Transparenz: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. August 2021, 18:07 Uhr
von Florian Möslein/Karl Riesenhuber
1. Funktion, Begriff und Bedeutungsvielfalt
Transparenz spielt für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft – und des Gemeinsamen Marktes – eine zentrale Rolle, gilt umgekehrt allerdings keineswegs als absolutes Gebot oder Prinzip. Ohne ein Mindestmaß an Transparenz von Qualität und Preis könnte die Marktgegenseite Angebot weder sinnvoll vergleichen noch auswählen: Der Vertrag böte nicht einmal eine Richtigkeitschance; Vertragsfreiheit und Privatautonomie wären nicht sinnvoll denkbar. Transparenz ist insofern Voraussetzung für informierte Entscheidungen von Marktteilnehmern, für die Bildung von Marktpreisen und letztlich für funktionsfähigen Wettbewerb. Umgekehrt würde jedoch auch vollständige Transparenz den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ in Frage stellen, weil erst der Wert von Information und deren Verwertbarkeit am Markt Anreize für Innovationen schaffen. Auch die Suche nach vorteilhaften Angeboten („Schnäppchen“) erschiene bei vollständiger Transparenz sinnlos. Ein allgemeines Transparenzprinzip gilt deshalb weder im Wettbewerbs- noch im Vertragsrecht. Die zentrale Herausforderung für den Regelgeber besteht vielmehr darin, ein marktverträgliches Maß an Transparenz zu erzielen, also sowohl ein Über- als auch ein Untermaß an Transparenz zu verhindern.
Der Begriff der Transparenz ist vieldeutig und findet in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich, teils widersprüchlich Verwendung. Aus Perspektive der Informationsempfänger gelten Märkte als transparent, wenn Informationen möglichst vollständig verfügbar sind. Umgekehrt bedeutet Transparenz für denjenigen, der Informationen innehat, nicht notwendig Offenlegung, sondern zunächst nur, Täuschungen über bestimmte Tatsachen zu unterlassen und „nichts zu verheimlichen“. Soweit Informationen gegeben werden, geht es um die klare und verständliche Art und Weise der Darstellung, also primär um das „Wie“, nicht um das „Ob“ der Informationsgewährung. Für den Regelgeber schließlich kann Transparenz das Regelungsziel „durchsichtiger“ Märkte verkörpern, das mit ganz unterschiedlichen Mitteln erreichbar ist (auch durch inhaltliche Standardisierung). Transparenz steht hier jedoch auch für ein bestimmtes Regelungsinstrument, häufig in einem umfassenden Sinn als Synonym für Informationspflichten aller Art – und zugleich als Gegenstück zu zwingenden Inhaltsregeln (Zwingendes Recht).
Entsprechend heterogen sind Anwendungsgebiete, Zwecke und Adressaten. Transparenzgebote und selbst „Transparenzrichtlinien“ finden sich in ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten. Europaverfassungsrechtlich geht es um die Offenheit der Entscheidungsfindung, die prominent in Art. 1(2) EU (1992)/1(2) EU (2007) angesprochen ist. Dabei geht es um die Kontrollierbarkeit und demokratische Legitimation des Rechtssetzungsverfahrens (vgl. auch Art. 200 EG/233 AEUV), insbesondere um den Zugang zu Dokumenten von Europäischem Parlament, Rat und Europäischer Kommission (vgl. Art. 255 EG mit ausführenden Sekundärrechtsakten; ähnlich künftig Art. 15 AEUV). Auch in Bereichen, in denen der Staat als Marktteilnehmer agiert oder auf Märkte einwirkt, finden sich spezifische Transparenzgebote, namentlich im Vergabe- und Beihilferecht sowie im Bereich der öffentlichen Unternehmen. Für die beiden letztgenannten Bereiche gilt eine eigenständige Transparenz-RL (RL 80/723, nicht zu verwechseln mit der kapitalmarktrechtlichen Transparenz-RL, RL 2004/109), die zur Offenlegung finanzieller Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und öffentlichen Unternehmen verpflichtet und helfen soll, Quersubventionierungen zu verhindern. Für echte Privatrechtsbeziehungen schließlich statuiert das Lauterkeitsrecht in Art. 7 UGP-RL (RL 2005/29) ein sehr weit gefasstes Verbot irreführender Unterlassungen, das auf eine allgemeine vorvertragliche Informationspflicht hinauslaufen kann und deshalb übermäßige – gerade nicht transparente – Information befürchten lässt. Im Vertragsrecht selbst gelten vor allem die spezifischen Belehrungs- und Aufklärungspflichten als Instrumente von Transparenz, haben aber tatsächlich ganz verschiedenartige Zwecke (etwa: Effektivität anderweitiger Schutzrechte, Schutz wirtschaftlicher Selbstbestimmung, Aufklärung vor Gefahren, Aufdeckung von Interessenkonflikten). Ähnliches gilt für die kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Publizitätspflichten (Publizität). Im Gesellschaftsrecht dienen diese Pflichten zudem den Informationsinteressen von zwei verschiedenen Zielgruppen, Anteilseignern und Gläubigern. Die Divergenz fällt vor allem bei der Rechnungslegung ins Auge, wo ein- und dasselbe Instrument Transparenz auf ganz unterschiedlichen Märkten (Markt für Fremd- bzw. Eigenkapital) herbeiführen soll.
2. Primärrechtliche Grundlagen
Primärrechtlich wird der Transparenzgedanke vor allem aus den Grundfreiheiten abgeleitet und teils zu einem umfassenden Informationsmodell weiterentwickelt. In der Leitentscheidung Cassis de Dijon verwarf der EuGH einen zwingenden Produktstandard (Mindestalkoholgehalt) mit dem Argument, dass der zur Rechtfertigung angeführte Verbraucherschutz – gegen Irreführung – bereits durch eine Informationspflicht als milderem Mittel erreicht werden könne (EuGH Rs. C-120/78, Slg. 1979, 649). Einen pauschalen Vorrang von Informations- bzw. Transparenzregeln gegenüber zwingenden Inhaltsvorgaben kann man aus dieser Rechtsprechung freilich nicht herauslesen, weil im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Verhältnismäßigkeit) mehrere, teils gegenläufige Faktoren zu berücksichtigen sind.
Zunächst kommt es auf das sachliche Schutzanliegen an. Geht es nicht um zwingende Gründe des Allgemeininteresses, sondern um die Missbrauchs- und Betrugsbekämpfung, spielt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Zur Erreichung der übrigen Schutzanliegen erweist sich das Instrument der Transparenz als unterschiedlich effektiv: Während es Irreführungsrisiken beispielsweise relativ zuverlässig abhelfen kann, dürfte es sich bei der Bekämpfung von Gesundheits- oder Sicherheitsgefahren als eher weniger wirksam erweisen. Die grundfreiheitlich (Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)) hergeleitete Bedeutung des Informationsmodells fußt insofern vor allem darin, dass bei vielen, aber längst nicht allen privatrechtlichen Regeln der Abbau von Informationsdefiziten als Regelungszweck im Vordergrund steht.
Eine maßgebliche Rolle spielt außerdem der Empfängerhorizont, auf den im Einzelfall abgestellt wird. Der EuGH geht vom Leitbild des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ aus (EuGH Rs. C-210/96 – Gut Springenheide, Slg. 1998, I-4657, Rn. 31). Auf dieser Basis sind Informationsregeln tendenziell eher geeignet, die fraglichen Schutzanliegen zu erreichen, als wenn der Standard tiefer ansetzen und sich beispielsweise mit der früheren BGH-Rechtsprechung am flüchtigen, unaufmerksamen und unkritischen Verbraucher orientieren würde (vgl. etwa BGH 2.4.1971, GRUR 1971, 365, 367). Denn (nur) bei Verbrauchern, die fähig und willens sind, sich selbst zu informieren, können bereits Informationsregeln „auf fruchtbaren Boden“ fallen. Umgekehrt allerdings setzt das Verbraucherleitbild des EuGH den Transparenzregeln selbst Grenzen. Denn ein Übermaß an Information oder besonders strenge Anforderungen an deren Klarheit und Verständlichkeit sind ebenso wenig erforderlich, wenn angenommen wird, dass Verbraucher genau hinsehen. Dies zeigen die Urteile des EuGH zu nationalen Sprachvorschriften. Die Verpflichtung, Produktbeschreibungen oder Vertragsbedingungen in bestimmten Sprachen bereitzustellen, ist demnach nicht ohne weiteres grundfreiheitenkonform, wenn bereits Symbole oder Piktogramme dem Schutzzweck genügen (vgl. vor allem EuGH Rs. C-33/97 – Colim, Slg 1999, 3175).
Schließlich ist zu bedenken, dass der EuGH im Rahmen der Grundfreiheitenkontrolle keine bestimmte Lösung vorschreibt, sondern lediglich das Höchstmaß zulässiger Regelung aufzeigt (Übermaßverbot). Die Mitgliedstaaten werden deshalb nicht pauschal auf Informationsregeln verpflichtet; ihnen bleibt stattdessen regelmäßig ein gewisses Ermessen bei der Auswahl der Schutzinstrumente. Dies gilt – mit umgekehrtem Vorzeichen – erst recht, wenn die Grundfreiheiten nicht als Eingriffsverbot, sondern als Schutzgebot Anwendung finden (Untermaßverbot). Einen besonders weiten Gestaltungsspielraum genießt schließlich auch der Gemeinschaftsgesetzgeber, weil einheitliche Regelungen – gleich welcher Intensität – grundsätzlich schon bereits aufgrund ihrer binnenmarktweiten Geltung den grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern können (Europäischer Binnenmarkt).
3. Einzelausprägungen im Sekundärrecht
Übersichtsweise soll im Folgenden jener Ausschnitt von Informationsregeln skizziert werden, der nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der Informationsgewährung regelt (Transparenz i.e.S.). Für sekundärrechtliche Transparenzregeln i.w.S. ist demgegenüber auf die entsprechenden Einzeleinträge zu verweisen (insbesondere: Publizität; Rechnungslegung; Informationspflichten (Verbrauchervertrag); Informationspflichten (Versicherungsrecht); Informationspflichten (Arbeitsvertrag)).
a) Klarheit und Verständlichkeit
Mehrfach statuiert das Sekundärrecht allgemein die Pflicht, „klar und verständlich“ zu formulieren. Paradebeispiel ist das Transparenzgebot der Klausel-RL (RL 93/13). Der Grundgedanke findet sich in Erwägungsgrund 20: „Die Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. Der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Im Zweifelsfall ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzunehmen.“ Für schriftliche Klauseln greift Art. 5 Klausel-RL diesen Gedanken auf, während umgekehrt Art. 4(2) Vereinbarungen über Hauptgegenstand und Angemessenheit der Gegenleistung überhaupt nur dann der Inhaltskontrolle unterwirft, wenn sie unklar oder unverständlich sind. Diese Differenzierung fußt in dem skizzierten marktwirtschaftlichen Gedanken, dass Märkte die „Richtigkeit“ des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst am besten beurteilen können und Gerichte deshalb nur dann über Äquivalenzfragen urteilen sollten, wenn der Marktmechanismus wegen Intransparenz ausnahmsweise versagt. Für alle anderen – vorformulierten („schriftlichen“) – Klauseln kann Marktversagen hingegen wegen der immanenten Informationsasymmetrie unterstellt werden. Die Sanktion, dass Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen, schafft einen Anreiz, Bedingungen klar und verständlich zu formulieren. Die Richtlinie formuliert indes keine spezifischen Anforderungen an die Transparenz, sondern überlässt die Konkretisierung der Kautelarpraxis und den Gerichten. Die wichtigsten Anforderungen betreffen einerseits die äußere Form (Lückenlosigkeit; Vollständigkeit aus sich heraus, also ohne Verweise auf andere Dokumente; Leserlichkeit von Schrift und Gesamtdokument), andererseits den Inhalt (Gliederung und Struktur; Sprache; unmissverständliche Formulierungen). Eine etwas ausführlichere Regelung findet sich für die vorvertragliche Informationspflicht im Fernabsatz. Gemäß Art. 4(2) Fernabsatz-RL (RL 97/7) kommt es für die Beurteilung der Klarheit und Verständlichkeit auf vier Aspekte an: Zweckerkennbarkeit, Anpassung der Darstellung an das Medium, auf dem die Information gegeben wird (Fernkommunikation), Verkehrsüblichkeit bzw. Grundsätze der Lauterkeit im Handelsverkehr und schließlich Empfängerhorizont, der hier besonders niedrig angesetzt wird (Nicht-Geschäftsfähige). Diese Aufzählung ist nicht viel konkreter, illustriert aber immerhin die wesentlichen Parameter, von denen die Beurteilung von Transparenz abhängt.
b) Sprache
Eine – im grenzüberschreitenden Verkehr besonders wichtige – Einzelfrage betrifft die Sprache, in der Information begeben werden muss. Sprache spielt für Klarheit und Verständlichkeit offensichtlich eine zentrale Rolle und wird teils auch in einem Atemzug genannt (etwa: Art. 36 Zahlungsdienste-RL [RL 2007/64]). Die Verpflichtung auf eine einzige, binnenmarktweit einheitliche Sprache stieße sich jedoch mit der Wahrung kultureller Vielfalt, umgekehrt würden durchgängige Übersetzungspflichten immense Kosten verursachen. Von einiger Brisanz ist deshalb der Streit, ob das Verständlichkeitsgebot pauschal als Pflicht zu verstehen ist, Information in einer Sprache bereitzustellen, die der Informationsempfänger versteht. Die spezifischen Anforderungen an die Sprachwahl hängen allerdings zu stark von Kontext und Empfängerhorizont ab, um von einem pauschalen, impliziten Rechtssatz erfasst werden zu können. Vor allem spricht gegen eine implizite Sprachenregel, dass der Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber vielerorts explizite, ihrerseits divergierende Sprachregelungen statuierte (besonders ausführlich: Art. 4 (II) Teilzeitwohnrechte-RL [RL 94/47]). Ungeachtet dessen können freilich die Mitgliedstaaten auf Grund des Gebots der effektiven Umsetzung verpflichtet sein, zu verhindern, dass das Transparenzgebot durch Wahl einer unverständlichen Sprache umgangen wird. Weil das Primärrecht auf verständige Verbraucher abstellt und damit primär auf Selbstverantwortung setzt, haben sie dabei aber einigen Gestaltungsspielraum.
c) Standardisierung
Eine Reihe von Informationsregeln konkretisiert für bestimmte Teilbereiche das allgemeine Gebot der Klarheit und Verständlichkeit. Vor allem zwei Regelungsstrategien lassen sich dabei unterscheiden. Die eine Strategie betrifft die Standardisierung von Information: Angesprochen sind nicht nur detaillierte Aufzählungen von publikationspflichtigen Einzelinformationen (Vollständigkeit), sondern vor allem die Vorgabe eines einheitlichen Gliederungsformats. Beispiele finden sich vor allem bei den Publizitätsregeln, besonders im Bereich von Rechnungslegung und Kapitalmarktpublizität; Prospekthaftung und Prospektpflichten), sind jedoch durchaus auch bei einzelnen vertragsrechtlichen Aufklärungspflichten angelegt (vgl. etwa Art. 22 Dienstleistungs-RL [RL 2006/123], insbesondere dessen Abs. 6, sowie Art. 4 ff. Verbraucherkredit-RL [RL 2008/48]). Erforderlich ist jeweils eine besondere „Aufbereitung“ der Information. Damit verlagert sich ein Teil der Kosten der Informationsverarbeitung auf den Informationspflichtigen, der die Information auf Grund von Größenvorteilen jedoch regelmäßig kostengünstiger aufbereiten kann als der Informationsempfänger. Der Empfänger kann umgekehrt verschiedene Alternativen (Angebote) deutlich leichter vergleichen, weil er die gleichförmigen Informationen nur noch „nebeneinanderzulegen“ braucht. Standardisierung von Information erleichtert insofern den Marktvergleich und erhöht ganz buchstäblich die Transparenz.
d) Individualisierung
Die zweite Regelungsstrategie scheint geradezu gegenläufig, dient aber dem gleichen Zweck und hat ähnliche Effekte. Hier geht es um Individualisierung von Information, also um deren Zuschnitt auf den individuellen Empfänger. Dieser Ansatz scheidet bei breit gestreuter Publizität grundsätzlich aus (wo stattdessen Finanzintermediäre eine ähnliche Funktion übernehmen), findet jedoch bei Aufklärungspflichten einige Verbreitung. Ein prägnantes Beispiel findet sich bei den Informationspflichten im Wertpapierhandel. Dort bildet die sog. know your customer rule die Grundlage dafür, dass sich Beratung und Aufklärung an den individuellen Anlagezielen und Informationsbedürfnissen des Kunden orientieren. Transparenz ist insofern ganz individuell zu gewährleisten, darf sich also nicht an einem typisierten Empfängerhorizont orientieren. Art. 19(3)2 MiFID (RL 2004/39) zeigt, dass gleichwohl eine gewisse Kombination mit der erstgenannten Regelungsstrategie möglich ist, weil bestimmte Informationen auch in standardisierter Form bereit gestellt werden dürfen, im Einzelfall dann aber unter Umständen genauer erläutert werden müssen. In eine ähnliche Richtung geht die neue Verbraucherkredit-RL, die den herkömmlichen umfangreichen Katalog standardisierter Kreditinformationen in Art. 5(1) um eine Pflicht ergänzt, Kreditnehmern die Modalitäten des Kredits angemessen zu erläutern (Art. 5(6) Verbraucherkredit-RL). Die Mitgliedstaaten können die Modalitäten dieser Erläuterung „den besonderen Umständen der Situation, in der der Kreditvertrag angeboten wird, der Person, der er angeboten wird, und der Art des angebotenen Kredits“ anpassen, was zugleich die vielfältigen Dimensionen der Individualisierung von Information verdeutlicht. Insgesamt verbürgt individuelle Aufbereitung von Information ein besonders hohes Maß an Transparenz, zugeschnitten auf jeden einzelnen Marktteilnehmer, teils sogar auf spezifische Entscheidungssituationen. Umgekehrt verursacht dieser individuelle Zuschnitt für den Informationspflichtigen allerdings nochmals erheblich höhere Informationsverarbeitungskosten als schon die Standardisierung (keine Größenvorteile). Diese Regelungsstrategie findet deshalb nur Verwendung, soweit die angebotenen (Finanz‑)Produkte als besonders „gefährlich“ gelten.
4. Entwicklungstendenzen im gemeineuropäischen Privatrecht
Der Draft DCFR deckt zum einen die Unterlassung von Täuschung als „negativen“ Aspekt der Transparenz ab, wie sie in den hergebrachten Zivilrechtsordnungen, aber auch in den PECL im Vordergrund stand. Im Rahmen der Irrtumsvorschriften (Irrtum) wird Täuschung relativ breit definiert, nämlich unter Einbeziehung der unterlassenen Offenlegung „of any information which good faith and fair dealing, or any pre-contractual information duty, required that party to disclose.“ (Art. II.-7:205(1), mit einer gewissen Konkretisierung in Abs. 3). Die Sanktion besteht wie üblich darin, dass der Gegenseite Anfechtungs- und Schadensersatzmöglichkeiten eingeräumt werden (vgl. Art. II.-7:205).
Darüber hinaus versucht sich das Regelwerk an einer gebietsübergreifenden Regelung der vorvertraglichen Informationspflichten (die zugleich den Tatbestand der Täuschung konkretisieren). Dabei werden die differenzierten, vertrags- oder situationsspezifischen Regeln der verbraucherschützenden Richtlinien sehr umfassend verallgemeinert und teils sogar auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr übertragen (vgl. Art. II.-3:101 ff.).
Dieser Ansatz stößt auf Bedenken. Eindringlich wird davor gewarnt, dass „umfassende Aufklärung durch den Vertragspartner [zum] Regelfall und die informationelle Selbstverantwortung [zur] Ausnahme“ zu werden droht. Man befürchtet vor allem eine faktische Umwandlung der lauterkeitsrechtlichen Verbot irreführenden Verschweigens (Art. 7 UGP-RL) in eine allgemeine vorvertragliche Informationspflicht, sowie die Verallgemeinerung der kaufrechtlichen Transparenzregel, die Verkäufer dazu zwingt, jede Unterschreitung des Marktstandards offen zu legen, um Haftungsrisiken zu vermeiden (Art. 2(2) Verbrauchsgüterkauf-RL [RL 1999/44]). Die rechtspolitische Herausforderung, einen gesunden Mittelweg zwischen einem Über- und Untermaß an Transparenz zu finden, stellt sich insofern für die künftige europäische Privatrechtsentwicklung aufs Neue.
Literatur
Holger Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001; Stefan Grundmann, Wolfgang Kerber, Stephen Weatherill (Hg.), Party Autonomy and the Role of Information in the Internal Market, 2001; Reiner Schulze, Martin Ebers, Hans Christoph Grigoleit (Hg.), Informationspflichten und Vertragsschluss im Acquis communautaire, 2003; Eckart Gottschalk, Das Transparenzgebot und allgemeine Geschäftsbedingungen, Archiv für die civilistische Praxis 206 (2006) 555 ff.; Uwe Grohmann, Das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht, 2006; Karl Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl. 2006; Markus Rehberg, Der staatliche Umgang mit Information, in: Thomas Eger, Hans-Bernd Schäfer (Hg.), Ökonomische Analyse der Europäischen Zivilrechtsentwicklung, 2007, 284 ff.; Wolfgang Schön, Zwingendes Recht oder informierte Entscheidung, in: Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, Bd. I, 2007, 1191 ff.; Christian Hofmann, Veränderte Aufklärungs- und Interessenwahrungspflichten im Bankvertragsrecht nach MiFID und der neuen Verbraucherkredit-Richtlinie, in: Karl Riesenhuber (Hg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, 2008, 71 ff.; Wolfgang Schön (Hg.), Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, 2009.