Gebrauchsmuster

Aus HWB-EuP 2009

von Joseph Straus

1. Gegenstand und Zweck

Nach § 1 Abs. 1 des deutschen Gebrauchsmustergesetzes (GebrMG) werden als Gebrauchsmuster Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Damit wird der Eindruck erweckt, als solle mit dem Begriff „Gebrauchsmuster“ der Gegenstand des Schutzes bezeichnet werden, während in der Tat Erfindungen, welche die genannten Schutzvoraussetzungen erfüllen, den Gegenstand des Schutzrechts „Gebrauchsmuster“ darstellen. Wie Patente (Patentrecht) so bilden auch Gebrauchsmuster einen Gegenstand des Schutzes des gewerblichen Eigentums i.S.v. Art. 1(1) der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) und Art. 36 EG/‌42 AEUV. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters in einem Verbandsland der PVÜ begründet ein zwölfmonatiges Prioritätsrecht für Nachanmeldungen in anderen Verbandsländern (Art. 4A und 4C PVÜ). Im Übrigen sichert die PVÜ in Bezug auf Gebrauchsmuster lediglich die Inländerbehandlung (Art. 2(1) PVÜ), aber keine Mindestrechte, die über das Prioritätsrecht hinausgehen. Im Internationalen Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS; Geistiges Eigentum) sucht man nach den Begriffen „Gebrauchsmuster“, „utility model“, „certificat d’utilité“, „modello de utilitad“ gar vergeblich.

Historisch betrachtet wurde Gebrauchsmusterschutz in Deutschland als Ergänzung des Geschmacksmuster- und des Patentschutzes eingeführt. Einerseits verweigerte das Reichsoberhandelsgericht (3.9.1878, ROHGE 24, 109) Mustern und Modellen, die keinem „ästhetischen“, sondern einem Gebrauchszweck dienen sollten, einen Schutz nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11.1.1876. Andererseits war für Muster und Modelle mit Gebrauchszweck der Patentschutz nach dem Gesetz vom 25.5.1877 mit der darin verankerten Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen zu kostspielig. Darüber hinaus wurde früh erkannt, dass viele Gebrauchsmuster und Modelle die über die Neuheit hinausgehenden Voraussetzungen des Patentschutzes kaum würden erfüllen können.

Um dem Bedürfnis von kleinen und mittleren Gewerbetreibenden nach einem preiswerten und einfach zu erlangenden Schutz für weniger bedeutende Neuerungen mit Gebrauchszweck gerecht zu werden, verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 1.6.1891 das Gebrauchsmustergesetz, das am 1.10.1891 in Kraft trat. Es führte einen Schutz ein für „Modelle von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Teilen derselben, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen“ (§ 1 Abs. 1). Der Schutz, der durch ordnungsgemäße Eintragung beim Patentamt allein, d.h. ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen, begründet wurde, war auf höchstens sechs Jahre, ab Anmeldung gerechnet, begrenzt. Auch wenn das Gesetz den Schutz von Gebrauchsmustern in die Nähe des Patentschutzes rückte und sich in der Praxis als Gegenstand des Schutzes die Erfindung im Sinne einer technischen Lehre durchsetzte, setzte der Schutz eine „Raumform“, d.h. eine „neue körperliche Formgestaltung“ voraus und war auf Verfahren nicht anwendbar. Das Erfordernis der „Raumform“ wurde erst 1990 durch das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) gestrichen (BGH 17.2. 2004, BGHZ 158, 142). Obwohl im Gesetz nur von einer „neuen körperlichen Formgestaltung“ die Rede war, bildete sich bald die Auffassung heraus, dass die Neuheit allein als Schutzvoraussetzung nicht ausreiche, sondern dazu zusätzlich noch etwas Fortschrittlich-Neues hinzukommen müsse, ohne bereits erfinderisch zu sein.

2. Verhältnis zum Patentschutz

In seiner jetzigen, seit dem 1.1.1987 geltenden Fassung weist der deutsche Gebrauchsmusterschutz viele Gemeinsamkeiten mit dem Patentschutz auf. Er hat Erfindungen, d.h. technische Lehren zum Gegenstand, ist ein zeitlich und räumlich begrenztes ausschließliches Recht, das dem Erstanmelder den Vorrang einräumt und Sperrwirkung entfaltet. Auch das Gebrauchsmuster wirkt also gegenüber Dritten, die die Erfindung selbständig und unabhängig zu Wege gebracht haben, diese aber entweder nicht oder erst später zum Patent oder Gebrauchsmuster beim Patent- und Markenamt angemeldet haben. Ein und dieselbe Erfindung kann, da die Kumulierung des Schutzes erlaubt ist, sowohl mit einem Patent als auch mit einem Gebrauchsmuster geschützt werden, wobei das jeweilige Recht entweder aufgrund unabhängig voneinander eingereichter Anmeldungen oder aufgrund einer sog. Abzweigung, d.h. einer mit der Gebrauchsmusteranmeldung einzureichenden Erklärung, dass der für die Patentanmeldung maßgebende Anmeldetag in Anspruch genommen wird (§ 5 GbrMG), entstehen kann. Trotz dieser Gemeinsamkeiten besteht aber zwischen den beiden Schutzrechten eine Reihe von bedeutenden Unterschieden.

Was den geschützten Gegenstand betrifft, so sind vom Gebrauchsmusterschutz zusätzlich zu den vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenständen und Erfindungen auch biotechnologische Erfindungen ausgeschlossen, d.h. Erzeugnisse, die aus biologischem Material bestehen oder dieses enthalten (§ 1 Abs. 2 PatG), und Verfahren ganz generell (§§ 1, 2 GebrMG).

Der Stand der Technik, der die Neuheit eines Gebrauchsmusters als Schutzvoraussetzung bestimmt, unterscheidet sich von dem für das Patent relevanten Stand zum einen dadurch, dass mündliche Offenbarungen und die Benutzung außerhalb des Geltungsbereichs nicht zählen; ebenso wenig zählt (zum anderen) die innerhalb von sechs Monaten vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzung, die auf der Ausarbeitung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht; dementsprechend ist bei Anmeldungen, die eine Unionspriorität in Anspruch nehmen, der Prioritätstag maßgeblich (Neuheitsschonfrist; § 3 Abs. 1 GebrMG).

Wie eingangs ausgeführt, fordert § 1 Abs. 1 GebrMG neben der Neuheit als Schutzvoraussetzung, dass die Erfindung gewerblich anwendbar ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht. Während aber § 3 Abs. 2 GebrMG wie § 5 PatG Erfindungen als gewerblich anwendbar definieren, wenn sie auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden können, lässt es das GebrMG, anders als § 4 PatG für das Patent, offen, wann eine Erfindung auf einem erfinderischen Schritt beruht. Seit der Einführung des Gebrauchsmusterschutzes im Jahre 1891 sind Rechtsprechung und Literatur, mit wenigen Ausnahmen, allgemein davon ausgegangen, dass für die Gewährung des Gebrauchsmusterschutzes ein gegenüber einem Patent geringeres Maß an Erfindungshöhe ausreiche (RG 25.1.1908, Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1908, 188, 189). Der Gesetzgeber brachte dies in der Neufassung des Gebrauchsmustergesetzes von 1986 durch die differenzierte Formulierung „erfinderischer Schritt“ anstatt „erfinderische Tätigkeit“ auch explizit zum Ausdruck. Die Voraussetzung einer geringeren Erfindungshöhe sollte es insbesondere kleineren und mittleren Gewerbetreibenden ermöglichen, einen kostengünstigen und einfach zu erreichenden, wenn auch kürzeren Schutz für geringere Erfindungen zu erlangen, sie dadurch zu innovativem Verhalten anspornen und die dazu notwendigen Investitionen absichern. Das Bundespatentgericht hat z.B. das Vorliegen eines erfinderischen Schritts bejaht, wenn der Fachmann die Erfindung nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei Berücksichtigung des Standes der Technik ohne Weiteres finden kann (BPatG 13.2.2003, GRUR 2004, 852) oder wenn die Lösung für den Fachmann zwar nahelag, er sich aber eingehend mit den technischen Gegebenheiten auseinandersetzen musste, um sie aufzufinden (BPatG 2.8.2000, Mitt. 2002, 46).

Diesem Grundverständnis des Gebrauchsmusterschutzes hat der Bundesgerichtshof 2006 ein Ende bereitet, in dem er in einem amtlichen Leitsatz feststellte:

„Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts kann bei Berücksichtigung der Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht hinsichtlich mündlicher Beschreibungen und hinsichtlich von Benutzungen außerhalb des Geltungsbereichs des Gebrauchsmustergesetzes in § 3 GebrMG abweichend definiert ist, auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Es verbietet sich dabei, Naheliegendes etwa unter dem Gesichtspunkt, dass es der Fachmann nicht bereits auf der Grundlage seines allgemeinen Fachkönnens und bei routinemäßiger Berücksichtigung des Stands der Technik ohne weiteres finden könne, als auf einen erfinderischen Schritt beruhend zu bewerten.“ (BGH 20.6.2006, BGHZ 168, 142).

Zur Begründung dieses Paradigmenwechsels führt der BGH u.a. an: Das Kriterium des erfinderischen Schritts sei, wie das der erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht, ein qualitatives und nicht etwa ein quantitatives, daher gebe es hier wie dort kein „Maß“ für die erfinderische Leistung; die Wertungskriterien unterschieden sich nur marginal; wolle man die Ausschließlichkeit im Gebrauchsmusterrecht an eine „geringere“ erfinderische Leistung knüpfen als im Patentrecht, liefe das Gebrauchsmusterrecht Gefahr, zum Auffangbecken für nach dem Patentrecht gerade nicht Schutzfähiges zu werden. Gegen die unterschiedliche Bewertung einer erfinderischen Leistung spreche darüber hinaus, dass die Schutzwirkungen des Patents nach §§ 9, 10 PatG und des Gebrauchsmusters nach § 11, 12a GebrMG jedenfalls im Wesentlichen die gleichen seien (BGH 20.6.2006, GRUR 2006, 845).

Nach dieser Entscheidung des BGH sind für das deutsche Recht zwei grundsätzliche Überlegungen anzustellen: Rechtfertigen ein gegenüber dem Patentrecht etwas enger definierter Schutzgegenstand und der für die Bestimmung der Neuheit und des erfinderischen Schritts = erfinderischen Tätigkeit etwas enger definierte Stand der Technik einen zusätzlich zum Patentschutz bestehenden Schutz von Erfindungen? Und, ist ein solcher, parallel zum Patentschutz zu erlangender Schutz von Erfindungen, der ohne sachliche Prüfung der Schutzvoraussetzungen durch das Patent- und Markenamt allein aufgrund des Eintrags in die Gebrauchsmusterrolle zu einem sofort durchsetzbaren ausschließlichen Verbietungsrecht führt, während diese Wirkung beim Patent erst nach durchgeführter Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen und Erteilung des Patents eintritt, trotz seiner kürzeren Laufzeit, noch haltbar?

3. Internationale und europäische Entwicklungen

Das deutsche Gebrauchsmustergesetz von 1891 war Vorreiter dieser besonderen Schutzform für Erfindungen. Inzwischen hat der Schutz von Gebrauchsmustern weite Verbreitung gefunden, auch wenn sich die jeweiligen Regelungen im Hinblick auf den Schutzgegenstand (z.B. das Raumformerfordernis), die Schutzvoraussetzungen, die Schutzdauer und die Prüfung der Schutzvoraussetzungen unterscheiden. Die Entwicklung zeigt allerdings in die Richtung, dass an die Gebrauchsmusterschutzfähigkeit von Erfindungen geringere Anforderungen in Bezug auf die Neuheit (z.B. lediglich lokale Neuheit) und die „erfinderische“ Leistung gestellt werden als bei Patenten, dass die Schutzdauer tendenziell länger wird (bis zu 10 Jahre) und der Schutz in aller Regel nach erfolgter Überprüfung der Formerfordernisse, aber ohne sachliche Überprüfung der Schutzvoraussetzungen durch Eintrag in das Register zu Stande kommt. Die Schutzvoraussetzungen werden erst im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen, z.B. in Verletzungsstreitigkeiten, oder aber auf Antrag in getrennten Löschungsverfahren geprüft. In manchen Rechtsordnungen setzt die Geltendmachung des Schutzes allerdings eine Amtsprüfung voraus. Empirische Daten zeigen, dass Gebrauchsmusterschutz ganz überwiegend von Inländern und relativ selten von ausländischen Anmeldern in Anspruch genommen wird. Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft verfügen lediglich Lettland, Litauen, Luxemburg, Rumänien und Schweden sowie das Vereinigte Königreich über keinen Gebrauchsmusterschutz. Außerhalb der Gemeinschaft sind das in Europa Island, Norwegen und die Schweiz. Besondere gesetzliche Regelungen sind vorhanden in Bulgarien (1993), Dänemark (1992), Estland (1994, 2002), Finnland (1995), Griechenland (1987), Italien (1940), Österreich (1994, 1998), Polen (1972, 1984), Portugal (1995), in der Slowakei (1992), in Spanien (1986), der Tschechischen Republik (1992) und Ungarn (1991). In Frankreich gibt es den Schutz in Form von Gebrauchsmusterzertifikaten – certificat d’utilité (Buch VI des Code de la Proprieté Intellectuelle 1992) und in Belgien (1984), Irland (1992), den Niederlanden (1995) sowie Slowenien (1992, 1993) Patente mit kurzer Laufzeit. Außerhalb Europas seien als Länder mit besonderem Gebrauchsmusterschutz lediglich genannt: Australien mit innovation patents (2001), Brasilien (1996), VR China (1984, 1992), Japan (1905, 1959, 1994), Republik Korea (1908, 1961, 1998) und Mexiko (1991).

Im Jahre 1995 hat sich auch die Europäische Kommission des Gebrauchsmusterschutzes angenommen. Im Grünbuch über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt (KOM (95) 370 endg.), das als Grundlage für umfangreiche Konsultationen in Bezug auf die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes auf europäischer Ebene dienen sollte, stellte die Kommission fest, dass folgende Gründe für diese Schutzform streiten: schnelle und einfache Eintragung, weniger stringente Schutzvoraussetzungen als für Patente, niedrigere Kosten und einstweiliger Schutz bereits während der Patenterteilungsverfahren. Darüber hinaus wurde in dem Grünbuch festgehalten, dass von den damaligen Mitgliedern der Gemeinschaft lediglich Luxemburg, Schweden und das Vereinigte Königreich keinen Gebrauchsmusterschutz vorsehen und dass die Regelungen in den anderen Mitgliedstaaten beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Kommission stellte jedoch fest, dass alle nationalen Regelungen technische Erfindungen schützen und dieses System daher die Funktion eines „zusätzlichen Schutzes für technische Erfindungen“ erfülle, ferner, dass alle Regelungen die Registrierung (Eintragung) des Musters ohne vorherige Prüfung der Neuheit und Erfindungshöhe vorsehen, was die Erlangung des Schutzes schnell und preiswert mache. In Bezug auf die bestehenden Unterschiede identifizierte das Grünbuch drei Gruppen von Regelungen: Die erste misst die erfinderische Tätigkeit und (absolute) Neuheit im (den Patentschutz ergänzenden) Gebrauchsmusterschutz an denselben Kriterien wie im Patentrecht; die Raumform ist keine Voraussetzung für den Schutz (Belgien, Frankreich und die Niederlande); die zweite stellt an die Erfindungshöhe geringere Anforderungen als beim Patent, doch wird die Verwirklichung der Erfindung in dreidimensionaler Form gefordert (Griechenland, Finnland, Italien, Portugal und Spanien); die dritte Gruppe fordert ebenfalls eine geringere Erfindungshöhe, misst jedoch der dreidimensionalen Form entweder eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung für die Schutzfähigkeit zu (Dänemark, Irland und Österreich). Zu dieser Gruppe zählte die Kommission auch Deutschland, mit der zusätzlichen Besonderheit einer relativen Neuheit als Schutzvoraussetzung.

Das Grünbuch stellte ferner fest, dass der Gebrauchsmusterschutz insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sei und dass es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen gebe. Als Hauptnutzer des Gebrauchsmustersystems wurden Maschinenbau, Elektroindustrie, Hersteller von Präzisionsinstrumenten, Optik, Spielzeugindustrie und Automobilindustrie identifiziert.

Das Grünbuch kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäische Gemeinschaft die Pflicht habe, Schritte zu unternehmen, diese für den Binnenmarkt nachteilige Situation zu beseitigen und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Die Entwicklung der innovativen Tätigkeit in der Europäischen Union, die durch einen Trend zu geringerer Erfindungshöhe, größerer Sensibilität für Kosten, kürzere Produkt- und Vermarktungszyklen sowie eine kürzere Lebensdauer von Erfindungen gekennzeichnet sei, habe erhöhten Bedarf an einer Schutzform zur Folge, die einfachen und preiswerten Schutz für technische Erfindungen im gemeinsamen Markt biete. Zu den Optionen für eine etwaige Initiative der Gemeinschaft zählten die Annäherung der nationalen Schutzsysteme und die Schaffung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters.

Am 12.12.1997 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster (KOM (97) 0691), zu dem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 27.5.1998 Stellung genommen und das Parlament am 12.3.1999 eine legislative Entschließung verabschiedet hat. Am 28.6.1999 hat die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag vorgelegt (KOM(1999) 309 endg.). In den Erwägungsgründen dieses Vorschlages ist nachzulesen, dass es vor allem wichtig sei, kleine und mittlere Unternehmen in die Lage zu versetzen, innovativ zu sein und schnell auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Besonders kleine und mittlere Betriebe sowie Forscher müssten sich daher eines Instruments bedienen können, das kostengünstig sei und sich leicht und schnell überprüfen lasse. Gemessen an diesen Kriterien scheine der Gebrauchsmusterschutz gegenüber dem Patentschutz vor allem für technische Erfindungen mit einer spezifischen Erfindungshöhe die bessere Lösung zu sein. Was den schutzfähigen Gegenstand angeht, so sah der Vorschlag den Schutz sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren vor, schloss aber vom Schutz, über die im Patentrecht vorgesehenen Ausschlüsse hinaus, auch Erfindungen betreffend biologisches Material und generell Erfindungen betreffend chemische oder pharmazeutische Stoffe und Verfahren sowie Erfindungen betreffend Computerprogramme aus (Art. 4(b), (c), (d)). Die Schutzvoraussetzungen stimmten mit denen des Patentrechts bis auf die der erfinderischen Tätigkeit überein. Letztere sah Art. 6 als gegeben an, „wenn der Anmelder … in verständlicher und nachvollziehbarer Weise erklärt, dass die Erfindung gemessen am Stand der Technik folgendes aufweist: a) eine besondere Funktionstüchtigkeit, entweder in Form einer vereinfachten Verwendung oder Handhabung b) oder einen praktischen oder gewerblichen Vorteil.“ Die Eintragung des Gebrauchsmusters sollte lediglich aufgrund der Prüfung der Formerfordernisse ohne Prüfung der sachlichen Schutzvoraussetzungen erfolgen (Art. 15). Den Mitgliedstaaten sollte es aber unbenommen bleiben, die Erstellung eines ansonsten im Ermessen des Anmelders zu beantragenden Recherchenberichts, im Falle einer Verletzungsklage zwingend vorzuschreiben (Art. 16 (1), (4)). Die maximale Schutzdauer war auf zehn Jahre begrenzt (Art. 19) und die Kumulierung des Schutzes durch ein Patent und ein Gebrauchsmuster für dieselbe Erfindung erlaubt (Art. 22).

Wie sich aus dem von der EU-Kommission am 26.7.2001 veröffentlichten Arbeitsdokument „Sondierung der Auswirkungen eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters zur Aktualisierung des Grünbuchs über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt“ (SEK(2001) 1307) ergibt, hat die Kommission die Arbeiten an dem geänderten Richtlinienvorschlag seit März 2000 ausgesetzt, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich dafür ausgesprochen hatte, den Arbeiten am Gemeinschaftspatent Vorrang einzuräumen. Drei Viertel der auf die „Sondierung“ Antwortenden sprach sich darauf hin gegen die Einführung eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters aus, und in der Mehrzahl dieser Antworten wurde die Kommission aufgefordert, „alle Gebrauchsmusterinitiativen aufzugeben“. Die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Richtlinie wurde nur vereinzelt befürwortet. Damit dürfte feststehen, dass es in der Europäischen Gemeinschaft auf absehbare Zeit weder einen EU-weit harmonisierten noch einen Gemeinschaftsgebrauchsmusterschutz geben wird.

Literatur

Rudolf Kraßer, Die Entwicklung des Gebrauchsmusterrechts in: Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. I, 1991, 617 ff.; Guenter Weitzel, Pilotstudie: Die wirtschaftliche Bedeutung des Gebrauchsmusterschutzes in der Europäischen Union, 1993; Rudolf Kraßer, Gebrauchsmuster unter internationalem und europäischem Aspekt, in: Johann Adrian, Wilhelm Nordemann, Artur-Axel Wandtke (Hg.), Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, 1996, 73 ff.; Rudolf Kraßer, Neuere Entwicklungen des Gebrauchsmusterrechts in Europa, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 527 ff.; Takeyuki Iwai, Modalities of Future Utility Model System, IIP Bulletin 2004, 38 ff.; Hans-Friedrich Loth, Gebrauchsmustergesetz, 2001; Alfred Keukenschrijver, Gebrauchsmustergesetz, in: Rudolf Busse, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, 1545 ff.; Peter Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 2. Aufl. 2005; Frank Peter Goebel, Der erfinderische Schritt, 2005; Frank Peter Goebel, Gebrauchsmustergesetz in: Georg Benkard, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl. 2006, 1561 ff; Rudolf Kraßer, Wird der Gebrauchsmusterschutz noch gebraucht?, in: Festschrift für Ulrich Loewenheim, 2009, 157 ff.

Abgerufen von Gebrauchsmuster – HWB-EuP 2009 am 28. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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