World Intellectual Property Organization

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von Axel Metzger

1. Geschichte und Entwicklung der WIPO

Die WIPO (World Intellectual Property Organization, WIPO oder Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle bzw. Organización Mundial de la Propiedad Intelectual, OMPI) wurde 1967 durch das Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum als internationale Organisation (WIPO-Übereinkommen) gegründet. Die WIPO hat ihren Sitz in Genf. Zweck der Organisation ist es, „den Schutz des geistigen Eigentums durch Zusammenarbeit der Staaten weltweit zu fördern, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit jeder anderen internationalen Organisation“ (Art. 3 WIPO-Übereinkommen). Daneben nimmt die WIPO die Verwaltungsaufgaben der „Pariser Union“ und der „Berner Union“ sowie weiterer Verbände im Bereich des geistigen Eigentums wahr. Die „Pariser Union“ wurde durch die Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ), zuletzt 1967 revidiert in Stockholm, ins Leben gerufen. Die „Berner Union“ ist der durch die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ), zuletzt 1971 revidiert in Paris, gegründete Verband. Beide Verbände haben ihren Status als internationale Organisation beibehalten. Die WIPO nimmt jedoch die Verwaltungsaufgaben für die beiden Verbände sowie für weitere, auf Grundlage von Art. 19 PVÜ gegründete besondere Verbände wahr. Seit 1974 hat die WIPO den Status einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen gemäß Art. 57 der Charta der Vereinten Nationen. Die WIPO hat seit ihrer Gründung zahlreiche Staatsverträge und Empfehlungen im Bereich des geistigen Eigentums aufgelegt (s.u. 3.) und die Entwicklung des internationalen Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes maßgeblich geprägt.

2. Mitgliedschaft, Aufbau und Organisation

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sowie die USA, Japan und die Schweiz gehören zu den Gründungsstaaten der WIPO. Heute hat die Organisation 184 Mitglieder einschließlich der Volksrepublik China und der Russischen Föderation. Die Mitgliedschaft in der WIPO steht allen Staaten offen, die Mitglied der Pariser Union, der Berner Union, eines auf Grundlage von Art. 19 PVÜ gegründeten Verbands oder jeder sonstigen internationalen Vereinbarung zum Schutz des geistigen Eigentums sind, sofern die WIPO für diese Vereinbarung die Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Mitglied kann ferner jeder Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, ihrer Sonderorganisationen sowie jede Vertragspartei des Statuts des Internationalen Gerichtshofs werden. Auch kann die WIPO-Generalversammlung weitere Staaten einladen, Vertragspartei zu werden. Die mögliche Mitgliedschaft von Staaten, die nicht Vertragspartei der Staatsverträge im Bereich des geistigen Eigentums sind, soll auch solchen Staaten eine Mitwirkung gestatten, die das Schutzniveau der Staatsverträge nicht übernehmen möchten. Eine Mitgliedschaft ist gemäß Art. 5 des WIPO-Übereinkommens nur für Staaten vorgesehen, so dass eine Mitgliedschaft der EG derzeit nicht möglich ist.

Die WIPO folgt dem typischen Aufbau internationaler Organisationen, dies jedoch mit der Besonderheit einer engen Verzahnung mit der Pariser und Berner Union. Art. 6 WIPO-Übereinkommen regelt die Bildung und die Aufgaben der Generalversammlung der WIPO, in welcher allerdings nur die Mitglieder einen Sitz haben, die auch Mitglied eines der Verbände, insbesondere der Berner Union oder der Pariser Union, sind. Neben der Generalversammlung schafft das WIPO-Übereinkommen eine „Konferenz“ (Art. 7), in welcher alle Mitglieder, und zwar unabhängig von der Mitgliedschaft in den Verbänden, einen Sitz haben. Die zentralen Aspekte der Arbeit der WIPO fallen in die Zuständigkeit der Generalversammlung, insbesondere die Ernennung des Generaldirektors, während die Konferenz in erster Linie für die Erörterung von Fragen von allgemeinem Interesse auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, aber auch für verschiedene Haushaltsfragen zuständig ist. Die Funktion eines Verwaltungsrats nimmt der in Art. 8 vorgesehene „Koordinierungsausschuss“ wahr, welcher sich aus Mitgliedstaaten der WIPO zusammensetzt, die zugleich Mitglieder der Exekutivausschüsse der Pariser oder der Berner Union sind. Dem Koordinierungsausschuss obliegt es insbesondere, den Kandidaten für das Amt des Generaldirektors vorzuschlagen. Dieser leitet das in Art. 9 vorgesehene „Internationale Büro“, vertritt die Organisation nach außen und ist für die laufende Verwaltung verantwortlich.

3. Übereinkommen und Empfehlungen der WIPO

Gegenwärtig verwaltet die WIPO 24 Staatsverträge im Bereich des geistigen Eigentums. Im gewerblichen Rechtsschutz sind neben der PVÜ das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, zuletzt 1967 revidiert in Stockholm, und der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens von 1970 hervorzuheben, welche für das Markenrecht und das Patentrecht praktisch überaus bedeutsame Verfahrenserleichterungen bei der internationalen Registrierung von Schutzrechten geschaffen haben. Das Protokoll zum Madrider Markenabkommen von 1989 hat anders als die älteren von der WIPO verwalteten Verträge in Art. 14 die Möglichkeit des Beitritts der EG zum internationalen Registrierungssystem des Madrider Abkommens eröffnet. Die EG hat das Protokoll 2004 ratifiziert.

Im Urheberrecht ist neben der RBÜ das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen von 1961 („Rom-Abkommen“) von besonderer Bedeutung, weil es den Grundsatz der Inländerbehandlung (Geistiges Eigentum (Kollisionsrecht)) ähnlich der RBÜ auch für die wichtigsten verwandten Schutzrechte etabliert hat. Allerdings haben die USA und zahlreiche andere Staaten das „Rom-Abkommen“ bis zuletzt nicht unterzeichnet. Die dadurch entstandene Schutzlücke versucht der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger von 1996 (WPPT) zu schließen, welcher mittlerweile von 68 Staaten einschließlich der USA gezeichnet wurde. Der zeitgleich von der WIPO aufgelegte WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) ergänzt die RBÜ um Mindestrechte, welche die Mitgliedstaaten den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten gewähren müssen und sieht Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen vor, mit denen Rechtsinhaber urheberrechtswidrige Handlungen verhindern wollen. Der WCT ist bislang von 70 Parteien gezeichnet worden. WCT und WPPT sehen anders als RBÜ und Rom-Abkommen die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der EG vor. Diese hat beide Verträge gezeichnet.

Ein auf Initiative der Europäischen Gemeinschaft während der diplomatischen Konferenz im Jahr 1996 verhandelter Vorschlag für einen WIPO-Vertrag über den Rechtsschutz von Datenbanken (Datenbankschutz) konnte sich dagegen nicht durchsetzen. Die seitdem vorangetriebenen Arbeiten an weiteren Staatsverträgen zum Schutz von Sendeunternehmen und audiovisuellen Darbietungen waren bislang ebenfalls nicht erfolgreich. Dagegen liegen für die von den Entwicklungsländern geforderte Verstärkung des Schutzes genetischer Ressourcen, traditionellen Wissens und von Folklore erste Entwürfe vor. Ob es zu einem Staatsvertrag oder einem anderen Instrument in diesen Bereichen kommen wird, ist angesichts der Meinungsunterschiede zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten aber ungewiss.

Neben dem klassischen Instrument des Staatsvertrags bedient sich die WIPO in den letzten Jahren verstärkt des Instruments der Empfehlung (Recommendation), um auf diese Weise die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich des geistigen Eigentums zu verbessern. Mittlerweile liegen drei gemeinsame Empfehlungen der WIPO und der Pariser Union zum Markenrecht vor, die Joint Recommendation Concerning Provisions on the Protection of Well-Known Marks von 1999, die Joint Recommendation Concerning Trademark Licenses von 2000 und die Joint Recommendation Concerning the Protection of Marks, and Other Industrial Property Rights in Signs, on the Internet von 2001.

4. Das WIPO Arbitration and Mediation Center

Seit 1994 betreibt die WIPO ein Arbitration and Mediation Center, welches allgemein für die außergerichtliche Streitbeilegung (Schiedsverfahren, internationales) im Bereich des geistigen Eigentums zur Verfügung steht und hierfür verschiedene Verfahren bereit hält. Besonders bedeutsam ist die Tätigkeit der WIPO als außergerichtliche Streitbeilegungsstelle im Bereich der Vergabe von Domain-Namen. Allein in diesem Bereich werden pro Jahr über 2.000 Verfahren bei der WIPO in Genf eingeleitet.

5. Verhältnis zur Welthandelsorganisation

Der internationale Schutz des geistigen Eigentums hat durch die Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) zusätzlichen Auftrieb erhalten. Das WTO-Übereinkommen von 1994 enthält als Anhang das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Das TRIPS-Abkommen verpflichtet die WTO-Mitgliedstaaten, die Regelungen der PVÜ und der RBÜ zu befolgen (Art. 2, 9 TRIPS). Der in Art. 6bis RBÜ vorgesehene Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts (Urheberrecht) ist hiervon allerdings explizit ausgenommen (Art. 9 Abs. 1 TRIPS). Dafür enthält das TRIPS-Übereinkommen zusätzliche Mindestrechte, welche über den Schutzstandard der RBÜ hinausgehen und welche von den WTO-Mitgliedern zusätzlich zu beachten sind („Bern plus“). Die Aufnahme des geistigen Eigentums in die GATT-Verhandlungen und schließlich in das WTO-Übereinkommen hat den Staatsverträgen zum Schutz des geistigen Eigentums zahlreiche neue Mitglieder beschert. Die Vorzüge der Freihandelsregeln der WTO bieten einen verstärkten Anreiz, der WTO einschließlich TRIPS beizutreten und damit auch die Schutzstandards der Staatsverträge zu akzeptieren. Ein weiterer Fortschritt von TRIPS gegenüber den Staatsverträgen liegt in den Bestimmungen zur Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten (geistiges Eigentum (Durchsetzung)) in Art. 41 ff. TRIPS sowie in der Anwendbarkeit des WTO Streitbeilegungsmechanismus. Diese institutionellen Stärken dürften zur dauerhaften Etablierung der WTO als zweiter internationaler Organisation im Bereich des geistigen Eigentums neben der WIPO führen. Für das europäische Privatrecht ist von besonderer Bedeutung, dass die EG Mitglied der WTO ist. Dadurch sind die PVÜ und die RBÜ nunmehr Teil des Gemeinschaftsrechts und können vom EuGH für die Gemeinschaft ausgelegt werden.

Literatur

Paul Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 1995, 447; Silke von Lewinski, Die diplomatische Konferenz der WIPO 1996 zum Urheberrecht und zu den verwandten Schutzrechten, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 1996, 667; Hans Ballreich, Anja Meyer, World Intellectual Property Organization, in: Encyclopedia of Public International Law, Bd. 4, 2000; Jörg Reinbothe, Silke Lewinski, The WIPO Treaties 1996, 2002; Thorsten Bettinger (Hg.), Domain Name Law and Practice, 2005; Sam Ricketson, Jane C. Ginsburg, International Copyright and Neighbouring Rights, 2. Aufl. 2006.

Abgerufen von World Intellectual Property Organization – HWB-EuP 2009 am 24. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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