Mitbestimmung: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 8. September 2021, 11:20 Uhr
von Markus Roth
1. Beteiligung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen
Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Unternehmen stellt eine wichtige Form der Arbeitnehmerbeteiligung dar, die insbesondere in Deutschland fest verankert ist. Unterschieden werden die betriebliche und die unternehmerische Mitbestimmung. Die betriebliche Mitbestimmung findet vornehmlich auf betrieblicher Ebene, die unternehmerische Mitbestimmung auf der Ebene der Unternehmensorgane statt. Die Grenzen sind indes teilweise fließend. Weitere Formen der Arbeitnehmerbeteiligung sind die Beteiligung am Unternehmen selbst sowie die Betriebsrenten. Betriebsrenten stellen wegen der Möglichkeit zur diversifizierten Anlage gebundenen Vermögens eine besonders effektive Form der Arbeitnehmerbeteiligung dar. Dies gilt insbesondere, wenn – wie international üblich – breit gestreut in Aktien investiert wird.
Konkret geht es bei der betrieblichen und der unternehmerischen Mitbestimmung um eine Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungen im Betrieb bzw. im Unternehmen. Die Beteiligung der Arbeitnehmer an betrieblichen und unternehmerischen Entscheidungen ist in Europa traditionell sehr unterschiedlich ausgestaltet. Von den Gewerkschaften mehr oder weniger unabhängige Systeme der Arbeitnehmervertretung finden sich in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Luxemburg. In Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien gibt es sowohl gewerkschaftlich als auch davon unabhängig organisierte Systeme der Arbeitnehmervertretung. Die skandinavischen Länder setzen stark auf eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen durch die Gewerkschaften. In England und Irland existiert außerhalb der europäischen Vorgaben praktisch keine Arbeitnehmerbeteiligung an unternehmerischen Entscheidungen.
Die bislang zur betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung erlassenen Richtlinien schreiben diese heterogene Lage im Wesentlichen fort. Entgegen ursprünglichen Regelungsansätzen liegt ihr Schwerpunkt nicht auf einer zwingenden Vereinheitlichung der Mitbestimmungsstandards. Vorgesehen sind insbesondere Verfahrensregeln. In der unternehmerischen Mitbestimmung wird angestrebt, den status quo der höchsten Mitbestimmung festzuschreiben. Hierfür sind aber bestimmte Quoten der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich. Eine Vereinheitlichung des Rechts der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung erfolgt durch die bislang erlassenen Richtlinien nur vereinzelt.
2. Europäische Regeln zur betrieblichen Mitbestimmung
Die betriebliche Mitbestimmung wird europarechtlich nur in Ansätzen geregelt. Die RL 94/45 des Rates vom 22.9.1994 sieht einen Europäischen Betriebsrat vor. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Richtlinie ist die Beschäftigung von über 1.000 Arbeitnehmern, mindestens jeweils 150 in verschiedenen Mitgliedstaaten. Einzurichten ist ein Europäischer Betriebsrat auf Antrag von 100 Arbeitnehmern oder der Unternehmensleitung. Vorgesehen ist ein besonderes Verhandlungsgremium, das auch über die Aufgaben des Europäischen Betriebsrats verhandeln soll. Damit wurde im endgültigen Vorschlag von einer ursprünglich geplanten vollständigen Regelung der von der Richtlinie betroffenen Fragen abgesehen. Der Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat kam insoweit Modellcharakter für die Regelungen zur unternehmerischen Mitbestimmung in Europa zu. Sowohl die Richtlinien zur Arbeitnehmerbeteiligungen bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) als auch bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung beruhen auf dem Modell der Betriebsräte-Richtlinie.
Im Juli 2008 hat die Europäische Kommission sodann einen Vorschlag zur Neufassung der Betriebsräte-RL (RL 94/45) vorgelegt (KOM (2008) 419). Diesem Vorschlag hat das Europäische Parlament am 16.12.2008 (P6_TA (2008) 0602) mit einigen Änderungen zugestimmt, der Rat (Rat und Europäischer Rat) hat die Richtlinie sodann in ihrer Sitzung am 23.4.2009 (CS/2009/8902) angenommen. Die bis 5.6.2011 umzusetzende Betriebsräte-RL RL 2009/38 sieht eine Verknüpfung der europaweiten und der einzelstaatlichen Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer vor. Die Verknüpfung kann per Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem zentralen Verhandlungsgremium geregelt werden, die Mitgliedstaaten sollen als Auffangregelung eine parallele Unterrichtung des Europäischen Betriebsrats und der nationalen Arbeitnehmervertreter vorsehen. Weiter soll die rechtzeitige Unterrichtung des Europäischen Betriebsrats sichergestellt werden. Die Unterrichtung erfolgt zu einem Zeitpunkt und in einer Weise, die es den Arbeitnehmervertretern ermöglicht, die Informationen angemessen zu prüfen und gegebenenfalls die Anhörung vorzubereiten. Konkretisiert werden die Zuständigkeiten des Europäischen Betriebsrats, neu gefasst die Informationspflichten der Unternehmensleitung und die Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums im Hinblick auf die Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats. Neu gefasst wurden ferner die im Anhang der Betriebsräte-RL geregelten subsidiären Vorschriften, die im Falle der Nichteinigung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und der zentralen Unternehmensleitung eingreifen.
Nach Angaben der Europäischen Kommission vom Februar 2008 bestehen Europäische Betriebsräte bislang in 820 Unternehmen, die zusammen etwa 14,5 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Revision der Betriebsräte-RL war eine der Rechtssetzungsprioritäten der Kommission. Die Überarbeitung der Richtlinie war Teil der sozialpolitischen Agenda der Europäischen Union von 2006 bis 2010. In diesem Rahmen hatte die Kommission die Sozialpartner zu Verhandlungen aufgefordert. Neben der Richtlinie über Europäische Betriebsräte bestehen weitere Informationspflichten etwa beim Betriebsübergang sowie bei Unternehmensübernahmen.
3. Das Betriebsverfassungsrecht in den Mitgliedstaaten
Die in Europa geltenden betriebsverfassungsrechtlichen Regeln sind äußerst heterogen. Teilweise beruht das nationale Betriebsverfassungsrecht allein auf europäischen Vorgaben. England kannte vor der Umsetzung der Richtlinie zur Information der Arbeitnehmer keine nationalen Regelungen über Betriebsräte (national works councils). In Irland besteht nur eine Regelung für Staatsbedienstete. Die meisten Mitgliedstaaten kennen aber weit über den europäischen Rahmen hinausgehende Vorschriften oder doch zumindest Praktiken betrieblicher Mitbestimmung. In Kontinentaleuropa ist die betriebliche Mitbestimmung weit verbreitet.
Besonders detailliert geregelt ist das Betriebsverfassungsrecht in Deutschland. Eine erste umfassende Regelung erfolgte bereits durch das Betriebsrätegesetz in der Weimarer Republik. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist über eine bloße Information hinaus häufig auch eine Mitwirkung des Betriebsrats erforderlich. Gesetzliche Regeln über Betriebsräte kennen weiter etwa Belgien, Griechenland, Portugal, die Niederlande, Österreich und Spanien sowie viele osteuropäische Länder. Die Gegenstände betrieblicher Mitbestimmung und die maßgeblichen Kriterien zur Bildung eines Betriebsrates in diesen Ländern variieren erheblich. Die Regelung der betrieblichen Mitbestimmung in einem speziellen Gesetz ist auch außerhalb Englands und Irlands keineswegs europäischer Standard. In Dänemark und Schweden etwa bestehen keine gesetzlichen Regelungen über Betriebsräte, jedoch gibt es eine entsprechende Praxis aufgrund von Tarifverträgen. In Frankreich verschmelzen die betriebliche und die unternehmerische Mitbestimmung im comité d’entreprise.
4. Europäische Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung
Wie die betriebliche ist auch die unternehmerische Mitbestimmung bislang nur in Ansätzen europarechtlich determiniert. Europäische Regeln zur unternehmerischen Mitbestimmung enthalten insbesondere die Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (SE-Beteiligungs-RL, RL 2001/86) sowie die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten (Verschmelzungs-RL, RL 2005/56). Auch soweit für diese internationalen Sachverhalte eine europäische Regelung vorliegt, wird die Mitbestimmung maßgeblich durch nationales Recht determiniert. Die SE-Beteiligungs-RL sowie die im Wesentlichen auf sie verweisende Verschmelzungs-RL sehen keine autonome Regelung der unternehmerischen Mitbestimmung vor. Vorgesehen werden mit der Einsetzung eines besonderen Verhandlungsorgans vor allem Verfahrensregeln und – mit unterschiedlichen Aufgreifkriterien – eine Rückfallregel zur Erhaltung des status quo. Die Zahl der Arbeitnehmervertreter bemisst sich nach dem höchsten maßgeblichen Anteil in den beteiligten Gesellschaften vor der Eintragung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) bzw. der international verschmolzenen Gesellschaft. Einer mitbestimmungsrechtlichen Regelung bedarf auch die geplante Europäische Privatgesellschaft (SPE); diese ist derzeit noch umstritten.
5. Der Wechsel zwischen monistischem und dualistischem System
Besondere Probleme treten bei der unternehmerischen Mitbestimmung in der monistischen SE auf. Hier stellt sich die Frage, ob nach den europäischen Regeln von einer Gleichbehandlung von Aufsichtsrat und Verwaltungsrat auszugehen ist. Nicht explizit behandelt wird die Ausgestaltung der Mitbestimmung bei einem (nach der Verordnung stets möglichen) Wechsel vom Aufsichtsrats- ins Verwaltungsratssystem (oder umgekehrt). Möglich erscheint vor diesem Hintergrund die Auslegung, dass das europäische Recht die Übertragung der Aufsichtsratsmitbestimmung auf den Verwaltungsrat fordert. Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der Richtlinie ist die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen. Die vor der Gründung der SE bestehenden Rechte sollten deshalb der Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE sein (Vorher-Nachher-Prinzip). Eine Gleichsetzung von Aufsichts- und Verwaltungsrat erscheint indes nicht nur vor dem Hintergrund der Genese der deutschen unternehmerischen Mitbestimmung fragwürdig. Bei Verabschiedung der Richtlinie kannten von den sieben damaligen Mitgliedstaaten, die eine Mitbestimmung in Unternehmensleitungsorganen zwingend vorschreiben, sechs nur eine Mitbestimmung im Aufsichts- oder im Verwaltungsrat; allein Finnland regelte die Mitbestimmung sowohl im Aufsichts- als auch im Verwaltungsrat. Auch die Verordnung differenziert zwischen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat und im Verwaltungsrat.
Die besseren Argumente sprechen dafür, die im Anhang der Richtlinie als Auffangregelung vorgesehene Anwendung aller Komponenten der Mitbestimmung sowie des Anteils der Arbeitnehmervertreter nur auf den Verbleib der Gesellschaft im monistischen (Verwaltungsrats‑) bzw. im dualistischen (Aufsichtsrats‑)System anzuwenden. Sinn und Zweck der Richtlinie ist es, dass Mitbestimmungsrechte bei Gründung einer SE erhalten bleiben. Verhindert werden soll die Verminderung des Mitbestimmungsniveaus durch die Wahl einer supranationalen Rechtsform, nicht der Wechsel in eine andere Form der Mitbestimmung nach nationalem Recht. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob diese andere Form der Mitbestimmung auch für nationale Aktiengesellschaften bereits „im Angebot“ ist. Es ist vielmehr Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, Vorschriften für die Mitbestimmung im Verwaltungsrat bzw. im Aufsichtsrat zu schaffen, wenn das nationale Gesellschaftsrecht bislang nur ein monistisches oder ein dualistisches System vorgesehen hatte. Dies hat insbesondere für das deutsche Recht Bedeutung.
6. Grundzüge der national geregelten unternehmerischen Mitbestimmung
Den meisten Ländern mit Verwaltungsrats- bzw. Board-System ist die unternehmerische Mitbestimmung fremd. So verwundert es nicht, dass kein anderes Mitglied der G8-Staaten eine verpflichtende unternehmerische Mitbestimmung durch stimmberechtigte Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat kennt. Demgegenüber besteht eine zwingende unternehmerische Mitbestimmung im Verwaltungsrat insbesondere in kleineren Ländern, deren Unternehmen allein schon wegen ihrer regionalen Verwurzelung besonders auf gute Beziehungen zu ihren Arbeitnehmern angewiesen sind und deren Arbeitnehmer umgekehrt aber auch weniger Möglichkeiten zum Stellenwechsel haben. Dabei kennt Schweden als das darunter wirtschaftlich bedeutendste Land eine Vertretung der Arbeitnehmer durch zwei bzw. drei Mitglieder des Verwaltungsrats, in Finnland wird bis zu einem Viertel, in Norwegen höchstens ein Drittel und in Luxemburg ein Drittel der Mitglieder des vom Unternehmen zu bestimmenden Organs (Verwaltungs- oder Aufsichtsrat) von den Arbeitnehmern bestellt. In Dänemark kann im Einzelfall mehr als ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder von den Arbeitnehmern gewählt werden. Ungarn stellt die Mitbestimmung im Verwaltungsrat zur Disposition der Satzung. In Deutschland existierte und existiert weiterhin nur eine unterparitätische Mitbestimmung im Verwaltungsrat, dem allerdings unternehmensverfassungsrechtlich stets ein Vorstand unterstellt war: Als nach deutschem Aktienrecht noch die faktische Ausformung des Aufsichtsrats zum Verwaltungsrat möglich war, sah das Betriebsrätegesetz eine Entsendung von ein oder zwei Arbeitnehmervertretern vor. Bei Sparkassen ist noch heute ein Verwaltungsrat zu bilden. Einige Sparkassengesetze sehen eine drittelparitätische Mitbestimmung, andere Bundesländer sehen keine Mitbestimmung bzw. nur die Entsendung von zwei Arbeitnehmervertretern mit beratender Stimme vor. Dezidiert zwischen der Mitbestimmung in einem Verwaltungs- und in einem Aufsichtsrat unterschieden wird in Ungarn und in Slowenien.
Für den Aufsichtsrat wird etwa in Ungarn und in Österreich eine drittelparitätische Mitbestimmung vorgesehen. Eine drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat sieht etwa auch das niederländische Recht vor. Seit 2004 werden die Aufsichtsratsmitglieder in den Niederlanden nicht mehr kooptiert, sondern von der Hauptversammlung gewählt. Internationale Holdinggesellschaften sind mitbestimmungsfrei und nur die nationalen Obergesellschaften drittelparitätisch mitbestimmt. In Deutschland sah zunächst das Betriebsrätegesetz von 1920 sowie als Durchführungsgesetz das Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat eine Beteiligung im Aufsichtsrat vor. Nach der Aufhebung der Mitbestimmung im Dritten Reich gab es bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs erste privatautonome Vereinbarungen über eine paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie, es folgten das Montan-Mitbestimmungsgesetz, das BetrVG 1952 (nunmehr: Drittelbeteiligungsgesetz), das Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz sowie das MitbestG 1976. Differenziert wird insbesondere nach der Zahl der Arbeitnehmer. Bei Kapitalgesellschaften mit bis zu 2000 Arbeitnehmern greift eine drittelparitätische Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein, bei über 2.000 Arbeitnehmern eine quasi-paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG 1976. Besondere Regeln ohne Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden kennen die Mitbestimmungsregeln zur Montanindustrie. Als Gründe für den Abschluss von Mitbestimmungsvereinbarungen in der Montanindustrie ab 1946 werden der Schutz vor Entflechtung, aber auch vor Demontage durch die Alliierten genannt; getragen wurde die unternehmerische Mitbestimmung von den Kirchen und den relevanten politischen Parteien. Die Mitbestimmungskommission ging bei der Vorbereitung des eine quasi-paritätische Mitbestimmung vorsehenden Mitbestimmungsgesetzes 1976 Anfang der 1970er Jahre davon aus, dass die unternehmerische Mitbestimmung durch die grundgesetzliche Garantie der Menschenwürde gefordert werde.
Insbesondere England, Italien und Spanien kennen keine unternehmerische Mitbestimmung. Frankreich kennt einen Arbeitnehmerausschuss (comitée d’entreprise) sowie eine Sonderregelung für den Fall, dass die Arbeitnehmer drei Prozent der Aktien halten. In Polen gilt eine unternehmerische Mitbestimmung im Aufsichtsrat für privatisierte Staatsunternehmen.
7. Gemeinsame Regeln und Entwicklungsperspektiven
Auf nationaler und auf europäischer Ebene wird zwischen betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung nicht immer klar getrennt. Dies zeigt nicht nur die Schwierigkeit der Einordnung des französischen comité d’entreprise. Keinen expliziten Bezug zur betrieblichen oder unternehmerischen Mitbestimmung stellen auch die Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft sowie die sonstigen Rechtsakte auf, die eine Information der Arbeitnehmer vorsehen. Zu nennen sind hier die Anhörung bei der Verschmelzung sowie die Information beim Betriebsübergang. Auch vor dem Hintergrund einer Zusammenfassung von betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung stellt sich die Frage nach den Entwicklungsperspektiven der Mitbestimmung auf europäischer und nationaler Ebene.
In Europa wurde 2009 die Richtlinie über Europäische Betriebsräte neu gefasst (s.o. 2.). Darin vorgesehen wird auch eine Verzahnung des Europäischen Betriebsrats mit der nationalen Arbeitnehmervertretung. Hinsichtlich der unternehmerischen Mitbestimmung stellt sich die Frage nach Entwicklungsperspektiven auf nationaler Ebene. Dabei steht vor allem die deutsche quasi-paritätische unternehmerische Mitbestimmung auf dem Prüfstand. In einem Gutachten für den Deutschen Juristentag wurde in Abkehr vom bisherigen strikten Mitbestimmungsregime die Einführung einer Verhandlungslösung vorgeschlagen. Diese sowie weitergehende Vorschläge konnten bislang indes nicht umgesetzt werden. Als mittel- und langfristiger Innovationsmotor über Deutschland hinaus könnte sich die Wahl zwischen dualistischem und monistischem System erweisen. Die modernen Regelungen in Ungarn sowie in Slowenien zeigen die Notwendigkeit einer Differenzierung. Auch die Niederlande kennen mit den Regeln über internationale Holdings eine Sonderregeln für Verwaltungsräte. Aktuell vorgeschlagen wird für Deutschland die Zulassung einer Mitbestimmungsvereinbarung.
Literatur
Klaus J. Hopt, Grundprobleme der Mitbestimmung in Europa, Zeitschrift für Arbeitsrecht 1982, 207 ff.; Peter Hanau, Heinz-Peter Steinmeyer, Rolf Wank (Hg.), Handbuch des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; Manfred Weiss, Arbeitnehmermitwirkung in Europa, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2003, 177 ff.; Theodor Baums, Peter Ulmer (Hg.), Unternehmens-Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Recht der EU-Mitgliedstaaten, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, Beiheft 72, 2004; Markus Roth, Unternehmerische Mitbestimmung in der monistischen SE, Zeitschrift für Arbeitsrecht 2004, 431 ff.; Catherine Barnard, EC Employment Law, 3. Aufl. 2006; Thomas Raiser, Unternehmensmitbestimmung vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen, Gutachten B zum 66. Deutschen Juristentag, B 1-116, 2006; Robert Rebhahn, Unternehmensmitbestimmung vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen: Unternehmensmitbestimmung aus europäischer Sicht, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages 2006, Bd. II/1 (Referate), M 9-38; Martin Henssler, Axel Braun (Hg.), Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2007; Gregor Thüsing, Gerrit Forst, Europäische Betriebsräte-Richtlinie: Neuerungen und Umsetzungserfordernisse, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2009, 408 ff.