Ombudsmann und Handelsrecht: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Klaus J. Hopt]]''
== 1. Begriff und Abgrenzung ==
== 1. Begriff und Rechtsquellen des Handelsrechts ==
Der Begriff des Ombudsmannes setzt sich aus dem altnordischen Begriff ''ombud ''(Bevollmächtigter, Vertreter) und ''man'' (Mann) zusammen. Allgemein ist unter einem Ombudsmann eine Person zu verstehen, die zur außergerichtlichen und unbürokratischen Beilegung von Streitigkeiten berufen ist, damit zugleich eine Kontrollfunktion übernimmt und ihre Aufgabe regelmäßig durch das Aussprechen einer Empfehlung statt durch das Treffen einer Entscheidung erfüllt.


Ihren Ursprung findet die Einrichtung eines Ombudsmannes in den nordischen Ländern. Zwar ist sie auch in ihrer ''skandinavischen Originalfassung'' keiner einheitlichen Definition zugänglich, da sich die verschiedenen Regelungen im Einzelnen nicht unerheblich unterscheiden. Kurz skizziert besteht die Aufgabe des originären skandinavischen Ombudsmannes aber in der ''parlamentarischen'' und damit außergerichtlichen und verwaltungsexternen Kontrolle über die ''Verwaltung'', die er sowohl auf eigene Initiative als auch auf Antrag einer betroffenen Partei ausübt (unten 2).
Einen festen, europäisch einheitlichen Begriff des Handelsrechts gibt es nicht. Allenfalls national kann zur Abgrenzung beitragen, ob das Handelsrecht in einem eigenen Gesetz wie in Frankreich dem ''[[Code de Commerce]]'' von 1807 oder in Deutschland dem HGB von 1897 (ähnlich Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, Griechenland; als Mustergesetz auch in den USA der ''Uniform Commercial Code'' seit 1954) kodifiziert oder Teil des allgemeinen bürgerlichen Rechts ist wie in der Schweiz ([[Schweizerisches Obligationenrecht]] 1881 und [[Schweizerisches Zivilgesetzbuch|Schweizerisches ZGB]] 1907) und, von einem eigenen Handelsgesetzbuch abgehend, Italien (''[[Codice civile]]'' 1942) und in jüngerer Zeit den Niederlanden das ''[[Burgerlijk Wetboek]]'') oder ob es überhaupt nur in Einzelgesetzen wie in Skandinavien oder vor allem auch im [[Richterrecht]] wie in Großbritannien und Irland enthalten ist. National unterschiedlich ist demnach auch, wie weit Handelsrecht verstanden wird, also ob es auch Bilanzrecht, Transportrecht ([[Transportvertrag]]), [[Gesellschaftsrecht]], Bank- und Börsenrecht ([[Bankrecht]]; [[Bankrecht, internationales]]; [[Börsen]]), Versicherungsrecht ([[Versicherungsvertrag]]; [[Versicherungsvertragsrecht, internationales]]) und Teile des Arbeitsrechts umfasst.


Heute bildet der ''parlamentarische Ombudsmann'' aus Skandinavien das Grundmodell für viele, häufig mit dem Originalbegriff bezeichnete Adaptionen und Abwandlungen in zahlreichen europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen. Dabei geht es zum einen um alternative Formen der Kontrolle und Streitbeilegung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (unten 3).  
Am ehesten lässt sich Handelsrecht als Sonderrecht für bestimmte am Geschäftsverkehr teilnehmende Personen oder für bestimmte wirtschaftliche Geschäfte und Tätigkeiten verstehen. Das Handelsrecht kann zu seiner Abgrenzung je nachdem auf die Geschäfte abstellen (Handelsgeschäfte, objektives System) oder wie das deutsche oder österreichische HGB entscheidend auf die Person (Kaufmann bzw. Unternehmer, subjektives System, meistens gemischtes System). Letzterenfalls ist Handelsrecht das Recht des Handelsstandes, also der Kaufleute, und das Handelsrecht regelt die Handelsgeschäfte derselben. Handelsrecht ist trotz einzelner öffentlich-rechtlicher Vorschriften, z.B. betreffend Handelsregister, Handelsfirma und Buchführung, Teil des Privatrechts.  


Zum anderen sind auch für privatrechtliche Rechtsverhältnisse weitere Institutionen nach dem Beispiel des Ombudsmannes entwickelt worden, die vielfach eine ähnliche Bezeichnung erhielten, obgleich es sich zumeist um strukturell andere Funktionen und Regelungen handelt. Dies gilt vor allem für rechtliche Beziehungen, die von einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen den Parteien geprägt sind; namentlich im Verbraucherrecht – und hier besonders im Banken- und Versicherungsrecht – hat sich die Etablierung von Vertretern der Verbraucherinteressen bzw. privater Beschwerdestellen als sehr erfolgreich erwiesen (unten 4).  
Rechtsquellen des Handelsrechts sind in Kontinentaleuropa vor allem das Gesetzesrecht, daneben und in ''[[common law]]''-Ländern vor allem das Richterrecht. Wichtiger als im allgemeinen Privatrecht sind Handelsbräuche und Verkehrssitte, was an den Besonderheiten des Handelsrechts liegt. Besonders wichtig sind Handelsbräuche im internationalen Handelsverkehr. In weiten Bereichen des Handelsrechts dominieren [[Allgemeine Geschäftsbedingungen]] (AGB), mit besonderen Problemen im internationalen Verkehr. Wichtig sind außerdem die Empfehlungen der [[Internationale Handelskammer|Internationalen Handelskammer]] und anderer, auch nationaler Gremien.


Heute verlangen schließlich auch die Institutionen der [[Europäische Union|Europäischen Union]] nach der Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen (unten 5).  
== 2. Besonderheiten des Handelsrechts gegenüber dem Bürgerlichen Recht ==


== 2. Geschichtlicher Hintergrund ==
Als Unternehmer, der sich im Wettbewerb behaupten muss oder aus dem Markt ausscheidet, muss der Kaufmann seine Geschäfte frei gestalten können. Privatautonom gesetztes Recht (vor allem Vertragsrecht einschließlich AGB) spielt deshalb im Handelsrecht eine große Rolle. Außer für das kaufmännische Personal und die [[Handelsvertreter]] tritt [[Zwingendes Recht (Grundlagen)|zwingendes Recht]] zurück; der Kaufmann muss die Risiken und Chancen im Handelsverkehr selbst abschätzen.
Historisch geht die Einrichtung eines parlamentarischen Ombudsmannes auf die Einrichtung dieses Amtes in Schweden im Jahre 1809 zurück. Nach Einführung der neuen, durch die Gewaltenteilung im Sinne ''Montesquieus'' geprägten Regierungsform wurde dem Amt des ''Högste Ombudsman'', später ''Justitiekansleren ''genannt, der seit 1713 als erster Repräsentant und Vertreter des Königs fungierte und heute den Ombudsmann der Regierung darstellt, ein parlamentarischer ''Justitieombudsman ''zur Seite gestellt. Dieser war mit der Aufsicht über die Um- und Durchsetzung der parlamentarischen Gesetze durch Verwaltung und Gerichte betraut. Er sollte für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen und Unklarheiten in der Gesetzgebung aufzeigen, um damit die Interessen des Einzelnen zu stärken. Seine Bedeutung in Schweden ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass man hier bis zur Etablierung des ''Regeringsrätten'' (des obersten Verwaltungsgerichts) im Jahre 1909 an einer reinen Administrativjustiz festhielt und keine unabhängige rechtliche Überprüfung administrativer Entscheidungen kannte. Finnland folgte nach seiner Unabhängigkeit vom Russischen Reich im Jahre 1918 dem schwedischen Vorbild und führte einen parlamentarischen Ombudsmann, den ''Riksdagens Justitieombudsmans Kansli'', ein.


In Dänemark und Norwegen war eine unabhängige gerichtliche Kontrolle über die Verwaltung bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der Verfassung (Dänemark) bzw. des konstitutionellen Gewohnheitsrechts (Norwegen). Entsprechend war das Bedürfnis nach einer weiteren verwaltungsexternen Überprüfungsinstanz zunächst nicht in gleichem Maße gegeben. Mit der grundlegenden Strukturänderung vom liberalen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts zum modernen Verwaltungsstaat des 20. Jahrhunderts wurde die gerichtliche Verwaltungskontrolle als einzige verwaltungsexterne Rechtsschutzinstanz jedoch zunehmend als nicht ausreichend erachtet. Für den Bürger war (und ist) die gerichtliche Verwaltungskontrolle kompliziert, zeitaufwendig und kostspielig. Sie ist außerdem vergleichsweise zurückhaltend, u.a. weil sie von den ordentlichen Gerichten, nicht von spezialisierten Verwaltungsgerichten wahrgenommen wird. Dänemark entschied sich daher im Jahre 1953, das bestehende System des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit einer zusätzlichen Einrichtung, dem ''Folketingets Ombudsmand'', zu ergänzen. Damit kam es zu einer in der Folgezeit von Wissenschaft und Politik viel beachteten „Transplantation“'' ''einer Institution, die in einer fremden Verfassung und nationalen Tradition wurzelte, in ein gänzlich neues Umfeld, den modernen Wohlfahrtsstaat. Norwegen folgte dem dänischen Vorbild entsprechend der parallelen Rechtstradition insbesondere auf dem Gebiet des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit der Einrichtung des ''Sivilombudsmannen'' im Jahre 1962.  
Für den Handelsverkehr sind Einfachheit und Schnelligkeit entscheidend. Das Handelsrecht verzichtet deshalb auf unnötige Formalitäten und zwingt den Kaufmann zur raschen Äußerung und Disposition. Handelsrechtsnormen, international einheitliche Vertragsklauseln wie die [[Incoterms]] und Handelsbräuche typisieren die Erklärungen und Vertragsschlüsse im Handelsverkehr. Das Handelsrecht fördert Typisierung und (vereinfachende) Formalisierung, z.B. Unbeschränkbarkeit bestimmter handelsrechtlicher [[Vertretungsmacht]]en.


Seit der Einführung des ''Alltingets ombudsmann'' auf Island (1987) findet sich die Institution eines parlamentarischen Ombudsmannes nicht nur in allen nordischen Rechtsordnungen, auch die zum dänischen Königreich zählenden Färöer und Grönland, seit 1948 und 1979 in zunehmendem Maße selbstverwaltet, verfügen mit dem ''Landsting Ombudsman ''auf Grönland (1995) und dem ''Lagting Ombudsman'' auf den Färöer (2001) heute je über eine entsprechende Einrichtung.
Selbstverantwortliche Entscheidung, Einfachheit und Schnelligkeit setzen voraus, dass sich der Kaufmann zuverlässig über seine Vertragspartner informieren und sich auf ihr (äußeres) Verhalten im Handelsverkehr verlassen kann. Die handelsregisterrechtliche [[Publizität]] und die Rechtsscheinhaftung spielen deshalb im Handelsrecht eine zentrale Rolle.


== 3. Rezeption des öffentlich-rechtlichen Ombudsmannes ==
Handelsrecht ist weitgehend aus der Praxis heraus gewachsen. Das spiegelt sich in den Rechtsquellen und der großen Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit ([[Schiedsverfahren, internationales]]) wider. Handelsrecht ist, auch wenn seiner Rechtsnatur nach nationales Recht, immer auch auf den internationalen Verkehr ausgerichtet. Handelsinteressen machen an Grenzen nicht Halt. Das Handelsrecht ist nicht nur offen für Einflüsse von außen, sondern besonders auch für eine pragmatische internationale Rechtsvereinheitlichung. Das allgemeine deutsche Handelsrecht ([[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch||ADHGB]] von 1861) ging der staatlichen Einheit um ein Jahrzehnt und dem einheitlichen [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] um nahezu ein halbes Jahrhundert voraus.
Die Institution des ''parlamentarischen Ombudsmannes'' wurde nicht nur in den nordischen Ländern mit Optimismus und Enthusiasmus aufgenommen; insbesondere der erste dänische Ombudsmann machte sie auch außerhalb des Nordens so bekannt, dass sie in zahlreichen Ländern rezipiert wurde. Dabei war Neuseeland nach Dänemark die vierte und erste englischsprachige Nation, die einen Ombudsmann nach skandinavischer Konzeption etablierte. Diese Adaption der Einrichtung in ein demokratisches System britischer Prägung wurde in den folgenden Jahrzehnten zum Muster für die meisten Staaten des Commonwealth. Im Jahre 1978 hatten über 30 Länder eine Institution nach dem Vorbild des nordischen Ombudsmannes etabliert, im Jahre 2005 waren es weltweit bereits weit über 100 Staaten. Heute besteht vor allem in Ländern, die erst in jüngerer Zeit ihre eigene Unabhängigkeit erreicht haben bzw. die sich nach Überwindung eines totalitären Regimes um die Einführung eines bürgernahen und demokratischen Regierungssystems bemühen, ein gesteigertes Interesse an der Einführung einer kontrollierenden und korrigierenden Instanz wie der des parlamentarischen Ombudsmannes nach skandinavischem Vorbild.


Auf europäischer Ebene wurde im Jahre 1995 das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten mit Sitz in Straßburg eingerichtet. Dieser wird vom [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] gewählt und befasst sich mit Missständen in der Verwaltungstätigkeit der Organe und in Institutionen der Europäischen Union. Dabei stützt er sich in der Regel auf entsprechende Beschwerden, kann aber auch aus eigener Initiative Untersuchungen einleiten.
== 3. Internationale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Handelsrechts ==


== 4. Ombudsmann und Verbraucherrecht ==
Das Streben nach Rechtsangleichung im Interesse des Handelsverkehrs ist alt, wie beispielsweise das [[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch||ADHGB]] zeigt. Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung hat bereits das [[Reichsoberhandelsgericht (mit Reichsgericht)|Reichsoberhandelsgericht]] betrieben. Vorstufen der Rechtsangleichung durch Angleichung der Handelspraxis sind z.B. die [[Incoterms]] oder einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive ([[Akkreditiv]]e) der [[Internationale Handelskammer|Internationalen Handelskammer]]. Seit der Jahrhundertwende finden sich Anfänge eines Welthandelsrechts in großen Übereinkommen besonders auf dem Gebiet des Verkehrs, z.B. Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-Frachtverkehr (CIM) 1890/‌1961 und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (CIV) ([[Eisenbahnverkehr]]), über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßen- und Güterverkehr (CMR) ([[Straßengüterverkehr]]) und über die Beförderung im internationalen [[Luftverkehr]] (Warschauer Abkommen). 1930/‌1931 kam es zur Genfer Wechsel- und Scheckrechtsvereinheitlichung. Weitere internationale Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen betreffen das UN-Kaufrecht ([[Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)]]), das Finanzierungsleasing und das ''[[Factoring]]'' (UNIDROIT-Konventionen), die Garantieverträge (UN-Konvention; [[Garantie]]), das Lager- und Umschlaggeschäft (UN-Konvention) und weitere Gebiete des Transportrechts – von der ''[[Lex Mercatoria|lex mercatoria]]'', ''model laws'', ''principles'' und Klauselrecht ganz zu schweigen.
Seit Anfang der 1970er Jahre ist die Idee eines staatlich bestellten, unabhängigen Kontrollorgans auch zur Förderung des Verbraucherschutzes eingesetzt worden. Bereits seit Beginn der Verbraucherschutzdebatten nach 1960 ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) wurde immer wieder die geringe Bereitschaft der Verbraucher zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen des herkömmlichen Zivilprozesses hervorgehoben. Dies wird auf verschiedene rechtssoziologische und ökonomische Faktoren zurückgeführt, die gewisse Parallelen zum Hintergrund der Etablierung der öffentlich-rechtlichen Ombudsmann-Einrichtungen aufweisen. So führen etwa Informationsdefizite und fehlende Rechtskenntnis der Verbraucher, das Gefühl der Unterlegenheit des Einzelnen und die Schwellenangst gegenüber der Nutzung des Rechtsapparates insbesondere dort, wo es sich nur um geringe Streitwerte handelt und das prozessuale Kostenrisiko vergleichsweise hoch erscheint, zu einer von der ökonomischen Analyse des Rechts konstatierten ''Risikoaversion'' und einem ''rationalen Desinteresse'' des Verbrauchers an der Durchsetzung seiner Rechte. Dabei treffen die Folgen nicht nur den einzelnen Konsumenten (soziale Befriedungsfunktion), sie werden auch als generelle Schwachstellen des Rechtssystems angesehen. Die Durchsetzungsdefizite bringen eine nur unzureichende Verwirklichung des materiellen Verbraucherrechts mit sich und stellen damit die Legitimität des Rechts an sich in Frage. Dies führt zu einem generellen Vertrauensverlust. Gemeinsam mit einer erstarkenden Asymmetrie der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Unternehmern und Konsumenten kann dies die Funktionsfähigkeit einzelner Verbrauchermärkte schmälern.  


In den Rechtsordnungen der westlichen Staaten wurden daher zahlreiche Abhilfemaßnahmen entwickelt. Dabei hat man sich dort, wo der gerichtliche Rechtsschutz besonders teuer ist, bereits früh um Alternativen zu den traditionellen Konfliktlösungsinstrumentarien bemüht. Neben unterschiedlichen Schlichtungs- und Mediationsverfahren ([[Mediation]]) und der Schaffung spezieller Gerichte und schlanker Verfahren für geringwertige Streitigkeiten (so etwa die ''small claims courts'' in den USA) sind hier vor allem die verschiedenen als ''Ombudsmann'' bezeichneten Einrichtungen zu nennen, deren Aufgabe es ist, Positionen der Verbraucher auf deren Beschwerde hin gegenüber den kritisierten Unternehmen zu stärken und den Einzelnen bei der Durchsetzung seiner Verbraucherrechte zu unterstützen.
== 4. Europäische Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Handelsrechts ==


Generell kann hier zwischen ''staatlichen'' Aufsichtsbehörden wie den Verbraucherombudsleuten in den skandinavischen Ländern einerseits (unten 4 a) und privaten, branchenspezifischen, von der Anbieterseite eingerichteten Beschwerdestellen – wie etwa einst dem ''Insurance Ombudsman Bureau'' (IOB) in Großbritannien, das heute als Unterabteilung im gesetzlichen ''Financial Ombudsman Service'' (FOS) aufgegangen ist −, sowie dem Ombudsmann der privaten Banken und dem Versicherungsombudsmann in Deutschland andererseits unterschieden werden (unten 4 b). Während erstere vor allem mit dem Schutz ''kollektiver'' Verbraucherinteressen, insbesondere dem Schutz vor [[Werbung, vergleichende|irreführender Werbung]] und [[Geschäftspraktiken, irreführende|unlauteren Geschäftspraktiken]] betraut sind und nur begrenzt auch Schlichtungsfunktionen bei konkreten Auseinandersetzungen übernehmen, ist die Lösung ''individueller'' Konflikte die Hauptaufgabe der letzteren. Im Gegensatz zum klassischen Ombudsmann im öffentlichen Sektor und dem Verbraucherombudsmann der nordischen Länder sprechen die privaten Ombudsmann-Einrichtungen nicht nur Empfehlungen aus, sie haben regelmäßig auch Entscheidungskompetenzen, die jedoch überwiegend nur das Unternehmen binden (und dies allein bis zu einen bestimmten Streitwert), während dem Verbraucher weiterhin der Weg zum Gericht offen steht.  
Heute gewinnt die Rechtsangleichung in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eine rasch zunehmende Bedeutung. Zahlreiche [[Richtlinie]]n zur Koordinierung des Handelsrechts im weiteren Sinn sind bereits verbindlich. Man kann insoweit von einem Kernbestand des europäischen Handelsrechts sprechen, was zu der Forderung eines europäischen Handelsgesetzbuches beigetragen hat. Bei Nichtumsetzung von EG-Richtlinien droht Haftung des Mitgliedstaates gegenüber seinen Bürgern auf Schadensersatz. Europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nach Umsetzung kann schwierige Probleme aufwerfen, etwa wenn wie in der Handelsvertreterrichtlinie die Interessenwahrungspflicht vorgegeben ist, diese dann aber im nationalen Recht in vielen Details ausgestaltet wird. Praktisch und prozessual wichtig ist, dass für Zweifelsfragen bei der Auslegung der Richtlinien der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] im Vorlageverfahren nach Art. 234 EG/‌267 AEUV zuständig ist. Eine Verkennung der Vorlagepflicht ist eine Vorenthaltung des „gesetzlichen Richters“.


=== a) Der staatliche Verbraucherombudsmann (skandinavisches Modell) ===
Für das Handelsrecht im hier verstandenen, engeren Sinn, für das eine in aller Regel nur Teilregelungen enthaltende europäische Rechtsangleichung vorgenommen wurde, sind unter anderem relevant: die Publizität des Handelsregisters (1. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 9.3.1968, Publizitäts-RL, RL 68/‌151) und allgemeiner das Handelsregisterrecht mit dem elektronischen Handelsregister (Publizitäts-Änderungs-RL vom 15.7.2003, RL 2003/‌58), der Jahresabschluss und der Konzernabschluss jeweils einschließlich Lagebericht von Kapitalgesellschaften (4. und 7. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie, Jahresabschluss-RL, RL 78/‌660 vom 25.7. 1978, sowie Konzernabschluss-RL, RL 83/‌349 vom 13.6.1983), die klarstellende Einbeziehung der GmbH & Co. in diese Rechnungslegungspublizität (RL 90/‌605 vom 8.11.1990, GmbH & Co.-RL), Abschlussprüfer (8. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 10.4.1984, Abschlussprüfer-RL, RL 84/‌253, aufgehoben durch die Richtlinie vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen ([[Abschlussprüfer]]), RL 2006/‌43; Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002 zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers; Empfehlung der Kommission vom 5.6.2008 zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften), das Handelsvertreterrecht (Richtlinie vom 18.12.1986, Handelsvertreter-RL, RL 86/‌653) und das Zweigniederlassungsrecht (11. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 22.12.1989, Zweigniederlassungs-RL, RL 89/‌ 666).
Die erste Einrichtung dieser Art wurde im Jahre 1971 in Schweden geschaffen. Der sog. ''Konsumentombudsmannen'' (KO) ist als öffentlicher Beamter von hohem Ansehen zugleich Direktor des ''Konsumentverket'' (KOV) (''Swedish Consumer Agency''). Seine wesentliche Aufgabe ist die Überprüfung der Einhaltung verbraucherrechtlicher Vorgaben durch die Marktteilnehmer. Dies geschieht auf eigene Initiative, als Folge von Beschwerden durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Eingaben öffentlicher Stellen. Der ''Konsumentombudsmannen'' fungiert hier als Vertreter der allgemeinen Verbraucherinteressen und bemüht sich um einvernehmliche Lösungen und freiwillige Befolgung seiner Empfehlungen. Wo die Verhandlungen jedoch scheitern, kann er Klage vor einem besonderen Gericht, dem ''Marknadsdomstolen'' (''Market Court'') wegen Verletzung des ''Lag om avtalsvilkor i konsumentförhållanden ''(''Consumer Contract Terms Act'') oder des ''Marknadsföringslagen'', MFL 1995:450'' ''(''Marketing Practices Act''), ggf. in Verbindung mit anderen Verbraucherschutzgesetzen, erheben. Der ''Konsumentombudsmannen'' kann hier gerichtliche Verfügungen erwirken, eine Entscheidung zur Offenlegung von Informationen anstreben oder eine spezielle Strafe wegen Störung des Marktes von bis zu 10 % des jährlichen Umsatzes des Beklagten begehren. In kleineren Fällen ist der ''Konsumentombudsmannen'' – eine Einigung mit dem jeweiligen Unternehmen vorausgesetzt – auch selber berechtigt, Verbote auszusprechen oder die Offenlegung von Informationen anzufordern. Ferner ist der ''Konsumentombudsmannen'' bereits seit 1997 berechtigt, eine Gruppe von Verbrauchern im Rahmen einer außergerichtlichen Sammelklage vor dem ''Allmänna reklamasjonsnämnden ''(ARN) (''Swedish National Board for Consumer Complaints'') als deren Repräsentant zu vertreten. Mit dem ''Lag om grupprättegång'' aus dem Jahre 2002 (''Group Proceedings Act of 2002'') ist die Gruppenklage auch vor den ordentlichen Gerichten eingeführt worden; die mögliche Durchsetzung von kollektiven Verbraucherinteressen – auch, aber nicht nur vertreten durch den ''Konsumentombudsmannen'' – ist damit grundsätzlich erweitert worden. Weiter kann der ''Konsumentombudsmannen'' auch einzelne Verbraucher und die in Rede stehenden Verbraucherinteressen im Rahmen von individuellen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht unterstützen. Zunächst war dies nur für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der Finanzdienstleistung vorgesehen, seit 2007 ist diese Regelung aber auf alle Verbraucherklagen ausgeweitet. Diese Form der Intervention des ''Konsumentombudsmannen'' findet zunehmend großen Anklang; es handelt sich derzeit um eine vorläufige Regelung, die bis Ende 2011 erprobt wird. Schließlich wirkt der ''Konsumentombudsmannen'' bei den Beschlüssen des ARN zu individuellen Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Unternehmen mit und gibt neben den im Ausschuss beteiligten Branchenvertretern und Verbrauchervertretern Stellungnahmen ab, die mit in die unverbindliche, aber zumeist freiwillig befolgte Empfehlung des ARN einfließen.  


Auch in Dänemark (und vergleichbar auch in Norwegen und Finnland) sorgt der ''Forbrugerombudsmand'' vor allem für den Schutz ''kollektiver'' Verbraucherinteressen und die Einhaltung der Vorgaben des ''Markedsføringsloven ''(''Marketing Practices Act''), ggf. in Verbindung mit weiteren zivilrechtlichen Verbraucherschutzgesetzen, die Einhaltung des ''Betalingsmiddelloven'', des ''Tobaksreklameloven'', des ''E-handelsloven'' und des ''Lov om juridisk rådgivning''. Wie der schwedische ''Konsumentombudsmannen'' wird er auf eigene Initiative oder auf Beschwerde durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Hinweise anderer Stellen hin aktiv und ist vornehmlich um außergerichtliche Verhandlung und freiwillige Befolgung seiner Einwände bemüht. Er kann aber auch vor dem hierfür zuständigen ''Sø- og Handelsretten i København ''(''Copenhagen Maritime and Commercial Court'') Klage wegen Verstoßes gegen eines der in Rede stehenden Verbraucherschutzgesetze erheben. Bei Gefahr im Verzug kann er zudem selber eine vorläufige Entscheidung treffen. Für ''individuelle'' Rechtsstreitigkeiten wurden in Dänemark unter dem Dach einer staatlichen Rahmengesetzgebung zahlreiche private Beschwerdestellen durch Wirtschafts- und Verbraucherverbände eingerichtet. Daneben ist der öffentliche ''Forbrugerklagenævnet'' (''Consumer Complaint Board'') auf der Grundlage des ''Forbrugerklagelov'' (''Consumer Complaint Act'') aus dem Jahre 2003 für diejenigen Beschwerden zuständig, die nicht von den privaten Beschwerdestellen abgedeckt und die auch nicht durch das Familien- und Verbraucherministerium von dieser Form der außergerichtlichen Streitbeilegung ausgeschlossen wurden. Der ''Forbrugerombudsmand ''hingegen greift in Dänemark grundsätzlich nicht in individuelle Streitigkeiten ein.  
Wenn man diesen Bestand an europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Handelsrechts im engeren Sinn Revue passieren lässt, wird leicht erkenntlich, dass das Hauptaugenmerk des europäischen Gesetzgebers auf drei Gebieten liegt: der handels- und gesellschaftsrechtlichen Publizität, dem [[Handelsvertreter]]recht und dem Recht der Zweigniederlassungen. Die Gründe dafür sind leicht nachvollziehbar. [[Publizität]] ist im Handels- und Wirtschaftsrecht eines der wichtigsten Regelungsinstrumente, weil sie die Unternehmen zwingt, sich am Markt der Kontrolle und dem Wettbewerb zu stellen. Für den europäischen Gesetzgeber ist die Publizität auch deswegen besonders wichtig, weil sie eine weniger einschneidende Alternative zu eigentlichen Sachregelungen enthält, der zuzustimmen die Mitgliedstaaten sich eher bereit finden. Das Handelsvertreterrecht ist ein zentraler Bereich des Vertriebs, der im europäischen Binnenmarkt ohne Hindernisse grenzüberschreitend möglich sein muß ([[Handelsvertreter]]). Zugleich enthält das Handelsvertreterrecht Schutznormen, denen der europäische Gesetzgeber auch in anderen Bereichen, etwa Aktionärs-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz, zunehmend Aufmerksamkeit widmet. Das Recht der Zweigniederlassungen schließlich ist im [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarkt]] zentral.


=== b) Private Ombudsmann-Einrichtungen  ===
== 5. Europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten ==
Als Beispiel für zahlreiche private Ombudsmann-Einrichtungen ist vor allem das ''Insurance Ombudsman Bureau'' (IOB) in Großbritannien (GB) zu nennen. Dieses wurde 1981 von den drei größten Versicherungsgesellschaften als unabhängige, kostenlose Schlichtungsinstitution errichtet. Hintergrund war die zunehmende Kritik an der materiellrechtlich wie auch prozessual unbefriedigenden Situation der Verbraucher in der britischen Versicherungsbranche. Aufbauend auf entsprechenden Forderungen der ''Consumers’ Association'' und des ''Office of Fair Trading'' aus den frühen 1970er Jahren gaben die Versicherer dem zunehmenden Druck schließlich nach und richteten eine unabhängige private Beschwerdestelle ein. Hierfür wählten sie den positiv besetzten Begriff „Ombudsmann“, der für Integrität, Unabhängigkeit und Bürgernähe stand. Die Gründung des IOB sollte aber nicht nur das Image der Versicherer verbessern, sondern ist vor allem auch eine Maßnahme zur Verhinderung von Eingriffen des Gesetzgebers durch direktere und rechtsverbindlichere Regelungen. In den folgenden Jahren entwickelte sich das IOB zum Musterbeispiel erfolgreicher Streitbeilegung durch Selbstregulierung. Dies zeigt sich an der Vielzahl der behandelten Beschwerden, dem Vertrauen der Betroffenen und Beobachter, dem hohen Bekanntheitsgrad und der häufigen Übernahme des Modells durch andere Branchen und in anderen Ländern. Im Jahre 2001 kam es in GB zu einer Übertragung des bewährten Ombudsmann-Modells auf den gesamten Finanzdienstleistungssektor mit der Folge, dass die seinerzeit acht verschiedenen Ombudsmann- und Schlichtungssysteme im Finanzdienstleistungssektor vereinheitlicht und zu einem gesetzlichen ''Financial Ombudsman Service'' (FOS) zusammengefasst wurden. Damit ist auch das IOB als Unterabteilung im FOS aufgegangen. Diese gesetzgeberische Initiative zur Vereinheitlichung und Regulierung privater Beschwerdestellen, die auch in anderen Ländern wie etwa Dänemark und Irland zu beobachten ist, darf jedoch nicht als Ablösung eines überholten, sondern muss vielmehr als gesetzlich unterstützte Ausdehnung eines ausgesprochen bewährten Modells verstanden werden.


Deutschland ist mit der freiwilligen Einrichtung des Ombudsmannes der privaten Banken (1992) und des Versicherungsombudsmannes (2001) erst vergleichsweise spät in die europaweite Entwicklung hinsichtlich privater, branchenspezifischer Beschwerdeausschüsse eingestiegen. Lange hatte man sich hier mittels staatlicher Subventionen um eine Integration der Verbraucherstreitigkeiten in die ordentliche Gerichtsbarkeit bemüht. Im Ergebnis sind die Gerichte u.a. aufgrund der [[Prozesskostenhilfe]] und des von der Versicherungswirtschaft geschaffenen Instruments der privaten Rechtsschutzversicherungen tatsächlich jedermann zugänglich, die Funktionsfähigkeit der Gerichte aber leidet unter einer immer größeren Prozesslast, und die Verfahrensdauer nimmt trotz verschiedener justizpolitischer Maßnahmen eher zu als ab. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch in Deutschland die Einrichtungen des Bankenombudsmannes und des Versicherungsombudsmannes, die sich vor allem am Vorbild des IOB in Großbritannien orientiert hat, als Erfolgsgeschichte. Dies zeigt sich etwa an der wachsenden Zahl von Verbraucherbeschwerden, obgleich der Weg vor die Gerichte grundsätzlich offen steht und erschwinglich ist, sowie an der flächendeckenden Organisation der Versicherer im (freiwilligen) Trägerverein des Versicherungsombudsmannes. Zusammen spiegelt dies eine hohe Akzeptanz der Einrichtungen auf beiden Seite wider, führt zu einem marktfördernden wechselseitigen Vertrauen und einer hohen Befriedungsrate. Es erscheint daher vielversprechend, weitere private Beschwerdestellen auch für andere Verbrauchermärkte einzurichten; dies gilt jedenfalls dann, wenn die beteiligten Branchenmitglieder eine gewisse Interessenhomogenität aufweisen und die zentralen Erfolgsbedingungen der genannten Ombudsmann-Einrichtungen, darunter vor allem ihre begrenzte Entscheidungskompetenz mit einseitiger Bindungswirkung für den Unternehmer, beachtet werden.  
Wenn man einen weiten Begriff des Handelsrechts (s.o. 1.) zugrundelegt oder auf die europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten wie dem Gesellschaftsrecht, Bank- und Börsenrecht, Versicherungsrecht und in Teilen des Arbeitsrechts abhebt, nimmt die Zahl der europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen drastisch zu, so dass es keinen Sinn macht, diese hier näher anzusprechen; vielmehr muss auf einzelne andere Stichwörter verwiesen werden. So zählt eine Textsammlung von 2007 zum europäischen Gesellschafts- und Finanzrecht 32 Einträge, zum Bankrecht 42, zum Recht des Verbraucherschutzes bei Finanztransaktionen 24, zum Börsen- und Kapitalmarktrecht 34, zum Versicherungsrecht 40 und zum Unternehmensrecht 13.


== 5. Europarechtliche Dimension  ==
== 6. Ein europäisches Handelsgesetzbuch? ==
Die Institutionen der EU fordern und fördern seit Jahren durch Veröffentlichung entsprechender Grundsätze und Verabschiedung zahlreicher Richtlinien die Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten durch Einbindung einer dritten Partei, eines Schiedsrichters, Mediators oder Ombudsmannes. Zu nennen sind hier etwa die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (RL 97/‌7), die Empfehlung der Kommission vom 4.4.2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen (2001/‌310/‌EC), ferner die Mitteilung'' ''der Kommission vom 4.4.2001 zur Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung (KOM(2001) 161 endg.), das Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht vom 19.4.2002, die Richtliniedes Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.12.2002 über Versicherungsvermittlung (RL 2002/‌92; [[Versicherungsvermittler]]), die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (RL 2008/‌52) sowie das Grünbuch der Kommission über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008 (KOM(2008) 794 endg.).
 
Verschiedentlich ist die Forderung nach einem europäischen Handelsgesetzbuch erhoben worden (z.B. von ''Ulrich'' ''Magnus''). Zur Begründung wird vorgebracht, dass abgesehen vom [[Vertragsschluss]] und vom allgemeinen Vertragsrecht bereits eine Reihe von besonderen Verträgen des Handelsrechts ganz oder teilweise international einheitlich geregelt seien (Handelskauf, Finanzierungsleasing [''[[Leasing]]''], ''[[Factoring]]'', Garantieverträge [[[Garantie]]], [[Transportvertrag|Transportverträge]], [[Handelsvertreter]]verträge, Lagerverträge, Dokumentenakkreditive [[[Akkreditiv]]e] und Überweisungen [[[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]]). Es fehlten jedoch so wichtige Handelsverträge wie Vertriebsverträge ([[Vertrieb]]) und ''[[Franchising]]'', [[Lizenzverträge]], Know-how- und Technologietransferverträge. Diese Bausteine bedürften nur der Zusammenfügung zu einem stimmigen Gebäude.  
 
Daran ist sicher richtig, dass die Auswahl und Reichweite dieser Rechtsvereinheitlichungen vielfach nur politisch oder interessengetrieben zu verstehen ist. So ist beispielsweise nicht recht verständlich, warum aus dem gesamten Vertriebsrecht, bei dem der Unternehmer doch die Wahl zwischen Direktvertrieb, Handelsvertretervertrieb oder Vertriebe über Vertragshändler hat, nur das Handelsvertreterrecht erfasst ist und auch dieses nur in Einzelheiten, z.B. hinsichtlich der Vergütung der Handelsvertreter und der Vertragsbeendigung mit Ausgleichsansprüchen, nicht aber das Recht der Vertragshändler (von dem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsrecht abgesehen). Indessen ist eingangs darauf hingewiesen worden, dass eine eigene [[Kodifikation]] des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten keineswegs allgemeine Zustimmung findet, sondern eher im Gegenteil eine Bewegung dahin festzustellen ist, das Handelsrecht in das bürgerliche Recht zurückzuholen. Auch bestehen zu Begriff und Reichweite des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten ganz erhebliche Unterscheide und Meinungsverschiedenheiten. Schließlich hat die europäische Bewegung wenn nicht hin zu einem europäischen Zivilgesetzbuch, so doch zu einer allgemeineren Vertragsrechtsvereinheitlichung durch ''principles'', ''model laws'' und ''tools'' in den letzten Jahren ganz erheblich an Bedeutung gewonnen. Dort wird man eher weiterschreiten.


==Literatur==
==Literatur==
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Aktuelle Version vom 8. September 2021, 11:28 Uhr

von Klaus J. Hopt

1. Begriff und Rechtsquellen des Handelsrechts

Einen festen, europäisch einheitlichen Begriff des Handelsrechts gibt es nicht. Allenfalls national kann zur Abgrenzung beitragen, ob das Handelsrecht in einem eigenen Gesetz wie in Frankreich dem Code de Commerce von 1807 oder in Deutschland dem HGB von 1897 (ähnlich Belgien, Luxemburg, Spanien, Portugal, Griechenland; als Mustergesetz auch in den USA der Uniform Commercial Code seit 1954) kodifiziert oder Teil des allgemeinen bürgerlichen Rechts ist wie in der Schweiz (Schweizerisches Obligationenrecht 1881 und Schweizerisches ZGB 1907) und, von einem eigenen Handelsgesetzbuch abgehend, Italien (Codice civile 1942) und in jüngerer Zeit den Niederlanden das Burgerlijk Wetboek) oder ob es überhaupt nur in Einzelgesetzen wie in Skandinavien oder vor allem auch im Richterrecht wie in Großbritannien und Irland enthalten ist. National unterschiedlich ist demnach auch, wie weit Handelsrecht verstanden wird, also ob es auch Bilanzrecht, Transportrecht (Transportvertrag), Gesellschaftsrecht, Bank- und Börsenrecht (Bankrecht; Bankrecht, internationales; Börsen), Versicherungsrecht (Versicherungsvertrag; Versicherungsvertragsrecht, internationales) und Teile des Arbeitsrechts umfasst.

Am ehesten lässt sich Handelsrecht als Sonderrecht für bestimmte am Geschäftsverkehr teilnehmende Personen oder für bestimmte wirtschaftliche Geschäfte und Tätigkeiten verstehen. Das Handelsrecht kann zu seiner Abgrenzung je nachdem auf die Geschäfte abstellen (Handelsgeschäfte, objektives System) oder wie das deutsche oder österreichische HGB entscheidend auf die Person (Kaufmann bzw. Unternehmer, subjektives System, meistens gemischtes System). Letzterenfalls ist Handelsrecht das Recht des Handelsstandes, also der Kaufleute, und das Handelsrecht regelt die Handelsgeschäfte derselben. Handelsrecht ist trotz einzelner öffentlich-rechtlicher Vorschriften, z.B. betreffend Handelsregister, Handelsfirma und Buchführung, Teil des Privatrechts.

Rechtsquellen des Handelsrechts sind in Kontinentaleuropa vor allem das Gesetzesrecht, daneben und in common law-Ländern vor allem das Richterrecht. Wichtiger als im allgemeinen Privatrecht sind Handelsbräuche und Verkehrssitte, was an den Besonderheiten des Handelsrechts liegt. Besonders wichtig sind Handelsbräuche im internationalen Handelsverkehr. In weiten Bereichen des Handelsrechts dominieren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), mit besonderen Problemen im internationalen Verkehr. Wichtig sind außerdem die Empfehlungen der Internationalen Handelskammer und anderer, auch nationaler Gremien.

2. Besonderheiten des Handelsrechts gegenüber dem Bürgerlichen Recht

Als Unternehmer, der sich im Wettbewerb behaupten muss oder aus dem Markt ausscheidet, muss der Kaufmann seine Geschäfte frei gestalten können. Privatautonom gesetztes Recht (vor allem Vertragsrecht einschließlich AGB) spielt deshalb im Handelsrecht eine große Rolle. Außer für das kaufmännische Personal und die Handelsvertreter tritt zwingendes Recht zurück; der Kaufmann muss die Risiken und Chancen im Handelsverkehr selbst abschätzen.

Für den Handelsverkehr sind Einfachheit und Schnelligkeit entscheidend. Das Handelsrecht verzichtet deshalb auf unnötige Formalitäten und zwingt den Kaufmann zur raschen Äußerung und Disposition. Handelsrechtsnormen, international einheitliche Vertragsklauseln wie die Incoterms und Handelsbräuche typisieren die Erklärungen und Vertragsschlüsse im Handelsverkehr. Das Handelsrecht fördert Typisierung und (vereinfachende) Formalisierung, z.B. Unbeschränkbarkeit bestimmter handelsrechtlicher Vertretungsmachten.

Selbstverantwortliche Entscheidung, Einfachheit und Schnelligkeit setzen voraus, dass sich der Kaufmann zuverlässig über seine Vertragspartner informieren und sich auf ihr (äußeres) Verhalten im Handelsverkehr verlassen kann. Die handelsregisterrechtliche Publizität und die Rechtsscheinhaftung spielen deshalb im Handelsrecht eine zentrale Rolle.

Handelsrecht ist weitgehend aus der Praxis heraus gewachsen. Das spiegelt sich in den Rechtsquellen und der großen Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsverfahren, internationales) wider. Handelsrecht ist, auch wenn seiner Rechtsnatur nach nationales Recht, immer auch auf den internationalen Verkehr ausgerichtet. Handelsinteressen machen an Grenzen nicht Halt. Das Handelsrecht ist nicht nur offen für Einflüsse von außen, sondern besonders auch für eine pragmatische internationale Rechtsvereinheitlichung. Das allgemeine deutsche Handelsrecht (|ADHGB von 1861) ging der staatlichen Einheit um ein Jahrzehnt und dem einheitlichen BGB um nahezu ein halbes Jahrhundert voraus.

3. Internationale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Handelsrechts

Das Streben nach Rechtsangleichung im Interesse des Handelsverkehrs ist alt, wie beispielsweise das |ADHGB zeigt. Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung hat bereits das Reichsoberhandelsgericht betrieben. Vorstufen der Rechtsangleichung durch Angleichung der Handelspraxis sind z.B. die Incoterms oder einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive (Akkreditive) der Internationalen Handelskammer. Seit der Jahrhundertwende finden sich Anfänge eines Welthandelsrechts in großen Übereinkommen besonders auf dem Gebiet des Verkehrs, z.B. Internationales Übereinkommen über den Eisenbahn-Frachtverkehr (CIM) 1890/‌1961 und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (CIV) (Eisenbahnverkehr), über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßen- und Güterverkehr (CMR) (Straßengüterverkehr) und über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Warschauer Abkommen). 1930/‌1931 kam es zur Genfer Wechsel- und Scheckrechtsvereinheitlichung. Weitere internationale Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen betreffen das UN-Kaufrecht (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)), das Finanzierungsleasing und das Factoring (UNIDROIT-Konventionen), die Garantieverträge (UN-Konvention; Garantie), das Lager- und Umschlaggeschäft (UN-Konvention) und weitere Gebiete des Transportrechts – von der lex mercatoria, model laws, principles und Klauselrecht ganz zu schweigen.

4. Europäische Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Handelsrechts

Heute gewinnt die Rechtsangleichung in der Europäischen Union eine rasch zunehmende Bedeutung. Zahlreiche Richtlinien zur Koordinierung des Handelsrechts im weiteren Sinn sind bereits verbindlich. Man kann insoweit von einem Kernbestand des europäischen Handelsrechts sprechen, was zu der Forderung eines europäischen Handelsgesetzbuches beigetragen hat. Bei Nichtumsetzung von EG-Richtlinien droht Haftung des Mitgliedstaates gegenüber seinen Bürgern auf Schadensersatz. Europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nach Umsetzung kann schwierige Probleme aufwerfen, etwa wenn wie in der Handelsvertreterrichtlinie die Interessenwahrungspflicht vorgegeben ist, diese dann aber im nationalen Recht in vielen Details ausgestaltet wird. Praktisch und prozessual wichtig ist, dass für Zweifelsfragen bei der Auslegung der Richtlinien der EuGH im Vorlageverfahren nach Art. 234 EG/‌267 AEUV zuständig ist. Eine Verkennung der Vorlagepflicht ist eine Vorenthaltung des „gesetzlichen Richters“.

Für das Handelsrecht im hier verstandenen, engeren Sinn, für das eine in aller Regel nur Teilregelungen enthaltende europäische Rechtsangleichung vorgenommen wurde, sind unter anderem relevant: die Publizität des Handelsregisters (1. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 9.3.1968, Publizitäts-RL, RL 68/‌151) und allgemeiner das Handelsregisterrecht mit dem elektronischen Handelsregister (Publizitäts-Änderungs-RL vom 15.7.2003, RL 2003/‌58), der Jahresabschluss und der Konzernabschluss jeweils einschließlich Lagebericht von Kapitalgesellschaften (4. und 7. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie, Jahresabschluss-RL, RL 78/‌660 vom 25.7. 1978, sowie Konzernabschluss-RL, RL 83/‌349 vom 13.6.1983), die klarstellende Einbeziehung der GmbH & Co. in diese Rechnungslegungspublizität (RL 90/‌605 vom 8.11.1990, GmbH & Co.-RL), Abschlussprüfer (8. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 10.4.1984, Abschlussprüfer-RL, RL 84/‌253, aufgehoben durch die Richtlinie vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen (Abschlussprüfer), RL 2006/‌43; Empfehlung der Kommission vom 16.5.2002 zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers; Empfehlung der Kommission vom 5.6.2008 zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften), das Handelsvertreterrecht (Richtlinie vom 18.12.1986, Handelsvertreter-RL, RL 86/‌653) und das Zweigniederlassungsrecht (11. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 22.12.1989, Zweigniederlassungs-RL, RL 89/‌ 666).

Wenn man diesen Bestand an europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Handelsrechts im engeren Sinn Revue passieren lässt, wird leicht erkenntlich, dass das Hauptaugenmerk des europäischen Gesetzgebers auf drei Gebieten liegt: der handels- und gesellschaftsrechtlichen Publizität, dem Handelsvertreterrecht und dem Recht der Zweigniederlassungen. Die Gründe dafür sind leicht nachvollziehbar. Publizität ist im Handels- und Wirtschaftsrecht eines der wichtigsten Regelungsinstrumente, weil sie die Unternehmen zwingt, sich am Markt der Kontrolle und dem Wettbewerb zu stellen. Für den europäischen Gesetzgeber ist die Publizität auch deswegen besonders wichtig, weil sie eine weniger einschneidende Alternative zu eigentlichen Sachregelungen enthält, der zuzustimmen die Mitgliedstaaten sich eher bereit finden. Das Handelsvertreterrecht ist ein zentraler Bereich des Vertriebs, der im europäischen Binnenmarkt ohne Hindernisse grenzüberschreitend möglich sein muß (Handelsvertreter). Zugleich enthält das Handelsvertreterrecht Schutznormen, denen der europäische Gesetzgeber auch in anderen Bereichen, etwa Aktionärs-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz, zunehmend Aufmerksamkeit widmet. Das Recht der Zweigniederlassungen schließlich ist im europäischen Binnenmarkt zentral.

5. Europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten

Wenn man einen weiten Begriff des Handelsrechts (s.o. 1.) zugrundelegt oder auf die europäische Rechtsangleichung auf handelsrechtsnahen Gebieten wie dem Gesellschaftsrecht, Bank- und Börsenrecht, Versicherungsrecht und in Teilen des Arbeitsrechts abhebt, nimmt die Zahl der europarechtlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen drastisch zu, so dass es keinen Sinn macht, diese hier näher anzusprechen; vielmehr muss auf einzelne andere Stichwörter verwiesen werden. So zählt eine Textsammlung von 2007 zum europäischen Gesellschafts- und Finanzrecht 32 Einträge, zum Bankrecht 42, zum Recht des Verbraucherschutzes bei Finanztransaktionen 24, zum Börsen- und Kapitalmarktrecht 34, zum Versicherungsrecht 40 und zum Unternehmensrecht 13.

6. Ein europäisches Handelsgesetzbuch?

Verschiedentlich ist die Forderung nach einem europäischen Handelsgesetzbuch erhoben worden (z.B. von Ulrich Magnus). Zur Begründung wird vorgebracht, dass abgesehen vom Vertragsschluss und vom allgemeinen Vertragsrecht bereits eine Reihe von besonderen Verträgen des Handelsrechts ganz oder teilweise international einheitlich geregelt seien (Handelskauf, Finanzierungsleasing [Leasing], Factoring, Garantieverträge [Garantie], Transportverträge, Handelsvertreterverträge, Lagerverträge, Dokumentenakkreditive [Akkreditive] und Überweisungen [Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]). Es fehlten jedoch so wichtige Handelsverträge wie Vertriebsverträge (Vertrieb) und Franchising, Lizenzverträge, Know-how- und Technologietransferverträge. Diese Bausteine bedürften nur der Zusammenfügung zu einem stimmigen Gebäude.

Daran ist sicher richtig, dass die Auswahl und Reichweite dieser Rechtsvereinheitlichungen vielfach nur politisch oder interessengetrieben zu verstehen ist. So ist beispielsweise nicht recht verständlich, warum aus dem gesamten Vertriebsrecht, bei dem der Unternehmer doch die Wahl zwischen Direktvertrieb, Handelsvertretervertrieb oder Vertriebe über Vertragshändler hat, nur das Handelsvertreterrecht erfasst ist und auch dieses nur in Einzelheiten, z.B. hinsichtlich der Vergütung der Handelsvertreter und der Vertragsbeendigung mit Ausgleichsansprüchen, nicht aber das Recht der Vertragshändler (von dem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsrecht abgesehen). Indessen ist eingangs darauf hingewiesen worden, dass eine eigene Kodifikation des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten keineswegs allgemeine Zustimmung findet, sondern eher im Gegenteil eine Bewegung dahin festzustellen ist, das Handelsrecht in das bürgerliche Recht zurückzuholen. Auch bestehen zu Begriff und Reichweite des Handelsrechts in den Mitgliedstaaten ganz erhebliche Unterscheide und Meinungsverschiedenheiten. Schließlich hat die europäische Bewegung wenn nicht hin zu einem europäischen Zivilgesetzbuch, so doch zu einer allgemeineren Vertragsrechtsvereinheitlichung durch principles, model laws und tools in den letzten Jahren ganz erheblich an Bedeutung gewonnen. Dort wird man eher weiterschreiten.

Literatur

Peter Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlung des Handelsrechts, 1965; Wolfgang Zöllner, Wovon handelt das Handelsrecht? Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1983, 82ff.; Franz Bydlinski, Handels- oder Unternehmensrecht als Sonderprivatrecht, 1990; Uwe Blaurock, Übernationales Recht des Internationalen Handels, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 1 (1993) 247 ff.; Herbert Kronke, Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung des Reichsoberhandelsgerichts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 5 (1997) 735 ff.; Ulrich Magnus, Die Gestalt eines Europäischen Handelsgesetzbuches, in: Festschrift für Ulrich Drobnig, 1998, 57 ff.; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999; Klaus J. Hopt (Hg.), Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 3. Aufl. 2007; Klaus J. Hopt, Eddy Wymeersch (Hg.), European Company and Financial Law, 4. Aufl. 2007; Adolf Baumbach, Klaus J. Hopt, Hanno Merkt, Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co, Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 34. Aufl. 2009.

Abgerufen von Ombudsmann – HWB-EuP 2009 am 29. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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