Arbeitszeit

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von Andrea Potz/Ulrich Runggaldier

1. Gegenstand und Zweck

Einen wesentlichen Bestandteil der inhaltlichen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen stellt die Festlegung der Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, insbesondere deren Lage und Ausmaß. Die privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit machen jedoch nur einen quantitativ geringen Teil des dichten normativen Gefüges des Arbeitszeitrechts aus. Die Regelungsmaterie Arbeitszeit wird klassischerweise dem Arbeitsschutzrecht (Arbeitsschutz) zugeordnet und ist dementsprechend stark öffentlich-rechtlich geregelt.

Der Reglementierung der Arbeitszeit liegen sowohl gesundheitspolitische, wirtschaftspolitische als auch gesellschaftspolitisch-ethische Aspekte zugrunde, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Der primäre Zweck des Arbeitszeitrechts liegt im Arbeitnehmerschutz – mit der zeitlichen Begrenzung der Arbeit soll ein gesundheitsschädliches Ausbeuten der Arbeitskraft verhindert werden. In diesem Zusammenhang steht auch die gesellschaftspolitische Intention, dem Arbeitnehmer Freiraum bzw. Freizeit zu gewähren, in der er die Möglichkeit hat, am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und seinen Interessen nachzugehen. Die Gestaltung der Arbeitszeit spielt in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenfalls eine große Rolle.

Die Präventivwirkung des Arbeitzeitrechts ist nicht nur auf individueller Ebene von Bedeutung, sondern verhindert auch gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Schäden, die durch übermäßige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer ausgelöst werden. Derartige Schäden verursachen auch für die Volkswirtschaft enorme Kosten, da es zu Arbeitsausfällen und zur Überwälzung des finanziellen Risikos auf Sozialversicherungssysteme kommt (z.B. Arbeitsunfälle; Frühpensionierungen wegen Arbeitsunfähigkeit, etc.).

Das Arbeitszeitrecht dient gleichzeitig als wirtschaftspolitisches Instrument zur Steuerung und Förderung des Beschäftigungsniveaus. In diesem Zusammenhang ist v.a. die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit zu nennen. Im internationalen Kontext spielt die Ausgestaltung des Arbeitszeitrechts für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsstandorten ein bedeutende Rolle und fließt dementsprechend in die Diskussion über Arbeitzeitflexibilisierung mit ein. Auf nationaler Ebene ist zu beachten, dass zwingend ausgestaltete Arbeitzeitnormen gleiche Rahmenbedingungen für Unternehmen im Wettbewerb gewährleisten sollen.

2. Terminologie

Unter dem Begriff „Arbeitszeit“ ist grundsätzlich jene Zeitspanne zu verstehen, in der der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Erbringung seiner Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Darin kommt das Wesensmerkmal des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck, nämlich die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Das Gegenstück zur Arbeitszeit stellen die so genannten Ruhezeiten dar, in der der Arbeitnehmer wieder frei über seine („Frei“‑)Zeit verfügen kann. Die weite Definition der Arbeitszeit schafft Abgrenzungsprobleme bei Zwischenformen von Arbeits- und Ruhezeiten. Dazu zählen insbesondere der Bereitschaftsdienst (Arbeitsbereitschaft oder Rufbereitschaft). In der Praxis spielt die Qualifizierung als Arbeitszeit aber nicht nur im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz eine entscheidende Rolle, sondern ist ebenfalls für die Frage des Entgelts von großer Bedeutung (z.B. Zuschlag für Überstunden).

Im Gemeinschaftsrecht wird Arbeitszeit als jener Zeitraum definiert, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH legt dieser Definition ein sehr weites Begriffsverständnis zugrunde und hat daher Bereitschaftsdienst, also jene Zeit, in der der Arbeitnehmer sich zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereit hält, ohne dabei tatsächlich Arbeit zu verrichten, zur Arbeitszeit gerechnet (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963).

3. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In der Entwicklung und Ausbildung des nationalen Arbeitsrechts im Laufe des 19. Jahrhunderts hat gerade die Einführung von gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeit eine bedeutende Rolle gespielt. Ausschlaggebend für die Einführung von staatlichen Arbeitszeitbestimmungen war zu dieser Zeit aber weniger der sozialpolitisch motivierte Arbeitnehmerschutz, sondern vielmehr das politische Interesse des Staates am Erhalt der Wehrfähigkeit der jungen Männer.

In den meisten Mitgliedstaaten hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein festes Gefüge von normativen Bestimmungen über die Arbeitszeit entwickelt, das sich je nach staatlicher Verfassung und Tradition in unterschiedlicher Weise auf die gesetzlichen und tarifvertraglichen Ebenen erstreckte.

Die normative Gestaltung des Arbeitszeitrechts auf europäischer Ebene hat dagegen vergleichsweise spät eingesetzt. Ursprünglich bestand die Zielsetzung im Gemeinschaftsrecht v.a. in der Schaffung des freien Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten; die Harmonisierung des nationalen Arbeits- und Sozialrechts war dagegen von untergeordneter Bedeutung, sogar unerwünscht. Daher wurden in den Gründungsverträgen keine entsprechenden generellen Kompetenztatbestände für diese Rechtsbereiche aufgenommen. Dies führte dazu, dass eine Reihe von Rechtsakten sich in Ermangelung einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage auf die Art. 48 ff. EG a.F. (Art. 39 ff. EG/45 ff. AEUV) über die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die Generalklausel des Art. 100 EG a.F. (Art. 94 EG/115 AEUV) stützen.

Das Problem der mangelnden Rechtsgrundlage (Gesetzgebungskompetenz der EG/‌EU) rückte immer mehr in den Vordergrund der politischen Diskussion. In den 1980er Jahren ist der Arbeitnehmerschutz zusehend in den Mittelpunkt geraten, was schließlich zur Einfügung der Art. 118a(1) und (2) EG a.F. (in Art. 137 EG/153 AEUV) durch die Einheitliche Europäische Akte 1986 führte. Damit wurde die unmittelbare Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane für die Förderung der Arbeitsumwelt begründet, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern (Arbeitsschutz). Ein weiterer entscheidender Schritt war das Abkommen über die Sozialpolitik, das die Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts weiter ausbaute und das schließlich von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Dadurch konnte das Abkommen über die Sozialpolitik im Jahr 1997 in den Vertrag von Amsterdam integriert werden (Art. 136 ff. EG/151 ff. AEUV). In diesem Zusammenhang sind auch die Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer aus dem Jahr 1989 sowie die GRCh von 2001 zu nennen, die jedoch nicht rechtsverbindlich sind (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK).

Als erste umfassende Richtlinie über die Arbeitszeit wurde die RL 93/104 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeit-RL) erlassen, die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung vorsah. In der Folgezeit wurde die Richtlinie wiederholt novelliert und ergänzt, bis schließlich aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit sämtliche Bestimmungen in der RL 2003/88 neu erlassen wurden.

Die Entwicklung des Arbeitzeitrechts auf europäischer Ebene ist damit bestimmt durch die sukzessive (politische) Etablierung von Ermächtigungsgrundlagen sowie die Ausweitung an Kompetenztatbeständen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes (Gesetzgebungskompetenz der EG). Dies zeigt sich auch anhand der Reformen der Arbeitszeit-RL, deren Ermächtigungsgrundlage sich geändert hat und nun auch eine verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsprozess vorsieht.

Der europäische Gesetzgeber hat auch Regelungen für „atypische“ Arbeitsverhältnisse geschaffen. In den letzten 25 Jahren haben sich zusehend Arbeitsformen entwickelt, auf die das klassische Arbeitzeitmodell nicht mehr zutrifft. Um den Arbeitnehmer auch in derartigen Situationen ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten, sind Richtlinien wie die Teilzeit- und Befristungs-RL (RL 97/81 und RL 1999/70) erlassen worden. Daneben finden sich aber auch in anderen Gemeinschafts-Rechtsakten vereinzelt Bestimmungen, die die Arbeitszeit betreffen.

Auf nationaler Ebene lassen sich unterschiedliche Regelungsstrategien in der Arbeitszeit ausmachen. Der Trend geht aber durchwegs dahin, dass die Regelungskompetenz vom Gesetzgeber an die Tarifvertragsparteien, Sozialpartner und sogar auf betriebliche Ebene delegiert wird. Dies soll eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglichen und zudem die Stärkung der Tarifautonomie bewirken.

Arbeitszeitrecht erweist sich daher als ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, das sich im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerschutz laufend weiterentwickelt (Stichwort Flexicurity). Eine wesentliche Rolle in der Rechtsfortbildung kommt dabei dem EuGH zu, der sich wiederholt mit dem Begriff der Arbeitszeit auseinandergesetzt hat (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – Jäger, Slg. 2003, I-8389). Diese Rechtsprechung des EuGH wurde zum Anlass genommen, die Arbeitszeit-RL zu novellieren. Kernpunkte der Novellierung waren die Schaffung eines neuen differenzierten Arbeitszeitbegriffes sowie die Beibehaltung der opt out-Möglichkeit.

4. Einheitsrecht

Die wichtigsten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen finden sich in verschiedenen Richtlinien, die sich nach dem Typ des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses sowie dem sachlichen bzw. sektorspezifischen Geltungsbereich unterscheiden. Da die europäischen Vorgaben an den Rahmen der Ermächtigungsgrundlagen des EG-Vertrags/AEUV gebunden sind, stehen aber wesentliche, mit der Arbeitszeit eng zusammenhängende Bereiche (z.B. Entgelt) einer Gemeinschaftsregelung nicht zur Verfügung (Art. 137(5) EG/153(5) AEUV).

a) Arbeitszeit-RL

Die derzeit wichtigste gemeinschaftsrechtliche Regelung der Arbeitszeit stellt die Arbeitszeit-RL dar. Die Richtlinie verfolgt den Zweck, das Arbeitszeitrecht in wesentlichen Bereichen zu harmonisieren, um so der Verwirklichung des Binnenmarktes gerecht zu werden und zugleich eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu erreichen. Daher werden Mindestbestimmungen normiert, die die Mitgliedstaaten ins nationale Recht umzusetzen haben. Die Arbeitszeit-RL räumt den Mitgliedstaaten (sowie den Tarifvertragsparteien bzw. den Sozialpartnern) aber auch die Möglichkeit ein, unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von gewissen Bestimmungen abzuweichen und Ausnahmen zu statuieren (Art. 17-22).

Der Geltungsbereich der Arbeitszeit-RL orientiert sich an jenem der Arbeitsschutz-Rahmen-RL (RL 89/391) (Arbeitsschutz): er erstreckt sich daher auf alle private und öffentliche Tätigkeitsbereiche mit Ausnahme bestimmter Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes (z.B. Streitkräfte). Auf Seeleute, die unter den Geltungsbereich der RL 1999/63 fallen, findet die Arbeitszeit-RL weiterhin keine Anwendung. Die Arbeitszeit-RL selbst enthält für bestimmte Tätigkeitsbereiche Sonderregelungen (z.B. Fahrpersonal).

Diese Richtlinie gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, worunter jede Person zu verstehen ist, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, ausgenommen Hausangestellten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist derjenige Arbeitnehmer, der für einen anderen während einer bestimmten Zeit Leistungen gegen Entgelt erbringt und dabei weisungsgebunden ist. Jugendliche und Kinder fallen nicht unter die Arbeitszeit-RL, sondern unterliegen den Bestimmungen der Jugendarbeitsschutz-RL (RL 94/33).

Gegenstand der Arbeitszeit-RL sind die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit. Überdies werden bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit geregelt (Höchstgrenzen für die Dauer; Unterrichtungs- und Untersuchungsverpflichtungen).

Unter Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie wird jene Zeitspanne verstanden, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber ist die Ruhezeit jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Richtlinie definiert überdies „Nachtarbeit“, „Schichtarbeit“, „mobile Arbeitnehmer“, „Tätigkeiten auf Offshore-Anlagen“, sowie „ausreichende Ruhezeiten“.

Arbeitnehmern stehen gemäß der Richtlinie eine tägliche Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden (Art. 3) und eine kontinuierliche wöchentliche Ruhezeit von 35 Stunden zu (Art. 5). Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden ist Arbeitnehmern eine Ruhepause zu gewähren (Art. 4), deren Dauer bzw. Voraussetzung auf nationaler Ebene festgelegt werden sollen.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf im Durchschnitt einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten. Der Durchrechnungszeitraum für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist mit 4 Monaten bzw. 17 Wochen begrenzt (Art. 16(b)). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Durchrechungszeitraum aber auf 6 bzw. 12 Monate erhöht werden.

Neben den Arbeitszeitbestimmungen i.e.S. regelt die Richtlinie auch den bezahlten Jahresurlaub, der zumindest 4 Wochen zu betragen hat (Art. 7). Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird als besonders wichtiger Grundsatz des Sozialrechts qualifiziert, weshalb die Richtlinie auch keine Abweichungsmöglichkeiten vorsieht.

b) Teilzeit-RL und Befristungs-RL

Die Teilzeit-RL und die Befristungs-RL weisen inhaltliche und strukturelle Parallelen auf. Beide beruhen auf Rahmenvereinbarungen der europäischen Sozialpartner EGB, UNICE (nun BUSINESS EUROPE) und CEEP, die als Anhang der Richtlinie die materiell-rechtlichen Vorschriften enthalten.

Die Ziele der Teilzeit-RL liegen zum einen im Ausbau des Schutzes der Teilzeitbeschäftigten, zum anderen in der Förderung der flexiblen Gestaltung von Arbeitszeit. Unter Teilzeitbeschäftigter werden jene AN verstanden, deren normale Wochenarbeitszeit (oder Durchschnittsarbeitszeit in einem Beschäftigungszeitraumes von bis zu einem Jahr) unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt.

Die Richtlinie legt einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung von Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten (Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht) und normiert den Pro-rata-temporis-Grundsatz. Weiters sind Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Teilzeitarbeit vorgesehen. So werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mögliche rechtliche oder verwaltungstechnische Hindernisse von Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu beseitigen, womit eine Förderung der Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis erreicht werden soll.

Mit der Befristungs-RL wurde eine weitere europarechtliche Regelung für so genannte atypische Arbeitsverhältnisse geschaffen. Die Richtlinie gilt für alle befristet beschäftigten Arbeitnehmer, worunter jeder Arbeitnehmer mit einem direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossenen Arbeitsvertrag bzw. ‑verhältnis zu verstehen ist, dessen Ende durch objektive Bedingungen (z.B. ein bestimmtes Datum) im Vorhinein bestimmt bzw. bestimmbar ist. Der Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie richtet sich nicht nach dem Gemeinschaftsrecht, sondern nach den in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gebräuchlichen Definitionen.

Das Ziel dieser Richtlinie besteht darin, die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch so genannte Kettenarbeitsverträge (d.h. aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge bzw. ‑verhältnisse) verhindert. Zur Erreichung dieser Ziele normiert die Richtlinie wie die Teilzeit-RL ein Diskriminierungsverbot (Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht) sowie den Pro-rata-temporis-Grundsatz. Es werden weiters Maßnahmenoptionen festgelegt, die die Mitgliedstaaten zur Vermeidung des Missbrauchs von Kettenarbeitsverhältnissen umzusetzen haben, falls nicht bereits entsprechende gesetzliche Regelungen im nationalen Recht bestehen. Die Maßnahmen können in der Festlegung von sachlichen Rechtfertigungsgründen für eine Befristung, der Festlegung der insgesamt maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse oder der zulässigen Zahl der Verlängerungen solcher Verträge liegen. Diese Bestimmungen werden durch Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen in Form von Informations- und Konsultationsrechte über befristete Arbeitsverhältnisse im Unternehmen ergänzt.

5. Rechtsprechung und Novellierung

Die Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Qualifizierung von Bereitschaftsdienst hat auf europäischer Ebene die politische Diskussion über die Arbeitzeit wieder in Gang gesetzt. Kernpunkte der Novellierung der Arbeitszeit-RL betrafen die Erweiterung der Begriffsbestimmung der Arbeitszeit-RL, die Neufassung der opt out-Regelung sowie die Festlegung neuer Durchrechnungszeiträume. Der erste Kommissionsvorschlag war in Bezug auf diese Punkte sehr umstritten und hat in der ersten Lesung vor dem Europäischen Parlament keine Mehrheit gefunden. Grund dafür war u.a. die Befürchtung, dass diese Richtlinienfassung eine Senkung des Arbeitnehmerschutzniveaus bedeuten würde. Der geänderte Kommissionsvorschlag hat im Juni 2008 eine Mehrheit im Rat gefunden und wurde in der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments mit Änderungen gebilligt, die jedoch im März 2009 vom Rat abgelehnt wurden. Das daraufhin eingeleitete Vermittlungsverfahren führte aufgrund des Widerstands einzelner Mitgliedstaaten ebenfalls zu keiner Einigung, weshalb die Novellierung der Arbeitszeit-RL gescheitert ist. Im Folgenden sollen dennoch die wesentlichen (Streit‑)Punkte der Novelle dargestellt werden.

a) Bereitschaftsdienst

Der EuGH hat sich in mehreren Verfahren (EuGH Rs. C-303/98 – SIMAP, Slg. 2000, I-7963; EuGH Rs. C-151/02 – Jäger, Slg. 2003, I-8389) mit der Frage auseinandergesetzt, ob Bereitschaftsdienst, den Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz verbringen, während der aber keine Arbeitsleistung erbracht wird, Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeit-RL darstellt. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche am Arbeitsplatz verbrachte Bereitschaftszeiten, unabhängig davon, ob eine Arbeitleistung erbracht wird oder nicht, als Arbeitszeit zu werten sind und daher bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit Beachtung zu finden haben. Der Kommissionsentwurf sieht in Abweichung der Rechtsprechung des EuGH eine Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Bereitschaftszeiten vor und zählt die inaktive Zeit nicht als Arbeitszeit, was auf Widerstand im Europäischen Parlament gestoßen ist.

b) Opt out

Die neue Richtlinie soll weiterhin die Möglichkeit eines opt out enthalten. Darunter versteht man die Möglichkeit bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Anwendung des Art. 6 und damit die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden auszusetzen. Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit im Tarifvertrag oder in der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene bzw. auf angemessenem Niveau vorzusehen; mangels Tarifvertrags oder entsprechend befähigter Personalvertretung kann eine derartige Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer direkt getroffen werden. Die opt out-Möglichkeit soll insofern begrenzt werden, als die Zustimmung nur mehr schriftlich und höchstens für eine Jahr (mit Verlängerungsoption) erteilt werden kann und eine Zustimmung, die bei Abschluss des Arbeitsvertrages oder während der Probezeit gegeben wird, null und nichtig ist. Das Europäische Parlament sprach sich gegen die Beibehaltung dieser Regelung aus und schlug einen schrittweisen Ausstieg aus dem opt out vor.

c) Durchrechnungszeiträume

Der Bezugszeitraum für den Durchschnitt der wöchentlichen Höchstarbeitszeit beträgt nach derzeitigem Stand grundsätzlich 4 Monate. Bislang war vorgesehen, dass dieser Zeitraum durch Tarifvertrag auf 12 Monate erhöht werden kann. Diese Möglichkeit soll nun generell den Mitgliedstaaten eingeräumt werden, also losgelöst von dem Erfordernis des Abschlusses eines Tarifvertrages.

Literatur

Brian Bercusson, European Labour Law, 1996; Peter Hanau, Heinz-Dietrich Steinmeyer, Rolf Wank, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; Rudolf Anzinger, Wolfgang Koberski, Arbeitzeitgesetz, 2. Aufl. 2005; Maximilian Fuchs, Franz Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, 2006; Lukas Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006; Roger Blanpain, European Labour Law, 11. Aufl. 2008; Josef Cerny, Gerda Heilegger, Christoph Klein, Bernhard Schwarz, Arbeitszeitgesetz, 2008; Franz Schrank, Arbeitszeitgesetze, 2008; Wolfgang Balze, Arbeitszeit, Urlaub und Teilzeitarbeit, Teil B 3100, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).

Abgerufen von Arbeitszeit – HWB-EuP 2009 am 11. Oktober 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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