Finanzinstrument und Finanzintermediär: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Begriff des Finanzintermediärs ==
Finanzintermediäre nehmen eine Vermittlerstellung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern ein. Der Begriff des Finanzintermediärs ist ökonomisch geprägt und im internationalen wie interdisziplinären Sprachgebrauch üblich. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken ([[Europäischer Bankenmarkt]]). Zu nennen sind außerdem Versicherungen ([[Versicherungsbinnenmarkt]]), Kapitalanlagegesellschaften, sonstige Allfinanz-Dienstleister und auch [[Börsen]]. Im weiteren Sinne werden sämtliche Institutionen, deren Leistungen die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage unterstützen, als Finanzintermediäre bezeichnet.


Finanzinstrument ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von am Kapitalmarkt gehandelten Instrumenten zur Geldanlage. Hierzu gehören insbesondere übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Investmentfondsanteile (Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen <nowiki>in Wertpapieren), Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Zinsausgleichsvereinbarungen, derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken und finanzielle Differenzgeschäfte (für Details siehe Anhang&nbsp;I, Abschnitt&nbsp;C MiFID [RL&nbsp;2004/39], ähnlich z.B. auch Art.&nbsp;1 Nr.&nbsp;3 Marktmissbrauchs-RL [RL&nbsp;2003/6] und Art.&nbsp;6(2)(a) Finanzdienstleistungsfernabsatz-RL [RL&nbsp;2002/65]).</nowiki>
== 2. Funktion der Finanz&shy;intermediation ==
Finanzintermediäre im engeren Sinne erfüllen im Wesentlichen drei Funktionen: Erstens gestalten sie den Faktor Kapital um (Transformationsfunktion). Privathaushalte besitzen in der Summe einen Kapitalüberschuss und stellen daraus den Großteil der Einlagen, während Unternehmen typischerweise Kapitalbedarf haben und Kredite benötigen. Banken fassen das Angebot und die Nachfrage einer Vielzahl von Privathaushalten und Unternehmen zusammen. Dadurch bringen sie die Unterschiede in den Volumina (Losgrößen), den Zeiträumen (Fristen), der Kapitalverfügbarkeit (Liquidität) und den Sicherungsbedürfnissen (Risiken) in Ausgleich.


== 1. Wertpapier ==
Zweite Teilfunktion ist die Transaktionsabwicklung. Dazu gehört das technische Zusammenführen von Kapitalangebot und &#8209;nachfrage, wie es durch [[Börsen]] und die Anbieter alternativer Handelssysteme übernommen wird. Finanzintermediäre wie Banken erbringen darüber hinaus Leistungen in Bezug auf die Anbahnung, den Abschluss und die Abwicklung von Transaktionen. Dabei wenden sie standardisierte und damit kostengünstige Verfahren an.
<nowiki>Auf der Ebene des Europarechts wird der Begriff des Wertpapiers maßgeblich von der Definition der MiFID (in Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18 MiFID) bestimmt, auf die eine ganze Reihe von Richtlinien verweisen, wie z.B. Art.&nbsp;2(1)(a) Transparenz-RL [RL&nbsp;2004/109]. Für ältere Richtlinien, die noch auf die Vorgänger-RL der MiFID, die Wertpapierdienstleistungs-RL [RL&nbsp;93/22], verwiesen, wie z.B. Art.&nbsp;2 Nr.&nbsp;3 erster Spiegelstrich Marktmissbrauchs-RL [RL&nbsp;2003/6] und Art.&nbsp;2(1)(a) Prospekt-RL [RL&nbsp;2003/71], erlangt der Wertpapierbegriff der MiFID aufgrund der dynamischen Verweisung in Art.&nbsp;69 MiFID Bedeutung.</nowiki>


Die MiFID stellt ausdrücklich nur auf „übertragbare Wertpapiere“ ab. Darunter werden diejenigen „Gattungen von Wertpapieren“ verstanden<nowiki>, „die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, wie a) Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende, Wertpapiere sowie Aktienzertifikate; b) Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere; c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder &#8209;erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird“ (Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18 MiFID, ähnlich auch Art.&nbsp;1(8) OGAW-RL [RL 85/611]).</nowiki>
Die dritte Teilfunktion besteht in der Informationsintermediation, also der Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und &#8209;nachfragenden. Diese wird zum Teil von den Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht, zum Teil wird sie von spezialisierten Finanzintermediären im weiteren Sinne, den Informationsintermediären, geleistet. Die Informationsintermediation ermöglicht oder unterstützt die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage und trägt allgemein zur Informationseffizienz des Finanzmarkts bei. Bei der Informationsintermediation werden vorhandene Informationen verifiziert, fehlende Informationen substituiert und Informationen im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung evaluiert. Die wichtigsten Informationsintermediäre des Finanzmarkts sind [[Abschlussprüfer]], [[Finanzanalyst]]en und [[Rating-Agenturen]].


Dieser Begriffsbestimmung ist zu entnehmen, dass es für den Wertpapierbegriff maßgebend auf die Kriterien der Übertragbarkeit, Standardisierung und Handelbarkeit ankommt. In Bezug auf die Übertragbarkeit bestimmt die MiFID allerdings nicht, ob nur solche Papiere erfasst werden, die frei übertragbar sind, oder auch solche, die nur durch schriftliche Abtretung oder mit Zustimmung eines Dritten übertragen werden können (z.B. Namensschuldverschreibungen). Die Notwendigkeit der standardisierten Ausgestaltung ergibt sich demgegenüber aus dem Merkmal „Gattungen“ von Wertpapieren. Das Kriterium der Handelbarkeit von Wertpapieren führt zu einer besonderen Differenzierung zwischen den übertragbaren Wertpapieren. So gibt es „übertragbare Wertpapiere“ i.S.v. Art. 4(1) Nr. 18 MiFID und als Untergruppe dazu „übertragbare Wertpapiere“, die „frei handelbar“ sind i.S.v. Art. 40(1)(II) MiFID. Diese Unterscheidung deutet darauf hin, dass es „übertragbare Wertpapiere“ geben kann, die nicht „frei handelbar“ sind. Zur Konkretisierung des Begriffs der freien Handelbarkeit stellt Art. 35 der Durchführungs-VO (VO 1287/2006) zur MiFID auf die Übertragbarkeit und diesbezügliche Restriktionen (als solche könnte etwa das Erfordernis der notariellen Form gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG angesehen werden) sowie auf Regeln über die Pflicht zur vollständigen Erbringung der Einlage (z.B. § 171 HGB für die Einlage des Kommanditisten) ab. Schließen diese Hindernisse der Handelbarkeit erst das Merkmal der „freien Handelbarkeit“ aus, folgt daraus im Umkehrschluss, dass sie nicht geeignet sind, der Einstufung eines Wertpapiers als „übertragbares“ Wertpapier entgegenzustehen.
Zentrale Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzintermediären werden von der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie geliefert ([[Ökonomische Analyse des Europäischen Privatrechts]]). Die Erklärungsansätze sind auf Banken zugeschnitten, aber auch auf andere Finanzintermediäre übertragbar. Der Transaktionskostenökonomik liegt die realitätsnahe Annahme zugrunde, dass der Abschluss von Verträgen eigene Kosten verursacht (Transaktionskosten). Der Finanzintermediär senkt diese Kosten, indem er die Interessen einer Vielzahl von Kapitalanbietern oder &#8209;nachfragern bündelt und damit die Anzahl der erforderlichen Verträge reduziert. Hierbei fallen besonders aus Verbrauchersicht ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) die Gütereigenschaften von Finanzprodukten ins Gewicht. Finanzprodukte weisen in hohem Maße Vertrauenseigenschaften auf. In Abgrenzung zu Erfahrungsgütern ist ihre relative Eignung zur Erreichung individueller Ziele nicht durch eigene Erfahrung (Konsum) beurteilbar. Das gilt vor allem bei langen Investitionshorizonten, also beispielsweise bei der privaten Altersvorsorge ([[Betriebsrenten]], [[Pensionsfonds]]). Durch ihre Wissensspezialisierung sind Finanzintermediäre in der Lage, diese Informationsschwächen der Kapitalnachfragenden zu vergleichsweise günstigen Kosten zu überwinden.


Besondere Beachtung verdient die Fallgruppe in Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18(a) MiFID, da diese beispielsweise auch Anteile an Personengesellschaften einbezieht. Aufgrund des Wortlauts gelten für die von Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18(a) MiFID erfassten Anteile neben den Vorgaben der Übertragbarkeit, Standardisierung und Handelbarkeit, dass sie mit Aktien vergleichbar sein müssen („gleichzustellende“). Eine Vergleichbarkeit mit Aktien bedeutet, dass sie verbrieft oder doch zumindest in einer Art und Weise verkörpert sind, die eine Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb möglich macht. Eine Vergleichbarkeit ist somit bei einem Eigentumswechsel im Wege der Zession nicht gegeben. Anteile z.B. an geschlossenen Fonds gehören daher nicht zu diesen Anteilen, da es an der Vergleichbarkeit zu Aktien und an der Standardisierung mangelt und sie in der Regel nicht geeignet sind, am Kapitalmarkt gehandelt zu werden.
Ausgangspunkt der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die Annahme, dass der Kapitalgeber (Prinzipal) die Handlungen des Kapitalnehmers (Agent) nach Vertragsschluss nicht mehr überwachen kann. Es besteht also eine Informationsasymmetrie, die der Agent dazu ausnutzen kann, absprachewidrig Profite zu eigenen Zwecken zu verbrauchen, anstatt sie an den Prinzipal weiterzuleiten. Beispiel hierfür ist die Kreditbeziehung. Für den einzelnen nicht-unternehmerisch tätigen Kreditgeber sind eigenständige Kontrollmaßnahmen im Regelfall mit prohibitiv hohen Kosten verbunden. Zudem kämen seine Kontrollanstrengungen anderen Kreditgebern zugute, ohne dass er hierfür einen Ausgleich verlangen könnte. Der Zusammenschluss mit anderen Kreditgebern ist häufig mit hohen Koordinationskosten verbunden und unterbleibt deshalb. Infolgedessen kommt es zu einer rationalen Kontrollapathie des einzelnen Prinzipals, die seine Ausbeutung durch den Agenten ermöglicht.


Allerdings dürfte die Erstreckung des Wertpapierbegriffs auf Anteile von Personengesellschaften auf ein Übersetzungsproblem zurückgehen. Der englischsprachige Vorschlag zu Art.&nbsp;3(1) Nr.&nbsp;15 MiFID-E im Kommissionsentwurf zur MiFID vom 19.11.2002 (KOM(2002) 625 endg.) lautete wortgleich mit dem heutigen Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18 MiFID „Transferable securities means those classes of securities which are negotiable on the capital market, with the exception of instruments of payment, such as: (a) shares in companies and other securities equivalent to shares in companies, partnerships or other entities, and depositary receipts in respect of shares; …“, während die deutsche Fassung lautete: „… (a) Aktien von Unternehmen und andere Aktien von Unternehmen, Anteilen an Gesellschaften oder an anderen Unternehmensformen gleichzustellende Wertpapiere sowie Zertifikate der Wertpapiersammelbanken für derlei Anteile; …“. Diese deutschsprachige Entwurfsfassung legt eine Einbeziehung von Anteilen an Personengesellschaften weniger nahe, als der letztlich im Amtsblatt veröffentlichte deutsche Wortlaut.
Das beschriebene Kontrollproblem besteht allgemein im Verhältnis zwischen Kapitalanbietern und &#8209;nachfragern. Finanzintermediäre erweisen sich vor diesem Hintergrund als kostengünstiger Überwachungsmechanismus. Zu den Überwachungsleistungen einer Bank zählt etwa die interne Prüfung der Kreditwürdigkeit und der Ertragsaussichten des Kreditnehmers. Die [[Börsen]] können durch Marktsegmentierung und spezifische Zulassungserfordernisse zu einem Wettbewerb der Emittenten um Qualität beitragen. Informationsintermediäre wie [[Abschlussprüfer]], [[Finanzanalyst]]en und [[Rating-Agenturen]] stärken dabei die Information des Anlegerpublikums. Insgesamt trägt die Finanzintermediation zu einer wohlfahrtssteigernden Allokation von Finanzmitteln bei leistungsstarken Kapitalnachfragern bei.


Eine gegenüber der MiFID und der auf sie verweisenden Richtlinien etwas andere Nuancierung erfährt der Wertpapierbegriff dagegen etwa im Rahmen der Übernahme-RL (RL&nbsp;2004/25). Dort steht bei der Bestimmung des Begriffs Wertpapier vor allem die Beteiligung an einem Unternehmen im Vordergrund.
Gegenbegriff zur Finanzintermediation ist die Disintermediation. Hiermit wird die Herauslösung der traditionell von Finanzintermediären wahrgenommen Vermittlungsleistungen und ihre Verlagerung auf unmittelbar im Markt ausgeführte Transaktionen beschrieben. Das unmittelbare Kontrahieren zwischen Kapitalgebern und &#8209;nehmern ist aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wenn eine Transformationsleistung durch Intermedi-äre nicht aus Gründen der Transaktionskosten, insbesondere infolge von Informationsasymmetrien erforderlich ist. Klassisches Beispiel sind insbesondere Investitionen in die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Aktien oder Schuldverschreibungen. Die beschriebenen Gütereigenschaften von Finanzprodukten führen jedoch dazu, dass auch hier die Inanspruchnahme von Informationsintermediären nur selten verzichtbar ist. Das Verhältnis zwischen Intermediation und Disintermediation ist je nach den Eigenheiten des betreffenden Finanzraums unterschiedlich ausgeprägt. Gerade in Hinblick auf die für Verbraucher wichtige Altersvorsorge ist die Investition in Kapitalmarktprodukte in Kontinentaleuropa oder auch Japan weniger verbreitet als etwa im Vereinigten Königreich oder den USA.


Insgesamt lässt sich aus einer systematischen Betrachtung auf Ebene des Europarechts die Schlussfolgerung ziehen, dass der europarechtliche Wertpapierbegriff im Bereich des Eigenkapitals auf Aktiengesellschaften ausgerichtet ist, nicht aber auf kleinere (Personen&#8209;)Gesellschaften und dass als Wertpapiere im Sinne des Europarechts im Allgemeinen nur solche Wertpapiere gelten, die Teil des Effektengiroverkehrs sein können, bei denen sich also die Eigentumsverhältnisse nach der Eintragung auf einem Konto richten (zur Entmaterialisierung und Verwahrung von Wertpapieren [[Verwahrung (Wertpapiere)]]).
== 3. Stand der europäischen Rechtsangleichung ==
Die europäische Rechtsangleichung ist im Bereich der Finanzintermediäre weit fortgeschritten. Vorrangiges Leitprinzip ist die gegenseitige Anerkennung: Der [[Europäischer Pass|europäische Pass]] für genehmigungspflichtige Finanzdienstleistungen erlaubt es Intermediären, die bereits in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, ohne weitere Zulassungserfordernisse auch in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden. Diese weitreichende Öffnung der nationalen Märkte wird durch eine im europäischen Wirtschaftsrecht kaum überbotene Kohärenz materieller Rechtsregeln möglich.


Das letztgenannte Kriterium spielt auch im Rahmen verschiedener Versuche zur internationalen Vereinheitlichung des Wertpapierbegriffs eine entscheidende Rolle. So definiert etwa die ''Hague Convention on the law applicable to certain rights in respect of securities held with an intermediary'' vom 5.7.2006 in Art.&nbsp;1(1)(a) den Begriff ''securities'' als „any shares, bonds or other financial instruments or financial assets (other than cash), or any interest therein.“ Der ''Explanatory Report'' hebt aber hervor, dass zu dieser sehr weiten Definition eine weitere Bedingung hinzukommen muss: „… and must in addition be of a kind capable of being credited to a securities account with an intermediary“. Auch in der UNIDROIT ''Draft convention on substantive rules regarding intermediated securities'' vom Oktober 2008 wird die Eintragung auf einem Konto als wichtiges Kriterium für den Wertpapierbegriff angesehen. Art.&nbsp;1(a) definiert ''securities'' als „any shares, bonds or other financial instruments or financial assets (other than cash) or any interest therein, which are capable of being credited to a securities account…“. Insgesamt lässt sich daher konstatieren, dass die Möglichkeit, am Effektengiroverkehr teilzunehmen, international als wichtiges Abgrenzungskriterium für den Wertpapierbegriff angesehen wird.
Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von 1999 wurde bis 2005 umgesetzt. Zu seinen Themen gehören sämtliche Finanzintermediäre, also insbesondere Banken, sonstige Finanzdienstleister und Versicherungen. Ziel war die Schaffung eines europäischen Regelungssystems, das durch die Koordinierung der Aufsichtsbehörden rasch auf neue Herausforderungen zu reagieren vermag und die Fragmentierung des europäischen Binnenfinanzmarkts beseitigt. In Umsetzung des Aktionsplans wurden die Rechtsregeln zum Schutz der Integrität von Finanzintermediären konsolidiert und erweitert. Das Kernstück bilden die beiden Richtlinien zur [[Kapitalaufbringung und ‑erhaltung|Kapitalbildung und &#8209;erhaltung]] von Banken (RL&nbsp;2006/48 und RL&nbsp;2006/49). Zusammen mit den bereits zuvor erlassenen Richtlinien zur Mindestsicherung der privaten Einleger und Anleger (RL&nbsp;94/19 und 97/9) gegen Forderungsausfälle infolge der [[Insolvenz, grenzüberschreitende|Insolvenz]] eines Finanzintermediärs soll ein umfassendes Schutzkonzept gegen Schwächen der Kapitalisierung von Finanzintermediären gewährleistet werden.


== 2. Geldmarktinstrument ==
Einen weiteren Regelungsfokus bilden die marktlichen Verhaltenspflichten der Finanzintermediäre. Der erste von zwei besonders wichtigen Rechtsakten ist die 2003 erlassene Marktmissbrauchs-RL (RL&nbsp;2003/6). Sie löst die Insider-Geschäfte-RL (RL&nbsp;89/592) ab und unterstellt sämtliche Formen des Marktmissbrauchs ([[Marktmanipulation]]) einem einheitlichen Ansatz. Ein Marktmissbrauch kann hiernach nicht nur vorliegen, wenn Anleger in unangemessener Weise benachteiligt werden, weil andere Personen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zu ihrem Vorteil oder dem eines Dritten ausnutzen ([[Insidergeschäft]]). Er kann sich auch daraus ergeben, dass auf die Kursbildung von [[Finanzinstrument]]en eingewirkt wird oder falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Für Verstöße gegen die Verbotstatbestände sieht die Marktmissbrauchs-RL straf- wie verwaltungsrechtlichen Sanktionen vor und zwar sowohl für geregelte wie ungeregelte [[Märkte für Finanzinstrumente]].
Für die Definition des Begriffs Geldmarktinstrument gibt es im Europarecht verschiedene Ansätze. So wählt die MiFID eine beispielhafte Aufzählung zur Illustrierung dessen, was erfasst werden soll (Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;19 MiFID). Danach sind Geldmarktinstrumente die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelten Gattungen von Instrumenten, wie Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und ''Commercial Papers'', mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten. Einen anderen Ansatz wählt dagegen z.B. die OGAW-RL, die Geldmarktinstrumente als solche Instrumente definiert, die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, liquide sind und deren Wert jederzeit genau bestimmt werden kann (Art.&nbsp;1(9) OGAW-RL).


== 3. Anteil an einem Organismus für gemeinsame Anlagen ==
Der zweite Rechtsakt zu den marktlichen Verhaltenspflichten ist die im Jahre 2004 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL&nbsp;2004/39). Die MiFID ist gleich einer finanzmarktrechtlichen Verfassung konzipiert. Sie löst die Wertpapierdienstleistungs-RL (RL&nbsp;93/22) ab und führt den [[Europäischer Pass|europäischen Pass]] allgemein ein. Weiter regelt sie die Ausführung von Anlegeraufträgen durch Börsen, andere Handelssysteme und Wertpapierdienstleister. Insbesondere ist derjenige Handelsplatz zu wählen, der das beste Ergebnis hinsichtlich Kosten, Wahrscheinlichkeit und Schnelligkeit der Ausführung gewährleistet (''best execution''). Die Einhaltung der ''best execution'' (und anderer MiFID-Bestimmungen) ist zu dokumentieren und den Aufsichtsbehörden nachzuweisen. Dem Kunden gegenüber sind Vorteile offenzulegen, die der Finanzintermediär für seine Vermittlungsleistung zum Beispiel vom Anbieter als sog. Rückvergütung erhält (''kick-back''). Zukunftsweisend ist die Differenzierung zwischen Verbrauchergeschäften und solchen mit „geeigneten Gegenparteien“, bei denen auf die Geltung einzelner Verhaltenspflichten verzichtet wird. Aus dem Kreis der Finanzintermediäre im weiteren Sinne spricht die MiFID die [[Finanzanalyst]]en an und unterwirft sie engmaschigen Regeln zum Umgang mit [[Interessenkonflikte]]n.
<nowiki>Zu Finanzinstrumenten zählt die MiFID auch die Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, sie enthält dazu jedoch selbst keine Definition. Zu unterscheiden sind „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ gemäß Art.&nbsp;1(2)OGAW-RL und einfache „Organismen für gemeinsame Anlagen“. Erstere werden durch die OGAW-RL reguliert. Das Europarecht kennt aber auch weitere Formen der Organismen für gemeinsame Anlagen, insbesondere auch solche, die nicht „auf Gemeinschaftsebene koordiniert worden sind“ (siehe etwa Erwägungsgrund&nbsp;15 und Art.&nbsp;2(1)(h) MiFID), „OGAW des geschlossenen Typs“ (Art.&nbsp;2(1) 1.&nbsp;Spiegelstrich OGAW-RL) und „Organismen für gemeinsame Anlagen eines anderen als des geschlossenen Typs“ (Art. 2(1)(o) Prospekt-RL [RL&nbsp;2003/71]). Sowohl die Prospekt-RL, als auch die Transparenz-RL beschäftigen sich mit Organismen für gemeinsame Anlagen im Allgemeinen. Art.&nbsp;2(1) (p) Prospekt-RL definiert „Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen“ als „Wertpapiere, die von einem Organismus für gemeinsame Anlagen begeben werden und die Rechte der Anteilsinhaber am Vermögen dieses Organismus verbriefen“. Ganz ähnlich definiert Art.&nbsp;2(1)(h) Transparenz-RL „Anteilsscheine eines Organismus für gemeinsame Anlagen“ als „die von einem Organismus für gemeinsame Anlagen ausgegebenen Wertpapiere, die die Rechte der Anteilsinhaber am Vermögen eines solchen Organismus verbriefen“. Wichtig dabei ist, dass hiermit nicht nur solche Organismen erfasst sind, die in Wertpapiere investieren und damit Gegenstand der OGAW-RL sind, sondern allgemein alle Organismen für gemeinsame Anlagen, sofern sie Anteile bzw. Anteilsscheine ausgeben. Diese Anteilsscheine bzw. Anteile werden als „Wertpapiere“ definiert, wobei diese Definition nicht in Konflikt mit dem Wertpapierbegriff der MiFID gerät, da sich dieser gemäß Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;18 MiFID nur auf „übertragbare Wertpapiere“ bezieht. Es liegt nahe, unter die Definitionen in der Prospekt- und Transparenz-RL (jedenfalls nach ihrem Wortlaut) auch Anteile an geschlossenen Fonds zu fassen. Man könnte zwar auch hier auf den Tatbestand der „Verbriefung“ abstellen, den beide Definitionen enthalten, dies ist aber angesichts der englischen Fassung, die den Ausdruck </nowiki>''representing ''enthält, nicht zwingend.


== 4. Terminkontrakt ==
== 4. Regelungsfragen und &#8209;strukturen ==
Die MiFID und andere Richtlinien verwenden zwar den Begriff des Terminkontrakts sowie z.T. auch den des Termingeschäfts, eine gesonderte Definition dieses Begriffs enthalten sie jedoch nicht. Aus den Aufzählungen in Anhang&nbsp;I Abschnitt&nbsp;C Nr.&nbsp;4-7 MiFID lässt sich lediglich entnehmen, dass es sich dabei um einen Derivatkontrakt handelt („und alle anderen Derivatkontrakte“). Üblicherweise bezeichnen Terminkontrakte bzw. Futures standardisierte Termingeschäfte, bei denen sich der Verkäufer zur Lieferung und der Käufer zur Abnahme einer festgelegten, standardisierten Menge eines bestimmten Finanzinstruments zu einem vorab bestimmten Preis zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt verpflichten. Bei einem Terminkontrakt wird dementsprechend der Preis für ein Finanzinstrument bereits in der Gegenwart festgelegt, die eigentliche Transaktion findet jedoch erst in einem Zeitpunkt in der Zukunft statt.
Überspannendes Prinzip der Finanzmarktregulierung ist die untrennbare Verbindung des Marktfunktions- und des Anlegerindividualschutzes. Finanzmärkte sind zu ihrer Funktionstüchtigkeit auf ein hinreichendes Maß an Vertrauen des Anlegerpublikums angewiesen ([[Kapitalanlegerschutz]]). Theoretisch wie praktisch ist hierfür die Rollenbildung der Finanzintermediäre von Bedeutung. Finanzintermediäre nehmen in erheblichem Maß Einfluss auf den Marktzugang der Kapitalanbieter und &#8209;nachfrager. Das gilt für Finanzintermediäre im engeren Sinne, die durch die Auswahl von Kreditnehmern, die Vermarktung bestimmter Finanzinstrumente oder auch die Emissionsbegleitung auf die Marktaufnahme und den Handel der Finanzinstrumente Einfluss nehmen. Die Einschätzungen der Informationsintermediäre sind sodann für die öffentliche Wahrnehmung des Emittenten ausschlaggebend. Bei schlechter Beurteilung seiner Verlässlichkeit verteuert sich die Kapitalsuche um einen Risikoaufschlag oder kann gar scheitern.


Die Standardisierung bietet im Vergleich zu außerbörslich stattfindenden Termingeschäften, bei denen die einzelnen Vertragsbestandteile individuell ausgehandelt werden und somit von Geschäft zu Geschäft verschieden sind (''forwards''), wesentliche Vorteile. Sie ermöglicht es, am Terminmarkt eingenommene Verkaufs- oder Kaufpositionen jederzeit durch entsprechende Gegengeschäfte glattzustellen. Auf diese Weise kann die tatsächliche Erfüllung (Lieferung und Abnahme), die meist gar nicht erwünscht ist, vermieden werden. Übrig bleiben dann nur die sich aus den unterschiedlichen Kursen ergebenden Differenzen (Gewinne bzw. Verluste).
Diese Einflussposition ist in den USA bereits in den 1980er Jahren als ''gatekeeper''-Stellung erkannt worden. Finanzintermediäre vermögen durch die Gewährung oder Versagung ihrer beruflichen Leistung Emittenten den Marktzugang zu öffnen oder zu verschließen (''gatekeeping''). Ihrer Einflussposition entsprechend sollen ihnen Pflichten zugewiesen werden können, die funktional der Unterstützung aufsichtsbehördlicher Aufgaben dienen können. In Europa hat die ''gatekeeper''-Theorie, soweit ersichtlich, bislang keine umfassende rechtsstheoretische Einbettung erfahren. In der Sache finden sich ihre Grundannahmen aber etwa in dem europäisch zu weiten Teilen vereinheitlichten Recht der Abschlussprüfung ([[Abschlussprüfer]]). Emittenten sind verpflichtet, jährlich ein Testat des Abschlussprüfers zur Ordnungsgemäßheit ihrer Rechnungslegung einzuholen. Durch die Möglichkeit des Abschlussprüfers, das Testat zulasten der öffentlichen Wahrnehmung des Emittenten einzuschränken, werden die Erfolgsaussichten der Kapitalsuche der Beurteilung durch einen privaten Dritten unterworfen, der im öffentlichen Interesse tätig wird. Rechtstatsächlich vergleichbare Wirkungen kommen den Urteilen der [[Rating-Agenturen]] und [[Finanzanalyst]]en zu. Es stellt sich demgemäß die Frage, ob und wie auch die Tätigkeit dieser Informationsintermediäre stärker als bisher regulatorisch nutzbar gemacht werden kann und sollte.


== 5. Option ==
Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Rolle der Finanzintermediäre ist auch im Zusammenhang mit der ''[[Corporate Governance]]'' börsennotierter Unternehmen angezeigt. In Kontinentaleuropa nehmen Banken traditionell stärkeren Einfluss auf die gesellschaftsinternen Leitungs- und Überwachungsentscheidungen als in den USA oder dem Vereinigten Königreich. Insbesondere in Deutschland waren Bankenvertreter häufig im [[Aufsichtsrat/Board/Vorstand|Aufsichtsrat]] der Unternehmen vertreten. Die damit verbundenen [[Interessenkonflikte]] und Haftungsgefahren führten in den letzten Jahren zu einem Rückzug der Bankenvertreter aus den Aufsichtsräten. Damit einher ging die weitgehende Aufgabe der Eigenbeteiligungen von Banken. Mit der Rückbesinnung der Banken auf ihr Kerngeschäft kommt es zu einem Paradigmenwechsel bei der Unternehmensüberwachung. Indirekt führt dies zu einer Steigerung der Bedeutung von Finanzintermediären im weiteren Sinne, denn ihre Informationsdienstleistungen sind für eine verstärkte marktliche Kontrolle der Emittenten von kaum zu unterschätzender Bedeutung.
Auch für den Begriff der Option enthalten die MiFID und andere Richtlinien keine eigenständige Definition, setzen sie vielmehr voraus, wie z.B. die MiFID in ihrem Anhang&nbsp;I Abschnitt&nbsp;C Nr.&nbsp;4-7. Als Option wird im Rahmen des Kapitalmarkts ein gegen Zahlung einer Prämie erworbenes Recht bezeichnet, eine bestimmte Menge eines Basisobjekts zu einem fixierten Basispreis innerhalb einer bestimmten Frist (''American Option'') oder zum Ende der Optionsfrist (''European'' ''Option'') zu kaufen (Kauf-/''Call'' ''Option'') oder zu verkaufen (Verkaufs-/''Put'' ''Option''). Der Verkäufer (Stillhalter) der Option verpflichtet sich, bei Ausübung der Option durch den Käufer zu den vereinbarten Bedingungen jederzeit zu liefern oder abzunehmen. Für diese Verpflichtung erhält der Stillhalter eine Prämie. Basisobjekte können alle denkbaren am Kapitalmarkt gehandelten Kassainstrumente (Instrumente, bei denen der Preis unmittelbar auf einem Markt bestimmt wird) sein, aber auch z.B. Terminkontrakte. Börsengehandelte Optionen sind in ihren wesentlichen Elementen standardisiert. Diese Elemente sind: die Qualität des zugrunde liegenden Instruments (Basisobjekts), die Einheit bzw. Menge des Basiswerts, die Art der Ausübungsmöglichkeit (''American''/''European Option''), der Basispreis, das Verfallsdatum und die Art der Lieferung (physische Lieferung oder sog. ''cash'' ''settlement''). Nur der Käufer der Option kann entscheiden, ob und wann eine Option ausgeübt werden soll. Übt er sie nicht innerhalb der Optionsfrist aus, so verfällt sie. Der Optionsverkäufer (Stillhalter) unterwirft sich bei Geschäftsabschluss im Voraus dem Optionskäufer hinsichtlich des Zeitpunktes der Geschäftserfüllung. Dafür erhält er eine Optionsprämie – auch wenn die Option nicht ausgeübt wird. Die Höhe der Optionsprämie richtet sich nach dem Angebot und der Nachfrage, wird aber maßgeblich vom Kurs des Basisobjekts und seiner Volatilität – die mittlere Schwankungsbreite des Basisobjekts –, der Laufzeit, der Entwicklung der Zinssätze und bei Aktienoptionen nach anstehenden Dividendenausschüttungen beeinflusst. Da der Optionskäufer nicht die Option ausüben muss, gehören Optionsgeschäfte zu den bedingten Termingeschäften. Optionen werden an Terminbörsen aber auch im außerbörslichen Handel (over the counter, OTC) gehandelt. Letzterer dient insbesondere dem Handel nicht standardisierter Optionen. Deren Vorteil liegt für die Vertragsparteien darin, dass sie auf die jeweiligen Bedürfnisse individuell zugeschnitten werden können. Allerdings geht damit zugleich auch eine Einschränkung ihrer Fungibilität einher.


== 6. ''Swap'' ==
== 5. Vereinheitlichungsprojekte und &#8209;perspektiven ==
Ein'' Swap'' (engl.: Tausch) ist eine gegenseitige Vereinbarung über den Austausch von Zahlungsverpflichtungen mit dem Ziel, von den Kostenvorteilen des jeweils anderen Geschäftspartners, den dieser auf dem jeweils anderen Markt genießt, zu profitieren und dadurch einen Finanzierungs- oder Zins- bzw. Renditevorteil zu erlangen. Von Bedeutung sind insbesondere Zins- und Währungsswaps. Bei Zinsswaps vereinbaren die Vertragspartner für eine festgelegte Laufzeit den Tausch von Zinsverpflichtungen bzw. Zinseinkünften auf einen bestimmten Kapitalbetrag. Bei Währungsswaps werden für einen bestimmten Kapitalbetrag Währungen und die mit der Kapitalbedienung verbundenen Verpflichtungen oder Erträge getauscht. Bei Abschluss des ''Swaps'' wird vereinbart, dass am Ende seiner Laufzeit die Währungen zurückgetauscht werden, wobei in der Regel der Rücktauschkurs bereits fest vereinbart wird.
Die europäischen Vereinheitlichungsprojekte und &#8209;perspektiven der nahen Zukunft werden von der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] in dem 2005 veröffentlichten Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010 dargelegt. Die drei wesentlichen Ziele setzen den Weg des Finanzmarktaktionsplans von 1999 fort. Sie betreffen erstens die Um- und Durchsetzung und ständigen Bewertung bestehender Gesetzgebung mit strengen Folgenabschätzungen und gründlichen Konsultationen bei künftigen Reforminitiativen. Zweitens sollen die noch vorhandenen Beschränkungen der Marktintegration überwunden werden. In diesem Zusammenhang sollen drittens die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit und Konvergenz in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] verbessert, die Beziehungen mit anderen globalen Finanzplätzen und die Stärkung des europäischen Einflusses weltweit intensiviert werden.
 
Die zuletzt angesprochene Stärkung der globalen Präsenz des [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkts]] weist vor allem in Richtung einer Intensivierung des transatlantischen Dialogs. Das internationale Kapitalmarktgeschehen ist in weiten Teilen durch den Finanzmarkt der USA bestimmt oder beeinflusst. Das rasche volkswirtschaftliche Wachstum in Asien, insbesondere in China, legt auch unabhängig davon nahe, die mit Japan bereits verfestigte europäisch-asiatische Kommunikation auszubauen.
 
Zentrale Frage der europäischen Finanzmarktintegration ist die nach dem Erfordernis einer gemeinsamen [[Aufsicht über Finanzdienstleistungen]]. Eine eindeutige Antwort ist wegen der unterschiedlichen finanzmarktlichen Interaktionsprozessen kaum möglich. Grundlegende Unterschiede bestehen etwa in der Funktionsweise der Selbstregulierung. In der ''City of London'' haben ''Codes of Conduct'' ([[Private Rechtsetzung und Codes of Conduct|Private Rechtsetzung und ''Codes of Conduct'']]) etwa im Bereich des [[Übernahmerecht]]s zu beachtlichen Erfolgen geführt. In anderen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, erwies sich die Selbstregulierung häufig als deutlich weniger erfolgreich. Dem Weißbuch der Europäischen Kommission von 2005 zufolge soll deshalb zunächst der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden und die Koordination ihrer Maßnahmen verbessert werden.
 
Schrittmacher der Rechtsvereinheitlichung und Rechtspraxis ist die ''International Organization of Securities Commissions'' (IOSCO). Die IOSCO ist 1983 aus einer neun Jahre zuvor gegründeten und zunächst noch nicht international agierenden Organisation hervorgegangen. Heute gehören ihr Vertreter zahlreicher nationaler Finanzmarktaufsichtsbehörden an. Ihr ständiger Arbeitsfokus besteht in der Beobachtung und Fortbildung international bewährter Handelspraktiken (''best practice'') und deren Übersetzung in konkrete Maßnahmen, die ein rechtskonformes Verhalten der Finanzintermediäre sicherstellen (''compliance''). Beispiel für den Einfluss auf die europäische Regelsetzung sind die im Frühjahr 2009 in zwingendes Recht überführten Empfehlungen der IOSCO zum Wohlverhalten der [[Rating-Agenturen]].
 
Die internationale Praxis beeinflusst aber auch das Recht der Finanzintermediäre im engeren Sinne. Beobachtbar war dies in den letzten Jahren etwa im Zusammenhang mit den Interessenwahrungspflichten bei Emissionsbegleitungen. Der Finanzintermediär hat hierbei das Interesse des Emittenten an der Kapitalbeschaffung, die Interessen der Anleger an fairer Zuteilung und Preisbildung und nicht zuletzt die eigenen Vertriebsinteressen in Ausgleich zu bringen. Das Trennbankensystem, das Interessenkonflikte durch die Leistungsinkompatibilität von Kredit- und Emissionsgeschäft vermeidet, konnte sich international nicht durchsetzen. Mit dem Wegfall des US-amerikanischen ''Glass-Steagall Act'' im Jahre 1999 verlor es seinen wichtigsten Repräsentanten. Im heute vorherrschenden Universalbankensystem, wie es z.B. in Deutschland seit jeher betrieben wird, sind demgemäß organisatorische Maßnahmen zur Konfliktprävention und &#8209;behandlung zu treffen.
 
In diesem Zusammenhang empfiehlt die IOSCO seit 2007 u.a. die Abstandnahme von der Emissionsbegleitung, wenn dem Intermediär eine Darlehensforderung gegen den Emittenten zusteht, die ohne den Emissionserlös nicht zu befriedigen wäre. In einigen Rechtsordnungen, darunter Deutschland, hat eine so weitreichende Abstandnahmepflicht bislang keine allgemein-zivilrechtliche Verfestigung erfahren. Das Recht der Finanzintermediäre trägt damit, vermittelt über internationale Vereinheitlichungsbemühungen, zur Integration des europäischen Privatrechts insgesamt bei.


==Literatur==
==Literatur==
''Alfred'' ''Hueck'', ''Claus-Wilhelm Canaris'', Recht der Wertpapiere, 12.&nbsp;Aufl. 1986; ''Ulrich Meyer-Cording'', ''Tim'' ''Drygala'', Wertpapierrecht, 3.&nbsp;Aufl. 1995; ''Hans''-''Wilhelm'' ''Ruland'', Effekten, 3.&nbsp;Aufl. 2004; ''Hans''-''Peter'' ''Burghof'', ''Sabine Henke'', ''Bernd Rudolph'', ''Philipp J. Schönbucher'', ''Daniel Sommer'', Kreditderivate, 2.&nbsp;Aufl. 2005; ''Christian Hee'', ''Lutz'' ''Hofmann'', Wetterderivate, 2006; ''Eilis Ferran'', Principles of Corporate Finance Law'', ''2008; ''Hans Brox'', ''Martin Henssler'', Handelsrecht: Mit Grundzügen des Wertpapierrechts, 20.&nbsp;Aufl. 2009; ''Bernd'' ''Rudolph'', ''Klaus'' ''Schäfer'', Derivative Finanzmarktinstrumente, 2.&nbsp;Aufl. 2009.
''Klaus J''.'' Hopt'', Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; ''Douglas W''.'' Diamond'', Financial Intermediation and Delegated Monitoring, The Review of Economic Studies 51 (1984) 393&nbsp;ff.; ''Ram T''.''S''.'' Ramakrishnan'','' Anjan V''.'' Thakor'', Information Reliability and a Theory of Financial Intermediation, The Review of Economic Studies 51 (1984) 415&nbsp;ff.; ''Reinier R''. ''Kraakman'','' ''Gatekeepers, Journal of Law, Economics & Organization 2 (1986) 53&nbsp;ff.; ''Niamh Moloney'','' ''EC Securities Regulation, 2.&nbsp;Aufl. 2008; ''Anton K''.'' Schnyder'', Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; ''John C''.'' Coffee'','' ''Gatekeepers, 2006; ''Guido Ferrarini'','' Eddy Wymeersch ''(Hg.), Investor Protection in Europe, 2006; ''Jochen Bigus'','' Patrick C''.'' Leyens'', Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008; ''Christoph Kumpan'', ''Patrick C''.'' Leyens'','' ''Conflicts of Interest of Financial Intermediaries, European Company and Financial Law Review 2008, 72&nbsp;ff.


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Version vom 9. September 2016, 14:19 Uhr

von Patrick C. Leyens

1. Begriff des Finanzintermediärs

Finanzintermediäre nehmen eine Vermittlerstellung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern ein. Der Begriff des Finanzintermediärs ist ökonomisch geprägt und im internationalen wie interdisziplinären Sprachgebrauch üblich. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken (Europäischer Bankenmarkt). Zu nennen sind außerdem Versicherungen (Versicherungsbinnenmarkt), Kapitalanlagegesellschaften, sonstige Allfinanz-Dienstleister und auch Börsen. Im weiteren Sinne werden sämtliche Institutionen, deren Leistungen die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage unterstützen, als Finanzintermediäre bezeichnet.

2. Funktion der Finanz­intermediation

Finanzintermediäre im engeren Sinne erfüllen im Wesentlichen drei Funktionen: Erstens gestalten sie den Faktor Kapital um (Transformationsfunktion). Privathaushalte besitzen in der Summe einen Kapitalüberschuss und stellen daraus den Großteil der Einlagen, während Unternehmen typischerweise Kapitalbedarf haben und Kredite benötigen. Banken fassen das Angebot und die Nachfrage einer Vielzahl von Privathaushalten und Unternehmen zusammen. Dadurch bringen sie die Unterschiede in den Volumina (Losgrößen), den Zeiträumen (Fristen), der Kapitalverfügbarkeit (Liquidität) und den Sicherungsbedürfnissen (Risiken) in Ausgleich.

Zweite Teilfunktion ist die Transaktionsabwicklung. Dazu gehört das technische Zusammenführen von Kapitalangebot und ‑nachfrage, wie es durch Börsen und die Anbieter alternativer Handelssysteme übernommen wird. Finanzintermediäre wie Banken erbringen darüber hinaus Leistungen in Bezug auf die Anbahnung, den Abschluss und die Abwicklung von Transaktionen. Dabei wenden sie standardisierte und damit kostengünstige Verfahren an.

Die dritte Teilfunktion besteht in der Informationsintermediation, also der Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragenden. Diese wird zum Teil von den Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht, zum Teil wird sie von spezialisierten Finanzintermediären im weiteren Sinne, den Informationsintermediären, geleistet. Die Informationsintermediation ermöglicht oder unterstützt die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage und trägt allgemein zur Informationseffizienz des Finanzmarkts bei. Bei der Informationsintermediation werden vorhandene Informationen verifiziert, fehlende Informationen substituiert und Informationen im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung evaluiert. Die wichtigsten Informationsintermediäre des Finanzmarkts sind Abschlussprüfer, Finanzanalysten und Rating-Agenturen.

Zentrale Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzintermediären werden von der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie geliefert (Ökonomische Analyse des Europäischen Privatrechts). Die Erklärungsansätze sind auf Banken zugeschnitten, aber auch auf andere Finanzintermediäre übertragbar. Der Transaktionskostenökonomik liegt die realitätsnahe Annahme zugrunde, dass der Abschluss von Verträgen eigene Kosten verursacht (Transaktionskosten). Der Finanzintermediär senkt diese Kosten, indem er die Interessen einer Vielzahl von Kapitalanbietern oder ‑nachfragern bündelt und damit die Anzahl der erforderlichen Verträge reduziert. Hierbei fallen besonders aus Verbrauchersicht (Verbraucher und Verbraucherschutz) die Gütereigenschaften von Finanzprodukten ins Gewicht. Finanzprodukte weisen in hohem Maße Vertrauenseigenschaften auf. In Abgrenzung zu Erfahrungsgütern ist ihre relative Eignung zur Erreichung individueller Ziele nicht durch eigene Erfahrung (Konsum) beurteilbar. Das gilt vor allem bei langen Investitionshorizonten, also beispielsweise bei der privaten Altersvorsorge (Betriebsrenten, Pensionsfonds). Durch ihre Wissensspezialisierung sind Finanzintermediäre in der Lage, diese Informationsschwächen der Kapitalnachfragenden zu vergleichsweise günstigen Kosten zu überwinden.

Ausgangspunkt der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die Annahme, dass der Kapitalgeber (Prinzipal) die Handlungen des Kapitalnehmers (Agent) nach Vertragsschluss nicht mehr überwachen kann. Es besteht also eine Informationsasymmetrie, die der Agent dazu ausnutzen kann, absprachewidrig Profite zu eigenen Zwecken zu verbrauchen, anstatt sie an den Prinzipal weiterzuleiten. Beispiel hierfür ist die Kreditbeziehung. Für den einzelnen nicht-unternehmerisch tätigen Kreditgeber sind eigenständige Kontrollmaßnahmen im Regelfall mit prohibitiv hohen Kosten verbunden. Zudem kämen seine Kontrollanstrengungen anderen Kreditgebern zugute, ohne dass er hierfür einen Ausgleich verlangen könnte. Der Zusammenschluss mit anderen Kreditgebern ist häufig mit hohen Koordinationskosten verbunden und unterbleibt deshalb. Infolgedessen kommt es zu einer rationalen Kontrollapathie des einzelnen Prinzipals, die seine Ausbeutung durch den Agenten ermöglicht.

Das beschriebene Kontrollproblem besteht allgemein im Verhältnis zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern. Finanzintermediäre erweisen sich vor diesem Hintergrund als kostengünstiger Überwachungsmechanismus. Zu den Überwachungsleistungen einer Bank zählt etwa die interne Prüfung der Kreditwürdigkeit und der Ertragsaussichten des Kreditnehmers. Die Börsen können durch Marktsegmentierung und spezifische Zulassungserfordernisse zu einem Wettbewerb der Emittenten um Qualität beitragen. Informationsintermediäre wie Abschlussprüfer, Finanzanalysten und Rating-Agenturen stärken dabei die Information des Anlegerpublikums. Insgesamt trägt die Finanzintermediation zu einer wohlfahrtssteigernden Allokation von Finanzmitteln bei leistungsstarken Kapitalnachfragern bei.

Gegenbegriff zur Finanzintermediation ist die Disintermediation. Hiermit wird die Herauslösung der traditionell von Finanzintermediären wahrgenommen Vermittlungsleistungen und ihre Verlagerung auf unmittelbar im Markt ausgeführte Transaktionen beschrieben. Das unmittelbare Kontrahieren zwischen Kapitalgebern und ‑nehmern ist aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wenn eine Transformationsleistung durch Intermedi-äre nicht aus Gründen der Transaktionskosten, insbesondere infolge von Informationsasymmetrien erforderlich ist. Klassisches Beispiel sind insbesondere Investitionen in die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Aktien oder Schuldverschreibungen. Die beschriebenen Gütereigenschaften von Finanzprodukten führen jedoch dazu, dass auch hier die Inanspruchnahme von Informationsintermediären nur selten verzichtbar ist. Das Verhältnis zwischen Intermediation und Disintermediation ist je nach den Eigenheiten des betreffenden Finanzraums unterschiedlich ausgeprägt. Gerade in Hinblick auf die für Verbraucher wichtige Altersvorsorge ist die Investition in Kapitalmarktprodukte in Kontinentaleuropa oder auch Japan weniger verbreitet als etwa im Vereinigten Königreich oder den USA.

3. Stand der europäischen Rechtsangleichung

Die europäische Rechtsangleichung ist im Bereich der Finanzintermediäre weit fortgeschritten. Vorrangiges Leitprinzip ist die gegenseitige Anerkennung: Der europäische Pass für genehmigungspflichtige Finanzdienstleistungen erlaubt es Intermediären, die bereits in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, ohne weitere Zulassungserfordernisse auch in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden. Diese weitreichende Öffnung der nationalen Märkte wird durch eine im europäischen Wirtschaftsrecht kaum überbotene Kohärenz materieller Rechtsregeln möglich.

Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von 1999 wurde bis 2005 umgesetzt. Zu seinen Themen gehören sämtliche Finanzintermediäre, also insbesondere Banken, sonstige Finanzdienstleister und Versicherungen. Ziel war die Schaffung eines europäischen Regelungssystems, das durch die Koordinierung der Aufsichtsbehörden rasch auf neue Herausforderungen zu reagieren vermag und die Fragmentierung des europäischen Binnenfinanzmarkts beseitigt. In Umsetzung des Aktionsplans wurden die Rechtsregeln zum Schutz der Integrität von Finanzintermediären konsolidiert und erweitert. Das Kernstück bilden die beiden Richtlinien zur Kapitalbildung und ‑erhaltung von Banken (RL 2006/48 und RL 2006/49). Zusammen mit den bereits zuvor erlassenen Richtlinien zur Mindestsicherung der privaten Einleger und Anleger (RL 94/19 und 97/9) gegen Forderungsausfälle infolge der Insolvenz eines Finanzintermediärs soll ein umfassendes Schutzkonzept gegen Schwächen der Kapitalisierung von Finanzintermediären gewährleistet werden.

Einen weiteren Regelungsfokus bilden die marktlichen Verhaltenspflichten der Finanzintermediäre. Der erste von zwei besonders wichtigen Rechtsakten ist die 2003 erlassene Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6). Sie löst die Insider-Geschäfte-RL (RL 89/592) ab und unterstellt sämtliche Formen des Marktmissbrauchs (Marktmanipulation) einem einheitlichen Ansatz. Ein Marktmissbrauch kann hiernach nicht nur vorliegen, wenn Anleger in unangemessener Weise benachteiligt werden, weil andere Personen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zu ihrem Vorteil oder dem eines Dritten ausnutzen (Insidergeschäft). Er kann sich auch daraus ergeben, dass auf die Kursbildung von Finanzinstrumenten eingewirkt wird oder falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Für Verstöße gegen die Verbotstatbestände sieht die Marktmissbrauchs-RL straf- wie verwaltungsrechtlichen Sanktionen vor und zwar sowohl für geregelte wie ungeregelte Märkte für Finanzinstrumente.

Der zweite Rechtsakt zu den marktlichen Verhaltenspflichten ist die im Jahre 2004 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/39). Die MiFID ist gleich einer finanzmarktrechtlichen Verfassung konzipiert. Sie löst die Wertpapierdienstleistungs-RL (RL 93/22) ab und führt den europäischen Pass allgemein ein. Weiter regelt sie die Ausführung von Anlegeraufträgen durch Börsen, andere Handelssysteme und Wertpapierdienstleister. Insbesondere ist derjenige Handelsplatz zu wählen, der das beste Ergebnis hinsichtlich Kosten, Wahrscheinlichkeit und Schnelligkeit der Ausführung gewährleistet (best execution). Die Einhaltung der best execution (und anderer MiFID-Bestimmungen) ist zu dokumentieren und den Aufsichtsbehörden nachzuweisen. Dem Kunden gegenüber sind Vorteile offenzulegen, die der Finanzintermediär für seine Vermittlungsleistung zum Beispiel vom Anbieter als sog. Rückvergütung erhält (kick-back). Zukunftsweisend ist die Differenzierung zwischen Verbrauchergeschäften und solchen mit „geeigneten Gegenparteien“, bei denen auf die Geltung einzelner Verhaltenspflichten verzichtet wird. Aus dem Kreis der Finanzintermediäre im weiteren Sinne spricht die MiFID die Finanzanalysten an und unterwirft sie engmaschigen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten.

4. Regelungsfragen und ‑strukturen

Überspannendes Prinzip der Finanzmarktregulierung ist die untrennbare Verbindung des Marktfunktions- und des Anlegerindividualschutzes. Finanzmärkte sind zu ihrer Funktionstüchtigkeit auf ein hinreichendes Maß an Vertrauen des Anlegerpublikums angewiesen (Kapitalanlegerschutz). Theoretisch wie praktisch ist hierfür die Rollenbildung der Finanzintermediäre von Bedeutung. Finanzintermediäre nehmen in erheblichem Maß Einfluss auf den Marktzugang der Kapitalanbieter und ‑nachfrager. Das gilt für Finanzintermediäre im engeren Sinne, die durch die Auswahl von Kreditnehmern, die Vermarktung bestimmter Finanzinstrumente oder auch die Emissionsbegleitung auf die Marktaufnahme und den Handel der Finanzinstrumente Einfluss nehmen. Die Einschätzungen der Informationsintermediäre sind sodann für die öffentliche Wahrnehmung des Emittenten ausschlaggebend. Bei schlechter Beurteilung seiner Verlässlichkeit verteuert sich die Kapitalsuche um einen Risikoaufschlag oder kann gar scheitern.

Diese Einflussposition ist in den USA bereits in den 1980er Jahren als gatekeeper-Stellung erkannt worden. Finanzintermediäre vermögen durch die Gewährung oder Versagung ihrer beruflichen Leistung Emittenten den Marktzugang zu öffnen oder zu verschließen (gatekeeping). Ihrer Einflussposition entsprechend sollen ihnen Pflichten zugewiesen werden können, die funktional der Unterstützung aufsichtsbehördlicher Aufgaben dienen können. In Europa hat die gatekeeper-Theorie, soweit ersichtlich, bislang keine umfassende rechtsstheoretische Einbettung erfahren. In der Sache finden sich ihre Grundannahmen aber etwa in dem europäisch zu weiten Teilen vereinheitlichten Recht der Abschlussprüfung (Abschlussprüfer). Emittenten sind verpflichtet, jährlich ein Testat des Abschlussprüfers zur Ordnungsgemäßheit ihrer Rechnungslegung einzuholen. Durch die Möglichkeit des Abschlussprüfers, das Testat zulasten der öffentlichen Wahrnehmung des Emittenten einzuschränken, werden die Erfolgsaussichten der Kapitalsuche der Beurteilung durch einen privaten Dritten unterworfen, der im öffentlichen Interesse tätig wird. Rechtstatsächlich vergleichbare Wirkungen kommen den Urteilen der Rating-Agenturen und Finanzanalysten zu. Es stellt sich demgemäß die Frage, ob und wie auch die Tätigkeit dieser Informationsintermediäre stärker als bisher regulatorisch nutzbar gemacht werden kann und sollte.

Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Rolle der Finanzintermediäre ist auch im Zusammenhang mit der Corporate Governance börsennotierter Unternehmen angezeigt. In Kontinentaleuropa nehmen Banken traditionell stärkeren Einfluss auf die gesellschaftsinternen Leitungs- und Überwachungsentscheidungen als in den USA oder dem Vereinigten Königreich. Insbesondere in Deutschland waren Bankenvertreter häufig im Aufsichtsrat der Unternehmen vertreten. Die damit verbundenen Interessenkonflikte und Haftungsgefahren führten in den letzten Jahren zu einem Rückzug der Bankenvertreter aus den Aufsichtsräten. Damit einher ging die weitgehende Aufgabe der Eigenbeteiligungen von Banken. Mit der Rückbesinnung der Banken auf ihr Kerngeschäft kommt es zu einem Paradigmenwechsel bei der Unternehmensüberwachung. Indirekt führt dies zu einer Steigerung der Bedeutung von Finanzintermediären im weiteren Sinne, denn ihre Informationsdienstleistungen sind für eine verstärkte marktliche Kontrolle der Emittenten von kaum zu unterschätzender Bedeutung.

5. Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven

Die europäischen Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven der nahen Zukunft werden von der Europäischen Kommission in dem 2005 veröffentlichten Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010 dargelegt. Die drei wesentlichen Ziele setzen den Weg des Finanzmarktaktionsplans von 1999 fort. Sie betreffen erstens die Um- und Durchsetzung und ständigen Bewertung bestehender Gesetzgebung mit strengen Folgenabschätzungen und gründlichen Konsultationen bei künftigen Reforminitiativen. Zweitens sollen die noch vorhandenen Beschränkungen der Marktintegration überwunden werden. In diesem Zusammenhang sollen drittens die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit und Konvergenz in der Europäischen Union verbessert, die Beziehungen mit anderen globalen Finanzplätzen und die Stärkung des europäischen Einflusses weltweit intensiviert werden.

Die zuletzt angesprochene Stärkung der globalen Präsenz des europäischen Binnenmarkts weist vor allem in Richtung einer Intensivierung des transatlantischen Dialogs. Das internationale Kapitalmarktgeschehen ist in weiten Teilen durch den Finanzmarkt der USA bestimmt oder beeinflusst. Das rasche volkswirtschaftliche Wachstum in Asien, insbesondere in China, legt auch unabhängig davon nahe, die mit Japan bereits verfestigte europäisch-asiatische Kommunikation auszubauen.

Zentrale Frage der europäischen Finanzmarktintegration ist die nach dem Erfordernis einer gemeinsamen Aufsicht über Finanzdienstleistungen. Eine eindeutige Antwort ist wegen der unterschiedlichen finanzmarktlichen Interaktionsprozessen kaum möglich. Grundlegende Unterschiede bestehen etwa in der Funktionsweise der Selbstregulierung. In der City of London haben Codes of Conduct (Private Rechtsetzung und Codes of Conduct) etwa im Bereich des Übernahmerechts zu beachtlichen Erfolgen geführt. In anderen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, erwies sich die Selbstregulierung häufig als deutlich weniger erfolgreich. Dem Weißbuch der Europäischen Kommission von 2005 zufolge soll deshalb zunächst der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden und die Koordination ihrer Maßnahmen verbessert werden.

Schrittmacher der Rechtsvereinheitlichung und Rechtspraxis ist die International Organization of Securities Commissions (IOSCO). Die IOSCO ist 1983 aus einer neun Jahre zuvor gegründeten und zunächst noch nicht international agierenden Organisation hervorgegangen. Heute gehören ihr Vertreter zahlreicher nationaler Finanzmarktaufsichtsbehörden an. Ihr ständiger Arbeitsfokus besteht in der Beobachtung und Fortbildung international bewährter Handelspraktiken (best practice) und deren Übersetzung in konkrete Maßnahmen, die ein rechtskonformes Verhalten der Finanzintermediäre sicherstellen (compliance). Beispiel für den Einfluss auf die europäische Regelsetzung sind die im Frühjahr 2009 in zwingendes Recht überführten Empfehlungen der IOSCO zum Wohlverhalten der Rating-Agenturen.

Die internationale Praxis beeinflusst aber auch das Recht der Finanzintermediäre im engeren Sinne. Beobachtbar war dies in den letzten Jahren etwa im Zusammenhang mit den Interessenwahrungspflichten bei Emissionsbegleitungen. Der Finanzintermediär hat hierbei das Interesse des Emittenten an der Kapitalbeschaffung, die Interessen der Anleger an fairer Zuteilung und Preisbildung und nicht zuletzt die eigenen Vertriebsinteressen in Ausgleich zu bringen. Das Trennbankensystem, das Interessenkonflikte durch die Leistungsinkompatibilität von Kredit- und Emissionsgeschäft vermeidet, konnte sich international nicht durchsetzen. Mit dem Wegfall des US-amerikanischen Glass-Steagall Act im Jahre 1999 verlor es seinen wichtigsten Repräsentanten. Im heute vorherrschenden Universalbankensystem, wie es z.B. in Deutschland seit jeher betrieben wird, sind demgemäß organisatorische Maßnahmen zur Konfliktprävention und ‑behandlung zu treffen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt die IOSCO seit 2007 u.a. die Abstandnahme von der Emissionsbegleitung, wenn dem Intermediär eine Darlehensforderung gegen den Emittenten zusteht, die ohne den Emissionserlös nicht zu befriedigen wäre. In einigen Rechtsordnungen, darunter Deutschland, hat eine so weitreichende Abstandnahmepflicht bislang keine allgemein-zivilrechtliche Verfestigung erfahren. Das Recht der Finanzintermediäre trägt damit, vermittelt über internationale Vereinheitlichungsbemühungen, zur Integration des europäischen Privatrechts insgesamt bei.

Literatur

Klaus J. Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Douglas W. Diamond, Financial Intermediation and Delegated Monitoring, The Review of Economic Studies 51 (1984) 393 ff.; Ram T.S. Ramakrishnan, Anjan V. Thakor, Information Reliability and a Theory of Financial Intermediation, The Review of Economic Studies 51 (1984) 415 ff.; Reinier R. Kraakman, Gatekeepers, Journal of Law, Economics & Organization 2 (1986) 53 ff.; Niamh Moloney, EC Securities Regulation, 2. Aufl. 2008; Anton K. Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; John C. Coffee, Gatekeepers, 2006; Guido Ferrarini, Eddy Wymeersch (Hg.), Investor Protection in Europe, 2006; Jochen Bigus, Patrick C. Leyens, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008; Christoph Kumpan, Patrick C. Leyens, Conflicts of Interest of Financial Intermediaries, European Company and Financial Law Review 2008, 72 ff.

Abgerufen von Finanzinstrument – HWB-EuP 2009 am 25. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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