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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 13:06 Uhr
von Ulrich Drobnig
1. Wirtschaftliche Funktion
Das Akkreditiv ist ein typisches Instrument des internationalen Handelsverkehrs. Es hat sich – ohne internationale Übereinkommen und nahezu ohne nationale Gesetzgebung – „autonom“ aus der internationalen Geschäfts- und Vertragspraxis bei der Abwicklung von Überseekäufen entwickelt und spielt dort auch heute noch seine Hauptrolle. Ähnlich wie bei der Garantie, mit der es auch funktional verwandt ist, sind an einem Akkreditiv mindestens drei Parteien beteiligt. Zwischen dem überseeischen Exporteur von Waren und dem inländischen Importeur steht die Akkreditivbank, die im Auftrag des Importeurs für beide Vertragsparteien handelt: Sie verspricht einerseits dem überseeischen Exporteur die im Kaufvertrag (Kauf) vereinbarte Zahlung des Kaufpreises; die Zahlungspflicht des Käufers wird also, falls dieser zahlungsunfähig oder ‑unwillig wird, durch die zusätzliche Zahlungszusage der Akkreditivbank ergänzt und damit gesichert. Diese Zahlungszusage der Akkreditivbank steht freilich unter der Bedingung, dass die ebenfalls im Kaufvertrag vereinbarten Dokumente über die Qualität und Quantität der verkauften Ware sowie ihre Verschiffung und deren Datum an den Importeur durch die Dokumente vertragsgemäß nachgewiesen wird (daher die Bezeichnung Dokumentenakkreditiv).
Trotz seiner funktionalen Verknüpfung mit dem Kaufvertrag zwischen Ex- und Importeur ist jedoch das Akkreditiv rechtlich selbständig und unabhängig von diesem Grundgeschäft; das entspricht den Interessen der Bank ebenso wie denjenigen des überseeischen Exporteurs. Art. 5 UCP (ERA) fasst dieses Leitmotiv des Akkreditivrechts in die Formel: „Banken befassen sich mit Dokumenten und nicht mit Waren, Dienstleistungen oder Leistungen, auf die sich die Dokumente möglicherweise beziehen.“ Zu diesem Grundmodell des Akkreditivs haben sich verschiedene Varianten und Ergänzungen entwickelt, auf die unter 3. eingegangen wird.
2. Quellen
Das Akkreditiv ist infolge seiner außerordentlich häufigen Verwendung und im Interesse der Rationalisierung der Prüfungstätigkeit der Akkreditivbanken bereits früh und in wachsendem Maß international rationalisiert und typisiert worden. Diese Rationalisierung hat in einem Formelwerk Ausdruck gefunden, den Uniform Customs and Practices for Documentary Credits (Revision 2007) der Internationalen Handelskammer in Paris – kurz UCP 600; zu deutsch: ERA 600. Dieses Regelwerk, erstmals 1933 vereinbart und seitdem fünfmal revidiert und an neue Bedürfnisse angepasst, wird heute von praktisch allen beteiligten Banken der Welt als Grundnorm vereinbart und in allen Akkreditiven für anwendbar erklärt: Eine Blüte des autonomen einheitlichen Welthandelsrechts (Handelsrecht). In einigen wenigen Ländern gibt es auch eigene Rechtsnormen, insbesondere Art. 5 UCC in den USA, die jedoch nicht zwingend sind und praktisch durch die UCP 600 ergänzt bzw. substituiert werden. In den großen Handelsländern Europas fehlen hingegen gesetzliche Regeln, ohne dass dies als Lücke empfunden wird.
3. Varianten
Der Grundtypus des Akkreditivs wird häufig durch besondere Vertragsklauseln variiert und spezifiziert, um den Wünschen und besonderen Bedürfnissen der Parteien des Kaufvertrages Rechnung zu tragen. Typische ergänzende Akkreditivklauseln betreffen folgende Punkte:
Die Mitteilung an den ausländischen Exporteur über die Eröffnung des Akkreditivs erfolgt in der Regel durch die Hausbank des ausländischen Exporteurs, die sog. Avisbank. Anstelle der bloßen Mitteilung kann diese Bank das Akkreditiv aber auch ausdrücklich bestätigen; mit einer solchen Bestätigung übernimmt diese Bank zusätzlich die volle Haftung für die Honorierung des Akkreditivs, und zwar als Gesamtschuldnerin mit der eröffnenden Bank. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Bestätigung durch eine Bank im Land des Exporteurs diesen erheblich stärker sichert als das einfache, unbestätigte Akkreditiv der ausländischen Bank im Land des Importeurs; freilich erhöhen sich dadurch aber auch die Transaktionskosten.
Das Akkreditiv ist grundsätzlich unwiderruflich. In besonderen Fällen, etwa bei besonders riskanten Geschäften oder einer unsicheren Marktlage, mag die Akkreditivbank aber auch ein Widerrufsrecht vereinbaren.
Das Akkreditiv wird eingelöst, wenn der begünstigte ausländische Exporteur die nach dem Kaufvertrag erforderlichen Akkreditiv-Dokumente – insbesondere Rechnung, Prüfungszertifikate und Verschiffungsdokumente – der Akkreditivbank vorlegt. Diese hat die Dokumente, die meist in fremder Sprache abgefasst sein werden, sehr genau zu prüfen, da nur bei Vertragsmäßigkeit der Dokumente eine Einlösungspflicht gegenüber dem ausländischen Begünstigten besteht und zugleich der Vergütungsanspruch gegen den inländischen Auftraggeber fällig wird. Entsprechen die Dokumente nicht den Akkreditivbedingungen, so muss die Bank die Dokumente zurückweisen und darf das Akkreditiv nicht einlösen. Dieselben Pflichten treffen die ausländische Korrespondenzbank, wenn sie das Akkreditiv bestätigt hatte; in diesem Fall wird sich der ausländische Verkäufer an diese Bank in seinem Land wenden, um durch Einlösung des Akkreditivs den Kaufpreis zu erhalten.
4. Parallelen zur Garantie
Trotz unterschiedlicher Zwecke und Anwendungsfelder fallen bei der Ausgestaltung von Akkreditiv und Garantie einige Übereinstimmungen ins Auge: Das gilt namentlich für die Abstraktion dieses Zahlungsinstruments von dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (oben 1.). Dieser Vorteil für die Bank und den Begünstigten birgt zugleich allerdings auch – wie bei der Garantie – ein erhebliches Gefahrenpotential in sich, nämlich den Missbrauch eines Akkreditivs. Die Praxis bestätigt diese Befürchtung. Gleichwohl schweigen die Richtlinien für Akkreditive zu diesem kritischen Punkt. Immerhin besteht Einigkeit darüber, dass die Akkreditivbank unter Berufung auf einen Rechtsmissbrauch durch den Akkreditiv-Gläubiger die Leistung verweigern kann. Ein Rechtsmissbrauch liegt sicher vor, wenn ein Grundverhältnis entweder überhaupt fehlt oder weggefallen ist; oder wenn statt der Vertragsleistung ein aliud geliefert worden ist (z.B. Steine statt Kaffee). Der Rechtsmissbrauch muss auch liquide beweisbar sein. Diese Kriterien entsprechen weitgehend denjenigen für einen Missbrauch einer Garantie.
Die Verwandtschaft zwischen Akkreditiv und Garantie wird auch dadurch bestätigt, dass eine leicht angepasste Sonderform des Akkreditivs, nämlich der sog. stand-by letter of credit, eine international anerkannte Art einer Garantie bildet (s. Garantie unter 2.).
5. Künftige Entwicklung
Die im Akkreditivgeschäft tätigen Banken in der ganzen Welt haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie durch die fortlaufende Anpassung ihrer allgemein akzeptierten „Geschäftsbedingungen“ (Allgemeine Geschäftsbedingungen) den praktischen Herausforderungen und Entwicklungen des überseeischen Handelsverkehrs gerecht werden können. Gesetzliche Regelungen erscheinen daher weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene erforderlich.
Literatur
Éric A. Caprioli, Le crédit documentaire, 1992; Raymond Jack, Ali Malek, David Quest, Documentary credits, 3. Aufl. 2001; Rafael Marimón Durá, El crédito documentario irrevocable, 2001; Roeland Bertrams, Bank guarantees in international trade, 3. Aufl. 2004; International Chamber of Commerce, Commentary on UCP 600 (ICC Publication no. 680, 2007); Peter Ellinger, Dora Neo, The law and practice of documentary letters of credit, 2007; Matti S. Kurkela, Letters of credit and bank guarantees under international trade law, 2. Aufl. 2008; Rolf A. Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr, 6. Aufl. 2008.