Elektronischer Geschäftsverkehr – E‑Commerce: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 14:50 Uhr

von Hannes Rösler

1. Grundlagen

Das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs ist eine Querschnittsmaterie mit weit verzweigten zivil-, wettbewerbs-, kollisions-, kennzeichen-, urheber-, telekommunikations-, steuer- und datenschutzrechtlichen Aspekten. Die Regelungen für elektronisch abgeschlossene Verträge antworten auf die vielgestaltigen neuen Vertriebsformen für Waren und Dienstleistungen, die technologiegestützte Datenfernübertragungen ermöglichen. Vor allem Internet und Mobilfunknetze erweitern den ansprechbaren Personenkreis und differenzieren das verfügbare Leistungsangebot. Zudem verringern sich die Transaktionskosten von Verträgen: Durch Automation und Direktvertrieb können Geschäftsstellen oder Zwischenhändler eingespart und beim Abnehmer die Suchkosten verringert werden.

Unterschieden werden direkter und indirekter E‑Commerce. Beispiele für den indirekten E‑Commerce sind der Online-Versandhandel und Internetauktionen. Dagegen werden beim direkten digitalen Geschäftsverkehr die Leistungen ausschließlich über die Datennetze erbracht, so etwa beim Zugang zu elektronischer Presse und zu Datenbanken, bei Musik- und Software-Downloads, Internet-TV, Computerfernwartungsverträgen und elektronischer Bezahlung. Des Weiteren zählt zum E‑Commerce die entsprechende Korrespondenz und Werbung z.B. per E-Mail, SMS, Fax oder Telefon.

Aufgrund der Neuheit, Fortschrittlichkeit und Globalität der elektronischen Nutzungen hat das supranationale Recht hier besonders maßgeblichen Einfluss. Zudem hat der Normenkomplex vielfältig zur Modernisierung des Privat-, Wirtschafts- und Informationsrechts beigetragen. Auf europäischer Ebene zeigt sich dies etwa bei der Reform des Internationalen Privat- und Prozessrechts: Ausgehend vom Fernabsatzvertrag wurde das Merkmal der „Ausrichtung“ auf den Verbraucherstaat nach Art. 15(1)(c) Brüssel I-VO (VO 44/2001) und Art. 6 Rom I-VO (VO 593/2008) auf alle Verträge erweitert (Verbraucherverträge (IPR und IZPR)).

2. Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31)

a) Überblick

Zentrale Bedeutung hat die E‑Commerce-RL (RL 2000/31) des Europäischen Parlaments und des Rates (Rat und Europäischer Rat) vom 8.6.2000. Sie gewährleistet den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten und verringert das Vertrauensdefizit in den technikgestützten Vertrieb. Der Binnenmarktrechtsakt, der sich insbesondere auf die Kompetenzen zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit stützt, erfasst laut Titel nur „bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs“. In der Tat regelt die Richtlinie mit der Anbieterkennzeichnung, der Preisangabentransparenz und dem Zeitpunkt des Bestelleingangs (Art. 11 (1)) eine Fülle von verschiedenen Gesichtspunkten. Grob folgt die Richtlinie den verschiedenen Tätigkeitsstufen eines Dienstes: Von der Zulassungs- und Niederlassungsfreiheit in Art. 4(1), der kommerziellen Kommunikation (Art. 6-8), den elektronischen Verträgen (Art. 9-11), der Verantwortlichkeit von Vermittlern (Art. 12-15) bis hin zu Fragen der Streitklärung (Art. 17 f.).

Die Umsetzung der Richtlinienvorgaben erfolgte überwiegend textnah und durch Einzelgesetze; so in Deutschland mit dem Telemediengesetz (TMG), in Frankreich mit dem Loi pour la confiance dans l’économie numérique und in Großbritannien mit den Electronic Commerce (EC Directive) Regulations 2002 (zu Fragen der Umsetzung KOM(2003) 702 endg.).

b) Sachlicher Anwendungsbereich

Der Richtlinie unterworfen sind gemäß Art. 2(a) und (b) natürliche und juristische Personen, die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft anbieten (also nicht nur „Unternehmer“). Dabei handelt es sich um jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistungen. Erfasst sind der Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen (z.B. Internet-Reisebüro), aber auch wirtschaftliche Tätigkeiten, für die der Empfänger nicht bezahlt (Erwägungsgrund 18). Dazu zählen z.B. elektronische Zeitungen, Online-Datenbanken, Zugang zu Datennetzen und kommerzielle Kommunikation per E-Mail.

Die Richtlinie findet keine Anwendung auf klassische, nicht auf individuellen Abruf erbrachte Hörfunk- und Fernsehdienste (Erwägungsgrund 18). Da die Richtlinie jedoch für Video-on-Demand gilt, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (ursprünglich Fernseh-RL [RL 89/ 552], reformiert durch RL 2007/65). Diese erfasst neben TV und Teleshopping nun auch audiovisuelle Mediendienste auf Abruf. Überschneidungsfälle können sich aber nur ergeben, wenn es sich um einen medialen Dienst mit Bewegtbildern handelt, der insbesondere eine redaktionelle Verantwortung und allgemeine Öffentlichkeitsorientierung aufweist. Nach Art. 3(8) der neuen Richtlinie findet die E‑Commerce-RL zwar Anwendung. Im Konfliktfall geht aber die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienstleistungen vor, die inhaltsorientierte Mindestvorschriften etwa zur Wahrung des Jugendschutzes und der Menschenwürde aufweist.

c) Persönlicher Anwendungsbereich

Der E‑Commerce-RL sind nicht allein Verbrauchersachverhalte unterworfen. Indem sie also auch bei reinen Unternehmerbeziehungen Anwendung findet, unterscheidet sich ihr Anwendungsbereich von der RL 97/7 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzverträge). Darum spricht die E‑Commerce-RL in der Regel statt vom „Verbraucher“ weitergehender vom „Nutzer“ als jeder natürlichen oder juristischen Person, die zu beruflichen oder sonstigen Zwecken einen Dienst der Informationsgesellschaft in Anspruch nimmt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen (Art. 2(d)).

Allerdings verfolgt die von der Generaldirektion Binnenmarkt erarbeitete Richtlinie ausdrücklich auch einen effektiven Verbraucherschutz. So sieht die Richtlinie etwa hinsichtlich der Nichtabdingbarkeit einiger Regelungen, Begrenzungen zugunsten der „Verbraucher“ vor, welche klassisch als „jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören“ definiert wird (Art. 2(e)). Auch ansonsten will die Richtlinie das durch die Gemeinschaftsrechtsakte eingeführte Schutzniveau beim Verbraucherschutz unberührt lassen, und nennt hierzu ausdrücklich die Verbrauchervertragsrichtlinien (Erwägungsgrund 11).

d) Herkunftslandprinzip

Kernpunkt ist die mutige Festschreibung des Herkunftslands- oder Niederlassungsprinzips (Herkunftslandprinzip). Der Grundgedanke dieses zumindest nach offizieller Lesart nicht kollisionsrechtlich zu verstehenden (Art. 1(4) und Erwägungsgrund 23) gegenseitigen Anerkennens geht auf die Cassis de Dijon-Entscheidung zurück (EuGH Rs. 120/78, Slg. 1979, 649). Vorbild für die eigentliche Verknüpfung von Herkunftslandprinzip und Harmonisierung ist Art. 2(1) Fernseh-RL, die – wie gesagt – heute RL 2007/65 über audiovisuelle Mediendienste heißt. Bei der Informationsverbreitung besteht in der Gemeinschaft überwiegend die Anknüpfung an das Recht am Ausstrahlungs- oder Ursprungsort.

Die Festschreibung des Herkunftslandprinzips als übergreifenden gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz durch die E‑Commerce-RL kann spätestens seit den Verordnungen Rom I und Rom II (VO 864/2007) nicht mehr uneingeschränkt vertreten werden. Denn ansonsten besteht eine Tendenz zum Marktortanknüpfungsprinzip, d.h. zur Anknüpfung an das Recht des Ortes, wo entweder die wettbewerbliche Interessenkollision oder die Marktauswirkung stattfindet. So schreibt auch Art. 4 RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken – entgegen vormaligen Plänen – das Herkunftslandprinzip nicht fest. Selbst die E‑Commerce-RL ermöglicht das Marktortprinzip bei unaufgeforderter Kommunikation mittels E-Mail (Art. 3(3) i.V.m. Anhang).

Fernab besagter Ausnahme hat jeder Mitgliedstaat nach der Grundregel Art. 3(1) dafür zu sorgen, dass Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, seinen innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den von der Richtlinie koordinierten Bereich fallen. Damit kommt es auf die Niederlassung des Anbieters und nicht auf den Standort eines Servers an (vgl. Art. 2(c)).

Dem Niederlassungsstaat obliegt die Primärverantwortlichkeit. Sofern diese – trotz Aufforderung – versagt, kommen nachrangig Maßnahmen des Abrufstaates in Betracht (Art. 3(4)-(6)): Er kann ausnahmsweise gegen einen bestimmten Dienst Maßnahmen ergreifen, sofern es der Schutz der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Gesundheit und Sicherheit sowie der Verbraucher und Anleger erfordern. Bei Dringlichkeit bedarf es keiner vorherigen Aufforderung des Niederlassungsstaates und Unterrichtung der Europäischen Kommission.

Nach Art. 3(3) i.V.m. dem Anhang findet das Herkunftslandprinzip ohnehin keine Anwendung auf Urheberrechte, die Ausgabe elektronischen Geldes, die Bedingungen für grenzüberschreitende Tätigkeiten von Versicherungsunternehmen, die Freiheit der Rechtswahl für Vertragsparteien, vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge, die Rechte an Immobilien sowie die Zulässigkeit unangeforderter kommerzieller Kommunikation durch E‑Mail.

e) Informations- und vertragsrechtliche Pflichten

Zur Behebung des Vertrauensdefizits in den elektronischen Geschäftsverkehr bzw. zur Erhöhung der Gewissheit über Authentizität des Anbieters sieht die Richtlinie in Art. 5 allgemeine Informationspflichten für sämtliche Diensteanbieter und die zuständigen Behörden vor (z.B. Name des Diensteanbieters, Niederlassungsanschrift, Angaben zur schnellen Kontaktaufnahme, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, ggf. Handelsregisternummer, ggf. zuständige Aufsichtsbehörde, Berufsverband). Zudem müssen Preise eindeutig ausgewiesen werden und anzugeben ist, ob Steuern und Versandkosten in den Preisen enthalten sind (Art. 5(2)).

Die Richtlinie erlaubt zwar grundsätzlich Online-Werbung. Ähnlich wie bei sämtlicher kommerzieller Kommunikation (Art. 6) müssen aber insbesondere unangeforderte Werbe-E-Mails klar als solche gekennzeichnet sein (Art. 7(1)). Zudem haben Diensteanbieter, welche nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation durch E-Mail versenden, regelmäßig opt-out-Register zu konsultieren und zu beachten. In diesen sog. Robinson-Listen können sich natürliche Personen verzeichnen lassen, die keine unerbetenen Werbenachrichten (Spam) erhalten wollen (Art. 7(2)).

Daneben sieht die Richtlinie in Art. 9-11 spezielle Vorschriften zum Vertragsabschluss vor. Grundlegend haben die Mitgliedstaaten den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege rechtlich zu ermöglichen. Dabei dürfen ihre Vorschriften weder Hindernisse bilden noch die rechtliche Wirksamkeit oder Gültigkeit von elektronischen Vertragsabschlüssen in Frage stellen (Art. 9(1)). Vom elektronischen Geschäftsverkehr ausnehmen können die Mitgliedstaaten aber besonders warnungsbedürftige Verträge. Dazu zählen Verträge über Rechte an Immobilien (mit Ausnahme von Mietrechten), Bürgschaftsverträge und Verträge über Sicherheiten, die von Personen außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit eingegangen werden, Verträge, bei denen die Mitwirkung von Gerichten, Behörden oder von öffentliche Befugnisse ausübenden Berufen (Notare) gesetzlich vorgeschrieben sind sowie Familien- und Erbverträge.

Wie bei den Vertragsrichtlinien setzt auch Art. 10 auf vorvertragliche Informationspflichten. Diese Angaben müssen vor Abgabe der Bestellung (d.h. vor Abgabe der nutzerseitigen Willenserklärung) erfolgen. Sie treten ggf. weiteren Erfordernissen hinzu, etwa jenen gemäß der Fernabsatz-RL (RL 97/7). Nach mitgliedstaatlichem Recht müssen also vorab die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen, klar, verständlich und eindeutig mitgeteilt werden. Weiter ist anzugeben, ob der Vertragstext nach Abschluss des Vertrages vom Diensteanbieter gespeichert und ob er zugänglich sein wird.

Da es bei Bestellsystemen leicht zu Eingabefehlern kommt (Vertippen oder versehentliches Anklicken von Schaltflächen), müssen Angaben über die technischen Mittel zur Erkennung und Korrektur solcher Fehler erfolgen. Die für den Vertragsabschluss zur Verfügung stehenden Sprachen sind ebenso anzugeben (Art. 10(1)) wie alle einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Diensteanbieter unterwirft und wie diese auf elektronischem Wege zugänglich sind (Art. 10(2), vgl. Art. 16 zur Förderung der Verhaltenskodizes von Handels-, Berufs- und Verbraucherverbänden). Vor allem sind die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Nutzer zum Speichern und Reproduzieren zur Verfügung zu stellen (Art. 10(3)).

Art. 11 bestimmt zudem Pflichten des Diensteanbieters bei der Entgegennahme einer Bestellung auf elektronischem Wege. So hat er dem Nutzer den Eingang der Bestellung unverzüglich zu bestätigen. Bestellung wie Empfangsbestätigung gelten dabei als eingegangen, wenn die betreffende Partei sie abrufen kann (Art. 11(1)). Der Diensteanbieter muss dem Nutzer außerdem tatsächlich angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Eingabefehlererkennung und ‑beseitigung vor Abgabe der Bestellung bereitstellen (Art. 11(2)). Allerdings sind Verträge, die ausschließlich durch E-Mail oder vergleichbare Individualkommunikation (also für E‑Commerce auf atypische Weise) geschlossen werden, von den ersten zwei Absätzen der Art. 10 und 11 ausgenommen. Zudem sind die dort enthaltenen Pflichten nur für den Unternehmerverkehr dispositiv.

Wie in fast allen Bereichen des Gemeinschaftsprivatrechts gleicht die Richtlinie die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften zum Vertragsschluss nicht an. Aus diesem Grund spricht Art. 11 nicht – wie Vorentwürfe – vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Stattdessen wird auf die Abgabe einer Bestellung und Bestätigung Bezug genommen, so namentlich bei der Eingangsfiktion des Art. 11(1): Die Erklärung gilt als eingegangen bei Abrufbarkeit aus dem Postfach, womit der Absender das Übertragungsrisiko trägt. Des Weiteren fallen als typischer Mangel des Gemeinschaftsrechts die fehlenden Regelungen zu den Rechtsfolgen bei einer Verletzung von Art. 10 und 11 auf. Aus Effektivitätsgründen hat aber das nationale Recht einen Schadensersatzanspruch des Nutzers zu ermöglichen.

f) Haftungsprivilegierungen

Neben den vertragsrechtlichen Regelungsgegenständen befasst sich die Richtlinie mit der Verantwortlichkeit der Vermittler (Art. 12-15). Dabei geht es nicht um die Haftung für eigene Informationen, die sich weiterhin nach dem innerstaatlichen Recht richtet. Die Richtlinie schränkt die urheber- und lauterkeitsrechtliche sowie sonstige Verantwortlichkeit vermittelnder Dienste für die rechtsverletzenden Handlungen Dritter ein. Explizit erfasst von dieser zivil- und strafrechtlichen Privilegierung sind drei Provider-Tätigkeiten: die reine Durchleitung (Art. 12), das Caching, also die automatische und kurzweilige Zwischenspeicherung von fremden Daten zur Beschleunigung der Datenverfügbarkeit (Art. 13) sowie das Hosting, also die Zurverfügungstellung von Speicherplatz und E-Mail-Accounts auf einem Internet-Server (Art. 14). Nach Art. 15(1) darf diesen Diensten zudem keine „allgemeine“ Überwachungs- oder Nachforschungspflicht auferlegt werden.

Ungeregelt lassen die Vorschriften aber die Problematik der Hyperlinks und der Suchmaschinen, die zu fremden Inhalten führen. Weiter ungeklärt ist auch die sog. Störerhaftung von Plattformbetreibern für nutzergenerierte Inhalte. Unter diesem Gesichtspunkt hat der BGH – vorbildgebend für andere Mitgliedstaaten – Online-Auktionshäusern, bei denen die Auktionen von unabhängigen Anbietern erfolgen, verhältnismäßig enge Beseitigungs-, Unterlassungs- und Prüfungspflichten zum Herausfiltern von Markenfälschung auferlegt (BGH 11.3.2004, BGHZ 158, 236 – Ricardo/Rolex; im Zusammenhang mit jugendgefährdenden Medien auch BGH 12.7. 2007, BGHZ 173, 188; vergleichbare Probleme tun sich bei Meinungsäußerung im Internetforum auf, siehe BGH 27.3.2007, NJW 2007, 2558).

Diese Rechtsprechung ist der Privilegierung für Host-Provider gemeinschaftsrechtskonform. Auch Art. 14(3) möchte einmal erkannte Rechtsverletzungen abstellen und verhindern. Sinnvoll wäre es aber, Rechtsklarheit durch Grundsätze der Störerhaftung auf europäischer Ebene zu schaffen, die Anbieter-, Nutzer- und Drittinteressen in Ausgleich bringen. Zu dieser Gesamtlösung sollte auch ein Verfahren zur Meldung und Entfernung rechtswidriger Inhalte (sog. notice and take down) gehören. Etwaige Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung auch auf elektronischem Weg dürfen nicht behindert werden (Art. 17(1)). Der Rechtsakt unterliegt auch dem Schutz kollektiver Verbraucherinteressen durch die Unterlassungsklage-RL (RL 98/27).

3. EG-Richtlinien zu Fernabsatz, Werbung, E-Signaturen und E-Geld

Der Stärkung des Verbrauchervertrauens in den Binnenmarkt dient auch die besagte Fernabsatz-RL und die parallele RL 2002/65 zu Fernabsatzfinanzdienstleistungen. Für Verbrauchersachverhalte enthalten sie – neben Informationspflichten und einem Widerrufsrecht – Regelungen für unaufgefordert erbrachte Leistungen (Art. 9 RL 97/7) und unerbetenes Direktmarketing, etwa durch Telefon-, Fax- und E-Mail (Art. 10 RL 97/7).

Eine Regelung des Spam-Problems, welches die Richtlinien zu E‑Commerce und zum Fernabsatz nur halbherzig angeht, findet sich später zugunsten aller natürlichen Personen in Art. 13 der Datenschutz-RL (RL 2002/58) für elektronische Kommunikation. Danach darf die Verwendung von E-Mail, Fax und automatisierten Anrufen für die Zwecke der Direktwerbung grundsätzlich nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden. Die RL 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern sieht unter dem Gesichtpunkt der irreführenden Unterlassungen in Art. 7 allgemeine Informationspflichten bei der „Aufforderung zum Kauf“ vor, z.B. auf Webseiten. Zudem handelt es sich bei hartnäckigem und unerwünschtem Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail usw. nach Art. 8 i.V.m. dem rechtsverbindlichen Anhang I Nr. 26 um eine aggressive und definitiv unlautere Geschäftspraktik.

Zum E‑Commerce-Recht leistet auch die RL 1999/93 über elektronische Signaturen ihren Beitrag. Der Rechtsakt dient der rechtlichen Anerkennung und Interoperabilität von verschlüsselten Daten, die speziell zur Authentifizierung bestimmt sind. Unterschieden wird dabei zwischen elektronischen Signaturen ohne besondere Anforderungen und fortgeschrittenen elektronischen Signaturen. Letztere entfalten unmittelbare Rechtswirkungen und sie sind der handschriftlichen Unterschrift auf Papier gleichzustellen und im Gerichtsverfahren als Beweismittel zuzulassen (Art. 5). Nach Art. 6 ist auch eine Mindesthaftung der Zertifizierungsdiensteanbieter sicherzustellen.

Zur Erleichterung eines elektronischen Zahlungsverkehrs regelt die E-Geld-RL (RL 2000/46, siehe aber Vorschlag KOM(2008) 627 endg.) die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geldinstituten. Damit soll die finanzielle Integrität von „E-Geld“ emittierenden Instituten sichergestellt und gleiche Wettbewerbsbedingungen mit traditionellen Instituten geschaffen werden. Das primär für Kleinbetragszahlungen gedachte E-Geld wird elektronisch z.B. auf einer Chipkarte oder auf einer Computerfestplatte gespeichert.

4. Einheitsrecht

In völkerrechtlicher Hinsicht ist das noch nicht in Kraft gesetzte Übereinkommen der Vereinten Nationen zum elektronischen Geschäftsverkehr von Interesse. Die 25 Artikel sollen das CISG (Warenkauf, internationaler (Einheitsrecht)) in Fragen ergänzen, die sich aus dem Sonderaspekt des elektronischen Kommunikationsweges ergeben. Wie beim CISG als dem zentralen Vertragsrechtsübereinkommen müssen für die Anwendung der neuen Konvention die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Hier sind Verbraucherverträge wiederum ausgenommen (Art. 2(1)(a)). Diese von der Generalversammlung am 23.11.2005 angenommene United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts wurde von 18 Staaten gezeichnet und bedarf nun der Ratifikationen durch drei Staaten. Die EG-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, stehen der Konvention zurückhaltend gegenüber. Die Europäische Kommission lehnt sie aus Sorge um die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und den Vorrang desselben ab. Die Trennungsklausel in Art. 17(4) sei unzureichend (Schriftliche Anfrage BT-Drucksache 16/3710).

Der Entwurf beruht auf dem UNCITRAL Modellgesetz über E-Business von 1996. Daneben besteht das UNCITRAL Modellgesetz über elektronische Signaturen von 2001. Darauf kann hier ebenso wenig eingegangen werden wie auf die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und die Streitbeilegung von Marken- und Namenskonflikten bei Domain-Namen, etwa nach den alternativen ICANN-Regeln.

Literatur

Axel Halfmeier, Vom Cassislikör zur E‑Commerce-Richtlinie: Auf dem Weg zu einem europäischen Mediendeliktsrecht, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 9 (2001) 837 ff.; Peter Mankowski, Das Herkunftslandprinzip als Internationales Privatrecht der e-commerce-Richtlinie, Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft 100 (2001) 137 ff.; Stefan Grundmann, Das Internationale Privatrecht der E‑Commerce-Richtlinie: Was ist kategorial anders im Kollisionsrecht des Binnenmarkts und warum?, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 67 (2003) 246 ff.; Georgios Gounalakis (Hg.), Rechtshandbuch Electronic Business, 2003; Urte Wellbrock, Ein kohärenter Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr in Europa, 2005; Henry D. Gabriel, The United Nations Convention on the Use of Electronic Communications in International Contracts: An Overview and Analysis, Uniform Law Review 2006, 285 ff.; Hannes Rösler, Anti-Counterfeiting in Online Auctions from the Perspective of Consumers’ Interests, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2006, 771 ff.; Francesco G. Mazzotta, Notes on the United Nations Convention on the use of Electronic Communications in International Contracts and its effects on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, Rutgers Computer & Technology Law Journal 33 (2007) 251 ff.; Gerald Spindler, Fabian Schuster (Hg.), Recht der elektronischen Medien, 2008; Jochen P. Marly, A 4: Elektronischer Geschäftsverkehr (E‑Commerce), in: Eberhard Grabitz, Meinhard Hilf (Hg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. III (Loseblatt).

Abgerufen von Elektronischer Geschäftsverkehr – E‑Commerce – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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