Internationale Zivilstandskommission (CIEC)
von Kurt Siehr
1. Entstehung und Mitgliedstaaten
Die Internationale Zivilstandskommission (mit offiziellem Namen Commission Internationale de l’Etat Civil, abgek. CIEC) ist eine internationale Regierungsorganisation, die im September 1948 in Amsterdam gegründet und im Dezember 1949 durch einen Briefwechsel der Regierungen von Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz als solche anerkannt wurde. Gründungsdokument ist das Protokoll, unterzeichnet in Bern am 25.9.1950 (BGBl. 1974 II, 915).
Die heutige Satzung der CIEC ist im Règlement de la Commission Internationale de l’Etat Civil, verabschiedet in Athen am 19.9.2001 (in Kraft seit dem 1.1.2002), enthalten. Nach Art. 2 des Règlement können alle Staaten Mitglied der CIEC werden, die entweder Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.11.50 (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) sind oder des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16.12.66. Heute (2009) sind 16 Staaten Mitglied der CIEC, nämlich Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz, Spanien, Türkei, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Sechs Staaten (Litauen, Russland, Schweden, Slowenien, Vatikanstaat und Zypern) haben einen Beobachterstatus. Von diesen 22 Staaten gehören 17 Staaten der EU an. Dass nur verhältnismäßig wenige Staaten sich entschlossen haben, der CIEC beizutreten, mag vor allem zwei Gründe haben: Zum einen haben nicht alle Staaten dieser Erde ein Personenstandswesen kontinentaleuropäischer Art, das auf genaue und international abgestimmte Registerführung Wert legt, mit dem Ergebnis, dass Einträge in Personenstandsregister die widerlegliche Vermutung der Richtigkeit haben (vgl. z.B. § 60 dt. PStG; Art. 9 schweiz. ZGB). Zum anderen dürfte die intensive Arbeit der CIEC mit zwei Treffen der Generalversammlung im März und September jeden Jahres in einer europäischen Stadt (vgl. Art. 9(1) des Règlement) viele Staaten davon abhalten, die Kosten dieser Arbeit zu übernehmen. Hinzukommen mögen andere Gründe wie z.B. der eurozentrische Charakter der CIEC und das Französische als Amtssprache. Auch die Generalversammlung der CIEC scheint kein Interesse daran zu haben, außereuropäische Staaten ohne Tradition eines genauen Personenstandsregisters zur Mitarbeit aufzufordern. Bei der CIEC ist es eben nicht damit getan, dass man Übereinkommen ausarbeitet und zur Ratifikation empfiehlt. Übereinkommen müssen durch nationale Gesetze in das nationale Personenstandswesen eingegliedert und durch eine geschulte Bürokratie täglich angewandt werden. Wo diese nationale Bürokratie fehlt, ist die Mitgliedschaft bei der CIEC wenig sinnvoll.
2. Organisation
Organe der CIEC sind die (1) Generalversammlung (l’Assemblée Générale) der Mitgliedstaaten, die grundsätzlich im März und September jeden Jahres in einer europäischen Stadt tagt; (2) das Büro (le Bureau), bestehend aus den Präsidenten der nationalen Sektionen, die ebenfalls zweimal im Jahr zusammenkommen; (3) der Präsident (le Président), der aus den Mitgliedern des Büros von diesem für zwei Jahre ernannt wird; und (4) das Generalsekretariat (le Secrétariat Général), das aus dem Generalsekretär (le Secrétaire Général), dem Vize-Generalsekretär (le Secrétaire Général adjoint) und dem Verwaltungspersonal besteht. Der Generalsekretär (seit 2000 Paul Lagarde) wird vom Büro für drei Jahre ernannt und dessen Amtszeit kann verlängert werden. Amtssprache der CIEC ist Französisch.
Die CIEC hat mit dem Europarat (1955), der Haager Konferenz für IPR (1969), den Vereinten Nationen (1981) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1983) vereinbart, dass sie sich über Projekte, die den Personenstand berühren, gegenseitig informieren und nach Möglichkeit versuchen, Konventionen, die in den Arbeitsbereich der CIEC fallen, der CIEC zu überlassen. Diese in vier Briefwechseln enthaltenen Vereinbarungen sind abrufbar bei http://www.ciec1.org unter „Statuts de la CIEC“.
Die Adresse des Generalsekretariats der CIEC lautet: 3, Place Arnold, F-67000 Strasbourg, http://www.ciec1.org.
3. Arbeiten
Gemäß ihrer Satzung vom 19.9.2001 ist es die Aufgabe der CIEC, „die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Personenstandswesens zu erleichtern und den Informationsaustausch zwischen den Personenstandsbeamten zu fördern“. Um das zu erreichen, arbeitet die CIEC Empfehlungen und Übereinkünfte aus, sammelt die Gesetzgebung und Rechtsprechung der Mitgliedstaaten zum Personenstandsrecht, informiert auf Grund dieser Dokumentation die Mitgliedstaaten, koordiniert ihre Arbeit mit der anderer Organisationen und arbeitet innerhalb ihrer Zuständigkeit mit Drittstaaten zusammen. Über die Arbeit der CIEC und der nationalen Sektionen berichten regelmäßig verschiedene Spezialzeitschriften (z.B. „Österreichisches Standesamt“ [ÖStA], die deutsche Monatsschrift „Das Standesamt“ [StAZ] und die schweizerische „Zeitschrift für Zivilstandswesen“ [ZZW]).
Bis 2009 hat die CIEC 32 Übereinkommen und 9 Empfehlungen ausgearbeitet, die bei <www.ciec1.org> unter „Conventions“ bzw. „Recommandations“ in mehreren Sprachen abgerufen werden können.
a) Übereinkommen
Von den Übereinkommen sind 26 in Kraft. Die Übereinkommen (conventions) befassen sich vorwiegend mit Fragen des Personenstandsrechts, der Rechtshilfe zwischen Personenstandsbehörden, des Staatsangehörigkeitsrecht sowie mit Fragen des internationalen Privatrechts und des internationalen Zivilverfahrensrechts.
(1) Das materielle Personenstandsrecht der Mitgliedstaaten anzugleichen, ist eines der Hauptziele der CIEC. So ist versucht worden, die Registrierung einer Anerkennung der Mutterschaft zu unifizieren (Übereinkommen Nr. 6), die Eheschließung im Ausland durch Verzicht auf gewisse Formalien zu erleichtern (Übereinkommen Nr. 7), die Berichtigungen in Personenstandsbüchern zu vereinheitlichen (Übereinkommen Nr. 9), die Namen einer Person einheitlich anzugeben und zu transkribieren (Übereinkommen Nr. 14), ein internationales Stammbuch einzuführen (Übereinkommen Nr. 15) und mehrsprachige Auszüge aus Personenstandsregistern zu schaffen (Übereinkommen Nr. 16).
(2) Viele Übereinkommen beschäftigen sich mit der Rechtshilfe zwischen den Personenstandsbehörden. Mehrere Übereinkommen betreffen Informationen, die sich nationale Personenstandsbehörden gegenseitig zu geben haben (Übereinkommen Nr. 1, 2, 3, 8, 23–27 und 30), regeln die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen (Übereinkommen Nr. 20), die Ausstellung von Bescheinigungen über die Führung verschiedener Familiennamen (Übereinkommen Nr. 21) und die administrative Hilfe bezüglich Flüchtlingen (Übereinkommen Nr. 22).
(3) Das Staatsangehörigkeitsrecht selbst wird nicht geregelt, wohl aber die Mitteilung von Einbürgerungen vereinbart (Übereinkommen Nr. 8) und versucht, die Fälle von Staatenlosigkeit zu reduzieren (Übereinkommen Nr. 13), und vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten einen Ausweis über die Staatsangehörigkeit ihrer Staatsbürger einführen (Übereinkommen Nr. 28).
(4) Auf das Gebiet des internationalen Privatrechts hat sich die CIEC nur selten vorgewagt. Sie hat auf dem Gebiet des Namensrechts versucht, das anwendbare Recht für Namensänderungen (Übereinkommen Nr. 4) festzulegen, allgemein das maßgebende Recht für die Namensbildung zu bestimmen (Übereinkommen Nr. 19) und die Anerkennung von Namensgebungen bei Heirat oder Geburt (Übereinkommen Nr. 31) sicherzustellen. Außerdem befassen sich drei andere Übereinkommen mit dem Recht, das auf die Legitimation durch nachfolgende Ehe anzuwenden ist (Übereinkommen Nr. 12), mit dem Statut einer freiwilligen Anerkennung außerehelicher Kinder (Übereinkommen Nr. 18) und mit der Anerkennung registrierter Partnerschaften (Übereinkommen Nr. 32). Diesen Übereinkommen war kein großer Erfolg beschieden. Die Übereinkommen über die Anerkennung außerehelicher Kinder, über die Namensgebung bei Heirat oder Geburt, und über eingetragene Partnerschaften sind nie in Kraft getreten, das Legitimationsübereinkommen ist weitgehend sachrechtlich überholt, weil es in vielen Ländern eine Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht mehr gibt, und die namensrechtlichen Übereinkommen gelten nur in wenigen Vertragsstaaten. Sobald die EU das internationale Personen- und Familienrecht (Familienrecht, internationales) legislatorisch in Angriff nimmt, werden die bereits bestehenden IPR-Übereinkommen der CIEC bedeutungslos werden und neue Übereinkommen auf diesem Gebiet die Ausnahmen bilden.
(5) Schließlich ist die CIEC auch auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts tätig geworden. Auf dem Gebiet des Zuständigkeitsrechts hat sie die Kompetenz für die Abnahme von Vaterschafts- und Mutterschaftsanerkennungen geregelt (Übereinkommen Nr. 5 und 6) und die Feststellung gewisser Todesfälle (Übereinkommen Nr. 10). Gewisse Personenstandsurkunden werden vom Erfordernis der Legalisation befreit (Übereinkommen Nr. 2 und 17), und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen (Übereinkommen Nr. 11), von Geschlechtsumwandlungen (Übereinkommen Nr. 29) und von eingetragenen Partnerschaften (Übereinkommen Nr. 32) wird geregelt. Auch hier bahnt sich eine Verschiebung zugunsten der EU an; denn das Übereinkommen Nr. 11 über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen ist z.B. von der Bundesrepublik deshalb nicht ratifiziert worden, weil es eine Materie betrifft, die von der EuEheVO (2201/2003) abgedeckt wird.
b) Empfehlungen
Die Empfehlungen (recommandations, recommendations) betreffen vor allem Fragen der Ausgestaltung des staatlichen materiellen Rechts (z.B. die Madrider Empfehlung Nr. 7 vom 7.9. 1990 über die Harmonisierung von Auszügen aus Personenstandsregistern). Sie sprechen nur Wünsche aus und sehen deshalb auch keine Ratifikation durch die CIEC-Staaten vor.
Das Generalsekretariat der CIEC hat auf Grund eines ausführlichen Fragebogens und der Antworten der Mitgliedstaaten eine Dokumentation des Personenstandsrechts aller Mitgliedstaaten erstellt, die über die Internet-Adresse der CIEC allgemein zugänglich ist und verlässliche Auskunft über das Personenstandsrecht aller Mitgliedstaaten gibt.
4. Bedeutung
Die Internationale Zivilstandskommission hat in den mehr als 50 Jahren ihres Bestehens erheblich zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Personenstandsrechts beigetragen. Stark vereinheitliche Formulare, Register und Bescheinigungen sowie vereinfachte Informationsmöglichkeiten erleichtern den grenzüberschreitenden Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und vermeiden eine doppelspurige Bürokratie. Diese Erfolge waren und sind nur möglich, weil Fachleute mit langer und gründlicher eigener Erfahrung mit dem Personenstandswesen mit Vorschlägen an den Generalversammlungen teilnehmen, und zum anderen, weil sie sich alle halbe Jahre treffen, einander seit langem kennen, die Probleme auch der anderen verstehen und deshalb zu sinnvollen und praktisch brauchbaren Ergebnissen kommen. Das ist für eine internationale Spezialorganisation eine fast ideale Situation. Die Arbeiten der CIEC spiegeln in ihrer Güte diese Situation gut wider.
In den letzten Jahren ist es – verglichen mit den ersten 40 Jahren der Arbeit der CIEC – leiser um die CIEC geworden. Das dürfte auf zwei Faktoren zurückzuführen sein: Zum einen scheint die CIEC ihr Ziel, nämlich die reibungslose Zusammenarbeit nationaler Personen- bzw. Zivilsstandsbehörden, erreicht zu haben, und zum anderen macht sich in der letzten Zeit die stärkere Aktivität der EU auf dem Gebiet des Personen- und Familienrechts bemerkbar und hindert die 17 Mitgliedstaaten der EU, die der CIEC angehören, sich auf demselben Gebiet auch innerhalb der CIEC zu engagieren. Österreich ist mit Wirkung vom 8.4.2008 bereits aus der CIEC ausgetreten (Österreichisches Staatsarchiv 2008, 68).
Literatur
Commission Internationale de l’Etat Civil (Hg.), Conventions et Recommandations (1956–1987) und Supplément (1988–2001), 1988 bzw. 2. Aufl. 2001 (abgekürzt C&R I bzw. C&R Suppl.); Ernst Götz, 15 Jahre Internationale Zivilstandskommission (CIEC), Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht 1963, 282 ff.; idem, Quinze années d’activité de la Commission internationale de l’état civil (CIEC), Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht 1963, 258 ff.; Pierre Lalive d’Epinay, Die wissenschaftliche Leistung der Internationalen Zivilstandskommission (CIEC), Zeitschrift für Standesamtswesen 1963, 273 ff.; idem, L’œuvre scientifique de la Commission internationale de l’état civil, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht 1963, 273 ff.; Isabelle Guyon-Renard, La fraude en matière d’état civil dans les Etats membres de la CIEC, Revue critique de droit international pivé 85 (1996) 541 ff.; idem, Fraud with Respect to Civil Status in ICCS Member States, 2000; Jacques Massip, Frits Hondius, Chantal Nast, Commission Internationale de l’Etat Civil (CIEC) – International Commission on Civil Status (ICCS), 2000.