Meeresverschmutzung, Entschädigung
von Nicolai Lagoni
1. Tendenzen der Rechtsentwicklung
Ein Bewusstsein für die die Notwendigkeit von Entschädigungsregelungen bei Meeresverschmutzung hat sich erst in den sechziger Jahren gebildet. In der Folge des Untergangs der Torrey Canyon im Jahre 1967 vor der Küste Südenglands, bei dem ca. 120.000 t Öl ins Meer flossen und eine große Ölpest verursachten, wurden einer breiten Öffentlichkeit die vom Öltransport mit Schiffen ausgehenden Gefahren und zugleich die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung der Haftungsregelungen deutlich. Nach dem damals geltenden englischen Recht konnte der Reeder seine Haftung auf den Wert von Schiff und Ladung nach dem Vorfall begrenzen. Der einzige nach dem Untergang verbliebene Gegenstand war indes ein Schlauchboot. Daraufhin wurde zunächst die Haftung bei Schäden aufgrund des Transports von Öl als Massengut geregelt. Nach den Regelungen des Internationalen Übereinkommens über zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden von 1969, das 1975 in Kraft trat, hat der Eigentümer des Schiffes erstmalig verschuldensunabhängig Entschädigung zu leisten für Schäden, die durch Öl verursacht werden, das beim Transport austritt. Dabei handelt es sich um eine erhebliche Neuerung gegenüber den vorherigen Regelungen, die eine Haftung nur bei Verschulden vorsahen. Der Eigentümer des Schiffes kann seine Haftung auf einen bestimmten Betrag beschränken. Die Entschädigungsregelungen finden jedoch nur dann Anwendung, wenn die Ölverschmutzung von einem Seeschiff oder sonstigen Seefahrzeug jeder Art ausgeht, das zur Beförderung von Öl als Massengutladung gebaut oder hergerichtet ist und Öl in dieser Eigenschaft befördert. Eine Haftung für Ölverschmutzungsschäden, die durch den Treibstoff von Schiffen anderer Art verursacht werden, fällt nicht unter dieses Übereinkommen.
Bei einer Meeresverschmutzung durch Öl kann es zu Schäden kommen, die die Haftungshöchstsummen des Ölhaftungsübereinkommens übersteigen. Derartige Beträge sollen auf eine große Anzahl von Personen verteilt werden, um die Lasten zu verteilen und sicherzustellen, dass ein solventer Schuldner eine Entschädigung gewährleistet. Im Jahre 1971 wurde daher das Internationale Übereinkommen über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden geschaffen. Ziel war aber auch, die finanzielle Last des Eigentümers des Schiffes aufgrund der verschuldensunabhängigen Haftung unter bestimmten Voraussetzungen zu vermindern. In den Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden zahlen alle Vertragsstaaten ein, die Öl importieren. Die Kosten der zusätzlichen Entschädigung werden umgelegt auf die Personen, die das Öl erwerben. Der Internationale Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden, der seinen Sitz in London hat, zahlt denjenigen, die einen Verschmutzungsschaden erlitten haben, in drei Fällen eine Entschädigung. Zum einen geschieht dies dann, wenn der Eigentümer des Schiffes nicht nach dem Ölhaftungsübereinkommen haftet, etwa weil der Flaggenstaat des Schiffes kein Vertragsstaat des Übereinkommens ist. Zum zweiten wird eine Entschädigung gezahlt, wenn der Eigentümer zwar haftet, aber finanziell nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und auch seine Versicherung oder sonstige finanzielle Sicherheit nicht ausreichend ist. Eine Entschädigung durch den Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden erfolgt aber auch, wenn der Schaden die Haftung des Eigentümers nach dem Ölhaftungsübereinkommen insgesamt übersteigt.
In den neunziger Jahren wurden Anstrengungen unternommen, die damals geltenden Haftungshöchstsummen zu erhöhen und einen weiteren Fonds zu errichten. Ergebnis dieser Bemühungen waren das Protokoll zum Ölhaftungsübereinkommen von 1992 sowie das Fondsübereinkommen von 1992. Das Fondsübereinkommen von 1992 hat dem Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden des Übereinkommens von 1971 einen weiteren Fonds zur Seite gestellt. Dieser Fonds von 1992, der 1996 errichtet wurde, erhöht die Summe, die für einen einzelnen Unfall gezahlt werden kann, von 60 Millionen Sonderziehungsrechten (SZR) des Internationalen Währungsfonds auf 135 Millionen SZR. Für Unfälle nach dem 1.11.2003 beträgt die Summe 203 Millionen SZR. Nachdem sämtliche Vertragsstaaten des Fondsübereinkommens von 1971 das Übereinkommen von 1992 ratifiziert haben, wird der Fonds von 1971 nunmehr abgewickelt.
Darüber hinaus wurde aufgrund eines Protokolls von 2003 im Jahre 2005 ein ergänzender Fonds gegründet, der eine Entschädigung von Ölverschmutzungsschäden sicherstellen soll, die die bisherigen Höchstbeträge übersteigen, die von den Internationalen Fonds ersetzt werden. Bei einer Ölverschmutzung steht danach ein Betrag von 750 Millionen SZR pro Unfall zur Verfügung.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden überdies Entschädigungsregelungen getroffen, die eine verschuldensunabhängige Haftung für das beim Betrieb des Schiffes verwendete Öl begründen, das sogenannte Bunkeröl. Das diesbezügliche Übereinkommen trat am 21.11.2008 in Kraft. Der Rat hat die Mitgliedstaaten ermächtigt, im Interesse der Europäischen Gemeinschaft das Bunkerölübereinkommen zu unterzeichnen, zu ratifizieren oder diesem beizutreten. Auch das Bunkerölübereinkommen sieht eine summenmäßige Beschränkung der Haftung vor. Ein Internationaler Fonds ist für derartige Schäden bisher nicht vorgesehen.
Auf Gemeinschaftsrechtsebene gibt es überdies Bestimmungen, die auch bei einer Meeresumweltverschmutzung gelten. Zum einen haben diese in Gestalt der Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße von 2005 pönalen Charakter. Sie finden sich aber auch in der Umwelthaftungsrichtlinie von 2004, die eine Haftung für Verschmutzungen und deren Sanierung regelt. Überdies kann nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Abfallrichtlinie von 1975 Anwendung auf Kohlenwasserstoffe finden, die nach einer Havarie unabsichtlich ins Meer ausgebracht wurden und eine Verunreinigung der Küsten eines Mitgliedstaates verursachen. Verkäufer und Befrachter des Schiffes, das die Kohlenwasserstoffe befördert, könnten als Erzeuger dieser Abfälle angesehen werden, falls diese zu der Gefahr einer Verschmutzung beigetragen haben, insbesondere weil sie es versäumt haben, Maßnahmen zur Verhütung eines derartigen Ereignisses zu treffen. Das nationale Recht müsse die Möglichkeit vorsehen, dass die Kosten der Beseitigung der Abfälle von dem Hersteller des Erzeugnisses, von dem die auf diese Weise ins Meer ausgebrachten Abfälle herrühren, getragen werden. Ein solcher Hersteller dürfe aber nach dem Verursacherprinzip nur dann zur Tragung der Kosten verpflichtet werden, wenn er durch sein Handeln zu der Gefahr einer Verschmutzung, wie sie durch das Schiffsunglück eingetreten ist, beigetragen hat (EuGH, Rs. C-188/07 – Commune de Mesquer, Slg. 2008, I-4501).
2. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht
Die Entschädigungsregelungen bei Meeresverschmutzung sehen stets ähnliche Mechanismen vor. Zum einen wird eine verschuldensunabhängige Haftung des Eigentümers des Schiffes begründet. Vom Begriff des Eigentümers wird in der Regel nicht nur die Person erfasst, in deren Namen das Schiff ins Schiffsregister eingetragen ist, oder, falls keine Eintragung vorliegt, die Person, der das Schiff gehört. Meist fällt darunter auch der Ausrüster oder Reeder des Schiffes. Ausgenommen von der Gefährdungshaftung sind Fälle, in denen der Verantwortliche nachweist, dass die Schäden auf höherer Gewalt oder der Handlung oder Unterlassung eines Dritten beruhen, die von diesem in Schädigungsabsicht begangen wurden.
Darüber hinaus regeln diese Übereinkommen stets eine summenmäßige Haftungsbeschränkung. Die Höhe der zu leistenden Entschädigung wird dadurch auf einen Betrag begrenzt, der sich nach der Größe des Schiffes richtet. Die Haftungsbeschränkung wird nur gewährt, wenn der Eigentümer des Schiffes in Höhe seiner Haftung einen Fonds errichtet, der unter den Geschädigten im Verhältnis der Höhe ihrer nachgewiesenen Forderungen verteilt wird. Die Haftungsbeschränkung findet nur dann keine Anwendung, wenn nachgewiesen wird, dass die Verschmutzungsschäden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die von dem Eigentümer des Schiffes entweder in der Absicht, solche Schäden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass solche Schäden wahrscheinlich eintreten würden.
Für Schiffe einer bestimmten Größe muss bereits während ihres Betriebes eine finanzielle Sicherheit für Schadensersatzansprüche wegen Verschmutzungsschäden gestellt werden. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird durch den Flaggenstaat und die Hafenstaaten sichergestellt. Bei einer derartigen finanziellen Sicherheit kann es sich zum einen um eine Versicherung handeln. Es kommt jedoch auch eine Bankbürgschaft oder eine von einem internationalen Schadensersatzfonds ausgestellte Bescheinigung in Betracht.
Ergänzend werden die Verjährung der Ansprüche und die internationale Zuständigkeit der anzurufenden Gerichte einheitlich geregelt. Teilweise finden sich auch Normen zur Anerkennung und Vollstreckung der Urteile über derartige Schadensersatzansprüche bei Meeresverschmutzung. Ein Beispiel hierfür kann Artikel X des Ölhaftungsübereinkommens entnommen werden.
Der Umfang der Entschädigung wird in den Übereinkommen nicht gesondert geregelt, sondern ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen. Der Schaden muss im Bereich der Hoheitsbefugnisse des betroffenen Staates eingetreten sein. Bei einer Verschmutzung der Hohen See als solcher, ohne Schaden an fremden Rechten, gibt es keinen Berechtigten (oder nur die Staatengemeinschaft insgesamt oder die Vertragsstaaten eines Übereinkommens gemeinsam, vgl. ILC Draft). Deshalb sind beispielsweise die Haftungsregelungen der CLC räumlich auf das Staatsgebiet (Küstenmeer) und die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), beziehungsweise wo eine solche nicht erreichtet ist, auf eine virtuelle Zone von 200 sm Breite von den Basislinien aus gemessen beschränkt.
Ersetzt werden Schäden, die durch die Meeresverschmutzung eintreten, wie Schäden an Gesundheit oder Leben von Personen, Sachschäden an Küsten und Wasserstraßen, Schäden der Fischerei, aber auch solche von touristischen Unternehmen. Ersetzt werden auch entgangene Gewinne, nicht aber bloße Gewinnchancen. Der reine Umweltschaden, das heißt der Schaden an der Umwelt als solcher, wird grundsätzlich nicht ausgeglichen. Dies ist darin begründet, dass an der Umwelt als solcher niemand Rechte hat, es besteht insbesondere kein Eigentum an der Umwelt. Ersetzt werden jedoch die angemessenen Aufwendungen zur Beseitigung eines Umweltschadens und Aufwendungen zu seiner Vermeidung (sog. preventive measures).
3. Vereinheitlichungsprojekte
Das Entschädigungssystem soll von Ölverschmutzungsschäden auch auf sämtliche anderen Verschmutzungsschäden ausgedehnt werden, die durch schädliche und gefährliche Stoffe (sog. hazardous and noxious substances) verursacht werden. Seit Unterzeichnung des Internationalen Übereinkommens über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung von schädlichen und gefährlichen Stoffen auf See im Jahre 1996 wird um dessen Inkrafttreten gerungen. Das Legal Committee der IMO hat sich daher wiederholt mit Maßnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz dieses Übereinkommens beschäftigt. Die Europäische Union hat durch einen Ratsbeschluss von 2002 die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt, dem Übereinkommen von 1996 beizutreten.
Bei schädlichen und gefährlichen Stoffen kann es sich um verschiedene Arten von Chemikalien in flüssiger oder fester Form handeln, die im Massengut oder in abgepackter Form transportiert werden, sowie um Reste derartiger Stoffe. Das Übereinkommen von 1996 sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Eigentümers des Schiffes vor. Dieser kann jedoch seine Haftung unter bestimmten Voraussetzungen beschränken. Wie im Falle von Ölverschmutzungsschäden soll auch bei sonstigen schädlichen und gefährlichen Stoffen eine Entschädigung durch einen Internationalen Fonds gewährleistet werden. Dieser Fonds wird nach seiner Errichtung eine Entschädigung nach den gleichen Grundsätzen gewährleisten, die zuvor bereits in Bezug auf den Internationalen Ölfonds geschildert worden sind.
Das Europäische Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch umweltgefährdende Tätigkeiten wäre bei seinem Inkrafttreten ebenfalls von Bedeutung für die Entschädigung bei Meeresumweltverschmutzung. Zwar findet es keine Anwendung auf Schäden, die während einer Beförderung eintreten. Sein räumlicher Geltungsbereich erstreckt sich jedoch auf Ereignisse, die in den Hoheitsgebieten der Vertragsstaaten auftreten, so dass auch Küstengewässer erfasst sein können.
Literatur
D.W. Abecassis, Richard L. Jarashow, Robert M. Jarvis, Oil Pollution from Ships, 1985; Wu Chao, Pollution from the Carriage of Oil by Sea, 1996; Rainer Altfuldisch, Haftung und Entschädigung nach Tankerunfällen auf See, 2006; Ling Zhu, Compulsory insurance and compensation for bunker oil pollution damage, 2007; Colin de la Rue, Shipping and the Environment, 2. Aufl. 2008.