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Version vom 8. September 2021, 11:24 Uhr

von Filippo Ranieri

1. Kodifikationsgeschichte

Die heute noch geltende italienische Zivilrechtskodifikation (Kodifikation) wurde noch während des Zweiten Weltkriegs in Kraft gesetzt. Die Geschichte des Gesetzbuchs reicht jedoch etliche Jahrzehnte zurück. Mit der Zivilrechtskodifikation von 1865 für das damals neu errichtete Regno d’Italia hatte die Entwicklung der italienischen Privatrechtsgesetzgebung einen Stand erreicht, der für viele Jahrzehnte zunächst weitgehend unverändert bleiben sollte. Die Kodifikation von 1865 lehnte sich in Struktur, in Sprache und in rechtstechnischen Lösungen an das französische Recht an. Erst zum Ende des Ersten Weltkriegs kam es zu Ansätzen für eine umfassende Reform des italienischen Zivilrechts. Diese Gesetzgebungsarbeiten gingen zunächst auf eine private Initiative des berühmten Romanisten und Zivilrechtslehrers Vittorio Scialoja (1856-1933) zurück, dessen Eintreten für eine Rechtsvereinheitlichung zwischen Italien und Frankreich auf dem Gebiet des Vermögensrechts eine überaus günstige Aufnahme auch bei französischen Kollegen fand. Im Jahre 1917 bildeten sich zwei Kommissionen, welche – die erste in Frankreich unter dem Vorsitz von Ferdinand Larnaude (1853-1942), die andere in Italien unter der Leitung desselben Scialoja – ihre Beratungen aufnahmen und bereits 1920 die ersten Ergebnisse vorlegen konnten. Erst nach einigen Jahren, 1927, konnte die endgültige Fassung des Entwurfs einer Kodifikation des Obligationenrechts der Öffentlichkeit in italienischer und französischer Sprache vorgelegt werden. Das politische Klima war nun allerdings für eine solche Initiative nicht mehr günstig. Unabhängig davon waren vor allem in Italien inzwischen Vorarbeiten zu einer neuen, umfassenden Privatrechtskodifikation aufgenommen worden. Der italo-französische Obligationenrechtsentwurf fand jedoch eine europaweite Beachtung. In der Modernität seiner systematischen Anlage, in vielen neuartigen Vorschriften zum Bereicherungs- und zum Haftpflichtrecht beeinflusste er erheblich die zeitgenössische europäische Rechtswissenschaft und stellte für einige der damaligen Kodifikationsprojekte ein viel beachtetes Modell dar. Auch der italienische Codice civile von 1942 wurde von diesen Vorarbeiten erheblich beeinflusst.

Die Arbeiten an dem italo-französischen Obligationenrechtsentwurf gesellen sich insoweit zu den zur selben Zeit in Italien ergriffenen Initiativen für eine umfassende Reform des geltenden Privatrechts. Der Vorschlag einer neuen Privatrechtskodifikation war bereits 1921 erhoben worden und bewog die Regierung 1923, eine Kommission einzuberufen „per gli opportuni emendamenti al Codice civile e per la compilazione e la pubblicazione di nuovi codici“. Von hier an nahmen die Arbeiten der Königlichen Kommission zur Reform des Zivilgesetzbuchs (1924-1931) ihren Anfang, die erst nach 18 Jahren mit der Verabschiedung der neuen Zivilrechtskodifikation ihr Ende fanden. Im Jahre 1936 lag bereits ein vollständiger Entwurf für eine neue Kodifikation des Handelsrechts vor. Die Kodifikationsarbeit nahm einen erneuten Aufschwung, als die damalige italienische Regierung den Justizminister Dino Grandi (1885-1988) persönlich mit dem Projekt befasste. Einzelne Kommissionen im Justizministerium nahmen die Arbeit auf (November 1939-April 1940). Erste, vollständige Entwürfe einzelner Bücher des geplanten Gesetzbuchs lagen bereits im Mai/Juni 1940 vor. In dieser Phase der Kodifikationsarbeit entstand der politische Druck, die Grundsätze des damals entstandenen faschistischen und korporatistischen Staates in das neue Gesetzbuch aufzunehmen. Aus dieser Zeit datiert auch die endgültige Entscheidung, auf ein selbständiges Handelsgesetzbuch zu verzichten und die gesamte handelsrechtliche Materie in einem Vierten Buch Delle obbligazioni und in einem Fünften Buch Del lavoro aufzulösen (September 1940). Die wissenschaftliche Debatte zur Vereinheitlichung des Zivil- und Handelsrechts nach dem Vorbild des schweizerischen Obligationenrechts von 1912, die Cesare Vivante (1855-1944) eingeleitet, und die als Protagonisten u.a. Mario Rotondi (1900-1984) und Alberto Asquini (1889-1972) gesehen hatte, fand damit ihren Abschluss. Von den damaligen Mitwirkenden sind hier vor allem die Professoren Filippo Vassalli (1885-1955) und Alberto Asquini zu nennen. Im Dezember 1940 wurde ein erster Entwurf des späteren Fünften Buches Del lavoro vorgelegt. Anfang 1941 war die letzte Fassung des späteren Dritten Buches Della proprietà und des späteren Sechsten Buches Della tutela dei diritti abgeschlossen. Das Vierte Buch zum Schuldrecht und zum Vertragsrecht wurde zwischen April und Juli 1941 endgültig redigiert. Maßgebenden Einfluss darauf nahm der damalige italienische Zivilrechtler Giuseppe Osti (1885-1963). Die einzelnen Bücher der neuen Kodifikation wurden nach ihrer endgültigen Redaktion einzeln veröffentlicht, wobei die Inkraftsetzung für einen späteren Zeitpunkt geplant war. In den darauf folgenden Monaten wurden dann die Übergangsbestimmungen und die ministerielle Begründung angefertigt, so dass es bereits im Frühjahr 1942 zur endgültigen Einführung der gesamten Kodifikation kommen konnte.

2. Struktur und Inhalt

Bereits in seiner äußeren Gliederung stellt der Codice civile von 1942 einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen und gesetzgeberischen Traditionen dar. Das alte it. Gesetzbuch von 1865 hatte noch, getreu der piemontesischen Rechtstradition, die Gliederung und die Stoffverteilung des französischen Code civil in allen Einzelheiten übernommen. In den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg fand in der italienischen Zivilrechtswissenschaft eine breite und sehr kontroverse Debatte darüber statt, ob und inwieweit das Vorbild des deutschen BGB, und hier insbesondere dessen Allgemeiner Teil und dessen Rechtsgeschäftslehre, auch für die neue italienische Kodifikation übernommen werden sollte. Die damalige italienische Zivilistik war fast ausschließlich am Vorbild der deutschen Spätpandektistik orientiert. Es ist insoweit nicht erstaunlich, dass eine Mehrheit der damaligen universitären Welt sich für eine Kodifikation der Rechtsgeschäftslehre (Rechtsgeschäft) aussprach. Darin lag übrigens einer der wesentlichen Kritikpunkte, woran der italo-französische Entwurf von 1927 in Italien gescheitert war. Solche Stimmen konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Über die spezifische Einflussnahme in der letzten Phase der Kodifikationsarbeiten fehlen noch signifikante rechtshistorische Untersuchungen. Maßgebend scheint jedoch vor allem die Skepsis des damaligen Ersten Präsidenten des italienischen Kassationshofes, Mariano d’Amelio (1871-1943), gewesen zu sein. Wie im schweizerischen OR von 1912 steht also der Vertrag und nicht die rechtsgeschäftliche Willenserklärung im Zentrum der neuen Kodifikation.

Das neue Gesetzbuch übernimmt bereits in seiner Gliederung einige Elemente aus dem französischen Vorbild. So kennt man wiederum einen Vorspann Delle preleggi, wo allgemeine Auslegungsgrundsätze verankert sind. Die Gliederung der ersten drei Bücher ist eher traditionell. Das Erste Buch Delle persone e della famiglia (Art. 1-455) hat die Normen zur Rechts- und Geschäftsfähigkeit, zu den Rechten der natürlichen und der juristischen Personen und zum gesamten Familienrecht (Familie) zum Inhalt. Das Zweite Buch Delle successioni (Art. 456-809) enthält die Regelung der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge sowie die Bestimmungen zum Schenkungsvertrag. Das Dritte Buch endlich, Della proprietà (Art. 810-1172), enthält die Normen zum Eigentum und zu den sonstigen Sachenrechten. In den darauf folgenden Teilen entfernt sich das Gesetzbuch vom französischen Modell. So umfasst das Vierte Buch, Delle obbligazioni (Art. 1173-2059), das gesamte Schuldrecht. Das Buch beginnt mit allgemeinen Bestimmungen über die Schuldverhältnisse (Art. 1173-1320). Es folgt die Regelung des allgemeinen Vertragsrechts (Art. 1321-1469). Den Einzelverträgen sind die Art. 1470-1986 gewidmet. Einzelne Normen gelten ferner den einseitigen Versprechen (Titel IV. Delle promesse unilaterali, Art. 1987-1991), den Wertpapieren (Titel V, Art. 1992-2027), der Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) (Art. 2028-2032), der Leistungskondiktion (Titel VII. Del pagamento dell’indebito, Art. 2033-2040) und dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (Bereicherungsrecht) (Art. 2041-2042). Das Buch wird mit dem Recht der unerlaubten Handlungen (Deliktsrecht) abgeschlossen (Tit. IX. Dei fatti illeciti, Art. 2043-2059). Völlig neu im Verhältnis zur bisherigen Tradition ist das Fünfte Buch Del lavoro. Darin wurde neben dem Arbeitsrecht das bisherige Handelsrecht eingeordnet. Erwähnt seien die Titel II-IV (Art. 2082-2246), die dem Arbeitsrecht gewidmet sind. Eine zentrale Stellung nimmt ebenso das Gesellschaftsrecht ein (Titel V Delle società, Art. 2247-2510) und die darauf folgenden Normen, die den einzelnen Formen von Unternehmensorganisation gewidmet sind. Das Unternehmen wird insbesondere im Titel VIII, Dell’azienda (Art. 2555-2574) behandelt. Normen zum gewerblichen Rechtsschutz (Titel IX, Art. 2575-2594), zum Wettbewerbsrecht und zu Unternehmensgruppen schließen das Buch (Art. 2595-2642) ab. Wie oben erwähnt, wurde im Vierten und Fünften Buch der gesamte Inhalt des bereits fertiggestellten Entwurfes einer neuen Handelsrechtskodifikation verteilt. Lösungen handelsrechtlicher Provenienz, etwa zum Vertragsschluss oder zur Rügeobliegenheit im Kaufrecht, wurden dabei in das allgemeine Vertragsrecht übernommen. Das letzte, Sechste Buch, Della tutela dei diritti, enthält schließlich Normen in der Tradition des alten Gesetzbuchs von 1865. So wird hier die Eintragung im Immobiliarregister, Della transcrizione (Titel I, Art. 2643-2696) und das Recht der Beweise (Titel II, Art. 2697-2739), das, der französischen Tradition gemäß, im Zivilgesetzbuch und nicht im Codice di procedura civile geregelt wird, behandelt. Titel III, Della responsabilità patrimoniale, ist den dinglichen Sicherungsrechten und der Zwangsvollstreckung gewidmet. Ein letzter Titel V, Della prescrizione (Art. 2934-2969), regelt schließlich das Recht der Verjährung.

3. Teilreformen und neue Gesetzgebung

Bereits unmittelbar nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes und in den Übergangsmonaten zwischen dem Ende der Monarchie und der Gründung der Republik im Juni 1946 begann in Italien eine z.T. erbittert geführte Diskussion zum vermeintlich faschistischen Charakter der neuen Zivilrechtskodifikation. Es fehlte auch nicht an Stimmen, die eine sofortige Abschaffung des neuen Gesetzbuchs verlangten. Im Ergebnis konnten sich diese Forderungen aber nicht durchsetzen. Die Mehrheit in Wissenschaft und Praxis begnügte sich mit einigen optischen und sprachlichen Veränderungen des Textes. Die Hinweise auf die korporatistische Wirtschafts- und Sozialordnung, die reichlich, vor allem in das Fünfte Buch, aufgenommen worden waren, wurden getilgt und meistens ersatzlos gestrichen. Sonst blieb die Kodifikation im Wesentlichen unangetastet weiter in Geltung. Erst Ende der 1950er Jahre beginnen durch den italienischen Gesetzgeber, aber auch immer wieder durch Entscheidungen der italienischen Corte costituzionale, kleine und zunehmend breitere Eingriffe in die Substanz des Gesetzbuchs. So hat z.B. die Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichts etliche Normen des italienischen Erbrechts als verfassungswidrig und für unanwendbar erklärt oder in deren Tragweite wesentlich beschränkt (siehe etwa Corte costituzionale, 4.7.1979, Nr. 55 und Corte costituzionale, 12.4.1990, Nr. 184 zum Erbrecht unehelicher Kinder). Verfassungsgerichtliche Entscheidungen betreffen auch zahlreiche weitere Normen, etwa auf dem Gebiet des Arbeitsvertrages (Corte costituzionale, 17.2.1969, Nr. 16; Corte costituzionale, 4.5.1972, Nr. 85) oder der Haftung aus unerlaubten Handlungen (Corte costituzionale, 29.12.1972, Nr. 205).

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich neben der Kodifikation eine z.T. unübersehbare Einzelgesetzgebung entwickelt, die der Einheitlichkeit und Durchsichtigkeit des italienischen Privatrechts keinesfalls förderlich ist. Die gesamte Materie des Familien-, Ehe- und Erbrechts wurde im Jahre 1975 grundlegend neu geregelt (Gesetz vom 19.5.1975, Nr. 151). Wesentliche Teile der ursprünglichen Fassung des Ersten und des Zweiten Buches wurden dabei geändert. Erwähnt seien ferner das Gesetz vom 21.4.1983, Nr. 123, mit einer neuen Regelung über den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit sowie das Gesetz vom 25.3.1985, Nr. 121, das Ergänzungen und Änderungen zur bisherigen Regelung der Konkordatsehe einführt. Im Jahre 1970 (Gesetz vom 1.12.1970, Nr. 898) wurde auch im italienischen Recht die Ehescheidung (Scheidung) eingeführt. Dreizehn Jahre später wurde die Regelung im Titel VIII des Ersten Buches zum Recht der Adoption neu gefasst (Gesetz vom 4.5.1983, Nr. 184). Eine umfangreiche Gesetzgebung wurde zwischen den 1970er und den 1980er Jahren auf dem Gebiet des Baurechts, des Immobiliareigentums und nicht zuletzt des Wohnungsmietrechts erlassen. Gerade diesbezüglich existierte bis Anfang der 1990er Jahre eine immense, sich z.T. überschneidende und schwer zu durchschauende Spezialgesetzgebung. Ebenso umfangreich waren die Eingriffe im Fünften Buch Del lavoro. Unzählige Normen sind in den 1970er und 1980er Jahren auf dem Gebiet des Individualarbeitsrechts erlassen worden. Unter deren Berücksichtigung kann ein Teil der kodifizierten Regelung des Arbeitsvertrages heute eher als obsolet angesehen werden. Zuletzt sei hier die grundlegende Reform des Gesellschaftsrechts im Jahre 2002 erwähnt.

Seit Ende der 1980er Jahre kam es zu weiteren beträchtlichen gesetzgeberischen Eingriffen durch die Umsetzung der zahlreichen Richtlinien auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz). Den Anfang machte hier das Gesetzesdekret vom 24.5.1988, Nr. 224, zur Umsetzung der Produkthaftungs-RL (RL 85/374; Produkthaftung). Der italienische Gesetzgeber wählte damals den Weg der Sondergesetzgebung. Nahezu alle Richtlinien wurden zunächst in Einzelgesetzen umgesetzt. Die Klausel-RL (RL 93/13) und die Verbrauchsgüterkauf-RL (RL 1999/44, Verbrauchsgüterkauf) wurden dagegen in die Kodifikation inkorporiert durch Einfügung von neuen Artikeln in das Gefüge des alten Textes. Von einer solchen gesetzgeberischen Strategie hat sich der italienische Gesetzgeber zwischenzeitlich allerdings verabschiedet. Sämtliche aufgrund der Umsetzungsgesetzgebung im Codice civile eingefügten neuen verbraucherrechtlichen Normen sind neuerdings in einer getrennten Kodifikation des Verbraucherschutzrechts systematisch neu zusammengestellt worden. Der Codice del consumo wurde durch Gesetzesdekret Nr. 206 im Jahre 2005 verabschiedet und ergänzt seitdem das Zivilgesetzbuch. Auf dem Gebiet des Vertragsrechts waren die Eingriffe in den Text der Kodifikation von 1942 weniger zahlreich, dennoch nicht weniger bedeutsam. Erwähnt sei hier etwa eine wesentliche Reform auf dem Gebiet des Bürgschaftsvertrages; im Jahre 1992 hat, nach ausländischen Vorbildern, der italienische Gesetzgeber Art. 1938 novelliert und verändert.

4. Rechtstechnischer Standort

Trotz des großen Einflusses der deutschen Zivilrechtswissenschaft im damaligen italienischen Schrifttum blieb die neue Kodifikation von 1942 im Wesentlichen der nationalen italienischen Tradition der Nähe zum französischen Recht treu. Wie bereits erwähnt, verzichtete der italienische Gesetzgeber auf einen Allgemeinen Teil. Das Wort negozio giuridico (Rechtsgeschäft), worüber eine unüberschaubare italienische Literatur existiert, gehört nicht zum Sprachschatz des Gesetzbuchs. Geregelt werden nur der Vertrag und sein Abschluss (Art. 1321 ff.) (Vertragsschluss). Die Lehre der Willenserklärung erfährt dagegen keine spezifische gesetzgeberische Normierung. Gemäß dem Vorbild des schweizerischen Rechts (Art. 7 OR) werden die Normen zum Vertrag auch hinsichtlich der einseitigen Willenserklärungen für anwendbar erklärt (Art. 1334 und Art. 1324). Die Nähe zum französischen Vorbild wird auch optisch sichtbar, wenn man Art. 1325 zu den requisiti del contratto betrachtet. Hier erscheinen weiterhin die causa del contratto und der oggetto del contratto, so dass die historische Verbindungslinie zu Art. 1108 Code civil noch sichtbar ist. Die Nähe zur Tradition erkennt man auch bei Art. 1328, wonach die Vertragsofferte bis zum Abschluss des Vertrages widerruflich ist. Ein Widerruf zur Unzeit verpflichtet allerdings zum Ersatz des Negativinteresses. Neu aus der Perspektive der damaligen Zeit sind die Kodifikation der Lehre der Haftung aus culpa in contrahendo (Art. 1337-1338) sowie zwei Bestimmungen (Art. 1341-1342) zum Abschluss des Vertrages durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge. Die kodifikatorische Regelung beschränkt sich allerdings hier auf eine rein formale Einbeziehungskontrolle und ignoriert das Problem der Inhaltskontrolle. Die spätere verbraucherrechtliche Gesetzgebung zu den missbräuchlichen Klauseln bei Verbraucherverträgen hat insoweit die Kodifikation von 1942 wesentlich überholt.

Das Recht der Leistungsstörungen nimmt eine mittlere Sonderstellung zwischen der französischen und der deutschen Rechtstradition ein. Die italienische Zivilrechtskodifikation von 1865 hatte hier die französische Regelung nicht wörtlich übernommen. Eine wesentliche Neuerung tritt im italienischen Recht auch hier mit der Ende des 19. Jahrhunderts beginnenden systematischen Rezeption der damaligen deutschen Doktrin ein. Grundlegende Bedeutung kam vor allem einer Abhandlung von Osti aus dem Jahre 1918 zu, in der die pandektistische Lehre der Unmöglichkeit der Leistung, wie sie dem deutschen BGB von 1900 zugrunde liegt, für das italienische Recht fruchtbar gemacht wurde. Diese Konzeption der vertraglichen Haftung, die sich auch die damalige italienische Judikatur zu Eigen machte, hat den italienischen Codice civile von 1942 wesentlich geprägt. Osti nahm, wie bereits erwähnt, auch an den damaligen Beratungen teil. Auch auf dem Gebiet des Rechts der unerlaubten Handlungen hat sich der italienische Gesetzgeber von 1942 nicht am Vorbild des deutschen BGB orientiert. Maßgebendes Vorbild scheint hier vielmehr das schweizerische OR (Art. 41) gewesen zu sein. Die Formulierung des Art. 2043 als deliktische Generalklausel gleicht Art. 1382 Code civil. Im alten italienischen Zivilgesetzbuch von 1865 stellte Art. 1151 noch eine wörtliche Übersetzung der französischen Norm dar. Der italienische Gesetzgeber von 1942 hat in Art. 2043 Codice civile den wesentlichen Zusatz angefügt: Der Schaden muss ingiusto sein. Damit hat der Bezug zur Rechtswidrigkeit des Schadens Eingang in das italienische Haftungsrecht gefunden. Bezeichnenderweise haben die italienische Doktrin und die italienische Rechtsprechung allerdings bis vor einigen Jahrzehnten dieses Tatbestandsmerkmal – nach dem Vorbild von § 823 Abs. 1 BGB – als gesetzliche Anerkennung eines numerus clausus von deliktisch geschützten absoluten Rechtspositionen angesehen. Erst seit etwa drei Jahrzehnten wurde diese enge Auslegung von der italienischen Judikatur aufgegeben. Diese erkennt heute, in einem möglicherweise bedenklichen Umfang, die Ersatzfähigkeit auch von reinen Vermögensschäden an (Deliktsrecht). Ebenso wie das deutsche BGB und die Tradition der deutschen Pandektistik (Pandektensystem) beschränkt die Kodifikation von 1942 den Ersatz von immateriellen Schäden stark (Art. 2059). Unter dem Druck der Praxis der Untergerichte und nicht zuletzt im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des Deliktsrechts hat der italienische Kassationshof in den letzten Jahren allerdings diese engen Schranken gesprengt. Rein immaterielle Schäden werden heute im Rahmen des sog. danno biologico sowie des danno esistenziale in einem weiten Umfang anerkannt. Gemäß dem Vorbild von Art. 58 des schweizerischen Obligationenrechts und Art. 1384 des französischen Code civil kennt die Kodifikation von 1942 ferner auch generalklauselartige Normen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung für Sachgefahren (Art. 2050) und für die Ausübung von gefährlichen Tätigkeiten (Art. 2051). Eine weitere Bestätigung der engen Verbindung der italienischen Zivilrechtskodifikation zum französischen Code civil stellt die Regelung der Eigentumsübertragung (beweglicher Sachen) dar. Der italienische Gesetzgeber von 1942 hat hier nämlich das Konsensualprinzip kodifiziert. Dies galt bereits für das alte Gesetzbuch von 1865 (Art. 710 und Art. 1125). Hier entschied sich der Gesetzgeber bewusst für die Beibehaltung der traditionellen Lösungen (Art. 922 und Art. 1376) zum sog. contratto con effetti reali. Dasselbe gilt für die Übertragung des Immobiliareigentums. Auch hier entschied sich der Gesetzgeber für die Beibehaltung des französischen Systems der trascrizione (Art. 2643-2681).

Literatur

Raffaele Teti, Codice civile e regime fascista: Sull’unificazione del diritto privato, 1990; Michele Sesta (Hg.), Per i cinquant’anni del codice civile, Bde. I-II, 1993; Giorgio Cian, 50 Jahre italienischer codice civile, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 1 (1993) 120 ff.; Raffaele Teti, Documenti d’archivio sul Libro I. del codice civile, Rivista di diritto civile 1998, I, 355 ff.; Christian Resch, Das italienische Privatrecht im Spannungsfeld von Code civil und BGB am Beispiel der Entwicklung des Leistungsstörungsrechts, 2001; Gian Battista Ferri, Filippo Vassalli o il diritto civile come opera d’arte, 2002; Nicola Rondinone, Storia inedita della codificazione civile, 2003; Guido Alpa, Le code civil et l’Italie, Revue internationale de droit comparé 2005, 571 ff.; Guido Alpa, Tradition and Europeanization in Italian law, 2005; Guido Alpa, Vincenzo Zeno-Zencovich, Italian Private Law, 2007; Peter Kindler, Einführung in das italienische Recht, 2. Aufl. 2008; Filippo Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, 3. Aufl. 2009, 54; 276 ff.; 333 ff.; 498 ff.; 701 ff.; 1381 ff.; 1442 ff.; 1604 ff., 1666 ff.; 1709 ff.

Quellen

Die offizielle Textfassung des Codice civile von 1942 findet sich im Regio decreto 16.3.1942, Nr. 262; Gazzetta ufficiale Nr. 79, 4.4.1942; im Internet findet sich die aktuelle Fassung unter http://www.altalex.com/index.php?idnot=34794; eine deutsche Übersetzung liefern Salvatore Patti (Hg.), Italienisches Zivilgesetzbuch: Codice civile italiano, 2007; Bernhard Ecker, Bernhard König, Max W. Bauer (Hg.), Italienisches Zivilgesetzbuch: Codice civile, 2004; eine englische Übersetzung liefern Susanna Beltramo, Giovanni E. Longo, John Harry Merryman (Hg.), The Italian Civil Code and Complementary Legislation, 1991. Die Gesetzesmaterialien finden sich etwa bei G. Marghieri, A. Perrotti (Hg.), Codice civile del regno d’Italia. Preceduto dalla relazione al re del ministro guardasigilli, 1865; Disposizioni per l’attuazione del libro primo del Codice civile e disposizioni transitorie: con la relazione ministeriale a Sua Maestà il Re Imperatore, Roma, 1939; Disposizioni per l’attuazione del libro del Codice civile “delle successioni per causa di morte e delle donazioni” e disposizioni transitorie, con la relazione ministeriale a Sua Maestà il Re Imperatore, 1940; Disposizioni per l’attuazione del libro del Codice civile “della proprietà” e disposizioni transitorie, con la relazione ministeriale alla Maestà del Re Imperatore, 1942; Codice civile: libro delle obbligazioni, con la relazione ministeriale alla Maestà del Re Imperatore, ind. sommario e analitico, 1941; Codice civile: libro delle obbligazioni, disposizioni per l’attuazione del libro del codice civile “delle obbligazioni” e disposizioni transitorie, con la relazione ministeriale alla Maestà del Re Imperatore, 1942; Codice civile: libro del lavoro, con la relazione ministeriale alla Maestà del Re Imperatore, indice sommario e analitico, 1941; Codice civile: libro della tutela dei diritti, con la relazione ministeriale alla Maestà del Re Imperatore, indice sommario e analitico, 1941.

Abgerufen von Codice civile – HWB-EuP 2009 am 21. November 2024.

Nutzungshinweise

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