Abstammung: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 13:04 Uhr
1. Gegenstand und Abgrenzung
Das Abstammungsrecht befasst sich mit der rechtlichen Zuordnung von Kindern zu einem Mann als Vater bzw. zu einer Frau als Mutter sowie mit den Wirkungen dieser Zuordnung. Die Entstehung des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses kann in Europa nicht nur auf der genetischen Herkunft als Konsequenz einer natürlichen Reproduktion beruhen, sondern ebenso auf der Anwendung von Methoden künstlicher Fortpflanzung und der Adoption. In vielen Rechtskulturen existiert ein generelles übergeordnetes Konzept (filiation, filiazione, filiación), das sämtliche Modalitäten des Eltern-Kind-Verhältnisses unabhängig von ihrer jeweiligen Grundlage umfasst. Das Abstammungsrecht befasst sich hingegen nur mit den Verhältnissen, welche einen biologischen Reproduktionsakt aufweisen, sei es auf natürliche oder medizinisch assistierte Art und Weise. Das bedeutet wiederum nicht, dass die Abstammung stets eine genetische Grundlage voraussetzt. Im Falle der heterologen künstlichen Insemination wird regelmäßig keine Verwandtschaft des Neugeborenen mit dem Samenspender begründet, sondern mit den Wunscheltern. Bezüglich der auf natürlichem Reproduktionswege geborenen Kinder kann es ebenso zu einem mit der biologischen Wirklichkeit nicht übereinstimmenden Abstammungsverhältnis kommen. Dies kann die Folge der Existenz von Zuordnungskriterien darstellen, welche keinen Nachweis der genetischen Wirklichkeit erfordern, sowie durch gesetzliche Schranken bei der Ausübung von Abstammungsklagen.
Die Festlegung der Abstammung ist von der Zuordnung der elterlichen Verantwortung zu unterscheiden. Auch wenn es eine klare Tendenz dahingehend gibt, dass sich beide Erzeuger gemeinsam der Ausübung dieser Verantwortung annehmen sollen, kann es Rechtsgründe geben, die zu einer Versagung der Zuordnung der elterlichen Verantwortung an einen der beiden führen können. Auf der anderen Seite kann die elterliche Verantwortung Personen zugeordnet werden, die Formen sozialer Elternschaft wahrnehmen, welche rechtlich betrachtet eine gewisse Anerkennung verdienen (z.B. Stiefeltern) oder die die Eltern ersetzen, sofern diese fehlen oder ihren Sorgefunktionen nur unzureichend nachkommen. In diesen Fällen führt die Zuordnung der elterlichen Verantwortung nicht zu einem Abstammungsverhältnis mit dem Kinde. Die Unterscheidung zwischen Abstammung und elterlicher Verantwortung stellt sich im internationalen Privatrecht als wesentlich heraus: Sowohl das Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996 (KSÜ) als auch die Brüssel IIa-VO (VO 2201/2003) nehmen in ihrem Anwendungsbereich Fragen bezüglich der Zuordnung und Ausübung der elterlichen Verantwortung auf, behandeln allerdings nicht die Feststellung und Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses.
2. Tendenzen der Rechtsentwicklung
Das Abstammungsrecht ist einer der dynamischsten und – in rechtsvergleichender Sicht – heterogensten Bereiche des Familienrechts. Zur Bestimmung der Abstammung werden in den Rechtsordnungen gewöhnlich die gleichen Zuordnungskriterien (die Geburt; die Vaterschaftsvermutung; die Anerkennung; die gerichtliche Feststellung) angewandt; aber die Gestaltung der einzelnen Anwendbarkeitsvoraussetzungen und der jeweiligen Grenzen ihres Wirkungsbereichs sind sehr unterschiedlich. Diese Vielfalt beruht überwiegend auf der mehr oder minder großen Bedeutung, die der Familienstabilität und der sozialen Elternschaft gegenüber der biologischen Herkunft eingeräumt wird. In einigen Rechtsordnungen wird nachdrücklich vertreten, dass das Kindeswohl durch den Schutz der bereits bestehenden sozialen Elternschaftsverhältnisse und die Sicherung der Unterhaltsleistungen an das Kind gefördert wird, auch wenn die rechtlichen Eltern nicht dessen Erzeuger sind. Demgegenüber gibt es fortschrittlichere Rechtsordnungen, die begonnen haben, den Langzeitinteressen des Kindes an der Aufklärung seiner genetischen Herkunft mehr Gewicht einzuräumen. Diese zweite Ansicht, ohne die erste zu ersetzen, gewinnt im Bereich des modernen Abstammungsrechts zunehmend an Bedeutung. Faktoren, die zur größeren Würdigung des biologischen Elements beitragen, sind der spürbare institutionelle Bedeutungsverlust der Ehe, die geringere Stabilität der Familienverhältnisse und der Zugang der Eltern und Kinder zu technischen Mitteln (z.B. DNA-Analysen), welche den einfachen Nachweis der genetischen Herkunft ermöglichen.
a) Mütterliche Abstammung
In den meisten europäischen Rechtsordnungen wird die Mutterschaft, im Einklang mit dem römischen Rechtsgrundsatz mater semper certa est, durch die Geburt des Kindes bestimmt. Diese Art der Feststellung der Mutterschaft besteht unabhängig neben weiteren, sekundären Zuordnungskriterien, die im Übrigen zur Anwendung kommen können, sofern sich die Tatsache der Geburt nicht nachweisen ließ. Im Zusammenhang mit der Mutterschaftsfeststellung ist darauf hinzuweisen, dass einige wenige europäische Rechtsordnungen (Frankreich, Italien, Luxemburg) erlauben, dass die schwangere Frau, die die Mutterschaft nicht übernehmen will, die Geburt anonym vollziehen und somit die rechtliche Festlegung vermeiden kann. Bis heute hat der EGMR in der Anwendung des accouchement sous X keinen Widerspruch zur EMRK (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) gesehen, obwohl hierdurch dem Neugeborenen der Zugang zur Ermittlung seiner Mutter versagt bleibt. Der Gerichtshof entschied, dass die ergriffenen Maßnahmen des französischen Gesetzgebers, welche die Zustimmung der Mutter zur Offenbarung ihrer persönlichen Identität zwar nicht erzwingen, aber fördern, in den Ermessensspielraum des französischen Gesetzgebers fallen (EGMR Nr. 42326/98 – Odièvre/ Frankreich).
b) Väterliche Abstammung
Sofern die Mutter verheiratet ist, wird die Vaterschaft regelmäßig durch die Vermutung pater is est quem nuptiae demonstrant begründet, sofern das Kind ehelich geboren wird, auch wenn die Empfängnis vor der Eheschließung stattfand. Im Gegensatz dazu sind die Kriterien vielseitiger, wann diese Vermutungsregelung enden soll. Immer noch herrscht in vielen Rechtsordnungen die Zielsetzung vor, dass die Kinder einen Vater haben sollen, und diese Vermutungsregelung wird aufrechterhalten, sofern das Kind vor der Scheidung der Mutter geboren wird, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Zeitpunkt der Empfängnis mit ihrem Mann noch zusammenlebte oder nicht (z.B. Schweiz, Österreich, die Niederlande). In anderen Rechtsordnungen endet diese Vermutungsregelung, sofern innerhalb von 300 Tagen vor der Geburt des Kindes gerichtliche Schritte im Zusammenhang mit der Ehetrennung stattgefunden haben, die belegen, dass die Ehepartner nicht zusammenlebten (z.B. Frankreich, Italien).
Sofern die vorherige Vermutungsregelung nicht anwendbar ist, kann die Abstammung mittels der Vaterschaftsanerkennung festgestellt werden. Diese Zuordnungsmethode ist praktisch in allen europäischen Rechtsordnungen anwendbar, außer in England, wo das Fehlen der Anerkennung als rechtliches Institut durch Tatsachen oder Rechtsakte ersetzt wird, die als Nachweis der väterlichen Abstammung gelten, wie der Namenseintrag des Vaters im Geburtsregister oder sogar die mit der Mutter getroffene Vereinbarung über die elterliche Verantwortung. Bestimmten Tatsachenelementen zwecks Nachweis der Abstammung eine entscheidende Bedeutung einzuräumen, ohne dass eine ausdrückliche Anerkennungserklärung der Vaterschaft vorhanden ist, erinnert an die Funktion, welche im französischen Recht dem sog. Statusbesitz (possession d’état) zukommt, d.h. dem Umstand, dass eine Person in ihrem familiär-sozialen Umfeld in öffentlicher und kontinuierlicher Form als Kind einer anderen Person angesehen wird. In Frankreich erlaubt der Statusbesitz die Festlegung der Abstammung, erfüllt aber eine subsidiäre Funktion im Hinblick auf die Vaterschaftsanerkennung.
Im kontinentalen Europa fallen die Wirksamkeitsanforderungen einer Anerkennung sehr unterschiedlich aus. Häufig ist die Wirksamkeit der Anerkennung von der Zustimmung der Mutter abhängig und, ab einem gewissen Alter, auch von derjenigen des Kindes. Das Erfordernis der mütterlichen Zustimmung ist umstritten: Ihre persönlichen Interessen können zuweilen nicht mit denjenigen des Vaters oder des Kindes übereinstimmen; auch kann dieser Umstand – in verhindernder oder verfälschender Weise – die Feststellung der tatsächlichen Abstammung verzerren. In einigen Rechtsordnungen ist daher keine Zustimmung zur Erteilung der Anerkennung erforderlich (z.B. Schweiz; Spanien, sofern die Anerkennung innerhalb einer Frist von 30 Tagen seit der Geburt erfolgt); die Mutter ist in diesen Fällen auf den Widerspruch oder die Anfechtung der anerkannten Vaterschaft angewiesen. In denjenigen Rechtssystemen, die eine Einwilligung erfordern, kann diese zuweilen der Richter ersetzen (z.B. die Niederlande, Belgien, Italien), sofern die Mutter oder gegebenenfalls das Kind die Anerkennung verweigern; wiederum in anderen Fällen setzt die Festlegung der Vaterschaft eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsklage (z.B. Deutschland) voraus.
Auch zeichnet sich die Gestaltung der Abstammungsklagen durch wesentliche Divergenzen hinsichtlich der Bedeutung aus, welche die Rechtsordnungen der sozialen Elternschaft, der familiären Stabilität und der Offenbarung der genetischen Herkunft beimessen. Diese Divergenzen werden vor allem in der Gestaltung der Aktivlegitimation und der Fristenregelung bei der Ausübung von Abstammungsklagen deutlich. Bei der Normierung von Feststellungsklagen weisen die Gesetze einheitlich dem Kinde die Aktivlegitimation. Nicht immer steht sie der Mutter für Klagen im eigenen Namen und auch nicht stets dem Mann zu, der sich als Vater ansieht. Sofern die Anerkennung der Abstammung keinen Erfolg hat, lassen einige Länder die Feststellung der Vaterschaft durch den angeblichen Vater nicht zu (z.B. die Niederlande, Italien, Schweden, Schweiz). Eine bedeutende Zahl von Rechtsordnungen legen zudem Fristen – von sehr unterschiedlicher Länge – zur Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungsklage fest und räumen der Rechtssicherheit den Vorrang vor der Aufklärung der biologischen Tatsachen ein; dies gilt sogar dann, wenn das eigene Kind die Ausübung der Vaterschaftsklage begehrt. Im Bereich der Vaterschaftsanfechtung überwiegt in Europa die Tendenz, dem Schutz der Ehe und der sozialen Verwandtschaft mittels der Etablierung kurzer Fristen zur Vaterschaftsanfechtung und der Beschränkung der Aktivlegitimation auf das Kind, seine Mutter und die Person, die als rechtlicher Vater feststeht, den Vorrang einzuräumen. Dementsprechend ist es unüblich, dass die Klagebefugniss der Person zugestanden wird, die sich als biologischer Erzeuger ansieht, zumindest dann, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Bindung besteht (vgl. § 1600 BGB). Diejenigen Rechtsordnungen, die eine Anfechtung durch den biologischen Vater zulassen, unterstellen diese kurzen Fristen (in Frankreich tritt z.B. eine Präklusion ein, wenn das Kind bezüglich seines rechtlichen Vaters fünf Jahre lang den Statusbesitz innehatte) oder räumen dem Richter einen Ermessenspielraum bei der Abwägung ein, ob die Klageerhebung für das Kind von Vorteil ist (z.B. England).
c) Abstammung bei medizinisch assistierter Zeugung
Die Fortpflanzungsmedizin hat die normative Komplexität des Abstammungsrechts im europäischen Rechtsvergleich erhöht. Die in diesem Bereich zwischen den Rechtsordnungen bestehenden Unterschiede sind nicht nur technischer, sondern auch politischer Natur, weil es sich um Entscheidungen im Hinblick auf die Verfügbarkeit von menschlichen Keimzellen, die Vermarktung von höchstpersönlichen Leistungen, sowie die Unterstützung bestimmter Familienmodelle handelt (Familie). Die seitens der Mitgliedstaaten des Europarats formulierten Antworten auf den vom Steering Committee of Bioethics (CDBI/INF (2005) 7) erstellten Fragenkatalog zeugen von der Diversität der rechtlichen Kriterien bei der Anwendung von Methoden assistierter Zeugung, insbesondere im Hinblick auf: (i) die Festlegung der Personen, die Zugang zu solchen Techniken haben sollen (verheiratete Paare; unverheiratete Paare; homosexuelle Paare; ledige Personen); (ii) die Zulässigkeit von heterologen Behandlungsmethoden und insbesondere das Spenden von Eizellen und Embryonen; (iii) die Zulässigkeit und gegebenenfalls die Wirksamkeitsvoraussetzungen von Ersatzmutterverträgen; (iv) den Anonymitätsschutz oder die Pflicht zur Identitätspreisgabe der Spender. Die nationalen Schranken bezüglich bestimmter Behandlungsmethoden werden oftmals durch das Ausweichen auf andere Länder mit freizügigeren Gesetzen umgangen. Im EU-Bereich kann in diesem Zusammenhang die Dienstleistungsfreiheit in allen Mitgliedstaaten geltend gemacht werden, wie die englischen Gerichte in dem bekannten Fall Blood (R v Human Fertilisation and Embryology Authority, ex p Blood [1999] Fam 151 (CA)) hervorhoben.
Sofern die Abstammung aus der Anwendung assistierter Reproduktionstechniken herrührt, wird die Mutterschaft der gebärenden Frau zugeordnet. Ausnahmen von dieser Regel bestehen nur im Fall der Ersatzmutterschaft in denjenigen Rechtsordnungen, die dies ausdrücklich zulassen bzw. tolerieren. Die Zulässigkeit der Ersatzmutterschaft stellt in Europa die Ausnahme dar. Geregelt ist sie im griechischen Recht, die sie der vorherigen gerichtlichen Genehmigung unterwirft, und im englischen Recht, die sie für zulässig erklärt, allerdings nicht gegen den Willen der Ersatzmutter. Anwendbar ist die Ersatzmutterschaft ebenso – mangels gesetzlichen Verbots – in anderen Ländern, die den Ersatzmutterverträgen in keinem Fall bindende Wirkung beimessen, sofern sie nach der Geburt nicht freiwillig vollzogen werden (z.B. Belgien, Dänemark). Die Vaterschaft wiederum wird normalerweise auf dem Wege der Vaterschaftsvermutung festgelegt oder anderenfalls durch Anerkennung. Die erteilte Zustimmung zur Anwendung von Reproduktionstechniken verhindert regelmäßig die spätere Erhebung von Anfechtungsklagen, die sich auf die mangelnde genetische Beziehung zwischen dem Kind und dem Vater stützen, obwohl einige Rechtsordnungen die Anfechtung durch das Kind zulassen (z.B. Deutschland).
3. Einzelausgestaltung der Abstammung
Der vorausgehende rechtsvergleichende Überblick verdeutlicht, dass die Wahrscheinlichkeit, ein signifikantes Harmonisierungsniveau im Bereich des Abstammungsrechts zu erreichen, zurzeit gering ist. Auf europäischer Ebene sind die wichtigsten völkerrechtlichen Ergebnisse bereits veraltet. Ziel war die Überwindung der diskriminatorischen rechtlichen Behandlung unehelicher Kinder. Diesem Zweck dienten die von der CIEC (Übereinkommen (Nr. 6) über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder vom 12.9.1962) und insbesondere vom Europarat (Europäisches Übereinkommen über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder vom 15.10.1975) ausgearbeiteten Übereinkommen. Das Europäische Übereinkommen erleichterte die Feststellung der Abstammung unehelicher Kinder und erkannte diesen die gleichen Unterhalts- und Erbrechte wie ehelichen Kindern zu. Die historische Entwicklung der Gleichbehandlung aller Kinder erreichte im Anschluss an das Übereinkommen durch die Rechtsprechung des EGMR ihren Höhepunkt, indem der Gerichtshof das Feststellungssystem der unehelichen Mutterschaft mittels Anerkennung und die Vorschriften, welche die unehelichen Kinder im Verwandtschafts-und Erbrecht diskriminierten, als Verstoß gegen Art. 8 und 14 EMRK wertete (EGMR Nr. 6833/74 – Marckx/Belgium).
Der EGMR hatte zudem in den letzten Jahrzehnten vielfach Gelegenheit dazu, die Übereinstimmung nationaler Vorschriften im Bereich der Feststellung und Anfechtung der Abstammung mit Art. 8 EMRK zu beurteilen. Die Bedeutung dieser Rechtsprechung sowie das Bewusstsein für die tiefgehenden familiären und sozialen Veränderungen in Europa, haben ebenso – und auf Veranlassung des Europarats hin – die Erstellung eines Berichts, bestehend aus 29 Prinzipien zur Begründung und den Folgen der Abstammung (White Paper Parentage 2002, CJ-FA (2001) 16 e rev.), gefördert. Die Prinzipien des White Paper, zusammen mit der neuesten Rechtsprechung des EGMR, könnten die Grundlage für ein zukünftiges internationales Instrument bezüglich der Abstammung darstellen, dessen Erstellung als ein vorrangiges Ziel eingestuft worden ist (Report Lowe 2006, Europarat, CJ-FA (2006) 1 Rev). Jegliches Vorhaben, das die Ausgestaltung der Wirkungen der Abstammung behandelt, wird auch die PEFEV (2007) – verfasst durch die CEFL (Elterliche Verantwortung) – zu berücksichtigen haben.
Im Bereich der Vaterschaftsfeststellung bestimmen die Prinzipien 2 bis 7 des White Paper, dass eine gesetzliche Regelung die allgemein anerkannten Zuordnungskriterien berücksichtigen muss. Die besagten Prinzipien überlassen den Staaten einen großen Spielraum bei: (i) der Festlegung, wann die Vaterschaftsvermutung zu enden hat; (ii) der Ausdehnung der Vermutung auf unverheiratete Paare; (iii) der Bestimmung gesetzlicher Regelungen zur Lösung von Konflikten bei Vermutungen; (iv) der Entscheidung darüber, ob für die Wirksamkeit der Anerkennung die Zustimmung des Kindes und/oder der Mutter oder die Genehmigung durch die zuständige Behörde erforderlich sein soll; (v) der Festlegung, wer – abgesehen vom Kinde oder seinem gesetzlichen Vertreter – zur Vaterschaftsklageerhebung aktiv legitimiert sein soll; und (vi) der Fristenregelung zur Klageerhebung. In Bezug auf die Vaterschaftsfeststellung scheint die Rechtsprechung des EGMR in Bewegung geraten zu sein: Im Fall Yousef/Niederlande (EGMR Nr. 33711/96) sah der Gerichtshof in dem Umstand, dass ein leiblicher Vater seine Tochter nicht anerkennen konnte, mit der er einen regelmäßigen persönlichen Umgang pflegte, keinen Verstoß gegen Art. 8 EMRK; andererseits, im Fall Różański/Polen (EGMR Nr. 55339/00) sah der Gerichtshof die Rechte des leiblichen Vaters als verletzt an, da es an „unmittelbar zugänglichen Verfahren“ in der internen Rechtsordnung fehle, die ihm die Beanspruchung der Vaterschaft ermöglichen.
Die Prinzipien 8 bis 13 des White Paper empfehlen ein Anfechtungsklagensystem, bei dem die rechtlichen Eltern und das Kind aktiv legitimiert sind; allerdings ist vorgesehen, dass das nationale Gesetz auch den anderen Elternteil oder weitere Personen mit berechtigten Interessen und insbesondere diejenige Person legitimieren kann, die sich als Erzeuger ausgibt. Diese Prinzipiengruppe räumt den Staaten ebenso einen beachtlichen Spielraum ein bei: (i) der Versagung der Aktivlegitimation zur Anfechtung bestimmter Personen im Einzelfall, sofern dies das Kindeswohl erfordert (z.B. zur Wahrung des Familienfriedens oder der Rechtssicherheit) und (ii) der Fristenregelung zur Erhebung von Anfechtungsklagen. Der Inhalt dieser Prinzipien steht im Einklang mit den Entscheidungen des EGMR. Der Gerichtshof wertete eine gesetzliche Regelung, die verhinderte, dass die leiblichen Eltern die aufgrund Vermutung bestehende Vaterschaft anfechten können, sofern der rechtliche Vater zu keinem Zeitpunkt das Kind als solches behandelt habe, als Verstoß gegen Art. 8 EMRK (EGMR Nr. 18535/91 – Kroon/Niederlande). Dennoch hat der EGMR in einigen Zulässigkeitsentscheidungen erklärt, dass der Ausschluss der Aktivlegitimation des leiblichen Vaters zur Erhebung der Vaterschaftsklage konventionskonform sein kann, sofern es ein effektives Familienleben zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kinde gibt. Die Befristung der Anfechtungsmöglichkeit verletzt nicht die Konvention, aber die Fristberechnung muss so ausgestaltet sein, dass sie dem Berechtigten eine effektive Möglichkeit zur Klageerhebung einräumt (EGMR Nr. 74826/01 – Shofman/Russland).
Die Voraussetzungen, die zur Anwendung assistierter Reproduktionstechniken und zur Auslösung der entsprechenden rechtlichen Folgen erfüllt werden müssen, sind ebenso Gegenstand internationaler Beratungen gewesen. Im Jahre 1989 präsentierte eine innerhalb des Europarats gebildete Expertenkommission (CAHBI) dem Ministerkomitee einen Report on Human Artificial Procreation, bestehend aus 21 Prinzipien, in denen Vorschläge zu den Voraussetzungen und Grenzen unterbreitet wurden, denen sich die Anwendung der Fortpflanzungsmedizin, sowie die Bestimmungen, die zur Festlegung der Abstammung Anwendung finden sollen, zu unterwerfen haben. Diese Prinzipien wurden nicht vollständig übernommen. Die Prinzipien 9 bis 11 des White Paper nehmen die im CAHBI Report aufgestellten Regelungen zur Feststellung der Vaterschaft auf und entwickeln diese weiter. Nach diesen Regelungen kann sich der Mann, der der Anwendung dieser Techniken zugestimmt hat, nicht der Festlegung seiner Vaterschaft widersetzen, es sei denn, die Geburt des Kindes stellt sich nicht als Behandlungsresultat heraus. Auf der anderen Seite wird die Befugnis zur Vaterschaftsanfechtung dieses Mannes auf den Fall beschränkt, in dem er der Behandlung nicht zugestimmt hat oder sich die Geburt nicht als Resultat derselben herausstellt. Der EGMR hat wiederum entschieden, dass der Schutz des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) auch das Recht auf den Schutz der (positiven bzw. negativen) Fortpflanzungsentscheidungen beinhalte, unbeschadet des Ermessensspielraums der Staaten bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen (EGMR Nr. 6339/05 – Evans/ Großbritanien; EGMR Nr. 44362/04 – Dickson/ Großbritannien).
Die Vornahme heterologer künstlicher Fortpflanzung hat eine rechtliche Debatte über das sog. Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (unabhängig vom Recht auf Feststellung der Abstammung) ausgelöst. Auf internationaler Ebene ist die Rechtslage durch die Anerkennung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Eltern „soweit möglich“ (Art. 7(1) UN-Kinderrechtskonvention gekennzeichnet. Der EGMR hat dieses vitale Interesse an der Erlangung erforderlicher Informationen zur Kenntnis eines so bedeutenden Aspekts der persönlichen Identität, wie es die genetische Herkunft ist, ebenso anerkannt (EGMR Nr. 53176/99 – Mikulić/Kroatien). Das Schutzniveau dieser Rechtsposition hängt nach der Auffassung des Gerichtshof von den jeweils widerstreitenden Interessen ab. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung kann die Exhumierung eines Leichnams zwecks Durchführung einer DNA-Analyse zur Feststellung der Vaterschaft (EGMR Nr. 58757/00 – Jäggi/ Schweiz) oder die Erhebung von Vaterschaftsklagen rechtfertigen, die sich auf biologische Beweismittel stützen, die in vorherigen Verfahren noch nicht zur Verfügung standen (EGMR Nr. 11449/02 – Tavli/Türkei). Diese Entwicklung steht in einer bedeutenden Zahl von europäischen Ländern im Widerspruch zum rechtlichen Schutz der Anonymität des Samen-, Eizellen- oder Embryonenspenders bei der Vornahme assistierter Reproduktionstechniken. Der Fortbestand des Anonymitätsprinzips ist allerdings weder seitens des EGMR noch durch die Arbeiten des Europarats (Prinzip 13 CAHBI Report) in Frage gestellt worden.
Literatur
Peter Dopffel (Hg.), Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind. Zwei rechtsvergleichende Gutachten, 1990; Juan Miquel, Abstammungsrecht in Europa, in: Festschrift für Andreas Wacke, 2001, 279 ff.; Frank Rainer, Tobias Helms, Rechtliche Aspekte der anonymen Kindesabgabe in Deutschland und Frankreich, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2001, 1340 ff.; Hans-Georg Koch, Fortpflanzungsmedizin im europäischen Rechtsvergleich, Aus Politik und Zeitgeschichte 27 (2001) 44 ff.; Andrea Büchler, Das Abstammungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, Die Praxis des Familienrechts 3 (2005) 437 ff.; Machteld J Vonk, Children and their Parents: A comparative study of the legal position of children with regard to their intentional and biological parents in English and Dutch law, 2007; Caroline Forder, Kees Saarloos, The establishment of parenthood: a story of successful convergence?, in: Masha Antokolskaia (Hg.), Convergence and Divergence of Family Law in Europe, 2007, 169 ff.; Ingeborg Schwenzer (Hg.), Tensions between legal, biological and social conceptions of parentage, 2007; Andreas Spickhoff, Dieter Schwab, Dieter Henrich, Peter Gottwald (Hg.), Streit um die Abstammung: Ein europäischer Vergleich, 2007; Richard J. Blauwhoff, Foundational Facts, Relative Truths: A Comparative Law Study on Children’s Right to Know Their Genetic Origins, 2009.