Ombudsmann und Ordonnances: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Anneken Kari Sperr]]''
von ''[[Gebhard Rehm]]''
== 1. Begriff und Abgrenzung ==
== 1. Begriff ==
Der Begriff des Ombudsmannes setzt sich aus dem altnordischen Begriff ''ombud ''(Bevollmächtigter, Vertreter) und ''man'' (Mann) zusammen. Allgemein ist unter einem Ombudsmann eine Person zu verstehen, die zur außergerichtlichen und unbürokratischen Beilegung von Streitigkeiten berufen ist, damit zugleich eine Kontrollfunktion übernimmt und ihre Aufgabe regelmäßig durch das Aussprechen einer Empfehlung statt durch das Treffen einer Entscheidung erfüllt.
Nach der Auflösung des Karolingischen Reiches (endgültig 921) trennten sich auch juristisch die Wege Deutschlands und Frankreichs, wenngleich die fränkischen Wurzeln in beiden Staaten nicht vollständig gekappt wurden. Frankreich teilte sich rechtlich dabei in zwei Teile, auch wenn die Unterschiede oft fließend waren. Herrschte in Nordfrankreich (etwa nördlich einer gedachten Linie Genf-Girondemündung) bis dahin das weithin durch fränkisch-burgundisch-vulgare Tradition geprägte sog. ''droit coutumier'' (Gewohnheitsrecht), so galten im Süden vor allem durch römische Rechtsquellen inspirierte Volksrechte, die seit Rezeption des ''[[Corpus Juris Civilis]]'' verstärkt durch dieses beeinflusst werden ((''droit écrit''/‌geschriebenes Recht). Dennoch war auch das Recht im Süden Frankreichs in nicht geringem Maße durch gewohnheitsrechtliche Regeln geprägt. Das Recht war nicht nur zwischen Norden und Süden, sondern auch zwischen den einzelnen Regionen zersplittert; die maßgeblichen Regeln lassen sich oft nur mühsam ermitteln. Ab dem 12. Jahrhundert erschienen überall in Frankreich Sammlungen von lokalen bzw. regionalen Rechten, die zunächst vor allem Gewohnheitsrecht aufzeichnen (''Coutumes''). Mit den im ''Ancien Régime'' als ''Ordonnances'' bezeichneten Gesetzesnormen schließlich versuchten die französischen Könige insbesondere seit dem 16. Jahrhundert zum einen, die Rechtsfindung zu erleichtern und zum zweiten, die herrschende Rechtszersplitterung zu mildern. Handelte es sich dabei zunächst um Aufzeichnungen jeweils geltender Rechtsbräuche (insbesondere der in der Rechtspraxis sehr wichtigen ''Coutume de Paris''), nutzten die Könige die ''Ordonnances'' im weiteren Verlauf als Instrument eigener Gesetzgebung und legten damit die langfristige Grundlage für die Rechtsvereinheitlichung unter ''Napoléon Bonaparte'' (''[[Code civil]]'', ''[[Code de Commerce]]''). Dabei wird zuweilen zwischen „eigentlichen Verordnungen“ (''ordonnances proprement dites''), Edikten (''édits'') und Anordnungen (''déclarations'') unterschieden. Während Anordnungen ein bestehendes Gesetz ergänzten oder interpretierten und Edikte eher Einzelfragen regelten, betraf die eigentliche Verordnung als Vorläufer des Kodifikationsgedankens umfassende Rechtsmaterien. Mit einer sog. ''Ordonnance de réformation'' wie z.B. dem ''Code Michau'' reagierte der König auf Regelungsvorschläge der Generalstände; entsprechend umfassend, wenn auch nicht systematisch durchgebildet, war häufig ihr Regelungsumfang.


Ihren Ursprung findet die Einrichtung eines Ombudsmannes in den nordischen Ländern. Zwar ist sie auch in ihrer ''skandinavischen Originalfassung'' keiner einheitlichen Definition zugänglich, da sich die verschiedenen Regelungen im Einzelnen nicht unerheblich unterscheiden. Kurz skizziert besteht die Aufgabe des originären skandinavischen Ombudsmannes aber in der ''parlamentarischen'' und damit außergerichtlichen und verwaltungsexternen Kontrolle über die ''Verwaltung'', die er sowohl auf eigene Initiative als auch auf Antrag einer betroffenen Partei ausübt (unten 2).
In der heutigen Rechtspraxis werden mit ''Ordonnances'' (die allerdings nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sind) im Sinne von Verordnungen Rechtsakte der Regierung bezeichnet, mit denen die Zuständigkeit des Parlaments teilweise in bemerkenswert weitem Umfang umgangen werden kann, was in der Literatur nicht selten auf Kritik stößt. So ist die jüngste Reform des ''Code de commerce'' im Wesentlichen im Verordnungswege erfolgt.


Heute bildet der ''parlamentarische Ombudsmann'' aus Skandinavien das Grundmodell für viele, häufig mit dem Originalbegriff bezeichnete Adaptionen und Abwandlungen in zahlreichen europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen. Dabei geht es zum einen um alternative Formen der Kontrolle und Streitbeilegung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (unten 3).  
== 2. Regelungsgegenstände ==
=== a) Rechtsfeststellende ''Ordonnances'' ===
Die erste wichtige, durch ''Karl VII.'' nach dem Ende des Hundertjährigen Kriegs erlassene und damit die „Neugründung“ Frankreichs begleitende sog. ''Ordonnance von Montil-les-Tours'' (1453) vereinheitlichte selbst noch nicht das Recht. Sie ordnete – gewissermaßen in einer Vorstufe – nur an, die jeweiligen regionalen „Gewohnheitsrechte, Gebräuche und Verfahrensweisen“ (''Coutumes'') nieder zu schreiben, um sie im Interesse eines ''bon ordre de justice'' leichter feststellen zu können. Diese zunächst erkennbare Zurückhaltung beruhte nicht etwa darauf, dass der König etwa einen „Wettbewerb der (lokalen und regionalen) Rechtsordnungen“ hätte ermöglichen wollen, sondern auf seiner zu dieser Zeit noch beschränkten Kompetenz zum Gesetzeserlass und der Notwendigkeit, nach dem mit England geführten Krieg und dem französischen Bürgerkrieg das geltende Recht zu ermitteln. Königliche Gesetze waren ursprünglich an die Zustimmung der wichtigsten Regionalfürsten gebunden, die aber mit dem ab der Mitte des 13. Jahrhunderts erkennbaren Machtzuwachs des Königs recht bald nur noch formell eingeholt wurde. Ab dem 14. Jahrhundert begannen zwar die Generalstände, also die Vertreter von Adel, Klerus und Drittem Stand, einen gewissen Einfluss auf die königliche Gesetzgebung zu nehmen, ohne dass dieser indes überschätzt werden sollte. Der König nahm entsprechende Initiativen eher zum Anlass oder Ausgangspunkt für eine Regelung, als dass inhaltliche Wünsche vollständig übernommen worden wären. Wesentliche anordnende Inhalte der ''Ordonnances'' im 13. und 14. Jahrhundert waren dabei Fehdeverbote, die der Vermeidung allgegenwärtiger Privatkriege der Lehnsfürsten – in die häufig auch deren Verwandte einbezogen waren – dienten und insbesondere in Zeiten auswärtiger Kriege (vor allem auch der Auseinandersetzung mit England) des französischen Königs unerwünscht waren. Diese Fehdeverbote entfalteten indes kaum eine nennenswerte Wirkung. Erst mit der ''Ordonnance'' ''Cabochienne'' (1413) konnte das Zeitalter der Privatkriege beendet werden.


Zum anderen sind auch für privatrechtliche Rechtsverhältnisse weitere Institutionen nach dem Beispiel des Ombudsmannes entwickelt worden, die vielfach eine ähnliche Bezeichnung erhielten, obgleich es sich zumeist um strukturell andere Funktionen und Regelungen handelt. Dies gilt vor allem für rechtliche Beziehungen, die von einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen den Parteien geprägt sind; namentlich im Verbraucherrecht – und hier besonders im Banken- und Versicherungsrecht – hat sich die Etablierung von Vertretern der Verbraucherinteressen bzw. privater Beschwerdestellen als sehr erfolgreich erwiesen (unten 4).  
=== b) Übergang zu rechtsgestaltenden ''Ordonnances'' ===
Die Niederschriften der ''Coutumes'' (Gewohnheitsrechte) gaben den Anstoß, sich näher mit ihnen zu befassen. So avancierte etwa die 1510 amtlich fixierte ''Coutume de Paris'' auch dank eines Kommentars von ''Dumoulin'' (1539) und ihrer Neufassung 1580 zur Grundlage des nordfranzösischen Gewohnheitsrechts, mit dem der Einfluss des römischen Rechts verringert werden sollte. Zusehends wurden allerdings auch bestimmte Einzelfragen neu geregelt. So legte die ''Ordonnance de Roussillon'' (1549) den Jahresbeginn auf den 1. Januar statt Ostern fest, mit der ''Ordonnance de Moulin'' beschnitt ''Karl IX.'' 1566 die Rechte der ''Parlements'' (königliche Obergerichte) und der lokalen Gouverneure (als Vertreter des Königs). Die von ''Heinrich III.'' erlassene ''Ordonnance de Blois'' (1579) untersagte geheime Eheschließungen und führte ein von der Kirche geführtes Eheregister ein.  


Heute verlangen schließlich auch die Institutionen der [[Europäische Union|Europäischen Union]] nach der Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen (unten 5).  
=== c) Die ''Ordonnances'' als Grundlage beginnender Rechtsvereinheitlichung ===
Die französischen Könige erkannten die ''Ordonnances'' zunehmend als Chance, stärkeren Einfluss auf die Rechtsentwicklung zu nehmen und rechtsvereinheitlichende Instrumente für ganze Rechtsgebiete zu erlassen. Bereits die ''Ordonnance de Villers-Cotterêts'' (1539) (auch ''Ordonnance'' ''Guillemine'' bzw. offiziell ''Ordonnance générale sur le fait de la justice'','' police et finances'' genannt'')'' hatte bestimmte Fragen der Kirchengerichtsbarkeit geregelt, die Einrichtung eines generellen Taufregisters angeordnet und die französische Sprache statt der regionalen „Vulgarsprachen“ oder des Lateinischen zur generellen Gesetzes- und Verwaltungssprache erklärt. Zudem enthielt sie strafrechtliche Elemente. Der ''Code Michau'' ''Ludwig XIII.'' sollte auf eine Reihe von Anregungen der Generalstände im Bereich des Zivil-, (See‑)Handels- und Eherechts sowie des Strafrechts reagieren, hätte aber die Macht der Regionalfürsten und der ''Parlements'' – insbesondere das Recht zur Registrierung einer ''Ordonnance'' als deren Geltungsvoraussetzung (sog. ''remontrance'') – zugunsten des Königs zeitlich beschnitten und scheiterte daher letztlich nicht zuletzt auf Betreiben Kardinal'' Richelieus''. Danach entstanden indes unter ''Ludwig XIV''., in dessen Regierungszeit die Generalstände nicht mehr einberufen wurden und der zunehmenden Gebrauch von umfassenden Gesetzesinstrumenten machte, in rascher Abfolge die das Zivilprozessrecht betreffende ''Ordonnance'' ''civile touchant la réformation de la justice ''(auch ''Ordonnance de S. German-en-Laye'' oder ''Code Louis'' genannt) (1667), die straf- und strafprozessrechtsvereinheitlichende ''Ordonnance'' ''criminelle'' (1670), die ''Ordonnance du commerce'' bzw. ''Code Marchand'' (1673) und die ''Ordonnance de la marine'' (1681). Der ''Code Louis'' regelte umfassend den Zivilprozess gegliedert nach seinem Ablauf von der Ladung bis zur Zwangsvollstreckung. Auch wenn er teilweise neue Rechtsvorschriften enthielt, diente er doch vor allem der systematischen Erfassung bestehenden Rechts und vereinheitlichte und vereinigte das französische Zivilprozessrecht in einem einzigen Gesetzbuch. Entgegenstehende Regeln wurden ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Die ''Ordonnance criminelle'' kodifizierte in ähnlicher Weise umfassend den Strafprozess und versuchte, mit einer rigiden Beschneidung der Rechte des Angeklagten die Kriminalität zu bekämpfen. Die beiden letztgenannten Normwerke regelten das Handels- und See(handels)recht und avancierten damit zu den ersten Kodifikationen des Handelsrechts in Europa. Inhaltlich enthielt der ''Code Marchand'' Regelungen zum Kaufmannsstand, den Handels- und Bankgeschäften und der Handelsgerichtsbarkeit. Die ''Ordonnance de la marine'' regelte schließlich umfassend das öffentliche und private Seehandelsrecht, um dem Seerecht Englands und der Hanse zur Mehrung französischen Wohlstandes im Geiste des Merkantilismus ein eigenes Regelungsregime entgegensetzen zu können. Mit dem letztlich in seiner praktischen Wirkung eher unbedeutenden ''Code Noir'' (1685) wurden schließlich die Rechtsverhältnisse der (schwarzen) Sklaven in den französischen Territorien geregelt.


== 2. Geschichtlicher Hintergrund ==
Eine bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von ''Daguesseau'' unter ''Ludwig XV''. erwogene schrittweise Gesamtkodifikation des französischen Zivilrechts gelangte über den Erlass von ''Ordonnances'' über Schenkungen (1731), Testamente (1735) und Substitutionen im Fideikommissrecht (1748) nicht hinaus.
Historisch geht die Einrichtung eines parlamentarischen Ombudsmannes auf die Einrichtung dieses Amtes in Schweden im Jahre 1809 zurück. Nach Einführung der neuen, durch die Gewaltenteilung im Sinne ''Montesquieus'' geprägten Regierungsform wurde dem Amt des ''Högste Ombudsman'', später ''Justitiekansleren ''genannt, der seit 1713 als erster Repräsentant und Vertreter des Königs fungierte und heute den Ombudsmann der Regierung darstellt, ein parlamentarischer ''Justitieombudsman ''zur Seite gestellt. Dieser war mit der Aufsicht über die Um- und Durchsetzung der parlamentarischen Gesetze durch Verwaltung und Gerichte betraut. Er sollte für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen und Unklarheiten in der Gesetzgebung aufzeigen, um damit die Interessen des Einzelnen zu stärken. Seine Bedeutung in Schweden ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass man hier bis zur Etablierung des ''Regeringsrätten'' (des obersten Verwaltungsgerichts) im Jahre 1909 an einer reinen Administrativjustiz festhielt und keine unabhängige rechtliche Überprüfung administrativer Entscheidungen kannte. Finnland folgte nach seiner Unabhängigkeit vom Russischen Reich im Jahre 1918 dem schwedischen Vorbild und führte einen parlamentarischen Ombudsmann, den ''Riksdagens Justitieombudsmans Kansli'', ein.


In Dänemark und Norwegen war eine unabhängige gerichtliche Kontrolle über die Verwaltung bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der Verfassung (Dänemark) bzw. des konstitutionellen Gewohnheitsrechts (Norwegen). Entsprechend war das Bedürfnis nach einer weiteren verwaltungsexternen Überprüfungsinstanz zunächst nicht in gleichem Maße gegeben. Mit der grundlegenden Strukturänderung vom liberalen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts zum modernen Verwaltungsstaat des 20. Jahrhunderts wurde die gerichtliche Verwaltungskontrolle als einzige verwaltungsexterne Rechtsschutzinstanz jedoch zunehmend als nicht ausreichend erachtet. Für den Bürger war (und ist) die gerichtliche Verwaltungskontrolle kompliziert, zeitaufwendig und kostspielig. Sie ist außerdem vergleichsweise zurückhaltend, u.a. weil sie von den ordentlichen Gerichten, nicht von spezialisierten Verwaltungsgerichten wahrgenommen wird. Dänemark entschied sich daher im Jahre 1953, das bestehende System des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit einer zusätzlichen Einrichtung, dem ''Folketingets Ombudsmand'', zu ergänzen. Damit kam es zu einer in der Folgezeit von Wissenschaft und Politik viel beachteten „Transplantation“'' ''einer Institution, die in einer fremden Verfassung und nationalen Tradition wurzelte, in ein gänzlich neues Umfeld, den modernen Wohlfahrtsstaat. Norwegen folgte dem dänischen Vorbild entsprechend der parallelen Rechtstradition insbesondere auf dem Gebiet des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit der Einrichtung des ''Sivilombudsmannen'' im Jahre 1962.  
== 3. Bedeutung ==
Die hier nur beispielhaft aufgezählten ''Ordonnances'' avancierten also im ''Ancien Régime'' von einer bloßen Sammlung von Gewohnheitsrecht über eine auf Initiative der Generalstände versuchte Rechtsvereinheitlichung zu einem mächtigen Kodifikationsinstrument des Königs. Ihre jeweilige Bedeutung hing dabei stets vom aktuellen Machtgefüge – insbesondere der Stellung des Königs gegenüber den regionalen Fürsten und den Generalständen – ab. Es verwundert daher nicht, dass die vier zitierten ''Ordonnances'' ''Ludwig XIV''., die sog. ''Grandes Ordonnances'', den größten Einfluss erlangten. Die beiden handelsrechtlichen ''Ordonnances'', verfasst unter dem Einfluss des Begründers des Merkantilismus, ''Jean-Baptiste Colbert'', und des Handelsrechtlers ''Jacques Savary'', sowie der ''Code Louis'' und die ''Ordonnance criminelle'' hatten nachhaltige Wirkung auf die Entstehung und Ausformung des französischen Handels-, Prozess- und Strafrechts. Neben diesen konkreten Einflüssen erwiesen die ''Ordonnances'' sich letztlich als notwendige Voraussetzung der französischen Rechtseinigung, wie sie energisch allerdings erst im ''[[Code civil]]'' und seinen Schwestergesetzen – u.a. dem ''[[Code de Commerce]]'' – verwirklicht werden sollte. Die ''Grandes'' ''Ordonnances'' ''Ludwigs XIV''. sind als Kodifikationen und damit umfassende Regelung eines breiten Rechtsgebiets, nicht als (ungeordnete) Kompilationen existierender Rechtsvorschriften anzusehen, selbst wenn ihr Wert nicht in der Einführung bahnbrechender, neuer Regeln, sondern in der Systematisierung des gewohnheitsrechtlich und in zahlreichen vorhergehenden ''Ordonnances ''zersplitterten Rechtsstoffs liegt. Dabei hatten die ''Grandes Ordonnances'' ihre wesentliche Bedeutung im öffentlichen Recht. Dagegen fehlt den ''Daguessau''’schen zivilrechtlichen Normwerken der kodifikatorische Anspruch, weil mit ihnen nur einzelne Rechtsinstitute, nicht aber umfassende Rechtsbereiche geregelt wurden. Mit ihnen sollte zudem im Wesentlichen nur die Gesetzesanwendung durch die ''Parlements'', nicht aber das in den Gebieten von ''droit coutumier'' und ''droit écrit ''unterschiedliche materielle Recht vereinheitlicht werden. Für alle ''Ordonnances''<nowiki> gilt aber die Feststellung, dass sie „kein Instrument zur Rechtserneuerung, sondern vielmehr zur Rechtsbewahrung [waren]: sie setzte[n] nicht neues Recht, sondern altes Recht neu“ (</nowiki>''Walter Wilhelm'').


Seit der Einführung des ''Alltingets ombudsmann'' auf Island (1987) findet sich die Institution eines parlamentarischen Ombudsmannes nicht nur in allen nordischen Rechtsordnungen, auch die zum dänischen Königreich zählenden Färöer und Grönland, seit 1948 und 1979 in zunehmendem Maße selbstverwaltet, verfügen mit dem ''Landsting Ombudsman ''auf Grönland (1995) und dem ''Lagting Ombudsman'' auf den Färöer (2001) heute je über eine entsprechende Einrichtung.
==Literatur==
 
''Ernest Glasson'', Histoire du droit et des institutions de la France VIII, 1903, §§&nbsp;17&nbsp;ff.; ''Robert Holtzmann'', Französische Verfassungsgeschichte, 1910, 220&nbsp;ff.; ''Adhémar (Jean Hippolyte Emmanuel)'' ''Esmein'', Cours élémentaire d’histoire du droit français, 1925, 816&nbsp;ff.;'' Walter Wilhelm'', Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert, Ius Commune, 1 (1967) 241&nbsp;ff.; ''Heinrich Kaspers'', Vom Sachsenspiegel zum Code Napoléon, 1978, 155&nbsp;ff.
== 3. Rezeption des öffentlich-rechtlichen Ombudsmannes ==
Die Institution des ''parlamentarischen Ombudsmannes'' wurde nicht nur in den nordischen Ländern mit Optimismus und Enthusiasmus aufgenommen; insbesondere der erste dänische Ombudsmann machte sie auch außerhalb des Nordens so bekannt, dass sie in zahlreichen Ländern rezipiert wurde. Dabei war Neuseeland nach Dänemark die vierte und erste englischsprachige Nation, die einen Ombudsmann nach skandinavischer Konzeption etablierte. Diese Adaption der Einrichtung in ein demokratisches System britischer Prägung wurde in den folgenden Jahrzehnten zum Muster für die meisten Staaten des Commonwealth. Im Jahre 1978 hatten über 30&nbsp;Länder eine Institution nach dem Vorbild des nordischen Ombudsmannes etabliert, im Jahre 2005 waren es weltweit bereits weit über 100&nbsp;Staaten. Heute besteht vor allem in Ländern, die erst in jüngerer Zeit ihre eigene Unabhängigkeit erreicht haben bzw. die sich nach Überwindung eines totalitären Regimes um die Einführung eines bürgernahen und demokratischen Regierungssystems bemühen, ein gesteigertes Interesse an der Einführung einer kontrollierenden und korrigierenden Instanz wie der des parlamentarischen Ombudsmannes nach skandinavischem Vorbild.
 
Auf europäischer Ebene wurde im Jahre 1995 das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten mit Sitz in Straßburg eingerichtet. Dieser wird vom [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]] gewählt und befasst sich mit Missständen in der Verwaltungstätigkeit der Organe und in Institutionen der Europäischen Union. Dabei stützt er sich in der Regel auf entsprechende Beschwerden, kann aber auch aus eigener Initiative Untersuchungen einleiten.
 
== 4. Ombudsmann und Verbraucherrecht ==
Seit Anfang der 1970er Jahre ist die Idee eines staatlich bestellten, unabhängigen Kontrollorgans auch zur Förderung des Verbraucherschutzes eingesetzt worden. Bereits seit Beginn der Verbraucherschutzdebatten nach 1960 ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) wurde immer wieder die geringe Bereitschaft der Verbraucher zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen des herkömmlichen Zivilprozesses hervorgehoben. Dies wird auf verschiedene rechtssoziologische und ökonomische Faktoren zurückgeführt, die gewisse Parallelen zum Hintergrund der Etablierung der öffentlich-rechtlichen Ombudsmann-Einrichtungen aufweisen. So führen etwa Informationsdefizite und fehlende Rechtskenntnis der Verbraucher, das Gefühl der Unterlegenheit des Einzelnen und die Schwellenangst gegenüber der Nutzung des Rechtsapparates insbesondere dort, wo es sich nur um geringe Streitwerte handelt und das prozessuale Kostenrisiko vergleichsweise hoch erscheint, zu einer von der ökonomischen Analyse des Rechts konstatierten ''Risikoaversion'' und einem ''rationalen Desinteresse'' des Verbrauchers an der Durchsetzung seiner Rechte. Dabei treffen die Folgen nicht nur den einzelnen Konsumenten (soziale Befriedungsfunktion), sie werden auch als generelle Schwachstellen des Rechtssystems angesehen. Die Durchsetzungsdefizite bringen eine nur unzureichende Verwirklichung des materiellen Verbraucherrechts mit sich und stellen damit die Legitimität des Rechts an sich in Frage. Dies führt zu einem generellen Vertrauensverlust. Gemeinsam mit einer erstarkenden Asymmetrie der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Unternehmern und Konsumenten kann dies die Funktionsfähigkeit einzelner Verbrauchermärkte schmälern.
 
In den Rechtsordnungen der westlichen Staaten wurden daher zahlreiche Abhilfemaßnahmen entwickelt. Dabei hat man sich dort, wo der gerichtliche Rechtsschutz besonders teuer ist, bereits früh um Alternativen zu den traditionellen Konfliktlösungsinstrumentarien bemüht. Neben unterschiedlichen Schlichtungs- und Mediationsverfahren ([[Mediation]]) und der Schaffung spezieller Gerichte und schlanker Verfahren für geringwertige Streitigkeiten (so etwa die ''small claims courts'' in den USA) sind hier vor allem die verschiedenen als ''Ombudsmann'' bezeichneten Einrichtungen zu nennen, deren Aufgabe es ist, Positionen der Verbraucher auf deren Beschwerde hin gegenüber den kritisierten Unternehmen zu stärken und den Einzelnen bei der Durchsetzung seiner Verbraucherrechte zu unterstützen.
 
Generell kann hier zwischen ''staatlichen'' Aufsichtsbehörden wie den Verbraucherombudsleuten in den skandinavischen Ländern einerseits (unten 4&nbsp;a) und privaten, branchenspezifischen, von der Anbieterseite eingerichteten Beschwerdestellen – wie etwa einst dem ''Insurance Ombudsman Bureau'' (IOB) in Großbritannien, das heute als Unterabteilung im gesetzlichen ''Financial Ombudsman Service'' (FOS) aufgegangen ist −, sowie dem Ombudsmann der privaten Banken und dem Versicherungsombudsmann in Deutschland andererseits unterschieden werden (unten 4&nbsp;b). Während erstere vor allem mit dem Schutz ''kollektiver'' Verbraucherinteressen, insbesondere dem Schutz vor [[Werbung, vergleichende|irreführender Werbung]] und [[Geschäftspraktiken, irreführende|unlauteren Geschäftspraktiken]] betraut sind und nur begrenzt auch Schlichtungsfunktionen bei konkreten Auseinandersetzungen übernehmen, ist die Lösung ''individueller'' Konflikte die Hauptaufgabe der letzteren. Im Gegensatz zum klassischen Ombudsmann im öffentlichen Sektor und dem Verbraucherombudsmann der nordischen Länder sprechen die privaten Ombudsmann-Einrichtungen nicht nur Empfehlungen aus, sie haben regelmäßig auch Entscheidungskompetenzen, die jedoch überwiegend nur das Unternehmen binden (und dies allein bis zu einen bestimmten Streitwert), während dem Verbraucher weiterhin der Weg zum Gericht offen steht.
 
=== a) Der staatliche Verbraucherombudsmann (skandinavisches Modell) ===
Die erste Einrichtung dieser Art wurde im Jahre 1971 in Schweden geschaffen. Der sog. ''Konsumentombudsmannen'' (KO) ist als öffentlicher Beamter von hohem Ansehen zugleich Direktor des ''Konsumentverket'' (KOV) (''Swedish Consumer Agency''). Seine wesentliche Aufgabe ist die Überprüfung der Einhaltung verbraucherrechtlicher Vorgaben durch die Marktteilnehmer. Dies geschieht auf eigene Initiative, als Folge von Beschwerden durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Eingaben öffentlicher Stellen. Der ''Konsumentombudsmannen'' fungiert hier als Vertreter der allgemeinen Verbraucherinteressen und bemüht sich um einvernehmliche Lösungen und freiwillige Befolgung seiner Empfehlungen. Wo die Verhandlungen jedoch scheitern, kann er Klage vor einem besonderen Gericht, dem ''Marknadsdomstolen'' (''Market Court'') wegen Verletzung des ''Lag om avtalsvilkor i konsumentförhållanden ''(''Consumer Contract Terms Act'') oder des ''Marknadsföringslagen'', MFL 1995:450'' ''(''Marketing Practices Act''), ggf. in Verbindung mit anderen Verbraucherschutzgesetzen, erheben. Der ''Konsumentombudsmannen'' kann hier gerichtliche Verfügungen erwirken, eine Entscheidung zur Offenlegung von Informationen anstreben oder eine spezielle Strafe wegen Störung des Marktes von bis zu 10&nbsp;% des jährlichen Umsatzes des Beklagten begehren. In kleineren Fällen ist der ''Konsumentombudsmannen'' – eine Einigung mit dem jeweiligen Unternehmen vorausgesetzt – auch selber berechtigt, Verbote auszusprechen oder die Offenlegung von Informationen anzufordern. Ferner ist der ''Konsumentombudsmannen'' bereits seit 1997 berechtigt, eine Gruppe von Verbrauchern im Rahmen einer außergerichtlichen Sammelklage vor dem ''Allmänna reklamasjonsnämnden ''(ARN) (''Swedish National Board for Consumer Complaints'') als deren Repräsentant zu vertreten. Mit dem ''Lag om grupprättegång'' aus dem Jahre 2002 (''Group Proceedings Act of 2002'') ist die Gruppenklage auch vor den ordentlichen Gerichten eingeführt worden; die mögliche Durchsetzung von kollektiven Verbraucherinteressen – auch, aber nicht nur vertreten durch den ''Konsumentombudsmannen'' – ist damit grundsätzlich erweitert worden. Weiter kann der ''Konsumentombudsmannen'' auch einzelne Verbraucher und die in Rede stehenden Verbraucherinteressen im Rahmen von individuellen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht unterstützen. Zunächst war dies nur für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der Finanzdienstleistung vorgesehen, seit 2007 ist diese Regelung aber auf alle Verbraucherklagen ausgeweitet. Diese Form der Intervention des ''Konsumentombudsmannen'' findet zunehmend großen Anklang; es handelt sich derzeit um eine vorläufige Regelung, die bis Ende 2011 erprobt wird. Schließlich wirkt der ''Konsumentombudsmannen'' bei den Beschlüssen des ARN zu individuellen Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Unternehmen mit und gibt neben den im Ausschuss beteiligten Branchenvertretern und Verbrauchervertretern Stellungnahmen ab, die mit in die unverbindliche, aber zumeist freiwillig befolgte Empfehlung des ARN einfließen.  
 
Auch in Dänemark (und vergleichbar auch in Norwegen und Finnland) sorgt der ''Forbrugerombudsmand'' vor allem für den Schutz ''kollektiver'' Verbraucherinteressen und die Einhaltung der Vorgaben des ''Markedsføringsloven ''(''Marketing Practices Act''), ggf. in Verbindung mit weiteren zivilrechtlichen Verbraucherschutzgesetzen, die Einhaltung des ''Betalingsmiddelloven'', des ''Tobaksreklameloven'', des ''E-handelsloven'' und des ''Lov om juridisk rådgivning''. Wie der schwedische ''Konsumentombudsmannen'' wird er auf eigene Initiative oder auf Beschwerde durch Verbraucher oder Konkurrenten sowie auf Hinweise anderer Stellen hin aktiv und ist vornehmlich um außergerichtliche Verhandlung und freiwillige Befolgung seiner Einwände bemüht. Er kann aber auch vor dem hierfür zuständigen ''Sø- og Handelsretten i København ''(''Copenhagen Maritime and Commercial Court'') Klage wegen Verstoßes gegen eines der in Rede stehenden Verbraucherschutzgesetze erheben. Bei Gefahr im Verzug kann er zudem selber eine vorläufige Entscheidung treffen. Für ''individuelle'' Rechtsstreitigkeiten wurden in Dänemark unter dem Dach einer staatlichen Rahmengesetzgebung zahlreiche private Beschwerdestellen durch Wirtschafts- und Verbraucherverbände eingerichtet. Daneben ist der öffentliche ''Forbrugerklagenævnet'' (''Consumer Complaint Board'') auf der Grundlage des ''Forbrugerklagelov'' (''Consumer Complaint Act'') aus dem Jahre 2003 für diejenigen Beschwerden zuständig, die nicht von den privaten Beschwerdestellen abgedeckt und die auch nicht durch das Familien- und Verbraucherministerium von dieser Form der außergerichtlichen Streitbeilegung ausgeschlossen wurden. Der ''Forbrugerombudsmand ''hingegen greift in Dänemark grundsätzlich nicht in individuelle Streitigkeiten ein.
 
=== b) Private Ombudsmann-Einrichtungen  ===
Als Beispiel für zahlreiche private Ombudsmann-Einrichtungen ist vor allem das ''Insurance Ombudsman Bureau'' (IOB) in Großbritannien (GB) zu nennen. Dieses wurde 1981 von den drei größten Versicherungsgesellschaften als unabhängige, kostenlose Schlichtungsinstitution errichtet. Hintergrund war die zunehmende Kritik an der materiellrechtlich wie auch prozessual unbefriedigenden Situation der Verbraucher in der britischen Versicherungsbranche. Aufbauend auf entsprechenden Forderungen der ''Consumers’ Association'' und des ''Office of Fair Trading'' aus den frühen 1970er Jahren gaben die Versicherer dem zunehmenden Druck schließlich nach und richteten eine unabhängige private Beschwerdestelle ein. Hierfür wählten sie den positiv besetzten Begriff „Ombudsmann“, der für Integrität, Unabhängigkeit und Bürgernähe stand. Die Gründung des IOB sollte aber nicht nur das Image der Versicherer verbessern, sondern ist vor allem auch eine Maßnahme zur Verhinderung von Eingriffen des Gesetzgebers durch direktere und rechtsverbindlichere Regelungen. In den folgenden Jahren entwickelte sich das IOB zum Musterbeispiel erfolgreicher Streitbeilegung durch Selbstregulierung. Dies zeigt sich an der Vielzahl der behandelten Beschwerden, dem Vertrauen der Betroffenen und Beobachter, dem hohen Bekanntheitsgrad und der häufigen Übernahme des Modells durch andere Branchen und in anderen Ländern. Im Jahre 2001 kam es in GB zu einer Übertragung des bewährten Ombudsmann-Modells auf den gesamten Finanzdienstleistungssektor mit der Folge, dass die seinerzeit acht verschiedenen Ombudsmann- und Schlichtungssysteme im Finanzdienstleistungssektor vereinheitlicht und zu einem gesetzlichen ''Financial Ombudsman Service'' (FOS) zusammengefasst wurden. Damit ist auch das IOB als Unterabteilung im FOS aufgegangen. Diese gesetzgeberische Initiative zur Vereinheitlichung und Regulierung privater Beschwerdestellen, die auch in anderen Ländern wie etwa Dänemark und Irland zu beobachten ist, darf jedoch nicht als Ablösung eines überholten, sondern muss vielmehr als gesetzlich unterstützte Ausdehnung eines ausgesprochen bewährten Modells verstanden werden.
 
Deutschland ist mit der freiwilligen Einrichtung des Ombudsmannes der privaten Banken (1992) und des Versicherungsombudsmannes (2001) erst vergleichsweise spät in die europaweite Entwicklung hinsichtlich privater, branchenspezifischer Beschwerdeausschüsse eingestiegen. Lange hatte man sich hier mittels staatlicher Subventionen um eine Integration der Verbraucherstreitigkeiten in die ordentliche Gerichtsbarkeit bemüht. Im Ergebnis sind die Gerichte u.a. aufgrund der [[Prozesskostenhilfe]] und des von der Versicherungswirtschaft geschaffenen Instruments der privaten Rechtsschutzversicherungen tatsächlich jedermann zugänglich, die Funktionsfähigkeit der Gerichte aber leidet unter einer immer größeren Prozesslast, und die Verfahrensdauer nimmt trotz verschiedener justizpolitischer Maßnahmen eher zu als ab. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch in Deutschland die Einrichtungen des Bankenombudsmannes und des Versicherungsombudsmannes, die sich vor allem am Vorbild des IOB in Großbritannien orientiert hat, als Erfolgsgeschichte. Dies zeigt sich etwa an der wachsenden Zahl von Verbraucherbeschwerden, obgleich der Weg vor die Gerichte grundsätzlich offen steht und erschwinglich ist, sowie an der flächendeckenden Organisation der Versicherer im (freiwilligen) Trägerverein des Versicherungsombudsmannes. Zusammen spiegelt dies eine hohe Akzeptanz der Einrichtungen auf beiden Seite wider, führt zu einem marktfördernden wechselseitigen Vertrauen und einer hohen Befriedungsrate. Es erscheint daher vielversprechend, weitere private Beschwerdestellen auch für andere Verbrauchermärkte einzurichten; dies gilt jedenfalls dann, wenn die beteiligten Branchenmitglieder eine gewisse Interessenhomogenität aufweisen und die zentralen Erfolgsbedingungen der genannten Ombudsmann-Einrichtungen, darunter vor allem ihre begrenzte Entscheidungskompetenz mit einseitiger Bindungswirkung für den Unternehmer, beachtet werden.  


== 5. Europarechtliche Dimension  ==
==Quellen==
Die Institutionen der EU fordern und fördern seit Jahren durch Veröffentlichung entsprechender Grundsätze und Verabschiedung zahlreicher Richtlinien die Einrichtung außergerichtlicher Streitschlichtungsstellen zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten durch Einbindung einer dritten Partei, eines Schiedsrichters, Mediators oder Ombudsmannes. Zu nennen sind hier etwa die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (RL&nbsp;97/‌7), die Empfehlung der Kommission vom 4.4.2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen (2001/‌310/‌EC), ferner die Mitteilung'' ''der Kommission vom 4.4.2001 zur Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung (KOM(2001) 161 endg.), das Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht vom 19.4.2002, die Richtliniedes Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.12.2002 über Versicherungsvermittlung (RL&nbsp;2002/‌92; [[Versicherungsvermittler]]), die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (RL&nbsp;2008/‌52) sowie das Grünbuch der Kommission über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27.11.2008 (KOM(2008) 794 endg.).
Die königlichen ''Ordonnances'' des ''Ancien Régime'' finden sich bei ''Athanase-Jean-Léger Jourdan'', ''François-André Isambert'', ''Alphonse-Honoré Taillandier''<nowiki> (Hg.), Recueil général des anciennes lois françaises, depuis l'an 420 jusqu'à la Révolution de 1789, 1821–1833 (abrufbar unter <www.gallica.bnf.fr>).</nowiki>
 
==Literatur==
''Donald C. Rowat'' (Hg.),'' ''The Ombudsman, 1965; ''Eike von Hippel'', Verbraucherschutz, 3.&nbsp;Aufl. 1986;'' Bengt Wieslander'','' ''JO-ämbetet i Sverige, 1995; ''Thomas von Hippel'', Der Ombudsmann im Bank- und Versicherungswesen, 2000; ''Jens M. Scherpe'', Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 2002; ''Hans Gammeltoft-Hansen ''(Hg.), The Danish Ombudsman, 2005; ''Jürgen Basedow'', Small Claims Enforcement in a High Cost Country: The German Insurance Ombudsman, Scandinavian Studies in Law 2007, 49&nbsp;ff.; ''The Study Centre for Consumer Law – Centre for European Economic Law'','' Katholieke Universiteit Leuven in Belgium'', An analysis and evaluation of alternative means of consumer redress other than redress through ordinary judicial proceedings. A Study for the European Commission, Health and Consumer Protection Directorate-General, Directorate B – Consumer Affairs, 2007; ''P.E. Morris'', The Financial Ombudsman Service and the Hunt Review: Continuing Evolution in Dispute Resolution, Journal of Business Law 2008, 785&nbsp;ff.; ''International Ombudsman Institute in Edmonton ''(Hg.),'' ''The International Ombudsman Yearbook, Vol.&nbsp;1–9, 1997–2008.


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Version vom 28. September 2021, 18:19 Uhr

von Gebhard Rehm

1. Begriff

Nach der Auflösung des Karolingischen Reiches (endgültig 921) trennten sich auch juristisch die Wege Deutschlands und Frankreichs, wenngleich die fränkischen Wurzeln in beiden Staaten nicht vollständig gekappt wurden. Frankreich teilte sich rechtlich dabei in zwei Teile, auch wenn die Unterschiede oft fließend waren. Herrschte in Nordfrankreich (etwa nördlich einer gedachten Linie Genf-Girondemündung) bis dahin das weithin durch fränkisch-burgundisch-vulgare Tradition geprägte sog. droit coutumier (Gewohnheitsrecht), so galten im Süden vor allem durch römische Rechtsquellen inspirierte Volksrechte, die seit Rezeption des Corpus Juris Civilis verstärkt durch dieses beeinflusst werden ((droit écrit/‌geschriebenes Recht). Dennoch war auch das Recht im Süden Frankreichs in nicht geringem Maße durch gewohnheitsrechtliche Regeln geprägt. Das Recht war nicht nur zwischen Norden und Süden, sondern auch zwischen den einzelnen Regionen zersplittert; die maßgeblichen Regeln lassen sich oft nur mühsam ermitteln. Ab dem 12. Jahrhundert erschienen überall in Frankreich Sammlungen von lokalen bzw. regionalen Rechten, die zunächst vor allem Gewohnheitsrecht aufzeichnen (Coutumes). Mit den im Ancien Régime als Ordonnances bezeichneten Gesetzesnormen schließlich versuchten die französischen Könige insbesondere seit dem 16. Jahrhundert zum einen, die Rechtsfindung zu erleichtern und zum zweiten, die herrschende Rechtszersplitterung zu mildern. Handelte es sich dabei zunächst um Aufzeichnungen jeweils geltender Rechtsbräuche (insbesondere der in der Rechtspraxis sehr wichtigen Coutume de Paris), nutzten die Könige die Ordonnances im weiteren Verlauf als Instrument eigener Gesetzgebung und legten damit die langfristige Grundlage für die Rechtsvereinheitlichung unter Napoléon Bonaparte (Code civil, Code de Commerce). Dabei wird zuweilen zwischen „eigentlichen Verordnungen“ (ordonnances proprement dites), Edikten (édits) und Anordnungen (déclarations) unterschieden. Während Anordnungen ein bestehendes Gesetz ergänzten oder interpretierten und Edikte eher Einzelfragen regelten, betraf die eigentliche Verordnung als Vorläufer des Kodifikationsgedankens umfassende Rechtsmaterien. Mit einer sog. Ordonnance de réformation wie z.B. dem Code Michau reagierte der König auf Regelungsvorschläge der Generalstände; entsprechend umfassend, wenn auch nicht systematisch durchgebildet, war häufig ihr Regelungsumfang.

In der heutigen Rechtspraxis werden mit Ordonnances (die allerdings nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sind) im Sinne von Verordnungen Rechtsakte der Regierung bezeichnet, mit denen die Zuständigkeit des Parlaments teilweise in bemerkenswert weitem Umfang umgangen werden kann, was in der Literatur nicht selten auf Kritik stößt. So ist die jüngste Reform des Code de commerce im Wesentlichen im Verordnungswege erfolgt.

2. Regelungsgegenstände

a) Rechtsfeststellende Ordonnances

Die erste wichtige, durch Karl VII. nach dem Ende des Hundertjährigen Kriegs erlassene und damit die „Neugründung“ Frankreichs begleitende sog. Ordonnance von Montil-les-Tours (1453) vereinheitlichte selbst noch nicht das Recht. Sie ordnete – gewissermaßen in einer Vorstufe – nur an, die jeweiligen regionalen „Gewohnheitsrechte, Gebräuche und Verfahrensweisen“ (Coutumes) nieder zu schreiben, um sie im Interesse eines bon ordre de justice leichter feststellen zu können. Diese zunächst erkennbare Zurückhaltung beruhte nicht etwa darauf, dass der König etwa einen „Wettbewerb der (lokalen und regionalen) Rechtsordnungen“ hätte ermöglichen wollen, sondern auf seiner zu dieser Zeit noch beschränkten Kompetenz zum Gesetzeserlass und der Notwendigkeit, nach dem mit England geführten Krieg und dem französischen Bürgerkrieg das geltende Recht zu ermitteln. Königliche Gesetze waren ursprünglich an die Zustimmung der wichtigsten Regionalfürsten gebunden, die aber mit dem ab der Mitte des 13. Jahrhunderts erkennbaren Machtzuwachs des Königs recht bald nur noch formell eingeholt wurde. Ab dem 14. Jahrhundert begannen zwar die Generalstände, also die Vertreter von Adel, Klerus und Drittem Stand, einen gewissen Einfluss auf die königliche Gesetzgebung zu nehmen, ohne dass dieser indes überschätzt werden sollte. Der König nahm entsprechende Initiativen eher zum Anlass oder Ausgangspunkt für eine Regelung, als dass inhaltliche Wünsche vollständig übernommen worden wären. Wesentliche anordnende Inhalte der Ordonnances im 13. und 14. Jahrhundert waren dabei Fehdeverbote, die der Vermeidung allgegenwärtiger Privatkriege der Lehnsfürsten – in die häufig auch deren Verwandte einbezogen waren – dienten und insbesondere in Zeiten auswärtiger Kriege (vor allem auch der Auseinandersetzung mit England) des französischen Königs unerwünscht waren. Diese Fehdeverbote entfalteten indes kaum eine nennenswerte Wirkung. Erst mit der Ordonnance Cabochienne (1413) konnte das Zeitalter der Privatkriege beendet werden.

b) Übergang zu rechtsgestaltenden Ordonnances

Die Niederschriften der Coutumes (Gewohnheitsrechte) gaben den Anstoß, sich näher mit ihnen zu befassen. So avancierte etwa die 1510 amtlich fixierte Coutume de Paris auch dank eines Kommentars von Dumoulin (1539) und ihrer Neufassung 1580 zur Grundlage des nordfranzösischen Gewohnheitsrechts, mit dem der Einfluss des römischen Rechts verringert werden sollte. Zusehends wurden allerdings auch bestimmte Einzelfragen neu geregelt. So legte die Ordonnance de Roussillon (1549) den Jahresbeginn auf den 1. Januar statt Ostern fest, mit der Ordonnance de Moulin beschnitt Karl IX. 1566 die Rechte der Parlements (königliche Obergerichte) und der lokalen Gouverneure (als Vertreter des Königs). Die von Heinrich III. erlassene Ordonnance de Blois (1579) untersagte geheime Eheschließungen und führte ein von der Kirche geführtes Eheregister ein.

c) Die Ordonnances als Grundlage beginnender Rechtsvereinheitlichung

Die französischen Könige erkannten die Ordonnances zunehmend als Chance, stärkeren Einfluss auf die Rechtsentwicklung zu nehmen und rechtsvereinheitlichende Instrumente für ganze Rechtsgebiete zu erlassen. Bereits die Ordonnance de Villers-Cotterêts (1539) (auch Ordonnance Guillemine bzw. offiziell Ordonnance générale sur le fait de la justice, police et finances genannt) hatte bestimmte Fragen der Kirchengerichtsbarkeit geregelt, die Einrichtung eines generellen Taufregisters angeordnet und die französische Sprache statt der regionalen „Vulgarsprachen“ oder des Lateinischen zur generellen Gesetzes- und Verwaltungssprache erklärt. Zudem enthielt sie strafrechtliche Elemente. Der Code Michau Ludwig XIII. sollte auf eine Reihe von Anregungen der Generalstände im Bereich des Zivil-, (See‑)Handels- und Eherechts sowie des Strafrechts reagieren, hätte aber die Macht der Regionalfürsten und der Parlements – insbesondere das Recht zur Registrierung einer Ordonnance als deren Geltungsvoraussetzung (sog. remontrance) – zugunsten des Königs zeitlich beschnitten und scheiterte daher letztlich nicht zuletzt auf Betreiben Kardinal Richelieus. Danach entstanden indes unter Ludwig XIV., in dessen Regierungszeit die Generalstände nicht mehr einberufen wurden und der zunehmenden Gebrauch von umfassenden Gesetzesinstrumenten machte, in rascher Abfolge die das Zivilprozessrecht betreffende Ordonnance civile touchant la réformation de la justice (auch Ordonnance de S. German-en-Laye oder Code Louis genannt) (1667), die straf- und strafprozessrechtsvereinheitlichende Ordonnance criminelle (1670), die Ordonnance du commerce bzw. Code Marchand (1673) und die Ordonnance de la marine (1681). Der Code Louis regelte umfassend den Zivilprozess gegliedert nach seinem Ablauf von der Ladung bis zur Zwangsvollstreckung. Auch wenn er teilweise neue Rechtsvorschriften enthielt, diente er doch vor allem der systematischen Erfassung bestehenden Rechts und vereinheitlichte und vereinigte das französische Zivilprozessrecht in einem einzigen Gesetzbuch. Entgegenstehende Regeln wurden ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Die Ordonnance criminelle kodifizierte in ähnlicher Weise umfassend den Strafprozess und versuchte, mit einer rigiden Beschneidung der Rechte des Angeklagten die Kriminalität zu bekämpfen. Die beiden letztgenannten Normwerke regelten das Handels- und See(handels)recht und avancierten damit zu den ersten Kodifikationen des Handelsrechts in Europa. Inhaltlich enthielt der Code Marchand Regelungen zum Kaufmannsstand, den Handels- und Bankgeschäften und der Handelsgerichtsbarkeit. Die Ordonnance de la marine regelte schließlich umfassend das öffentliche und private Seehandelsrecht, um dem Seerecht Englands und der Hanse zur Mehrung französischen Wohlstandes im Geiste des Merkantilismus ein eigenes Regelungsregime entgegensetzen zu können. Mit dem letztlich in seiner praktischen Wirkung eher unbedeutenden Code Noir (1685) wurden schließlich die Rechtsverhältnisse der (schwarzen) Sklaven in den französischen Territorien geregelt.

Eine bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Daguesseau unter Ludwig XV. erwogene schrittweise Gesamtkodifikation des französischen Zivilrechts gelangte über den Erlass von Ordonnances über Schenkungen (1731), Testamente (1735) und Substitutionen im Fideikommissrecht (1748) nicht hinaus.

3. Bedeutung

Die hier nur beispielhaft aufgezählten Ordonnances avancierten also im Ancien Régime von einer bloßen Sammlung von Gewohnheitsrecht über eine auf Initiative der Generalstände versuchte Rechtsvereinheitlichung zu einem mächtigen Kodifikationsinstrument des Königs. Ihre jeweilige Bedeutung hing dabei stets vom aktuellen Machtgefüge – insbesondere der Stellung des Königs gegenüber den regionalen Fürsten und den Generalständen – ab. Es verwundert daher nicht, dass die vier zitierten Ordonnances Ludwig XIV., die sog. Grandes Ordonnances, den größten Einfluss erlangten. Die beiden handelsrechtlichen Ordonnances, verfasst unter dem Einfluss des Begründers des Merkantilismus, Jean-Baptiste Colbert, und des Handelsrechtlers Jacques Savary, sowie der Code Louis und die Ordonnance criminelle hatten nachhaltige Wirkung auf die Entstehung und Ausformung des französischen Handels-, Prozess- und Strafrechts. Neben diesen konkreten Einflüssen erwiesen die Ordonnances sich letztlich als notwendige Voraussetzung der französischen Rechtseinigung, wie sie energisch allerdings erst im Code civil und seinen Schwestergesetzen – u.a. dem Code de Commerce – verwirklicht werden sollte. Die Grandes Ordonnances Ludwigs XIV. sind als Kodifikationen und damit umfassende Regelung eines breiten Rechtsgebiets, nicht als (ungeordnete) Kompilationen existierender Rechtsvorschriften anzusehen, selbst wenn ihr Wert nicht in der Einführung bahnbrechender, neuer Regeln, sondern in der Systematisierung des gewohnheitsrechtlich und in zahlreichen vorhergehenden Ordonnances zersplitterten Rechtsstoffs liegt. Dabei hatten die Grandes Ordonnances ihre wesentliche Bedeutung im öffentlichen Recht. Dagegen fehlt den Daguessau’schen zivilrechtlichen Normwerken der kodifikatorische Anspruch, weil mit ihnen nur einzelne Rechtsinstitute, nicht aber umfassende Rechtsbereiche geregelt wurden. Mit ihnen sollte zudem im Wesentlichen nur die Gesetzesanwendung durch die Parlements, nicht aber das in den Gebieten von droit coutumier und droit écrit unterschiedliche materielle Recht vereinheitlicht werden. Für alle Ordonnances gilt aber die Feststellung, dass sie „kein Instrument zur Rechtserneuerung, sondern vielmehr zur Rechtsbewahrung [waren]: sie setzte[n] nicht neues Recht, sondern altes Recht neu“ (Walter Wilhelm).

Literatur

Ernest Glasson, Histoire du droit et des institutions de la France VIII, 1903, §§ 17 ff.; Robert Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte, 1910, 220 ff.; Adhémar (Jean Hippolyte Emmanuel) Esmein, Cours élémentaire d’histoire du droit français, 1925, 816 ff.; Walter Wilhelm, Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert, Ius Commune, 1 (1967) 241 ff.; Heinrich Kaspers, Vom Sachsenspiegel zum Code Napoléon, 1978, 155 ff.

Quellen

Die königlichen Ordonnances des Ancien Régime finden sich bei Athanase-Jean-Léger Jourdan, François-André Isambert, Alphonse-Honoré Taillandier (Hg.), Recueil général des anciennes lois françaises, depuis l'an 420 jusqu'à la Révolution de 1789, 1821–1833 (abrufbar unter <www.gallica.bnf.fr>).