Prospekthaftung und Prozesskostenhilfe: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Alexander Hellgardt]]''
von ''[[Christian Heinze]]''
== 1. Einleitung und Begrifflichkeiten ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Die meisten europäischen Rechtsordnungen kennen eine spezielle Haftung für das Inverkehrbringen von unrichtigen oder unvollständigen Prospekten. Diese Haftung lässt sich teilweise bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. So stammen die Leitentscheidungen zur deliktischen Prospekthaftung in England aus den Jahren 1873 (''Peek v. Guerney'' (1873) LR 6 HL 377) und 1889 (''Derry v. Peek'' (1889) LR 14 App Cas 337). In Deutschland wurde im Börsengesetz von 1896 erstmals eine spezialgesetzliche Prospekthaftung normiert; die aktienrechtliche Gründerhaftung war bereits 1884 in das [[Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch||ADHGB]] aufgenommen worden.
<nowiki>Prozesskostenhilfe bezeichnet die staatlichen Hilfen für Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um wirksamen Zugang zu den Gerichten zu erlangen (vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 Prozesskostenhilfe-RL [RL&nbsp;2003/‌8]). Historischer Vorläufer der Prozesskostenhilfe ist das Armenrecht, das sich bereits in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsordnungen fand und eine Stundung der Gerichtsgebühren sowie die Beiordnung eines Anwalts vorsah (etwa §&nbsp;27 Reichskammergerichtsordnung 1495). Im modernen Recht erfüllt die Prozesskostenhilfe nebst ihrem vorprozessualen Pendant, der Beratungshilfe, nicht nur eine sozialstaatliche, sondern auch eine eminent rechtsstaatliche Funktion, verlangt doch das Recht auf ein</nowiki> [[Faires Verfahren]], dass der Zugang zu Gericht durch fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht faktisch verschlossen sein darf.


Unter Prospekthaftung versteht man die Haftung für fehlerhafte, d.h. inhaltlich unrichtige oder unvollständige Prospekte. Neueren Datums ist die Haftung für die pflichtwidrige Nichtveröffentlichung eines Prospekts. Erfasst werden nicht sämtliche Prospekte, sondern vornehmlich solche, die beim erstmaligen öffentlichen Angebot oder der Börsenzulassung von massenhaft vertriebenen Kapitalanlagen zu veröffentlichen sind. Das besondere Bedürfnis nach einem Prospekt folgt in diesen Fällen daraus, dass beim erstmaligen Angebot einer Kapitalanlage, etwa dem Börsengang (''initial public offering'', IPO) einer Aktiengesellschaft, zwischen dem Anbieter und dem Publikum eine ''Informationsasymmetrie'' hinsichtlich der Renditeaussichten der Anlage und damit ihres Wertes besteht. Anders als beim Vertrieb von Waren, deren Qualität sich durch eine körperliche Untersuchung überprüfen lässt, sind die Ersterwerber (Zeichner) von Kapitalanlagen allein auf die Angaben des Emittenten, Anbieters und eventuell der emissionsbegleitenden Bank angewiesen. Gleichzeitig weisen Kapitalanlagen, insbesondere Aktien, einen hohen Grad an Standardisierung auf, der eine einheitliche Information des Publikums sinnvoll erscheinen lässt. Sind die Kapitalanlagen dann einmal emittiert, bildet sich zumindest bei börsennotierten Papieren – ein Markt- oder Börsenpreis, der potentiellen Käufern einen Anhaltspunkt für die Werthaltigkeit der Anlage geben kann. Die Prospekthaftung behandelt daher nur den Fall der Emission (auch ''Primärmarkt'' genannt), während die Haftung für im späteren Börsenhandel (''Sekundärmarkt'') bestehende Informationspflichten erst ein relativ neues Phänomen ist (siehe dazu [[Kapitalmarktpublizität]]).
== 2. Prozesskostenhilfe als Justizgrundrecht ==
So verpflichtet das durch Art.&nbsp;6(1) EMRK ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]) garantierte Recht auf Gerichtszugang die Mitgliedstaaten der EMRK, finanziell bedürftigen Prozessparteien den Zugang zu den Gerichten durch Prozesskostenhilfe zu sichern, wenn entweder im betreffenden Gerichtsverfahren Anwaltszwang besteht oder aufgrund der Komplexität des Falles oder des Verfahrens die bedürftige Partei ihre Rechte allein nicht wirksam geltend machen kann (EGMR Nr.&nbsp;6289/‌73 – ''Airey'', §&nbsp;24&nbsp;ff.; EGMR Nr.&nbsp;68416/‌01 – ''Steel and Morris'', §&nbsp;61, ausdrücklich nunmehr auch Art. 47(3) GRCh). Die konkrete Ausgestaltung der Verfahrenshilfen bleibt zwar – unter dem Vorbehalt der Gewährleistung wirksamen Gerichtszugangs – den Mitgliedstaaten überlassen, die neben der Beiordnung von Rechtsanwälten auf Staatskosten und dem Erlass der Gerichtsgebühren in einfachen Fällen auch die Möglichkeit der Selbstvertretung oder eine Unterstützung durch staatliche Rechtsberatungsstellen vorsehen können. Allerdings ist das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, wenn unter den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalles die bedürftige Partei ihre Rechte nur durch einen Rechtsanwalt wirksam geltend machen kann (EGMR Nr. 46311/‌99 ''McVicar'', §&nbsp;48). Zumindest verwandt mit dem Institut der Prozesskostenhilfe ist die Kontrolle anderer wirtschaftlicher Hindernisse des Gerichtszugangs am Maßstab des Art.&nbsp;6(1) EMRK. So kann auch die Pflicht zur Zahlung unverhältnismäßig hoher Gerichtsgebühren (EGMR Nr.&nbsp;28249/‌95 – ''Kreuz'', §&nbsp;60, 66) das Recht auf Gerichtszugang und faires Verfahren gemäß Art.&nbsp;6(1) EMRK verletzen (großzügiger zum Erfordernis einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten der Gegenseite in zweiter Instanz EGMR Nr.&nbsp;18139/‌91 – ''Tolstoy Miloslawsky'', §&nbsp;61&nbsp;f., 67).


== 2. Vorfrage: Prospektpflichten ==
Das Recht auf Prozesskostenhilfe ist ebenso wie sämtliche Verfahrensgrundrechte nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern kann an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden, namentlich die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers und die hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens, für das Prozesskostenhilfe beantragt wird (EGMR Nr.&nbsp;68416/‌01 – ''Steel and Morris'', §&nbsp;63). Allerdings obliegt die Entscheidung über die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens dem Gericht und nicht einer staatlichen Rechtshilfestelle (EGMR Nr. 25357/‌94 – ''Aerts'', §&nbsp;60). Durch die Prozesskostenhilfe müssen die Mitgliedstaaten nicht eine vollständige (finanzielle und) prozessuale Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien herstellen, sondern es genügt, wenn der bedürftigen Partei die Möglichkeit eröffnet wird, ihr Rechtsschutzanliegen unter Bedingungen vorzutragen, die sie gegenüber dem Prozessgegner nicht substantiell benachteiligen (EGMR Nr. 68416/‌01 – ''Steel and Morris'', §&nbsp;62; vgl. auch Erwägungsgrund 4 RL 2003/‌8). Wird die Prozesskostenhilfe in einem Verfahren mit Anwaltszwang unter unrichtiger Einschätzung der Verfügbarkeit eines Rechtsmittels ohne Prüfung der sachlichen Erfolgsaussichten verweigert, so liegt darin eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (EGMR Nr.&nbsp;77765/‌01 – ''Laskowska'', §&nbsp;60).  
Aufgrund der besonderen Wichtigkeit verlässlicher Informationen über erstmalig öffentlich vertriebene Kapitalanlagen und in Reaktion auf diverse Skandale haben die meisten westeuropäischen Staaten gesetzliche Prospektpflichten eingeführt. Teilweise folgte die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts auch aus den Börsenordnungen. Im besonders wichtigen Bereich der Wertpapieremissionen nahm die EG in den 1980er Jahren eine Minimalharmonisierung vor. Die Börsenzulassungsprospekt-RL (RL&nbsp;80/‌390) regelte die Prospektpflichten bei der Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse. Dagegen koordinierte die RL&nbsp;89/‌298 die Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren veröffentlicht werden musste. Diese europarechtlich angelegte Zweiteilung wurde von vielen Mitgliedstaaten allerdings nicht nachvollzogen, die stattdessen sämtliche Wertpapierprospekte dem strengeren Regime der Börsenzulassungsprospektrichtlinie unterwarfen. Das erwies sich letztlich als wesentliches Hindernis für die Entstehung eines europaweit einheitlichen Kapitalmarkts und führte zum Erlass der Wertpapierprospekt-RL'' ''(RL&nbsp;2003/‌71), die im Rahmen einer Maximalharmonisierung ein europaweit einheitliches Regime für Wertpapierprospekte schuf. Die Differenzierung zwischen Börsenzulassungsprospekten und Prospekten für das (außerbörsliche) öffentliche Angebot wurde gänzlich aufgegeben. Vervollkommnt wurde die Maximalharmonisierung der Wertpapierprospektpflichten durch den Erlass der VO&nbsp;809/‌2004 zur Umsetzung der Wertpapierprospekt-RL. Dabei handelt es sich um eine Durchführungsmaßnahme auf Stufe&nbsp;2 des sogenannten ''Lamfalussy-Verfahrens'', die den Inhalt und die Gestaltung von Wertpapierprospekten im Wege unmittelbar geltenden Europarechts vereinheitlicht hat.


Was ein Wertpapier im Sinne der Prospektrichtlinie ist, regelt Art. 4(1) Nr.&nbsp;18 der Finanzmarkt-RL (auch MiFID, RL&nbsp;2004/‌39, [[Finanzinstrument]]e). Es handelt sich vor allem um Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere führen (derivative Wertpapiere). Neben diesem europarechtlich vereinheitlichten Bereich der Wertpapierprospekte existieren in einer Reihe europäischer Staaten weitere Prospektpflichten für den Vertrieb nicht wertpapiermäßig verbriefter Kapitalanlagen. So kennt etwa das österreichische Recht eine Prospektpflicht für den Vertrieb von „Veranlagungen“ und in Deutschland wurde 2005 eine Prospektpflicht für den Vertrieb von „Vermögensanlagen“ eingeführt.
Auch verschiedene mitgliedstaatliche Verfassungen garantieren ein Recht auf Prozesskostenhilfe (Deutschland: BVerfG 22.1.1959, BVerfGE 9, 124, 130&nbsp;f.; BVerfG 19.2.2008, NJW 2008, 1060: Art.&nbsp;3 Abs.&nbsp;1 i.V.m. 20 Abs.&nbsp;1, 3 Grundgesetz, Schweiz: Art.&nbsp;29 Abs.&nbsp;3 Bundesverfassung; Spanien: Art.&nbsp;119 der spanischen Verfassung), zumindest auf einfachgesetzlicher Ebene existiert ein entsprechendes Institut wohl in allen europäischen Prozessordnungen (Deutschland: §§&nbsp;114&nbsp;ff. ZPO; England: ''Access to Justice Act&nbsp;1999''<nowiki>; Frankreich: </nowiki>''Loi No.&nbsp;91-647'' vom 10.7.1991 ''relative á l’aide juridique'' und ''décret n°&nbsp;91-1266'' vom 18.12.1991<nowiki>;</nowiki> Italien: ''Decreto del Presidente della Repubblica'' vom 30.5.2002 n.&nbsp;115; Österreich: §§&nbsp;63&nbsp;ff. ZPO; Schweiz: Art.&nbsp;115&nbsp;ff. ZPO; Spanien: Art.&nbsp;1&nbsp;ff. ''Ley&nbsp;1/‌1996 de 10.1.1996 de Asistencia Jurídica Gratuita''). Auf europäischer und internationaler Ebene widmen sich neben der RL 2003/‌8 über die Prozesskostenhilfe bei grenzüberschreitenden Streitsachen die Art.&nbsp;20&nbsp;ff. des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1.3.1954, das Europäische Übereinkommen über die Übermittlung von Anträgen auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 27.1.1977 sowie das Haager Übereinkommen über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 25.10.1980 den internationalen Fragen der Prozesskostenhilfe.


== 3. Europarechtliche Vorgaben für die Prospekthaftung ==
== 3. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Im auffälligen Gegensatz zum Detaillierungsgrad der Prospektpflichten selbst steht die fehlende Vereinheitlichung der Prospekthaftung auf europäischer Ebene. Die Wertpapierprospekt-RL enthält in Art.&nbsp;6 lediglich eine ''Minimalvorgabe''. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass je nach Fall zumindest der Emittent oder dessen Verwaltungs-, Management- bzw. Aufsichtsstellen, der Anbieter, die Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, oder der Garantiegeber für die in einem Prospekt enthaltenen Angaben haftet. Gemäß Art.&nbsp;6(1)(2) sind die verantwortlichen Personen im Prospekt eindeutig zu benennen nebst einer Erklärung, dass ihres Wissens die Angaben in dem Prospekt richtig sind und darin keine Tatsachen verschwiegen werden, die die Aussage des Prospekts verändern können. Nach Art.&nbsp;6(2)(I) stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Bereich der Haftung für die Personen gelten, die für die in einem Prospekt enthaltenen Angaben verantwortlich sind. Europarechtlich vorgegeben ist damit nur, dass es überhaupt eine Prospekthaftung geben muss und dass sie mindestens eine der genannten Personen oder Institutionen treffen muss.
<nowiki>Die praktische Bedeutung der Prozesskostenhilfe ist hoch und hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. In Deutschland wurden nach Hochrechnungen für das Jahr 2005 allein für die Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte an den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten von den Ländern ca. EUR 400&nbsp;Mio. verauslagt. Hinzu kommen die ausgefallenen Gerichtsgebühren und die Auslagen für Sachverständige (BR-Drucks.&nbsp;250/‌06, 20). Dabei entfallen 72&nbsp;% der Bewilligungen auf familienrechtliche Verfahren vor den Amtsgerichten und weitere 12&nbsp;% auf arbeitsgerichtliche Verfahren, der Rest entfällt auf allgemeine Zivilsachen vor den Amtsgerichten (7&nbsp;%) und Landgerichten (5&nbsp;%), Familiensachen an den Oberlandesgerichten (2&nbsp;%) sowie verwaltungs- und sozialrechtliche Verfahren (je 1&nbsp;%). Auch in England wurden nach einer Studie aus dem Jahr 2007 66&nbsp;% der Gerichtsverfahren durch Prozesskostenhilfe unterstützt  (http://www.justice.gov.uk/‌docs/‌changing-court-fees.pdf</nowiki> <nowiki> [letzter Zugriff am 3.7. 2009]</nowiki>), wobei sich ebenso wie in Deutschland ein merklicher Schwerpunkt bei den familienrechtlichen Verfahren abzeichnet, von denen zwischen 72&nbsp;% (Scheidungen) und 89&nbsp;% (Vermögensauseinandersetzungen) durch Verfahrenshilfen bestritten werden. Vor diesem Hintergrund bemühen sich die Justizverwaltungen neben der Förderung der alternativen Streitbeilegung und [[Mediation]] zuweilen um gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe, die allerdings auf den Widerstand von Justiz und Anwaltschaft stoßen und sich stets am verfassungs- und menschenrechtlichen Maßstab der wirtschaftlichen Zugänglichkeit der Gerichte messen lassen müssen. In England hat man versucht, die wirtschaftliche Zugänglichkeit der Gerichte ohne staatliche Prozesskostenhilfe durch eine Kombination von ''conditional fee arrangements'' (Erfolgshonorarvereinbarung) mit dem eigenen Anwalt und einer Versicherung für die Kosten der Gegenseite (''after the event insurance'') zu gewährleisten. Indes funktioniert dieses System nur bei versicherbaren Risiken (insbesondere Verkehrsunfallstreitigkeiten) und scheint den Anreiz der Prozessparteien zur Kostenersparnis – ähnlich wie bei den deutschen Modellen der Rechtsschutzversicherung – zu beeinträchtigen. Schließlich deutet die Häufung der Prozesskostenhilfeverfahren in manchen Rechtsgebieten, verbunden mit dem Trend zur Spezialisierung und Segmentierung der Anwaltschaft und der Deckelung der über Prozesskostenhilfe maximal erstattungsfähigen Gebühren darauf hin, dass zum einen über Prozesskostenhilfe nur die Vertretung durch einen bestimmten Teil der Anwaltschaft erreichbar ist und zum anderen komplizierte Verfahren durch die über Prozesskostenhilfe abrechenbaren Gebühren zuweilen nicht kostendeckend bestritten werden können. Wirksamer Zugang zu Gericht setzt daher bei den über Prozesskostenhilfe bestrittenen Verfahren in besonderer Weise die personelle und sachliche Leistungsfähigkeit der Justiz voraus.


Hintergrund dieser Minimalvorgaben im Haftungsbereich waren die Unsicherheiten über die Ausgestaltung der Haftungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten, die als Hindernis für eine materielle Harmonisierung der Prospekthaftung angesehen wurden. Ein vom deutschen Bundesministerium der Finanzen beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Auftrag gegebenes Gutachten über die Rechtslage in den damaligen 15 EU-Mitgliedstaaten, konnte die Verhandlungen insoweit nicht mehr entscheidend beeinflussen.
== 4. Regelungsstrukturen des Gemeinschaftsrechts ==
<nowiki>Aufgrund des Vorrangs der europäischen Prozesskostenhilferichtlinie vor den staatsvertraglichen Regelungen (Art.&nbsp;20 Prozesskostenhilfe-RL) beschränkt sich die folgende Darstellung auf die Richtlinie. Zweck der Prozesskostenhilfe-RL ist die Sicherung und Förderung einer angemessenen Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, indem gemeinsame Mindestvorschriften (vgl. Art.&nbsp;19 Prozesskostenhilfe-RL) für die Prozesskostenhilfe festgelegt werden (Art.&nbsp;1(1), Erwägungsgründe 5 und 8 Prozesskostenhilfe-RL). Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist damit – entgegen ursprünglicher Vorschläge der Kommission – eingedenk der zugrunde liegenden Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft (Art.&nbsp;61, 65(c) EG/‌67, 81(e) AEUV) auf Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug in Zivil- und Handelssachen begrenzt (Art.&nbsp;1(2) Prozesskostenhilfe-RL). Ein grenzüberschreitender Bezug liegt vor, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung seinen Wohnsitz (Art.&nbsp;59 EuGVO [VO 44/‌2001]) oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Land als dem Gerichts- oder Vollstreckungsstaat hat (Art.&nbsp;2 Prozesskostenhilfe-RL). Inhaltlich zielt die Richtlinie auf Zweierlei: Zum einen ordnet Art.&nbsp;4 Prozesskostenhilfe-RL ein </nowiki>[[Diskriminierungsverbot  (allgemein)|Diskriminierungsverbot]] bei der Gewährleistung von Prozesskostenhilfe an, das neben den Unionsbürgern (dazu bereits Art.&nbsp;12, 18 EG/‌18, 21 AEUV) auch Drittstaatsangehörige einbezieht, wenn sich letztere rechtmäßig in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten. Zum anderen schreibt die Richtlinie gewisse Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe in grenzüberschreitenden Streitigkeiten vor. Danach haben an einer grenzüberschreitenden [[Zivil- und Handelssache]] beteiligte natürliche Personen einen Anspruch auf angemessene Prozesskostenhilfe, damit ihr effektiver Zugang zum Recht nach Maßgabe der Richtlinie gewährleistet ist (Art.&nbsp;3 (1) Prozesskostenhilfe-RL). „Angemessene“ Prozesskostenhilfe muss mindestens die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf die außergerichtliche Streitbeilegung (siehe auch Art.&nbsp;10 Prozesskostenhilfe-RL, zur Vollstreckung öffentlicher Urkunden Art.&nbsp;11 Prozesskostenhilfe-RL), den Rechtsbeistand und die rechtliche Vertretung vor Gericht sowie eine Befreiung von den Gerichtskosten (einschließlich der Kosten für gerichtliche Beauftragte wie Gutachter und der Dolmetsch-, Übersetzungs- und Reisekosten i.S.d. Art.&nbsp;7 Prozesskostenhilfe-RL) oder eine Unterstützung bei den Gerichtskosten umfassen (Art.&nbsp;3(2)1 i.V.m. Erwägungsgrund&nbsp;11 Prozesskostenhilfe-RL). Die Kosten der Gegenseite sind nur von der Prozesskostenhilfe umfasst, wenn solche Kosten auch von der Prozesskostenhilfe für Empfänger mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat abgedeckt werden (Art.&nbsp;3(2)2 i.V.m. Erwägungsgrund&nbsp;12 Prozesskostenhilfe-RL). Nach dem Vorbild der ''Airey''-Rechtsprechung des EGMR müssen die Mitgliedstaaten keinen Rechtsbeistand für solche Verfahren vorsehen, die speziell darauf ausgerichtet sind, dass sich die Prozessparteien selbst vertreten, sofern nicht das Gericht oder eine andere zuständige Behörde etwas anderes zur Gewährleistung der Waffengleichheit der Parteien oder in Anbetracht der Komplexität der Sache beschließt (Art.&nbsp;3(3) Prozesskostenhilfe-RL). Die Dauer der Prozesskostenhilfe erstreckt sich nach dem französischen Modell der Kontinuität auch auf Rechtsbehelfsverfahren und Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Art.&nbsp;9(1) – (3) Prozesskostenhilfe-RL, siehe auch Art.&nbsp;50 EuGVO). Allerdings können die Mitgliedstaaten in jeder Phase des Verfahrens eine neuerliche Prüfung des Umfangs und der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe vorsehen (Art.&nbsp;9(4) Prozesskostenhilfe-RL). Auch die Kosten für die Übersetzung eines Prozesskostenhilfeantrags in die Sprache des Gerichtsstaates und ggf. die anwaltliche Betreuung bis zur Antragstellung im Gerichtsstaat sind von der Prozesskostenhilfe umfasst, die insoweit der Wohnsitzstaat des Antragstellers trägt (Art.&nbsp;8 Prozesskostenhilfe-RL).


== 4. Ausgestaltungen in den europäischen Rechtsordnungen ==
Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zunächst die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers, die anhand von Einkommen, Vermögen, Unterhaltspflichten und der Höhe der Lebenshaltungskosten beurteilt wird (Art.&nbsp;5(1) und (2) Prozesskostenhilfe-RL). Zur Bestimmung der finanziellen Bedürftigkeit können die Mitgliedstaaten Schwellenwerte festsetzen, wobei dem Antragsteller der Nachweis der Bedürftigkeit trotz Überschreitens der Schwellenwerte aufgrund der unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten in seinem Heimatstaat möglich bleibt (Art.&nbsp;5(3) und (4) Prozesskostenhilfe-RL, Nachweis etwa durch eine Bescheinigung über die Bedürftigkeit nach deutschem Recht gemäß §&nbsp;1077 Abs.&nbsp;6 Satz&nbsp;1 ZPO). Bei anderweitigem Zugang des Antragstellers zu effektivem Rechtsschutz muss keine Prozesskostenhilfe gewährt werden (Art.&nbsp;5(5) Prozesskostenhilfe-RL). Auch können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass sich der Empfänger von Prozesskostenhilfe im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten angemessen an den Verfahrenskosten beteiligt oder dass die Prozesskostenhilfe bei verbesserter finanzieller Leistungsfähigkeit des Antragstellers oder Falschangaben im Antragsverfahren zurückgefordert werden kann (Art.&nbsp;3(4) und (5) Prozesskostenhilfe-RL). Neben der finanziellen Bedürftigkeit können die Mitgliedstaaten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Voraussetzung machen, dass das Begehren des Antragstellers nicht offensichtlich unbegründet ist (Art.&nbsp;6(1) Prozesskostenhilfe-RL). Bei der Entscheidung über die Erfolgsaussichten ist die Bedeutung der Rechtssache zugunsten des Antragstellers, die Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Geschäft oder der selbständigen Erwerbstätigkeit des Antragstellers oder (nach englischem Vorbild, vgl. ''Access to Justice Act&nbsp;1999'', Schedule&nbsp;2, Ziffer&nbsp;1 lit.&nbsp;f) von Ansprüchen wegen Rufschädigung ohne materiellen Schaden zulasten des Antragstellers zu berücksichtigen (Art.&nbsp;6(3) i.V.m. Erwägungsgrund&nbsp;17 Prozesskostenhilfe-RL).  
Obwohl die Prospekthaftung in den Mitgliedstaaten ganz verschiedene rechtsdogmatische Ausgangspunkte nimmt, haben sich doch vielfach ähnliche Standards der Haftung herausgebildet.  


=== a) Rechtsgrundlagen ===
Die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch liegt – abgesehen von der Prozesskostenhilfe des Wohnsitzstaates für die Antragstellung gemäß Art.&nbsp;8 Prozesskostenhilfe-RL – bei der zuständigen Behörde des Gerichtsstaates (Art.&nbsp;12 Prozesskostenhilfe-RL). Der Antrag kann entweder direkt bei der Empfangsbehörde des Gerichtsstaates oder bei der Übermittlungsbehörde des Wohnsitzstaates des Antragstellers eingereicht werden (Art.&nbsp;13(1) Prozesskostenhilfe-RL, zur Zuständigkeit http:/‌/‌ec.europa.eu/‌justice_home/‌judicialatlascivil/‌html/‌la_information_de.htm <nowiki>[letzter Zugriff am 3.7.2009]).</nowiki> Der Antrag ist in eine der durch den Empfangsstaat zugelassenen Sprachen zu übersetzen (Art.&nbsp;13(2) Prozesskostenhilfe-RL), wobei der Übermittlungsstaat Prozesskostenhilfe für die Übersetzung gewährt (Art.&nbsp;8(b) Prozesskostenhilfe-RL) und den Antragsteller bei der Antragsstellung unterstützt (Art.&nbsp;13(4) Prozesskostenhilfe-RL). Für die Übermittlung des Antrags und die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat der europäische Gesetzgeber ein einheitliches Übermittlungsformular (Beschluss der Kommission 2005/‌630, ABl. 2005 L&nbsp;225/‌23) und ein einheitliches Formular über die wirtschaftlichen Verhältnisse (Entscheidung der Kommission 2004/‌844, ABl. 2004 L 365/‌27) vorgegeben. Wird der Antrag bei der Übermittlungsstelle eingereicht, so leitet diese ihn nach einer Prüfung auf offensichtliche Unbegründetheit (Art.&nbsp;13(3) RL 2003/‌8) binnen 15 Tagen nach ordnungsgemäßer Antragstellung und Übersetzung an die Empfangsbehörde des Gerichtsstaates weiter (Art.&nbsp;13(4)3 Prozesskostenhilfe-RL). Im Fall der Ablehnung ist die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu begründen und gegen die Ablehnungsentscheidung ein Rechtsbehelf vorzusehen <nowiki>(Art. 15(2) und (3) Prozesskostenhilfe-RL).</nowiki>
Eine ganze Reihe von EU-Mitgliedstaaten hat die zivilrechtliche Haftung für fehlerhafte Prospekte in einer speziellen Haftungsnorm geregelt. Die meisten Länder des romanischen Rechtskreises wenden die deliktsrechtliche Generalklausel ([[Deliktsrecht: Allgemeines und lex Aquilia|Deliktsrecht]]) an. In Frankreich wird etwa der Großteil der zivilrechtlichen Prospekthaftungsfälle im Rahmen von Adhäsionsverfahren vor den Strafgerichten nach Art.&nbsp;1382 ''Code civil'' entschieden. Teilweise – so etwa in Spanien – wird die Prospekthaftung des Emittenten auch als Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten angesehen. In den Niederlanden ist die Prospekthaftung nach Art.&nbsp;6:194 BW als Unterfall der deliktischen Haftung für irreführende Werbung ausgestaltet. Häufig treten neben die spezialgesetzlichen Vorschriften auch die allgemeinen Regelungen, so insbesondere in England, wo die Rechtsbehelfe des ''[[common law]]'' neben die Regelungen des ''Financial Services and Markets Act 2000'' treten.
 
=== b) Anspruchsteller und Anspruchsgegner ===
Anspruchsberechtigt sind stets die Ersterwerber neu emittierter Wertpapiere. Unklarer ist die Rechtslage hinsichtlich solcher Anleger, die ein Wertpapier noch durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusst auf dem Sekundärmarkt erworben haben. In bestimmten Grenzen, die von dem Bestreben um eine überschaubare Begrenzung der Haftung gekennzeichnet sind, erkennen manche Mitgliedstaaten – so etwa Deutschland, Österreich sowie England (im Rahmen der Haftung für ''deceit'', wenn die Erklärung auch an Folgeerwerber gerichtet war) – den Folgeerwerbern einen eigenen Anspruch zu.
 
Durchgehend gehören die Wertpapieremittenten selbst zu den Haftpflichtigen im Rahmen der Prospekthaftung. Bedenken, die insbesondere in den skandinavischen Staaten hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Kapitalerhaltungsregeln bestanden, sind im Zuge der Umsetzung der Prospektrichtlinie ausdrücklich ausgeräumt worden. Uneinheitlich ist die Rechtslage dagegen bezüglich der Haftung von Organmitgliedern der Emittenten. Zwar lässt die Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen eine solche Haftung zu, häufig wird sie aber nicht von den spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen umfasst, sondern folgt aus deliktischen Haftungsnormen, die normalerweise höhere Tatbestandsanforderungen (z.B. vorsätzliches Handeln) stellen. Ähnlich ist die Rechtslage hinsichtlich der Haftung von Abschlussprüfern und anderen Experten, die an der Erstellung des Prospekts beteiligt sind. Diese basiert häufig auf deliktischen oder quasi-vertraglichen Grundlagen, die tendenziell höhere Anforderungen an die Haftungsbegründung stellen. Unproblematisch ist dagegen die Haftung der Emissionsbank in den meisten Mitgliedstaaten anerkannt.
 
=== c) Verschulden ===
Die allermeisten europäischen Rechtsordnungen kennen eine Prospekthaftung bereits für einfache Fahrlässigkeit. Je nach Rechtsgrundlage und angestrebter Rechtsfolge erfordert die Haftung teilweise aber auch vorsätzliches Handeln. Allein Deutschland (und teils auch Österreich) kennt eine Beschränkung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung auf grobe Fahrlässigkeit. Dies lässt sich am besten damit erklären, dass im Rahmen der Haftung für die Verletzung gesetzlicher Pflichten keine gesonderte Prüfung der Verletzung von Sorgfaltspflichten mehr erfolgt, sondern der Rechtsverstoß die einfache Fahrlässigkeit indizieren würde; der Maßstab der groben Fahrlässigkeit stellt daher eine gesonderte Prüfung der Vorwerfbarkeit sicher.
 
=== d) Umfang der Haftung und Kausalität ===
Uneinheitlich wird der Umfang des Schadens bemessen, den der geschädigte Anleger ersetzt verlangen kann. Während einige europäische Rechtsordnungen – etwa Griechenland, Italien, Schweden – eine Beschränkung der Haftung auf den Unterschiedsbetrag zwischen tatsächlich gezahltem Preis und hypothetischem fairen Preis vorsehen, gewähren die meisten Mitgliedstaaten eine Rückabwicklung des Wertpapiererwerbs. Dadurch erhält der Anleger jedoch zugleich die Möglichkeit, das Risiko eines nicht auf dem fehlerhaften Prospekt basierenden Kursverlustes auf den Emittenten abzuwälzen.
 
In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten gilt der Grundsatz, dass bei Veröffentlichung eines fehlerhaften Prospekts die Kenntnis des einzelnen Anlegers von dem fehlerhaften Prospekt nicht Tatbestandsvoraussetzung ist. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass der fehlerhafte Prospekt den Gesamtprozess der Emissionspreisbildung negativ beeinflusst hat und daher jeder Anleger, der die Wertpapiere zu dem verfälschten Preis gekauft hat, einen kausalen Schaden erleidet.
 
== 5. Internationales Privatrecht ==
Die Wertpapierprospekt-RL enthält keine Vorgaben zur Anknüpfung der Prospekthaftungsansprüche. In den nationalen Kollisionsrechten enthält allein Art.&nbsp;156 des schweiz. IPRG eine explizite Kollisionsnorm, wonach die Ansprüche entweder nach dem auf die Gesellschaft anwendbaren Recht oder nach dem Recht des Staates geltend gemacht werden, in dem die Emission erfolgt ist (Marktort). Nach ganz herrschender Ansicht sind Prospekthaftungsansprüche für die Zwecke des [[Internationales Privatrecht|IPR]] deliktsrechtlich zu qualifizieren. Die Ansprüche fallen unter den Anwendungsbereich der Rom&nbsp;II-VO (VO&nbsp;864/‌ 2007);'' ''insbesondere werden sie nicht von den Bereichsausnahmen in Art.&nbsp;1(2)(c) und (d) erfasst. Während das Schrifttum zum deutschen IPR bisher die Anknüpfung an den Marktort (also den Belegenheitsort der betreffenden Börse oder den Ort, an dem ein öffentliches Angebot gemacht wird) favorisiert, spricht nach dem Erlass der Prospekt-RL vieles dafür, akzessorisch an die Prospektpflicht anzuknüpfen. Denn die Wertpapierprospekt-RL knüpft sämtliche Pflichten bei einem gemäß Art.&nbsp;2(1)(m) bestimmten Herkunftsmitgliedstaat an und die anderen Mitgliedstaaten haben dessen materielles Recht im Sinne eines „Europäischen Passes“ anzuerkennen. Somit liegt eine engere Verbindung gemäß Art.&nbsp;4(3) Rom&nbsp;II-VO zum Recht des Herkunftsmitgliedstaates im Sinne der Prospekt-RL vor.
 
== 6. Entwicklungstendenzen ==
Nachdem die Chance einer europäischen Vereinheitlichung der Prospekthaftung im Rahmen der Wertpapierprospekt-RL nicht wahrgenommen wurde und der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen umgesetzt ist, ist mit einer baldigen Harmonisierung der Prospekthaftung auf europäischer Ebene nicht zu rechnen. Auch die RL&nbsp;2006/‌46 zur Verantwortlichkeit der Direktoren hat nur Mindestvorgaben der Verantwortlichkeit für den Jahresabschluss börsennotierter Gesellschaften, nicht aber Regelungen über die Prospekthaftung gebracht.
 
Verschiedenartige Prospekthaftungsregeln können aber die grenzüberschreitende Kapitalaufnahme behindern, wenn sowohl Emittenten als auch Anleger den Inhalt der anwendbaren Haftungsregeln nicht vorhersehbar kalkulieren können. Spätestens nach einem europaweiten Börsenskandal wird daher der Ruf nach einheitlichen Prospekthaftungsvorschriften wieder auf die Tagesordnung kommen. Impulse könnten auch von einer Vereinheitlichung des allgemeinen deliktischen Haftungsrechts ausgehen.


==Literatur==
==Literatur==
''Klaus J. Hopt'', Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991; ''Catarina af Sandeberg'', Prospectus Liability from a Scandinavian Perspective, European Business Law Review 13 (2003) 323&nbsp;ff; ''Stefan Grundmann'', Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, §&nbsp;19; ''Klaus J. Hopt'', ''Hans-Christoph Voigt'' (Hg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005; ''Michael Brellochs'', Publizität und Haftung von Aktiengesellschaften im System des Europäischen Kapitalmarktrechts, 2005; ''Eilís Ferran'', Cross-border Offers of Securities in the EU, European Company and Financial Law Review 2007, 461&nbsp;ff.; ''Paul L. Davies'', Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 8.&nbsp;Aufl. 2008, Kap.&nbsp;25;'' Alexander Hellgardt'', Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008; ''Jan von Hein'', Die Internationale Prospekthaftung im Lichte der Rom II-Verordnung, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts: Beiträge für Klaus J. Hopt, 2008, 371&nbsp;ff.
''Matthias Humborg'','' ''Das Armenrecht von der Zeit der Kammergerichtsordnungen bis heute, 2000; ''Peter Gottwald'','' ''Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, in: Festschrift für Walter H. Rechberger zum 60. Geburtstag, 2005, 173&nbsp;ff.; ''Serge-Daniel Jastrow'', ''Dirk Mirow'', Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, in: Martin Gebauer, Thomas Wiedmann (Hg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, 1563&nbsp;ff.; siehe auch http:/‌/‌ec.europa.eu/‌civiljustice/‌index_de.htm (zuletzt abgerufen am 3.7.2009, Europäisches Justizielles Netz, Stichwort „Prozesskostenhilfe“).


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Version vom 24. November 2021, 14:58 Uhr

von Christian Heinze

1. Gegenstand und Zweck

Prozesskostenhilfe bezeichnet die staatlichen Hilfen für Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um wirksamen Zugang zu den Gerichten zu erlangen (vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 Prozesskostenhilfe-RL [RL 2003/‌8]). Historischer Vorläufer der Prozesskostenhilfe ist das Armenrecht, das sich bereits in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsordnungen fand und eine Stundung der Gerichtsgebühren sowie die Beiordnung eines Anwalts vorsah (etwa § 27 Reichskammergerichtsordnung 1495). Im modernen Recht erfüllt die Prozesskostenhilfe nebst ihrem vorprozessualen Pendant, der Beratungshilfe, nicht nur eine sozialstaatliche, sondern auch eine eminent rechtsstaatliche Funktion, verlangt doch das Recht auf ein Faires Verfahren, dass der Zugang zu Gericht durch fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht faktisch verschlossen sein darf.

2. Prozesskostenhilfe als Justizgrundrecht

So verpflichtet das durch Art. 6(1) EMRK (Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK) garantierte Recht auf Gerichtszugang die Mitgliedstaaten der EMRK, finanziell bedürftigen Prozessparteien den Zugang zu den Gerichten durch Prozesskostenhilfe zu sichern, wenn entweder im betreffenden Gerichtsverfahren Anwaltszwang besteht oder aufgrund der Komplexität des Falles oder des Verfahrens die bedürftige Partei ihre Rechte allein nicht wirksam geltend machen kann (EGMR Nr. 6289/‌73 – Airey, § 24 ff.; EGMR Nr. 68416/‌01 – Steel and Morris, § 61, ausdrücklich nunmehr auch Art. 47(3) GRCh). Die konkrete Ausgestaltung der Verfahrenshilfen bleibt zwar – unter dem Vorbehalt der Gewährleistung wirksamen Gerichtszugangs – den Mitgliedstaaten überlassen, die neben der Beiordnung von Rechtsanwälten auf Staatskosten und dem Erlass der Gerichtsgebühren in einfachen Fällen auch die Möglichkeit der Selbstvertretung oder eine Unterstützung durch staatliche Rechtsberatungsstellen vorsehen können. Allerdings ist das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, wenn unter den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalles die bedürftige Partei ihre Rechte nur durch einen Rechtsanwalt wirksam geltend machen kann (EGMR Nr. 46311/‌99 – McVicar, § 48). Zumindest verwandt mit dem Institut der Prozesskostenhilfe ist die Kontrolle anderer wirtschaftlicher Hindernisse des Gerichtszugangs am Maßstab des Art. 6(1) EMRK. So kann auch die Pflicht zur Zahlung unverhältnismäßig hoher Gerichtsgebühren (EGMR Nr. 28249/‌95 – Kreuz, § 60, 66) das Recht auf Gerichtszugang und faires Verfahren gemäß Art. 6(1) EMRK verletzen (großzügiger zum Erfordernis einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten der Gegenseite in zweiter Instanz EGMR Nr. 18139/‌91 – Tolstoy Miloslawsky, § 61 f., 67).

Das Recht auf Prozesskostenhilfe ist ebenso wie sämtliche Verfahrensgrundrechte nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern kann an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden, namentlich die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers und die hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens, für das Prozesskostenhilfe beantragt wird (EGMR Nr. 68416/‌01 – Steel and Morris, § 63). Allerdings obliegt die Entscheidung über die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens dem Gericht und nicht einer staatlichen Rechtshilfestelle (EGMR Nr. 25357/‌94 – Aerts, § 60). Durch die Prozesskostenhilfe müssen die Mitgliedstaaten nicht eine vollständige (finanzielle und) prozessuale Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien herstellen, sondern es genügt, wenn der bedürftigen Partei die Möglichkeit eröffnet wird, ihr Rechtsschutzanliegen unter Bedingungen vorzutragen, die sie gegenüber dem Prozessgegner nicht substantiell benachteiligen (EGMR Nr. 68416/‌01 – Steel and Morris, § 62; vgl. auch Erwägungsgrund 4 RL 2003/‌8). Wird die Prozesskostenhilfe in einem Verfahren mit Anwaltszwang unter unrichtiger Einschätzung der Verfügbarkeit eines Rechtsmittels ohne Prüfung der sachlichen Erfolgsaussichten verweigert, so liegt darin eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (EGMR Nr. 77765/‌01 – Laskowska, § 60).

Auch verschiedene mitgliedstaatliche Verfassungen garantieren ein Recht auf Prozesskostenhilfe (Deutschland: BVerfG 22.1.1959, BVerfGE 9, 124, 130 f.; BVerfG 19.2.2008, NJW 2008, 1060: Art. 3 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1, 3 Grundgesetz, Schweiz: Art. 29 Abs. 3 Bundesverfassung; Spanien: Art. 119 der spanischen Verfassung), zumindest auf einfachgesetzlicher Ebene existiert ein entsprechendes Institut wohl in allen europäischen Prozessordnungen (Deutschland: §§ 114 ff. ZPO; England: Access to Justice Act 1999; Frankreich: Loi No. 91-647 vom 10.7.1991 relative á l’aide juridique und décret n° 91-1266 vom 18.12.1991; Italien: Decreto del Presidente della Repubblica vom 30.5.2002 n. 115; Österreich: §§ 63 ff. ZPO; Schweiz: Art. 115 ff. ZPO; Spanien: Art. 1 ff. Ley 1/‌1996 de 10.1.1996 de Asistencia Jurídica Gratuita). Auf europäischer und internationaler Ebene widmen sich neben der RL 2003/‌8 über die Prozesskostenhilfe bei grenzüberschreitenden Streitsachen die Art. 20 ff. des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1.3.1954, das Europäische Übereinkommen über die Übermittlung von Anträgen auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 27.1.1977 sowie das Haager Übereinkommen über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 25.10.1980 den internationalen Fragen der Prozesskostenhilfe.

3. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die praktische Bedeutung der Prozesskostenhilfe ist hoch und hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. In Deutschland wurden nach Hochrechnungen für das Jahr 2005 allein für die Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte an den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten von den Ländern ca. EUR 400 Mio. verauslagt. Hinzu kommen die ausgefallenen Gerichtsgebühren und die Auslagen für Sachverständige (BR-Drucks. 250/‌06, 20). Dabei entfallen 72 % der Bewilligungen auf familienrechtliche Verfahren vor den Amtsgerichten und weitere 12 % auf arbeitsgerichtliche Verfahren, der Rest entfällt auf allgemeine Zivilsachen vor den Amtsgerichten (7 %) und Landgerichten (5 %), Familiensachen an den Oberlandesgerichten (2 %) sowie verwaltungs- und sozialrechtliche Verfahren (je 1 %). Auch in England wurden nach einer Studie aus dem Jahr 2007 66 % der Gerichtsverfahren durch Prozesskostenhilfe unterstützt (http://www.justice.gov.uk/‌docs/‌changing-court-fees.pdf [letzter Zugriff am 3.7. 2009]), wobei sich ebenso wie in Deutschland ein merklicher Schwerpunkt bei den familienrechtlichen Verfahren abzeichnet, von denen zwischen 72 % (Scheidungen) und 89 % (Vermögensauseinandersetzungen) durch Verfahrenshilfen bestritten werden. Vor diesem Hintergrund bemühen sich die Justizverwaltungen neben der Förderung der alternativen Streitbeilegung und Mediation zuweilen um gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe, die allerdings auf den Widerstand von Justiz und Anwaltschaft stoßen und sich stets am verfassungs- und menschenrechtlichen Maßstab der wirtschaftlichen Zugänglichkeit der Gerichte messen lassen müssen. In England hat man versucht, die wirtschaftliche Zugänglichkeit der Gerichte ohne staatliche Prozesskostenhilfe durch eine Kombination von conditional fee arrangements (Erfolgshonorarvereinbarung) mit dem eigenen Anwalt und einer Versicherung für die Kosten der Gegenseite (after the event insurance) zu gewährleisten. Indes funktioniert dieses System nur bei versicherbaren Risiken (insbesondere Verkehrsunfallstreitigkeiten) und scheint den Anreiz der Prozessparteien zur Kostenersparnis – ähnlich wie bei den deutschen Modellen der Rechtsschutzversicherung – zu beeinträchtigen. Schließlich deutet die Häufung der Prozesskostenhilfeverfahren in manchen Rechtsgebieten, verbunden mit dem Trend zur Spezialisierung und Segmentierung der Anwaltschaft und der Deckelung der über Prozesskostenhilfe maximal erstattungsfähigen Gebühren darauf hin, dass zum einen über Prozesskostenhilfe nur die Vertretung durch einen bestimmten Teil der Anwaltschaft erreichbar ist und zum anderen komplizierte Verfahren durch die über Prozesskostenhilfe abrechenbaren Gebühren zuweilen nicht kostendeckend bestritten werden können. Wirksamer Zugang zu Gericht setzt daher bei den über Prozesskostenhilfe bestrittenen Verfahren in besonderer Weise die personelle und sachliche Leistungsfähigkeit der Justiz voraus.

4. Regelungsstrukturen des Gemeinschaftsrechts

Aufgrund des Vorrangs der europäischen Prozesskostenhilferichtlinie vor den staatsvertraglichen Regelungen (Art. 20 Prozesskostenhilfe-RL) beschränkt sich die folgende Darstellung auf die Richtlinie. Zweck der Prozesskostenhilfe-RL ist die Sicherung und Förderung einer angemessenen Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, indem gemeinsame Mindestvorschriften (vgl. Art. 19 Prozesskostenhilfe-RL) für die Prozesskostenhilfe festgelegt werden (Art. 1(1), Erwägungsgründe 5 und 8 Prozesskostenhilfe-RL). Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist damit – entgegen ursprünglicher Vorschläge der Kommission – eingedenk der zugrunde liegenden Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft (Art. 61, 65(c) EG/‌67, 81(e) AEUV) auf Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug in Zivil- und Handelssachen begrenzt (Art. 1(2) Prozesskostenhilfe-RL). Ein grenzüberschreitender Bezug liegt vor, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung seinen Wohnsitz (Art. 59 EuGVO [VO 44/‌2001]) oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Land als dem Gerichts- oder Vollstreckungsstaat hat (Art. 2 Prozesskostenhilfe-RL). Inhaltlich zielt die Richtlinie auf Zweierlei: Zum einen ordnet Art. 4 Prozesskostenhilfe-RL ein Diskriminierungsverbot bei der Gewährleistung von Prozesskostenhilfe an, das neben den Unionsbürgern (dazu bereits Art. 12, 18 EG/‌18, 21 AEUV) auch Drittstaatsangehörige einbezieht, wenn sich letztere rechtmäßig in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten. Zum anderen schreibt die Richtlinie gewisse Mindeststandards für die Prozesskostenhilfe in grenzüberschreitenden Streitigkeiten vor. Danach haben an einer grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssache beteiligte natürliche Personen einen Anspruch auf angemessene Prozesskostenhilfe, damit ihr effektiver Zugang zum Recht nach Maßgabe der Richtlinie gewährleistet ist (Art. 3 (1) Prozesskostenhilfe-RL). „Angemessene“ Prozesskostenhilfe muss mindestens die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf die außergerichtliche Streitbeilegung (siehe auch Art. 10 Prozesskostenhilfe-RL, zur Vollstreckung öffentlicher Urkunden Art. 11 Prozesskostenhilfe-RL), den Rechtsbeistand und die rechtliche Vertretung vor Gericht sowie eine Befreiung von den Gerichtskosten (einschließlich der Kosten für gerichtliche Beauftragte wie Gutachter und der Dolmetsch-, Übersetzungs- und Reisekosten i.S.d. Art. 7 Prozesskostenhilfe-RL) oder eine Unterstützung bei den Gerichtskosten umfassen (Art. 3(2)1 i.V.m. Erwägungsgrund 11 Prozesskostenhilfe-RL). Die Kosten der Gegenseite sind nur von der Prozesskostenhilfe umfasst, wenn solche Kosten auch von der Prozesskostenhilfe für Empfänger mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat abgedeckt werden (Art. 3(2)2 i.V.m. Erwägungsgrund 12 Prozesskostenhilfe-RL). Nach dem Vorbild der Airey-Rechtsprechung des EGMR müssen die Mitgliedstaaten keinen Rechtsbeistand für solche Verfahren vorsehen, die speziell darauf ausgerichtet sind, dass sich die Prozessparteien selbst vertreten, sofern nicht das Gericht oder eine andere zuständige Behörde etwas anderes zur Gewährleistung der Waffengleichheit der Parteien oder in Anbetracht der Komplexität der Sache beschließt (Art. 3(3) Prozesskostenhilfe-RL). Die Dauer der Prozesskostenhilfe erstreckt sich nach dem französischen Modell der Kontinuität auch auf Rechtsbehelfsverfahren und Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Art. 9(1) – (3) Prozesskostenhilfe-RL, siehe auch Art. 50 EuGVO). Allerdings können die Mitgliedstaaten in jeder Phase des Verfahrens eine neuerliche Prüfung des Umfangs und der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe vorsehen (Art. 9(4) Prozesskostenhilfe-RL). Auch die Kosten für die Übersetzung eines Prozesskostenhilfeantrags in die Sprache des Gerichtsstaates und ggf. die anwaltliche Betreuung bis zur Antragstellung im Gerichtsstaat sind von der Prozesskostenhilfe umfasst, die insoweit der Wohnsitzstaat des Antragstellers trägt (Art. 8 Prozesskostenhilfe-RL).

Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zunächst die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers, die anhand von Einkommen, Vermögen, Unterhaltspflichten und der Höhe der Lebenshaltungskosten beurteilt wird (Art. 5(1) und (2) Prozesskostenhilfe-RL). Zur Bestimmung der finanziellen Bedürftigkeit können die Mitgliedstaaten Schwellenwerte festsetzen, wobei dem Antragsteller der Nachweis der Bedürftigkeit trotz Überschreitens der Schwellenwerte aufgrund der unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten in seinem Heimatstaat möglich bleibt (Art. 5(3) und (4) Prozesskostenhilfe-RL, Nachweis etwa durch eine Bescheinigung über die Bedürftigkeit nach deutschem Recht gemäß § 1077 Abs. 6 Satz 1 ZPO). Bei anderweitigem Zugang des Antragstellers zu effektivem Rechtsschutz muss keine Prozesskostenhilfe gewährt werden (Art. 5(5) Prozesskostenhilfe-RL). Auch können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass sich der Empfänger von Prozesskostenhilfe im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten angemessen an den Verfahrenskosten beteiligt oder dass die Prozesskostenhilfe bei verbesserter finanzieller Leistungsfähigkeit des Antragstellers oder Falschangaben im Antragsverfahren zurückgefordert werden kann (Art. 3(4) und (5) Prozesskostenhilfe-RL). Neben der finanziellen Bedürftigkeit können die Mitgliedstaaten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Voraussetzung machen, dass das Begehren des Antragstellers nicht offensichtlich unbegründet ist (Art. 6(1) Prozesskostenhilfe-RL). Bei der Entscheidung über die Erfolgsaussichten ist die Bedeutung der Rechtssache zugunsten des Antragstellers, die Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Geschäft oder der selbständigen Erwerbstätigkeit des Antragstellers oder (nach englischem Vorbild, vgl. Access to Justice Act 1999, Schedule 2, Ziffer 1 lit. f) von Ansprüchen wegen Rufschädigung ohne materiellen Schaden zulasten des Antragstellers zu berücksichtigen (Art. 6(3) i.V.m. Erwägungsgrund 17 Prozesskostenhilfe-RL).

Die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch liegt – abgesehen von der Prozesskostenhilfe des Wohnsitzstaates für die Antragstellung gemäß Art. 8 Prozesskostenhilfe-RL – bei der zuständigen Behörde des Gerichtsstaates (Art. 12 Prozesskostenhilfe-RL). Der Antrag kann entweder direkt bei der Empfangsbehörde des Gerichtsstaates oder bei der Übermittlungsbehörde des Wohnsitzstaates des Antragstellers eingereicht werden (Art. 13(1) Prozesskostenhilfe-RL, zur Zuständigkeit http:/‌/‌ec.europa.eu/‌justice_home/‌judicialatlascivil/‌html/‌la_information_de.htm [letzter Zugriff am 3.7.2009]). Der Antrag ist in eine der durch den Empfangsstaat zugelassenen Sprachen zu übersetzen (Art. 13(2) Prozesskostenhilfe-RL), wobei der Übermittlungsstaat Prozesskostenhilfe für die Übersetzung gewährt (Art. 8(b) Prozesskostenhilfe-RL) und den Antragsteller bei der Antragsstellung unterstützt (Art. 13(4) Prozesskostenhilfe-RL). Für die Übermittlung des Antrags und die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat der europäische Gesetzgeber ein einheitliches Übermittlungsformular (Beschluss der Kommission 2005/‌630, ABl. 2005 L 225/‌23) und ein einheitliches Formular über die wirtschaftlichen Verhältnisse (Entscheidung der Kommission 2004/‌844, ABl. 2004 L 365/‌27) vorgegeben. Wird der Antrag bei der Übermittlungsstelle eingereicht, so leitet diese ihn nach einer Prüfung auf offensichtliche Unbegründetheit (Art. 13(3) RL 2003/‌8) binnen 15 Tagen nach ordnungsgemäßer Antragstellung und Übersetzung an die Empfangsbehörde des Gerichtsstaates weiter (Art. 13(4)3 Prozesskostenhilfe-RL). Im Fall der Ablehnung ist die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu begründen und gegen die Ablehnungsentscheidung ein Rechtsbehelf vorzusehen (Art. 15(2) und (3) Prozesskostenhilfe-RL).

Literatur

Matthias Humborg, Das Armenrecht von der Zeit der Kammergerichtsordnungen bis heute, 2000; Peter Gottwald, Prozesskostenhilfe für grenzüberschreitende Verfahren in Europa, in: Festschrift für Walter H. Rechberger zum 60. Geburtstag, 2005, 173 ff.; Serge-Daniel Jastrow, Dirk Mirow, Europäische Prozesskostenhilferichtlinie, in: Martin Gebauer, Thomas Wiedmann (Hg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, 1563 ff.; siehe auch http:/‌/‌ec.europa.eu/‌civiljustice/‌index_de.htm (zuletzt abgerufen am 3.7.2009, Europäisches Justizielles Netz, Stichwort „Prozesskostenhilfe“).