Aufrechnung und Aufsicht über Finanzdienstleistungen: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Funktionen der Aufrechnung ==
== 1. Einführung  ==
Alle europäischen Rechtsordnungen sehen vor, dass unter bestimmten Umständen zwei einander gegenüberstehende Forderungen durch Aufrechnung erlöschen oder zum Erlöschen gebracht werden können. Es soll eine Tilgung wie durch beiderseitige reale Erfüllung, aber „in einfacherer und rascherer Weise“ (''Franz Philipp von Kübel'') erreicht werden. Vom Standpunkt einer stärker am Prozess als am materiellen Recht orientierten Betrachtung aus geht es darum, „circuity of action and multiplicity of suits“ (''Hutchison v. Sturges ''(1741)) zu vermeiden. Die Aufrechnung (''set-off'','' verrekening'','' kvittning''<nowiki>; viele Rechtsordnungen – vor allem die romanischen, aber auch etwa Schottland und Österreich – verwenden eine Ableitung des lateinischen Begriffs </nowiki>''compensatio'') beruht mithin einerseits auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Andererseits hat sie aber auch seit jeher eine spezifische Affinität zu den Geboten von [[Treu und Glauben]] bzw. zu weithin akzeptierten Vorstellungen von Fairness und natürlicher Gerechtigkeit: Wer von einem anderen einen Betrag fordert, den er ihm selbst schuldet, oder ihn gar darauf verklagt, handelt treuwidrig. Funktional ist die Aufrechnung gleichzeitig Zahlung und eine Art Selbstexekution.
Die umfassende Harmonisierung des Bank- und Wertpapieraufsichtsrechts bildet den Kern des europäischen Bankrechts. Ein stabiler und funktionsfähiger Finanzdienstleistungssektor ist für die Verwirklichung der Grundfreiheiten der Bürger von fundamentaler Bedeutung. Dies gilt erst recht seit der Einführung des Euro. Überdies trägt die Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts dazu bei, die Kosten für den Markteintritt ausländischer Anbieter zu senken und erweitert so die Nachfragefreiheit der Bankkunden. Das private Bankrecht ist hingegen bislang nur in einzelnen Bereichen angeglichen worden, namentlich in Bezug auf den Verbraucherkredit und den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr ([[Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)]]). Intensiv diskutiert wird aber eine Ausstrahlung der wertpapieraufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten auf das Zivilrecht.


== 2. Regelungsprobleme und Entwicklung der Aufrechnung ==
== 2. Rechtsetzungsorgane, Regelungsprinzipien und Rechtsquellen ==
Regelungsbedürftig sind zum einen die Voraussetzungen der Aufrechnung. Sie ergeben sich weithin aus der Natur der Sache und werden denn auch in den modernen Rechtsordnungen (einschließlich des englischen Rechts) vergleichsweise einheitlich beurteilt. Geklärt werden muss zum anderen, auf welche Weise sich die Aufrechnung vollzieht. In diesem zweiten Punkt unterscheiden sich auch die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nicht unerheblich voneinander, obwohl sie alle in der Tradition des [[römisches Recht|römischen Recht]]s stehen. Zum dritten ist überall anerkannt, dass die Aufrechnung in bestimmten Situationen ausnahmsweise ausgeschlossen sein sollte; freilich sind auch die Ausschlussgründe nicht überall identisch. Schließlich bestehen zwei Vorfragen, die vor allem die historische Entwicklung des Rechtsinstituts der Aufrechnung geprägt haben: (a)&nbsp;Bildet die Aufrechnung ein einheitliches Rechtsinstitut oder bestehen verschiedene Typen der Aufrechnung nebeneinander? (b)&nbsp;Hat die Aufrechnung eine prozessuale Natur oder handelt es sich um ein Institut des materiellen Rechts? Beide Fragen sind eng miteinander verknüpft. Das klassische römische Recht war Aktionenrecht, und von entscheidender Bedeutung waren damit die Prozessformulare. Daraus erklärt sich, dass die Römer vier verschiedene Formen der Aufrechnung kannten. Mit dem Verschwinden des klassischen Formularprozesses kam es zu einer Vereinheitlichung des Aufrechnungsregimes; das war ein Vorgang, der eine Verschiebung von einem verfahrensrechtlichen zu einem materiellrechtlichen Verständnis mit sich brachte. Dieser Ansatz prägt die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bis heute: Die Aufrechnung ist ein einheitliches Rechtsinstitut, das systematisch zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts gehört. Es ist ein Ansatz, der auch die europäischen und internationalen Modellregelungen in Kapitel 13 der [[Principles of European Contract Law|PECL]], Buch 3, Kapitel 6 des Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] und Kapitel 8 der [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]] prägt (wobei letztere sich allerdings auf den Bereich des Vertragsrechts beschränkt). Die Modellregelungen spiegeln damit aber auch eine in England zu beobachtende Entwicklung wider. Denn die herkömmliche Unterscheidung zwischen gesetzlicher Aufrechnung (''statutory'' oder ''independent set-off'') und Aufrechnung aufgrund Billigkeit (''equitable set-off'' oder ''transaction set-off'') – beides jedenfalls ursprünglich verfahrensrechtliche Institute – hat sich in ihrer Bedeutung erheblich relativiert; damit ist die Aufrechnung heute im Begriff, ihre prozessualen Eierschalen abzustreifen und zu einem Institut mit materiellrechtlichen Wirkungen zu werden, das auf denselben Wertungsgrundlagen beruht wie die Aufrechnung im kontinentalen Europa.
=== a) Rechtsetzungsorgane ===
Die Entwicklung zu einem europäischen Bankaufsichtsrecht wurde und wird in wichtigen Punkten durch die – rechtlich strenggenommen nicht bindenden – Beschlüsse des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zu den Mindeststandards der ''prudential regulation'' im Finanzdienstleistungsgewerbe vorgeprägt. Der Basler Ausschuss wurde im Jahre 1974 bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eingerichtet. Er setzt sich aus Vertretern der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der zehn bedeutendsten westlichen Industriestaaten zusammen (sog. G&nbsp;10). Das Ziel der Tätigkeit des Basler Ausschusses besteht in einer wechselseitigen Annäherung der nationalen Aufsichtsrechte. Hierdurch sollen zum einen die Kosten gesenkt werden, die für grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute dadurch entstehen, dass sie der Aufsicht mehrerer Regulierungsbehörden unterliegen können. Darüber hinaus soll die Stabilität des Finanzsystems durch die globale Etablierung guter Aufsichtspraxis gefestigt werden. Schließlich wird die internationale Behördenkooperation durch eine Angleichung der Rechtsgrundlagen erleichtert. Herausragende praktische Bedeutung haben insbesondere die Basler Vorgaben für das notwendige Eigenkapital der Banken, zuletzt die Vereinbarung „Basel&nbsp;II“ vom 26.6.2004, die in der EU mit der Neufassung der Kapitaladäquanz-RL (RL&nbsp;2006/49) rezipiert wurde. Die Tätigkeit des Basler Ausschusses bildet ein Beispiel dafür, dass der letztlich nicht-staatlichen Normschöpfung nicht nur in denjenigen Bereichen wachsende Relevanz zukommt, in denen die Parteien Privatautonomie genießen, sondern dass diese formal unverbindlichen Normen auch das öffentlich-rechtliche Wirtschaftsaufsichtsrecht der Mitgliedstaaten in zunehmendem Maße inhaltlich vorformen. Dies mag unter verfassungsrechtlichen und demokratietheoretischen Aspekten nicht unbedenklich sein, ist aber wegen der normativen Anbindung an den europäischen Richtliniengeber hinnehmbar und aus praktischen Gründen angesichts der hohen Technizität der Materie wohl kaum anders machbar.


== 3. Wirkungsweise ==
=== b) Regelungsprinzipien ===
Die Aufrechnung vollzieht sich nach Art.&nbsp;1290 ''Code civil'', wenn einander zwei Forderungen aufrechenbar gegenüberstehen, „de plein droit par la seule force de la loi, même à l’insu des débiteurs“. Der französische Gesetzgeber knüpfte damit an zwei Quellenstellen aus dem ''[[Corpus Juris Civilis]]'' an, nach denen die Aufrechnung ''ipso iure'' eintreten solle (Inst.&nbsp;IV,&nbsp;6,30; C.&nbsp;4,31,14 pr.). Ähnliche Regeln finden sich in Rechtsordnungen, die vom französischen Recht beeinflusst worden sind (Italien, Spanien) oder die wie das französische Recht in der Tradition des Vernunftrechts ([[Naturrecht]]) stehen (Österreich). Das BGB fordert hingegen eine Erklärung des Aufrechnenden gegenüber dem Aufrechnungsgegner (§&nbsp;388). Die Verfasser dieses Gesetzbuchs rückten dabei eine andere Quellenstelle in den Vordergrund, aus der sich zu ergeben schien, dass die Aufrechnung prozessual geltend zu machen war („compensationem obici iubemus“, „opponi compensationem“: C.&nbsp;4,31,14,1); vor allem aber stützten sie sich auf die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe in Deutschland während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ganz eindeutig dazu tendierte, auch der außergerichtlichen Erklärung des Kompensationswillens durch eine der Parteien die Wirkung des Erlöschens der Forderungen zuzuschreiben. Das deutsche Modell der Aufrechnung fand in den folgenden Jahrzehnten in Europa großen Anklang. Gefolgt sind ihm insbesondere das österreichische Recht (obwohl §&nbsp;1430 ABGB die ''ipso iure''-Wirkung der Aufrechnung zugrunde liegt), ferner das griechische und das niederländische Gesetzbuch von 1992. Auch im italienischen Recht erfreut sich diese Form der Aufrechnung (trotz Art.&nbsp;1242 ''Codice civile'') verbreiteter Unterstützung. Berücksichtigt man zudem, dass (unter pandektistischem Einfluss) auch im französischen Recht entgegen Art.&nbsp;1290 ''Code civil'' dem Aufrechnungswillen entscheidende Bedeutung beigemessen wird, so lässt sich in der Tat von einer „convergence avancée“ (''Pascal Pichonnaz'') sprechen, die sich denn auch in Art.&nbsp;13:104 PECL, Art.&nbsp;III.-6:105 DCFR und Art.&nbsp;8.3 UNIDROIT PICC widerspiegelt.  
Die Harmonisierung des europäischen Bankaufsichtsrechts beruht auf drei Grundsätzen: der Mindestharmonisierung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften, der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung von Kreditinstituten ([[Europäischer Pass]]) und der Kontrolle durch das Sitz- bzw. Herkunftsland. Der noch zu Beginn der 1970er Jahre unternommene ehrgeizige Versuch der Schaffung eines Europäischen Bankgesetzes scheiterte. Das Prinzip der Mindestharmonisierung durch Richtlinien trägt dem Umstand Rechnung, dass eine umfassende Vereinheitlichung des Bankaufsichtsrechts im Verordnungswege angesichts der vorhandenen nationalen Unterschiede (Universalbanken- und Trennbanksystem, Bankaufsicht durch die nationale Zentralbank, eine separate Bankaufsichtsbehörde oder eine einheitliche Finanzdienstleistungsaufsicht) weder wünschenswert noch durchsetzbar ist. Gleichzeitig soll aber ein auf die Absenkung des bankaufsichtsrechtlichen Niveaus gerichteter Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten (''race to the bottom'') verhindert werden. Der [[Europäischer Pass|Europäische Pass]] ermöglicht es Kreditinstituten, ihre Dienstleistungen europaweit anzubieten, ohne jeweils eine erneute Zulassung zu beantragen. Die Kontrolle durch das Herkunftsland schließlich stellt grundsätzlich sicher, dass die jeweilige Behörde, die die Zulassung erteilt, auch den laufenden Geschäftsbetrieb überwacht. Die Behörden des Mitgliedstaates sind weitgehend auf Kompetenzen für statistische Zwecke und auf ein Eingreifen in abschließend normierten Notfällen beschränkt. Ein Herkunftslandprinzip im kollisionsrechtlichen Sinne folgt daraus jedoch nicht; insoweit gelten auch für bankvertragliche Geschäfte die Kollisionsnormen der Rom&nbsp;I-VO (VO&nbsp;593/2008; [[Bankrecht, internationales]]). Abgerundet wird die europäische Harmonisierung des Aufsichtsrechts durch die Angleichung der Einlagensicherung und der Anlegerentschädigung, die den Gläubigerschutz in der Krise gewährleisten sollen. Hinzu kommen aufsichts- und strafrechtliche Vorschriften zur Geldwäscheprävention.


== 4. Rückwirkung? ==
Das Bankaufsichtsrecht war in Deutschland und zunächst auch auf EU-Ebene herkömmlich überwiegend institutsbezogen. Es setzte also bei der Bonität (Solvenz und Liquidität) der Institute an und suchte diese zu gewährleisten. Dieser institutionelle Ansatz konnte jedoch im Zuge der Ausweitung des Aufsichtsrechts auf Wertpapierdienstleister und andere Finanzinstitute, die nicht unter den engen europäischen Begriff des Kreditinstituts fallen, nicht durchgehalten werden. In anderen Mitgliedstaaten – vor allem in Großbritannien – werden traditionell bestimmte Geschäfte und Dienstleistungen nicht von Universalbanken, sondern von anderen Finanzinstituten erbracht. Daher knüpfen die Kapitaladäquanz-RL und die RL 2004/39 über [[Märkte für Finanzinstrumente]] (MiFID) sowie speziell für den Bereich der Finanzdienstleistungen zur Förderung der [[Transparenz]] von Kapitalmärkten die Marktmissbrauchs-RL (RL&nbsp;2003/6; [[Marktmanipulation]]) an diese Aktivitäten an. Dies entspricht einem funktionalen Regelungsansatz. Darüber hinaus werden im europäischen Bankrecht vereinzelt auch bestimmte „Produkte“ der Kreditinstitute reglementiert, insbesondere beim Verbraucherkredit und im Investmentrecht (OGAW-RL). Das Investmentgeschäft gilt heute nicht mehr als spezifisches Bankgeschäft, sodass Investmentgesellschaften nicht mehr dem KWG, sondern allein dem InvG unterliegen.
Auch das Modell der Erklärungsaufrechnung des deutschen Rechts und aller ihm folgenden Rechtsordnungen besitzt nun eine nur historisch zu erklärende Eigenheit insoweit, als die beiden Forderungen als in dem Moment erloschen gelten, in dem sie einander aufrechenbar gegenübergetreten sind. Durch diese Rückwirkungsfiktion versuchte die Rechtslehre des 19.&nbsp;Jahrhunderts, die quellenmäßige Doktrin des ''ipso iure compensatio fit'' mit dem ebenfalls quellenmäßig belegten Erfordernis einer Geltendmachung der Aufrechnung unter ein gemeinsames Dach zu zwingen. Diese Anschauung hat sich im Laufe der Zeit sehr stark verfestigt; so scheint bis heute weithin die Vorstellung zu bestehen, der ''ex tunc''-Effekt ergebe sich unmittelbar aus dem „Wesen“ der Aufrechnung. Dieser Vorstellung liegt jedoch ein jahrhundertelang tradiertes historisches Missverständnis zugrunde. Die römischen Juristen hatten zwar in einem speziellen Kontext (beim ''agere cum compensatione'' des Bankiers) tatsächlich die Wendung ''ipso iure'' gebraucht. Sie hatten damit jedoch lediglich sagen wollen, dass es sich hier nicht um eine durch den Richter bewirkte Form der Aufrechnung handelte, sondern dass der Bankier durch die ihm vom Prätor gewährte Formel dazu gezwungen wurde, den Betrag der Gegenforderung von vornherein von seiner eigenen Forderung abzuziehen; dem Kläger wird insoweit also ''ipso iure'', durch das Recht selbst, die Aufrechnung aufgenötigt. Auch ''Justinian'' maß der Aufrechnung wahrscheinlich noch ''ex nunc''-Wirkung bei. Erst die Glossatoren interpretierten den Begriff der ''ipso iure''-Wirkung im Sinne einer automatisch, ''sine facto hominis'', eintretenden Aufrechnung. Dieses Missverständnis überschattet bis heute die „Konstruktion“ der Aufrechnung, und zwar eben nicht nur in Frankreich und den vom französischen Recht beeinflussten Ländern, sondern auch in Deutschland und sogar noch in den Niederlanden. Erst die PECL (Art.&nbsp;13:106) und, ihnen folgend, die UNIDROIT PICC (Art.&nbsp;8.5) und der DCFR (Art.&nbsp;III.-6:107) sind davon abgerückt. Die dort angeordnete nur noch prospektive Wirkung einer durch formlose, außergerichtliche Erklärung bewirkten Aufrechnung findet sich ansonsten nur in den skandinavischen Rechtsordnungen, die insoweit offenbar vom römischen Recht unbeeinflusst geblieben sind.


== 5. Voraussetzungen ==
=== c) Rechtsquellen ===
„Über die Voraussetzungen der Aufrechnung herrscht im Ganzen wenig Streit“. Diese Feststellung des Verfassers des Vorentwurfs für das [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] (''Franz Philipp von Kübel'') gilt bis heute, und sie gilt nicht nur für Deutschland. Es ist allgemein anerkannt, dass der Gläubiger der einen Forderung der Schuldner der anderen sein muss (Erfordernis der ''mutuality'', ''concursus debiti et crediti'', Gegenseitigkeit). Ausnahmen von diesem Gegenseitigkeitserfordernis bestehen freilich im Falle der Zession und bei der Bürgschaft ([[Bürgschaft (modernes Recht)]]). Eine weitere im Grundsatz unumstößliche Voraussetzung der Aufrechnungsmöglichkeit besteht in der Gleichartigkeit der beiderseitigen Leistungsgegenstände. Allerdings beschränkt das englische Recht die Aufrechnung auf Geldschulden: eine Einschränkung, die deshalb nicht von großer praktischer Bedeutung ist, da sich auch in anderen Ländern die Aufrechnung gewöhnlich auf Geldschulden bezieht. Alle Rechtsordnungen stimmen ferner darin überein, dass die Aktivforderung (auch: Gegenforderung = die Forderung der aufrechnenden Partei) durchsetzbar sein muss: schließlich dient die Aufrechnung (unter anderem) der Durchsetzung dieser Forderung. Die Passivforderung (oder: Hauptforderung) braucht demgegenüber nicht unbedingt fällig zu sein; es reicht aus, dass die aufrechnende Partei zur Erbringung der Leistung berechtigt ist. Das gilt freilich nur dort, wo das Modell einer Aufrechnung durch einseitige außergerichtliche Erklärung anerkannt ist, wie insbesondere im BGB, in den PECL, und in den UNIDROIT PICC (aus dem Rahmen fällt insoweit lediglich Art.&nbsp;III.-6:102 DCFR; es handelt sich hier um die einzige signifikante – und nicht recht erklärliche – Abweichung der Aufrechnungsregeln im DCFR von ihrem Vorbild in den PECL). Die UNIDROIT PICC kennen darüber hinaus nach französischem Vorbild noch eine fünfte Voraussetzung der Aufrechnung: die Liquidität der Aktivforderung („… wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnung die Verpflichtung der anderen Partei hinsichtlich ihres Bestehens und Betrages bestimmt … ist“). Sie gehen damit einen Schritt weiter als die PECL, die dem Richter insoweit im Anschluss an das niederländische Recht ein Ermessen einräumen. Gemeinsam ist beiden Regelwerken immerhin, dass sie die Situation privilegieren, in der die Ansprüche beider Parteien auf demselben Rechtsverhältnis beruhen (so auch etwa das englische Recht): denn dieses Rechtsverhältnis ist ja von dem mit der Passivforderung befassten Richter sowieso aufzuklären. Doch lassen sich gute Gründe dafür anführen, auf das Liquiditätserfordernis überhaupt zu verzichten, jedenfalls soweit sichergestellt ist, dass die Aufrechnung nicht noch in einem beliebig späten Stadium des Prozesses erklärt oder vorgebracht werden kann. In diesem Sinne hatte schon ''Justinian'' den Aufrechnungsgegner vor „aufhältlichen Weitläufigkeiten“ zu schützen versucht (C.&nbsp;4,31,14,1). Dass die Parteien einander Geld in unterschiedlichen Währungen schulden, hindert die Aufrechnung nicht, soweit sie nicht vereinbart haben, dass die aufrechnende Partei nur in einer bestimmten Währung zu zahlen hat (Art.&nbsp;13:103 PECL und Art.&nbsp;III.-6:104 DCFR). Art.&nbsp;8.2 UNIDROIT PICC fordert außerdem, dass beide Währungen frei konvertierbar sind; in den PECL und im DCFR wird das stillschweigend vorausgesetzt.
Die meisten der zahlreichen seit 1977 erlassenen, mehrfach in wesentlichen Punkten geänderten Richtlinien zum Bankaufsichtsrecht wurden wiederholt aus Gründen der Übersichtlichkeit in einem konsolidierten Rechtsakt zusammengefasst, zuletzt 2006 in der RL&nbsp;2006/48 über die Aufnahme und Tätigkeit der Kreditinstitute (Kreditinstitut-RL&nbsp;II). Diese Gesamtkodifikation bestimmt zunächst den Gegenstand, den Anwendungsbereich und die Terminologie des europäischen Bankaufsichtsrechts (Titel&nbsp;I). Sie regelt sodann die allgemeinen Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit der Kreditinstitute und ihre Ausübung (Titel&nbsp;II). Der dritte Titel umfasst die Bestimmungen über die Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch Kredit- und Finanzinstitute. Daran schließen sich Bestimmungen über die Beziehungen zu Drittländern an (Titel&nbsp;IV). Die Grundsätze der Bankenaufsicht und die technischen Instrumente zu ihrer Durchführung werden detailliert in Titel&nbsp;V geregelt. Das erste Kapitel („Grundsätze“) definiert zunächst die Befugnisse des Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaates. Darauf folgen Vorschriften über den Informationsaustausch und das Berufsgeheimnis. Ferner werden unter den „Grundsätzen“ die Pflichten der Abschlussprüfer sowie die Sanktionsbefugnisse und die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln festgelegt. Das zweite Kapitel umfasst Einzelheiten zu den technischen Instrumenten der Bankenaufsicht, namentlich Eigenmittel, Risikovorsorge, Mindesteigenkapitalanforderungen zur Absicherung des Kreditrisikos bzw. des operationellen Risikos sowie Vorschriften über Großkredite und qualifizierte Beteiligungen außerhalb des Finanzbereichs. Das dritte Kapitel definiert die bankinternen Verfahren zur Bewertung der Eigenkapitalausstattung. Es folgen Vorschriften über die Beaufsichtigung, die Informationspflichten der Behörden und der Kreditinstitute sowie Einzelheiten zu den Ausübungsbefugnissen. Zahlreiche begriffliche und technische Einzelfragen, auf die in diesem Überblick nicht eingegangen werden kann, sind in den Anhängen&nbsp;I-XII der Richtlinie geregelt.


== 6. Ausschluss der Aufrechnung ==
Diese Kodifikation des institutsbezogenen Bankaufsichtsrechts wird in funktionaler Hinsicht flankiert von der RL über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), deren Grundzüge andernorts dargestellt sind. Sie gilt für Wertpapierfirmen i.S.d. Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;1 MiFID, geregelte Märkte i.S.d. Art.&nbsp;4(1) Nr.&nbsp;14 MiFID sowie für die bereits durch die Kreditinstitut-RL erfassten Kreditinstitute nach Maßgabe des in Art.&nbsp;1(2) MiFID festgelegten Umfangs.
Nach Art.&nbsp;13:107 PECL und Art.&nbsp;III.-6:108 DCFR kann eine Aufrechnung nicht bewirkt werden, (a)&nbsp;wenn sie durch Vereinbarung ausgeschlossen ist, (b)&nbsp;gegen einen Anspruch, soweit dieser der Pfändung nicht unterworfen ist und (c) gegen einen Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ([[Deliktsrecht: Allgemeines und lex Aquilia|Deliktsrecht]]). In allen drei Punkten entsprechen die PECL der großen Mehrzahl der nationalen Rechtsordnungen in Europa oder konkretisieren doch Wertungen, die ihnen immanent sind. (In den UNIDROIT PICC fehlt eine entsprechende Vorschrift.)


== 7. Aufrechnungsverträge ==
== 3. Aufsichtsbehörden ==
Von großer praktischer Bedeutung im Wirtschaftsverkehr (vor allem im internationalen) sind Aufrechnungsverträge. Ihre Zulässigkeit folgt aus der allgemeinen Anerkennung der Vertragsfreiheit. Dabei können die Parteien insbesondere auch die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung abbedingen; tatsächlich greifen die Parteien auf Aufrechnungsverträge in der Regel dann zurück, wenn diese Regelvoraussetzungen nicht vorliegen. Die im Bereich der Aufrechnungsverträge verwandte Terminologie ist uneinheitlich und verwirrend. Insbesondere ''netting'' und ''clearing'' werden als diffuse Sammelbegriffe für Saldierungsverfahren und Aufrechnungsvorgänge aller Art verwendet. Wichtige Erscheinungsformen des Aufrechnungsvertrages sind das Kontokorrent (die Aktiva und Passiva werden bei jeder Saldofeststellung gegeneinander aufgerechnet) und die Skontration (das Paradigma einer ''multi''lateralen Ausgleichung von Forderungen; hierauf beruht der bankgeschäftliche Abrechnungsverkehr). Konzernverrechnungsklauseln stellen demgegenüber einen Vertrag zur Begründung eines einseitigen Aufrechnungsrechts und damit einen „Vertrag über Aufrechnung“, keine „Aufrechnung durch Vertrag“ dar (in der Terminologie von ''Klaus Peter Berger''). Die Rechtswirkungen eines Aufrechnungsvertrages richten sich nach dem Willen der Vertragsparteien. Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die Regelvoraussetzungen der einseitigen Aufrechnung (analog oder direkt) anzuwenden sein.
=== a) Konvergenz zum single regulator? ===
Es wird seit längerem kontrovers diskutiert, ob die Strukturen der Finanzdienstleistungsaufsicht in den Mitgliedstaaten in Richtung auf ein einheitliches Modell konvergieren. Die Aufsicht über Finanzdienstleistungen war in Deutschland lange Zeit – und ist es zum Teil immer noch – sektoriell und geographisch zersplittert. Die Aufsicht über die Solvenz von Banken und Wertpapierdienstleistern oblag dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Bonn (BAKred). Die Marktaufsicht über den Wertpapierhandel hingegen lag in den Händen des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel in Frankfurt am Main (BAWe), das 1995 aufgrund der Umsetzung der europäischen Insider-Richtlinie und der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie in das deutsche Recht eingerichtet werden musste. Deutschland verfügt zudem, obwohl es sich bei dem Börsengesetz um ein Bundesgesetz handelt, über ein international eher seltenes System der Regionalbörsen in acht verschiedenen Bundesländern. Sofern dem BAWe keine Kompetenzen durch das Wertpapierhandelsgesetz zugewiesen waren, oblag die Börsenaufsicht den jeweiligen Landesbehörden. Im Jahre 2002 wurden das BAKred, das BAWe sowie das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zu einem ''single regulator'', einer Allfinanzaufsichtsbehörde, zusammengefasst (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin). Der Gesetzgeber versprach sich hiervon zum einen eine bessere Aufsicht über Finanzkonglomerate, zum anderen eine Effizienzsteigerung durch die Nutzung von Synergieeffekten. Bei der Schaffung der deutschen Allfinanzaufsicht wurde auch auf ausländische Vorbilder, namentlich aus Großbritannien (''Financial Services Authority'' – FSA), den nordischen Ländern sowie aus Japan zurückgegriffen. Es bleiben jedoch praktisch bedeutsame Unterschiede. Die Zersplitterung des deutschen Börsenaufsichtsrechts wurde durch die Reform nicht beseitigt. Während beispielsweise die FSA als zentrale Börsenaufsichtsbehörde fungiert, die auch über die Zulassung der Handelsteilnehmer zum Börsenhandel und das Listing der Unternehmen entscheidet, obliegen diese Aufgaben in Deutschland nicht der BaFin, sondern den jeweiligen Landesbehörden (bzw. den Börsen selbst unter der Rechtsaufsicht dieser Behörden). Andererseits werden in Deutschland Unternehmensübernahmen von der BaFin beaufsichtigt, während diese Aufgabe in Großbritannien von dem ''Takeover Panel'', einem Selbstregulierungsorgan der Londoner City, erfüllt wird. Selbst in dem bei der Schaffung der deutschen Allfinanzaufsicht politisch umstrittensten Bereich, der Bankenaufsicht, entspricht die BaFin weniger dem international typischen Fall eines vollintegrierten ''single regulators'' als einer traditionellen deutschen Regelungsmodellen angepassten, dual strukturierten Aufsicht. §&nbsp;7 KWG n.F. hat die bisherige Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundesbank und BaFin (zuvor BAKred) im Wesentlichen aufrechterhalten.


== 8. Vertrauensschutz? ==
=== b) Die Rolle der Zentralbanken ===
Die Aufrechnungsbefugnis kann in einer Reihe von Situationen wie ein Sicherungsrecht wirken. So ermöglichen die Rechtsordnungen, die dem Modell der Erklärungsaufrechnung folgen, in der Regel die Aufrechnung mit verjährten Aktivforderungen, jedenfalls sofern die Forderung in dem Moment, als die Aufrechnungslage entstand, noch nicht verjährt war. (In den Rechtsordnungen, in denen die Aufrechnung ''ipso iure'' wirkt, ist eine derartige Regel überflüssig.) Gerechtfertigt wird eine solche Regelung mit dem Schutz des Vertrauens auf eine einmal entstandene Aufrechnungslage. Das vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn durch die Möglichkeit, jederzeit die Aufrechnung zu erklären, hat eine aufrechnungsberechtigte Partei ein ausgesprochen einfaches Mittel, jeden möglichen Nachteil, den ihr das Zuwarten der anderen Partei bringen könnte, zu beseitigen. Angesichts dessen sollte das Recht umgekehrt Anreize setzen, eine einmal entstandene Aufrechnungslage so rasch wie möglich durch Erklärung der Aufrechnung zu beenden. Die erwähnten Regelungen, die zudem wesentliche rechtspolitische Erwägungen des Verjährungsrechts ([[Verjährung]]) konterkarieren, sind deshalb wiederholt kritisiert worden. Die europäischen und internationalen Modellregelungen verzichten auf einen derartigen Vertrauensschutz (Art.&nbsp;14:503 PECL, Art.&nbsp;III.-7:503 DCFR, Art.&nbsp;10.10 UNIDROIT PICC).
Während die Geldpolitik im „Euroland“ auf supranationaler Ebene betrieben wird, bleibt die Bankaufsicht den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten überlassen. Das Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) beschränkt die EZB auf eine konsultative Funktion. Art.&nbsp;105(5) EG/127(5) AEUV legt das ESZB gegenüber den nationalen Behörden auf eine unterstützende Rolle fest. Art.&nbsp;105(6) EG/127(6) AEUV sieht zwar eine Übertragung weiterer bankaufsichtsrechtlicher Befugnisse vor, knüpft diese aber an Hürden, die derzeit aus politischen Gründen nicht zu überwinden sein dürften.


== 9. Insolvenzaufrechnung ==
Die Trennung von Aufgaben der Bankaufsicht und der monetären Politik ist aus deutscher Sicht zwar nicht ungewöhnlich: Die Aufsicht über die Kreditinstitute war schon vor der Europäischen Währungsunion (EWU) nicht der Bundesbank, sondern dem BAKred anvertraut, wenngleich der Bundesbank eine kooperative Rolle gesetzlich zugewiesen war und ist. Während diese Form der „funktionalen“ oder „horizontalen“ Trennung von Bankaufsicht einerseits, Geldpolitik andererseits nicht neu ist, ist das „geographische“ bzw. „vertikale“ Auseinanderfallen dieser Kompetenzen ohne Beispiel; in den USA, zu denen ein Vergleich naheliegt, sind beide Kompetenzen auf der Bundesebene, bei der ''Federal Reserve Bank'' (Fed) und dem ''Office of the Comptroller of the Currency'' (OCC), angesiedelt. Das europäische Experiment einer Kombination von supranational-zentraler Währungspolitik einerseits, national-dezentraler Bankaufsicht andererseits, ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen, die im Wesentlichen auf drei Punkten beruht: Die Bankaufsicht sei die originäre Aufgabe einer Zentralbank, nationale Aufsichtsbehörden würden eher zur Nachsicht mit ihren „Klienten“ neigen als eine zentrale Behörde (''regulatory capture''), und die gegenwärtige Struktur des ESZB sei für eine wirksame Bewältigung von Liquiditätskrisen zu schwerfällig und zu wenig transparent, weil nicht geklärt sei, wer im Ernstfall als ''lender of last resort'' zur Verfügung stehe. Zum Zwecke des besseren Informationsaustauschs auf internationaler Ebene wurde von der Kommission mit dem Beschluss 2004/5 der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden eingesetzt.
Wie ein Sicherungsrecht kann die Aufrechnungsbefugnis vor allem in der Insolvenz wirken. In diesem Sinne enthält eine Vielzahl der europäischen Rechtsordnungen Regeln, nach denen die Einleitung eines Konkursverfahrens einen Gläubiger nicht seines Rechts berauben soll, die Aufrechnung zu bewirken; diese Regeln sind zumeist Teil des Insolvenzregimes des jeweiligen Landes. In England bildet die Insolvenzaufrechnung sogar ein eigenständiges Rechtsinstitut, während sie sich in Ländern wie Deutschland, Österreich, Griechenland, Italien, Portugal (seit 2004), den Niederlanden und in Skandinavien als sonderprivatrechtliche Modifikation der „normalen“ Aufrechnung darstellt. Frankreich, Belgien und Spanien beschränken die Aufrechnungsmöglichkeit in der Insolvenz auf konnexe Forderungen, in Portugal war sie bis 2004 ganz ausgeschlossen. Auch die rechtspolitische Berechtigung dieses Konkursprivilegs lässt sich bezweifeln. Es bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in den zentralen insolvenzrechtlichen Grundsatz der ''par conditio creditorum'': Durch die Aufrechnung wird die für alle Gläubiger zur Verfügung stehende Masse geschmälert, ohne dass der zur Aufrechnung Berechtigte ein für Dritte irgendwie erkennbares Sicherungsrecht hätte. Damit erhebt sich auch hier wieder die Frage, warum das Recht einen Gläubiger schützen sollte, der eine gegenüber anderen Gläubigern besonders bequeme Exekutionsmöglichkeit hat (Vertrauensschutz? Allgemeine Billigkeitserwägungen?). Gleichwohl bestätigt §&nbsp;9.3 der ''Principles of European Insolvency Law'' das in einer Vielzahl der EU-Mitgliedstaaten seit langem etablierte Konkursprivileg für die Aufrechnung; und auch Art.&nbsp;6 EuInsVO (VO&nbsp;1346/2000) liegen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zugrunde: geschützt wird durch diese Norm das Vertrauen eines Insolvenzgläubigers auf das anwendbare Recht und die durch dieses Recht gegebenenfalls verbürgte Aufrechnungsbefugnis. Die Finanzsicherheiten-RL (RL&nbsp;2002/47) vom 6.6.2002 ([[Finanzsicherheiten]]) sieht eine konkursrechtliche Privilegierung auch für das sog. ''close out netting'' vor (deutsche Fassung: Aufrechnung infolge Beendigung), also einer im Rahmen der Bestellung einer Finanzsicherheit getroffenen Vereinbarung, wonach unter bestimmten Umständen alle noch nicht fälligen Forderungen automatisch fällig gestellt, in eine Zahlungsverpflichtung in Höhe ihres geschätzten aktuellen Werts umgewandelt und zu einem Nettobetrag aufgerechnet werden (Art.&nbsp;7 i.V.m. Art.&nbsp;2(1)(n)).  


== 10. Aufrechnung und Europäischer Zivilprozess ==
== 4. Aktuelle Reformvorhaben ==
Eine außergerichtlich erklärte Aufrechnung kann natürlich im Prozess über die Passivforderung als Verteidigungsmittel geltend gemacht werden. Mitunter wird der Beklagte aber auch erst im Prozess die Aufrechnung erklären; manche nationalen Rechtsordnungen machen die Wirksamkeit einer Aufrechnung sogar davon abhängig, dass der Beklagte sich im Prozess darauf beruft. In derartigen Fällen fragt sich, ob das mit der Passivforderung befasste Gericht auch einen eigenen Zuständigkeitstitel für die Entscheidung über die Aktivforderung haben muss. Diese Frage hat vor allem für das europäische Prozessrecht ([[Europäisches Zivilprozessrecht]]) Bedeutung erlangt. Dass für konnexe Aktivforderungen eine Entscheidungszuständigkeit besteht, ist nicht umstritten; es ergibt sich im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus Art.&nbsp;6 Nr.&nbsp;3 EuGVO (VO&nbsp;44/2001). Im Übrigen entscheidet nach Auffassung des EuGH (EuGH Rs. C-341/93 – ''Danvaern/Otterbeck'', Slg. 1995, I-2053) allein das nationale Zivilprozessrecht darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der Aufrechnungseinwand zugelassen wird; es gilt insoweit nicht die Zuständigkeitsordnung der Art.&nbsp;2&nbsp;ff. EuGVO.
Bislang haben sich zwar die bei der Euro-Einführung vereinzelt beschworenen Schreckensszenarien (siehe oben 3. b) nicht bewahrheitet. Die Europäische Kommission hat jedoch als Reaktion auf die aktuelle Finanzkrise im Oktober 2008 eine Expertengruppe unter der Leitung des ehemaligen IWF-Direktors ''Jacques'' ''de Larosière ''<nowiki>eingesetzt (abrufbar unter <http://ec.europa.eu/ internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_en.pdf>). Die von dieser High-Level-Group am 25.2.2009 vorgelegten Reformvorschläge sehen zwar weiterhin keine zentrale europäische Aufsichtsbehörde vor, doch werden umfangreiche Änderungen im Detail angemahnt. Die Finanzaufsicht in Europa soll durch eine stärkere Vernetzung von gesamtwirtschaftlicher Analyse und der Beaufsichtigung einzelner Unternehmen verbessert werden. Zudem sollen zwei neue EU-Gremien eingerichtet werden: Ein „Europäischer Rat für systemische Risiken“ (ESRC), der bei der EZB angesiedelt werden soll, und ein Europäisches System der Finanzaufsicht (ESFS). Dem ESRC sollen Vertreter der Zentralbanken in der EU, der Kommission sowie der europäischen und der nationalen Finanzaufsichtsbehörden angehören. Hierdurch werden eine substanzielle Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Behörden und die Errichtung eines Frühwarnsystems für Finanzmarktrisiken angestrebt. Zur Beaufsichtigung grenzüberschreitender Institute wird der Aufbau eines dezentralen Europäischen Systems der Finanzaufsicht bis zum Jahr 2012 angeregt.</nowiki>
 
== 5. Markteintritt ==
=== a) Anbieter aus EU/EWR ===
Im europäischen Rahmen ist die genehmigungsfreie Zulassung bestimmter Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen eines Unternehmens (Kreditinstitut oder Wertpapierfirmen) mit Sitz im EU- oder EWR-Ausland durch das unter 2. erwähnte Prinzip der Herkunftslandkontrolle ([[Europäischer Pass]]) garantiert. Nach Art.&nbsp;25 der Kreditinstitut-RL&nbsp;II und Art.&nbsp;31 MiFID bedarf es lediglich einer Mitteilung an den Aufnahmemitgliedstaat durch die zuständige Behörde des Heimatlandes. Die von der Anerkennungspflicht erfassten und in Anhang&nbsp;I der Kreditinstitut-RL&nbsp;II aufgezählten Geschäftsarten sind sehr weitgehend. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gilt unter anderem für die Entgegennahme von Einlagen, die Kreditgewährung, das Finanzierungsleasing, die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln (Karten und Schecks), die Gewährung von Garantien, Wertpapiergeschäfte, das Emissionsgeschäft, die Portfolioverwaltung und die Wertpapieraufbewahrung und &#8209;verwaltung.
 
=== b) Anbieter aus Drittstaaten  ===
Anbieter von Finanzdienstleistungen oder Bankgeschäften aus Drittstaaten (d.h. weder EU noch EWR) bedürfen einer Erlaubnis der BaFin, wenn diese Dienstleistungen im Inland erbracht werden sollen (§&nbsp;32 KWG). Für die Anwendbarkeit der Erlaubnispflicht kommt es nicht auf den Sitz des Anbieters an (so der früher vielfach vertretene sog. institutsbezogene Ansatz), sondern auf die Ausrichtung der Tätigkeit auf Deutschland (sog. vertriebsbezogener Ansatz, heute h.M.). Hiermit soll die Aushöhlung aufsichtsrechtlicher Standards auf dem deutschen Markt durch in Drittstaaten ansässige Anbieter verhindert werden. Der vertriebsbezogene Ansatz verstößt nicht gegen die nach Art.&nbsp;56 EG/63 AEUV auch gegenüber Drittstaatenanbietern gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit, weil derartige Fälle vorwiegend die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit berühren (Art.&nbsp;49&nbsp;ff. EG/56&nbsp;ff AEUV), auf die sich Drittstaatenanbieter nicht berufen können (EuGH Rs.&nbsp;C-452/04 – ''Fidium Finanz AG'', Slg. 2006, I-9562).
 
== 6. Staatshaftung bei Verletzung der Aufsichtspflicht ==
Die BaFin nimmt ihre Aufgaben ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr (§&nbsp;4&nbsp;Abs.&nbsp;4 FinDAG). Entsprechende Vorschriften existieren in zahlreichen Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass eine unzureichende Beaufsichtigung grundsätzlich keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche der geschädigten Anleger nach sich zieht. Eine derartige Einschränkung hat der EuGH trotz Kritik aus der Literatur unbeanstandet gelassen, da eine Harmonisierung der Haftung nicht notwendig sei, um die Zielsetzungen der Angleichung des Aufsichtsrechts, insbesondere die wechselseitige Anerkennung und Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat, zu verwirklichen (EuGH Rs.&nbsp;C-222/02 – ''Peter Paul u.a.'', Slg.&nbsp;2004, I-9460). Zudem erkennt der EuGH an, dass die Aufsichtsbehörden aufgrund der Komplexität der Bankenaufsicht und der Bedeutung des Schutzes der Stabilität des Finanzsystems über einen erheblichen Ermessensspielraum zur Abwägung der widerstreitenden Interessen verfügen müssen. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG haben grundsätzlich auch keinen drittschützenden Charakter i.S.v. §&nbsp;823&nbsp;Abs.&nbsp;2 BGB. Nennenswerte europäische Harmonisierungsimpulse für das Staats- oder gar das private Haftungsrecht sind aus dieser Richtung folglich nicht zu erwarten.
 
== 7. Zivilrechtliche Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten im Wertpapierhandel ==
Vielfach befürwortet wird hingegen eine Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten im Wertpapierhandel (§§&nbsp;31&nbsp;ff. WpHG) auf das Zivilrecht. Hierdurch sollen Friktionen und Widersprüche zwischen dem aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Pflichtenprogramm vermieden werden. Zahlreiche Autoren plädieren für eine Einstufung der entsprechenden Normen als Schutzgesetze im Rahmen des §&nbsp;823&nbsp;II BGB. Hieran wird indes die Absenkung der Haftbarkeitsschwelle auf bloße Fahrlässigkeit unabhängig von vertraglichen Beziehungen als nicht sachgerecht kritisiert. Der BGH hat die Frage lange offen gelassen (BGH 5.10.1999, BGHZ 142, 345, 356). Jüngst hat der BGH die Schutzgesetzeigenschaft von §&nbsp;32 Abs.&nbsp;2 Nr. 1 WpHG verneint, obwohl er zugleich anerkannt hat, dass der Anlegerschutz zumindest auch Sinn und Zweck der Norm sei. Denn im Gesamtsystem der Haftungsgrundlagen sei die Ausweitung des Vermögensschutzes zu Lasten einfacher Angestellter nicht vom Gesetzgeber intendiert (BGH 19.2.2008, BGHZ 175, 276). Des weiteren hat der BGH das Geldwäschegesetz nicht für ein Schutzgesetz gehalten, da dieses nur die Weiterverwendung von Erträgen aus Straftaten verhindern solle (BGH 6.5.2008, BGHZ 176, 281). Die auch von der Rechtsprechung favorisierte Alternative besteht darin, die wertpapierhandelsrechtlichen Verhaltenspflichten zur Konkretisierung der (vor&#8209;)vertraglichen Sorgfaltsmaßstäbe, insbesondere der vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten heranzuziehen (BGH a.a.O.; ferner BGH 8.5.2001, BGHZ 147, 343, 348). Angesichts der Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Haftungsrechten dürfte sich in diesen Fragen von selbst kaum ein europäischer Konsens einstellen.
 
== 8. Ausblick ==
Die unmittelbaren Auswirkungen der bankaufsichtsrechtlichen Harmonisierung auf das europäische private Bankrecht sind zwar sehr begrenzt. Es sollte aber nicht unterschätzt werden, dass aufgrund des aufsichtsrechtlichen Herkunftslandprinzips in Verbindung mit der kollisionsrechtlich gewährleisteten Rechtswahlfreiheit der Anbieter (Art.&nbsp;3 und 6 Rom&nbsp;I-VO; [[Bankrecht, internationales]]) die Auswahl der Verbraucher zwischen verschiedenen Finanzdienstleistungsprodukten im Binnenmarkt beträchtlich erweitert worden ist. Insoweit schafft die Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts die Grundlage, auf der sich ein [[Wettbewerb der Rechtsordnungen]] im privatrechtlichen Sinne erst entfalten kann.


==Literatur==
==Literatur==
''Wilhelm Haudek'', Kompensation (Aufrechnung), in: Franz Schlegelberger (Hg.), Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes, Bd. V, 1936, 58&nbsp;ff.; ''Gerhard Kegel'', Probleme der Aufrechnung: Gegenseitigkeit und Liquidität rechtsvergleichend dargestellt, 1938; ''Philip R. Wood'', English and International Set-Off, 1989; ''Klaus Peter Berger'', Der Aufrechnungsvertrag, 1996; ''Matthias N. Kannengießer'', Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998; ''Pascal Pichonnaz'', La Compensation: Analyse historique et comparative des modes de compenser non conventionnels, 2001; ''Reinhard Zimmermann'', Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, 2002; ''Christoph Jeremias'', Internationale Insolvenzaufrechnung, 2005; ''William Johnston'', ''Thomas Werlen'' (Hg.), Set-Off Law and Practice: An International Handbook, 2006; ''Reinhard Zimmermann'', §§&nbsp;387-396, in: Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert, Reinhard Zimmermann (Hg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;II/2, 2007.
''Franz-Christoph Zeitler'', Internationale Entwicklungslinien der Bankenaufsicht, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2001, 1397&nbsp;ff.; ''James R. Barth'','' Daniel E. Nolle'', ''Triphon Phumiwasana'', ''Glenn Yago'', A Cross-Country Analysis of the Bank Supervisory Framework and Bank Performance, in: Financial Markets, Institutions & Instruments 12&nbsp;(2003) 67&nbsp;ff.; ''Eilís Ferran'', Examining the UK’s Experience in Adopting the Single Financial Regulator Model, Brooklyn Journal of International Law 28 (2003) 257&nbsp;ff.; ''Rosa M. Lastra'', The Governance Structure for Financial Regulation and Supervision in Europe, Columbia Journal of European Law 10 (2003) 49&nbsp;ff.; ''Rainer Pitschas'', ''Stefanie Gille'', Rechtliche und institutionelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in der EU, Verwaltungsarchiv 94 (2003) 68&nbsp;ff.; ''Christoph Ohler'', Europäisches Bankaufsichtsrecht, in: Peter Derleder, Kai-Oliver Knops, Heinz-Georg Bamberger (Hg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2004, 1591&nbsp;ff.; ''Anton K. Schnyder'', Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; ''Peter Troberg'', ''Doris Kolassa'', §§&nbsp;135-139, in: Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte, Hans-Jürgen Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, Bd.&nbsp;II, 2007; ''Eddy Wymeersch'', The Structure of Financial Supervision in Europe: About Single Financial Supervisors, Twin Peaks and Multiple Financial Supervisors, European Business Organization Law Review 8 (2007) 237&nbsp;ff.; ''Karl-Heinz Boos'', ''Reinfrid Fischer'', ''Hermann Schulte-Mattler'' (Hg.), Kreditwesengesetz, 2008.


[[Kategorie:A–Z]]
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[[en:Set-Off]]
[[en:Financial_Supervision]]

Version vom 28. September 2021, 14:53 Uhr

von Jan von Hein

1. Einführung

Die umfassende Harmonisierung des Bank- und Wertpapieraufsichtsrechts bildet den Kern des europäischen Bankrechts. Ein stabiler und funktionsfähiger Finanzdienstleistungssektor ist für die Verwirklichung der Grundfreiheiten der Bürger von fundamentaler Bedeutung. Dies gilt erst recht seit der Einführung des Euro. Überdies trägt die Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts dazu bei, die Kosten für den Markteintritt ausländischer Anbieter zu senken und erweitert so die Nachfragefreiheit der Bankkunden. Das private Bankrecht ist hingegen bislang nur in einzelnen Bereichen angeglichen worden, namentlich in Bezug auf den Verbraucherkredit und den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (Überweisungsverkehr (grenzüberschreitender)). Intensiv diskutiert wird aber eine Ausstrahlung der wertpapieraufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten auf das Zivilrecht.

2. Rechtsetzungsorgane, Regelungsprinzipien und Rechtsquellen

a) Rechtsetzungsorgane

Die Entwicklung zu einem europäischen Bankaufsichtsrecht wurde und wird in wichtigen Punkten durch die – rechtlich strenggenommen nicht bindenden – Beschlüsse des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zu den Mindeststandards der prudential regulation im Finanzdienstleistungsgewerbe vorgeprägt. Der Basler Ausschuss wurde im Jahre 1974 bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eingerichtet. Er setzt sich aus Vertretern der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der zehn bedeutendsten westlichen Industriestaaten zusammen (sog. G 10). Das Ziel der Tätigkeit des Basler Ausschusses besteht in einer wechselseitigen Annäherung der nationalen Aufsichtsrechte. Hierdurch sollen zum einen die Kosten gesenkt werden, die für grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute dadurch entstehen, dass sie der Aufsicht mehrerer Regulierungsbehörden unterliegen können. Darüber hinaus soll die Stabilität des Finanzsystems durch die globale Etablierung guter Aufsichtspraxis gefestigt werden. Schließlich wird die internationale Behördenkooperation durch eine Angleichung der Rechtsgrundlagen erleichtert. Herausragende praktische Bedeutung haben insbesondere die Basler Vorgaben für das notwendige Eigenkapital der Banken, zuletzt die Vereinbarung „Basel II“ vom 26.6.2004, die in der EU mit der Neufassung der Kapitaladäquanz-RL (RL 2006/49) rezipiert wurde. Die Tätigkeit des Basler Ausschusses bildet ein Beispiel dafür, dass der letztlich nicht-staatlichen Normschöpfung nicht nur in denjenigen Bereichen wachsende Relevanz zukommt, in denen die Parteien Privatautonomie genießen, sondern dass diese formal unverbindlichen Normen auch das öffentlich-rechtliche Wirtschaftsaufsichtsrecht der Mitgliedstaaten in zunehmendem Maße inhaltlich vorformen. Dies mag unter verfassungsrechtlichen und demokratietheoretischen Aspekten nicht unbedenklich sein, ist aber wegen der normativen Anbindung an den europäischen Richtliniengeber hinnehmbar und aus praktischen Gründen angesichts der hohen Technizität der Materie wohl kaum anders machbar.

b) Regelungsprinzipien

Die Harmonisierung des europäischen Bankaufsichtsrechts beruht auf drei Grundsätzen: der Mindestharmonisierung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften, der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung von Kreditinstituten (Europäischer Pass) und der Kontrolle durch das Sitz- bzw. Herkunftsland. Der noch zu Beginn der 1970er Jahre unternommene ehrgeizige Versuch der Schaffung eines Europäischen Bankgesetzes scheiterte. Das Prinzip der Mindestharmonisierung durch Richtlinien trägt dem Umstand Rechnung, dass eine umfassende Vereinheitlichung des Bankaufsichtsrechts im Verordnungswege angesichts der vorhandenen nationalen Unterschiede (Universalbanken- und Trennbanksystem, Bankaufsicht durch die nationale Zentralbank, eine separate Bankaufsichtsbehörde oder eine einheitliche Finanzdienstleistungsaufsicht) weder wünschenswert noch durchsetzbar ist. Gleichzeitig soll aber ein auf die Absenkung des bankaufsichtsrechtlichen Niveaus gerichteter Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten (race to the bottom) verhindert werden. Der Europäische Pass ermöglicht es Kreditinstituten, ihre Dienstleistungen europaweit anzubieten, ohne jeweils eine erneute Zulassung zu beantragen. Die Kontrolle durch das Herkunftsland schließlich stellt grundsätzlich sicher, dass die jeweilige Behörde, die die Zulassung erteilt, auch den laufenden Geschäftsbetrieb überwacht. Die Behörden des Mitgliedstaates sind weitgehend auf Kompetenzen für statistische Zwecke und auf ein Eingreifen in abschließend normierten Notfällen beschränkt. Ein Herkunftslandprinzip im kollisionsrechtlichen Sinne folgt daraus jedoch nicht; insoweit gelten auch für bankvertragliche Geschäfte die Kollisionsnormen der Rom I-VO (VO 593/2008; Bankrecht, internationales). Abgerundet wird die europäische Harmonisierung des Aufsichtsrechts durch die Angleichung der Einlagensicherung und der Anlegerentschädigung, die den Gläubigerschutz in der Krise gewährleisten sollen. Hinzu kommen aufsichts- und strafrechtliche Vorschriften zur Geldwäscheprävention.

Das Bankaufsichtsrecht war in Deutschland und zunächst auch auf EU-Ebene herkömmlich überwiegend institutsbezogen. Es setzte also bei der Bonität (Solvenz und Liquidität) der Institute an und suchte diese zu gewährleisten. Dieser institutionelle Ansatz konnte jedoch im Zuge der Ausweitung des Aufsichtsrechts auf Wertpapierdienstleister und andere Finanzinstitute, die nicht unter den engen europäischen Begriff des Kreditinstituts fallen, nicht durchgehalten werden. In anderen Mitgliedstaaten – vor allem in Großbritannien – werden traditionell bestimmte Geschäfte und Dienstleistungen nicht von Universalbanken, sondern von anderen Finanzinstituten erbracht. Daher knüpfen die Kapitaladäquanz-RL und die RL 2004/39 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) sowie speziell für den Bereich der Finanzdienstleistungen zur Förderung der Transparenz von Kapitalmärkten die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6; Marktmanipulation) an diese Aktivitäten an. Dies entspricht einem funktionalen Regelungsansatz. Darüber hinaus werden im europäischen Bankrecht vereinzelt auch bestimmte „Produkte“ der Kreditinstitute reglementiert, insbesondere beim Verbraucherkredit und im Investmentrecht (OGAW-RL). Das Investmentgeschäft gilt heute nicht mehr als spezifisches Bankgeschäft, sodass Investmentgesellschaften nicht mehr dem KWG, sondern allein dem InvG unterliegen.

c) Rechtsquellen

Die meisten der zahlreichen seit 1977 erlassenen, mehrfach in wesentlichen Punkten geänderten Richtlinien zum Bankaufsichtsrecht wurden wiederholt aus Gründen der Übersichtlichkeit in einem konsolidierten Rechtsakt zusammengefasst, zuletzt 2006 in der RL 2006/48 über die Aufnahme und Tätigkeit der Kreditinstitute (Kreditinstitut-RL II). Diese Gesamtkodifikation bestimmt zunächst den Gegenstand, den Anwendungsbereich und die Terminologie des europäischen Bankaufsichtsrechts (Titel I). Sie regelt sodann die allgemeinen Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit der Kreditinstitute und ihre Ausübung (Titel II). Der dritte Titel umfasst die Bestimmungen über die Ausübung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch Kredit- und Finanzinstitute. Daran schließen sich Bestimmungen über die Beziehungen zu Drittländern an (Titel IV). Die Grundsätze der Bankenaufsicht und die technischen Instrumente zu ihrer Durchführung werden detailliert in Titel V geregelt. Das erste Kapitel („Grundsätze“) definiert zunächst die Befugnisse des Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaates. Darauf folgen Vorschriften über den Informationsaustausch und das Berufsgeheimnis. Ferner werden unter den „Grundsätzen“ die Pflichten der Abschlussprüfer sowie die Sanktionsbefugnisse und die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln festgelegt. Das zweite Kapitel umfasst Einzelheiten zu den technischen Instrumenten der Bankenaufsicht, namentlich Eigenmittel, Risikovorsorge, Mindesteigenkapitalanforderungen zur Absicherung des Kreditrisikos bzw. des operationellen Risikos sowie Vorschriften über Großkredite und qualifizierte Beteiligungen außerhalb des Finanzbereichs. Das dritte Kapitel definiert die bankinternen Verfahren zur Bewertung der Eigenkapitalausstattung. Es folgen Vorschriften über die Beaufsichtigung, die Informationspflichten der Behörden und der Kreditinstitute sowie Einzelheiten zu den Ausübungsbefugnissen. Zahlreiche begriffliche und technische Einzelfragen, auf die in diesem Überblick nicht eingegangen werden kann, sind in den Anhängen I-XII der Richtlinie geregelt.

Diese Kodifikation des institutsbezogenen Bankaufsichtsrechts wird in funktionaler Hinsicht flankiert von der RL über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), deren Grundzüge andernorts dargestellt sind. Sie gilt für Wertpapierfirmen i.S.d. Art. 4(1) Nr. 1 MiFID, geregelte Märkte i.S.d. Art. 4(1) Nr. 14 MiFID sowie für die bereits durch die Kreditinstitut-RL erfassten Kreditinstitute nach Maßgabe des in Art. 1(2) MiFID festgelegten Umfangs.

3. Aufsichtsbehörden

a) Konvergenz zum single regulator?

Es wird seit längerem kontrovers diskutiert, ob die Strukturen der Finanzdienstleistungsaufsicht in den Mitgliedstaaten in Richtung auf ein einheitliches Modell konvergieren. Die Aufsicht über Finanzdienstleistungen war in Deutschland lange Zeit – und ist es zum Teil immer noch – sektoriell und geographisch zersplittert. Die Aufsicht über die Solvenz von Banken und Wertpapierdienstleistern oblag dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Bonn (BAKred). Die Marktaufsicht über den Wertpapierhandel hingegen lag in den Händen des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel in Frankfurt am Main (BAWe), das 1995 aufgrund der Umsetzung der europäischen Insider-Richtlinie und der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie in das deutsche Recht eingerichtet werden musste. Deutschland verfügt zudem, obwohl es sich bei dem Börsengesetz um ein Bundesgesetz handelt, über ein international eher seltenes System der Regionalbörsen in acht verschiedenen Bundesländern. Sofern dem BAWe keine Kompetenzen durch das Wertpapierhandelsgesetz zugewiesen waren, oblag die Börsenaufsicht den jeweiligen Landesbehörden. Im Jahre 2002 wurden das BAKred, das BAWe sowie das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zu einem single regulator, einer Allfinanzaufsichtsbehörde, zusammengefasst (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin). Der Gesetzgeber versprach sich hiervon zum einen eine bessere Aufsicht über Finanzkonglomerate, zum anderen eine Effizienzsteigerung durch die Nutzung von Synergieeffekten. Bei der Schaffung der deutschen Allfinanzaufsicht wurde auch auf ausländische Vorbilder, namentlich aus Großbritannien (Financial Services Authority – FSA), den nordischen Ländern sowie aus Japan zurückgegriffen. Es bleiben jedoch praktisch bedeutsame Unterschiede. Die Zersplitterung des deutschen Börsenaufsichtsrechts wurde durch die Reform nicht beseitigt. Während beispielsweise die FSA als zentrale Börsenaufsichtsbehörde fungiert, die auch über die Zulassung der Handelsteilnehmer zum Börsenhandel und das Listing der Unternehmen entscheidet, obliegen diese Aufgaben in Deutschland nicht der BaFin, sondern den jeweiligen Landesbehörden (bzw. den Börsen selbst unter der Rechtsaufsicht dieser Behörden). Andererseits werden in Deutschland Unternehmensübernahmen von der BaFin beaufsichtigt, während diese Aufgabe in Großbritannien von dem Takeover Panel, einem Selbstregulierungsorgan der Londoner City, erfüllt wird. Selbst in dem bei der Schaffung der deutschen Allfinanzaufsicht politisch umstrittensten Bereich, der Bankenaufsicht, entspricht die BaFin weniger dem international typischen Fall eines vollintegrierten single regulators als einer traditionellen deutschen Regelungsmodellen angepassten, dual strukturierten Aufsicht. § 7 KWG n.F. hat die bisherige Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundesbank und BaFin (zuvor BAKred) im Wesentlichen aufrechterhalten.

b) Die Rolle der Zentralbanken

Während die Geldpolitik im „Euroland“ auf supranationaler Ebene betrieben wird, bleibt die Bankaufsicht den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten überlassen. Das Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) beschränkt die EZB auf eine konsultative Funktion. Art. 105(5) EG/127(5) AEUV legt das ESZB gegenüber den nationalen Behörden auf eine unterstützende Rolle fest. Art. 105(6) EG/127(6) AEUV sieht zwar eine Übertragung weiterer bankaufsichtsrechtlicher Befugnisse vor, knüpft diese aber an Hürden, die derzeit aus politischen Gründen nicht zu überwinden sein dürften.

Die Trennung von Aufgaben der Bankaufsicht und der monetären Politik ist aus deutscher Sicht zwar nicht ungewöhnlich: Die Aufsicht über die Kreditinstitute war schon vor der Europäischen Währungsunion (EWU) nicht der Bundesbank, sondern dem BAKred anvertraut, wenngleich der Bundesbank eine kooperative Rolle gesetzlich zugewiesen war und ist. Während diese Form der „funktionalen“ oder „horizontalen“ Trennung von Bankaufsicht einerseits, Geldpolitik andererseits nicht neu ist, ist das „geographische“ bzw. „vertikale“ Auseinanderfallen dieser Kompetenzen ohne Beispiel; in den USA, zu denen ein Vergleich naheliegt, sind beide Kompetenzen auf der Bundesebene, bei der Federal Reserve Bank (Fed) und dem Office of the Comptroller of the Currency (OCC), angesiedelt. Das europäische Experiment einer Kombination von supranational-zentraler Währungspolitik einerseits, national-dezentraler Bankaufsicht andererseits, ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen, die im Wesentlichen auf drei Punkten beruht: Die Bankaufsicht sei die originäre Aufgabe einer Zentralbank, nationale Aufsichtsbehörden würden eher zur Nachsicht mit ihren „Klienten“ neigen als eine zentrale Behörde (regulatory capture), und die gegenwärtige Struktur des ESZB sei für eine wirksame Bewältigung von Liquiditätskrisen zu schwerfällig und zu wenig transparent, weil nicht geklärt sei, wer im Ernstfall als lender of last resort zur Verfügung stehe. Zum Zwecke des besseren Informationsaustauschs auf internationaler Ebene wurde von der Kommission mit dem Beschluss 2004/5 der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden eingesetzt.

4. Aktuelle Reformvorhaben

Bislang haben sich zwar die bei der Euro-Einführung vereinzelt beschworenen Schreckensszenarien (siehe oben 3. b) nicht bewahrheitet. Die Europäische Kommission hat jedoch als Reaktion auf die aktuelle Finanzkrise im Oktober 2008 eine Expertengruppe unter der Leitung des ehemaligen IWF-Direktors Jacques de Larosière eingesetzt (abrufbar unter <http://ec.europa.eu/ internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_en.pdf>). Die von dieser High-Level-Group am 25.2.2009 vorgelegten Reformvorschläge sehen zwar weiterhin keine zentrale europäische Aufsichtsbehörde vor, doch werden umfangreiche Änderungen im Detail angemahnt. Die Finanzaufsicht in Europa soll durch eine stärkere Vernetzung von gesamtwirtschaftlicher Analyse und der Beaufsichtigung einzelner Unternehmen verbessert werden. Zudem sollen zwei neue EU-Gremien eingerichtet werden: Ein „Europäischer Rat für systemische Risiken“ (ESRC), der bei der EZB angesiedelt werden soll, und ein Europäisches System der Finanzaufsicht (ESFS). Dem ESRC sollen Vertreter der Zentralbanken in der EU, der Kommission sowie der europäischen und der nationalen Finanzaufsichtsbehörden angehören. Hierdurch werden eine substanzielle Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Behörden und die Errichtung eines Frühwarnsystems für Finanzmarktrisiken angestrebt. Zur Beaufsichtigung grenzüberschreitender Institute wird der Aufbau eines dezentralen Europäischen Systems der Finanzaufsicht bis zum Jahr 2012 angeregt.

5. Markteintritt

a) Anbieter aus EU/EWR

Im europäischen Rahmen ist die genehmigungsfreie Zulassung bestimmter Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen eines Unternehmens (Kreditinstitut oder Wertpapierfirmen) mit Sitz im EU- oder EWR-Ausland durch das unter 2. erwähnte Prinzip der Herkunftslandkontrolle (Europäischer Pass) garantiert. Nach Art. 25 der Kreditinstitut-RL II und Art. 31 MiFID bedarf es lediglich einer Mitteilung an den Aufnahmemitgliedstaat durch die zuständige Behörde des Heimatlandes. Die von der Anerkennungspflicht erfassten und in Anhang I der Kreditinstitut-RL II aufgezählten Geschäftsarten sind sehr weitgehend. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gilt unter anderem für die Entgegennahme von Einlagen, die Kreditgewährung, das Finanzierungsleasing, die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln (Karten und Schecks), die Gewährung von Garantien, Wertpapiergeschäfte, das Emissionsgeschäft, die Portfolioverwaltung und die Wertpapieraufbewahrung und ‑verwaltung.

b) Anbieter aus Drittstaaten

Anbieter von Finanzdienstleistungen oder Bankgeschäften aus Drittstaaten (d.h. weder EU noch EWR) bedürfen einer Erlaubnis der BaFin, wenn diese Dienstleistungen im Inland erbracht werden sollen (§ 32 KWG). Für die Anwendbarkeit der Erlaubnispflicht kommt es nicht auf den Sitz des Anbieters an (so der früher vielfach vertretene sog. institutsbezogene Ansatz), sondern auf die Ausrichtung der Tätigkeit auf Deutschland (sog. vertriebsbezogener Ansatz, heute h.M.). Hiermit soll die Aushöhlung aufsichtsrechtlicher Standards auf dem deutschen Markt durch in Drittstaaten ansässige Anbieter verhindert werden. Der vertriebsbezogene Ansatz verstößt nicht gegen die nach Art. 56 EG/63 AEUV auch gegenüber Drittstaatenanbietern gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit, weil derartige Fälle vorwiegend die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit berühren (Art. 49 ff. EG/56 ff AEUV), auf die sich Drittstaatenanbieter nicht berufen können (EuGH Rs. C-452/04 – Fidium Finanz AG, Slg. 2006, I-9562).

6. Staatshaftung bei Verletzung der Aufsichtspflicht

Die BaFin nimmt ihre Aufgaben ausschließlich im öffentlichen Interesse wahr (§ 4 Abs. 4 FinDAG). Entsprechende Vorschriften existieren in zahlreichen Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass eine unzureichende Beaufsichtigung grundsätzlich keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche der geschädigten Anleger nach sich zieht. Eine derartige Einschränkung hat der EuGH trotz Kritik aus der Literatur unbeanstandet gelassen, da eine Harmonisierung der Haftung nicht notwendig sei, um die Zielsetzungen der Angleichung des Aufsichtsrechts, insbesondere die wechselseitige Anerkennung und Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat, zu verwirklichen (EuGH Rs. C-222/02 – Peter Paul u.a., Slg. 2004, I-9460). Zudem erkennt der EuGH an, dass die Aufsichtsbehörden aufgrund der Komplexität der Bankenaufsicht und der Bedeutung des Schutzes der Stabilität des Finanzsystems über einen erheblichen Ermessensspielraum zur Abwägung der widerstreitenden Interessen verfügen müssen. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften des KWG haben grundsätzlich auch keinen drittschützenden Charakter i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Nennenswerte europäische Harmonisierungsimpulse für das Staats- oder gar das private Haftungsrecht sind aus dieser Richtung folglich nicht zu erwarten.

7. Zivilrechtliche Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten im Wertpapierhandel

Vielfach befürwortet wird hingegen eine Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Verhaltenspflichten im Wertpapierhandel (§§ 31 ff. WpHG) auf das Zivilrecht. Hierdurch sollen Friktionen und Widersprüche zwischen dem aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Pflichtenprogramm vermieden werden. Zahlreiche Autoren plädieren für eine Einstufung der entsprechenden Normen als Schutzgesetze im Rahmen des § 823 II BGB. Hieran wird indes die Absenkung der Haftbarkeitsschwelle auf bloße Fahrlässigkeit unabhängig von vertraglichen Beziehungen als nicht sachgerecht kritisiert. Der BGH hat die Frage lange offen gelassen (BGH 5.10.1999, BGHZ 142, 345, 356). Jüngst hat der BGH die Schutzgesetzeigenschaft von § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG verneint, obwohl er zugleich anerkannt hat, dass der Anlegerschutz zumindest auch Sinn und Zweck der Norm sei. Denn im Gesamtsystem der Haftungsgrundlagen sei die Ausweitung des Vermögensschutzes zu Lasten einfacher Angestellter nicht vom Gesetzgeber intendiert (BGH 19.2.2008, BGHZ 175, 276). Des weiteren hat der BGH das Geldwäschegesetz nicht für ein Schutzgesetz gehalten, da dieses nur die Weiterverwendung von Erträgen aus Straftaten verhindern solle (BGH 6.5.2008, BGHZ 176, 281). Die auch von der Rechtsprechung favorisierte Alternative besteht darin, die wertpapierhandelsrechtlichen Verhaltenspflichten zur Konkretisierung der (vor‑)vertraglichen Sorgfaltsmaßstäbe, insbesondere der vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten heranzuziehen (BGH a.a.O.; ferner BGH 8.5.2001, BGHZ 147, 343, 348). Angesichts der Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Haftungsrechten dürfte sich in diesen Fragen von selbst kaum ein europäischer Konsens einstellen.

8. Ausblick

Die unmittelbaren Auswirkungen der bankaufsichtsrechtlichen Harmonisierung auf das europäische private Bankrecht sind zwar sehr begrenzt. Es sollte aber nicht unterschätzt werden, dass aufgrund des aufsichtsrechtlichen Herkunftslandprinzips in Verbindung mit der kollisionsrechtlich gewährleisteten Rechtswahlfreiheit der Anbieter (Art. 3 und 6 Rom I-VO; Bankrecht, internationales) die Auswahl der Verbraucher zwischen verschiedenen Finanzdienstleistungsprodukten im Binnenmarkt beträchtlich erweitert worden ist. Insoweit schafft die Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts die Grundlage, auf der sich ein Wettbewerb der Rechtsordnungen im privatrechtlichen Sinne erst entfalten kann.

Literatur

Franz-Christoph Zeitler, Internationale Entwicklungslinien der Bankenaufsicht, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2001, 1397 ff.; James R. Barth, Daniel E. Nolle, Triphon Phumiwasana, Glenn Yago, A Cross-Country Analysis of the Bank Supervisory Framework and Bank Performance, in: Financial Markets, Institutions & Instruments 12 (2003) 67 ff.; Eilís Ferran, Examining the UK’s Experience in Adopting the Single Financial Regulator Model, Brooklyn Journal of International Law 28 (2003) 257 ff.; Rosa M. Lastra, The Governance Structure for Financial Regulation and Supervision in Europe, Columbia Journal of European Law 10 (2003) 49 ff.; Rainer Pitschas, Stefanie Gille, Rechtliche und institutionelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in der EU, Verwaltungsarchiv 94 (2003) 68 ff.; Christoph Ohler, Europäisches Bankaufsichtsrecht, in: Peter Derleder, Kai-Oliver Knops, Heinz-Georg Bamberger (Hg.), Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2004, 1591 ff.; Anton K. Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; Peter Troberg, Doris Kolassa, §§ 135-139, in: Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte, Hans-Jürgen Lwowski (Hg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. II, 2007; Eddy Wymeersch, The Structure of Financial Supervision in Europe: About Single Financial Supervisors, Twin Peaks and Multiple Financial Supervisors, European Business Organization Law Review 8 (2007) 237 ff.; Karl-Heinz Boos, Reinfrid Fischer, Hermann Schulte-Mattler (Hg.), Kreditwesengesetz, 2008.