Unlauterer Wettbewerb (Grundlagen): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. August 2021, 18:08 Uhr
von Ansgar Ohly
1. Gegenstand, Begriff und Regelungszweck
Das Wettbewerbsrecht im weiteren Sinne zerfällt in zwei Teilgebiete: das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Wettbewerbsrecht (Verhältnis des europäischen zum nationalen Recht)) und die Vorschriften zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Beide verfolgen den einheitlichen Zweck, den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen (vgl. Art. 3(1)(g) EG/im AEUV nicht mehr ausdrücklich als eines der Ziele genannt) und damit die Funktionsbedingungen einer auf Wettbewerb gegründeten Marktwirtschaft zu sichern. Sie unterscheiden sich aber in ihrem jeweiligen konkreten Regelungsziel. Das Kartellrecht, das in Art. 81 ff. EG/ 101 ff. AEUV und einigen europäischen Rechtsordnungen (etwa dem englischen Recht) als „Wettbewerbsrecht“ im engeren Sinn bezeichnet wird (Wettbewerb im Binnenmarkt), dient der Marktstrukturkontrolle. Es schützt auf einer Makroebene den freien Wettbewerb gegen Beschränkungen. Hingegen bewirkt das Lauterkeitsrecht, das wiederum in Deutschland traditionell als „Wettbewerbsrecht“ bezeichnet wird, eine Marktverhaltenskontrolle. Es regelt auf einer Mikroebene das Verhalten einzelner Akteure auf einem bestehenden Markt.
Nach Art. 10bis(1) PVÜ umfasst der unlautere Wettbewerb „jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderläuft“; Art. 5(1) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken von 2005 (UGP-RL, RL 2005/29) erklärt: „Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten“. Kennzeichnend für Wettbewerbshandlungen ist ihr Marktbezug. So definiert Art. 2(d) UGP-RL „Geschäftspraxis“ als „Handlung oder Unterlassung …, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts … zusammenhängt“. Hingegen lässt sich nicht allgemein und abstrakt bestimmen, wann eine geschäftliche Handlung „unlauter“ ist. Die Unredlichkeit ist „ein Proteus, der sich in tausend Formen flüchtet“ (Josef Kohler) und damit einer abschließenden Definition nicht zugänglich. Sämtliche Verbote des unlauteren Wettbewerbs, ob auf internationaler, gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Ebene, sind Generalklauseln. Daher wird das Lauterkeitsrecht einerseits durch erhebliche Flexibilität, andererseits durch eine gewisse Unbestimmtheit gekennzeichnet. In modernen lauterkeitsrechtlichen Rechtsakten wird diese Unschärfe durch gesetzliche Beispielstatbestände (s.u. 3.) reduziert. Auch spielt praktisch die Konkretisierung der Generalklausel durch die Rechtsprechung eine erhebliche Rolle.
Anders als Art. 10bis(1) PVÜ suggeriert, wird der Begriff „unlauterer Wettbewerb“ in Europa keineswegs einheitlich verwendet. Das Gemeinschaftsrecht kennt den Begriff als solchen nicht; die UGP-RL verbietet „unlautere Geschäftspraktiken“ im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern (Art. 5(1)). Im deutschen Recht bezeichnet „unlauterer Wettbewerb“ die Gesamtheit geschäftlicher Handlungen, die zum Schutz der Mitbewerber, Verbraucher, sonstigen Marktteilnehmer oder der Allgemeinheit durch spezielle Bestimmungen oder die lauterkeitsrechtliche Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG) verboten sind. Hingegen ist im französischen Recht „concurrence déloyale“ als Kategorie des Deliktsrechts, die von der Rechtsprechung auf der Grundlage des Art. 1382 Code civil entwickelt wurde, vom spezialgesetzlich geregelten Verbraucherschutz zu unterscheiden. Im englischen Recht hat sich „unfair competition“ nie als Rechtsbegriff etablieren können. Je nach Kontext wird darunter (i) ein Synonym für den deliktsrechtlichen Verwechslungsschutz durch die passing off-Klage, (ii) ein im englischen Recht nicht anerkannter Tatbestand der Ausbeutung fremder Leistungen (misappropriation) oder (iii) ein Oberbegriff aller Normen verstanden, die einen Gewerbetreibenden gegen Schädigungen durch Konkurrenten schützen (Moorgate Tobacco v. Philip Morris [1985] RPC 219, 235 f. (High Court of Australia)).
Uneinheitlich wird in Europa vor allem die Frage nach dem Schutzzweck des Lauterkeitsrechts beantwortet. Das Recht einiger Länder (etwa Belgien, Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden, Spanien) verfolgt einen integralen Ansatz, dem eine Schutzzwecktrias zugrunde liegt. Nach dieser Konzeption schützt das Lauterkeitsrecht Mitbewerber, Abnehmer, insbesondere Verbraucher, und die Allgemeinheit (vgl. § 1 des deutschen UWG, § 1 des schwedischen Marktvertriebsgesetzes (Marknadsföringslag), Art. 1 des spanischen UWG (Ley 20.169). Andere Länder hingegen (etwa Frankreich und Großbritannien) unterscheiden zwischen dem Schutz der Konkurrenten vor unlauterem Wettbewerb und dem Verbraucherschutz (näher dazu unten 2.). Während frühe EG-Richtlinien von der Schutzzwecktrias ausgingen (s. Art. 1 der Richtlinie über irreführende Werbung [RL 84/450] in der bis 2005 geltenden Fassung), unterscheidet das neuere Gemeinschaftsrecht zwischen dem Verbraucher- und dem Konkurrentenschutz. Die UGP-RL schützt ausschließlich Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken (Art. 1 UGP-RL); ihr Anwendungsbereich ist auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern (b2c) beschränkt. Hingegen schützt die Werbe-RL (RL 2006/114), in der die RL 84/450 und die Richtlinie über vergleichende Werbung (RL 97/ 55) kodifiziert wurden, anders als ihre Vorgänger nur noch Gewerbetreibende, gilt daher nur noch im Verhältnis zwischen Unternehmern (b2b).
2. Rechtsentwicklung und Rechtsgrundlagen
Der unterschiedliche Sprachgebrauch verweist auf einen Unterschied der Rechtstraditionen. Vereinfachend lassen sich in Europa drei Modelle unterscheiden. Das erste Modell, dem etwa Belgien, Dänemark, Deutschland, Österreich, die Schweiz, Spanien und Schweden folgen, ist durch ein Spezialgesetz gekennzeichnet, das im Interesse sämtlicher Marktteilnehmer den unlauteren Wettbewerb durch spezielle Bestimmungen und eine Generalklausel verbietet. Einige dieser Gesetze, etwa das deutsche UWG von 1896 und 1909, reformiert 2004, haben eine lange Tradition. Die Rechtsdurchsetzung (Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)) geschieht entweder (wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz) vorwiegend zivilrechtlich durch Klagen von Mitbewerbern und Verbänden oder durch eine Behörde (eine Wettbewerbsbehörde oder, in Skandinavien, den Ombudsmann). Das zweite Modell, dem das französische, das italienische und, mit Einschränkungen, das niederländische Recht entsprechen, trennt zwischen dem deliktsrechtlichen Konkurrentenschutz auf der Grundlage des allgemeinen Zivilrechts und einem vorwiegend straf- oder verwaltungsrechtlichen Verbraucherschutz. Der Konkurrentenschutz wurde in Frankreich schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Rechtsprechung auf der Grundlage der deliktsrechtlichen Generalklausel (Art. 1382 Code civil) entwickelt, während er etwa in Italien auf einer speziellen Rechtsgrundlage im Zivilgesetzbuch beruht (Art. 2598 Codice civile). Grundlage des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz) sind hingegen Verbraucherschutzgesetze wie der Code de la consommation in Frankreich oder der Codice del consumo in Italien. Dem steht drittens das common law gegenüber, das dem Lauterkeitsrecht insgesamt mit Skepsis begegnet („To draw a line between fair and unfair competition … passes the power of the courts“, Mogul Steamship v. McGregor, Gow & Co. (1889) 23 QBD 598, 625 f. (CA)). Die Funktion des kontinentaleuropäischen Lauterkeitsrechts nehmen drei Regelungskomplexe wahr: (i) bestimmte Tatbestände des Deliktsrechts, die vor Schädigungen im Wettbewerb schützen (passing off, injurious falsehood, interference with contractual relations, inducing breach of contract), (ii) strafrechtlicher Verbraucherschutz, (iii) die freiwillige Selbstkontrolle der Werbewirtschaft, die in der Praxis die rechtliche Regelung der Werbung weitgehend in den Hintergrund drängt.
Diese Unterschiede haben auch auf internationaler Ebene eine detaillierte Regelung des Lauterkeitsrechts bisher verhindert. Art. 10bis(1) PVÜ verpflichtet die Vertragsstaaten, einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu sichern, umschreibt den Begriff des „unlauteren Wettbewerbs“ unter Verweis auf die „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel“ (Art. 10bis(2) PVÜ) und führt als Beispiele in Art. 10bis(3) PVÜ das Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr (Nr. 1), die Herabsetzung von Mitbewerbern durch falsche Behauptungen („Anschwärzung“, Nr. 2) und irreführende Geschäftspraktiken (Nr. 3) an. Die WIPO hat zur Konkretisierung des Art. 10bis PVÜ Empfehlungen formuliert, die allerdings rechtlich nicht verbindlich sind und teils als zu „kontinentaleuropäisch“ kritisiert werden. Das TRIPS-Übereinkommen enthält kein allgemeines Verbot des unlauteren Wettbewerbs, regelt aber mit dem Schutz von geographischen Herkunftsangaben (Art. 22) und Unternehmensgeheimnissen (Art. 39) zwei Bereiche im Grenzgebiet zwischen geistigem Eigentum und Lauterkeitsrecht.
Innerhalb der Gemeinschaft hat sich die Harmonisierung des Lauterkeitsrechts wegen der verschiedenen Auffassungen über die Systematik, Durchsetzung und Strenge des Lauterkeitsrechts als schwierig erwiesen. Lange stand die Kontrolle nationaler lauterkeitsrechtlicher Verbote am Maßstab der Grundfreiheiten des EG-Vertrags im Vordergrund (Unlauterer Wettbewerb und Verkehrsfreiheiten). Die RL 84/450 (Werbung, irreführende) verpflichtete die Mitgliedstaaten zur Gewährung von Rechtsschutz gegen irreführende Werbung, setzte aber lediglich einen Mindeststandard und überließ den Mitgliedstaaten die Wahl der Mittel zur Umsetzung des Verbots. Ihre Harmonisierungswirkung blieb daher begrenzt. RL 97/55 ergänzte die RL 84/450 durch Vorschriften über die vergleichende Werbung (Werbung, vergleichende). Einen erheblichen Fortschritt gegenüber diesen punktuellen Regelungen bedeutete die UGP-RL von 2005. Ihr Ziel ist die vollständige Harmonisierung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern (näher zum Regelungsgehalt unten, 3). Zudem wurden die Richtlinien von 1984 und 1997 in kodifizierter Form neu als Werbe-RL verkündet. Weitere Gemeinschaftsrechtsakte mit Bedeutung für das Lauterkeitsrecht sind die Richtlinien über den Fernabsatz (RL 97/7) (Fernabsatzverträge), über Unterlassungsklagen (RL 98/27), über Preisangaben (RL 98/6), über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31), über den Datenschutz für elektronische Kommunikation (RL 2002/58), über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (RL 2002/65), über audiovisuelle Mediendienste (RL 2007/65) und die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (VO 2006/2004).
Bei der Umsetzung der UGP-RL in den einzelnen Mitgliedstaaten zeigen sich erneut die Unterschiede zwischen den oben dargestellten Regelungsmodellen. Länder mit einheitlichem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb haben die Bestimmungen der Richtlinie in dieses Gesetz integriert. Dabei sind die zur Umsetzung ergangenen Normen meist einheitlich auf Verbrauchergeschäfte und auf Geschäfte zwischen Unternehmern anwendbar, teils wird aber auch zwischen verbraucher- und konkurrentenschützenden Bestimmungen differenziert (vgl. etwa § 1 Abs. 1 des österreich. UWG, in abgeschwächter Form auch § 3 Abs. 2 des dt. UWG). Im französischen Recht wurde die Richtlinie im Code de la consommation umgesetzt und mit Strafe bewehrt, während in Italien der Codice del consumo geändert und die Aufgabe der Überwachung der Wettbewerbsbehörde (Autorità Garante) übertragen wurde. In Großbritannien ergingen zur Umsetzung der Richtlinie die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008. Die Verordnung überträgt die Überwachung dem Office of Fair Trading und den lokalen Weights and Measures Authorities, sieht aber keine zivilrechtlichen Ansprüche vor. Zugleich wurden die Kodices der freiwilligen Werbeselbstkontrolle, insbesondere der Code of Advertising, Sales Promotion and Direct Marketing, an die UGP-RL angepasst. Es steht zu erwarten, dass auch in Zukunft in Großbritannien die meisten Streitigkeiten über unlautere Geschäftspraktiken im Wege der Selbstkontrolle beigelegt werden.
3. Regelungsgehalt und ‑struktur
Die Vorschriften der UGP-RL gehen in drei Stufen vom Allgemeinen zum Besonderen. Auf der ersten Stufe statuiert Art. 5(1) ein allgemeines Verbot unlauterer Geschäftspraktiken. Unlauter ist eine Geschäftspraxis, wenn sie (a) den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und (b) geeignet ist, das Marktverhalten eines Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen (Art. 5(2)), wobei strengere Voraussetzungen gelten, wenn sich eine Geschäftspraxis an besonders schutzwürdige Personenkreise richtet (Art. 5(3)). Aus dem Anwendungsbereich der UGP-RL ausgeklammert bleiben belästigende Praktiken wie etwa das E-Mail-Spamming, sofern sie sich nicht auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher auswirken (Geschäftspraktiken, aggressive, vgl. aber Nr. 26 des Anhangs I zur UGP-RL). Die Generalklausel wird auf einer zweiten Stufe durch Vorschriften über irreführende (Art. 6, 7) und aggressive (Art. 8, 9) Geschäftspraktiken konkretisiert (Geschäftspraktiken, irreführende; Geschäftspraktiken, aggressive). Als dritte Stufe enthält die UGP-RL in Anhang I eine „schwarze Liste“ von insgesamt 31 Praktiken, die gemäß Art. 5(5) unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind.
Die UGP-RL war bis zum 12.6. 2007 umzusetzen und ist auch bei fehlender Umsetzung seit dem 12.12. 2007anwendbar. Sie zielt auf eine vollständige Harmonisierung, erlaubt den Mitgliedstaaten also weder großzügigere noch strengere Vorschriften. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von sechs Jahren strengere Bestimmungen aufrechterhalten, sofern diese zur Umsetzung anderer Richtlinien erlassen wurden (Art. 3(5)). Während ursprünglich in der UGP-RL das Herkunftslandprinzip verankert werden sollte, verbietet Art. 4 nunmehr nur die Einschränkung des freien Waren- (Warenverkehrsfreiheit) und Dienstleistungsverkehrs (Dienstleistungsfreiheit) aus Gründen, die mit dem durch die Richtlinie angeglichenen Bereich „zusammenhängen“. Diese Bestimmung ist unklar formuliert. Sie ist aber – vorbehaltlich einer anderen Entscheidung durch den EuGH – als Hinweis auf das Marktortprinzip (Art. 6(1) Rom II-VO [VO 864/2007]) zu verstehen, wobei anders als im nicht harmonisierten Bereich den Mitgliedstaaten die Berufung auf die Rechtfertigungsgründe des Art. 30 EG/36 AUEV und auf zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis de Dijon-Rechtsprechung (Unlauterer Wettbewerb und Verkehrsfreiheiten) verwehrt wird. Beschränkt ein Mitgliedstaat den freien Waren- oder Dienstleistungsverkehr, um Verbraucher gegen unlautere Geschäftspraktiken zu schützen, so ist Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit der nationalen Beschränkung ausschließlich die UGP-RL.
4. Bewertung und Ausblick
Die UGP-RL bewirkt in einem wesentlichen Teilgebiet des Lauterkeitsrechts eine Rechtsangleichung auf einem mittleren Niveau zwischen der strengen Marktregulierung des früheren deutschen Rechts und dem laissez-faire-Ansatz des früheren englischen Rechts. Angesichts des generalklauselartigen Charakters der zentralen Bestimmungen, angesichts der Ausklammerung von Geschäftspraktiken, die sich nicht auf die Verbraucherentscheidung auswirken, und angesichts der geringen praktischen Relevanz einiger der in der „schwarzen Liste“ verbotenen Praktiken ist die Harmonisierungswirkung durch den Text der Richtlinie selbst jedoch beschränkt. Vieles wird davon abhängen, welche Konturen die Bestimmungen in der Richtlinie in der Rechtsprechung des EuGH gewinnen, der nach herrschender, aber bestrittener Ansicht zur Konkretisierung der Generalklauseln in vollem Umfang befugt ist. Außerdem werden sich die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten wegen der divergierenden Durchsetzungs- und Sanktionssysteme (Unlauterer Wettbewerb (Rechtsfolgen)) auf absehbare Zeit unterscheiden.
Hingegen bleibt es für den Konkurrentenschutz vorläufig, abgesehen vom Teilbereich der irreführenden und vergleichenden Werbung, bei den erheblichen Unterschieden, die zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bestehen. Für einige Teilbereiche, etwa die Herabsetzung eines Konkurrenten durch falsche Behauptungen, das Hervorrufen von Verwechslungsgefahr, die Verleitung zum Vertragsbruch oder den Schutz von Unternehmensgeheimnissen besteht ein weitgehender europäischer Konsens, der eine zukünftige Rechtsangleichung möglich erscheinen lässt. Dem stehen allerdings einige rechtspolitisch oder – systematisch umstrittene Felder gegenüber. So herrscht keine Einigkeit darüber, ob die Ausbeutung fremder Leistungen, insbesondere die Nachahmung nicht immaterialgüterrechtlich geschützter Produkte, ohne Täuschung der Verbraucher als unlauter anzusehen ist. Das englische Recht verneint diese Frage, nach der Lehre vom „parasitären Wettbewerb“ des französischen Rechts ist sie grundsätzlich zu bejahen, während das deutsche Recht ausdrücklich lediglich die die Rufausbeutung und ‑schädigung durch Produktnachahmung und die Nachahmung unter unredlicher Erlangung der erforderlichen Kenntnisse verbietet (§ 4 Nr. 9 lit. b, lit. c UWG). Auch ist unklar, in welchem Maße der Verstoß gegen eine außerwettbewerbsrechtliche marktbezogene Norm lauterkeitsrechtliche Sanktionen auslösen kann. Während das deutsche Recht den Verstoß gegen Marktverhaltensregeln als unlauteren Wettbewerb einstuft (§ 4 Nr. 11 UWG) und deutsche Gerichte auf dieser Grundlage etwa den Verstoß gegen Berufsrecht, den Vertrieb gefährlicher Produkte oder Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen lauterkeitsrechtlich sanktionieren, ist in anderen Ländern eine Einbeziehung derartiger Normen ins Lauterkeitsrecht unbekannt. In diesen Bereichen ist ein europäischer Konsens noch in weiter Ferne, weitere Harmonisierungsbestrebungen der Kommission sind derzeit nicht ersichtlich.
Literatur
Eugen Ulmer, Friedrich-Karl Beier, Gerhard Schricker, Joseph Straus (Hg.), Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 8 Bde., 1965 ff.; Anselm Kamperman Sanders, Unfair Competition Law, 1997; Ansgar Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1997; Gerhard Schricker, Frauke Henning-Bodewig, Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, Wettbewerb in Recht und Praxis 2001, 1367 ff.; Antonia Bakardjieva Engelbrekt, Fair Trading Law in Flux? National Legacies, Institutional Choice and the Process of Europeanisation, 2003; Christopher Wadlow, The Law of Passing-Off, 3. Aufl. 2004; Frauke Henning-Bodewig, Unfair Competition Law, 2006; Hans W. Micklitz, Teil III, Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2006; Jochen Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 2006; Matthias Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, 2007.