Feudalrecht und Persönlichkeitsrecht: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Andreas Thier]]''
von ''[[Hannes Rösler]]''
== 1. Begrifflichkeit ==
== 1. Problemaufriss ==
Der Ausdruck „Feudalrecht“ geht auf den seit dem 10. Jahrhundert zunächst in Südfrankreich belegten Begriff ''feudum'' bzw. ''feodum'' zurück. Vermutlich in Fortbildung des fränkischen Wortes ''fehu'' (Vieh, Vermögen) entstanden, kennzeichnete ''feudum'' ursprünglich das Ritterlehen und diente als Komplementärbegriff zum Ausdruck ''alleudium'' (Allod, Eigen). Diese Begrifflichkeit legt es nahe, den Ausdruck „Feudalrecht“ als die Gesamtheit aller Rechtssätze zu deuten, die sich auf ''Lehnsverhältnisse'' beziehen. Damit ist die Beziehung zwischen einem ''Vasall'' und einem ''Lehnsherren'' angesprochen, deren Kern durch die Übertragung eines ''Lehnsguts'' auf den Vasall einerseits und dessen eidliche Verpflichtung zu Treue und Dienstleistung gegenüber dem Lehnsherren andererseits gebildet wird.  
Das Recht der Persönlichkeit unterliegt vielfältigen Spannungen. Bei öffentlichkeitsrelevanten Sachverhalten ist wegen der Bedeutung der Meinungsfreiheit erstens der entsprechende Einfluss der Verfassungsrechtsprechung zu beachten. In Europa gilt die Redefreiheit aber ebenso wenig uneingeschränkt wie in den USA, auch wenn das erste ''Amendment'' (1789) der US-Verfassung dies formell vorsieht. Im Rahmen des Deliktsrechts sind damit fundamentale Verfassungswerte in Ausgleich zu bringen: das für eine demokratische Ordnung konstitutive Freiheitsrecht des Äußernden auf Meinung (ggf. auch auf Presse, Lehre, Gewissen, Religion, Versammlung etc.) mit dem Schutzbedürfnis des persönlichkeitsrechtlich Verletzten.


Eine ''zweite Bedeutungsschicht'' des Wortes „Feudalrecht“ erschließt sich im Blick insbesondere auf die Geschichte des Sprachgebrauchs in Frankreich: Seit dem 16. Jahrhundert kennzeichnete der Ausdruck ''féodalité'' hier nicht nur die Beziehung zwischen einem Lehnsnehmer und einem Lehnsgeber, sondern auch und gerade die lokal gebundene Herrschaft des Adels im Gegensatz zur zentralisierten Herrschaft des Königtums. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde ''féodalité'' dagegen zum Inbegriff einer ungerechtfertigten Herrschaft von Aristokratie und Kirche im Allgemeinen und der bäuerlichen Abhängigkeit im Besonderen. Die Beseitigung des ''régime féodal'' durch die französische Nationalversammlung am 4.8.1789 bedeutete dementsprechend nichts weniger als die Abschaffung aller Herrschaftsrechte, die mit dem Grundeigentum verbunden waren. Diese Deutung breitete sich in der Folgezeit in Europa aus. Als ''Feudalismus'' gedeutet wurde etwa im deutschen Vormärz (1815-1848) nicht allein die Lehnsordnung, sondern auch die ''Grundherrschaft'', also die mit der rechtlichen Zuordnung von Grundbesitz verbundene Herrschaft über die darauf lebenden Menschen. Dieser Ansatz wurde in der marxistischen Geschichtsdeutung radikalisiert, in der die mittelalterliche Sozialordnung jenseits des städtischen Rechtsraums auf den Dualismus von „Feudalherrn“ und „Leibeigenen“ reduziert wurde. Vor allem ''Max Weber'' und ''Otto Hintze'' bezogen später ebenfalls neben der Grundherrschaft auch die Strukturen politischer Herrschaft in die Betrachtung ein. Die „Feudalgesellschaft“ war es auch, die in den Arbeiten von ''Marc Bloch ''und seiner Schule zur Chiffre für die gesamte Sozialordnung des Mittelalters wurde, deren elementarste Ordnungsstruktur durch das „Verhältnis der Unterordnung unter den nächsten Führer“ gebildet wurde. Bis heute allerdings ist – sicherlich nicht zuletzt auch im Blick auf die starke ideologische Aufladung des Wortes „feudal“ – umstritten, inwieweit der Ausdruck „Feudalismus“ (und insofern auch der Begriff „Feudalrecht“) zur deutenden Umschreibung der mittelalterlichen und der frühneuzeitlichen Herrschafts- und Sozialordnung geeignet ist. Das gilt umso mehr, als dabei die Rolle der rechtlich vielfach autonomen städtischen Bürgerverbände ([[Stadtrecht]]e) im Verhältnis zum Adel und den unfreien Bauern zu Deutungsproblemen führt. Unbestritten ist dagegen, dass der Ausdruck „Feudalrecht“ in seinem Kern das ''Lehnrecht'' umfasst, dessen Entwicklungslinien deswegen auch nachfolgend im Zentrum der Betrachtung stehen.
Zweitens stellt sich die Frage nach der Ausrichtung des Persönlichkeitsrechts. Gegenüberstellen lässt sich ein dignitäres bzw. immaterielles Konzept einem monetären Ansatz, und zwar sowohl beim Schutzkonzept als auch bei den Rechtsfolgen. Drittens ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts der überlagernde Einfluss der europäischen Menschenrechte und mit großen Abstrichen das Unionsrecht zu beachten. Viertens wird das Persönlichkeitsrecht gegenwärtig unter den Aspekten des Privatsphären- und Datenschutzes infolge von Digitalisierung, Vernetzung, Kommerzialisierung, Gen- und Transplantationstechnik besonders gefährdet. Damit ist das Recht der Persönlichkeit vor neue Herausforderungen gestellt, die weit über den historischen Kern des Beleidigungsschutzes (etwa im Zwölftafelgesetz VIII von 450 v. Chr.) und des [[Namensrecht]]s hinausgehen.


== 2. Die Entstehung des Lehnswesens (8.–10. Jahrhundert) ==
Fünftens lässt sich das Persönlichkeitsrecht denkbar weit fassen: Ganz mit ''Immanuel Kant ''ist schließlich die Würde, Willensfreiheit und Autonomie des Individuums maßgeblicher Mittelpunkt des Werte- und Rechtssystems moderner europäischer Staaten. Ähnlich enthält die Persönlichkeit nach ''Georg Wilhelm Friedrich Hegel ''überhaupt die Rechtsfähigkeit und bildet die Grundlage des Rechts. Daher dienen der selbstbestimmten Entfaltung der Persönlichkeit'' ''vor allem die Vertrags-, Ehe-, Testier- und Eigentumsfreiheit. Gleiches gilt für den Geheimnisschutz und das Recht des geistigen Eigentums (einschließlich des Urheber- und Markenrechts).
Ursprünglich bezeichnete das seit dem 6. Jahrhundert belegte Wort ''vassus'', das seit dem 9. Jahrhundert zu ''vasallus'' fortgebildet wurde, einen Mann, der einem Herrn (''dominus'', ''senior'') unterworfen war. Dem entspricht die Herkunft dieser Ausdrücke vom keltischen ''gwas'' (Knecht, Diener). Grundlage dieser Herrschaftsbeziehung war die ''Kommendation'' (''commendare'' – anvertrauen, empfehlen, übergeben), die vereinbarte und deswegen freiwillige Unterwerfung unter die Herrschaft eines anderen, der dafür Unterhalt und Schutz des ''vassus'' übernahm. In karolingischer Zeit, also seit dem 8. Jahrhundert, verband sich die Kommendation mit dem Ablegen eines Treueides, wodurch wohl (so die herrschende Ansicht) Elemente germanischer Verbandsstrukturen (Gefolgschaft) in die Vasallität gelangten. Vor allem aber wurde damit die normative Autonomie des Vasallen herausgehoben, der deswegen auch nach der Kommendation als – wenn auch abhängiger – Freier gelten konnte (im hochmittelalterlichen Frankreich ist der Ausdruck ''condition quasi-servile'' als Bezeichnung der Vasallität belegt). Diese Entwicklung ging mit der gezielten militärischen Verwendung von Vasallen einher, wobei hierbei das Vorbild der königlichen ''antrustiones'' (Leibwächter) prägend war, die ihrerseits eine herausgehobene soziale Stellung einnahmen. Die auf diese Weise einsetzende Aufwertung der Vasallität spiegelte sich in der Entstehung von ''vassi dominici¸ ''von adeligen Vasallen des Königs, die sich zu Kriegsdiensten verpflichteten. Mit dem bayerischen Herzog ''Tassilo III.'' (741 bis nach 794) legte wohl erstmals im 8. Jahrhundert ein Mitglied des Hochadels den Treueid als Vasall ab.


Diese personal geprägte Beziehung von Vasall und Herr wurde seit karolingischer Zeit mit einem dinglichen Element in Gestalt des ''beneficium'' (Wohltat) verbunden: Als ''beneficium'' wurde ursprünglich die Leihe von Grund und Boden verstanden, für die – im Gegensatz zu anderen Formen der Bodenleihe (''precaria'') – höchstens geringfügige Zinsleistungen zu erbringen waren. Bereits in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts wurden Vasallen zu ihrer Versorgung mit ''beneficia'' ausgestattet; 743/744 verbreiterten die karolingischen Hausmeier ''Karlmann'' (vor 714-754) und ''Pippin III.'' (714/715-768) diese Verbindung von Vasallität und ''beneficium'', indem sie königlichen Vasallen Kirchengut auf Lebenszeit zuwiesen, die dafür aber der Kirche zur Zinszahlung verpflichtet wurden (''precaria verbo regis''). Seit dieser Zeit wurden ''beneficia'' als Gegenleistung für Kriegsdienste immer häufiger nicht allein durch die Karolinger, sondern auch den Adel und die Kirche vergeben. Zugleich wurden auch Herrschaftsrechte wie etwa die Leitungsbefugnis für Abteien oder Grafschaftsbefugnisse in diese Vergabe einbezogen. Diese Verbindung von Vasallität und ''beneficium'' wandelte sich von herrschaftlicher Praxis zu normativer Verbindlichkeit, als am Ende der Karolingerzeit Regelungen über die vasallitischen Rechte und Pflichten hinsichtlich des ''beneficium'' entstanden: Bereits seit Beginn des 9. Jahrhunderts konnten Verstöße gegen die Pflicht zur Kriegsdienstleistung im Entzug des ''beneficium'' enden. 877 wurde im Kapitular von Quierzy die Regel bestätigt, dass (ebenso wie das Grafenamt) ein ''beneficium'' beim Versterben seines Inhabers auf dessen Sohn übergehen, also erblich sein sollte. Solche Bestimmungen belegten die Verfestigung der Beziehung von ''beneficium'' und Vasallität, die mit der Verdrängung des Ausdrucks ''beneficium'' durch das Wort ''feudum'' (s.o. 1.) seit dem 10. Jahrhundert auch ihre semantische Entsprechung fand. Allerdings blieb auch jetzt die Vasallität ohne Lehen (''vassus non casatus'') ebenso bestehen wie die leihweise Vergabe von Grundbesitz ohne militärische Leistungsverpflichtung.  
== 2. Tendenzen bei den nationalen Voraussetzungen ==
Bei den dogmatischen Strukturen des Persönlichkeitsrechts und der Interessenabwägung weichen die Rechtsordnungen erheblich ab. Eine spezifische gesetzliche Regelung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts insgesamt findet sich selten, so aber etwa in Österreich und Spanien. Im Übrigen stehen richterrechtliche Entwicklungen im Vordergrund.


== 3. Die Ausformung des Lehnrechts in Europa (11.–14. Jahrhundert) ==
=== a) Deutschland ===
Seit etwa dem 11. Jahrhundert wurden lehnrechtliche Strukturen in weiten Teilen Europas zum dominierenden Ordnungsgefüge politischer Herrschaft. Zugleich gewannen die frühmittelalterlich entstandenen Regelungsansätze an Komplexität und Vielfalt. Dem entsprach es, dass die im 12. Jahrhundert einsetzende Verwissenschaftlichung des Rechtsdenkens auch das Lehnrecht erfasste.  
In Deutschland ist zunächst der strafrechtliche Ehrenschutz zu nennen, der auch deliktsrechtliche Ansprüche nach sich ziehen kann (über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB). Zu beachten ist auch § 824 BGB über die Kreditgefährdung und § 826 BGB im Fall von sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigungen. Bei einer Verletzung des Namensrechts in § 12 BGB können Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestehen. Im Jahr 1907 wird das Recht am eigenen Bild nach §§ 22 f. KunstUrhG geschaffen: Bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ist ausnahmsweise eine Einwilligung entbehrlich (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Dafür wird eine einzelfallbezogene Interessenabwägung verlangt, und zwar seit neuerem auch bei Personen mit hohem Bekanntheitsgrad.


=== a) Die Ausbreitung des Lehnrechts ===
Die verschiedenen zivilrechtlichen Ansätze im Sinne eines „besonderen Persönlichkeitsrechts“ bedurften in der Nachkriegszeit aus Gründen der Verfassungsneuordnung einer Fortentwicklung. Hatte der BGB-Gesetzgeber bewusst das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ins BGB aufgenommen und hatte es auch noch das RG wegen der mangelnden gegenständlichen Verkörperung abgelehnt, erkannte es der BGH in den 1950er Jahren als „sonstiges“ Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an (BGH 25.6. 1954, BGHZ 13, 334 – ''Leserbriefe''). Dabei handelt es sich um das absolute subjektive Recht eines Menschen an seiner Persönlichkeit insgesamt.  
Seit etwa dem 11. Jahrhundert breiteten sich lehnrechtliche Strukturen, ausgehend vom ehemals karolingischen Herrschaftsraum, vor allem in Westeuropa aus: Mit dem Beginn der salischen Herrschaft (seit 1024) gewann das Lehnswesen neuen Einfluss im Reich, insbesondere im italienischen Raum. Diese Tendenz verstärkte sich noch mit dem Ende des Investiturstreits durch das Wormser Konkordat im Jahre 1122: Denn das Kaisertum verzichtete nunmehr auf die amtsrechtliche Eingliederung des Reichsepiskopats in die Herrschaftsordnung des Reiches, band stattdessen die je kirchlich gewählten neuen Reichsbischöfe als kaiserliche Vasallen an sich und bewirkte damit eine „Feudalisierung der Reichskirche“ (''Peter'' ''Classen''). Vom Lehnswesen geprägt wurden aber auch Herrschaft und (adelige) Gesellschaft in Frankreich und in England. Doch auch das Papsttum bediente sich in der Auseinandersetzung mit weltlichen Herrschern lehnrechtlicher Elemente, was besonders eindrucksvoll durch die Unterwerfung ''Johanns von England'' (1199-1216) unter die päpstliche Lehnshoheit 1213 zum Ausdruck kam. In den Kreuzritterherrschaften des Nahen Osten wie etwa im 1099 errichteten Königreich Jerusalem schließlich bildete das Lehnswesen ein wesentliches Instrument herrschaftlicher und sozialer Ordnung.  


=== b) Tragende Elemente lehnrechtlicher Ordnung ===
Der BGH bezeichnet es als „jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht“ (BGH 14.2.1958, BGHZ 26,&nbsp;349,&nbsp;354 – ''Herrenreiter''). Diese generalklauselartige Rechtsposition („Rahmenrecht“) wird gestützt auf die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß der 1949 geschaffenen Art.&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 und 2 Abs.&nbsp;1 GG. Doch der BGH gewährt sogar ''contra legem ''einen Ersatz des immateriellen Schadens, und zwar sofern die Umstände, insbesondere die Schwere der Verletzung oder des Verschuldens eine derartige Genugtuung erfordern (BGH 14.2.1958, BGHZ 26,&nbsp;349; BGH 19.9.1961, BGHZ 35,&nbsp;363 – ''Ginsengwurzel''<nowiki>; BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269 – </nowiki>''Soraya'').
Der starken räumlichen Ausbreitung des Lehnswesens entsprach die zunehmend differenzierte Komplexität seiner Regelungsinhalte. ''Susan Reynolds'' hat 1994 in einem bahnbrechenden Werk sogar die – im vorliegenden Rahmen nicht näher zu diskutierende – These formuliert, dass die Lehen seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert im Vergleich zu den frühmittelalterlichen ''beneficia ''„a fundamentally different category of property“ gebildet hätten. Umgekehrt seien auch die vasallitischen Pflichten erst seit dem 11.&nbsp;Jahrhundert auf die Lehensvergabe gegründet worden. In der Tat ist nicht zu übersehen, dass erst seit dieser Zeit lehnrechtliche Ordnungselemente schärfere Konturen gewinnen, auch wenn andererseits wohl jedenfalls ideelle Kontinuitäten zur karolingischen Zeit existieren. Das gilt vor allem für die Begründung der Lehnsbeziehung: Einem Unterwerfungsakt des künftigen Vasallen in Form des seit dem 11.&nbsp;Jahrhundert zunächst in Frankreich, später auch im Reich so bezeichneten ''homagium ''(''hominaticum'','' hominatio'' Huldigung) folgte der vasallitische Treueid und sodann die Einsetzung (''investitura'') in das Lehen durch die Übergabe eines Symbols (etwa einer Fahne oder eines Zepters). Die Pflichten aus dem Lehnsverhältnis endeten mit dem Tod des Herrn (''Herrenfall'') oder des Vasallen (''Mannfall'') und konnten von den jeweiligen Erben erneuert werden. Das taten diese auch regelmäßig, um so die Kontinuität der lehnrechtlich begründeten Herrschafts- und Vermögensordnung zu sichern.  


Wichtigstes Objekt der Lehnsvergabe blieb zwar der Grundbesitz. Doch wurden auch Herrschaftsrechte wie etwa Regalien und seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert im Zeichen der aufkommenden Geldwirtschaft auch Renten als sog. ''Rentenlehen'' vergeben, die die Herrschaftsposition des Lehnsgebers unberührt ließen und im Fall eines Konflikts mit dem Vasallen ungleich leichter kontrolliert werden konnten als etwa Jurisdiktionsbefugnisse oder Grundbesitz.  
Besondere Brisanz erhält der besagte Konflikt zwischen Persönlichkeits- und Freiheitsrechten bei Äußerungen, die von demokratischer Relevanz sind. Dies erklärt, warum das BVerfG die Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte auf das Zivilrecht ausgehend vom Bereich der Meinungsfreiheit entwickelt hat (BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 – ''Lüth''). In der Sache ging es um einen Boykottaufruf zu einem Film eines nationalsozialistischen Regisseurs. Im ''Lüth''-Urteil hat das BVerfG zudem ein weites Verständnis der Meinungsfreiheit hervorgehoben. Sie sei – wie bei sämtlichen freiheitlich-demokratischen Rechtsordnungen – „Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.


Eine neue Qualität gewann auch das Verhältnis von Lehnsvergabe und Lehnsdienst, das seit dem 11.&nbsp;Jahrhundert zur, modern gesprochen, synallagmatischen Beziehung wurde: Denn nunmehr war die Übertragung des Lehens grundsätzlich konstitutiv für das Lehnsverhältnis, auch wenn in England und Frankreich bis zum Ende des 12.&nbsp;Jahrhunderts mit den ''household knights'' und ''bacheliers'' noch Vasallen ohne Lehnsgut (''vassi non casati'') belegt sind. Dieser allgemein als „Verdinglichung des Lehnswesens“ bezeichneten Entwicklung entsprach es, dass der Vasall sich seiner Lehnspflichten durch die Rückgabe des Lehens entledigen konnte, während der Lehnsherr im Fall einer vasallitischen Pflichtverletzung das Lehen einziehen durfte, im Fall der eigenen Pflichtverletzung dagegen seine Befugnisse am Lehnsgut verlor. Der normative Kern der lehnrechtlichen Pflichtenbindung wird in der Bezeichnung der Pflichtwidrigkeit mit dem Ausdruck ''Felonie (''felonia'','' félonie'') erkennbar, der sich aus dem Begriff ''fello'' (Verräter) ableitete: Die Grundlage aller Lehnspflichten bildete die durch den Vasallen eidlich gelobte Treue, als deren Reflex sich auch eine Treuepflicht des Lehnsherren ergab. Ihre Konkretisierung fand diese Treuepflicht in dem Verbot, den Lehnsherren zu schädigen; im oberitalienisch-langobardischen Lehnrecht wurde daraus sogar das Verbot abgeleitet, den Herren zu verklagen oder als Zeuge gegen ihn auszusagen. Darüber hinaus kristallisierte sich die bereits erwähnte Verdinglichung des Lehnsverhältnisses in der immer wieder betonten (und demnach offenbar vielfach vernachlässigten) Verpflichtung des Vasallen, Verfügungen zu Lasten des Lehens wie etwa die Verpfändung oder die Veräußerung nur mit Einwilligung des Lehnsherrn vorzunehmen. Doch der Vasall schuldete auch jenseits dieser Ebene ein positives Tun, das vielfach mit der Formel ''consilium et auxilium'' (Rat und Hilfe) umschrieben wurde und konkret neben militärischer Unterstützung die Begleitung des Herrn zum Hof des Herrschers und die Beteiligung am ''Lehnsgericht ''umfasste; die seit dem 13.&nbsp;Jahrhundert einsetzende Entstehung ständischer Körperschaften, der institutionellen Vorläufer moderner Parlamente, hat einen ihrer Ausgangspunkte in den auf dieser Grundlage entstehenden Vasallentagen (''Manntage'').  
Kennzeichnend für das deutsche Recht ist die umfassende sachverhaltsorientierte Abwägung der gegeneinanderstehenden Güter und Interessen: Das Persönlichkeitsrecht ist in Verhältnis zu setzen zu den Gegeninteressen. Dazu zählen vor allem die Meinungs- und Pressefreiheit (Art.&nbsp;5 Abs.&nbsp;1 GG), die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art.&nbsp;5 Abs.&nbsp;3 GG), die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art.&nbsp;12, 14 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art.&nbsp;2 Abs.&nbsp;1 GG). Stets kommt es auf den Einzelfall an und insbesondere darauf, welcher Schutzbereich der Persönlichkeit (z.B. Sozial-, Privat- oder Intimsphäre) betroffen ist. Bei der Abwägung ist allerdings den Äußerungsfreiheiten ein großes Gewicht beizumessen (Wechselwirkungslehre seit BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198, 209).


Die lehnrechtliche Bindung begründete freilich keine exklusive Beziehung, es war dem Vasall unbenommen, sich gleichzeitig mehr als einem Herren zu verpflichten. Als Reaktion auf solche Mehrfachvasallitäten und die daraus resultierenden Interessenkonflikte (bisweilen war ein Vasall mehr als 20&nbsp;Herren verpflichtet) entstand im 11.&nbsp;Jahrhundert mit dem ''homagium ligium'' (abgeleitet wohl von ''liticus'' und damit von ''litare ''<nowiki>= opfern) der Typus eines qualifizierten Treueides, der sich von Frankreich aus vor allem in England und im Westen des Reiches verbreitete. Hierbei band sich der Vasall ursprünglich ausschließlich an einen Herrn zur Unterstützung </nowiki>''contra omnes homines'' (gegen alle Menschen), später wurde nur mehr der Vorrang des konkreten Lehnsverhältnisses gegenüber anderen Lehnsbindungen gelobt, doch bildeten sich seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert zunehmend Nuancierungen solcher sog. „ligischen“ Lehnspflichten. So kam es immer wieder zu Konfliktsituationen, in denen ein Vasall einem seiner Herrn im Interesse eines anderen die Treue aufkündigte, auch wenn immer wieder versucht wurde, durch die Vereinbarung von Treuevorbehalten solche Konstellationen zu verhindern.
Die grundsätzlich nicht-materiellen Persönlichkeitsrechte sind unvererbbar und unübertragbar. Sie erlöschen mit dem Tod der Person. Als Besonderheit kennt das deutsche Recht aber ein postmortales Persönlichkeitsrecht an, das den Staat aus der verbleibenden Menschenwürde nach Art.&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 GG in eine Schutzpflicht nimmt (BVerfG 24.2.1971,'' ''BVerfGE 30, 173). Später hat der BGH 1.12.1999,'' ''BGHZ 143,&nbsp;214 aber entschieden, das Persönlichkeitsrecht enthalte auch Bestandteile mit Vermögenswert, die von den Erben geltend gemacht werden dürfen.


=== c) Die Verwissenschaft&shy;lichung des Lehnrechts ===
=== b) Frankreich ===
Die ausgeprägte Vielfalt lehnrechtlicher Normbildungen bewirkte eine gesteigerte Verschriftlichung des Lehnrechts. Das galt nicht allein für die Belege von Belehnungen, die ursprünglich nur durch die Anwesenden bezeugt wurden, für die sich aber zunächst in Oberitalien mit dem ''breve testatum'' und später auch in Mitteleuropa mit dem Lehnsbrief und dem Lehnsrevers sowie dem Lehnsregister die urkundliche (und mit einer Abgabe verbundene) Dokumentation entwickelte. Doch auch die im Ausgangspunkt auf Gewohnheitsrecht basierenden Lehnrechtsregeln selbst erlebten eine zunehmende Verschriftlichung: So ergingen in Form von herrscherlichen Lehnsgesetzen wie etwa im Reich (1037, 1136, 1154, 1158, 1338) präzisierende und ergänzende Anordnungen. Vor allem aber entstanden seit dem 12.&nbsp;Jahrhundert Aufzeichnungen regionaler Lehnrechtsgewohnheiten, die die Verfestigung der lehnrechtlichen Tradition in Gerichtspraxis und Rechtswissenschaft garantierten. Besonders einflussreich wurde der lehnrechtliche Teil des um 1230 entstandenen ''Sachsenspiegels'', der das sächsische Lehnrecht aufzeichnete, seit dem 14.&nbsp;Jahrhundert glossiert wurde und im osteuropäischen Raum bis zum 19.&nbsp;Jahrhundert gesetzesgleiche Bedeutung hatte. Doch auch im Traditionszusammenhang des [[Ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] hinterließ das Lehnrecht deutliche literarische Spuren: Seit etwa der Mitte des 12.&nbsp;Jahrhunderts entstand in Oberitalien in drei Rezensionen eine umfangreiche Sammlung von insbesondere langobardischen Lehnrechtsregeln, kaiserlichen Lehnsgesetzen (1136, 1158) und einer Reihe von lehnrechtlichen Abhandlungen. In den Manuskripten bezeichnenderweise nicht selten ''consuetudines feudorum'' (Gewohnheitsrecht der Lehen) genannt, gelangten die allgemein als ''libri feudorum'' bezeichnete Sammlung als ''decima collatio'' in das ''[[Corpus Juris Civilis]]'', was sicherlich auch auf seiner Glossierung durch ''Accursius'' (um 1185-1263) beruhte. Das Werk bildete nunmehr den textlichen Ausgangspunkt für eine an oberitalienischen Universitäten entstehende neue rechtswissenschaftliche Teildisziplin, die ''Feudistik'', und blieb bis etwa zum Ende des 18.&nbsp;Jahrhunderts die zentrale Referenz der europäischen Lehnrechtstradition. Doch die lehnrechtliche Praxis spiegelte sich auch im Diskurs der ''Legisten'': Um die Verteilung der Befugnisse am Lehen mit dem römischrechtlichen Vermögensrecht zu harmonisieren, entwickelten sie die Lehre von einem ''geteilten Eigentum'', das in ein ''dominium directum'' des Lehnsherrn als Obereigentümer und in ein ''dominium utile'' des Vasallen als Untereigentümer zerfiel.
Der französische Schutz der Persönlichkeitsrechte ist ebenso wie der italienische verhältnismäßig intensiv. Er kennt – anders als der deutsche, österreichische, italienische und niederländische, aber ebenso wie der belgische – kein allgemeines, d.h. allumfassendes Persönlichkeitsrecht. Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Schadensersatz für materielle und immaterielle Verletzungen, Beseitigung und Unterlassung ist die deliktsrechtliche Generalklausel der Art. 1382, 1383 ''Code civil''. Beim Ehrenschutz ist die ''faute'' schon gegeben, wenn die strafrechtlichen Tatbestände der üblen Nachrede (''diffamation'') oder der Beleidigung (''injure'') in Art.&nbsp;29 Pressegesetz von 1881 erfüllt sind. Auch darüber hinaus bestehen in bestimmten Bereichen Haftungserleichterungen.  


=== d) Die politische und soziale Ordnungsfunktion des Lehnrechts ===
Auf Grundlage der Generalklausel wurde zudem schon 1858 das Recht am eigenen Bild anerkannt (''Tribunal civil de la Seine'', 16.6.1858 – ''Rachel'', D. 1858, 3, 62). Die Privatsphäre wird zudem seit 1970 durch Art.&nbsp;9 ''Code civil'' umfassend geschützt. Danach kann das Gericht unabhängig vom Ersatz des entstandenen Schadens zur Verhinderung oder Beendigung von Eingriffen in die Privatsphäre die Beschlagnahme und andere angemessene Maßnahmen anordnen. Auf den Bekanntheitsgrad kommt es grundsätzlich nicht an. Beim Bildnisschutz erfolgt eine Abwägung mit dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Berichte über private und familiäre Angelegenheiten können danach nur bei aktuellem und besonderem Nachrichtenwert zulässig sein (''Cour d’Appel Paris'' 13.3.1986 – ''Yannick Noah'', D. 1986, somm., 445; ''Tribunal de Grande Instance Nanterre'' 3.6.2002 – ''Jean-Paul Belmondo'', Légipresse No.&nbsp;194-I, 101). Dazu können z.B. Unfälle, Schwangerschaften, Hochzeiten und Trauerfälle von öffentlichen Personen zählen. Angenommen wird dagegen ein Eingriff in das „vie privée“ bei Bildberichten über private und alltägliche Betätigungen, welche nur das reine Kuriositätsinteresse der Leser befriedigen (insbesondere Fotografien von Freizeitaktivitäten, wie z.B. Baden, Cass. civ. 13.4.1988, JCP 1989 II. 21320).  
Die weite Verbreitung des Lehnrechts beruhte vor allem auf seiner hierarchisierenden Ordnungsfunktion: Die Wechselbeziehung zwischen Königtum und Adel gewann normative Konturen, Nähe (und auch Distanz) zum Herrscher und damit der adelige Rang konnten in institutionalisierter Form zum Ausdruck gebracht werden. Damit wurde es möglich, die Organisation von hoheitlicher Herrschaft auf eine neue Grundlage zu stellen, so dass ''Heinrich Mitteis'' in diesem Zusammenhang das Lehnrecht sogar als „Helfer des Staatsgedankens“ gesehen hat. Bezeichnenderweise war etwa das staufische Kaisertum des 12.&nbsp;Jahrhunderts bemüht, die Übertragung von Reichsrechten an das Lehnrecht zu binden, so dass „das, was vom Reich gehalten wird, aufgrund Lehnrechts besessen wird''“ ''(''ea que ab imperio tenentur'','' iure feudali possidentur''<nowiki>; Reichsweistum 1157). Die unmittelbar vom Kaiser mit Reichsgut belehnten Vasallen, die zugleich auch selbst Lehnsherren waren, besetzten dabei als weltliche oder geistliche Reichsfürsten (</nowiki>''principes imperii'') eine herausgehobene Position in der adeligen Sozialordnung und im Herrschaftsgefüge des Reichs. Die auf diese Weise bewirkte Feudalisierung der Beziehungen zwischen dem Hochadel des Reichs und dem Kaisertum wurde nicht selten gerade von den staufischen Kaisern mit der Vergabe von sog. ''Auftragslehen'' verstärkt: Dabei wurden dem Kaiser die Allodialgüter eines hohen Adeligen übertragen und diesem, umgewandelt in Reichsgut, als Lehnsgut wieder zurückgegeben. Solche Phänomene fanden ihre Entsprechung in einer ausgeprägten Differenzierung der ursprünglich dreigliedrigen Lehnshierarchie (Königtum, Kronvasallen, Untervasallen) in ein vielstufiges Ordnungsgefüge, in dem sich Über- oder Unterordnung durch die Befugnis ausdrückte, Lehen zu verleihen (''Lehnsfähigkeit''). So umfasste die seit dem ausgehenden 12.&nbsp;Jahrhundert entstehende und insbesondere im ''Sachsenspiegel'' verschriftlichte ''Heerschildordnung'' sieben Ebenen, an deren Spitze der König und die Reichsfürsten standen und deren unterste Ebene durch diejenigen Adeligen gebildet wurden, die nur zum Empfang, aber nicht zur Vergabe von Lehen berechtigt waren. Während allerdings im Reich des 13. und 14.&nbsp;Jahrhunderts die lehnrechtliche Oberhoheit des Kaisers erodierte und eine Fülle von lehnsfreien allodialen Herrschaftsbezirken entstand, gelang dem französischen Königtum die konsequente Feudalisierung des Landes (''nulle terre sans seigneur''), die im König als oberstem Lehnsherr ihren hierarchischen Schlusspunkt fand.


== 4. Lehnrecht und Staatlichkeit (15.–18. Jahrhundert) ==
=== c) England ===
Im Zeichen des aufsteigenden frühneuzeitlichen Anstaltsstaats rückten lehnrechtliche Beziehungen zunehmend in die Peripherie des Herrschaftsgefüges, blieben allerdings weiterhin in der europäischen Rechtstradition präsent. Dabei nutzten Könige und Landesherren weiterhin die politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Lehnrechts wie etwa die Bestrebungen ''Josephs&nbsp;I.'' (1705-1711) belegen, seine Herrschaft über Italien durch den Rückgriff auf überkommene kaiserliche Lehnsbefugnisse zu konsolidieren. Ohnehin bildete das Lehnrecht einen wichtigen formalen Ordnungsrahmen gerade für das Miteinander von Kaiser und Reichsadel, dem anzugehören für den Wiener Hofadel des 17. und 18.&nbsp;Jahrhunderts besonders wichtig war. Zugleich bildete die lehnrechtliche Tradition insbesondere seit etwa dem 17.&nbsp;Jahrhundert die normative Grundlage adeliger Privilegien wie etwa ständischer Mitspracherechte oder der Steuerfreiheit, die teilweise, wie etwa in Preußen, erst im späten 19.&nbsp;Jahrhundert beseitigt wurde.
Das englische Recht ist geprägt durch das richterrechtliche ''tort of defamation'' mit seinen zwei Formen von ''libel ''und ''slander''. Die erste ist die ehrverletzende Äußerung in fixierter Form bzw. über Rundfunk und ist ''actionable per se''. Bei ''slander'', also der Ehrverletzung in mündlicher Form, kommt eine Klagbarkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht. Da Verschulden grundsätzlich keine Voraussetzung für eine erfolgreiche ''defamation''-Klage ist, kann die Haftung der Medien durchaus weit gehen. Allerdings bestehen drei hauptsächliche Einreden ''justification'', ''fair comment ''und in Sonderfällen ''privilege''. Bei Tatsachen kommt es vorrangig auf den Wahrheitsbeweis an. Bei Meinungen kann die Einrede des „fair comment on a matter of public interest“ erhoben werden. Einstweilige gerichtliche Verfügungen (''interlocutory injunctions'') sind – anders als in Deutschland und Frankreich – traditionell nur in engen Ausnahmefällen möglich ([[Einstweiliger Rechtsschutz]]). Eine [[Prozesskostenhilfe]] wird nicht gewährt.
 
Mit einem umfassenden Privatsphärenschutz und einem Recht am eigenen Bild (also der Erhebung bzw. Verbreitung wahrer persönlicher Informationen) tut sich das englische Recht mit einer Vielzahl von speziellen Deliktstatbeständen traditionell schwer. In Teilen vermögen die Deliktsklagen ''breach of confidence'','' nuisance'','' trespass'','' passing off'','' malicious falsehood ''und im Fall fortwährender Belästigung der ''Harassment Act 1997'' zu helfen. Die Lückenhaftigkeit des englischen Rechts wird selbst von den Gerichten beklagt. Zur Schaffung einer Abhilfe sah man sich allerdings wegen der traditionell nur begrenzten Fortentwicklungsmöglichkeit englischen Präjudizienrechts außer Stande und verwies auf den Gesetzgeber (''Kaye v. Robertson ''<nowiki>[1991] FSR 62, 66 (CA); es ging um Veröffentlichung von Fotos eines in Koma gefallenen Schauspielers, was aber über </nowiki>''injurious falsehood ''untersagt werden konnte, da der unzutreffende Eindruck hervorgerufen worden sei, er habe zugestimmt).
 
Allerdings hat sich die Situation durch den ''Human Rights Act'' ''1998'', also die britische Umsetzung der EMRK grundlegend gewandelt. Das Gesetz von 1998 hat zwar keine unmittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen. Sofern aber eine „cause of action“ einschlägig ist, hat das Gericht in Einklang mit Art.&nbsp;8 und 10 EMRK'' ''zu entscheiden (''Campbell v. MGN''<nowiki> [2004] UKHL 22 (HL), Rn.&nbsp;132). Dementsprechend kam es zu einer Erweiterung des Schutzes vertraulicher Informationen. Heute ist die Privatsphäre aus Art.&nbsp;8(1) EMRK als Schutzgut des „breach of confidence“ anerkannt. Erfolgreich war dementsprechend die Klage eines Schauspielers vor dem </nowiki>''Court of Appeal'' gegen die Veröffentlichung von Fotografien seiner Hochzeit, die streng abgeschirmt stattgefunden hatte (''Douglas v. Hello! Ltd.''<nowiki> [2003] 3 All ER 996 (HL)). </nowiki>Fremd ist dem englischen Recht jedoch ein umfassendes ''law of privacy'','' ''wie es das US-amerikanische Recht kennt.
 
== 3. Tendenzen bei den Rechtsfolgen ==
Auch bei den Rechtsfolgen bestehen in Art und Umfang beträchtliche Unterschiede. Als immaterielle, naturalrestitutive Abwehransprüche kommen grundsätzlich Unterlassung, Berichtigung bzw. Widerruf und Gegendarstellung in Betracht. Wegweisend ist das ''droit de réponse'' nach Art.&nbsp;13 des französischen Pressegesetzes von 1881. Vielfach wurde es in andere Rechtsordnungen übertragen, so etwa in Deutschland in die landesrechtlichen Presse- und Mediengesetze, wo es allerdings auf Tatsachenbehauptungen beschränkt ist. Demgegenüber steht dem englischen Recht kein vergleichbares zivilrechtliches Instrumentarium zur Verfügung. Insbesondere besteht im anglo-amerikanischen Recht beträchtliche Zurückhaltung gegenüber dem Gegendarstellungsrecht. (Siehe aber Empfehlung über den Schutz Minderjähriger und den Schutz der Menschenwürde und über das Recht auf Gegendarstellung, ABl. 2006 L&nbsp;378/‌72.) Das französische Recht kennt zudem die Möglichkeit der Urteilsveröffentlichung in dem verletzenden Medium, insbesondere bei Ehrenklagen.
 
Daneben gewinnen in Deutschland bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen oder schwerem Verschulden Ansprüche auf Geldersatz an Bedeutung, die wiederum im anglo-amerikanischen Recht vorherrschend sind. So hat die deutsche Rechtsprechung hier zunächst die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion in den Vordergrund gestellt. Erweiternd erkannte der BGH aber in ''Caroline von Monaco&nbsp;I'' auch den Präventionsgedanken an und bezog insbesondere die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor für die Höhe der Geldentschädigung ein (Es ging um ein frei erfundenes Interview und Paparazzi-Fotos, BGH 15.11.1994, BGHZ 128,&nbsp;1).
 
Allerdings schließt die Rechtsprechung trotz rücksichtsloser Kommerzialisierung der Persönlichkeit eine „Gewinnabschöpfung“ aus. Das unterscheidet das deutsche Recht etwa vom englischen, wo auch der Verletzergewinn herausverlangt werden kann (''account for profits''). Demgegenüber kommt auch nach deutschem Recht der Ersatz des Vermögensschadens in Betracht, etwa in Form der Lizenzanalogie (BGH 8.5.1956 – ''Dahlke'', BGHZ 20,&nbsp;345; BGH 26.10.2006 – ''Lafontaine'', BGHZ&nbsp;169,&nbsp;340). Mit der durch BGHZ 128,&nbsp;1 erreichten Verschärfung der Haftungsfolgen, die disziplinierend auf die Unterhaltungsmedien wirken soll, rückt das deutsche Recht funktional etwas an die Strafschadensersatzansprüche des anglo-amerikanischen Rechts (''punitive damages'') heran, auch wenn es dessen Höhe bei weitem nicht erreicht ([[Strafschadensersatz]]).
 
Damit variiert die Höhe des Geldersatzes in Europa stark. So können die Schadensersatzsummen für Ehrverletzungen in England beträchtlich ausfallen. Dagegen wurden bei der Privatsphärenverletzung in ''Campbell'' nur GBP 3.500 zugesprochen. Frankreich kennt zum Ausgleich des immateriellen Schadens auch die Gewährung eines nur symbolischen Kleinbetrags. Einige Rechtsordnungen sehen zudem neben der Entschädigung gegenüber dem Verletzten auch die Möglichkeit einer Art Reu- oder Bußgeld an eine Wohltätigkeitsorganisation vor (z.B. in der Schweiz Art.&nbsp;49 Abs. 2 UAbs.&nbsp;2 OR).
 
== 4. Europäisches Recht ==
=== a) Völkervertragsrecht ===
Alle 47 Staaten des Europarates haben die EMRK ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]) von 1950 ratifiziert und sich damit dem [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|EGMR]] unterworfen. Daher gilt das Recht auf Privatsphärenschutz nach Art.&nbsp;8 EMRK und auf freie Meinungsäußerung nach Art.&nbsp;10 EMRK europaweit und für weitere EMRK-Staaten, z.B. Russland und die Türkei. In der viel beachteten EGMR-Entscheidung ''von Hannover/‌Deutschland'' (EGMR Nr.&nbsp;59320/‌00) ging es um den Schutz der Privatsphäre in der Öffentlichkeit. Diesen habe der Staat auch bei Prominenten sicherzustellen. Darum verwarf der EGMR ein medienfreundlicheres Grundsatzurteil des BVerfG (15.12.1999, BVerfGE 101, 361). Bei Politikern und exponierten Amtsträgern verfährt der EGMR insgesamt großzügiger: Der EGMR hat beispielsweise Frankreich wegen des Verstoßes gegen Art.&nbsp;10 EMRK verurteilt. Ein französisches Gericht hatte unter Hinweis auf die Verletzung des Arztgeheimnisses die Veröffentlichung des Buches „Le Grand Secret“ über die Krankheitsgeschichte des gerade verstorbenen ''François Mitterand ''untersagt (EGMR Nr.&nbsp;58148/‌00 – ''Plon (Société)/‌Frankreich'').
 
=== b) Unionsrecht ===
Nicht zuletzt aus Komptenzgründen hat der Gemeinschaftsgesetzgeber – anders als im Immaterialgüterrecht – bisher keine Maßnahmen zum allgemeinen Persönlichkeitsschutz ergriffen. Allenfalls zum Datenschutz finden sich Rechtsakte (RL&nbsp;95/‌46 und RL&nbsp;2002/‌58). Zwar schafft die GRCh in Art.&nbsp;7 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation und in Art.&nbsp;11 die Meinungsäußerung- und Informationsfreiheit. Damit sind aber keine neuen Kompetenzen begründet (Art.&nbsp;51(2) GRCh; Art.&nbsp;6(1) EU (1992)/‌Art.&nbsp;6(1) EU (2007)). Zudem erkennt die EU die Persönlichkeits- und Kommunikationsrechte als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts an (vgl. Art.&nbsp;6(2) EU (1992)/‌Art.&nbsp;6(2) EU (2007)). Vieles ist hier noch klärungsbedürftig, was der traditionellen Wirtschaftsorientierung des Gemeinschaftsrechts geschuldet ist. Auch Art.&nbsp;1(2)(g) Rom&nbsp;II-VO (VO&nbsp;864/‌2007 über außervertragliche Schuldverhältnisse) nimmt Verletzungen der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte vom Anwendungsbereich der Rom&nbsp;II-VO aus.
 
== 5. Bewertung der Konvergenzen ==
Die europäischen Rechtsordnungen wägen die betroffenen Belange anhand des Einzelfalls ab. Teils aufgrund des Einflusses der EMRK ist dabei dem öffentlichen Informationsinteresse herausragende Beachtung zu schenken. Anderenfalls könnten die Medien ihre für die demokratische Gesellschaft entscheidende Kontrollfunktion (''public watchdog'') nicht wahrnehmen (EGMR Nr. 8734/‌79 – ''Barthold/‌Deutschland'', §&nbsp;58). Der EGMR verweist hierzu auch auf den Gedanken der US-Rechtsprechung, insbesondere den ''chilling effect'', also die Gefahr der Einschüchterungswirkung durch überstarken Persönlichkeitsschutz (EGMR Nr. 33348/‌96 – ''Cumpănă und Mazăre v. Romania'', § 114).
 
Weitgehende Einigkeit besteht zudem darin, dass unwahre, persönlichkeitsverfälschende Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen bei denen nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, keinen Schutz verdienen (in Deutschland sog. „Schmähkritik“, BVerfG 13.5. 1980, BVerfGE 54, 129). Darüber hinaus werden die Grenzen aber unterschiedlich gezogen, in England sehr großzügig, in Frankreich eher eng. In Deutschland sind Meinungen in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage bis zur Grenze der besagten Schmähkritik grundsätzlich erlaubt.
 
Davon zu unterscheiden sind die durch Teleobjektive von Paparazzi und Abhörgeräte stattfindende Ausforschung und anschließende Veröffentlichung durch die Massenmedien von zutreffenden Informationen aus der Privat- oder gar Intimsphäre (z.B. Gesundheits- und Sexualbereich) ohne Einwilligung des Betroffenen. Ausnahmen kommen hier allenfalls bei einem herausragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Betracht, insbesondere wenn die veröffentlichten Umstände eine zeitgeschichtliche bzw. historische Bedeutung aufweisen.
 
Schwieriger ist die Beurteilung von Fotos, die Personen des öffentlichen Lebens (''public figures'') an nicht abgeschiedenen Orten zeigen. Das englische Recht erlaubt unter Betonung der Pressefreiheit grundsätzlich auch die Veröffentlichung trivialer Informationen, während das französische Recht (wie auch das italienische) einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse verlangt und bei heimlich angefertigten Fotografien einen strengen Schutz gewährt. Das deutsche Recht nimmt eine Zwischenposition ein.
 
Gleichwohl sind die Konvergenzen unübersehbar: Auch das englische Recht erkennt nun die Privatsphäre als Schutzgut an. Französische Gerichte urteilen, nicht zuletzt unter dem Einfluss des EGMR, medienfreudlicher als früher. Das deutsche Recht schützt die Privatsphäre von Prominenten in der Öffentlichkeit unter Einfluss des französischrechtlich inspirierten EGMR-Urteils in der Sache ''von Hannover'' verstärkt (BGH 6.3.2007, BGHZ 171,&nbsp;275; BVerfG 26.2.2008, BVerfGE 120, 180). Dies geschieht, obwohl die EMRK formal keinen zum Unionsrecht vergleichbaren Einfluss ausübt: Sie hat nach Art.&nbsp;59 Abs.&nbsp;2 GG nur den Rang eines einfachen Gesetzes.


==Literatur==
==Literatur==
''Peter Classen'', Das Wormser Konkordat in der deutschen Verfassungsgeschichte, in: Josef Fleckenstein (Hg.), Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973, 411&nbsp;ff.; ''Karl-Heinz Spieß'', Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Adalbert Erler, Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd.&nbsp;2, 1978, Sp.&nbsp;1725&nbsp;ff.; ''Gerhard Dilcher'', Libri Feudorum, in: Adalbert Erler, Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd.&nbsp;2, 1978, Sp.&nbsp;1995&nbsp;ff.; ''François Louis Ganshof'', Was ist das Lehnswesen?, 7.&nbsp;Aufl. 1989; ''Susan Reynolds'', Fiefs and Vasalls. The Medieval Evidence Reinterpreted, 1994 (1996); ''Otto Brunner'', Feudalismus, feudal, in: idem, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd.&nbsp;2, 1994, 337&nbsp;ff.; ''Steffen Schlinker'', Fürstenamt und Rezeption. Reichsfürstenstand und gelehrte Literatur im späten Mittelalter, 1999 ''Gerhard Dilcher'', Die Entwicklung des Lehnswesens in Deutschland zwischen Salien und Staufern, in: Centro Italiano di Studi Sull’Alto Medioevo (Hg.), Il Feudalesimo nell’alto medioevo, 2000, 263&nbsp;ff.; ''Olivia S.Robinson'', ''T.D. Fergus'', ''W.M. Gordon'', European Legal History, 3.&nbsp;Aufl. 2000, 26&nbsp;ff.; ''Karl-Heinz Spieß'', Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, 2002.
''Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht'', Der zivilrechtliche Persönlichkeits- und Ehrenschutz in Frankreich, der Schweiz, England und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1960; ''Axel Beater'', Zivilrechtlicher Schutz vor der Presse als konkretisiertes Verfassungsrecht: Grundstrukturen im Vergleich von englischem, US-amerikanischem und deutschem Recht, 1996; ''Georgios Gounalakis'','' Hannes Rösler'', Ehre, Meinung und Chancengleichheit im Kommunikationsprozeß: Eine vergleichende Untersuchung zum englischen und deutschen Recht der Ehre, 1998; ''Georgios Gounalakis'', Privacy and the Media: A Comparative Perspective, 2000; ''Ansgar Ohly'', Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2004, 902&nbsp;ff.; ''Helmut Koziol'','' Alexander Warzilek ''(Hg.), Persönlichkeitsschutz gegenüber Massenmedien/‌ The Protection of Personality Rights against Invasions by Mass Media, 2005; ''Stephan Balthasar'', Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht: Eine historisch-vergleichende Untersuchung zum deutschen, französischen und englischen Recht vom ius commune bis heute, 2006; ''Friedrich Kübler'', Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008; ''Hannes Rösler'', Dignitarian Posthumous Personality Rights: An Analysis of U.S. and German Constitutional and Tort Law, Berkeley Journal of International Law 26 (2008) 153&nbsp;ff.; ''idem'', Harmonizing the German Civil Code of the Nineteenth Century with a Modern Constitution, Tulane European and Civil Law Forum 23 (2008) 1&nbsp;ff.
 
==Quellen==
Die Praxis des Lehnrechts erschließt sich vor allem über die zahlreichen Lehnsurkunden, die im lateinischen Original greifbar sind über die Editionen der ''Monumenta Germaniae Historica''. Eine Zusammenstellung von Texten findet sich bei ''Werner Goez'' (Hg.), Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969, sowie ''David Herlihy'', The History of Feudalism, 1971; einzelne Texte auch bei ''François Louis Ganshof'', Was ist das Lehnswesen?, (erstmalig 1944) 7. Aufl. 1989, sowie ''Karl-Heinz Spieß'', Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, 2002. Der Text der ''Libri feudorum'' ist verfügbar in der Ausgabe von Karl Lehmann (Hg), Das langobardische Lehnrecht (Handschriften, Textentwicklung, ältester Text u. Vulgatext nebst der capitula extraordinaria), 1896, sowie ''Karl Lehmann'', Consuetudines feudorum, editio altera hg. von ''Karl August Eckhardt'', 1971. Der Text des Sachsenspiegels ist in einer neuhochdeutschen Form am besten zugänglich über die Ausgabe von ''Clausdieter Schott'', Der Sachsenspiegel, 1996.


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Version vom 12. September 2016, 14:33 Uhr

von Hannes Rösler

1. Problemaufriss

Das Recht der Persönlichkeit unterliegt vielfältigen Spannungen. Bei öffentlichkeitsrelevanten Sachverhalten ist wegen der Bedeutung der Meinungsfreiheit erstens der entsprechende Einfluss der Verfassungsrechtsprechung zu beachten. In Europa gilt die Redefreiheit aber ebenso wenig uneingeschränkt wie in den USA, auch wenn das erste Amendment (1789) der US-Verfassung dies formell vorsieht. Im Rahmen des Deliktsrechts sind damit fundamentale Verfassungswerte in Ausgleich zu bringen: das für eine demokratische Ordnung konstitutive Freiheitsrecht des Äußernden auf Meinung (ggf. auch auf Presse, Lehre, Gewissen, Religion, Versammlung etc.) mit dem Schutzbedürfnis des persönlichkeitsrechtlich Verletzten.

Zweitens stellt sich die Frage nach der Ausrichtung des Persönlichkeitsrechts. Gegenüberstellen lässt sich ein dignitäres bzw. immaterielles Konzept einem monetären Ansatz, und zwar sowohl beim Schutzkonzept als auch bei den Rechtsfolgen. Drittens ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts der überlagernde Einfluss der europäischen Menschenrechte und mit großen Abstrichen das Unionsrecht zu beachten. Viertens wird das Persönlichkeitsrecht gegenwärtig unter den Aspekten des Privatsphären- und Datenschutzes infolge von Digitalisierung, Vernetzung, Kommerzialisierung, Gen- und Transplantationstechnik besonders gefährdet. Damit ist das Recht der Persönlichkeit vor neue Herausforderungen gestellt, die weit über den historischen Kern des Beleidigungsschutzes (etwa im Zwölftafelgesetz VIII von 450 v. Chr.) und des Namensrechts hinausgehen.

Fünftens lässt sich das Persönlichkeitsrecht denkbar weit fassen: Ganz mit Immanuel Kant ist schließlich die Würde, Willensfreiheit und Autonomie des Individuums maßgeblicher Mittelpunkt des Werte- und Rechtssystems moderner europäischer Staaten. Ähnlich enthält die Persönlichkeit nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel überhaupt die Rechtsfähigkeit und bildet die Grundlage des Rechts. Daher dienen der selbstbestimmten Entfaltung der Persönlichkeit vor allem die Vertrags-, Ehe-, Testier- und Eigentumsfreiheit. Gleiches gilt für den Geheimnisschutz und das Recht des geistigen Eigentums (einschließlich des Urheber- und Markenrechts).

2. Tendenzen bei den nationalen Voraussetzungen

Bei den dogmatischen Strukturen des Persönlichkeitsrechts und der Interessenabwägung weichen die Rechtsordnungen erheblich ab. Eine spezifische gesetzliche Regelung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts insgesamt findet sich selten, so aber etwa in Österreich und Spanien. Im Übrigen stehen richterrechtliche Entwicklungen im Vordergrund.

a) Deutschland

In Deutschland ist zunächst der strafrechtliche Ehrenschutz zu nennen, der auch deliktsrechtliche Ansprüche nach sich ziehen kann (über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB). Zu beachten ist auch § 824 BGB über die Kreditgefährdung und § 826 BGB im Fall von sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigungen. Bei einer Verletzung des Namensrechts in § 12 BGB können Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestehen. Im Jahr 1907 wird das Recht am eigenen Bild nach §§ 22 f. KunstUrhG geschaffen: Bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ist ausnahmsweise eine Einwilligung entbehrlich (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Dafür wird eine einzelfallbezogene Interessenabwägung verlangt, und zwar seit neuerem auch bei Personen mit hohem Bekanntheitsgrad.

Die verschiedenen zivilrechtlichen Ansätze im Sinne eines „besonderen Persönlichkeitsrechts“ bedurften in der Nachkriegszeit aus Gründen der Verfassungsneuordnung einer Fortentwicklung. Hatte der BGB-Gesetzgeber bewusst das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ins BGB aufgenommen und hatte es auch noch das RG wegen der mangelnden gegenständlichen Verkörperung abgelehnt, erkannte es der BGH in den 1950er Jahren als „sonstiges“ Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an (BGH 25.6. 1954, BGHZ 13, 334 – Leserbriefe). Dabei handelt es sich um das absolute subjektive Recht eines Menschen an seiner Persönlichkeit insgesamt.

Der BGH bezeichnet es als „jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht“ (BGH 14.2.1958, BGHZ 26, 349, 354 – Herrenreiter). Diese generalklauselartige Rechtsposition („Rahmenrecht“) wird gestützt auf die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß der 1949 geschaffenen Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Doch der BGH gewährt sogar contra legem einen Ersatz des immateriellen Schadens, und zwar sofern die Umstände, insbesondere die Schwere der Verletzung oder des Verschuldens eine derartige Genugtuung erfordern (BGH 14.2.1958, BGHZ 26, 349; BGH 19.9.1961, BGHZ 35, 363 – Ginsengwurzel; BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269 – Soraya).

Besondere Brisanz erhält der besagte Konflikt zwischen Persönlichkeits- und Freiheitsrechten bei Äußerungen, die von demokratischer Relevanz sind. Dies erklärt, warum das BVerfG die Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte auf das Zivilrecht ausgehend vom Bereich der Meinungsfreiheit entwickelt hat (BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 – Lüth). In der Sache ging es um einen Boykottaufruf zu einem Film eines nationalsozialistischen Regisseurs. Im Lüth-Urteil hat das BVerfG zudem ein weites Verständnis der Meinungsfreiheit hervorgehoben. Sie sei – wie bei sämtlichen freiheitlich-demokratischen Rechtsordnungen – „Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.

Kennzeichnend für das deutsche Recht ist die umfassende sachverhaltsorientierte Abwägung der gegeneinanderstehenden Güter und Interessen: Das Persönlichkeitsrecht ist in Verhältnis zu setzen zu den Gegeninteressen. Dazu zählen vor allem die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12, 14 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Stets kommt es auf den Einzelfall an und insbesondere darauf, welcher Schutzbereich der Persönlichkeit (z.B. Sozial-, Privat- oder Intimsphäre) betroffen ist. Bei der Abwägung ist allerdings den Äußerungsfreiheiten ein großes Gewicht beizumessen (Wechselwirkungslehre seit BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198, 209).

Die grundsätzlich nicht-materiellen Persönlichkeitsrechte sind unvererbbar und unübertragbar. Sie erlöschen mit dem Tod der Person. Als Besonderheit kennt das deutsche Recht aber ein postmortales Persönlichkeitsrecht an, das den Staat aus der verbleibenden Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG in eine Schutzpflicht nimmt (BVerfG 24.2.1971, BVerfGE 30, 173). Später hat der BGH 1.12.1999, BGHZ 143, 214 aber entschieden, das Persönlichkeitsrecht enthalte auch Bestandteile mit Vermögenswert, die von den Erben geltend gemacht werden dürfen.

b) Frankreich

Der französische Schutz der Persönlichkeitsrechte ist ebenso wie der italienische verhältnismäßig intensiv. Er kennt – anders als der deutsche, österreichische, italienische und niederländische, aber ebenso wie der belgische – kein allgemeines, d.h. allumfassendes Persönlichkeitsrecht. Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Schadensersatz für materielle und immaterielle Verletzungen, Beseitigung und Unterlassung ist die deliktsrechtliche Generalklausel der Art. 1382, 1383 Code civil. Beim Ehrenschutz ist die faute schon gegeben, wenn die strafrechtlichen Tatbestände der üblen Nachrede (diffamation) oder der Beleidigung (injure) in Art. 29 Pressegesetz von 1881 erfüllt sind. Auch darüber hinaus bestehen in bestimmten Bereichen Haftungserleichterungen.

Auf Grundlage der Generalklausel wurde zudem schon 1858 das Recht am eigenen Bild anerkannt (Tribunal civil de la Seine, 16.6.1858 – Rachel, D. 1858, 3, 62). Die Privatsphäre wird zudem seit 1970 durch Art. 9 Code civil umfassend geschützt. Danach kann das Gericht unabhängig vom Ersatz des entstandenen Schadens zur Verhinderung oder Beendigung von Eingriffen in die Privatsphäre die Beschlagnahme und andere angemessene Maßnahmen anordnen. Auf den Bekanntheitsgrad kommt es grundsätzlich nicht an. Beim Bildnisschutz erfolgt eine Abwägung mit dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Berichte über private und familiäre Angelegenheiten können danach nur bei aktuellem und besonderem Nachrichtenwert zulässig sein (Cour d’Appel Paris 13.3.1986 – Yannick Noah, D. 1986, somm., 445; Tribunal de Grande Instance Nanterre 3.6.2002 – Jean-Paul Belmondo, Légipresse No. 194-I, 101). Dazu können z.B. Unfälle, Schwangerschaften, Hochzeiten und Trauerfälle von öffentlichen Personen zählen. Angenommen wird dagegen ein Eingriff in das „vie privée“ bei Bildberichten über private und alltägliche Betätigungen, welche nur das reine Kuriositätsinteresse der Leser befriedigen (insbesondere Fotografien von Freizeitaktivitäten, wie z.B. Baden, Cass. civ. 13.4.1988, JCP 1989 II. 21320).

c) England

Das englische Recht ist geprägt durch das richterrechtliche tort of defamation mit seinen zwei Formen von libel und slander. Die erste ist die ehrverletzende Äußerung in fixierter Form bzw. über Rundfunk und ist actionable per se. Bei slander, also der Ehrverletzung in mündlicher Form, kommt eine Klagbarkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht. Da Verschulden grundsätzlich keine Voraussetzung für eine erfolgreiche defamation-Klage ist, kann die Haftung der Medien durchaus weit gehen. Allerdings bestehen drei hauptsächliche Einreden justification, fair comment und in Sonderfällen privilege. Bei Tatsachen kommt es vorrangig auf den Wahrheitsbeweis an. Bei Meinungen kann die Einrede des „fair comment on a matter of public interest“ erhoben werden. Einstweilige gerichtliche Verfügungen (interlocutory injunctions) sind – anders als in Deutschland und Frankreich – traditionell nur in engen Ausnahmefällen möglich (Einstweiliger Rechtsschutz). Eine Prozesskostenhilfe wird nicht gewährt.

Mit einem umfassenden Privatsphärenschutz und einem Recht am eigenen Bild (also der Erhebung bzw. Verbreitung wahrer persönlicher Informationen) tut sich das englische Recht mit einer Vielzahl von speziellen Deliktstatbeständen traditionell schwer. In Teilen vermögen die Deliktsklagen breach of confidence, nuisance, trespass, passing off, malicious falsehood und im Fall fortwährender Belästigung der Harassment Act 1997 zu helfen. Die Lückenhaftigkeit des englischen Rechts wird selbst von den Gerichten beklagt. Zur Schaffung einer Abhilfe sah man sich allerdings wegen der traditionell nur begrenzten Fortentwicklungsmöglichkeit englischen Präjudizienrechts außer Stande und verwies auf den Gesetzgeber (Kaye v. Robertson [1991] FSR 62, 66 (CA); es ging um Veröffentlichung von Fotos eines in Koma gefallenen Schauspielers, was aber über injurious falsehood untersagt werden konnte, da der unzutreffende Eindruck hervorgerufen worden sei, er habe zugestimmt).

Allerdings hat sich die Situation durch den Human Rights Act 1998, also die britische Umsetzung der EMRK grundlegend gewandelt. Das Gesetz von 1998 hat zwar keine unmittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen. Sofern aber eine „cause of action“ einschlägig ist, hat das Gericht in Einklang mit Art. 8 und 10 EMRK zu entscheiden (Campbell v. MGN [2004] UKHL 22 (HL), Rn. 132). Dementsprechend kam es zu einer Erweiterung des Schutzes vertraulicher Informationen. Heute ist die Privatsphäre aus Art. 8(1) EMRK als Schutzgut des „breach of confidence“ anerkannt. Erfolgreich war dementsprechend die Klage eines Schauspielers vor dem Court of Appeal gegen die Veröffentlichung von Fotografien seiner Hochzeit, die streng abgeschirmt stattgefunden hatte (Douglas v. Hello! Ltd. [2003] 3 All ER 996 (HL)). Fremd ist dem englischen Recht jedoch ein umfassendes law of privacy, wie es das US-amerikanische Recht kennt.

3. Tendenzen bei den Rechtsfolgen

Auch bei den Rechtsfolgen bestehen in Art und Umfang beträchtliche Unterschiede. Als immaterielle, naturalrestitutive Abwehransprüche kommen grundsätzlich Unterlassung, Berichtigung bzw. Widerruf und Gegendarstellung in Betracht. Wegweisend ist das droit de réponse nach Art. 13 des französischen Pressegesetzes von 1881. Vielfach wurde es in andere Rechtsordnungen übertragen, so etwa in Deutschland in die landesrechtlichen Presse- und Mediengesetze, wo es allerdings auf Tatsachenbehauptungen beschränkt ist. Demgegenüber steht dem englischen Recht kein vergleichbares zivilrechtliches Instrumentarium zur Verfügung. Insbesondere besteht im anglo-amerikanischen Recht beträchtliche Zurückhaltung gegenüber dem Gegendarstellungsrecht. (Siehe aber Empfehlung über den Schutz Minderjähriger und den Schutz der Menschenwürde und über das Recht auf Gegendarstellung, ABl. 2006 L 378/‌72.) Das französische Recht kennt zudem die Möglichkeit der Urteilsveröffentlichung in dem verletzenden Medium, insbesondere bei Ehrenklagen.

Daneben gewinnen in Deutschland bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen oder schwerem Verschulden Ansprüche auf Geldersatz an Bedeutung, die wiederum im anglo-amerikanischen Recht vorherrschend sind. So hat die deutsche Rechtsprechung hier zunächst die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion in den Vordergrund gestellt. Erweiternd erkannte der BGH aber in Caroline von Monaco I auch den Präventionsgedanken an und bezog insbesondere die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor für die Höhe der Geldentschädigung ein (Es ging um ein frei erfundenes Interview und Paparazzi-Fotos, BGH 15.11.1994, BGHZ 128, 1).

Allerdings schließt die Rechtsprechung trotz rücksichtsloser Kommerzialisierung der Persönlichkeit eine „Gewinnabschöpfung“ aus. Das unterscheidet das deutsche Recht etwa vom englischen, wo auch der Verletzergewinn herausverlangt werden kann (account for profits). Demgegenüber kommt auch nach deutschem Recht der Ersatz des Vermögensschadens in Betracht, etwa in Form der Lizenzanalogie (BGH 8.5.1956 – Dahlke, BGHZ 20, 345; BGH 26.10.2006 – Lafontaine, BGHZ 169, 340). Mit der durch BGHZ 128, 1 erreichten Verschärfung der Haftungsfolgen, die disziplinierend auf die Unterhaltungsmedien wirken soll, rückt das deutsche Recht funktional etwas an die Strafschadensersatzansprüche des anglo-amerikanischen Rechts (punitive damages) heran, auch wenn es dessen Höhe bei weitem nicht erreicht (Strafschadensersatz).

Damit variiert die Höhe des Geldersatzes in Europa stark. So können die Schadensersatzsummen für Ehrverletzungen in England beträchtlich ausfallen. Dagegen wurden bei der Privatsphärenverletzung in Campbell nur GBP 3.500 zugesprochen. Frankreich kennt zum Ausgleich des immateriellen Schadens auch die Gewährung eines nur symbolischen Kleinbetrags. Einige Rechtsordnungen sehen zudem neben der Entschädigung gegenüber dem Verletzten auch die Möglichkeit einer Art Reu- oder Bußgeld an eine Wohltätigkeitsorganisation vor (z.B. in der Schweiz Art. 49 Abs. 2 UAbs. 2 OR).

4. Europäisches Recht

a) Völkervertragsrecht

Alle 47 Staaten des Europarates haben die EMRK (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) von 1950 ratifiziert und sich damit dem EGMR unterworfen. Daher gilt das Recht auf Privatsphärenschutz nach Art. 8 EMRK und auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK europaweit und für weitere EMRK-Staaten, z.B. Russland und die Türkei. In der viel beachteten EGMR-Entscheidung von Hannover/‌Deutschland (EGMR Nr. 59320/‌00) ging es um den Schutz der Privatsphäre in der Öffentlichkeit. Diesen habe der Staat auch bei Prominenten sicherzustellen. Darum verwarf der EGMR ein medienfreundlicheres Grundsatzurteil des BVerfG (15.12.1999, BVerfGE 101, 361). Bei Politikern und exponierten Amtsträgern verfährt der EGMR insgesamt großzügiger: Der EGMR hat beispielsweise Frankreich wegen des Verstoßes gegen Art. 10 EMRK verurteilt. Ein französisches Gericht hatte unter Hinweis auf die Verletzung des Arztgeheimnisses die Veröffentlichung des Buches „Le Grand Secret“ über die Krankheitsgeschichte des gerade verstorbenen François Mitterand untersagt (EGMR Nr. 58148/‌00 – Plon (Société)/‌Frankreich).

b) Unionsrecht

Nicht zuletzt aus Komptenzgründen hat der Gemeinschaftsgesetzgeber – anders als im Immaterialgüterrecht – bisher keine Maßnahmen zum allgemeinen Persönlichkeitsschutz ergriffen. Allenfalls zum Datenschutz finden sich Rechtsakte (RL 95/‌46 und RL 2002/‌58). Zwar schafft die GRCh in Art. 7 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation und in Art. 11 die Meinungsäußerung- und Informationsfreiheit. Damit sind aber keine neuen Kompetenzen begründet (Art. 51(2) GRCh; Art. 6(1) EU (1992)/‌Art. 6(1) EU (2007)). Zudem erkennt die EU die Persönlichkeits- und Kommunikationsrechte als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts an (vgl. Art. 6(2) EU (1992)/‌Art. 6(2) EU (2007)). Vieles ist hier noch klärungsbedürftig, was der traditionellen Wirtschaftsorientierung des Gemeinschaftsrechts geschuldet ist. Auch Art. 1(2)(g) Rom II-VO (VO 864/‌2007 über außervertragliche Schuldverhältnisse) nimmt Verletzungen der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte vom Anwendungsbereich der Rom II-VO aus.

5. Bewertung der Konvergenzen

Die europäischen Rechtsordnungen wägen die betroffenen Belange anhand des Einzelfalls ab. Teils aufgrund des Einflusses der EMRK ist dabei dem öffentlichen Informationsinteresse herausragende Beachtung zu schenken. Anderenfalls könnten die Medien ihre für die demokratische Gesellschaft entscheidende Kontrollfunktion (public watchdog) nicht wahrnehmen (EGMR Nr. 8734/‌79 – Barthold/‌Deutschland, § 58). Der EGMR verweist hierzu auch auf den Gedanken der US-Rechtsprechung, insbesondere den chilling effect, also die Gefahr der Einschüchterungswirkung durch überstarken Persönlichkeitsschutz (EGMR Nr. 33348/‌96 – Cumpănă und Mazăre v. Romania, § 114).

Weitgehende Einigkeit besteht zudem darin, dass unwahre, persönlichkeitsverfälschende Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen bei denen nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, keinen Schutz verdienen (in Deutschland sog. „Schmähkritik“, BVerfG 13.5. 1980, BVerfGE 54, 129). Darüber hinaus werden die Grenzen aber unterschiedlich gezogen, in England sehr großzügig, in Frankreich eher eng. In Deutschland sind Meinungen in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage bis zur Grenze der besagten Schmähkritik grundsätzlich erlaubt.

Davon zu unterscheiden sind die durch Teleobjektive von Paparazzi und Abhörgeräte stattfindende Ausforschung und anschließende Veröffentlichung durch die Massenmedien von zutreffenden Informationen aus der Privat- oder gar Intimsphäre (z.B. Gesundheits- und Sexualbereich) ohne Einwilligung des Betroffenen. Ausnahmen kommen hier allenfalls bei einem herausragenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Betracht, insbesondere wenn die veröffentlichten Umstände eine zeitgeschichtliche bzw. historische Bedeutung aufweisen.

Schwieriger ist die Beurteilung von Fotos, die Personen des öffentlichen Lebens (public figures) an nicht abgeschiedenen Orten zeigen. Das englische Recht erlaubt unter Betonung der Pressefreiheit grundsätzlich auch die Veröffentlichung trivialer Informationen, während das französische Recht (wie auch das italienische) einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse verlangt und bei heimlich angefertigten Fotografien einen strengen Schutz gewährt. Das deutsche Recht nimmt eine Zwischenposition ein.

Gleichwohl sind die Konvergenzen unübersehbar: Auch das englische Recht erkennt nun die Privatsphäre als Schutzgut an. Französische Gerichte urteilen, nicht zuletzt unter dem Einfluss des EGMR, medienfreudlicher als früher. Das deutsche Recht schützt die Privatsphäre von Prominenten in der Öffentlichkeit unter Einfluss des französischrechtlich inspirierten EGMR-Urteils in der Sache von Hannover verstärkt (BGH 6.3.2007, BGHZ 171, 275; BVerfG 26.2.2008, BVerfGE 120, 180). Dies geschieht, obwohl die EMRK formal keinen zum Unionsrecht vergleichbaren Einfluss ausübt: Sie hat nach Art. 59 Abs. 2 GG nur den Rang eines einfachen Gesetzes.

Literatur

Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, Der zivilrechtliche Persönlichkeits- und Ehrenschutz in Frankreich, der Schweiz, England und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1960; Axel Beater, Zivilrechtlicher Schutz vor der Presse als konkretisiertes Verfassungsrecht: Grundstrukturen im Vergleich von englischem, US-amerikanischem und deutschem Recht, 1996; Georgios Gounalakis, Hannes Rösler, Ehre, Meinung und Chancengleichheit im Kommunikationsprozeß: Eine vergleichende Untersuchung zum englischen und deutschen Recht der Ehre, 1998; Georgios Gounalakis, Privacy and the Media: A Comparative Perspective, 2000; Ansgar Ohly, Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2004, 902 ff.; Helmut Koziol, Alexander Warzilek (Hg.), Persönlichkeitsschutz gegenüber Massenmedien/‌ The Protection of Personality Rights against Invasions by Mass Media, 2005; Stephan Balthasar, Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht: Eine historisch-vergleichende Untersuchung zum deutschen, französischen und englischen Recht vom ius commune bis heute, 2006; Friedrich Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, 2008; Hannes Rösler, Dignitarian Posthumous Personality Rights: An Analysis of U.S. and German Constitutional and Tort Law, Berkeley Journal of International Law 26 (2008) 153 ff.; idem, Harmonizing the German Civil Code of the Nineteenth Century with a Modern Constitution, Tulane European and Civil Law Forum 23 (2008) 1 ff.

Abgerufen von Feudalrecht – HWB-EuP 2009 am 25. April 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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