Auf die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern soll mit einer Pflicht zur Offenlegung reagiert werden, wenn die Einnahmen aus dem Rating eines einzelnen Emittenten 10&nbsp;% der Gesamteinnahmen aus allen Ratings überschreiten. Dieser Standard blieb noch hinter dem für Abschlussprüfer geltenden zurück, denn im Recht der Abschlussprüfung bestehen nicht nur Offenlegungs-, sondern Inhabilitätsregeln für als zu groß befundene finanzielle Abhängigkeiten. Referenzgrößen sind dort außerdem nicht allein die Einnahmen aus der Abschlussprüfung, sondern auch die Summe der Einnahmen aus Abschlussprüfung und sonstigen Leistungen. Diese und weitere Verbesserungsvorschläge wurden zunächst im Wege von Konkretisierungen der IOSCO-Empfehlungen umgesetzt, also weiterhin auf freiwilliger Grundlage.


Im Gegensatz zur EuGVO (VO&nbsp;44/‌2001) als zentralem Instrument der einheitlichen Zuständigkeit und Anerkennung regelt die EuInsVO nicht nur Gerichtsentscheidungen in Rechtsstreitigkeiten in [[Zivil- und Handelssache]]n, sondern alle Entscheidungen, die die Abwicklung des Insolvenzverfahrens betreffen, sowie alle Wirkungen, die nach der ''lex fori concursus'' aus der Verfahrensöffnung resultieren. Urheber der Entscheidungen müssen zudem nicht unbedingt staatliche Gerichte sein. Ihr Anwendungsbereich ist dabei auf die in den Anhängen&nbsp;A und B abschließend aufgeführten, genau bezeichneten mitgliedstaatlichen Verfahrensarten beschränkt (nach Art.&nbsp;1(1) EuInsVO auf Gesamtverfahren, die die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben).
Am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745/‌2746) von Europäischen Parlament und Rat angenommen. Damit werden die IOSCO-Empfehlungen in eine unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbare Regulierung übersetzt. Hervorzuheben ist das verpflichtende Verbot einer Leistungskombination von Rating und Beratung. Erhöhte Qualifikationsanforderungen werden durch eine Pflicht zur Einrichtung einer internen Qualitätsüberwachung abgesichert. Die Publizität wird verstärkt durch einen Transparenzbericht sowie die Offenlegung von Modellen, Methoden und grundlegenden Annahmen, auf die sich die Ratings stützen. Weiter sind Ratings komplexer Produkte zu kennzeichnen. Eine Verbesserung der ''[[Corporate Governance]]'' von Rating-Agenturen soll durch die Bestellung von zwei unabhängigen Mitgliedern in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat bewirkt werden, denen eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren zu gewähren ist und die bei beruflichem Fehlverhalten entlassen werden können. Bei zumindest einem Mitglied muss es sich um einen Experten für Verbriefungen und strukturierte Finanzinstrumente handeln. Die Vergütung der unabhängigen Mitglieder muss vom Unternehmensergebnis der Ratingagentur entkoppelt sein.


Die Verordnung folgt einem sog. ''kontrollierten Universalitäts- und Einheitsprinzip. ''Sie trägt'' ''Hindernissen, wie z.B. den Unterschieden der Rechtsordnungen sowie praktischen Problemen, dadurch Rechnung, dass sie die Anwendbarkeit der ''lex fori concursus'' mittels Sonderanknüpfungen für besonders bedeutsame Rechte und Rechtsverhältnisse einschränkt (Art.&nbsp;5–15 EuInsVO) und territorial begrenzte Parallelverfahren zulässt (''selbständiges Partikularverfahren'' nach Art.&nbsp;3(2)-(4) bzw. ''Sekundärinsolvenzverfahren'' nach Art. 27&nbsp;ff. EuInsVO soweit ein ''Hauptverfahren'' besteht oder eröffnet wird). Soweit in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung besteht, kann die angestrebte einheitliche Abwicklung aber ohne Weiteres durch Eröffnung eines Sekundärverfahrens konterkariert werden. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sanierungsversuchen erweisen sich Sekundärverfahren als machtvolles Drohpotential, kann doch durch diese die Einbeziehung der Masse der Sekundärinsolvenz in die Sanierung vereitelt werden. Auch die grds. Maßgeblichkeit der ''lex fori concursus'' (Art.&nbsp;4 EuInsVO) kann durch Eröffnung eines Sekundär- oder Partikularverfahrens eingeschränkt werden, da dann wiederum die jeweilige ''lex fori concursus'' des Sekundärverfahrens anzuwenden ist. Dies kann, insbesondere durch vorherige Migration, zum Ausgleich unterschiedlicher gesetzlicher Rangfolgen genutzt werden. In jedem Fall richten sich aber aus Rechtssicherheits- und Vertrauensschutzgesichtspunkten insolvenzrechtliche Wirkungen auf Arbeitsverträge, Verträge über unbewegliche Gegenstände, eintragungspflichtige Rechte und Schutz von Dritterwerbern nach Eröffnung, Rechte und Pflichten von Mitgliedern von Zahlungssystemen und Finanzmärkten und anhängige Rechtsstreitigkeiten nach dem Recht des Staates, zu dem der Sachverhalt die engste Beziehung aufweist (Art.&nbsp;8–11, 14, 15 EuInsVO). Bestimmte Rechte an dem im Ausland belegenen Vermögen sind sogar von den Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen, wie z.B. dingliche Rechte Dritter, Aufrechnung und Eigentumsvorbehalt (Art.&nbsp;5–7 EuInsVO). Für benachteiligende Rechtshandlungen sind im Ergebnis beide Rechtsordnungen maßgeblich; sie sind nur anfechtbar, unwirksam oder sonst angreifbar, wenn dies sowohl die ''lex fori concursus'' als auch das Wirkungsstatut bestimmen (Art.&nbsp;4(2)(m), 13 EuInsVO). Mögliche unterschiedliche Anknüpfungspunkte, die Vielschichtigkeit der Regelungsziele als auch der Funktionszusammenhang mit Regelungen angrenzender Rechtsgebiete bereitet im Rahmen der Bestimmung des anwendbaren Rechts vielfach Qualifizierungs- und Anpassungsprobleme, vgl. Gesellschafterhaftung, Insolvenzverschleppungshaftung, Haftung für ''wrongful trading'','' ''Insolvenzanfechtung etc. bei sog.'' Auslandsgesellschaften''.
Die jetzt verpflichtenden Regeln waren zu weiten Teilen bereits zuvor auf freiwilliger Basis anerkannt, müssen sich aber fortan auch als zwingendes Recht praktisch bewähren. Mit der neuen Verordnung ist eine geradezu offensichtliche Lücke im europäischen Recht der Informationsintermediäre geschlossen worden, indem die auf Rating-Agenturen anwendbaren Regeln deutlich an die für andere [[Finanzintermediär]]e im weiteren Sinne, also [[Abschlussprüfer]] und [[Finanzanalyst]]en geltenden Standards angenähert wurden.


Verfahren, die Versicherungsunternehmen oder Kreditinstitute betreffen, sind vom Anwendungsbereich der Verordnung gänzlich ausgenommen. Für diese sind eigene Richtlinien erlassen worden (RL&nbsp;2001/‌24 vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation vor den Kreditinstituten, RL&nbsp;2001/‌17 vom 19.3.2000 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen). Im Gegensatz zur EuInsVO kommt man dort ohne Sekundärverfahren aus, was auf eine weitergehende europäische Harmonisierung des [[Bankrecht]]s bzw. Versicherungsrechts ([[Versicherungsbinnenmarkt]]), insbesondere der Aufsicht ([[Aufsicht über Finanzdienstleistungen]]; [[Versicherungsaufsichtsrecht]]), zurückgeführt wird. Darüber hinaus finden sich weitere Regelungen in flankierenden Richtlinien, etwa in der Finalitäts-RL (RL 98/‌26) und in der Finanzsicherheiten-RL (RL 2002/‌47).
== 5. Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven ==
Der Blick auf künftige Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven war gerade bei Rating-Agenturen lange Zeit ein Blick in eine ungewisse Zukunft. Noch nach der Mitteilung der Europäischen Kommission von 2006 sollte auf einschneidende Legislativmaßnahmen verzichtet werden können. Spätestens mit dem Ende 2008 veröffentlichten Kommissionsvorschlag zu einer Verordnung über Rating-Agenturen wurde aber klar, dass weite Teile der bis zuletzt allein von den IOSCO-Empfehlungen erfassten Regelungsbereiche in verpflichtendes Recht überführt werden würden.


== 4. Materielle Rechtsvereinheitlichung ==
Für die Fortentwicklung der regulatorischen Indienstnahme der Rating-Agenturen in Europa wird weiterhin die Arbeit des Ausschusses der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (''Committee of European Banking Supervisors'', CEBS) von Bedeutung sein. Maßgeblich von dessen Arbeiten hängt der Fortschritt bei der Konvergenz der Verfahren zur Anerkennung von Rating-Agenturen im Bereich der Eigenkapitalbewertung von Kreditinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen ab.


Weder die EuInsVO noch das UNCITRAL Modellgesetz zielen primär auf die Vereinheitlichung der nationalen Insolvenzrechte ab. In der EuInsVO haben dennoch Fragmente Eingang gefunden, die verfahrens- und materiellrechtliche Aspekte des nationalen Insolvenzrechts für den Fall einer grenzüberschreitenden Insolvenz vereinheitlichen (Art. 7(2), 20, 29–35, 39, 40 EuInsVO). Die ''Principles of European Insolvency Law'' und der ''UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law'' versuchen dagegen, einheitliche insolvenzrechtliche Prinzipien zu erarbeiten; sie sollen als Grundlage für Harmonisierungsprojekte oder nationale Rechtsreformen dienen. Seit 2002 existiert zudem eine Expertengruppe der Europäischen Kommission zu „Umstrukturierungen, Konkurs und Neubeginn“, die Grundsätze und Leitlinien für effektive Insolvenz- und Gläubigerschutzsysteme sowie Beispiele vorbildlicher Praktiken erarbeitet.
Übergreifendes Petitum der europäischen Integration sollte es sein, innerhalb der gewachsenen Informationsmärkte unnötige Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber im Rating-Markt zu vermeiden. Denn ein grundsätzliches und in seinen Auswirkungen bislang weder europäisch noch international abschließend geklärtes Problem ergibt sich aus der Konzentration des Markts für Ratings großer börsennotierter Unternehmen. Das weltweite Oligopol besteht aus zwei großen und einer kleineren Rating-Agentur: ''Moody’s'', ''Standard & Poor‘s'', ''Fitch'', allesamt US-amerikanischer Prägung. Der Markt der Rating-Agenturen ist damit sogar noch stärker konzentriert als derjenige der [[Abschlussprüfer]] – mit allen dort näher beschriebenen Gefahren oligopolistischer Marktstrukturen.
 
Die Ursachen für die Marktkonzentration werden bei den Rating-Agenturen zum Teil in den erstmals im Jahre 1975 eingeführten US-amerikanischen Akkreditierungserfordernissen gesucht. Die Registrierung ist zu erteilen bei Nachweis einer gewissen Akzeptanz der Bonitätsbeurteilungen im Markt. Mit dem ''Credit Rating Reform Agency Act'' von 2006 wurde das Problem möglicher Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter erkannt und ein formelles Zulassungsverfahren eingeführt, das jedoch weiter auf Marktpräsenz und &#8209;akzeptanz setzt.
 
Der Rating-Markt wird nach wie vor durch US-amerikanische Anbieter dominiert. Wie für die europäische Integration im Recht der Finanzintermediäre insgesamt ist deshalb der transatlantische Dialog, insbesondere mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht (''Securities and Exchange Commission'', SEC), europäisch wie international über die IOSCO fortzuführen und weiter zu intensivieren.  
 
Zu den künftigen Herausforderungen zählt die Grundsatzfrage, ob und in inwieweit Rating-Agenturen in ein übergreifendes Konzept der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (''gatekeeping'') eingebunden werden können und sollten. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Regulierungsfrage die über Rating-Agenturen hinaus sämtliche [[Finanzintermediär]]e, also auch [[Abschlussprüfer]] und [[Finanzanalyst]]en betrifft.


==Literatur==
==Literatur==
''Alexander Trunk'', Internationales Insolvenzrecht, 1998; ''Jay Lawrence Westbrook'', Multinational Enterprises in General Default: Chapter 15, The ALI Principles and The EU Insolvency Regulation, American Bankruptcy Law Journal 76 (2002) 1&nbsp;ff;'' Stefan Reinhart'','' Ulrich Ehricke'', Internationales Insolvenzrecht, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd.&nbsp;3, 2003; ''Paul Omar'', European Insolvency Law, 2004; ''Ian F. Fletcher'', Insolvency in private international law, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''Bob Wessels'', International Insolvency Law, 2006; ''Peter Gottwald'', Kap.&nbsp;XIII: Internationales Insolvenzrecht, in: idem (Hg.),'' ''Insolvenzrechtshandbuch, 2006; ''Horst Eidenmüller'', Gesellschaftsstatut und Insolvenzstatut, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 70 (2006) 474&nbsp;ff.; ''Peter Kindler'', Internationales Insolvenzrecht, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;11 Internationales Wirtschaftsrecht, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 50–245), 2006;'' Klaus Pannen'' (Hg.), Europäische Insolvenzordnung, 2007;'' Philip R. Wood'', Principles of International Insolvency, 2007; ''Wolf-Georg Ringe'', Forum Shopping under the EU Insolvency Regulation, European Business Organization Law Review 9 (2008) 579; ''Lars Westphal'', ''Uwe Goetker'', ''Jochen Wilkens'', Grenzüberschreitende Insolvenzen, 2008.
''Holger Fleischer'','' ''Empfiehlt es sich im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt und Börsenrecht neu zu regeln, Gutachten F zum 64. Deutschen Juristentag, 2002; ''Mathias Habersack'', Rechtsfragen des Emittenten-Ratings, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 169 (2005) 185&nbsp;ff.;'' Gérard Hertig'','' ''Using Basel II to Facilitate Access to Finance, in: Klaus J. Hopt, Eddy Wymeersch, Hideki Kanda, Harald Baum, (Hg.), Corporate Governance in Context, 2005, 511&nbsp;ff.;'' Arthur R. Pinto'', Control and Responsibility of Rating Agencies in the United States, American Law Journal, Supplement, 54 (2006) 341&nbsp;ff.; ''John C. Coffee'','' ''Gatekeepers, 2006; ''Hans E. Büschgen'', ''Oliver Everling'', (Hg.), Handbuch Rating, 2.&nbsp;Aufl. 2007; ''The Committee of European Securities Regulators'','' ''CESR’s Second Report to the European Commission on the Compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code and the Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance, Ref:&nbsp;CESR/‌08-277, Mai 2008; ''European Securities Markets Expert Group'','' ''ESME’s Report to the European Commission: Role of Credit Rating Agencies, 2008; ''Jan von Hein'','' ''Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008; ''Patrick C. Leyens'', Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 423&nbsp;ff.


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[[en:Rating_Agency]]

Aktuelle Version vom 28. September 2021, 18:43 Uhr

von Patrick C. Leyens

1. Begriff der Rating-Agentur

Rating-Agenturen geben Stellungnahmen zur Kreditwürdigkeit von Emittenten oder Finanzinstrumenten ab. Die Einschätzungen von Rating-Agenturen sind von erheblichem Gewicht für die Kauf- oder Verkaufentscheidungen des Anlegerpublikums. Das Rating gibt die Wahrscheinlichkeit an, zu der ein Emittent aktuell entweder all seinen finanziellen Verpflichtungen oder seinen Verpflichtungen aus einem bestimmten Schuldtitel oder festverzinslichen Wertpapier nachzukommen vermag (Emittenten- bzw. Instrumenten-Rating). Ratings sind nicht auf Unternehmen beschränkt, sondern können sich auch auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Staaten beziehen. Das Rating wird unter Verwendung einer feingliedrigen Bonitätsskala ausgedrückt, die von der höchsten Bonitätsstufe (investment grade) bis zur schlechtesten Einstufung (speculative grade) reicht. Der Risikograd wird häufig durch eine Buchstabenkombination, z.B. „AAA“ für höchste und „D“ für niedrigste Bonität, ausgedrückt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Rating wie die Finanzanalyse als Meinungskundgabe einzuordnen ist. Im Unterschied dazu stellt das Rating aber keine Empfehlung dar und unterliegt deshalb nicht den für die Finanzanalysten geltenden Vorgaben. Vom Regelfall des Ratings im Auftrag des Emittenten (Solicited Rating) ist die auftragslose Abgabe einer Bonitätsbewertung (Unsolicited Rating) zu unterscheiden. Bei letzterer erfolgt kein Zugriff auf interne Informationen des Emittenten. Neben ihrem Kerngeschäft bieten die Agenturen häufig auch Risikobewertungen im Rahmen der Beratung zu Anlageobjekten oder zur Strukturierung von Finanzprodukten an.

2. Einordnung und Funktion des Ratings

Rating-Agenturen zählen zu den Finanzintermediären im weiteren Sinne. Finanzintermediäre im weiteren Sinne erbringen vor allem Informationsdienstleistungen. Damit ermöglichen oder unterstützen sie die Zusammenführung von Kapitalangebot und ‑nachfrage durch Finanzintermediäre im engeren Sinne wie insbesondere die Banken (Europäischer Bankenmarkt). Informationsdienstleistungen von vergleichbarer Bedeutung erbringen neben den bereits angesprochenen Finanzanalysten auch die Abschlussprüfer. Zusammen mit diesen gelten Rating-Agenturen als die wichtigsten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts. Übergreifend besteht die Aufgabe sämtlicher Informationsintermediäre darin, fehlende Informationen zu substituieren, vorhandene Informationen zu verifizieren und Informationen im wirtschaftlichen Gesamtkontext zu evaluieren. Die Leistungen der genannten Informationsintermediäre ergänzen sich und bauen teilweise direkt oder indirekt aufeinander auf. Sie folgen aber einer jeweils eigenen Methodik. Der Schwerpunkt des Ratings liegt in der Evaluation, die anders als die ebenfalls schwerpunktmäßig evaluierende Finanzanalyse nicht zukunfts-, sondern wie der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers gegenwartsbezogen ist.

Das Rating-Urteil stützt sich auf die Analyse quantitativer Daten wie Umsatz, cash flow, Eigenkapitalquote, bezieht aber auch Branchenrisiken und Risiken des nationalen Wirtschaftsraums mit ein. Auch qualitative Kriterien wie insbesondere das Verhalten bei der Rückzahlung von Krediten in der Vergangenheit und die Corporate Governance des Emittenten werden bewertet. Vor allem zur Beurteilung der qualitativen Kriterien nehmen Rating-Agenturen in der Regel Kontakt mit der Unternehmensleitung des Emittenten auf.

Ratings sind heute weltweit ein fester Bestandteil der Vertragsgestaltung innerhalb und außerhalb des Finanzmarkts. Durch sog. Rating-Triggers wird der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen vertraglich von Veränderungen der Bonität des Vertragspartners abhängig gemacht. Z.B. bei langfristigen Darlehen wird die Zinshöhe an Veränderungen der Bonitätsbeurteilung des Schuldners ausgerichtet. Rechtstechnisch handelt es sich um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung. Von besonderer Bedeutung sind Ratings für Finanzintermediäre im engeren Sinne. So wirken sich die Ratings der Darlehensnehmer auf die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten aus. Die Bonitätsbewertung und die Risikoklassifikation des Kreditinstituts selbst können außerdem für den Beitragssatz maßgeblich sein, den das Kreditinstitut zur Finanzierung der Einlagensicherung zu leisten hat. Die hierzu herangezogenen Risikoklassifikationen werden allerdings z.B. in Deutschland nicht durch allgemeine Rating-Agenturen, sondern durch spezialisierte Prüfungsverbände erbracht. Einige Staaten knüpfen weitere aufsichtsrechtliche Regeln an ein bestimmtes Rating-Ergebnis. Z.B. können sich die Möglichkeiten eines Pensionsfonds, in private Anleihen zu investieren, nach deren Rating bestimmen. Hinzu kommen Regeln von Börsen wie z.B. die von Euronext, nach denen die Platzierung von Finanzinstrumenten von der Vorlage und Veröffentlichung eines Ratings abhängig gemacht werden kann.

Im finanzmarktlichen Kontext ist das Rating regelmäßig rechtstatsächliche Voraussetzung für die Fremdfinanzierung durch Finanzinstrumente wie Inhaberschuldverschreibungen. Das gilt in besonderem Maße für noch nicht fest etablierte Emittenten. Zu weiten Teilen bestimmt das Rating den Zinssatz, der für die Inanspruchnahme einer Fremdfinanzierung anzubieten ist, wirkt sich aber auch auf die Börsenkurse und somit auf die Kosten der Kapitaleinwerbung insgesamt aus.

3. Stand der europäischen Rechtsangleichung

Die europäische Rechtsangleichung blickt bei Rating-Agenturen auf eine noch junge Geschichte zurück. Erst am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745 und 2746) durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament verabschiedet (dazu unter 4.). Die vorausgehend diskutierten Kernfragen und die wesentlichen Entwicklungsschritte werden hier nachgezeichnet.

Der nach wie vor geltende Rechtsrahmen besteht zunächst aus den beiden Richtlinien, die die marktlichen Verhaltenspflichten der Finanzintermediäre insgesamt betreffen. Die wichtigste ist die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/‌6), nach der jede Form der Beeinflussung der Kurse von Finanzinstrumenten, also Insidergeschäfte und Marktmanipulationen, mit Sanktionen belegt wird. Für Rating-Agenturen besonders relevant sind die Regeln zu Interessenkonflikten, zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und zum Zugang zu Insider-Informationen. Wie die Finanzanalysten haben auch Rating-Agenturen interne Grundsätze und Verfahren zur Gewährleistung einer sachgerechten Informationsvermittlung festzulegen. Darüber hinaus sind alle nennenswerten Interessen oder Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument oder Emittenten, das bzw. der Gegenstand eines Ratings ist, offen zu legen. Kommt die Rating-Agentur mit Insiderwissen in Berührung, unterliegt sie einer Geheimhaltungspflicht bis zur Veröffentlichung der Information durch den Emittenten. Auch das Rating selbst kann eine Insider-Information darstellen und darf vor seiner Veröffentlichung nicht für Handelszwecke verwendet werden.

Weiter ist für Rating-Agenturen die gleich einer Verfassung für den Finanzmarkt konzipierte Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/‌39) von Bedeutung. In den Anwendungsbereich der MiFID und ihrer Durchführungsvorschriften fallen Rating-Agenturen jedoch nur, wenn sie wie andere Finanzintermediäre Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen erbringen. Rating-Agenturen können hiernach also einer Genehmigung bedürfen und unterliegen dann auch den engmaschigen Wohlverhaltensregeln und organisatorischen Anforderungen der MiFID. Etwa bei der Erbringung von Anlageberatungsleistungen können (kostspielige) organisatorische Maßnahmen zur Trennung zwischen Wertpapierdienstleistungen und Ratings erforderlich werden.

Von bloß mittelbarer aber gleichwohl kaum zu unterschätzender Bedeutung sind die Richtlinien zur Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister (RL 2006/48 und RL 2006/49). In deren Zusammenhang werden Rating-Agenturen durch die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 2004 geschlossene Rahmenvereinbarung „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ (Basel II, überarbeitet 2005) regulatorisch in Dienst genommen. Die Risikogewichte und die daraus resultierenden Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister dürfen hiernach anhand externer Ratings bestimmt werden. Von den zuständigen Aufsichtsbehörden werden aber lediglich die Ratings akkreditierter Agenturen akzeptiert. Das Akkreditierungsverfahren wird durch die Richtlinie selbst geregelt und stellt Anforderungen an die Objektivität, Unabhängigkeit, und Transparenz des Ratings. Zudem haben die Agenturen die veröffentlichten Bonitätsbeurteilungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.

Kennzeichnend für die Regulierung von Rating-Agenturen war im Übrigen, dass in größerem Maße als bei der Abschlussprüfung oder der Finanzanalyse auf die Selbstregulierung durch Codes of Conduct (Private Rechtsetzung und Codes of Conduct) gesetzt wurde. Wie für Finanzintermediäre allgemein waren insoweit auch für Rating-Agenturen die Berichte und Empfehlungen der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, IOSCO) von maßgeblicher Bedeutung. Im Jahre 2003 legte die IOSCO einen Verhaltenskodex für Rating-Agenturen vor, der zuletzt im Mai 2008 überarbeitet wurde. Die dort formulierten Anforderungen gehen (deutlich) über das bis hierher beschriebene europäische Richtlinienrecht hinaus. Empfohlen werden konkrete Verhaltensweisen zur Gewährleistung und Überwachung der Qualität und Ordnungsmäßigkeit des Rating-Verfahrens. Vor allem aber werden detaillierte Empfehlungen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur und ihrer Mitarbeiter und zur Vermeidung von Interessenkonflikten aufgestellt.

In Reaktion auf Erfahrungen im Rahmen der 2007 ausgelösten Finanzmarktkrise fasste die IOSCO im Jahr 2008 das Verbot von Leistungskombinationen klarer. Abgesehen werden soll hiernach von der Beratung zur Strukturierung von Finanzprodukten, sofern die Agentur ein Rating zu eben diesen Produkten anbietet. Weiterhin werden Empfehlungen zum verantwortungsvollen Umgang mit den Interessen des Anlegerpublikums und der Emittenten ausgesprochen. Hierzu zählen die transparente und zügige Veröffentlichung der Bonitätsbeurteilung und auch Geheimhaltungspflichten. Zuletzt wird die Veröffentlichung einer Erklärung dazu verlangt, ob und wie die Rating-Agentur die Kodex-Empfehlungen umsetzt.

Der Kodex baut auf eine freiwillige Befolgung und wurde, soweit ersichtlich, in keinem der europäischen Mitgliedstaaten vollständig in nationales Recht umgesetzt. Mehrere Rating-Agenturen sind der Empfehlung der IOSCO gefolgt und haben jeweils einen eigenen Verhaltenskodex aufgestellt. Die drei größten Rating-Agenturen verpflichteten sich außerdem um den Jahreswechsel 2005/‌06 dazu, dem von der Europäischen Kommission eingesetzten Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR) jährlich in Briefform über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der IOSCO-Empfehlungen zu berichten. Dem von CESR veröffentlichten Jahresbericht 2008 ist zu entnehmen, dass der Befolgungsgrad als grundsätzlich hoch einzuschätzen ist.

4. Regelungsfragen und ‑strukturen

In der Debatte um die 2009 im Verordnungswege verabschiedete Regulierung von Rating-Agenturen stellten sich vergleichbare Grundsatzfragen zu Reichweite und Grenzen der Marktkräfte wie bei Finanzanalysten. Auslöser für die international intensiv geführte Debatte war auch bei den Rating-Agenturen nicht erst die seit 2007 fortdauernde Finanzmarktkrise, sondern bereits zuvor der plötzliche Zusammenbruch von Enron im Jahr 2001. Enron, dem seinerzeit zweitgrößten Energieversorger der USA, war noch wenige Wochen vor der Insolvenzanmeldung von führenden Rating-Agenturen eine hohe Bonität (investment grade) bescheinigt worden. Der vergleichbar unerwartete Zusammenbruch des italienischen Herstellers von Milchprodukten Parmalat im Jahre 2003 belegte sodann, dass bei Enron nicht allein Schwächen des US-amerikanischen Systems der Rating-Regulierung zu Tage getreten waren.

Gleichwohl sollte dem ersten CESR-Bericht von 2005 zufolge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechtsvorschriften und Selbstregulierung bereits gefunden sein. Zunächst folgte die Europäische Kommission dieser Sichtweise in ihrer 2006 veröffentlichten Mitteilung (2006/‌ C 59/‌02). Erneute Zweifel kamen jedoch im Zusammenhang mit der 2007 ausgelösten Finanzkrise auf. Ursache der Finanzkrise sind nach derzeitigem Kenntnisstand Überbewertungen im US-amerikanischen Hypothekenmarkt. Diese flossen in strukturierte Finanzprodukte ein, die einen hohen Komplexitätsgrad aufwiesen, infolge dessen die Risiken auch von professionellen Marktteilnehmern wie den Banken nicht mehr beherrschbar waren. Frühwarnungen durch Rating-Agenturen unterblieben auch hier.

Noch nach dem Mitte 2008 vorgelegten Bericht der Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (European Securities Markets Expert Group, ESME) sollten Maßnahmen ausreichen, die in der allgemeinen Debatte um die Corporate Governance seit langem bekannt sind. Dazu gehören die Trennung von Leitungs- und Überwachungsaufgaben in einem einstufig organisierten Verwaltungsrat. Hierzu soll der Verwaltungsratsvorsitz (chairman of the board) und der Geschäftsführungsvorsitz (chief executive officer, CEO) zwischen verschiedenen Personen aufgeteilt werden. Auch soll die Rolle der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder (non-executive directors) gestärkt werden, um die Leistungsfähigkeit der Überwachung zu steigern.

Die weiteren ESME-Vorschläge zur Vermeidung von Interessenkonflikten entsprechen den aus dem Recht der Abschlussprüfer bekannten Ansätzen. Auf die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern soll mit einer Pflicht zur Offenlegung reagiert werden, wenn die Einnahmen aus dem Rating eines einzelnen Emittenten 10 % der Gesamteinnahmen aus allen Ratings überschreiten. Dieser Standard blieb noch hinter dem für Abschlussprüfer geltenden zurück, denn im Recht der Abschlussprüfung bestehen nicht nur Offenlegungs-, sondern Inhabilitätsregeln für als zu groß befundene finanzielle Abhängigkeiten. Referenzgrößen sind dort außerdem nicht allein die Einnahmen aus der Abschlussprüfung, sondern auch die Summe der Einnahmen aus Abschlussprüfung und sonstigen Leistungen. Diese und weitere Verbesserungsvorschläge wurden zunächst im Wege von Konkretisierungen der IOSCO-Empfehlungen umgesetzt, also weiterhin auf freiwilliger Grundlage.

Am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745/‌2746) von Europäischen Parlament und Rat angenommen. Damit werden die IOSCO-Empfehlungen in eine unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbare Regulierung übersetzt. Hervorzuheben ist das verpflichtende Verbot einer Leistungskombination von Rating und Beratung. Erhöhte Qualifikationsanforderungen werden durch eine Pflicht zur Einrichtung einer internen Qualitätsüberwachung abgesichert. Die Publizität wird verstärkt durch einen Transparenzbericht sowie die Offenlegung von Modellen, Methoden und grundlegenden Annahmen, auf die sich die Ratings stützen. Weiter sind Ratings komplexer Produkte zu kennzeichnen. Eine Verbesserung der Corporate Governance von Rating-Agenturen soll durch die Bestellung von zwei unabhängigen Mitgliedern in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat bewirkt werden, denen eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren zu gewähren ist und die bei beruflichem Fehlverhalten entlassen werden können. Bei zumindest einem Mitglied muss es sich um einen Experten für Verbriefungen und strukturierte Finanzinstrumente handeln. Die Vergütung der unabhängigen Mitglieder muss vom Unternehmensergebnis der Ratingagentur entkoppelt sein.

Die jetzt verpflichtenden Regeln waren zu weiten Teilen bereits zuvor auf freiwilliger Basis anerkannt, müssen sich aber fortan auch als zwingendes Recht praktisch bewähren. Mit der neuen Verordnung ist eine geradezu offensichtliche Lücke im europäischen Recht der Informationsintermediäre geschlossen worden, indem die auf Rating-Agenturen anwendbaren Regeln deutlich an die für andere Finanzintermediäre im weiteren Sinne, also Abschlussprüfer und Finanzanalysten geltenden Standards angenähert wurden.

5. Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven

Der Blick auf künftige Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven war gerade bei Rating-Agenturen lange Zeit ein Blick in eine ungewisse Zukunft. Noch nach der Mitteilung der Europäischen Kommission von 2006 sollte auf einschneidende Legislativmaßnahmen verzichtet werden können. Spätestens mit dem Ende 2008 veröffentlichten Kommissionsvorschlag zu einer Verordnung über Rating-Agenturen wurde aber klar, dass weite Teile der bis zuletzt allein von den IOSCO-Empfehlungen erfassten Regelungsbereiche in verpflichtendes Recht überführt werden würden.

Für die Fortentwicklung der regulatorischen Indienstnahme der Rating-Agenturen in Europa wird weiterhin die Arbeit des Ausschusses der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (Committee of European Banking Supervisors, CEBS) von Bedeutung sein. Maßgeblich von dessen Arbeiten hängt der Fortschritt bei der Konvergenz der Verfahren zur Anerkennung von Rating-Agenturen im Bereich der Eigenkapitalbewertung von Kreditinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen ab.

Übergreifendes Petitum der europäischen Integration sollte es sein, innerhalb der gewachsenen Informationsmärkte unnötige Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber im Rating-Markt zu vermeiden. Denn ein grundsätzliches und in seinen Auswirkungen bislang weder europäisch noch international abschließend geklärtes Problem ergibt sich aus der Konzentration des Markts für Ratings großer börsennotierter Unternehmen. Das weltweite Oligopol besteht aus zwei großen und einer kleineren Rating-Agentur: Moody’s, Standard & Poor‘s, Fitch, allesamt US-amerikanischer Prägung. Der Markt der Rating-Agenturen ist damit sogar noch stärker konzentriert als derjenige der Abschlussprüfer – mit allen dort näher beschriebenen Gefahren oligopolistischer Marktstrukturen.

Die Ursachen für die Marktkonzentration werden bei den Rating-Agenturen zum Teil in den erstmals im Jahre 1975 eingeführten US-amerikanischen Akkreditierungserfordernissen gesucht. Die Registrierung ist zu erteilen bei Nachweis einer gewissen Akzeptanz der Bonitätsbeurteilungen im Markt. Mit dem Credit Rating Reform Agency Act von 2006 wurde das Problem möglicher Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter erkannt und ein formelles Zulassungsverfahren eingeführt, das jedoch weiter auf Marktpräsenz und ‑akzeptanz setzt.

Der Rating-Markt wird nach wie vor durch US-amerikanische Anbieter dominiert. Wie für die europäische Integration im Recht der Finanzintermediäre insgesamt ist deshalb der transatlantische Dialog, insbesondere mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission, SEC), europäisch wie international über die IOSCO fortzuführen und weiter zu intensivieren.

Zu den künftigen Herausforderungen zählt die Grundsatzfrage, ob und in inwieweit Rating-Agenturen in ein übergreifendes Konzept der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (gatekeeping) eingebunden werden können und sollten. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Regulierungsfrage die über Rating-Agenturen hinaus sämtliche Finanzintermediäre, also auch Abschlussprüfer und Finanzanalysten betrifft.

Literatur

Holger Fleischer, Empfiehlt es sich im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt und Börsenrecht neu zu regeln, Gutachten F zum 64. Deutschen Juristentag, 2002; Mathias Habersack, Rechtsfragen des Emittenten-Ratings, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 169 (2005) 185 ff.; Gérard Hertig, Using Basel II to Facilitate Access to Finance, in: Klaus J. Hopt, Eddy Wymeersch, Hideki Kanda, Harald Baum, (Hg.), Corporate Governance in Context, 2005, 511 ff.; Arthur R. Pinto, Control and Responsibility of Rating Agencies in the United States, American Law Journal, Supplement, 54 (2006) 341 ff.; John C. Coffee, Gatekeepers, 2006; Hans E. Büschgen, Oliver Everling, (Hg.), Handbuch Rating, 2. Aufl. 2007; The Committee of European Securities Regulators, CESR’s Second Report to the European Commission on the Compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code and the Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance, Ref: CESR/‌08-277, Mai 2008; European Securities Markets Expert Group, ESME’s Report to the European Commission: Role of Credit Rating Agencies, 2008; Jan von Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008; Patrick C. Leyens, Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 423 ff.

Abgerufen von Insolvenz, grenzüberschreitende – HWB-EuP 2009 am 24. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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