Chartervertrag: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 8. September 2021, 11:13 Uhr

von Tjard-Niklas Trümper

1. Begriff, Phänotypen und Geschichte des Chartervertrags

Der Begriff des seerechtlichen Chartervertrags (contract by charterparty, contrat d’affrètement, contratto di utilizzazione della nave, contrato de fletamento, bevrachtingsovereenkomst, befraktning) stellt einen Oberbegriff für bestimmte Vertragsgestaltungen dar, bei denen die charakteristische Leistung darin besteht, dass ein Schiff oder auch nur ein Teil davon zum Gebrauch überlassen wird. Zusammen mit dem Güterbeförderungsvertrag über See, vgl. Seeverkehr (Gütertransportverträge), bildet der Chartervertrag eine Ausprägung des Frachtvertrags (contract of affreightment, contrats d’affrètement, contratto di trasporto, contrato de explotación del buque, scheepsexploitatie, Sjöfraktavtal). Er hat sich deshalb zu einem gemeinsamen Oberbegriff entwickelt, weil die so bezeichneten Verträge üblicherweise in einer Urkunde festgehalten werden, die im englischen Sprachgebrauch als charterparty (Chartepartie [§ 557 HGB], polizza di carico, póliza de fletamento, charterpartij, befraktningsavtal/certepartier) bezeichnet wird. Diese Begriffsbildung anhand der Vertragsurkunde entspricht der common law Tradition im Seefrachtrecht, wonach Transportverträge häufig anhand der ausgestellten Transportdokumente bezeichnet werden, vgl. auch Seeverkehr (Gütertransportverträge). Wenn auch einige Formen des Chartervertrages auf jüngere Entwicklungen im 20. Jahrhundert zurückgehen, so ist der Chartervertrag in seinen ersten Ausprägungen der Urvertrag des Seefrachtgeschäfts und seine Ursprünge reichen weiter zurück als die von Transportverträgen unter einer bill of lading, vgl. auch Seeverkehr (Gütertransportverträge). Bereits das oströmische Rhodische Seerecht aus dem 6.-8. Jahrhundert erwähnte mit der Schiffsmiete eine Ausformung des heutigen Chartervertrages. Der Begriff Charterparty oder Chartepartie geht auf den mittelalterlichen Handelsbrauch zurück, den Seefrachtvertrag in einer Urkunde festzuhalten, die man zum Schutz gegen Fälschungen und Verfälschungen mittels gezahnten Schnittes in zwei Teile zerteilte (indenture), von denen dann jede Vertragspartei eine Hälfte – eine carta partita – erhielt.

Neben der charakteristischen Gebrauchsüberlassung von Schiffsraum weichen die vertraglichen Gestaltungen von Charterverträgen teilweise deutlich von einander ab. Aus diesem Grunde lässt sich auch keine Aussage über die Rechtsnatur des Chartervertrages machen, die von der jeweiligen Vertragsgestaltung unabhängig ist. Die Parteien, vor allem die beteiligten Schiffsmakler, verhandeln gewöhnlich auf der Grundlage verbandsempfohlener Formularverträge. Mit Recht wurde der Chartervertrag auch als besonders schillernder und wandlungsfähiger Vertragstypus für nahezu alle Bedürfnisse bezeichnet, die vom Güterbeförderungsvertrag über See nicht erfasst werden.

Wenn die Abweichungen auch teilweise erheblich sind, so ist dennoch die Überlassung eines Schiffs oder doch zumindest eines Teils davon allen Charterverträgen gemein. Hierdurch lassen sich Charterverträge von solchen Seefrachtverträgen abgrenzen, bei denen eine bestimmte Ladung – typischerweise unter einer bill of lading oder sea waybill – zu transportieren ist, also von Verträgen bei denen die einzelne Ladung und nicht das Schiff im Vordergrund steht (Stückgutfrachtvertrag vgl. § 556 Nr. 2 HGB; besser jedoch Gütertransportvertrag über See; vgl. contract of carriage, contrat de transport de marchandises, trasporto di cose determinate, transporte marítimo de mercancías, styckegodstransport). Teilweise sind die Grenzen zwischen Charterverträgen und Stückgutfrachtverträgen jedoch fließend, da sie wirtschaftlich demselben Zweck dienen können.

Der Oberbegriff des Chartervertrages lässt sich in drei Kategorien unterteilen, je nachdem, in welchem Maße dem Charterer Verfügungsgewalt über das Schiff eingeräumt wird und ob das Schiff mit oder ohne Besatzung zur Verfügung steht. Diese Typen sind Reisecharter, Zeitcharter und Schiffsmiete bzw. Bareboat-Charter.

Bei der Reisecharter stellt der Eigner – im HGB Verfrachter genannt – (owner, fréteur, locatore/armatore/noleggiante, fletante, vervrachter, bortfraktare) dem Charterer – Befrachter nach HGB – (charterer, affréteur, conduttore/noleggiatore, fletador, bevrachter, avlastare) ein Schiff mit Ausrüstung und Besatzung für eine oder auch mehrere Reisen zur Verfügung. Die Bezeichnungen der Parteien, die sich am Vertragsverhältnis orientieren – Verfrachter und Befrachter –, sind eigentlich genauer als diejenigen, die auf das Eigentum abstellen, denn der Verfrachter muss nicht unbedingt Eigentümer des Schiffes sein; owner und charterer nach englischem Sprachgebrauch haben sich jedoch international durchgesetzt.

Bei der Zeitcharter stellt der Eigner dem Charterer ein Schiff mitsamt Ausrüstung und Besatzung für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung. Zeitcharterverträge sind dabei auch ein gebräuchliches Mittel, mit dem Linienreedereien ihre eigene Flotte durch gecharterte Schiffe vergrößern.

Bei der Bareboatcharter überlässt der Eigner dem Charterer, ähnlich wie bei einem Mietvertrag (Miete und Pacht), ein bestimmtes Schiff ohne Ausrüstung und Besatzung für einen bestimmten Zeitraum. Wesentliches Merkmal der Bareboatcharter ist, dass dieser Vertrag keine Dienstleistungselemente aufweist. Der Charterer übernimmt bei der Bareboatcharter damit auch die nautische Führung über das Schiff und trägt hierfür die Verantwortung. Etwas anders ist die vertragliche Gestaltung bei der demise charter, denn bei dieser stellt der Eigner die Besatzung selbst ein, auch wenn sie dann letztlich für Rechnung und auf Weisung des Charterers arbeitet.

2. Gemeinsamkeiten aller Charterverträge

Kennzeichnend für das Recht des Chartervertrags ist die im Gegensatz zu weiten Teilen des Gütertransportrechts nahezu unbegrenzte Vertragsfreiheit. Während im Bereich des Seeverkehrs (Gütertransportverträge) in den meisten Relationen international zwingendes Einheitsrecht Anwendung findet, fehlen einschlägige Regelungen für Charterverträge. Die Parteien von Charterverträgen genießen daher weitgehend Vertragsfreiheit. Selbst in den Ländern, in denen es zu einer umfassenden Kodifizierung des Rechts der Charterverträge gekommen ist, stellen diese Regelungen dispositives Recht dar (vgl. z.B. für Frankreich Art. 1 Loi No. 66-420 vom 18.6.1966 und für Schweden Sjölag 1994:1009 kap. 14 § 4). Aufgrund der Vertragsfreiheit ist es in der Praxis üblich, auf der Grundlage gewohnheitsmäßig verwendeter Formularverträge zu kontrahieren. Häufig verwendete Standardcharterverträge stellen etwa Gencon, Asbatankvoy, NYPE 93, Baltime, Boxtime und Barecon dar; besonders prominent vertreten sind die vom BIMCO (Baltic and International Maritime Council), einer Interessenvertretung von Schiffseignern, deren Versicherern und Schiffsmaklern, empfohlenen Formulare. Durch die jahrzehntelange Verwendung weltweit weniger Standardformulare sind so in Marktkreisen akzeptierte Regelungen für die einzelnen Formen von Charterverträgen entstanden. Der Kern dieser Regelungen stellt jedenfalls einen Handelsbrauch dar.

Gemeinsame Grundstrukturen weisen alle Charterverträge auf. Diese Grundstrukturen lassen sich in vier Kategorien einordnen: Bestimmung des Vertragsgegenstands, Regelungen hinsichtlich des Risikofaktors Zeit, Deckung laufender Kosten (Unterhaltung des Schiffes) und die Vermeidung von Risiken für das Schiff.

Zunächst muss jeder Chartervertrag seinen Vertragsgegenstand – das Schiff – möglichst genau bestimmen. Dabei geht es einerseits darum, das Schiff genau zu bezeichnen (Eigentümer, Flagge, Name, etc.), andererseits darum, den Vorstellungen der Parteien an Charakteristika und Qualität des Schiffes Ausdruck zu verleihen (Baujahr, Geschwindigkeit, Klasse, Ladegeschirr und ‑kapazität, Schiffstyp, Verbrauch, etc.). Da sich die Interessen des Charterers typischerweise auf Eigenschaften beziehen, die eine Vielzahl von Schiffen aufweist, sind mitunter Klauseln anzutreffen, die es dem Eigner gestatten, das ursprünglich genannte Schiff durch ein vergleichbares Schiff auszutauschen (vgl. für Frankreich Art. 5 Nr. 1, 18 Nr. 1 Loi No. 66-1078 vom 31.12. 1966 und für Schweden Sjölag 1994:1009 kap. 14 § 3 Abs. 1; s. auch den Court of Appeal in S.A. Maritime et Commerciale of Geneva v. Anglo-Iranian Oil Co. [1954] 1 Lloyd’s Rep. 1). Hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Eigenschaften des Schiffes nimmt die Pflicht des Eigners, das Schiff in einem seetüchtigen Zustand zu überlassen, eine herausragende Bedeutung ein. Unter Seetüchtigkeit versteht man die Tauglichkeit des Schiffes, mit der konkreten Ladung die gewöhnlichen Gefahren der See zu überstehen. Neben dem Zustand des Schiffes selbst kommt es auch auf die gehörige Ausrüstung, Bemannung, Bevorratung, Einrichtung sowie die sachgemäße Beladung (Stauung, Trimmung etc.) an (vgl. für Deutschland § 559 Abs. 1 HGB [See- und Ladungstüchtigkeit]; für England Hong Kong Fir Shipping Co. v. Kawasaki Kisen Kaisha [1962] 2 Q.B. 26 per Lord Diplock [seaworthiness]; für Frankreich Art. 6 Nr. 1, 19 Nr. 1, 25 Nr. 1 Loi No. 66-1078 vom 31.12.1966 [bon état de navigabilité]; für Italien Art. 379 Codice della navigazione [stato di navigabilità]; für Schweden Sjölag 1994:1009 kap. 14 § 7 [sjövärdigt]; für Spanien Art. 612.4, 676 [estado de navegabilidad]; vgl. auch Gencon Part II cl. 2 Abs. 2, Baltime Part II cl. 3, Barecon Part II cl. 3 a)). Neben der Seetüchtigkeit wird häufig auch auf die Klassifikation des Schiffes und deren Aufrechterhaltung abgestellt (vgl. NYPE 93 cl. 6; Barecon Part II cl. 3 b)).

Sämtliche Charterverträge enthalten Regelungen, bei denen es um den Faktor Zeit geht. Teilweise betreffen diese Regelungen Eigenschaften des Schiffes selbst (vgl. Angaben zur Reisegeschwindigkeit des Schiffes), in der Regel aber das Verhalten der Parteien und schaffen Rechtssicherheit für die Vertragsparteien. Zur letzteren Gruppe zählen die Verpflichtungen, unnötige Verzögerungen (reasonable [or utmost] dispatch, vgl. Baltime Part II cl. 9, NYPE 93 cl. 8 a), Asbatankvoy Part II cl. 1, s. auch Pantland Hick v. Raymond & Reid [1893] AC 22 (HL)) sowie ungerechtfertigte Abweichungen vom Reiseweg zu vermeiden (unjustified deviation, vgl. NYPE 93 cl. 17 und 22, Baltime Part II cl. 21 H), Asbatankvoy Part II cl. 20, anders Gencon Part II cl. 3, s. auch Reardon Smith Line v. Black Sea and Baltic General Insurance [1939] AC 562 (HL)). All diese Regelungen spiegeln das Interesse der Parteien an der Vermeidung von Verzögerungen und der zügigen Vertragsdurchführung wider.

Da die Unterhaltung eines einsatzbereiten Frachtschiffes in erheblichem Maße laufende Kosten verursacht, enthalten Charterverträge typischerweise Regelungen darüber, in welchem Umfang Vercharterer oder Charterer die laufenden Kosten zu übernehmen haben.

Aufgrund der Tatsache, dass ein Schiff während einer Seereise diversen Gefahren ausgesetzt. ist, enthalten viele Charterverträge Regelungen, um manche Gefahren gänzlich auszuschließen oder zu verringern, sowie Regelungen, die die Risiken unter den Parteien verteilen. Derartige Regelungen betreffen insbesondere Gefahrgüter (Baltime Part II cl. 2, NYPE 93 cl. 4, Barecon Part II cl. 6; das House of Lords in Effort Shipping Co. Ltd. v. Linden Management [1998] AC 605), Kriegsereignisse (Gencon Part II cl. 17, NYPE 93 cl. 31 e), 32, Baltime Part II cl. 20, Barecon Part II cl. 26) und das Fahrtgebiet (Gencon Part II cl. 18, NYPE 93 cl. 5, Baltime Part II cl. 2, Barecon Part II cl. 6; vgl. auch Brostrom & Son v. Dreyfus & Co. (1932) 44 Ll. L. Rep. 136 KBD).

Schließlich lässt sich bei allen Charterverträgen beobachten, dass die Eigner ihre Haftung umfangreich beschränken (siehe auch Seeverkehr (globale Haftungsbegrenzung)). Typischerweise haften sie nicht für Schäden durch Ladevorgänge (vgl. NYPE 93 cl. 8 a), Gencon Part II cl. 5 a)) und überhaupt beschränken sie zumeist ihre Haftung entweder in der Weise, dass auf die Haftung nach den Hague/Visby Rules verwiesen wird (sog. clause paramount, Seeverkehr (Gütertransportverträge), vgl. NYPE 93 cl. 31 a)), oder haften nur in sehr engen Grenzen (vgl. Baltime Part II cl. 12, Gencon Part II cl. 2). Bei der Bareboatcharter ist es üblich, dass nach Übernahme des Schiffes sämtliche Mängelansprüche des Charterers ausgeschlossen sind (vgl. Barecon Part II cl. 3 c)).

3. Reisecharter

Bei der Reisecharter (früher auch Frachtcharter; voyage charter, affrètement au voyage, contratto di noleggio, contrato de fletamento por viaje, reisbevrachting, resebefraktning) stellt der Eigner ein Schiff oder einen Teil davon dem Charterer für eine bestimmte Reise zur Verfügung. Den Charterer trifft die Pflicht, die geschuldete Fracht (hire, fret, nolo, flete, vracht, frakt) sowie etwaige weitere Kosten der Reise zu zahlen und das Schiff innerhalb eines dem Chartervertrag zu Grunde gelegten Zeitraumes zu beladen und bei Ankunft im Bestimmungshafen ebenso zu löschen. Wie beim Stückgutvertrag behält der Eigner auch bei der Reisecharter die vollständige Verfügungsgewalt über das Schiff. Spiegelbildlich hierzu trägt er auch sämtliche Kosten, die der Schiffsbetrieb verursacht. Ausgenommen sind nur die Kosten für Beladen und Löschen, die vertraglich häufig dem Charterer mitsamt des hiermit verbundenen Risikos aufgebürdet werden (Gencon Part II cl. 5 b)), nach dem dispositiven Recht aber vom Eigner zu tragen wären (vgl. für Deutschland §§ 561, 593 HGB; für England der Court of Appeal in Petersen v. Freebody [1895] 2 QB 294). Da die Vertragsparteien bei der Verladung der Güter miteinander kooperieren müssen und jeder ein Interesse daran hat, dass der andere Teil seiner Verpflichtung zügig nachkommt, ist dieser Teil der Reisecharter i.d.R. ausführlich und äußerst komplex geregelt, vor allem durch Bestimmung des Zeitraums, in dem das Schiff beladen und gelöscht werden muss – die sog. Liegezeit (laytime, vgl. für Deutschland §§ 567-570 HGB; für England William Alexander & Sons v. Aktieselskabet Dampskibet Hansa [1920] AC 28 (HL); für Frankreich [jours de planche] Art. 9 S. 2 Loi No. 66-1078 vom 31.12.1966; Gencon Part II cl. 6) und hiermit verbundene Informationspflichten des Eigners (insb. notice of readiness, s. Stanton v. Austin (1871-72) L.R. 7 C.P.D. 65; § 567 Abs. 1 HGB) sowie durch Bestimmung von Strafzahlungen bei Überschreiten der Liegezeit – sog. Liegegeld (demurrage, vgl. für Deutschland §§ 569, 572 ff. HGB; für England Trading Society Kwik Hoo Tong v. Royal Commission on Sugar Supply (1924) 19 Lloyd’s Law Rep. 343 KBD; für Frankreich [surestaries] Art. 11 Loi No. 66-1078 du 31 décembre 1966).

4. Zeitcharter

Wie bei der Reisecharter trifft den Eigner unter einer Zeitcharter (früher auch: Mietcharter; time charter, affrètement au temps, contratto di noleggio a tempo, contrato de fletamento por tiempo, tijdbevrachting, tidsbefraktning) die Pflicht, dem Charterer ein Schiff zur Verfügung zu stellen. Im Unterschied zur Reisecharter richtet sich diese Überlassung nicht nach einer bestimmten Reise, sondern ist auf einen bestimmten Zeitraum angelegt. Innerhalb des vereinbarten Zeitraumes sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Charterers auf die kommerzielle Verwendung des Schiffes sehr viel ausgeprägter als bei der Reisecharter, innerhalb gewisser Grenzen ist er es nämlich, der bestimmt, wohin das Schiff mit welcher Ladung fährt (sog. employment-Klausel, NYPE 93 cl. 8, Baltime Part II cl. 9). Der Eigner bleibt jedoch für die nautische und schiffsbetriebstechnische Führung des Schiffes verantwortlich (NYPE 93 cl. 26). Entsprechend der Einflussmöglichkeiten bestimmen sich bei der Zeitcharter auch die Kostentragungspflichten der Parteien: der Charterer hat neben der Fracht (bzw. Miete) die Kosten für die kommerzielle Nutzung des Schiffes zu tragen, also insb. Fahrtkosten (Bunker) sowie sämtliche Hafen- und Ladungskosten (NYPE 93 cl. 7, Baltime Part II cl. 4); der Eigner muss das Schiff versichern, das Schiff auf eigene Kosten bemannen und sonstige Kosten tragen, die durch Schiffsbetrieb entstehen, aber nicht im Zusammenhang mit der kommerziellen Nutzung stehen (NYPE 93 cl. 6, Baltime Part II cl. 3). Vor allem muss der Eigner das Schiff während der Laufzeit des Zeitchartervertrages in einem seetüchtigen Zustand erhalten und hierfür die Kosten tragen (NYPE 93 cl. 6, Baltime Part II cl. 3).

Bei der Zeitcharter finden sich typischerweise Regelungen, wonach der Charterer keine Miete/ Fracht zahlen muss, wenn das Schiff wegen Schäden, Reparatur- oder Wartungsarbeiten oder aus sonstigen Gründen nicht einsetzbar ist. Man spricht von off-hire, einer Einrede, die ggf. neben anderen Ansprüchen geltend gemacht werden kann (NYPE 93 cl. 17, Baltime Part II cl. 11).

Die Rechtsnatur der Zeitcharter ist in fast allen civil law Jurisdiktionen, in denen keine eigene gesetzliche Regelung für Zeitcharterverträge existiert, traditionell umstritten und von nicht zu unterschätzender praktischer Relevanz. Dabei spricht vieles dafür, den Zeitchartervertrag als gemischten Vertrag mit Frachtvertrags- und Mietvertragselementen anzusehen.

5. Bareboatcharter

Die Bareboatcharter (bareboat oder demise charter, affrètement coque-nue, contratto di locazione, contrato de arrendamiento de buque, rompbevrachting, bareboatbefraktning) stellt die einfachste Form eines Chartervertrages dar, denn bei ihr handelt es sich letztlich um einen Mietvertrag, dessen Vertragsgegenstand ein Schiff ist (Miete und Pacht, siehe auch PEL LG). Der Charterer übernimmt also sowohl die kommerzielle Nutzung des Schiffes als auch die nautische Führung (Barecon Part II cl. 10 a) i): „… full possession … at the absolute disposal for all purposes … complete control in every respect.“). Bei der Bareboatcharter ist es der Charterer, der das Schiff in einem seetüchtigen und klassifizierten Zustand erhalten (Barecon Part II cl. 10 a) i)) und in diesem Zustand zurückgeben muss (Barecon Part II 15). Ebenso muss er auf eigene Kosten für Versicherungen und gehörige Bemannung des Schiffes sorgen (Barecon Part II cl. 10 b), 13; bei der demise charterparty übernimmt der Charterer die Besatzung vom Eigner, muss diese also nicht selbst einstellen). Besondere Regelungen existieren für Übergabe und Rückgabe nach Vertragsende, um den Zustand des Schiffes bei Übernahme durch den Charterer festzustellen (Barecon Part II cl. 7), in dem das Schiff dann auch nach Vertragsende – abgesehen von gewöhnlicher Abnutzung („… fair wear and tear not affecting class excepted …“) – zurückzugeben ist (Barecon Part II cl. 15).

Die Bareboatcharter ist ein gebräuchliches Mittel, um ein Schiff unter einer fremden Flagge fahren zu lassen, ohne das Schiff zu veräußern (sog. bareboat chartering out), denn der Bareboatcharterer ist üblicherweise berechtigt, das gecharterte Schiff auf der Grundlage der Bareboatcharter einzuflaggen (vgl. Barecon Part II cl. 10 d)).

6. Mischformen und Subcharter/Rechtsnatur

Neben Reise-, Zeit- und Bareboatcharter gibt es noch weitere Formen von Charterverträgen, wie etwa den sog. Mengenvertrag (im englischen, missverständlich als contract of affreightment – kurz COA – bezeichnet, aber auch als quantity contract oder tonnage agreement), die Cross- oder Slot-Charterparty oder die Trip Charterparty. Bei genauerer Betrachtung stellen sich diese jedoch zumeist als Variationen eines der drei dargestellten Typen dar.

7. Einheitsrecht

Gesetzliches Einheitsrecht, das speziell auf die besonderen Bedürfnisse des Chartervertrages zugeschnitten wäre, existiert nicht. Es besteht aber auch gar kein Bedürfnis. Es scheint vielmehr so, dass die typischerweise international tätigen Parteien von Charterverträgen erheblich von der eingeräumten Privat- und Parteiautonomie (Vertragsfreiheit) profitieren. Angesichts dieser verfestigten Strukturen würde ein Eingreifen des Gesetzgebers im Zweifel nur Rechtsunsicherheit herbeiführen.

Literatur

Jürgen Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 110 ff.; Stewart C. Boyd, Andrew S. Burrows, David Foxten, Scrutton on Charterparties and Bills of Lading, 20. Aufl. 1996; Hans-Jürgen Puttfarken, Seehandelsrecht, 1997, 131 ff.; Rolf Herber, Seehandelsrecht, 1999, 237 ff., 347 ff.; Christopher Hill, Maritime Law, 6. Aufl. 2003, 168 ff.; Thor Falkanger, Hans Jacob Bull, Lasse Brautaset, Scandinavian maritime law: The Norwegian perspective, 2. Aufl. 2004, 344 ff.; Pierre Bonassies, Christian Scapel, Droit Maritime, 2006, 485 ff.; Sergio M. Carbone, Pierangelo Celle, Marco Lopez de Gonzalo, Il Diritto Marittimo, 3. Aufl. 2006, 193; José Luis Gabaldón García, José María Ruiz Soroa, Manual de Derecho de la Navegación Marítima, 3. Aufl. 2006, 449 ff.; Stephen Girvin, Carriage of goods by sea, 2007, 415 ff.; John F. Wilson, Carriage of goods by sea, 6. Aufl. 2008, 9 ff.

Abgerufen von Chartervertrag – HWB-EuP 2009 am 28. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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