Rating-Agenturen und Rechnungslegung: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Patrick C. Leyens]]''
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== 1. Begriff der Rating-Agentur ==
== 1. Gegenstand und Funktionen ==
Rating-Agenturen geben Stellungnahmen zur Kreditwürdigkeit von Emittenten oder [[Finanzinstrument]]en ab. Die Einschätzungen von Rating-Agenturen sind von erheblichem Gewicht für die Kauf- oder Verkaufentscheidungen des Anlegerpublikums. Das Rating gibt die Wahrscheinlichkeit an, zu der ein Emittent aktuell entweder all seinen finanziellen Verpflichtungen oder seinen Verpflichtungen aus einem bestimmten Schuldtitel oder festverzinslichen Wertpapier nachzukommen vermag (Emittenten- bzw. Instrumenten-Rating). Ratings sind nicht auf Unternehmen beschränkt, sondern können sich auch auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Staaten beziehen. Das Rating wird unter Verwendung einer feingliedrigen Bonitätsskala ausgedrückt, die von der höchsten Bonitätsstufe (''investment grade'') bis zur schlechtesten Einstufung (''speculative grade'') reicht. Der Risikograd wird häufig durch eine Buchstabenkombination, z.B. „AAA“ für höchste und „D“ für niedrigste Bonität, ausgedrückt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Rating wie die Finanzanalyse als Meinungskundgabe einzuordnen ist. Im Unterschied dazu stellt das Rating aber keine Empfehlung dar und unterliegt deshalb nicht den für die [[Finanzanalyst]]en geltenden Vorgaben. Vom Regelfall des Ratings im Auftrag des Emittenten (''Solicited Rating'') ist die auftragslose Abgabe einer Bonitätsbewertung (''Unsolicited Rating'') zu unterscheiden. Bei letzterer erfolgt kein Zugriff auf interne Informationen des Emittenten. Neben ihrem Kerngeschäft bieten die Agenturen häufig auch Risikobewertungen im Rahmen der Beratung zu Anlageobjekten oder zur Strukturierung von Finanzprodukten an.
Das Recht der Rechnungslegung bildet ein „Herzstück des Europäischen Gesellschaftsrechts“ (''Stefan Grundmann''): In seinem Regelungsbestand gilt es als eines der am breitesten und tiefsten harmonisierten Rechtsgebiete des Privatrechts, funktional spielt es eine tragende Rolle für [[Publizität]] und [[Transparenz]] – und damit auch für das so stilbildende Informationsmodell des Europäischen Gesellschaftsrechts.


== 2. Einordnung und Funktion des Ratings ==
Im Gegensatz zur internen Kostenrechnung dient die Rechnungslegung der Dokumentation unternehmerischer Vorgänge für externe Zwecke, insbesondere für die Handels- und Steuerbilanz. Die europäischen Rechnungslegungsregeln allerdings gelten derzeit, auch aus Kompetenzgründen, unmittelbar nur für die handelsrechtliche Rechnungslegung. Diese steht jedoch keineswegs unverbunden neben der Steuerbilanz, sondern kann auch als Grundlage für die Besteuerung dienen. Geltung und Umfang dieser sog. ''Maßgeblichkeit'' hängen vom nationalen (Steuer‑) Recht ab. Als Folge können die europäischen Rechnungslegungsregeln im Wege der quasi-richtlinienkonformen Auslegung durchaus auch ins nationale Steuerbilanzrecht ausstrahlen. Unabhängig davon erarbeitet die Kommission derzeit Regelungsvorschläge für eine (optionale) Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Sie würde die steuerliche Rechnungslegung ganz unmittelbar betreffen, und soll nach derzeitigem Stand ihrerseits vielfach auf die geltenden handelsrechtlichen Regeln Bezug nehmen.
Rating-Agenturen zählen zu den [[Finanzintermediär]]en im weiteren Sinne. Finanzintermediäre im weiteren Sinne erbringen vor allem Informationsdienstleistungen. Damit ermöglichen oder unterstützen sie die Zusammenführung von Kapitalangebot und ‑nachfrage durch Finanzintermediäre im engeren Sinne wie insbesondere die Banken ([[Europäischer Bankenmarkt]]). Informationsdienstleistungen von vergleichbarer Bedeutung erbringen neben den bereits angesprochenen [[Finanzanalyst]]en auch die [[Abschlussprüfer]]. Zusammen mit diesen gelten Rating-Agenturen als die wichtigsten Informationsintermediäre des Kapitalmarkts. Übergreifend besteht die Aufgabe sämtlicher Informationsintermediäre darin, fehlende Informationen zu substituieren, vorhandene Informationen zu verifizieren und Informationen im wirtschaftlichen Gesamtkontext zu evaluieren. Die Leistungen der genannten Informationsintermediäre ergänzen sich und bauen teilweise direkt oder indirekt aufeinander auf. Sie folgen aber einer jeweils eigenen Methodik. Der Schwerpunkt des Ratings liegt in der Evaluation, die anders als die ebenfalls schwerpunktmäßig evaluierende Finanzanalyse nicht zukunfts-, sondern wie der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers gegenwartsbezogen ist.


Das Rating-Urteil stützt sich auf die Analyse quantitativer Daten wie Umsatz, ''cash flow'', Eigenkapitalquote, bezieht aber auch Branchenrisiken und Risiken des nationalen Wirtschaftsraums mit ein. Auch qualitative Kriterien wie insbesondere das Verhalten bei der Rückzahlung von Krediten in der Vergangenheit und die ''[[Corporate Governance]]'' des Emittenten werden bewertet. Vor allem zur Beurteilung der qualitativen Kriterien nehmen Rating-Agenturen in der Regel Kontakt mit der Unternehmensleitung des Emittenten auf.  
Das Geschäftsergebnis, das sich aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung ergibt, dient potentiell nicht nur als Maßstab für Besteuerungszwecke, sondern auch für Gewinnfeststellung und ‑verwendung. Es kann auch die Höhe der zulässigen Ausschüttungen begrenzen. Diese sog. Referenzwertfunktion der Rechnungslegung hängt jedoch (wiederum) maßgeblich vom nationalen (Gesellschafts‑)Recht ab. Die Informationsfunktion selbst hingegen ist rechtsformübergreifend im europäischen Rechnungslegungsrecht verankert und steht auch funktional ganz im Vordergrund: Jahres- und Konzernabschluss ([[Abschlussprüfer]]) sollen vor allem ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Lage (und Aussichten) eines Unternehmens oder Konzerns geben.


Ratings sind heute weltweit ein fester Bestandteil der Vertragsgestaltung innerhalb und außerhalb des Finanzmarkts. Durch sog. ''Rating-Triggers'' wird der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen vertraglich von Veränderungen der Bonität des Vertragspartners abhängig gemacht. Z.B. bei langfristigen [[Darlehen]] wird die Zinshöhe an Veränderungen der Bonitätsbeurteilung des Schuldners ausgerichtet. Rechtstechnisch handelt es sich um eine aufschiebende oder auflösende [[Bedingung und Befristung|Bedingung]]. Von besonderer Bedeutung sind Ratings für Finanzintermediäre im engeren Sinne. So wirken sich die Ratings der Darlehensnehmer auf die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten aus. Die Bonitätsbewertung und die Risikoklassifikation des Kreditinstituts selbst können außerdem für den Beitragssatz maßgeblich sein, den das Kreditinstitut zur Finanzierung der Einlagensicherung zu leisten hat. Die hierzu herangezogenen Risikoklassifikationen werden allerdings z.B. in Deutschland nicht durch allgemeine Rating-Agenturen, sondern durch spezialisierte Prüfungsverbände erbracht. Einige Staaten knüpfen weitere aufsichtsrechtliche Regeln an ein bestimmtes Rating-Ergebnis. Z.B. können sich die Möglichkeiten eines Pensionsfonds, in private Anleihen zu investieren, nach deren Rating bestimmen. Hinzu kommen Regeln von [[Börsen]] wie z.B. die von Euronext, nach denen die Platzierung von Finanzinstrumenten von der Vorlage und Veröffentlichung eines Ratings abhängig gemacht werden kann.
Die funktionale Grundsatzfrage lautet dann allerdings, ''wessen'' Information die Rechnungslegung primär dienen soll. Weil es um Bewertungsfragen geht, kann Rechnungslegung schlicht kein vollständig objektives Bild liefern. Ob beispielsweise Forderungen mit nominalen, effektiv abgesicherten oder sogar nur mit bereits realisierten Beträgen anzusetzen sind, werden tendenziell risikoscheue Gläubiger ganz anders beurteilen als Anleger, denen es in erster Linie um Gewinnaussichten geht. Die einzelnen Mitgliedstaaten bevorzugen traditionell diametral unterschiedliche Blickwinkel: Während Großbritannien mit dem Grundsatz des ''true and fair view'' seit jeher die Anlegerperspektive stärker betonte, stand in Kontinentaleuropa das eher gläubigerorientierte Vorsichtsprinzip im Vordergrund. Das europäische Richtlinienrecht geht einen Mittelweg: Es formuliert zwar an prominenter Stelle den Grundsatz des ''true and fair view'', folgt aber in vielen Einzelregeln dem Vorsichtsprinzip, von dem es dann allerdings wiederum Abweichungen erlaubt. Die Ausübung dieser zahlreichen Wahlrechte (meist zu Gunsten der Mitgliedstaaten, jedoch mit Möglichkeit der Weitergabe an die Unternehmen) entscheidet letztlich darüber, welcher Zielgruppe die Informationen die Rechnungslegung primär zu dienen geeignet sind. Eindeutiger auf die Funktion der Anlegerinformation zugeschnitten sind erst die einheitlichen Rechnungslegungsregeln der ''International Financial Reporting Standards'' (IFRS), die inzwischen (nur) für kapitalmarktorientierte Konzerne gemeinschaftsweit vorgeschrieben sind.


Im finanzmarktlichen Kontext ist das Rating regelmäßig rechtstatsächliche Voraussetzung für die Fremdfinanzierung durch Finanzinstrumente wie Inhaberschuldverschreibungen. Das gilt in besonderem Maße für noch nicht fest etablierte Emittenten. Zu weiten Teilen bestimmt das Rating den Zinssatz, der für die Inanspruchnahme einer Fremdfinanzierung anzubieten ist, wirkt sich aber auch auf die Börsenkurse und somit auf die Kosten der Kapitaleinwerbung insgesamt aus.
== 2. Regelungsbestand und Entwicklungstendenzen ==
Die Rechnungslegung bildet seit jeher einen zentralen Baustein des gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsprogramms. Ausgangspunkt ist in der Sache bereits die Publizitäts-RL von 1968 (1. gesellschaftsrechtliche RL 68/‌151), deren Art. 2(1)(f) sämtliche Kapitalgesellschaften zunächst zur Erstellung und Offenlegung ihrer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtete. Seit ihrer Novelle von 2003 verpflichtet die Regelung darüber hinaus zur [[Publizität]] der gesamten Rechnungslegung. Die inhaltliche Angleichung der Rechnungslegungsregeln war andererseits bereits Gegenstand von Vorarbeiten und ersten Regelungsvorschlägen, die bis ins Jahr 1965 zurückreichen und zunächst ausschließlich kontinentaleuropäisch geprägt waren. Der Beitritt Großbritanniens erforderte jedoch Kompromisse, wie sie schließlich die beiden wichtigsten Rechnungslegungs-Richtlinien, die Jahresabschluss-RL (4. gesellschaftsrechtliche RL 78/‌660) und die Konzernabschluss-RL (7. gesellschaftsrechtliche RL 83/‌349) kennzeichnen, die 1978 bzw. 1983 verabschiedet wurden. Beide Richtlinien erfassen nur Kapitalgesellschaften, diese jedoch umfassend (AG, GmbH, KGaA); eine spezielle Richtlinie aus dem Jahr 1990 erweitert den Anwendungsbereich auf Kapitalgesellschaften & Co. KG. Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurden die Richtlinien schließlich grundlegend reformiert, um sie mit den Vorschriften der IFRS abzugleichen oder jedenfalls die Aufstellung von Rechnungslegung zu ermöglichen, die beiden Regimen genügt.


== 3. Stand der europäischen Rechtsangleichung ==
Die IFRS-VO (VO 1606/‌2002) selbst wurde im Jahr 2002 verabschiedet. Der Rechtsakt ist eine Antwort auf das Vordringen der US-amerikanischen ''Generally Accepted Accounting Principles'' (US-GAAP), die bei Notierung an US-amerikanischen Kapitalmärkten auch für europäische Gesellschaften gelten. Weil die geltenden europäischen Rechnungslegungsrichtlinien keinerlei Aussicht auf weltweite Anerkennung hatten und man umgekehrt europäischen Unternehmen nicht einfach gestatten wollte, ausschließlich nach US-GAAP zu bilanzieren, wird in der Verordnung auf die Rechnungslegungsregeln eines privaten Regelgebers zurückgegriffen: Die IFRS, die grundsätzlich ebenfalls der angloamerikanischen, anlegerorientierten Bilanzierungsphilosophie verpflichtet sind, werden vom ''International Accounting Standards Board'' (IASB) ausgearbeitet, das sich aus Vertretern professioneller Kreise und der Aufsichtsbehörden zusammensetzt. Die Chancen auf weltweite Anerkennung stehen nach derzeitigem Stand gut, langfristig erwartet man eine (vorsichtige) Konvergenz von IFRS und US-GAAP. Die IFRS-VO selbst beschränkt sich darauf, die Anwendungsvoraussetzungen der IFRS zu präzisieren und gewisse, sehr allgemeine Kriterien aufzustellen, denen die IFRS dauerhaft genügen müssen.
Die europäische Rechtsangleichung blickt bei Rating-Agenturen auf eine noch junge Geschichte zurück. Erst am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745 und 2746) durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament verabschiedet (dazu unter 4.). Die vorausgehend diskutierten Kernfragen und die wesentlichen Entwicklungsschritte werden hier nachgezeichnet.


Der nach wie vor geltende Rechtsrahmen besteht zunächst aus den beiden Richtlinien, die die marktlichen Verhaltenspflichten der [[Finanzintermediär]]e insgesamt betreffen. Die wichtigste ist die Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/‌6), nach der jede Form der Beeinflussung der Kurse von [[Finanzinstrument]]en, also [[Insidergeschäft]]e und [[Marktmanipulation]]en, mit Sanktionen belegt wird. Für Rating-Agenturen besonders relevant sind die Regeln zu [[Interessenkonflikte]]n, zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und zum Zugang zu Insider-Informationen. Wie die [[Finanzanalyst]]en haben auch Rating-Agenturen interne Grundsätze und Verfahren zur Gewährleistung einer sachgerechten Informationsvermittlung festzulegen. Darüber hinaus sind alle nennenswerten Interessen oder Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einem [[Finanzinstrument]] oder Emittenten, das bzw. der Gegenstand eines Ratings ist, offen zu legen. Kommt die Rating-Agentur mit Insiderwissen in Berührung, unterliegt sie einer Geheimhaltungspflicht bis zur Veröffentlichung der Information durch den Emittenten. Auch das Rating selbst kann eine Insider-Information darstellen und darf vor seiner Veröffentlichung nicht für Handelszwecke verwendet werden.
Die europäischen Rechtsakte zum materiellen Rechnungslegungsrecht werden schließlich von der Abschlussprüfer-RL ergänzt, die ursprünglich 1984 als 8. gesellschaftsrechtliche RL (RL 84/‌‌253) erlassen und 2006 (RL 2006/‌43) grundlegend neu gefasst wurde ([[Abschlussprüfer]]).


Weiter ist für Rating-Agenturen die gleich einer Verfassung für den Finanzmarkt konzipierte Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/‌39) von Bedeutung. In den Anwendungsbereich der MiFID und ihrer Durchführungsvorschriften fallen Rating-Agenturen jedoch nur, wenn sie wie andere Finanzintermediäre Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen erbringen. Rating-Agenturen können hiernach also einer Genehmigung bedürfen und unterliegen dann auch den engmaschigen Wohlverhaltensregeln und organisatorischen Anforderungen der MiFID. Etwa bei der Erbringung von Anlageberatungsleistungen können (kostspielige) organisatorische Maßnahmen zur Trennung zwischen Wertpapierdienstleistungen und Ratings erforderlich werden.
== 3. Rechnungslegungsbestandteile und ‑grundsätze ==
Sowohl nach Jahresabschluss-RL als auch nach IFRS (und US-GAAP) bildet der Jahresabschluss den Hauptbestandteil der Rechnungslegung. Er umfasst die Bilanz (''balance sheet''), d.h. die rechnerische Gegenüberstellung des Vermögens (Aktiva) und der Schulden (Passiva) zum Ende des Geschäftsjahres, die Gewinn- und Verlustrechnung (''income statement''), die die Ertrags- und Aufwandsentwicklung im Berichtszeitraum gegenüberstellt, sowie den Anhang. Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung ergänzen sich gegenseitig, indem sie einerseits über Bestandswerte, andererseits über Stromgrößen informieren. Im Ergebnis stimmen sie notwendig überein, weil die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag dem Anstieg oder der Minderung der Aktiva und Passiva entspricht. Während diese beiden Instrumente quantitative Unternehmensangaben liefern, stellt der Anhang (''notes'') ergänzende und erläuternde verbale Informationen bereit. Erklärt werden muss insbesondere die Ausübung der zahlreichen Bilanzierungswahlrechte, um Missverständnisse bei der Interpretation des Jahresabschlusses zu vermeiden.


Von bloß mittelbarer aber gleichwohl kaum zu unterschätzender Bedeutung sind die Richtlinien zur Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister (RL 2006/48 und RL 2006/49). In deren Zusammenhang werden Rating-Agenturen durch die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 2004 geschlossene Rahmenvereinbarung „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ (Basel II, überarbeitet 2005) regulatorisch in Dienst genommen. Die Risikogewichte und die daraus resultierenden Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister dürfen hiernach anhand externer Ratings bestimmt werden. Von den zuständigen Aufsichtsbehörden werden aber lediglich die Ratings akkreditierter Agenturen akzeptiert. Das Akkreditierungsverfahren wird durch die Richtlinie selbst geregelt und stellt Anforderungen an die Objektivität, Unabhängigkeit, und Transparenz des Ratings. Zudem haben die Agenturen die veröffentlichten Bonitätsbeurteilungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.  
Dieser dreiteilige, eigentliche Jahresabschluss wird durch weitere Angaben ergänzt. Hier unterscheiden sich die Anforderungen nach Jahresabschluss-RL und IFRS auch formal. Die Richtlinie verlangt einen Lagebericht, der vor allem dazu dient, den vergangenheitsorientierten Jahresabschluss um zeitnähere und zukunftsorientierte verbale Angaben zu ergänzen. Die IFRS fordern hingegen Kapitalflussrechnung (''cash flow statement''), Eigenkapitalentwicklung (''statement of all changes in equity'') und Segmentberichterstattung (''business'' bzw. ''geographical segments'').


Kennzeichnend für die Regulierung von Rating-Agenturen war im Übrigen, dass in größerem Maße als bei der Abschlussprüfung oder der Finanzanalyse auf die Selbstregulierung durch ''Codes of Conduct'' ([[Private Rechtsetzung und Codes of Conduct|Private Rechtsetzung und ''Codes of Conduct'']]) gesetzt wurde. Wie für Finanzintermediäre allgemein waren insoweit auch für Rating-Agenturen die Berichte und Empfehlungen der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (''International'' ''Organization of Securities Commissions'', IOSCO) von maßgeblicher Bedeutung. Im Jahre 2003 legte die IOSCO einen Verhaltenskodex für Rating-Agenturen vor, der zuletzt im Mai 2008 überarbeitet wurde. Die dort formulierten Anforderungen gehen (deutlich) über das bis hierher beschriebene europäische Richtlinienrecht hinaus. Empfohlen werden konkrete Verhaltensweisen zur Gewährleistung und Überwachung der Qualität und Ordnungsmäßigkeit des Rating-Verfahrens. Vor allem aber werden detaillierte Empfehlungen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur und ihrer Mitarbeiter und zur Vermeidung von Interessenkonflikten aufgestellt.
Für die Bilanz geben die IFRS nur Mindestinhalte vor, während die Jahresabschluss-RL ein weitgehend festes Gliederungsschema fordert. Die Mitgliedstaaten haben zwar die Wahl zwischen zwei Formen, die sich aber ausschließlich in der Darstellungsform, nicht in der Reihenfolge der Einzelposten unterscheiden. Die Aktivposten werden unterteilt in Anlagevermögen (immaterielle Vermögensgegenstände, Sach- und Finanzanlagen), Umlaufvermögen (Vorräte, Forderungen, Wertpapiere und Bar- bzw. Buchgeld) und sonstige Posten (vor allem Rechnungsabgrenzungsposten), zu den Passivposten gehören Eigenkapital (gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinn- oder Verlustrücklage, Jahresergebnis), Rückstellungen und Verbindlichkeiten sowie wiederum sonstige (Rechnungsabgrenzungs‑)Posten.


In Reaktion auf Erfahrungen im Rahmen der 2007 ausgelösten Finanzmarktkrise fasste die IOSCO im Jahr 2008 das Verbot von Leistungskombinationen klarer. Abgesehen werden soll hiernach von der Beratung zur Strukturierung von Finanzprodukten, sofern die Agentur ein Rating zu eben diesen Produkten anbietet. Weiterhin werden Empfehlungen zum verantwortungsvollen Umgang mit den Interessen des Anlegerpublikums und der Emittenten ausgesprochen. Hierzu zählen die transparente und zügige Veröffentlichung der Bonitätsbeurteilung und auch Geheimhaltungspflichten. Zuletzt wird die Veröffentlichung einer Erklärung dazu verlangt, ob und wie die Rating-Agentur die Kodex-Empfehlungen umsetzt.
Für jeden Einzelposten stellen sich die Kernfragen der Bilanzierung: Ist ein Posten überhaupt anzusetzen (Aktivierungs- bzw. Passivierung), in welchem Berichtszeitraum (Periodenabgrenzung), und mit welchem Wert (Bewertung)? Die Jahresabschluss-RL sieht zahlreiche Wahlrechte vor. Sie statuiert aber allgemeine Grundsätze – teils für die Bewertung (''going concern'', wirtschaftliche Betrachtungsweise, Vorsichtsprinzip), teils übergreifend (''true and fair view'') –, welche die Wahlfreiheit wiederum beschränken. Für Ansatz und Bewertung kommt es letztlich häufig auf die – vorsichtige oder eher realistische – Bilanzierungsphilosophie an. Dass die Richtlinie insoweit keinen eindeutigen Standpunkt bezieht, führt zu Streitfragen, die der EuGH jedenfalls in der Rechtssache ''Tomberger'' (EuGH Rs. 234/‌94, Slg. 1996, I-3133) den Mitgliedstaaten zur Entscheidung überließ. Die Richtlinie statuiert neben diesen materiell bedeutsamen noch einige eher formale, größtenteils konsentierte Rechnungslegungsgrundsätze (Klarheit und Übersichtlichkeit, Stetigkeit, hinreichende Genauigkeit und Darstellungstiefe), die Transparenz und Verständlichkeit der gegebenen Information sicherstellen sollen. Die IFRS enthalten demgegenüber erheblich weniger Unternehmenswahlrechte (und als Einheitsrecht keinerlei Mitgliedstaaten-Wahlrechte), erfordern allerdings umgekehrt ungleich häufigere Neubewertungen (potentielle Einbuße an Stetigkeit).


Der Kodex baut auf eine freiwillige Befolgung und wurde, soweit ersichtlich, in keinem der europäischen Mitgliedstaaten vollständig in nationales Recht umgesetzt. Mehrere Rating-Agenturen sind der Empfehlung der IOSCO gefolgt und haben jeweils einen eigenen Verhaltenskodex aufgestellt. Die drei größten Rating-Agenturen verpflichteten sich außerdem um den Jahreswechsel 2005/‌06 dazu, dem von der Europäischen Kommission eingesetzten Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (''Committee of European Securities Regulators'', CESR) jährlich in Briefform über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der IOSCO-Empfehlungen zu berichten. Dem von CESR veröffentlichten Jahresbericht 2008 ist zu entnehmen, dass der Befolgungsgrad als grundsätzlich hoch einzuschätzen ist.
== 4. Konzernkonsolidierung und Sonderregime ==
Die Konzernabschluss-RL enthält Sonderregeln für Gesellschaften, die in Konzerne eingebunden sind. Hier genügt grundsätzlich ein einziger Abschluss, nämlich der Konzernabschluss der Muttergesellschaft. Dieser ergibt sich jedoch nicht schlicht aus einer Addition der imaginären Einzelabschlüsse, weil diese teils nach unterschiedlichen Regimen erfolgen und vor allem auch Geschäfte und Beteiligungen innerhalb des Konzerns enthalten würden. Die Konzernabschluss-RL basiert deshalb zwar grundsätzlich auf den Rechnungslegungsregeln für den Einzelabschluss, sieht aber spezielle Konsolidierungsregeln für den Konzernverbund vor. Außerdem definiert sie den Konsolidierungskreis (auf Grundlage des Kontrollkonzepts) und präzisiert den Anwendungsbereich, soweit sich dieser Konsolidierungskreis aus verschiedenerlei Gesellschaftsformen zusammensetzt.


== 4. Regelungsfragen und ‑strukturen ==
Bereits mehrfach angesprochen wurden die Rechnungslegungsregeln der IFRS, einschließlich ihrer inhaltlichen Abweichungen zur Jahresabschluss-RL. Nach der IFRS-VO sind diese Regeln (und nicht die Konzern- bzw. Jahresabschluss-RL) für Muttergesellschaften von Konzernen unmittelbar verbindlich, soweit Effekten zumindest eines der verbundenen Unternehmen auf einem geregelten Markt notiert sind. Darüber hinaus räumt die IFRS-VO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Anwendung der IFRS auch für Einzelgesellschaften und nicht kapitalmarktorientierte Konzerne vorzuschreiben oder zumindest zu erlauben. Die Regeln der Jahresabschluss- und Konzernabschluss-RL brauchen auch in diesem Fall nicht eingehalten werden.
In der Debatte um die 2009 im Verordnungswege verabschiedete Regulierung von Rating-Agenturen stellten sich vergleichbare Grundsatzfragen zu Reichweite und Grenzen der Marktkräfte wie bei [[Finanzanalyst]]en. Auslöser für die international intensiv geführte Debatte war auch bei den Rating-Agenturen nicht erst die seit 2007 fortdauernde Finanzmarktkrise, sondern bereits zuvor der plötzliche Zusammenbruch von Enron im Jahr 2001. Enron, dem seinerzeit zweitgrößten Energieversorger der USA, war noch wenige Wochen vor der Insolvenzanmeldung von führenden Rating-Agenturen eine hohe Bonität (''investment grade'') bescheinigt worden. Der vergleichbar unerwartete Zusammenbruch des italienischen Herstellers von Milchprodukten Parmalat im Jahre 2003 belegte sodann, dass bei Enron nicht allein Schwächen des US-amerikanischen Systems der Rating-Regulierung zu Tage getreten waren.


Gleichwohl sollte dem ersten CESR-Bericht von 2005 zufolge ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechtsvorschriften und Selbstregulierung bereits gefunden sein. Zunächst folgte die Europäische Kommission dieser Sichtweise in ihrer 2006 veröffentlichten Mitteilung (2006/‌ C 59/‌02). Erneute Zweifel kamen jedoch im Zusammenhang mit der 2007 ausgelösten Finanzkrise auf. Ursache der Finanzkrise sind nach derzeitigem Kenntnisstand Überbewertungen im US-amerikanischen Hypothekenmarkt. Diese flossen in strukturierte Finanzprodukte ein, die einen hohen Komplexitätsgrad aufwiesen, infolge dessen die Risiken auch von professionellen Marktteilnehmern wie den Banken nicht mehr beherrschbar waren. Frühwarnungen durch Rating-Agenturen unterblieben auch hier.
Sonderregime gelten schließlich für Banken und Versicherungen, weil in diesen Branchen Vertraulichkeit eine besonders große Rolle spielt und Offenlegungspflichten, insbesondere zur Aufdeckung stiller Reserven, deshalb gewissen Einschränkungen unterworfen wurden. Außerdem machen branchenspezifische Besonderheiten Spezifikationen bei zahlreichen Einzelposten erforderlich, vor allem natürlich bei den Finanzprodukten.


Noch nach dem Mitte 2008 vorgelegten Bericht der Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (''European Securities Markets Expert Group'', ESME) sollten Maßnahmen ausreichen, die in der allgemeinen Debatte um die ''[[Corporate Governance]]'' seit langem bekannt sind. Dazu gehören die Trennung von Leitungs- und Überwachungsaufgaben in einem einstufig organisierten Verwaltungsrat. Hierzu soll der Verwaltungsratsvorsitz (''chairman of the board'') und der Geschäftsführungsvorsitz (''chief executive officer'', CEO) zwischen verschiedenen Personen aufgeteilt werden. Auch soll die Rolle der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder (''non-executive directors'') gestärkt werden, um die Leistungsfähigkeit der Überwachung zu steigern.
== 5. Prüfung und Offenlegung ==
Um die Verlässlichkeit der Rechnungslegungsinformationen auch prozedural zu gewährleisten, besteht eine Pflicht zur Abschlussprüfung. Die Anforderungen an Fähigkeiten und Unabhängigkeit des Prüfers regelt die Abschlussprüfer-RL.


Die weiteren ESME-Vorschläge zur Vermeidung von Interessenkonflikten entsprechen den aus dem Recht der [[Abschlussprüfer]] bekannten Ansätzen. Auf die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern soll mit einer Pflicht zur Offenlegung reagiert werden, wenn die Einnahmen aus dem Rating eines einzelnen Emittenten 10 % der Gesamteinnahmen aus allen Ratings überschreiten. Dieser Standard blieb noch hinter dem für Abschlussprüfer geltenden zurück, denn im Recht der Abschlussprüfung bestehen nicht nur Offenlegungs-, sondern Inhabilitätsregeln für als zu groß befundene finanzielle Abhängigkeiten. Referenzgrößen sind dort außerdem nicht allein die Einnahmen aus der Abschlussprüfung, sondern auch die Summe der Einnahmen aus Abschlussprüfung und sonstigen Leistungen. Diese und weitere Verbesserungsvorschläge wurden zunächst im Wege von Konkretisierungen der IOSCO-Empfehlungen umgesetzt, also weiterhin auf freiwilliger Grundlage.
Der Jahresabschluss ist grundsätzlich offen zu legen, beim Lagebericht kann das nationale Recht bloße Hinterlegung vorsehen, soweit für die Offenlegung eines entsprechenden Hinweises und kostenneutrale Zugänglichkeit gesorgt ist. Größenabhängige Erleichterungen gelten für die GmbH. Um die Verlässlichkeit der Information leicht überprüfbar zu machen, gelten schließlich ausführliche und besonders umfassende Offenlegungspflichten für den Bestätigungsvermerk des Prüfers.
 
Am 23.4.2009 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Ratingagenturen vom 12.11.2008 (SEK(2008) 2745/‌2746) von Europäischen Parlament und Rat angenommen. Damit werden die IOSCO-Empfehlungen in eine unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbare Regulierung übersetzt. Hervorzuheben ist das verpflichtende Verbot einer Leistungskombination von Rating und Beratung. Erhöhte Qualifikationsanforderungen werden durch eine Pflicht zur Einrichtung einer internen Qualitätsüberwachung abgesichert. Die Publizität wird verstärkt durch einen Transparenzbericht sowie die Offenlegung von Modellen, Methoden und grundlegenden Annahmen, auf die sich die Ratings stützen. Weiter sind Ratings komplexer Produkte zu kennzeichnen. Eine Verbesserung der ''[[Corporate Governance]]'' von Rating-Agenturen soll durch die Bestellung von zwei unabhängigen Mitgliedern in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat bewirkt werden, denen eine Amtszeit von höchstens fünf Jahren zu gewähren ist und die bei beruflichem Fehlverhalten entlassen werden können. Bei zumindest einem Mitglied muss es sich um einen Experten für Verbriefungen und strukturierte Finanzinstrumente handeln. Die Vergütung der unabhängigen Mitglieder muss vom Unternehmensergebnis der Ratingagentur entkoppelt sein.
 
Die jetzt verpflichtenden Regeln waren zu weiten Teilen bereits zuvor auf freiwilliger Basis anerkannt, müssen sich aber fortan auch als zwingendes Recht praktisch bewähren. Mit der neuen Verordnung ist eine geradezu offensichtliche Lücke im europäischen Recht der Informationsintermediäre geschlossen worden, indem die auf Rating-Agenturen anwendbaren Regeln deutlich an die für andere [[Finanzintermediär]]e im weiteren Sinne, also [[Abschlussprüfer]] und [[Finanzanalyst]]en geltenden Standards angenähert wurden.
 
== 5. Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven ==
Der Blick auf künftige Vereinheitlichungsprojekte und Perspektiven war gerade bei Rating-Agenturen lange Zeit ein Blick in eine ungewisse Zukunft. Noch nach der Mitteilung der Europäischen Kommission von 2006 sollte auf einschneidende Legislativmaßnahmen verzichtet werden können. Spätestens mit dem Ende 2008 veröffentlichten Kommissionsvorschlag zu einer Verordnung über Rating-Agenturen wurde aber klar, dass weite Teile der bis zuletzt allein von den IOSCO-Empfehlungen erfassten Regelungsbereiche in verpflichtendes Recht überführt werden würden.
 
Für die Fortentwicklung der regulatorischen Indienstnahme der Rating-Agenturen in Europa wird weiterhin die Arbeit des Ausschusses der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (''Committee of European Banking Supervisors'', CEBS) von Bedeutung sein. Maßgeblich von dessen Arbeiten hängt der Fortschritt bei der Konvergenz der Verfahren zur Anerkennung von Rating-Agenturen im Bereich der Eigenkapitalbewertung von Kreditinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen ab.
 
Übergreifendes Petitum der europäischen Integration sollte es sein, innerhalb der gewachsenen Informationsmärkte unnötige Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber im Rating-Markt zu vermeiden. Denn ein grundsätzliches und in seinen Auswirkungen bislang weder europäisch noch international abschließend geklärtes Problem ergibt sich aus der Konzentration des Markts für Ratings großer börsennotierter Unternehmen. Das weltweite Oligopol besteht aus zwei großen und einer kleineren Rating-Agentur: ''Moody’s'', ''Standard & Poor‘s'', ''Fitch'', allesamt US-amerikanischer Prägung. Der Markt der Rating-Agenturen ist damit sogar noch stärker konzentriert als derjenige der [[Abschlussprüfer]] – mit allen dort näher beschriebenen Gefahren oligopolistischer Marktstrukturen.
 
Die Ursachen für die Marktkonzentration werden bei den Rating-Agenturen zum Teil in den erstmals im Jahre 1975 eingeführten US-amerikanischen Akkreditierungserfordernissen gesucht. Die Registrierung ist zu erteilen bei Nachweis einer gewissen Akzeptanz der Bonitätsbeurteilungen im Markt. Mit dem ''Credit Rating Reform Agency Act'' von 2006 wurde das Problem möglicher Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter erkannt und ein formelles Zulassungsverfahren eingeführt, das jedoch weiter auf Marktpräsenz und ‑akzeptanz setzt.
 
Der Rating-Markt wird nach wie vor durch US-amerikanische Anbieter dominiert. Wie für die europäische Integration im Recht der Finanzintermediäre insgesamt ist deshalb der transatlantische Dialog, insbesondere mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht (''Securities and Exchange Commission'', SEC), europäisch wie international über die IOSCO fortzuführen und weiter zu intensivieren.
 
Zu den künftigen Herausforderungen zählt die Grundsatzfrage, ob und in inwieweit Rating-Agenturen in ein übergreifendes Konzept der Marktzugangskontrolle durch Informationsintermediäre (''gatekeeping'') eingebunden werden können und sollten. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Regulierungsfrage die über Rating-Agenturen hinaus sämtliche [[Finanzintermediär]]e, also auch [[Abschlussprüfer]] und [[Finanzanalyst]]en betrifft.


==Literatur==
==Literatur==
''Holger Fleischer'','' ''Empfiehlt es sich im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt und Börsenrecht neu zu regeln, Gutachten F zum 64. Deutschen Juristentag, 2002; ''Mathias Habersack'', Rechtsfragen des Emittenten-Ratings, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 169 (2005) 185 ff.;'' Gérard Hertig'','' ''Using Basel II to Facilitate Access to Finance, in: Klaus J. Hopt, Eddy Wymeersch, Hideki Kanda, Harald Baum, (Hg.), Corporate Governance in Context, 2005, 511 ff.;'' Arthur R. Pinto'', Control and Responsibility of Rating Agencies in the United States, American Law Journal, Supplement, 54 (2006) 341 ff.; ''John C. Coffee'','' ''Gatekeepers, 2006; ''Hans E. Büschgen'', ''Oliver Everling'', (Hg.), Handbuch Rating, 2. Aufl. 2007; ''The Committee of European Securities Regulators'','' ''CESR’s Second Report to the European Commission on the Compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code and the Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance, Ref: CESR/‌08-277, Mai 2008; ''European Securities Markets Expert Group'','' ''ESME’s Report to the European Commission: Role of Credit Rating Agencies, 2008; ''Jan von Hein'','' ''Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, 2008; ''Patrick C. Leyens'', Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 423 ff.
''Jens Ekkenga'', Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998; ''Peter Hommelhoff'', Europäisches Bilanzrecht im Aufbruch, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 62 (1998) 381 ff.; ''Bernhard Großfeld'', Internationale Standards der Rechnungslegung, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 1999, 1143 ff.; ''Karel van Hulle'', Die Reform des Europäischen Bilanzrechts, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2000, 537 ff.; ''Claus Luttermann'', International Accounting Standards in der Europäischen Union, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2000, 1318 ff.; ''Stefan Grundmann'', Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004 (englische Fassung mit ''Florian Möslein'', 2007); ''Michael Asche'','' ''Europäisches Bilanzrecht und nationales Gesellschaftsrecht, 2007; ''Werner F. Ebke'', Rechnungslegung und Publizität aus europarechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, in: idem, Claus Luttermann, Stanley Siegel (Hg.), Internationale Rechnungslegungsstandards für börsenunabhängige Gesellschaften, 2007, 67 ff.; ''Henning Zülch'','' Matthias Hendler'', Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards, 2008.


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Version vom 7. September 2021, 17:40 Uhr

von Florian Möslein

1. Gegenstand und Funktionen

Das Recht der Rechnungslegung bildet ein „Herzstück des Europäischen Gesellschaftsrechts“ (Stefan Grundmann): In seinem Regelungsbestand gilt es als eines der am breitesten und tiefsten harmonisierten Rechtsgebiete des Privatrechts, funktional spielt es eine tragende Rolle für Publizität und Transparenz – und damit auch für das so stilbildende Informationsmodell des Europäischen Gesellschaftsrechts.

Im Gegensatz zur internen Kostenrechnung dient die Rechnungslegung der Dokumentation unternehmerischer Vorgänge für externe Zwecke, insbesondere für die Handels- und Steuerbilanz. Die europäischen Rechnungslegungsregeln allerdings gelten derzeit, auch aus Kompetenzgründen, unmittelbar nur für die handelsrechtliche Rechnungslegung. Diese steht jedoch keineswegs unverbunden neben der Steuerbilanz, sondern kann auch als Grundlage für die Besteuerung dienen. Geltung und Umfang dieser sog. Maßgeblichkeit hängen vom nationalen (Steuer‑) Recht ab. Als Folge können die europäischen Rechnungslegungsregeln im Wege der quasi-richtlinienkonformen Auslegung durchaus auch ins nationale Steuerbilanzrecht ausstrahlen. Unabhängig davon erarbeitet die Kommission derzeit Regelungsvorschläge für eine (optionale) Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Sie würde die steuerliche Rechnungslegung ganz unmittelbar betreffen, und soll nach derzeitigem Stand ihrerseits vielfach auf die geltenden handelsrechtlichen Regeln Bezug nehmen.

Das Geschäftsergebnis, das sich aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung ergibt, dient potentiell nicht nur als Maßstab für Besteuerungszwecke, sondern auch für Gewinnfeststellung und ‑verwendung. Es kann auch die Höhe der zulässigen Ausschüttungen begrenzen. Diese sog. Referenzwertfunktion der Rechnungslegung hängt jedoch (wiederum) maßgeblich vom nationalen (Gesellschafts‑)Recht ab. Die Informationsfunktion selbst hingegen ist rechtsformübergreifend im europäischen Rechnungslegungsrecht verankert und steht auch funktional ganz im Vordergrund: Jahres- und Konzernabschluss (Abschlussprüfer) sollen vor allem ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Lage (und Aussichten) eines Unternehmens oder Konzerns geben.

Die funktionale Grundsatzfrage lautet dann allerdings, wessen Information die Rechnungslegung primär dienen soll. Weil es um Bewertungsfragen geht, kann Rechnungslegung schlicht kein vollständig objektives Bild liefern. Ob beispielsweise Forderungen mit nominalen, effektiv abgesicherten oder sogar nur mit bereits realisierten Beträgen anzusetzen sind, werden tendenziell risikoscheue Gläubiger ganz anders beurteilen als Anleger, denen es in erster Linie um Gewinnaussichten geht. Die einzelnen Mitgliedstaaten bevorzugen traditionell diametral unterschiedliche Blickwinkel: Während Großbritannien mit dem Grundsatz des true and fair view seit jeher die Anlegerperspektive stärker betonte, stand in Kontinentaleuropa das eher gläubigerorientierte Vorsichtsprinzip im Vordergrund. Das europäische Richtlinienrecht geht einen Mittelweg: Es formuliert zwar an prominenter Stelle den Grundsatz des true and fair view, folgt aber in vielen Einzelregeln dem Vorsichtsprinzip, von dem es dann allerdings wiederum Abweichungen erlaubt. Die Ausübung dieser zahlreichen Wahlrechte (meist zu Gunsten der Mitgliedstaaten, jedoch mit Möglichkeit der Weitergabe an die Unternehmen) entscheidet letztlich darüber, welcher Zielgruppe die Informationen die Rechnungslegung primär zu dienen geeignet sind. Eindeutiger auf die Funktion der Anlegerinformation zugeschnitten sind erst die einheitlichen Rechnungslegungsregeln der International Financial Reporting Standards (IFRS), die inzwischen (nur) für kapitalmarktorientierte Konzerne gemeinschaftsweit vorgeschrieben sind.

2. Regelungsbestand und Entwicklungstendenzen

Die Rechnungslegung bildet seit jeher einen zentralen Baustein des gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsprogramms. Ausgangspunkt ist in der Sache bereits die Publizitäts-RL von 1968 (1. gesellschaftsrechtliche RL 68/‌151), deren Art. 2(1)(f) sämtliche Kapitalgesellschaften zunächst zur Erstellung und Offenlegung ihrer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtete. Seit ihrer Novelle von 2003 verpflichtet die Regelung darüber hinaus zur Publizität der gesamten Rechnungslegung. Die inhaltliche Angleichung der Rechnungslegungsregeln war andererseits bereits Gegenstand von Vorarbeiten und ersten Regelungsvorschlägen, die bis ins Jahr 1965 zurückreichen und zunächst ausschließlich kontinentaleuropäisch geprägt waren. Der Beitritt Großbritanniens erforderte jedoch Kompromisse, wie sie schließlich die beiden wichtigsten Rechnungslegungs-Richtlinien, die Jahresabschluss-RL (4. gesellschaftsrechtliche RL 78/‌660) und die Konzernabschluss-RL (7. gesellschaftsrechtliche RL 83/‌349) kennzeichnen, die 1978 bzw. 1983 verabschiedet wurden. Beide Richtlinien erfassen nur Kapitalgesellschaften, diese jedoch umfassend (AG, GmbH, KGaA); eine spezielle Richtlinie aus dem Jahr 1990 erweitert den Anwendungsbereich auf Kapitalgesellschaften & Co. KG. Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurden die Richtlinien schließlich grundlegend reformiert, um sie mit den Vorschriften der IFRS abzugleichen oder jedenfalls die Aufstellung von Rechnungslegung zu ermöglichen, die beiden Regimen genügt.

Die IFRS-VO (VO 1606/‌2002) selbst wurde im Jahr 2002 verabschiedet. Der Rechtsakt ist eine Antwort auf das Vordringen der US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP), die bei Notierung an US-amerikanischen Kapitalmärkten auch für europäische Gesellschaften gelten. Weil die geltenden europäischen Rechnungslegungsrichtlinien keinerlei Aussicht auf weltweite Anerkennung hatten und man umgekehrt europäischen Unternehmen nicht einfach gestatten wollte, ausschließlich nach US-GAAP zu bilanzieren, wird in der Verordnung auf die Rechnungslegungsregeln eines privaten Regelgebers zurückgegriffen: Die IFRS, die grundsätzlich ebenfalls der angloamerikanischen, anlegerorientierten Bilanzierungsphilosophie verpflichtet sind, werden vom International Accounting Standards Board (IASB) ausgearbeitet, das sich aus Vertretern professioneller Kreise und der Aufsichtsbehörden zusammensetzt. Die Chancen auf weltweite Anerkennung stehen nach derzeitigem Stand gut, langfristig erwartet man eine (vorsichtige) Konvergenz von IFRS und US-GAAP. Die IFRS-VO selbst beschränkt sich darauf, die Anwendungsvoraussetzungen der IFRS zu präzisieren und gewisse, sehr allgemeine Kriterien aufzustellen, denen die IFRS dauerhaft genügen müssen.

Die europäischen Rechtsakte zum materiellen Rechnungslegungsrecht werden schließlich von der Abschlussprüfer-RL ergänzt, die ursprünglich 1984 als 8. gesellschaftsrechtliche RL (RL 84/‌‌253) erlassen und 2006 (RL 2006/‌43) grundlegend neu gefasst wurde (Abschlussprüfer).

3. Rechnungslegungsbestandteile und ‑grundsätze

Sowohl nach Jahresabschluss-RL als auch nach IFRS (und US-GAAP) bildet der Jahresabschluss den Hauptbestandteil der Rechnungslegung. Er umfasst die Bilanz (balance sheet), d.h. die rechnerische Gegenüberstellung des Vermögens (Aktiva) und der Schulden (Passiva) zum Ende des Geschäftsjahres, die Gewinn- und Verlustrechnung (income statement), die die Ertrags- und Aufwandsentwicklung im Berichtszeitraum gegenüberstellt, sowie den Anhang. Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung ergänzen sich gegenseitig, indem sie einerseits über Bestandswerte, andererseits über Stromgrößen informieren. Im Ergebnis stimmen sie notwendig überein, weil die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag dem Anstieg oder der Minderung der Aktiva und Passiva entspricht. Während diese beiden Instrumente quantitative Unternehmensangaben liefern, stellt der Anhang (notes) ergänzende und erläuternde verbale Informationen bereit. Erklärt werden muss insbesondere die Ausübung der zahlreichen Bilanzierungswahlrechte, um Missverständnisse bei der Interpretation des Jahresabschlusses zu vermeiden.

Dieser dreiteilige, eigentliche Jahresabschluss wird durch weitere Angaben ergänzt. Hier unterscheiden sich die Anforderungen nach Jahresabschluss-RL und IFRS auch formal. Die Richtlinie verlangt einen Lagebericht, der vor allem dazu dient, den vergangenheitsorientierten Jahresabschluss um zeitnähere und zukunftsorientierte verbale Angaben zu ergänzen. Die IFRS fordern hingegen Kapitalflussrechnung (cash flow statement), Eigenkapitalentwicklung (statement of all changes in equity) und Segmentberichterstattung (business bzw. geographical segments).

Für die Bilanz geben die IFRS nur Mindestinhalte vor, während die Jahresabschluss-RL ein weitgehend festes Gliederungsschema fordert. Die Mitgliedstaaten haben zwar die Wahl zwischen zwei Formen, die sich aber ausschließlich in der Darstellungsform, nicht in der Reihenfolge der Einzelposten unterscheiden. Die Aktivposten werden unterteilt in Anlagevermögen (immaterielle Vermögensgegenstände, Sach- und Finanzanlagen), Umlaufvermögen (Vorräte, Forderungen, Wertpapiere und Bar- bzw. Buchgeld) und sonstige Posten (vor allem Rechnungsabgrenzungsposten), zu den Passivposten gehören Eigenkapital (gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinn- oder Verlustrücklage, Jahresergebnis), Rückstellungen und Verbindlichkeiten sowie wiederum sonstige (Rechnungsabgrenzungs‑)Posten.

Für jeden Einzelposten stellen sich die Kernfragen der Bilanzierung: Ist ein Posten überhaupt anzusetzen (Aktivierungs- bzw. Passivierung), in welchem Berichtszeitraum (Periodenabgrenzung), und mit welchem Wert (Bewertung)? Die Jahresabschluss-RL sieht zahlreiche Wahlrechte vor. Sie statuiert aber allgemeine Grundsätze – teils für die Bewertung (going concern, wirtschaftliche Betrachtungsweise, Vorsichtsprinzip), teils übergreifend (true and fair view) –, welche die Wahlfreiheit wiederum beschränken. Für Ansatz und Bewertung kommt es letztlich häufig auf die – vorsichtige oder eher realistische – Bilanzierungsphilosophie an. Dass die Richtlinie insoweit keinen eindeutigen Standpunkt bezieht, führt zu Streitfragen, die der EuGH jedenfalls in der Rechtssache Tomberger (EuGH Rs. 234/‌94, Slg. 1996, I-3133) den Mitgliedstaaten zur Entscheidung überließ. Die Richtlinie statuiert neben diesen materiell bedeutsamen noch einige eher formale, größtenteils konsentierte Rechnungslegungsgrundsätze (Klarheit und Übersichtlichkeit, Stetigkeit, hinreichende Genauigkeit und Darstellungstiefe), die Transparenz und Verständlichkeit der gegebenen Information sicherstellen sollen. Die IFRS enthalten demgegenüber erheblich weniger Unternehmenswahlrechte (und als Einheitsrecht keinerlei Mitgliedstaaten-Wahlrechte), erfordern allerdings umgekehrt ungleich häufigere Neubewertungen (potentielle Einbuße an Stetigkeit).

4. Konzernkonsolidierung und Sonderregime

Die Konzernabschluss-RL enthält Sonderregeln für Gesellschaften, die in Konzerne eingebunden sind. Hier genügt grundsätzlich ein einziger Abschluss, nämlich der Konzernabschluss der Muttergesellschaft. Dieser ergibt sich jedoch nicht schlicht aus einer Addition der imaginären Einzelabschlüsse, weil diese teils nach unterschiedlichen Regimen erfolgen und vor allem auch Geschäfte und Beteiligungen innerhalb des Konzerns enthalten würden. Die Konzernabschluss-RL basiert deshalb zwar grundsätzlich auf den Rechnungslegungsregeln für den Einzelabschluss, sieht aber spezielle Konsolidierungsregeln für den Konzernverbund vor. Außerdem definiert sie den Konsolidierungskreis (auf Grundlage des Kontrollkonzepts) und präzisiert den Anwendungsbereich, soweit sich dieser Konsolidierungskreis aus verschiedenerlei Gesellschaftsformen zusammensetzt.

Bereits mehrfach angesprochen wurden die Rechnungslegungsregeln der IFRS, einschließlich ihrer inhaltlichen Abweichungen zur Jahresabschluss-RL. Nach der IFRS-VO sind diese Regeln (und nicht die Konzern- bzw. Jahresabschluss-RL) für Muttergesellschaften von Konzernen unmittelbar verbindlich, soweit Effekten zumindest eines der verbundenen Unternehmen auf einem geregelten Markt notiert sind. Darüber hinaus räumt die IFRS-VO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Anwendung der IFRS auch für Einzelgesellschaften und nicht kapitalmarktorientierte Konzerne vorzuschreiben oder zumindest zu erlauben. Die Regeln der Jahresabschluss- und Konzernabschluss-RL brauchen auch in diesem Fall nicht eingehalten werden.

Sonderregime gelten schließlich für Banken und Versicherungen, weil in diesen Branchen Vertraulichkeit eine besonders große Rolle spielt und Offenlegungspflichten, insbesondere zur Aufdeckung stiller Reserven, deshalb gewissen Einschränkungen unterworfen wurden. Außerdem machen branchenspezifische Besonderheiten Spezifikationen bei zahlreichen Einzelposten erforderlich, vor allem natürlich bei den Finanzprodukten.

5. Prüfung und Offenlegung

Um die Verlässlichkeit der Rechnungslegungsinformationen auch prozedural zu gewährleisten, besteht eine Pflicht zur Abschlussprüfung. Die Anforderungen an Fähigkeiten und Unabhängigkeit des Prüfers regelt die Abschlussprüfer-RL.

Der Jahresabschluss ist grundsätzlich offen zu legen, beim Lagebericht kann das nationale Recht bloße Hinterlegung vorsehen, soweit für die Offenlegung eines entsprechenden Hinweises und kostenneutrale Zugänglichkeit gesorgt ist. Größenabhängige Erleichterungen gelten für die GmbH. Um die Verlässlichkeit der Information leicht überprüfbar zu machen, gelten schließlich ausführliche und besonders umfassende Offenlegungspflichten für den Bestätigungsvermerk des Prüfers.

Literatur

Jens Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998; Peter Hommelhoff, Europäisches Bilanzrecht im Aufbruch, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 62 (1998) 381 ff.; Bernhard Großfeld, Internationale Standards der Rechnungslegung, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 1999, 1143 ff.; Karel van Hulle, Die Reform des Europäischen Bilanzrechts, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2000, 537 ff.; Claus Luttermann, International Accounting Standards in der Europäischen Union, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2000, 1318 ff.; Stefan Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004 (englische Fassung mit Florian Möslein, 2007); Michael Asche, Europäisches Bilanzrecht und nationales Gesellschaftsrecht, 2007; Werner F. Ebke, Rechnungslegung und Publizität aus europarechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, in: idem, Claus Luttermann, Stanley Siegel (Hg.), Internationale Rechnungslegungsstandards für börsenunabhängige Gesellschaften, 2007, 67 ff.; Henning Zülch, Matthias Hendler, Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards, 2008.