Interessenkonflikte und International Civil Aviation Organization: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Begriffsbestimmung ==
== 1. Geschichte der ICAO ==


Für den Begriff Interessenkonflikt hat sich bisher weder in der Rechtswissenschaft noch in benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen, wie z.B. den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, ein einheitliches Verständnis herausgebildet. Eine sehr weite Fassung dieses Begriffs würde jegliches Aufeinandertreffen gegensätzlicher Interessen verschiedener Personen als Interessenkonflikt begreifen. Damit würden letztlich alle rechtlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Personen umfasst, bei denen die Interessen der beteiligten Parteien einander offen gegenüberstehen und dieser Interessengegensatz der Transaktion notwendig inhärent ist. Hierzu gehören unter anderem gegenseitige Verträge, wie beispielsweise Kaufverträge, bei denen die eine Partei einen möglichst hohen, die andere hingegen einen möglichst niedrigen Preis anstrebt. In diesen Fällen ist der Interessengegensatz naturnotwendig in der jeweiligen Situation angelegt und die rechtlichen Regelungen darauf abgestimmt, den von den Parteien privatautonom zu vereinbarenden Ausgleich sicherzustellen. Ein weitergehendes einheitliches Regelungsregime ist für die Lösung dieser Konflikte nicht notwendig und auch nicht möglich, da jeder dieser so verstandenen Interessenkonflikte eine eigene spezifische Lösung erfordert.
Durch die Notwendigkeit veranlasst, den internationalen Luftverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu regeln, lud die amerikanische Regierung im Jahr 1944 alle sich im Krieg befindenden sowie die neutralen Staaten (außer Argentinien) zu einer internationalen Staatenkonferenz nach Chicago ein. Dort wurde am 7.12.1944 die Gründung der ''International Civil Aviation Organization ''(ICAO) mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt beschlossen. Von den 52 teilnehmenden Staaten unterzeichneten damals 37 das genannte Abkommen, worauf die Organisation mit Sitz in Montreal provisorisch unter dem Namen ''Provisional International Civil Aviation Organization'' (PICAO) ihre Arbeit aufnahm. Nach Erreichen der benötigten 26 Ratifikationen trat das Abkommen am 4.4.1947 in Kraft und die PICAO wurde zugunsten der ICAO aufgelöst. Als Sitz wurde Montreal von der PICAO übernommen. Einen Monat später, am 13.5.1947, erhielt die ICAO den Status einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen gemäß Art. 57 UNO-Charta. Bis heute sind der ICAO 190 Staaten beigetreten, und sie hat sieben Regionalbüros in Bangkok, Kairo, Dakar, Lima, Mexiko City, Nairobi und Paris aufgebaut, welche für neun Luftverkehrsregionen zuständig sind. Zudem pflegt sie eine enge Zusammenarbeit mit anderen UNO-Einrichtungen wie der ''World Meteorological Organization'', der ''International Telecommunication Union'', der ''Universal Postal Union'', der ''World Health Organization ''und ''der International Maritime Organization''. Auch zahlreiche NGOs sind in die Arbeit der ICAO involviert, wie beispielsweise die ''International Air Transport Association'' oder die ''International Federation of Air Line Pilot’s Associations''.


Besondere Regelungen verlangen jedoch solche Interessenkonflikte, wie sie beispielsweise bei Insichgeschäften von Vertretern, Eigengeschäften von Vorstandsmitgliedern oder bei Universalbanken, die gegensätzliche Kundeninteressen bedienen müssen, auftreten. Es handelt sich dabei um Konflikte von eigenen oder fremden Interessen mit anderen fremden Interessen, die innerhalb einer einzelnen Person bzw. Organisation aufeinander treffen und die gegensätzliches Handeln verlangen. Solche – enger verstandenen – Interessenkonflikte gehören zu den fundamentalen Problemstellungen der heutigen modernen Dienstleistungsgesellschaft. Angelegt sind sie in der wachsenden Komplexität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgänge, die zu einer immer stärkeren Spezialisierung und Arbeitsteilung führt. Immer mehr Aufgaben werden auf andere übertragen, und es wird immer schwieriger, diese zu kontrollieren. Oft fehlt es dem Einzelnen an Wissen, Zeit und/‌oder finanziellen Mitteln, um die für ihn tätigen Experten und spezialisierten Dienstleister angemessen zu überwachen. So ist er darauf angewiesen, sich auf diese Spezialisten zu verlassen. Diese nehmen regelmäßig von Berufs wegen fremde Interessen wahr und versprechen, ihre Dienstleistungen unter Zurückstellung eigener Interessen und unter Vermeidung einer unsachlichen Bevorzugung anderer fremder Interessen zu erbringen. Zu ihnen gehören z.B. Banken, Kommissionäre, Rechtsanwälte, Makler sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Aber auch z.B. bei der Vormundschaft und bei der Testamentsvollstreckung sind Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen.
== 2. Das Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt ==


Fallkonstellationen für Interessenkonflikte sind hierbei insbesondere: (1) der Konflikt eigener und fremder Interessen; (2) die Kollision von gegensätzlichen Interessen verschiedener Dritter, die der jeweilige Interessenwahrer gleichermaßen zu wahren hat (meist als Pflichtenkollision bezeichnet). Diese können sowohl auf der (a) gleichen Marktseite auftreten als auch auf (b) gegensätzlichen Marktseiten. Besondere Situationen, die zwar auf den genannten Fällen basieren, aber dennoch Besonderheiten aufweisen sind (3) im Rahmen von Organisationen entstehende Interessenkonflikte.
Das auf der Chicagoer Konferenz geschaffene Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (auch Chicagoer Abkommen oder ICAO-Abkommen genannt) und die gleichzeitig abgeschlossenen Zusatzabkommen (Vereinbarung über den Durchflug im internationalen Fluglinienverkehr, Internationale Transportvereinbarung) verankern Grundsätze, die die Basis für den heutigen Luftverkehr festlegen.


== 2. Rechtsentwicklungen ==
Das Abkommen statuiert in Art. 1 die Lufthoheit jedes Staates. Es unterscheidet zwischen Privat- und Staatsluftfahrzeugen, wobei das Abkommen nur auf Privatluftfahrzeuge und nicht auf Staatsluftfahrzeuge, bspw. polizeilicher oder militärischer Art, anzuwenden ist (Art.3(a)). Im Weiteren wird zwischen dem planmäßigen Fluglinienverkehr und dem nicht planmäßig eingesetzten internationalen Flugverkehr differenziert, wobei letzterer privilegiert behandelt wird, da ihm das Eindringen und Durchfliegen des Hoheitsgebietes eines Vertragsstaates ohne vorherige Bewilligung gestattet wird (Art. 5). Planmäßiger internationaler Fluglinienverkehr hingegen darf nach Art. 6 grundsätzlich nur mit der Erlaubnis des zu überfliegenden Staates stattfinden. Sodann haben sich basierend auf dem Chicagoer Abkommen diverse Freiheiten der Luft gebildet, die in der Staatengemeinschaft allgemein anerkannt sind. Darauf aufbauend wurden bilaterale Luftverkehrsabkommen etabliert, die die wesentlichen Fragen des Luftverkehrs zwischen den verschiedenen Beteiligten regeln.


Die Regelungen zu Interessenkonflikten (im engeren Sinne) sind in den letzten Jahren in vielen Rechtsgebieten Gegenstand weitreichender Entwicklungen geworden. So hat etwa die [[Europäische Union|EU]] im Bereich des Kapitalmarktrechts eine ganze Reihe von Vorschriften zur Regelung von Interessenkonflikten erlassen. Auch Internationale Organisationen, wie die OECD und die IOSCO haben sich in einzelnen Bereichen mit Interessenkonflikten und ihren Auswirkungen auseinandergesetzt und Vorschläge für deren Regelung unterbreitet. Allgemeine Regelungen für die Interessenkonflikte von Vertretern enthalten schließlich auch PECL, [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT PICC]] und DCFR (letzterer enthält darüber hinaus weitergehend Regelungen, wie z.B. für die Beratungssituation).
== 3. Aufgaben und Ziele  ==


Aufgrund der Umsetzung der von der EU erlassenen Richtlinien sind in den nationalen Rechtsordnungen zu den bisher existierenden Vorschriften vielfältige neue Interessenkonfliktsregelungen hinzugekommen. Die Regelungen zu Interessenkonflikten sind aufgrund dieser Entwicklung über viele verschiedene Gesetze und Rechtsgebiete verstreut, haben sich meist unabhängig voneinander entwickelt und beruhen daher auf keinem einheitlichen Regelungskonzept. Während in einigen Bereichen, wie z.B. dem [[Kapitalmarktrecht]], aufgrund der europäischen Entwicklungen mittlerweile sehr detaillierte Regelungen zu Interessenkonflikten eingeführt worden sind, sind spezifische Regelungen in anderen Rechtsgebieten, wie z.B. dem Maklerrecht, nicht oder nur kaum Gegenstand von Veränderungen worden. Die zunehmenden konzeptionellen Veränderungen bei der Regelung von Interessenkonflikten werden somit nur in einzelnen Bereichen nachvollzogen.  
Als grundsätzliches Hauptziel der ICAO kann die Förderung des internationalen Luftverkehrs genannt werden. Im Weiteren sollen mittels einheitlicher und universeller Regelung eine sichere und geordnete Entwicklung der Zivilluftfahrt gewährleistet und internationale Luftverkehrsdienste auf einheitlicher Basis wirtschaftlich betrieben werden können. Nach Art. 44 des Chicagoer Abkommens erarbeitet die ICAO zudem Grundsätze und technische Methoden zur ökonomischen und sicheren Entwicklung des internationalen Zivilluftverkehrs. Im Einzelnen bedeutet dies die weltweite Gewährleistung eines sicheren und geordneten Wachstums der internationalen Zivilluftfahrt, die Förderung des Baus und den Betrieb von Luftfahrzeugen zu friedlichen Zwecken, die Entwicklung von Luftverkehrsstraßen, Flugplätzen und Flugsicherungsanlagen sowie die Verhinderung wirtschaftlicher Verschwendung verursacht durch einen übermäßigen Wettbewerb. Im Weiteren sollen die Rechte der Vertragsstaaten und deren Möglichkeit, internationalen Flugverkehr zu betreiben, gesichert, ungleiche Behandlung der Vertragsstaaten vermieden und die Flugsicherheit in der internationalen Luftfahrt erhöht werden. Umgesetzt sind die genannten Zielaufträge mehrheitlich in Richtlinien und Empfehlungen. Durch die Übernahme von bisher 18 Annexen in zahlreiche nationale Rechtsordnungen besteht weitgehende Einheitlichkeit in den durch sie abgedeckten Gebieten: Zulassung von Luftfahrtpersonal, Luftverkehrsregeln, Flugwetterdienste, Luftfahrtkarten, Vereinheitlichung der Nachrichtenübermittlung, Betrieb von Luftfahrzeugen, Nationalität und Kennzeichnung von Luftfahrzeugen, Lufttüchtigkeit, Erleichterung bei Einflug und Abfertigung, Flugfernmeldesysteme, Luftverkehrskontrolldienste, Such- und Rettungsdienste, Flugunfalluntersuchungen, Klassifizierung und Einrichtung von Flughäfen, Fluginformationsdienste, Fluglärm, Luftsicherheit und Sicherheitsbestimmungen für den Lufttransport gefährlicher Güter. Die genannten Annexe werden um zahlreiche technische Veröffentlichungen der ICAO erweitert, die die Vereinheitlichung intensivieren und dazu beitragen, die weltweiten Flugverkehrskontrollen, Nachrichtenverbindungen sowie Rettungs- und Suchdienste zu vernetzen. Im Übrigen gewährt die ICAO internationale Entwicklungshilfe, indem sie im Rahmen der Vereinten Nationen Luftfahrtsachverständige in Entwicklungsländer entsendet sowie finanzielle Mittel zu Ausbildungszwecken und Ausbildungseinrichtungen in zahlreichen Ländern zur Verfügung stellt.


Betrachtet man die größeren Rechtsordnungen Europas im Hinblick auf die rechtliche Behandlung von Interessenkonflikten, so zeigt sich, dass insbesondere die Ansätze im deutschen und englischen Recht sehr weit voneinander entfernt liegen. Während das deutsche Recht prinzipiell formal an die Regelung von Interessenkonflikten herangeht, verfolgt das englische Recht grundsätzlich einen materiellen Ansatz. Dieser materielle Ansatz stellt auf das materielle Kriterium des Interessenkonflikts ab und analysiert den konkret zu untersuchenden Fall darauf, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Interessenkonfliktsregelungen vorliegen. Dagegen versucht der formale Ansatz unter Zuhilfenahme formaler Kriterien diejenigen Situationen zu umschreiben, in denen typischerweise vom Vorliegen eines Interessenkonflikts ausgegangen werden kann (z.B. bei Vornahme eines „Insichgeschäfts“).
== 4. Aufbau ==


== 3. Regelungsgestaltungen ==
Die ICAO besitzt drei Hauptorgane: den Rat, die Generalversammlung und das Generalsekretariat.  


Ausgangspunkt für die Regelung von Interessenkonflikten ist bei jeder Form fremdnütziger Geschäftsführung, die mit der Verfügungsmacht über fremdes Vermögen einhergeht, die einseitig an den Interessen des Geschäftsherrn/‌Auftraggebers/‌Treugebers/‌Vertretenen ausgerichtete Interessenwahrungspflicht. Das Konzept und Verständnis der Interessenwahrungspflicht im ''civil law'' und der ''duty of loyalty'' im ''[[common law]]'' differieren. So entstammt die ''duty of loyalty'' des ''common law'' dem ''trust law'' und wurde unter den ''doctrines of equity'' weiter ausgeformt. Das Wesen des ''trust'' besteht darin, dass der ''trustee'' ein so genannter ''legal owner'' einer Vermögensmasse wird, die er für und im Sinne des ''equitable owner'' bzw. ''beneficiary'' zu verwalten hat. Als Treueverpflichtetem ist es dem ''trustee'' strikt verboten, sich in einen Interessenwiderstreit zu begeben. Aufbauend auf ihrem Vertrauenscharakter wurde unter anderem auch die ''agency'' (das funktionale Äquivalent zur Vertretung) als Anwendungsfall der ''relationships of trust and confidence'', den heutigen Treuepflichtenverhältnissen (''fiduciary relationships''), anerkannt ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]). Ein solches Treuepflichtverhältnis bildet auch das Verhältnis zwischen den ''company directors'' und ihrer Gesellschaft. Gegenüber der auf dem ''trust law'' gründenden ''common law'' ''duty of loyalty'' knüpft die Interessenwahrungspflicht im ''civil law'' regelmäßig an vertragliche Pflichten an. Aber auch das Berufsrecht oder die Stellung als Organ können Interessenwahrungspflichten begründen. Trotz solcher dogmatischer Unterschiede haben diese Interessenwahrungspflichten bzw. ''duties of loyalty'' den gleichen Kern: Dem Interessenwahrer ist die Förderung eigener Interessen oder der Interessen Dritter zulasten des Auftraggebers untersagt. Im ''common law'' ist die ''duty of loyalty'' weitgehend durch die Gerichte ausgeformt worden. Aber auch im ''civil law'' ist die Interessenwahrungspflicht vor allem von Gerichten näher ausgestaltet und konkretisiert worden, da sie sich aufgrund ihrer allgemeinen Formulierung für Einzelfallentscheidungen besonders eignet.
Das ständige Exekutivorgan, der ''Rat'', wird von der Generalversammlung auf drei Jahre gewählt und setzt sich aus den Repräsentanten von 36 Vertragsstaaten zusammen. Es sind dies erstens Staaten mit großer Bedeutung für den Luftverkehr, zweitens Staaten mit den höchsten Beiträgen und drittens Staaten, die die wichtigen geographischen Gebiete der Welt repräsentieren. An der Spitze des Rates steht der Ratspräsident. Der Rat ist das Organ mit der umfassendsten Aufgabenstellung, und ihm kommt praktisch die wichtigste Rolle zu. Denn er führt nicht nur die Anweisungen der Versammlung aus und hat sich um diverse administrative und verwaltende Funktionen im Rahmen der Organisation und Finanzierung der ICAO zu kümmern, er ist auch verantwortlich für die Verabschiedung internationaler Richtlinien und Empfehlungen, die er in Form von Annexen zum Chicagoer Abkommen erlassen kann. Diese Anhänge bedürfen zur Annahme einer Zweidrittelmehrheit. Ansonsten erfolgen die Abstimmungen im Rat nach dem Mehrheitsprinzip ohne Vetomöglichkeit. Unterstützt wird der Rat in seiner Tätigkeit von vier ''Fachausschüssen'': der Luftfahrtkommission (in technischen Belangen und Sicherheitsvorschriften), dem Luftverkehrsausschuss (in ökonomischen Fragen wie beispielsweise wirtschaftlicher Planung, Prognose- und Statistikerstellung), dem Ausschuss über die gemeinsame Unterhaltung von Luftfahrteinrichtungen (in Errichtung, Unterhalt und Entwicklung von international zu nutzenden flugsicherungstechnischen Einrichtungen in hoheitsfreien Gebieten und in der Finanzierung von Flugsicherungsanlagen in Staaten, die diese nicht finanzieren können) sowie dem Finanzausschuss (in Verwaltung, Kontrolle und Überwachung des ''Budgets''). Daneben können weitere Ausschüsse gebildet werden, teilweise auf Dauer, manchmal nur als ''ad hoc''-Ausschüsse.


Die ''ex post'' Konkretisierung der Interessenwahrungspflicht durch die Gerichte wurde – ausgehend insbesondere auch vom Europarecht – in einer Reihe von Rechtsgebieten nicht mehr als sachgerecht angesehen und dementsprechend konkreter ausgestaltete Pflichten gesetzlich verankert. Diese Pflichten können nach funktionalen Gesichtspunkten in vier größere Bereiche unterteilt werden: Dies sind organisatorische Pflichten, Mitteilungspflichten, Unterlassungspflichten sowie für Unternehmensgruppen besondere Regelungen in Form von gruppenweiten Strukturen und Grundsätzen des Wohlverhaltens. Für diese Regelungen gibt es jeweils besondere Sanktionen, die sich ebenfalls systematisieren lassen.
Daneben unterhält die ICAO sieben ''Regionalbüros'', die für neun verschiedene Luftverkehrsregionen zuständig sind (Bangkok für Asien und den Pazifik, Kairo für den Nahen Osten, Dakar für West- und Zentralafrika, Lima für Südamerika, Mexiko City für Nordamerika, Zentralamerika und die Karibik, Nairobi für Ost- und Südafrika und Paris für Europa und den Nordatlantik). Auf den regelmäßig stattfindenden Regionalkonferenzen werden die individuellen Problemfelder dieser Luftverkehrsregionen erörtert und der jeweiligen Luftfahrtkommission zugeteilt, welche anschließend auf die Region abgestimmte Empfehlungen ausarbeitet.


Organisatorische Vorgaben spielen im Rahmen der Unternehmensorganisation eine immer wichtigere Rolle. So enthält z.B. die MiFID (RL 2004/‌39) zusammen mit ihrer Durchführungs-RL (RL 2006/‌73, insb. Art. 21) detaillierte Vorgaben an die Organisation von Wertpapierfirmen wie bspw. die Pflicht, in bestimmten Fällen Informationsbarrieren, sog. ''chinese walls'', zwischen einzelnen Abteilungen von Unternehmen zu errichten (siehe aber auch die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, auf nationaler Ebene z.B. in England jüngst aktualisiert).
Im Weiteren übt der Rat schiedsrichterliche Funktionen in der ''Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten'' zwischen Vertragsparteien hinsichtlich Auslegung und Anwendung des ICAO-Abkommens und seiner Anhänge aus. Die Verfahrensregeln orientieren sich an jenen des IGH. Sieht der Rat im Laufe eines andauernden Schlichtungsprozesses eine Möglichkeit, den Streit bilateral oder multilateral beizulegen, kann er die Parteien ohne weiteres dazu ermutigen. Er kann zudem Einzelpersonen oder Gruppen als Hilfe beiziehen, sofern die involvierten Vertragsparteien ihr Einverständnis dazu geben. Führen diese Bemühungen dennoch zu keinem Ergebnis, kann das unterbrochene Streitschlichtungsverfahren durch den Rat wieder aufgegriffen werden. Die Ratsmitglieder entscheiden über den strittigen Fall mittels einfacher Mehrheit, wobei die involvierten Staaten nach Art. 84 des Chicagoer Abkommens nicht zur Abstimmung zugelassen sind. Gegen das Urteil kann Berufung beim IGH eingelegt werden. Ein Schiedsgericht kann sich der Entscheidüberprüfung nur annehmen, wenn eine der streitenden Parteien nicht Mitglied des IGH-Statuts ist und sich die Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgericht einigen können bzw. diese vom Ratspräsident bestimmt wird (Art. 85). Die durch den IGH oder ein Schiedsgericht erlassenen Urteile binden die Parteien. Erwähnenswert ist dabei der Umstand, dass die Ratsmitglieder nicht als unabhängige Richter zu betrachten sind, sondern vielmehr als von ihren Staaten gewählte Vertreter, die ihre Entscheidung unter politischen Gesichtspunkten fällen.


Mitteilungspflichten sind von Bedeutung, wenn der Interessenwahrer einen Konflikt nicht vermeiden kann. Die Mitteilung gibt dem Auftraggeber die Möglichkeit, das ihn treffende Risiko abzuschätzen und entsprechend zu handeln. Im Gegensatz zu einer Reihe von europäischen Richtlinien, vgl. z.B. Art. 18 MiFID, sehen PECL, UNIDROIT PICC und DCFR keine ausdrückliche Mitteilungspflicht vor, führen sie allerdings mittelbar ein. Denn das von ihnen vorgesehene Anfechtungsrecht des Geschäftsherrn greift nicht, wenn der Interessenkonflikt vorher offen gelegt worden war und der Geschäftsherr nicht widersprochen hatte. Zur Lösung von Interessenkonflikten sind Mitteilungspflichten allerdings nicht immer geeignet. Neuere Erkenntnisse der ''Behavioral Economics'' deuten auf eine systematische Unterschätzung von Risiken hin. So ist der Einzelne z.B. vielfach davon überzeugt, dass er in der Lage ist, mit Interessenkonflikten angemessen umzugehen. Dies kann z.B. dazu führen, dass eine Mitteilung dem konfliktbefangenen Geschäftsbesorger/‌Intermediär schon gar nicht notwendig erscheint. Die Wirksamkeit von Mitteilungspflichten hängt außerdem davon ab, ob und inwieweit der Geschäftsherr die mitgeteilte Information zutreffend auswerten und sein Handeln entsprechend ausrichten kann. Daher müssen Mitteilungen zumindest zeitnah, wahr und vollständig sein.
Als oberstes Legislativorgan der ICAO kann die ''Generalversammlung'', welche sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt, genannt werden. Die Versammlung, in welcher jeder Staat eine Stimme besitzt, tagt regelmäßig alle drei Jahre und ist einerseits verantwortlich für die Festlegung der Aufgaben der übrigen Organe der ICAO, andererseits für die Überwachung der Tätigkeiten derselben in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Technik. Zudem ist die Generalversammlung zuständig für die Festlegung der finanziellen Beiträge der Mitgliedstaaten und die Aufstellung von Haushaltsplänen.


Schließlich kommen Unterlassungspflichten in Betracht, d.h. ein von einem Interessenkonflikt Betroffener muss sich gänzlich von dem jeweiligen Geschäft zurückziehen oder darf gar nicht erst tätig werden. Da es sich dabei jedoch um eine gravierende Beschränkung der Betroffenen handelt, müssen die erzielten Vorteile mit den negativen Konsequenzen besonders sorgfältig abgewogen werden. In vielen Fällen sind die Gesetzgeber daher bei der Auferlegung von Pflichten zur Abstandnahme von Geschäften sehr zurückhaltend (diesbezügliche. Regelungen finden sich aber z.B. im DCFR). Im Falle organschaftlicher Interessenwahrer kann die Pflicht zur Abstandnahme z.B. bei Abstimmungen dazu führen, dass für diese ein Stimmrechtsausschluss bzw. ein Stimmverbot gilt. In besonderen Fällen kann ein organschaftlicher Interessenwahrer sogar dazu verpflichtet sein, der betreffenden Sitzung insgesamt fernzubleiben. Auch die Amtsniederlegung und die Abberufung können in die Kategorie Abstandnahme eingeordnet werden.
Das dritte ICAO-Organ stellt das ''Generalsekretariat'' dar, welches sich am Sitz der Organisation in Montreal befindet. An dessen Spitze steht ein vom Rat für eine dreijährige Amtsperiode gewählter ''Generalsekretär'', welcher auch die Funktion eines CEO der Organisation hat. Er ist verantwortlich für die Führung des Sekretariats sowie der sieben Regionalbüros. Die dort ausgeführten Arbeiten werden im Sekretariat zusammengefasst und koordiniert. Zudem ist er für die Personalführung und ‑rekrutierung zuständig. Das Sekretariat ist unterteilt in die folgenden fünf Ausschüsse: Luftfahrtsausschuss, Luftverkehrsausschuss, Ausschuss für technische Zusammenarbeit, Rechtsausschuss und Ausschuss für Administration und Dienstleistungen. Weisungen des Rates sind für das Sekretariat verbindlich.


Infolge der zunehmenden Anzahl von Unternehmensverbänden bzw. ‑gruppen erhalten unternehmensübergreifende, gruppenweite Regelungsansätze eine immer größere Bedeutung. Eine vollkommene Separierung der Konfliktlagen einzelner Gruppenmitglieder kommt dabei nur selten in Betracht. Einen rechtsvergleichenden Beleg dafür liefert etwa die Entwicklung in den USA. Dort wurde mit dem ''Class-Steagall Act'' eine institutionelle Trennung von ''Commercial ''und ''Investment Banking'' eingeführt, die jedoch im Jahr 1999 wieder aufgehoben wurde. Demgegenüber könnte zur Umsetzung von gruppenweiten Interessenkonfliktsregelungen ein zentraler Ausschuss für das Konfliktmanagement eingerichtet werden, der aus Vertretern der gruppenzugehörigen Unternehmen zusammengesetzt ist. Aufgabe des Ausschusses ist es dann, Konfliktpotentiale zu ermitteln und entsprechende Empfehlungen an die Geschäftsführung zur Behandlung dieser Konflikte abzugeben. Voraussetzung dafür ist vor allem ein uneingeschränkter Zugang zu Informationen sowie eine hohe Reputation des Ausschusses innerhalb der Gruppe. Erforderlich ist deshalb einerseits ein hoher Standard an Unabhängigkeit und andererseits eine unmittelbare Unterstellung unter die Geschäftsführungsebene.
== 5. Finanzierung  ==


Um diese Pflichten durchzusetzen und ihre Nichtbeachtung zu ahnden, sehen die gesetzlichen Regelungen unterschiedliche Rechtsfolgen vor: So kann der Geschäftsherr zur Anfechtung berechtigt (PECL, UNIDROIT PICC, DCFR) oder aber auch das Geschäft (zumindest schwebend) unwirksam sein (näheres dazu, insbesondere auch im Hinblick auf PECL, UNIDROIT PICC und DCFR unter [[Vertretungsmacht]]). Im letzteren Fall kann der Geschäftsherr genehmigen, andernfalls treffen den Auftragnehmer/‌Vertreter Schadensersatzpflichten; unter Umständen kann er auch wahlweise zur Erfüllung verpflichtet sein. Im Maklerrecht führt eine treuwidrige Doppeltätigkeit des Maklers zur Verwirkung des Lohnanspruchs. Erlangt der Auftragnehmer/‌Geschäftsbesorger aufgrund seines Interessenkonflikts einen Gewinn oder Vorteil, greifen vielfach Vorschriften, z.B. in Form von Herausgabepflichten, die diesen Gewinn bzw. Vorteil abschöpfen.
Die ICAO finanziert sich primär durch die Beiträge der Mitgliedstaaten. Die Höhe dieser Beträge orientiert sich an der Leistungsfähigkeit der einzelnen Vertragsstaaten. 75 % der Beiträge werden nach dem Beitragsschlüssel der UNO bestimmt, wobei sich die Beitragspflicht mit sinkendem Pro-Kopf-Einkommen verringert. Die verbleibenden 25 % werden durch mitgliedstaatliche Beiträge finanziert, die entsprechend dem Anteil der einzelnen Länder am Weltluftverkehr festgesetzt werden. Die Versammlung setzt den Haushalt sowie den anteilsmäßigen Beitrag jedes Mitglieds jeweils für eine dreijährige Periode fest.


Ein Verstoß gegen ein Stimmrechtsverbot im Aufsichtsrat führt zur Nichtigkeit der Stimme des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds. Dies kann sogar auf den Beschluss durchschlagen, wenn ohne die Stimme das Beschlussergebnis nicht zustande gekommen wäre. Regelmäßig sehen gesetzliche Vorschriften auch die Schadensersatzhaftung als Sanktion vor. Außerdem müssen Interessenwahrer Zahlungen, die sie unter Verletzung ihrer Pflichten bei Interessenkonflikten erhalten haben, dem Geschäftsherrn herausgeben. Für berufsmäßige Interessenwahrer gibt es schließlich noch eine Reihe öffentlichrechtlicher und strafrechtlicher Sanktionen sowie Tätigkeits- und Berufsverbote.
== 6. Umsetzung in nationales Recht ==
 
Die ICAO kann kein für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindliches Recht setzen. Deshalb müssen diese die ausgearbeiteten Richtlinien und Empfehlungen, die vom Rat zu Anhängen bestimmt werden, in ihr jeweiliges nationales Recht übernehmen, um ihnen Geltung zu verleihen. Nach der Annahme der Anhänge durch den Rat mittels Zweidrittelmehrheit nach Art. 90 des Chicagoer Abkommens legt dieser die Annexe den einzelnen Mitgliedstaaten vor, die daraufhin eine Frist von drei Monaten erhalten, welche vom Rat allenfalls verlängert werden kann. Die Regelung tritt nach der gesetzten Frist in Kraft, falls ihr nicht die Mehrheit der Staaten ablehnend gegenüber gestanden ist. In diesem Fall tritt die Regelung für keinen der Vertragsstaaten in Kraft. Widerspricht jedoch nicht die Mehrheit der Vertragsstaaten, so bedeutet dies keine automatische Annahmepflicht, denn gemäß Art. 38 des Chicagoer Abkommens können die Staaten die Unterschiede zwischen der nationalen Regelung und der Regelung durch die ICAO anzeigen und sind auch bei einer Annahme nicht verpflichtet, die neuen Regelungen verbindlich ins nationale Recht zu implementieren. Die Übernahme ist jeweils jedem Staat selbst überlassen. Dieses sog. ''contracting out'' besteht für alle Anhänge, mit Ausnahme des Anhangs 12, der die sog. ''Rules of the Air'' regelt.
 
== 7. Zukünftige Entwicklung ==
 
In der Zeit seit ihrer Gründung hat die ICAO ihre Kompetenz insbesondere auf dem Gebiet der Vereinheitlichung nationaler Regelungen für den Flugverkehr unter Beweis gestellt, wobei namentlich die ausgearbeiteten 18 Anhänge zum Chicagoer Abkommen als wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Flugsicherheit zu nennen sind. Die ICAO ist nicht mehr aus dem heutigen Luftprivatrecht wegzudenken. Erwähnt sei an dieser Stelle insbesondere das durch ihre Initiative am 28.5.1999 in Montreal unterzeichnete Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, welches die zahlreichen Vorschriften über die Haftung aus Luftbeförderungsverträgen vereinheitlicht und modernisiert hat ([[Luftverkehr (Vertragliche Haftung)]]). Ebenso konnte die ICAO den technischen Fortschritten und den daraus entstandenen juristischen Bedürfnissen gerecht werden. Durch den technischen Charakter der Regelungen blieb sie denn auch weitgehend von weltpolitischen Auseinandersetzungen unberührt. Die Regelungsbereiche der ICAO haben sich im Laufe der Zeit ständig erweitert, und aktuelle Entwicklungen wie bspw. die Benutzung von Satelliten zur Kommunikation und Navigation stellen die Organisation vor immer neue Herausforderungen. Auch die seit dem 11.9.2001 in den Fokus gerückte Bedrohung durch den Terrorismus und ihre Auswirkungen auf die Zivilluftfahrt beschäftigt die ICAO. Die Rolle, die die ICAO in Zukunft in der internationalen Zivilluftfahrt spielen wird, wird hauptsächlich von der Bewältigung nicht nur herkömmlicher, sondern auch solcher neuartigen Herausforderungen bestimmt sein.


==Literatur==
==Literatur==
''Ulrich Hübner'', Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977;'' Charles Hollander'','' Simon Salzedo'', Conflicts of Interest & Chinese Walls, 2000; ''Michael Davis'', ''Andrew Stark'' (Hg.), Conflict of Interest in the Professions, 2001; ''Karsten Krebs'', Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002; ''Ulrich L. Göres'', Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und ‑analysten bei der Wertpapieranalyse, 2004; ''Klaus J. Hopt'', Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht: Zur Dogmatik des modernen Geschäftsbesorgungsrechts, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2004, 1 ff.; ''Cecilia Carrara'', Interessenkonflikte bei Interessenwahrungsverträgen, 2005; ''Stephan Festner'', Interessenkonflikte im deutschen und englischen Vertretungsrecht, 2006; ''Luc Thévenoz'', ''Raschid Bahar'' (Hg.), Conflicts of Interest: Corporate Governance & Financial Markets, 2007; ''Christoph Kumpan'','' Patrick C. Leyens'', Conflicts of Interest of Financial Intermediaries: Towards a Global Common Core in Conflicts of Interest Regulation, European Company and Financial Law Review 2008, 72 ff.  
''Walter Schwenk'', Handbuch des Luftverkehrsrecht, 1981; ''Heiko'' ''F. Schäffer'', Von Kitty Hawk nach Montreal: Der Weg zur International Civil Aviation Organisation (ICAO), Transportrecht 2003, 377 ff; ''Günther Unser'', Die UNO: Aufgaben, Strukturen, Politik, 2004; ''Knut Ipsen'', Völkerrecht, 2004; ''Heinrich Mensen'', Moderne Flugsicherung, 2004, ''Stephan'' ''Hobe'','' Otto Kimminich'', Einführung in das Völkerrecht, 2004; ''Ludwig Weber'', International Civil Aviation Organization, 2007; ''Walter Schwenk'', ''Elmar Giemulla'', Handbuch des Luftverkehrsrechts, 2005; ''I.H.Ph. Diederiks-Verschoor'', An Introduction to Air Law, 2006; ''Michael Milde'', International Air Law and ICAO, 2008.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Conflicts_of_Interest]]
[[en:International_Civil_Aviation_Organization_(ICAO)]]

Version vom 28. September 2021, 17:39 Uhr

von Alexander von Ziegler

1. Geschichte der ICAO

Durch die Notwendigkeit veranlasst, den internationalen Luftverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu regeln, lud die amerikanische Regierung im Jahr 1944 alle sich im Krieg befindenden sowie die neutralen Staaten (außer Argentinien) zu einer internationalen Staatenkonferenz nach Chicago ein. Dort wurde am 7.12.1944 die Gründung der International Civil Aviation Organization (ICAO) mit der Unterzeichnung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt beschlossen. Von den 52 teilnehmenden Staaten unterzeichneten damals 37 das genannte Abkommen, worauf die Organisation mit Sitz in Montreal provisorisch unter dem Namen Provisional International Civil Aviation Organization (PICAO) ihre Arbeit aufnahm. Nach Erreichen der benötigten 26 Ratifikationen trat das Abkommen am 4.4.1947 in Kraft und die PICAO wurde zugunsten der ICAO aufgelöst. Als Sitz wurde Montreal von der PICAO übernommen. Einen Monat später, am 13.5.1947, erhielt die ICAO den Status einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen gemäß Art. 57 UNO-Charta. Bis heute sind der ICAO 190 Staaten beigetreten, und sie hat sieben Regionalbüros in Bangkok, Kairo, Dakar, Lima, Mexiko City, Nairobi und Paris aufgebaut, welche für neun Luftverkehrsregionen zuständig sind. Zudem pflegt sie eine enge Zusammenarbeit mit anderen UNO-Einrichtungen wie der World Meteorological Organization, der International Telecommunication Union, der Universal Postal Union, der World Health Organization und der International Maritime Organization. Auch zahlreiche NGOs sind in die Arbeit der ICAO involviert, wie beispielsweise die International Air Transport Association oder die International Federation of Air Line Pilot’s Associations.

2. Das Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt

Das auf der Chicagoer Konferenz geschaffene Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (auch Chicagoer Abkommen oder ICAO-Abkommen genannt) und die gleichzeitig abgeschlossenen Zusatzabkommen (Vereinbarung über den Durchflug im internationalen Fluglinienverkehr, Internationale Transportvereinbarung) verankern Grundsätze, die die Basis für den heutigen Luftverkehr festlegen.

Das Abkommen statuiert in Art. 1 die Lufthoheit jedes Staates. Es unterscheidet zwischen Privat- und Staatsluftfahrzeugen, wobei das Abkommen nur auf Privatluftfahrzeuge und nicht auf Staatsluftfahrzeuge, bspw. polizeilicher oder militärischer Art, anzuwenden ist (Art.3(a)). Im Weiteren wird zwischen dem planmäßigen Fluglinienverkehr und dem nicht planmäßig eingesetzten internationalen Flugverkehr differenziert, wobei letzterer privilegiert behandelt wird, da ihm das Eindringen und Durchfliegen des Hoheitsgebietes eines Vertragsstaates ohne vorherige Bewilligung gestattet wird (Art. 5). Planmäßiger internationaler Fluglinienverkehr hingegen darf nach Art. 6 grundsätzlich nur mit der Erlaubnis des zu überfliegenden Staates stattfinden. Sodann haben sich basierend auf dem Chicagoer Abkommen diverse Freiheiten der Luft gebildet, die in der Staatengemeinschaft allgemein anerkannt sind. Darauf aufbauend wurden bilaterale Luftverkehrsabkommen etabliert, die die wesentlichen Fragen des Luftverkehrs zwischen den verschiedenen Beteiligten regeln.

3. Aufgaben und Ziele

Als grundsätzliches Hauptziel der ICAO kann die Förderung des internationalen Luftverkehrs genannt werden. Im Weiteren sollen mittels einheitlicher und universeller Regelung eine sichere und geordnete Entwicklung der Zivilluftfahrt gewährleistet und internationale Luftverkehrsdienste auf einheitlicher Basis wirtschaftlich betrieben werden können. Nach Art. 44 des Chicagoer Abkommens erarbeitet die ICAO zudem Grundsätze und technische Methoden zur ökonomischen und sicheren Entwicklung des internationalen Zivilluftverkehrs. Im Einzelnen bedeutet dies die weltweite Gewährleistung eines sicheren und geordneten Wachstums der internationalen Zivilluftfahrt, die Förderung des Baus und den Betrieb von Luftfahrzeugen zu friedlichen Zwecken, die Entwicklung von Luftverkehrsstraßen, Flugplätzen und Flugsicherungsanlagen sowie die Verhinderung wirtschaftlicher Verschwendung verursacht durch einen übermäßigen Wettbewerb. Im Weiteren sollen die Rechte der Vertragsstaaten und deren Möglichkeit, internationalen Flugverkehr zu betreiben, gesichert, ungleiche Behandlung der Vertragsstaaten vermieden und die Flugsicherheit in der internationalen Luftfahrt erhöht werden. Umgesetzt sind die genannten Zielaufträge mehrheitlich in Richtlinien und Empfehlungen. Durch die Übernahme von bisher 18 Annexen in zahlreiche nationale Rechtsordnungen besteht weitgehende Einheitlichkeit in den durch sie abgedeckten Gebieten: Zulassung von Luftfahrtpersonal, Luftverkehrsregeln, Flugwetterdienste, Luftfahrtkarten, Vereinheitlichung der Nachrichtenübermittlung, Betrieb von Luftfahrzeugen, Nationalität und Kennzeichnung von Luftfahrzeugen, Lufttüchtigkeit, Erleichterung bei Einflug und Abfertigung, Flugfernmeldesysteme, Luftverkehrskontrolldienste, Such- und Rettungsdienste, Flugunfalluntersuchungen, Klassifizierung und Einrichtung von Flughäfen, Fluginformationsdienste, Fluglärm, Luftsicherheit und Sicherheitsbestimmungen für den Lufttransport gefährlicher Güter. Die genannten Annexe werden um zahlreiche technische Veröffentlichungen der ICAO erweitert, die die Vereinheitlichung intensivieren und dazu beitragen, die weltweiten Flugverkehrskontrollen, Nachrichtenverbindungen sowie Rettungs- und Suchdienste zu vernetzen. Im Übrigen gewährt die ICAO internationale Entwicklungshilfe, indem sie im Rahmen der Vereinten Nationen Luftfahrtsachverständige in Entwicklungsländer entsendet sowie finanzielle Mittel zu Ausbildungszwecken und Ausbildungseinrichtungen in zahlreichen Ländern zur Verfügung stellt.

4. Aufbau

Die ICAO besitzt drei Hauptorgane: den Rat, die Generalversammlung und das Generalsekretariat.

Das ständige Exekutivorgan, der Rat, wird von der Generalversammlung auf drei Jahre gewählt und setzt sich aus den Repräsentanten von 36 Vertragsstaaten zusammen. Es sind dies erstens Staaten mit großer Bedeutung für den Luftverkehr, zweitens Staaten mit den höchsten Beiträgen und drittens Staaten, die die wichtigen geographischen Gebiete der Welt repräsentieren. An der Spitze des Rates steht der Ratspräsident. Der Rat ist das Organ mit der umfassendsten Aufgabenstellung, und ihm kommt praktisch die wichtigste Rolle zu. Denn er führt nicht nur die Anweisungen der Versammlung aus und hat sich um diverse administrative und verwaltende Funktionen im Rahmen der Organisation und Finanzierung der ICAO zu kümmern, er ist auch verantwortlich für die Verabschiedung internationaler Richtlinien und Empfehlungen, die er in Form von Annexen zum Chicagoer Abkommen erlassen kann. Diese Anhänge bedürfen zur Annahme einer Zweidrittelmehrheit. Ansonsten erfolgen die Abstimmungen im Rat nach dem Mehrheitsprinzip ohne Vetomöglichkeit. Unterstützt wird der Rat in seiner Tätigkeit von vier Fachausschüssen: der Luftfahrtkommission (in technischen Belangen und Sicherheitsvorschriften), dem Luftverkehrsausschuss (in ökonomischen Fragen wie beispielsweise wirtschaftlicher Planung, Prognose- und Statistikerstellung), dem Ausschuss über die gemeinsame Unterhaltung von Luftfahrteinrichtungen (in Errichtung, Unterhalt und Entwicklung von international zu nutzenden flugsicherungstechnischen Einrichtungen in hoheitsfreien Gebieten und in der Finanzierung von Flugsicherungsanlagen in Staaten, die diese nicht finanzieren können) sowie dem Finanzausschuss (in Verwaltung, Kontrolle und Überwachung des Budgets). Daneben können weitere Ausschüsse gebildet werden, teilweise auf Dauer, manchmal nur als ad hoc-Ausschüsse.

Daneben unterhält die ICAO sieben Regionalbüros, die für neun verschiedene Luftverkehrsregionen zuständig sind (Bangkok für Asien und den Pazifik, Kairo für den Nahen Osten, Dakar für West- und Zentralafrika, Lima für Südamerika, Mexiko City für Nordamerika, Zentralamerika und die Karibik, Nairobi für Ost- und Südafrika und Paris für Europa und den Nordatlantik). Auf den regelmäßig stattfindenden Regionalkonferenzen werden die individuellen Problemfelder dieser Luftverkehrsregionen erörtert und der jeweiligen Luftfahrtkommission zugeteilt, welche anschließend auf die Region abgestimmte Empfehlungen ausarbeitet.

Im Weiteren übt der Rat schiedsrichterliche Funktionen in der Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien hinsichtlich Auslegung und Anwendung des ICAO-Abkommens und seiner Anhänge aus. Die Verfahrensregeln orientieren sich an jenen des IGH. Sieht der Rat im Laufe eines andauernden Schlichtungsprozesses eine Möglichkeit, den Streit bilateral oder multilateral beizulegen, kann er die Parteien ohne weiteres dazu ermutigen. Er kann zudem Einzelpersonen oder Gruppen als Hilfe beiziehen, sofern die involvierten Vertragsparteien ihr Einverständnis dazu geben. Führen diese Bemühungen dennoch zu keinem Ergebnis, kann das unterbrochene Streitschlichtungsverfahren durch den Rat wieder aufgegriffen werden. Die Ratsmitglieder entscheiden über den strittigen Fall mittels einfacher Mehrheit, wobei die involvierten Staaten nach Art. 84 des Chicagoer Abkommens nicht zur Abstimmung zugelassen sind. Gegen das Urteil kann Berufung beim IGH eingelegt werden. Ein Schiedsgericht kann sich der Entscheidüberprüfung nur annehmen, wenn eine der streitenden Parteien nicht Mitglied des IGH-Statuts ist und sich die Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgericht einigen können bzw. diese vom Ratspräsident bestimmt wird (Art. 85). Die durch den IGH oder ein Schiedsgericht erlassenen Urteile binden die Parteien. Erwähnenswert ist dabei der Umstand, dass die Ratsmitglieder nicht als unabhängige Richter zu betrachten sind, sondern vielmehr als von ihren Staaten gewählte Vertreter, die ihre Entscheidung unter politischen Gesichtspunkten fällen.

Als oberstes Legislativorgan der ICAO kann die Generalversammlung, welche sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt, genannt werden. Die Versammlung, in welcher jeder Staat eine Stimme besitzt, tagt regelmäßig alle drei Jahre und ist einerseits verantwortlich für die Festlegung der Aufgaben der übrigen Organe der ICAO, andererseits für die Überwachung der Tätigkeiten derselben in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Technik. Zudem ist die Generalversammlung zuständig für die Festlegung der finanziellen Beiträge der Mitgliedstaaten und die Aufstellung von Haushaltsplänen.

Das dritte ICAO-Organ stellt das Generalsekretariat dar, welches sich am Sitz der Organisation in Montreal befindet. An dessen Spitze steht ein vom Rat für eine dreijährige Amtsperiode gewählter Generalsekretär, welcher auch die Funktion eines CEO der Organisation hat. Er ist verantwortlich für die Führung des Sekretariats sowie der sieben Regionalbüros. Die dort ausgeführten Arbeiten werden im Sekretariat zusammengefasst und koordiniert. Zudem ist er für die Personalführung und ‑rekrutierung zuständig. Das Sekretariat ist unterteilt in die folgenden fünf Ausschüsse: Luftfahrtsausschuss, Luftverkehrsausschuss, Ausschuss für technische Zusammenarbeit, Rechtsausschuss und Ausschuss für Administration und Dienstleistungen. Weisungen des Rates sind für das Sekretariat verbindlich.

5. Finanzierung

Die ICAO finanziert sich primär durch die Beiträge der Mitgliedstaaten. Die Höhe dieser Beträge orientiert sich an der Leistungsfähigkeit der einzelnen Vertragsstaaten. 75 % der Beiträge werden nach dem Beitragsschlüssel der UNO bestimmt, wobei sich die Beitragspflicht mit sinkendem Pro-Kopf-Einkommen verringert. Die verbleibenden 25 % werden durch mitgliedstaatliche Beiträge finanziert, die entsprechend dem Anteil der einzelnen Länder am Weltluftverkehr festgesetzt werden. Die Versammlung setzt den Haushalt sowie den anteilsmäßigen Beitrag jedes Mitglieds jeweils für eine dreijährige Periode fest.

6. Umsetzung in nationales Recht

Die ICAO kann kein für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindliches Recht setzen. Deshalb müssen diese die ausgearbeiteten Richtlinien und Empfehlungen, die vom Rat zu Anhängen bestimmt werden, in ihr jeweiliges nationales Recht übernehmen, um ihnen Geltung zu verleihen. Nach der Annahme der Anhänge durch den Rat mittels Zweidrittelmehrheit nach Art. 90 des Chicagoer Abkommens legt dieser die Annexe den einzelnen Mitgliedstaaten vor, die daraufhin eine Frist von drei Monaten erhalten, welche vom Rat allenfalls verlängert werden kann. Die Regelung tritt nach der gesetzten Frist in Kraft, falls ihr nicht die Mehrheit der Staaten ablehnend gegenüber gestanden ist. In diesem Fall tritt die Regelung für keinen der Vertragsstaaten in Kraft. Widerspricht jedoch nicht die Mehrheit der Vertragsstaaten, so bedeutet dies keine automatische Annahmepflicht, denn gemäß Art. 38 des Chicagoer Abkommens können die Staaten die Unterschiede zwischen der nationalen Regelung und der Regelung durch die ICAO anzeigen und sind auch bei einer Annahme nicht verpflichtet, die neuen Regelungen verbindlich ins nationale Recht zu implementieren. Die Übernahme ist jeweils jedem Staat selbst überlassen. Dieses sog. contracting out besteht für alle Anhänge, mit Ausnahme des Anhangs 12, der die sog. Rules of the Air regelt.

7. Zukünftige Entwicklung

In der Zeit seit ihrer Gründung hat die ICAO ihre Kompetenz insbesondere auf dem Gebiet der Vereinheitlichung nationaler Regelungen für den Flugverkehr unter Beweis gestellt, wobei namentlich die ausgearbeiteten 18 Anhänge zum Chicagoer Abkommen als wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Flugsicherheit zu nennen sind. Die ICAO ist nicht mehr aus dem heutigen Luftprivatrecht wegzudenken. Erwähnt sei an dieser Stelle insbesondere das durch ihre Initiative am 28.5.1999 in Montreal unterzeichnete Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, welches die zahlreichen Vorschriften über die Haftung aus Luftbeförderungsverträgen vereinheitlicht und modernisiert hat (Luftverkehr (Vertragliche Haftung)). Ebenso konnte die ICAO den technischen Fortschritten und den daraus entstandenen juristischen Bedürfnissen gerecht werden. Durch den technischen Charakter der Regelungen blieb sie denn auch weitgehend von weltpolitischen Auseinandersetzungen unberührt. Die Regelungsbereiche der ICAO haben sich im Laufe der Zeit ständig erweitert, und aktuelle Entwicklungen wie bspw. die Benutzung von Satelliten zur Kommunikation und Navigation stellen die Organisation vor immer neue Herausforderungen. Auch die seit dem 11.9.2001 in den Fokus gerückte Bedrohung durch den Terrorismus und ihre Auswirkungen auf die Zivilluftfahrt beschäftigt die ICAO. Die Rolle, die die ICAO in Zukunft in der internationalen Zivilluftfahrt spielen wird, wird hauptsächlich von der Bewältigung nicht nur herkömmlicher, sondern auch solcher neuartigen Herausforderungen bestimmt sein.

Literatur

Walter Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrecht, 1981; Heiko F. Schäffer, Von Kitty Hawk nach Montreal: Der Weg zur International Civil Aviation Organisation (ICAO), Transportrecht 2003, 377 ff; Günther Unser, Die UNO: Aufgaben, Strukturen, Politik, 2004; Knut Ipsen, Völkerrecht, 2004; Heinrich Mensen, Moderne Flugsicherung, 2004, Stephan Hobe, Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 2004; Ludwig Weber, International Civil Aviation Organization, 2007; Walter Schwenk, Elmar Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 2005; I.H.Ph. Diederiks-Verschoor, An Introduction to Air Law, 2006; Michael Milde, International Air Law and ICAO, 2008.