Testierfreiheit und Vertrieb: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Inge Kroppenberg]]''
von ''[[Knut B. Pißler]]''
== 1. Testierfreiheit als zentrales Prinzip des Erbrechts ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Die Testierfreiheit ist neben der Familienerbfolge ([[Pflichtteilsrecht]]) und der [[Universalsukzession]] ein fundamentales Prinzip des [[Erbrecht]]s. Es ist in allen Erbrechtsordnungen anerkannt. Abhängig von der jeweiligen Ausprägung der familiären Partizipation am Nachlass variiert das Maß an Testierfreiheit jedoch erheblich.
Unter Vertrieb oder den synonym verwendeten Begriffen Absatz und Distribution werden alle Handlungen, Vorgänge und Verhältnisse verstanden, die den Weg eines Produkts vom Produzenten bis zur endgültigen produktiven oder konsumtiven Verwendung betreffen. Ein Unternehmen kann alle oder zumindest den überwiegenden Teil seiner Vertriebsaufgaben durch eigene, rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Absatzorgane durchführen (direkter Vertrieb) oder die entsprechenden Funktionen zur Gänze oder überwiegend auf fremde, rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler übertragen (indirekter Vertrieb). Das Vertriebsrecht findet im Bereich des indirekten Vertriebs im Sinne eines Absatzmittlungsrechts seinen Schwerpunkt; hier geht es um das Recht der Vertriebsverträge von Belieferungs- und den Fachhändlerverträgen über die Vertragshändler-, Kommissionsagenten- und Handelsvertreterverträge ([[Handelsvertreter]]) bis hin zu Franchiseverträgen (''[[Franchising]]''). Der Direktabsatz über eigene Filialen oder Verkaufsangestellte (Reisende) ist seltener geworden, während neue Vertriebsformen wie der Vertrieb über so genannte ''Factory Outlet Centers'' oder das ''Teleshopping'' und der Internetvertrieb entstanden sind, bei denen sich insbesondere Fragen des Verbraucherschutzes ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) stellen. Zu erwähnen ist auch der Strukturvertrieb (Multi-Level-Marketing), bei dem Endabnehmer und auch andere verkaufswillige Dritte aktiv in die Absatzstrategie des Unternehmens einbezogen werden. Der Strukturvertrieb ist von den so genannten Pyramiden- und Schneeballsystemen abzugrenzen, bei denen es nicht um den Verkauf von vertriebenen Waren oder Dienstleistungen geht, sondern ganz überwiegend um die Anwerbung weiterer Käufer als neue Mitglieder in der Vertriebsorganisation. Zivilrechtlich geht es bei diesen Vertriebsformen wegen des Einsatzes von Laienwerbung und progressiver Kundenwerbung vor allem um Fragen des [[Unlauterer Wettbewerb|unlauteren Wettbewerbs]] und der Sittenwidrigkeit ([[Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen]]).


Die Testierfreiheit ist ein individuelles Freiheitsrecht, das dem Erblasser die Befugnis einräumt, zu bestimmen, wer nach seinem Tod Träger seines Vermögens werden und Rechte darauf oder daran erwerben soll. Sie ist das erbrechtliche Gegenstück zur Vertragsfreiheit unter Lebenden und das bestimmende Prinzip der rechtsgeschäftlichen oder so genannten gewillkürten [[Erbfolge]]. Der Begriff Testierfreiheit verweist auf das zentrale rechtsgeschäftliche Instrument zu deren Ausübung: das [[Testament]]. Es ist der Prototyp eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das keinen Adressaten hat. Das zweiseitige erbrechtliche Rechtsgeschäft, der [[Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament|Erbvertrag]] oder das ''pactum successorium'', steht dagegen traditionell weniger im Mittelpunkt der Testierfreiheit. In der romanischen Rechtsfamilie wird es wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (''contra bonos mores'') sogar als unwirksam angesehen.
Das Vertriebsrecht ist in Deutschland von der Zeit geprägt, in der es entstand. Ende des 19. Jahrhunderts lag in den allermeisten Branchen die Situation eines Verkäufermarkts vor, in dem die Hersteller keine Probleme mit dem Verkauf ihrer Waren hatten, sondern vielmehr damit, wie sie möglichst schnell und möglichst viel der begehrten Güter herstellen konnten. Die Hersteller handelten daher konsequenterweise produkt- und nicht absatzorientiert, da in der Situation des Verkäufermarktes die Produktion den maßgeblichen Engpassfaktor darstellte. Auf die Struktur des Handels hatte diese Wirtschaftsstruktur natürlich auch Auswirkungen: Der Handel war relativ einfach und undifferenziert, das Sortiment der angebotenen Waren war eng, da es relativ wenige Anbieter und mangels Sättigung der Konsumenten auch kein Bedürfnis nach mehr Differenzierung gab. Dementsprechend einfach ist das Vertriebsrecht des deutschen Handelsgesetzbuches aufgebaut, was sich insbesondere daran zeigt, dass allein die Figur des Handelsvertreters als dauerhaft in eine Absatzkooperation einbezogenen Absatzmittlers gesetzlich geregelt ist und als Leitbild des Vertriebsrechts gilt. Im Vertriebsrecht geht es um die Regelungsfragen, die auch im Handelsvertreterrecht eine wichtige Rolle spielen: Da Absatzmittler, insbesondere Vertragshändler und Franchisenehmer, zu Beginn der Absatztätigkeit für den Unternehmer zum Teil erhebliche Investitionen tätigen müssen und erst allmählich einen eigenen Kundenstamm aufbauen, besteht ein Bedürfnis nach einem Schutzmechanismus vor Abschluss und bei Beendigung der Verträge.


Im Vergleich zur Vertragsfreiheit unter Lebenden ist die Testierfreiheit das „willkürlichere“ Recht, weil sie ausschließlich auf den Willen ''einer'' handelnden Person, des testierenden Erblassers, bezogen ist. Das zeigt sich insbesondere in dessen Freiheit, testamentarische Anordnungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen, das heißt ändern, aufheben und vernichten sowie wieder neu treffen zu können. Das Erbrecht rechnet damit, dass der von Todes wegen Verfügende von seiner Testierfreiheit zu Lebzeiten mehrfach Gebrauch macht und hält nur den „letzten (geäußerten) Willen“ für rechtsverbindlich. Dieser Gedanke kommt bereits in Ulp. D. 34.4.4 (lib. 33 ad Sab.) zum Ausdruck (''[[Corpus Juris Civilis]]''). Der Text lautet im einschlägigen Abschnitt: ''Ambulatoria enim est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum'' („Wandelbar ist der Wille des Menschen bis zum Lebensende“).
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
In keinem europäischen Rechtssystem gibt es eine gesetzliche Regelung für alle Formen des Vertriebs. Anwendung finden vielmehr die allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Vertragsrechts, soweit es um das Zustandekommen, die Wirksamkeit und die Durchführung von Vertriebsverträgen geht. Hinzu kommen im Hinblick auf Vertriebsformen, bei denen der Absatzmittler in das Absatzsystem des Unternehmers stark einbezogen ist, Fragen des Schutzes des Absatzmittlers vor Abschluss des Vertriebsvertrages (vorvertragliche Informationspflichten) und bei der Beendigung von Vertriebsverträgen (Kündigungsschutz und Kundschaftsentschädigung).


== 2. Geschichte der Testierfreiheit ==
Dementsprechend existierten in vielen Mitgliedstaaten zwingende Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters. Da andere Mitgliedstaaten die Vertragsfreiheit der Parteien und vor allem die des Unternehmers in der Ausgestaltung der Vertretungsverträge nicht einschränkten, kam es zu Wettbewerbsverzerrungen, so dass das Handelsvertreterrecht durch die Handelsvertreter-RL (RL 86/653) vom 18.12.1986 harmonisiert wurde.
Historisch ist die Testierfreiheit gegenüber der Familienerbfolge das jüngere erbrechtliche Prinzip. Den germanischen Rechten war sie als Rechtsgrundsatz fremd. Das Vermögen des Hausvaters und Erblassers war gesamthänderisch gebundenes Familienvermögen. In der Verfügung darüber war er sowohl zu Lebzeiten wie auch von Todes wegen erheblich beschränkt. Erbrechtlich kamen zunächst die Söhne als so genannte Hauserben zum Zug. Nicht der Mensch, sondern Gott schafft Erben, brachte ''Tacitus'' diesen Zusammenhang auf den Punkt: ''Heredem tamen successoremque sui cuique liberi'','' et nullum testamentum'' (Germania, Kap. XX). Unter kirchenrechtlichem Einfluss trat später noch das gesetzliche Erbrecht der Ehefrau hinzu. Die Familienbindung des Erblassers war in den germanischen Rechten damit umfassend.


Der Ursprung der Testierfreiheit lag in Rom. Sie entwickelte sich im römischen Recht aus der älteren Erbfolge der Hauserben (''sui heredes''). Historisch stand sie zunächst nicht in dem Gegensatz, in den Testierfreiheit und Familienerbfolge heute gerne gerückt werden. Das hatte mit der bäuerlichen Bodenstruktur der frühen römischen Gesellschaft zu tun. Sie konnte durch die Beerbung unrentabel werden, wenn viele Familienmitglieder zu versorgen waren. Außerdem drohte sie dadurch zu zersplittern, dass jeder Hausgenosse die Teilung verlangen konnte. In der Folgezeit räumte das römische Recht seinen Erblassern Testierfreiheit ein, um den Grundbesitz auf einen Alleinerben zu übertragen und zugleich die finanzielle Absicherung der übrigen Hausgenossen zu regeln. Die Entwicklung traf sich mit der Abkehr von der bäuerlich-grundherrlichen Lebens- und Wirtschaftsform zugunsten einer Stadtkultur, dem Übergang zu Handel, Geldverkehr und anderen Formen der Kapitalbildung sowie dem politischen Erstarken Roms zum Weltreich. Die Entscheidung über die Vermögensnachfolge eines Erblassers nahm an Komplexität zu.
Auch das Franchiserecht ist in Frankreich, Spanien, Italien und zuletzt in Belgien vor allem im Hinblick auf vorvertragliche Informationspflichten normiert worden, während die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortete Frage nach einer Kundschaftsentschädigung bei Beendigung des Vertrags nicht Gegenstand der Regelungen ist. Rechtsprechung und Lehre diskutieren eine entsprechende Anwendung der Kundschaftsentschädigung des Handelsvertreterrechts, wobei eine klare Tendenz in den Mitgliedstaaten nicht auszumachen ist. Für die Frage, ob der Franchisenehmer einen Ausgleichsanspruch oder einen Schadensersatzanspruch gegen den Franchisegeber geltend machen kann, kommt es vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung des Franchisevertrages und die Umstände bei der Kündigung desselben an.


Seit der jüngeren Republik war die Testierfreiheit das beherrschende Prinzip der Erbfolge. Die Testamentserrichtung war für einen Angehörigen der Oberschicht ein sittliches Gebot. Erbrechtliche Zuwendungen an die ''familia'' oder jedenfalls die nächsten Angehörigen wurden von ihm erwartet. Testierfreiheit und familiäre Teilhabe am Nachlass waren immer noch keine Gegensätze. Erst in den Wirren der ausgehenden Republik gerieten diese Überzeugungen zunehmend ins Wanken. Pflichtwidrige Testamente (''testamenta inofficiosa''), in denen nächste Angehörige übergangen wurden, kamen häufig vor. Das Recht reagierte: Neben der ''bonorum possessio contra tabulas'' wurde mit der ''querela inofficiosi testamenti'' ein zweites Institut geschaffen, das der Erblasserwillkür den Gedanken der Familienerbfolge entgegensetzte ([[Pflichtteilsrecht]]). Damit war das Spannungsverhältnis zwischen Testierfreiheit und der erbrechtlichen Partizipation der [[Familie]], wie es die Erbrechtsordnungen bis in die Gegenwart – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – kennzeichnet, im Grundsatz angelegt.
Diese Fragen stellen sich auch im Recht des Vertragshändlers, welches in den Mitgliedstaaten kaum spezialgesetzlich geregelt ist. Belgien hat als einziger europäischer Staat einen spezifischen gesetzlichen Schutz des Vertragshändlers für den Fall der Beendigung eines Vertragshändlervertrags geschaffen (Gesetz vom 27.7. 1961 betreffend die einseitige Beendigung von exklusiven Vertragshändlerverträgen, abgeändert durch das Gesetz vom 13.4.1971). Alleinvertriebsverträge, die für unbestimmte Zeit abgeschlossen sind, können von beiden Seiten nur unter Wahrung einer angemessenen Kündigungsfrist oder unter Zahlung einer angemessenen Entschädigung beendet werden. Unabhängig von dieser Entschädigung kann der Vertragshändler eine zusätzliche Entschädigung in Form eines Ausgleichsanspruchs verlangen.  


Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verstetigte es sich – und zwar in der Tendenz durchaus mit einer Betonung der Testierfreiheit nicht nur in England, sondern auch in Kontinentaleuropa. Dazu trug das Kirchenrecht nicht unerheblich bei. Es förderte die Verfügungsbefugnis von Todes wegen, indem es Klerikern gestattete, über den beweglichen Teil ihres Vermögens nicht familiengebunden zu disponieren. Bei Laien nannte man dies „Seel-“ oder „Freiteil“. Dabei handelte es sich nicht um erbrechtliche Verfügungen, sondern um lebzeitige Schenkungen ''ad pias causas'', so genannte Vergabungen, die unter dem Vorbehalt lebenslangen Nießbrauchs des Schenkers standen oder durch den Tod des Vergabenden aufschiebend bedingt waren. Mit der Anerkennung des „Freiteils“ wurde einerseits die Vorstellung aufgegeben, dass das Familiengut eine rechtliche Einheit darstelle und kein Familienmitglied, auch nicht der Hausvater, ohne Zustimmung der anderen Hausgenossen darüber verfügen könne. Andererseits stimulierte das Kirchenrecht mit dem „Freiteil“ zugleich die moralische Pflicht des Erblassers, auf eine bestimmte verantwortungsbewusste Weise zu testieren. Während der „Freiteil“ nämlich ursprünglich nur wohltätige Verfügungen umfasste, wurden später auch Zuwendungen an den König, an Verwandte und an den Ehegatten des Erblassers zugelassen. Dieses besondere Verständnis der Testierfreiheit setzte sich bis zum 16. Jahrhundert durch und blieb bis in die Moderne hinein präsent.
In den übrigen europäischen Staaten ist die Rechtslage uneinheitlich und nur schwer überschaubar. Im ''österreichischen Recht'' wird die analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Vertragshändler in unterschiedlichem Ausmaß befürwortet. Der handelsvertreterrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf Vertragshändler nach ständiger Rechtsprechung dann analog anzuwenden, wenn sein Vertrag im Innenverhältnis den wesentlichen Merkmalen des Handelsvertretervertrags derart angenähert ist, dass dessen Elemente überwiegen und die Verwehrung des Ausgleichsanspruchs den Zielsetzungen des österreichischen Handelsvertretergesetzes zuwiderliefe, was vor allem für Kfz-Vertriebshändler im Regelfall angenommen wird. In ''Frankreich''<nowiki> ist kein besonderer Kündigungsschutz für Vertragshändler vorgesehen. Statt eines Ausgleichsanspruches gewährt das französische Recht dem Vertragshändler in bestimmten Fällen (Missachtung einer vertraglichen Kündigungsfrist [</nowiki>''rupture brusque''<nowiki>] oder missbräuchliche Kündigung [</nowiki>''rupture abusive'']) einen Schadensersatzanspruch. In Spanien können Vertragshändlerverträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden, wobei dies allerdings nur in den Grenzen von Treu und Glauben zulässig ist, insbesondere muss die Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen Frist angekündigt werden. Einen Ausgleichsanspruch gewährt die spanische Rechtsprechung bei Vertragshändlerverträgen nur bei rechtsmissbräuchlicher Kündigung sowie in dem Fall, dass als Folge der Kündigung für eine Partei die Möglichkeit entsteht, von der Arbeit der anderen Partei unangemessen zu profitieren. In den Niederlanden beruht das Kündigungsrecht für Vertragshändler allein auf der Heranziehung der Grundsätze von Angemessenheit und Billigkeit, wobei sich keine allgemeingültigen Regeln aus der Rechtsprechung ableiten lassen. Auch im Hinblick auf das Recht des Vertragshändlers auf Entschädigung bei Beendigung des Vertragshändlervertrages und hat gibt es bislang keine gefestigten Rechtsgrundsätze in den Niederlanden. Auch in Dänemark hat sich bislang keine einheitliche Rechtsprechung zum Kündigungsschutz des Vertragshändlers herausbilden können, während die Gerichte einen Ausgleichsanspruch im Einzelfall gewährt haben. In der ''Schweiz'' gewährt die Rechtsprechung Vertragshändlern einen Kündigungsschutz, während sie einen Ausgleichsanspruch grundsätzlich ablehnt, aber nicht für alle Fälle ausschließt. Im englischen Recht können auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertragshändlerverträge unter Einhaltung einer angemessenen Frist gekündigt werden. Ein Ausgleich für den Verlust von Goodwill oder von künftigen Geschäften wird nicht gewährt. In Finnland, Norwegen und Schweden ist der Vertragshändler nicht besonders geschützt.


Im Zeitalter des [[Naturrecht|Natur-]] und Vernunftrechts verband es sich zudem mit der individualistischen Eigentumstheorie ([[Eigentum]]). Die Testierfreiheit wurde nun als erbrechtliche Fortsetzung der lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Eigentümers gesehen. Das bürgerliche Zeitalter griff die frühneuzeitliche Arbeitswertheorie ''John Lockes ''auf, nach der Arbeit und Leistung die Faktoren sind, die das private Eigentum begründen. Der erbrechtliche Erwerb wurde auf diese Weise als unverdient, weil arbeitslos delegitimiert ([[Erbrecht]]) – und die Testierfreiheit über die Verbindung zur Eigentümerfreiheit mit ihr. Im 19.&nbsp;Jahrhundert gerieten die Erbrechte Kontinentaleuropas deswegen in eine Krise. Über ihre Abschaffung als Relikt eines veralteten, statusbezogenen Rechtssystems wurde erbittert gestritten. Im englischen Recht war von einer ähnlichen Erschütterung nichts zu spüren. Hier blieb die Testierfreiheit vor allem deshalb ein grundsätzlich unangefochtenes Prinzip, weil es historisch weder mit der Familie verbunden noch als bloße Fortsetzung des Eigentums unter Lebenden verstanden wurde. Vielmehr war und ist das gängige Konzept der Testierfreiheit im ''[[common'' ''law'' das eines individuellen und originären Freiheits- und Gestaltungsrechts des Erblassers.
Ein wichtiges Problem beim Vertrieb jedenfalls durch Vertragshändler sind wettbewerbsbeschränkende Klauseln, deren Zulässigkeit nach dem nationalen und europäischen Kartellrecht zu prüfen ist. Es stellt sich dabei zunächst die Frage der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den betreffenden Absatzmittler ([[Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit]]). Für die Freistellung vertikaler Vertriebsvereinbarungen ([[Vertikalvereinbarungen im EG‑Kartellrecht|Vertikalvereinbarungen]]), die wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthalten, ist die Gruppenfreistellungs-VO (VO&nbsp;2790/1999) ([[Gruppenfreistellungsverordnungen]]) maßgeblich. Darüber hinaus hat die Kommission die Anwendung des Art.&nbsp;81 EG/101 AEUV auf Vertriebsvereinbarungen in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen näher konkretisiert.


== 3. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
== 3. Vereinheitlichungsprojekte ==
Im 20.&nbsp;Jahrhundert näherten sich die kontinentaleuropäischen Erbrechtsordnungen dem englischen Konzept an. Die Testierfreiheit hat sich zusammen mit dem Erbrecht wieder konsolidiert. Sie gehört nicht nur zum gesicherten Bestand der nationalen Zivilrechtsordnungen. Sie wird in einigen Staaten, zum Beispiel in Deutschland, Spanien und Italien sowie in den meisten osteuropäischen Ländern auch verfassungsrechtlich gewährleistet. Soweit die Verfassungen zum Erbrecht Regelungen enthalten, ist die traditionelle Verbindung von Eigentümer- und Testierfreiheit erhalten geblieben. Zivilrechtlich ist namentlich in Deutschland eine Rückbesinnung auf die Testierfreiheit als bestimmendes Prinzip der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes zu beobachten.
Im [[Common Frame of Reference|DCFR]] werden der [[Handelsvertreter]], das ''[[Franchising]]'' und der Vertragshändler in einem eigenen Abschnitt geregelt. In einem allgemeinen Teil (Art.&nbsp;IV.E.-1:101 bis IV.E.-2:402) werden Pflichten der Vertragsparteien und Regelungen bei Vertragsbeendigung und Kündigung für alle drei Vertriebsformen festgelegt. Dort werden nicht abbedingbare vorvertragliche Informationspflichten, die vor allem für das Franchiserecht typisch sind, auf Unternehmer im Vertragshändler- und Handelsvertreterrecht ausgedehnt. Art.&nbsp;IV.E.-4:102 DCFR konkretisiert diese Informationspflichten inhaltlich aber besonders für den Franchisevertrag. Wegen der Rechtsfolge wird auf die Regelungen zum [[Irrtum]] im 7.&nbsp;Abschnitt des 2.&nbsp;Buches des DCFR verwiesen.


Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe. Zunächst ist aus dem Familienerbrecht Bewegung in das rechtsgeschäftliche Erbrecht gekommen. Die familienerbrechtliche Beschränkung der Testierfreiheit wird abgebaut. Der Trend geht in Europa – auch in Frankreich, das traditionell als der Exponent eines materiellen Noterbrechts naher Familienangehöriger gilt – hin zur „moderneren Lösung“ (''Dieter'' ''Leipold'') des Geldpflichtteils ([[Pflichtteilsrecht]]). Der Übergang auf das Kompensationsmodell stärkt die Testierfreiheit, weil es die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen, die nahe Familienangehörige von der Erbfolge ausschließt, unberührt lässt und den Ausgleich stattdessen in einem Geldanspruch sucht.
Die Regelung der Kündigungsfrist bei einseitiger Beendigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrags in Art.&nbsp;IV.E.-2:302 DCFR lehnt sich stark an die entsprechende Regelung in der Handelsvertreterrichtlinie an und sieht zwingende Mindestfristen vor, die sich nach der Länge der Laufzeit des Vertrags richten. Eine Kundschaftsentschädigung wird zwar im allgemeinen Teil des DCFR normiert, ist jedoch vertraglich abdingbar und soll nur für den Handelsvertreter nach Art.&nbsp;IV.E.-3:312 DCFR zwingend gelten.


Die Testierfreiheit selbst wird heute weniger pflichtgebunden interpretiert als noch in der jüngeren Vergangenheit. Eine Gesinnungskontrolle des von Todes wegen Verfügenden findet nicht mehr statt. Die Inhaltskontrolle von Verfügungen von Todes wegen ist an ihre Stelle getreten. Sie wird allerdings immer zurückhaltender ausgeübt. Die Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit beschränkt sich auf extreme Ausnahmefälle. Dafür konzentriert sich etwa die rechtswissenschaftliche Diskussion in Deutschland im Gefolge der ''Hohenzollern''-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH 2.12.1998, BGHZ 140, 118) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 22.3.2004, NJW 2004, 2088) stärker auf ein Themenfeld, das in der englischen Rechtsordnung mit ihrer Konzentration auf die Testierfreiheit traditionell im Mittelpunkt der Betrachtung steht: die Frage nach der Unwirksamkeit von erbrechtlichen Verfügungen wegen Verstoßes ''contra bonos mores'', die auf der Verletzung von Diskriminierungsverboten beruht''.'' In Kontinentaleuropa ist diese Entwicklung eingebettet in die zunehmende „Konstitutionalisierung“ der (Erb&#8209;)Rechtsordnungen
== Literatur==
 
''Wolfram Küstner'', ''Karl-Heinz Thume'', Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd.&nbsp;3: Vertriebsrecht, 2.&nbsp;Aufl. 1998; ''Geert Bogaert'', ''Ulrich Lohmann'', Commercial Agency and Distribution Agreements, 3.&nbsp;Aufl. 2000; ''Michael Martinik'', ''Franz-Jörg Semler'', ''Stefan Habermeier'' (Hg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 2.&nbsp;Aufl. 2003.
== 4. Gesellschaftliche Entwicklungen ==
Gesellschaftlich muss der tendenzielle Bedeutungsverlust des Familienerbrechts ebenso wie der Funktionsgewinn der Testierfreiheit vor dem Hintergrund mehrerer Entwicklungen gedeutet werden, die das moderne Europa kennzeichnen. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr Menschen immer älter werden und erbrechtlich über mehr Vermögen verfügen können. Die Rede von der „Erbengesellschaft“ ist im kontinentaleuropäischen Raum bereits sprichwörtlich. Zugleich müssen sich die Erbrechtsordnungen vermehrt mit den spezifischen Problemen auseinandersetzen, die das hohe Alter von Erblassern auf die Wirksamkeit ihrer Verfügungen von Todes wegen haben kann.
 
Für den anglo-amerikanischen Raum wurde allerdings bereits in den 1980er Jahren ein Rückgang bei den Verfügungen von Todes wegen festgestellt. Hier treten nicht selten lebzeitige Rechtsgeschäfte auf den Todesfall (so genannte ''will substitutes'') an die Stelle erbrechtlicher Verfügungen. Erklären dürfte sich dieser Befund zunächst aus einem Umstand, der für Kontinentaleuropa genauso zutreffen dürfte wie für England. Vermögen haben heute Bestandteile, die sich besser lebzeitig transferieren lassen als erbrechtlich. Das gilt namentlich für das Feld des so genannten Humankapitals. Als Besonderheit des englischen ''law of succession'' kommt hinzu, dass testamentarisch keine Erbeinsetzung in Bezug auf die Gesamtheit oder eines Teils des Vermögens getroffen werden kann, sondern stets nur Anordnungen in Bezug auf einzelne Vermögenszuwendungen. Sie können genauso gut Gegenstand eines lebzeitigen Rechtsgeschäfts auf den Todesfall wie einer Verfügung von Todes wegen sein. Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis kommt es zu dieser Konkurrenz mit den Verfügungen von Todes wegen nicht im gleichen Maße. Denn nur mit erbrechtlichen Rechtsgeschäften lässt sich über das Vermögen als Ganzes oder Teile davon verfügen. Insoweit hat die Verfügung von Todes wegen in Kontinentaleuropa durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings lässt sich feststellen, dass auch ein kontinentaleuropäischer Erblasser angesichts der vielfältigen lebzeitigen Instrumentarien, die ein modernes ''estate planning'' heute bietet, auf den erbrechtlichen Erwerb weniger angewiesen ist als in früheren Zeiten.
 
Was jedoch generell für eine zunehmende Bedeutung der Testierfreiheit im kontinentaleuropäischen und im anglo-amerikanischen Rechtsraum spricht, ist die Tatsache, dass sich das soziale Lebensumfeld von Erblassern hier wie dort zunehmend komplexer gestaltet. Das zeigt sich deutlich an der Auflösung des traditionellen (Kern&#8209;)Familienbegriffs, der die eheliche Beziehung von Mann und Frau beschreibt, die gemeinschaftliche Kinder haben ([[Familie]]). Er hat einem facettenreichen Familienbild Platz gemacht, das die Konzentration auf verschieden geschlechtliche eheliche Paare mit leiblichen Abkömmlingen zugunsten eines weiteren Familienkonzepts des Zusammenlebens mit Kindern aufzugeben im Begriff ist. Nichteheliche Lebensgemeinschaften und rechtlich verfestigte Partnerschaften homosexueller Personen haben sich als gesellschaftlich akzeptierte Lebensformen zur ehelichen hinzu gesellt. Die „Patchwork“-Familie integriert unter Umständen Kinder aus mehreren früheren Beziehungen beider Partner. Der Vielfalt und Komplexität der einzelnen Lebensentwürfe wird die Testierfreiheit mit ihrem persönlichen Gestaltungspotenzial am besten gerecht. Es nimmt nicht Wunder, dass sich ein effektives kautelarjuristisches ''estate planning'', das lebzeitige und erbrechtliche Instrumente individuell kombiniert, den beschriebenen Veränderungen in den Lebensverhältnissen der Erblasser bereits angenommen hat. Verfügungen von Todes wegen sind dabei ein wichtiger Bestandteil. Die Testierfreiheit – nicht die klassische Familienerbfolge – dürfte das zukunftsweisende Prinzip eines einheitlichen europäischen Erbrechts sein.
 
== 5. Testierfreiheit als Prinzip eines optionalen Einheitsrechts ==
Die zentrale Stellung, die der Testierfreiheit auf dem Weg zu einem europäischen Erbrecht zukommt, haben die ersten kollisionsrechtlichen Vereinheitlichungsbestrebungen bereits erkannt ([[Erbrecht, internationales]]). Mit dem Prinzip der Testierfreiheit dürfte aber auch eine Säule eines künftigen materiellen optionalen Erbrechts auf europäischer Ebene gefunden sein ([[Erbrecht]]). Gegenwärtig wird die Entwicklung einer Verfügung von Todes wegen des europäischen Rechts diskutiert, die Erblasser frei wählen dürfen sollen. Es wird sich dabei wohl nur um eine testamentarische Verfügung handeln können. Denn namentlich die Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises, etwa die Frankreichs, Italiens und Spaniens, aber auch die Belgiens, Englands und der Niederlande stehen dem Erbvertrag als erbrechtlichem Rechtsgeschäft entweder skeptisch gegenüber oder lassen ihn erst gar nicht zu. Und diejenigen Rechtsordnungen, die den Erbvertrag als erbrechtliches Verfügungsinstrument kennen (etwa Dänemark, Deutschland, Österreich), tun sich traditionell schwer mit dessen dogmatischer Konstruktion.
 
==Literatur==
''Franz Wieacker'', Hausgenossenschaft und Erbeinsetzung: Über die Anfänge des römischen Testaments, 1940; ''Lawrence M. Friedman'', The law of the living, the law of the dead: property, succession and society, Wisconsin Law Review 29 (1966) 340&nbsp;ff.; ''John Langbein'', The nonprobate revolution and the future of the law of succession, Harvard Law Review 97 (1984) 1108&nbsp;ff.; ''idem'', The twentieth-century revolution in family wealth transmission, Michigan Law Review 86 (1988) 722&nbsp;ff.; ''Dieter Henrich'', ''Dieter Schwab'' (Hg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich: Beiträge zum europäischen Familienrecht, 2001; ''Nina Dethloff'', Familien- und Erbrecht zwischen nationaler Rechtskultur, Vergemeinschaftung und Internationalität: Perspektiven für die Forschung, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 15 (2007) 992&nbsp;ff.; ''Kenneth G.C. Reid'','' Marius J. de Waal'','' Reinhard Zimmermann'' (Hg.), Exploring the Law of Succession, 2007; ''Inge Kroppenberg'', Privatautonomie von Todes wegen: Verfassungs- und zivilrechtliche Grundlagen der Testierfreiheit im Vergleich zur Vertragsfreiheit unter Lebenden, 2008.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Freedom_of_Testation]]
[[en:Sales_(Forms_of_Distribution)]]

Aktuelle Version vom 29. September 2021, 15:38 Uhr

von Knut B. Pißler

1. Gegenstand und Zweck

Unter Vertrieb oder den synonym verwendeten Begriffen Absatz und Distribution werden alle Handlungen, Vorgänge und Verhältnisse verstanden, die den Weg eines Produkts vom Produzenten bis zur endgültigen produktiven oder konsumtiven Verwendung betreffen. Ein Unternehmen kann alle oder zumindest den überwiegenden Teil seiner Vertriebsaufgaben durch eigene, rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Absatzorgane durchführen (direkter Vertrieb) oder die entsprechenden Funktionen zur Gänze oder überwiegend auf fremde, rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler übertragen (indirekter Vertrieb). Das Vertriebsrecht findet im Bereich des indirekten Vertriebs im Sinne eines Absatzmittlungsrechts seinen Schwerpunkt; hier geht es um das Recht der Vertriebsverträge von Belieferungs- und den Fachhändlerverträgen über die Vertragshändler-, Kommissionsagenten- und Handelsvertreterverträge (Handelsvertreter) bis hin zu Franchiseverträgen (Franchising). Der Direktabsatz über eigene Filialen oder Verkaufsangestellte (Reisende) ist seltener geworden, während neue Vertriebsformen wie der Vertrieb über so genannte Factory Outlet Centers oder das Teleshopping und der Internetvertrieb entstanden sind, bei denen sich insbesondere Fragen des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz) stellen. Zu erwähnen ist auch der Strukturvertrieb (Multi-Level-Marketing), bei dem Endabnehmer und auch andere verkaufswillige Dritte aktiv in die Absatzstrategie des Unternehmens einbezogen werden. Der Strukturvertrieb ist von den so genannten Pyramiden- und Schneeballsystemen abzugrenzen, bei denen es nicht um den Verkauf von vertriebenen Waren oder Dienstleistungen geht, sondern ganz überwiegend um die Anwerbung weiterer Käufer als neue Mitglieder in der Vertriebsorganisation. Zivilrechtlich geht es bei diesen Vertriebsformen wegen des Einsatzes von Laienwerbung und progressiver Kundenwerbung vor allem um Fragen des unlauteren Wettbewerbs und der Sittenwidrigkeit (Sitten- und Gesetzwidrigkeit von Verträgen).

Das Vertriebsrecht ist in Deutschland von der Zeit geprägt, in der es entstand. Ende des 19. Jahrhunderts lag in den allermeisten Branchen die Situation eines Verkäufermarkts vor, in dem die Hersteller keine Probleme mit dem Verkauf ihrer Waren hatten, sondern vielmehr damit, wie sie möglichst schnell und möglichst viel der begehrten Güter herstellen konnten. Die Hersteller handelten daher konsequenterweise produkt- und nicht absatzorientiert, da in der Situation des Verkäufermarktes die Produktion den maßgeblichen Engpassfaktor darstellte. Auf die Struktur des Handels hatte diese Wirtschaftsstruktur natürlich auch Auswirkungen: Der Handel war relativ einfach und undifferenziert, das Sortiment der angebotenen Waren war eng, da es relativ wenige Anbieter und mangels Sättigung der Konsumenten auch kein Bedürfnis nach mehr Differenzierung gab. Dementsprechend einfach ist das Vertriebsrecht des deutschen Handelsgesetzbuches aufgebaut, was sich insbesondere daran zeigt, dass allein die Figur des Handelsvertreters als dauerhaft in eine Absatzkooperation einbezogenen Absatzmittlers gesetzlich geregelt ist und als Leitbild des Vertriebsrechts gilt. Im Vertriebsrecht geht es um die Regelungsfragen, die auch im Handelsvertreterrecht eine wichtige Rolle spielen: Da Absatzmittler, insbesondere Vertragshändler und Franchisenehmer, zu Beginn der Absatztätigkeit für den Unternehmer zum Teil erhebliche Investitionen tätigen müssen und erst allmählich einen eigenen Kundenstamm aufbauen, besteht ein Bedürfnis nach einem Schutzmechanismus vor Abschluss und bei Beendigung der Verträge.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In keinem europäischen Rechtssystem gibt es eine gesetzliche Regelung für alle Formen des Vertriebs. Anwendung finden vielmehr die allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Vertragsrechts, soweit es um das Zustandekommen, die Wirksamkeit und die Durchführung von Vertriebsverträgen geht. Hinzu kommen im Hinblick auf Vertriebsformen, bei denen der Absatzmittler in das Absatzsystem des Unternehmers stark einbezogen ist, Fragen des Schutzes des Absatzmittlers vor Abschluss des Vertriebsvertrages (vorvertragliche Informationspflichten) und bei der Beendigung von Vertriebsverträgen (Kündigungsschutz und Kundschaftsentschädigung).

Dementsprechend existierten in vielen Mitgliedstaaten zwingende Vorschriften zum Schutz des Handelsvertreters. Da andere Mitgliedstaaten die Vertragsfreiheit der Parteien und vor allem die des Unternehmers in der Ausgestaltung der Vertretungsverträge nicht einschränkten, kam es zu Wettbewerbsverzerrungen, so dass das Handelsvertreterrecht durch die Handelsvertreter-RL (RL 86/653) vom 18.12.1986 harmonisiert wurde.

Auch das Franchiserecht ist in Frankreich, Spanien, Italien und zuletzt in Belgien vor allem im Hinblick auf vorvertragliche Informationspflichten normiert worden, während die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortete Frage nach einer Kundschaftsentschädigung bei Beendigung des Vertrags nicht Gegenstand der Regelungen ist. Rechtsprechung und Lehre diskutieren eine entsprechende Anwendung der Kundschaftsentschädigung des Handelsvertreterrechts, wobei eine klare Tendenz in den Mitgliedstaaten nicht auszumachen ist. Für die Frage, ob der Franchisenehmer einen Ausgleichsanspruch oder einen Schadensersatzanspruch gegen den Franchisegeber geltend machen kann, kommt es vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung des Franchisevertrages und die Umstände bei der Kündigung desselben an.

Diese Fragen stellen sich auch im Recht des Vertragshändlers, welches in den Mitgliedstaaten kaum spezialgesetzlich geregelt ist. Belgien hat als einziger europäischer Staat einen spezifischen gesetzlichen Schutz des Vertragshändlers für den Fall der Beendigung eines Vertragshändlervertrags geschaffen (Gesetz vom 27.7. 1961 betreffend die einseitige Beendigung von exklusiven Vertragshändlerverträgen, abgeändert durch das Gesetz vom 13.4.1971). Alleinvertriebsverträge, die für unbestimmte Zeit abgeschlossen sind, können von beiden Seiten nur unter Wahrung einer angemessenen Kündigungsfrist oder unter Zahlung einer angemessenen Entschädigung beendet werden. Unabhängig von dieser Entschädigung kann der Vertragshändler eine zusätzliche Entschädigung in Form eines Ausgleichsanspruchs verlangen.

In den übrigen europäischen Staaten ist die Rechtslage uneinheitlich und nur schwer überschaubar. Im österreichischen Recht wird die analoge Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Vertragshändler in unterschiedlichem Ausmaß befürwortet. Der handelsvertreterrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf Vertragshändler nach ständiger Rechtsprechung dann analog anzuwenden, wenn sein Vertrag im Innenverhältnis den wesentlichen Merkmalen des Handelsvertretervertrags derart angenähert ist, dass dessen Elemente überwiegen und die Verwehrung des Ausgleichsanspruchs den Zielsetzungen des österreichischen Handelsvertretergesetzes zuwiderliefe, was vor allem für Kfz-Vertriebshändler im Regelfall angenommen wird. In Frankreich ist kein besonderer Kündigungsschutz für Vertragshändler vorgesehen. Statt eines Ausgleichsanspruches gewährt das französische Recht dem Vertragshändler in bestimmten Fällen (Missachtung einer vertraglichen Kündigungsfrist [rupture brusque] oder missbräuchliche Kündigung [rupture abusive]) einen Schadensersatzanspruch. In Spanien können Vertragshändlerverträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden, auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden, wobei dies allerdings nur in den Grenzen von Treu und Glauben zulässig ist, insbesondere muss die Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen Frist angekündigt werden. Einen Ausgleichsanspruch gewährt die spanische Rechtsprechung bei Vertragshändlerverträgen nur bei rechtsmissbräuchlicher Kündigung sowie in dem Fall, dass als Folge der Kündigung für eine Partei die Möglichkeit entsteht, von der Arbeit der anderen Partei unangemessen zu profitieren. In den Niederlanden beruht das Kündigungsrecht für Vertragshändler allein auf der Heranziehung der Grundsätze von Angemessenheit und Billigkeit, wobei sich keine allgemeingültigen Regeln aus der Rechtsprechung ableiten lassen. Auch im Hinblick auf das Recht des Vertragshändlers auf Entschädigung bei Beendigung des Vertragshändlervertrages und hat gibt es bislang keine gefestigten Rechtsgrundsätze in den Niederlanden. Auch in Dänemark hat sich bislang keine einheitliche Rechtsprechung zum Kündigungsschutz des Vertragshändlers herausbilden können, während die Gerichte einen Ausgleichsanspruch im Einzelfall gewährt haben. In der Schweiz gewährt die Rechtsprechung Vertragshändlern einen Kündigungsschutz, während sie einen Ausgleichsanspruch grundsätzlich ablehnt, aber nicht für alle Fälle ausschließt. Im englischen Recht können auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertragshändlerverträge unter Einhaltung einer angemessenen Frist gekündigt werden. Ein Ausgleich für den Verlust von Goodwill oder von künftigen Geschäften wird nicht gewährt. In Finnland, Norwegen und Schweden ist der Vertragshändler nicht besonders geschützt.

Ein wichtiges Problem beim Vertrieb jedenfalls durch Vertragshändler sind wettbewerbsbeschränkende Klauseln, deren Zulässigkeit nach dem nationalen und europäischen Kartellrecht zu prüfen ist. Es stellt sich dabei zunächst die Frage der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den betreffenden Absatzmittler (Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit). Für die Freistellung vertikaler Vertriebsvereinbarungen (Vertikalvereinbarungen), die wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthalten, ist die Gruppenfreistellungs-VO (VO 2790/1999) (Gruppenfreistellungsverordnungen) maßgeblich. Darüber hinaus hat die Kommission die Anwendung des Art. 81 EG/101 AEUV auf Vertriebsvereinbarungen in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen näher konkretisiert.

3. Vereinheitlichungsprojekte

Im DCFR werden der Handelsvertreter, das Franchising und der Vertragshändler in einem eigenen Abschnitt geregelt. In einem allgemeinen Teil (Art. IV.E.-1:101 bis IV.E.-2:402) werden Pflichten der Vertragsparteien und Regelungen bei Vertragsbeendigung und Kündigung für alle drei Vertriebsformen festgelegt. Dort werden nicht abbedingbare vorvertragliche Informationspflichten, die vor allem für das Franchiserecht typisch sind, auf Unternehmer im Vertragshändler- und Handelsvertreterrecht ausgedehnt. Art. IV.E.-4:102 DCFR konkretisiert diese Informationspflichten inhaltlich aber besonders für den Franchisevertrag. Wegen der Rechtsfolge wird auf die Regelungen zum Irrtum im 7. Abschnitt des 2. Buches des DCFR verwiesen.

Die Regelung der Kündigungsfrist bei einseitiger Beendigung eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrags in Art. IV.E.-2:302 DCFR lehnt sich stark an die entsprechende Regelung in der Handelsvertreterrichtlinie an und sieht zwingende Mindestfristen vor, die sich nach der Länge der Laufzeit des Vertrags richten. Eine Kundschaftsentschädigung wird zwar im allgemeinen Teil des DCFR normiert, ist jedoch vertraglich abdingbar und soll nur für den Handelsvertreter nach Art. IV.E.-3:312 DCFR zwingend gelten.

Literatur

Wolfram Küstner, Karl-Heinz Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 3: Vertriebsrecht, 2. Aufl. 1998; Geert Bogaert, Ulrich Lohmann, Commercial Agency and Distribution Agreements, 3. Aufl. 2000; Michael Martinik, Franz-Jörg Semler, Stefan Habermeier (Hg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl. 2003.

Abgerufen von Testierfreiheit – HWB-EuP 2009 am 18. April 2024.

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Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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