Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche: Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand, Zweck und Terminologie ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Als staatliche Hoheitsakte entfalten Urteile nach dem Territorialitätsprinzip nur im Gebiet des Ursprungsstaats (Urteilsstaat, Erlassstaat, Erststaat) unmittelbare Rechtswirkungen. In einem anderen Staat (Anerkennungsstaat, Zweitstaat) ist dies nur der Fall, wenn dieser sie anerkennt. Alle europäischen Rechtsordnungen ordnen deshalb eine gesonderte Prüfung an, bevor der Kläger Rechte aus einer ausländischen Entscheidung herleiten kann. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Anerkennung die Erstreckung der materiellen Rechtskraft und der Gestaltungswirkung auf das Inland. Diese Erstreckung ermöglicht es dem Kläger, das ausländische Urteil unter Inanspruchnahme inländischer Zwangsmittel durchzusetzen, sprich: zu vollstrecken. Dabei unterscheidet man zwischen (i.) den Voraussetzungen der Anerkennung, (ii.) dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung durch eine Institution des Zweitstaats (sog. Exequatur) und (iii.) der sich daran anschließenden Vollstreckung des Urteils im Zweitstaat durch Inanspruchnahme staatlicher Vollstreckungsorgane.  
Schiedssprüche sind die Entscheidungen von Schiedsrichtern, d.h. von Individuen, deren Entscheidungsgewalt nicht vom Staat, sondern von den Parteien verliehen worden ist. Parteien können sich der Schiedsgerichtsbarkeit ([[Schiedsrecht, staatliches]]; [[Schiedsverfahren, internationales]]) unterwerfen und damit für ihre spezifische Streitigkeit den staatlichen Gerichten die Zuständigkeit durch Vereinbarung entziehen. Zur Durchsetzung des Schiedsspruchs können sie auf vertragliche oder institutionelle Mechanismen vertrauen, wie z.B. Erfüllungsgarantien oder schwarze Listen von Handelsvereinigungen. Die Anerkennung der materiellen Rechtskraft des Schiedsspruchs und sein Wert als vollstreckbarer Titel ist dagegen abhängig vom Recht des angerufenen Gerichts, das im Zweifelsfall die grundsätzliche Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Grundwerten seiner Rechtsordnung überprüfen kann. Nur wenn diese grundsätzliche Vereinbarkeit gewährleistet ist, wird eine staatliche Stelle in Achtung ihres Verfassungsauftrages die Wirkungen eines Schiedsspruchs zu Ungunsten einer Partei anerkennen oder Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen unwilligen Schuldner anordnen. Dieser Logik zufolge, die wesensverwandt auch der [[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen|Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen (gerichtlichen) Entscheidungen]] zugrundeliegt, besteht eigentlich keine Notwendigkeit, zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen zu unterscheiden. Dennoch ist diese Unterscheidung (in Abkehr des nicht-territorialen Verständnisses des [[Ius commune (Gemeines Recht)|''ius commune'']] und des ''[[common law]]'') seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den meisten Ländern eingeführt worden.


Die einzelnen Exequaturverfahren variieren oftmals je nach dem betroffenen Rechtsgebiet, um den unterschiedlichen Interessenlagen bei der Anerkennung Rechnung zu tragen. So ist etwa das Bedürfnis nach Rechtssicherheit aufgrund der vielfältigen familien- und sozialrechtlichen Folgen der Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils größer als bei der Durchsetzung einer Geldforderung.  
== 2. Rechtsentwicklung der Anerkennung und Vollstreckung ==
Das älteste Abkommen, das auch Schiedssprüche abdeckte, wurde 1867 zwischen dem Großherzogtum Baden und dem schweizerischen Kanton Aargau geschlossen, gefolgt von dem französisch-schweizerischen Abkommen von 1869 und dem belgisch-französischen Abkommen von 1899. Diese Abkommen stellten Schiedssprüche und Urteile gleich und schafften für beide die bis dahin weithin übliche vollständige Inhaltskontrolle (''révision au fond'') ab. Ein Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung erforderte eine beglaubigte Abschrift des Urteils oder Schiedsspruchs, den Nachweis, dass die andere Partei zu dem Verfahren geladen worden war, und ein Zeugnis, mit dem die zuständigen Stelle im Ursprungsland beglaubigte, dass die Entscheidung dort formell rechtskräftig geworden war.


Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile basiert auf dem Rechtsgedanken der wechselseitig anerkannten und gleichgestellten Justizhoheit und dem Grundsatz, dass Fremde als Rechtssubjekte respektiert werden. Dieses Rechtsverständnis war in der Antike wenig ausgeprägt. Urteile von Staaten, die außerhalb des römischen Reichs standen, wurden nicht anerkannt und vollstreckt. Eine Digestenstelle bei'' Ulpian'' (D. 42,1,15,1) deutet jedoch darauf hin, dass Urteile, die in Rom erstritten wurden, in den römischen Provinzen vollstreckt werden konnten. Im Zuge der Herausbildung von Territorialstaaten und des Aufblühens des zwischenstaatlichen Handels im Mittelalter wurde das Bedürfnis nach Anerkennung ausländischer Judikate zwar größer, jedoch verhinderten die Staaten unter Verweis auf ihre Souveränität die Herausbildung eines liberalen Anerkennungsrechts. Die im 17. Jahrhundert – mit unterschiedlichen Schwerpunkten – maßgeblich von ''Paul ''und ''Johannes Voet ''sowie ''Ulrich Huber ''geprägte Lehre von der ''comitas gentium'', die aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unter souveränen Staaten eine gewisse Beachtung der Rechtskraft ausländischer Entscheidungen ableitete, konnte daran wenig ändern. Somit kann jeder souveräne Staat grundsätzlich selbst bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen er eine ausländische Entscheidung anerkennt.  
Die in diesen Abkommen geschaffenen Erleichterungen gingen jedoch in späteren Abkommen wieder teilweise verloren. So schloss zwar das schweizerisch-spanische Abkommen von 1896 ebenfalls jede ''révision au fond'' aus, erforderte jedoch den Nachweis darüber, dass die Entscheidung im Ursprungsland nicht nur „endgültig“ (im Sinne von rechtskräftig) sondern auch „vollstreckbar“ sei. Dieses Erfordernis war leicht zu erfüllen für Urteile, deren Vollstreckbarkeit ja zusammen mit ihrer formellen Rechtskraft vom Gericht im Ursprungsland bescheinigt werden kann. Schiedssprüche dagegen erforderten zumeist ein separates Vollstreckbarerklärungsverfahren (''exequatur'') im Ursprungsland, was für den Vollstreckungsgläubiger eine zusätzliche Erschwernis bedeutete. Das zugrunde liegende Verständnis, dass eine im Schiedsverfahren erfolgreiche Partei im Inland nicht mehr erhalten könne als ihr Titel im Ursprungland wert ist, fand seinen Niederschlag deutlicher in dem südamerikanische Vertrag über internationales Prozessrecht von Montevideo (1889), dem ersten multilateralen Übereinkommen auf diesem Gebiet: „Urteile und Schiedssprüche, die ... in einem anderen Vertragsstaat ergangen sind, sollen in den übrigen Staaten die gleiche Wirkungung wie in dem Ursprungsland haben“. Dementsprechend musste der Vollstreckungsgläubiger zuerst eine Vollstreckbarkeitserklärung im Ursprungsland bewirken, bevor er die Vollstreckbarkeitserklärung im Vollstreckungsland erhalten konnte.


Was genau die Wirkung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bedeutet, ist seit langem Gegenstand einer großen Kontroverse. Sie wurzelt darin, dass die nationalen Verfahrensrechte Entscheidungen sehr unterschiedliche Rechtskrafts-, Präklusions- oder Gestaltungswirkungen zuweisen. Soll einer anerkennungsfähigen Entscheidung im Inland nun die gleiche rechtliche Wirkung zugeschrieben werden wie im Entscheidungsstaat (Wirkungserstreckung)? Oder soll sie einem entsprechenden inländischen Akt gleichgestellt werden (Wirkungsgleichstellung)? Alternativ wäre es auch möglich, die unterschiedlichen Urteilswirkungen des Erst- und des Zweitstaates dergestalt zu verbinden, dass einerseits kein Akt im Zweitstaat weitergehende Wirkungen erhält, als in der Absicht des Erststaates lag, und dass andererseits der Zweitstaat in der Regel einem ausländischen Akt höchstens die Wirkungen eines inländischen Aktes zubilligt. Während die deutsche Rechtsprechung von der Wirkungsgleichstellung ausgeht, hat der EuGH für das Gemeinschaftsrecht entschieden, dass in höchstmöglichem Maße die Wirkungserstreckung verwirklicht werden soll (EuGH Rs. 145/86 – ''Hoffmann/Krieg'', Slg. 1988, 645, Rn. 11).
Die unglückliche Gleichstellung von Schiedssprüchen und Urteilen und das daraus erfolgende Erfordernis des ''double exequatur'' haben auch Eingang gefunden in den pan-amerikanischen ''Código Bustamante'' (Havanna 1928), in den Vertrag von Montevideo über internationales Prozessrecht (1940) und in das Kairo-Übereinkommen der Arabischen Liga (1952), sowie in zahlreiche bilaterale Abkommen, wie z.B. das belgisch-niederländische Abkommen (1925), das französisch-italienische Abkommen (1930), die Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsübereinkommen der Vereinigten Staaten mit Griechenland (1951), Deutschland (1954) und den Niederlanden (1956), und das belgisch-deutsche Übereinkommen (1958). Das Genfer Übereinkommen von 1927 über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes geschlossen worden war, erforderte lediglich den Nachweis, dass der Schiedsspruch im Ursprungsland „endgültig“ im Sinne von rechtskräftig war. Viele nationale Gericht lasen jedoch in dieses Erfordernis den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland hinein und beraubten das Übereinkommen so weitgehend seiner Wirkung.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Mitte des 20. Jahrhunderts war das Erfordernis des ''double exequatur'' auch in zahlreichen nationalen Gesetzen fest verankert, wie z.B. in den meisten nordamerikanischen Staaten, in Österreich, Ungarn, der Tschechoslowakei, Italien, oder Paraguay. Eines der stärksten Bollwerke gegen die Schiedsgerichtsbarkeit war (bis 1996) Brasilien. Der ausländische Schiedsspruch selbst war ohne jeden Wert; lediglich die ausländische Vollstreckbarerkärung konnte in Brasilien für vollstreckbar erklärt werden. Und dies auch nur, wenn sie auf der Grundlage eines streitigen Verfahrens ergangen war, so dass einem widerspenstigen brasilianischen Schiedsspruchsschuldner die gerichtliche Ladung auf dem diplomatischen Wege zugestellt werden musste, was allein schon oft über ein Jahr dauerte. Des Weiteren konnten lange Zeit nur Schiedssprüche anerkannt werden, die – auch im Ausland – auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung über bereits existierende Streitigkeiten, nicht aber über künftige Streitigkeiten, ergangen waren. Im Ergebnis kamen Schiedssprüche gegen widerspenstige Schuldner nur äußerst selten in Brasilien zur Vollstreckung, so dass von Schiedsklauseln mit brasilianischen Vertragspartnern zumeist von vornherein abgesehen wurde.
Die europäische Integration ([[Europäischer Binnenmarkt]]) hat zu einer immensen Vermehrung grenzüberschreitender Rechtsbeziehungen und damit auch zu einer Vielzahl grenzüberschreitender Prozesse geführt. Diese Entwicklung hat das Rechtsgebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nicht unberührt gelassen. Schon früh begann die Einsicht zu reifen, dass die nationalen Rechte einem Kläger, der vor einem Gericht in einem E(W)G- bzw. EFTA-Staat obsiegt hat, bei der Anerkennung übergroße Hindernisse in den Weg legen, die ihn nicht selten zu einer doppelten Prozessführung zwingen.


So werden ausländische Zivilurteile in vielen nordischen Rechtsordnungen im Allgemeinen nur anerkannt, soweit Staatsverträge dazu verpflichten. Die überwiegende Zahl der nationalen Rechte in Europa ermöglicht zwar eine Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile aus Staaten, mit denen kein völkervertragliches Abkommen geschlossen wurde, macht diese allerdings von bisweilen sehr rigiden Anerkennungsvoraussetzungen abhängig. Insbesondere behalten sich diese Rechtsordnungen eine Überprüfung der [[Zuständigkeit, internationale|internationalen Zuständigkeit]] des Erstgerichts vor. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass solche Urteile Wirkungen im Anerkennungsstaat entfalten können, die sich auf sog. „exorbitante Zuständigkeiten“ stützen. Eine Reihe von Staaten, darunter Deutschland, stützt diese Überprüfung auf das sog. Spiegelbildprinzip, bei dem der Anerkennungsstaat seine Regeln der Entscheidungszuständigkeit auf den Urteilsstaat überträgt (§&nbsp;328 Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;1 ZPO). Eine Anerkennung ist nur möglich, wenn das Gericht des Ursprungsstaats – unter hypothetischer Geltung der Zuständigkeitsregelungen des Anerkennungsstaats – zur Fallentscheidung international (nicht hingegen örtlich oder sachlich) zuständig gewesen wäre. Eine andere Gruppe von Rechtsordnungen setzt auf einen etwas flexibleren Ansatz, um die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats zu bestimmen. So bejahen etwa französische Gerichte die Zuständigkeit des ausländischen Richters, wenn keine ausschließliche Zuständigkeit des französischen Zuständigkeitsrechts verletzt wird, der Rechtsstreit hinreichende Verbindungen zum ''forum ''aufweist und die Wahl des angerufenen Gerichts nicht betrügerisch erscheint (''Cour de Cassation'', Cass. civ. 1<sup>re</sup> 6.2.1985, Bull. civ. I., no. 55, 54, 55 – ''Simitch''). Problematisch an diesem Ansatz ist, dass er über die sehr weit gefassten ausschließlichen Zuständigkeiten vornehmlich auf den Schutz französischer Staatsbürger zielt. Denn nach Art.&nbsp;14, 15 ''Code civil'' wird bei Beteiligung eines französischen Staatsangehörigen eine ausschließliche Zuständigkeit französischer Gerichte immer angenommen, soweit dieser nicht selbst im Ausland Klage erhoben oder sich dort rügelos auf eine Klage eingelassen hat. Als weitere Anerkennungsversagungsgründe sind – mit Unterschieden im Detail – in allen Rechtsordnungen anerkannt: eine Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör, ein Verstoß gegen den nationalen ''[[ordre public]]'' und das Vorliegen einer entgegenstehenden Entscheidung in der gleichen Rechtssache und zwischen den gleichen Parteien. Einige Rechte machen für bestimmte Rechtsgebiete die Anerkennung davon abhängig, dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist, so etwa Deutschland (§&nbsp;328&nbsp;Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;5 ZPO). Auf diese Weise sollen ausländische Staaten zu einer großzügigen Anerkennungspraxis bewogen werden. Da dies die an der Entscheidung interessierte Prozesspartei einseitig benachteiligt, ist das Gegenseitigkeitserfordernis seit längerem heftiger rechtspolitischer Kritik ausgesetzt.
Vor dem Hintergrund dieser restriktiven oder gar protektionistischen Praxis unterbreitete die [[Internationale Handelskammer]] 1953 dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen einen Entwurf für ein Übereinkommen über „internationale Schiedssprüche“, das unabhängig von irgendwelchem nationalen Recht sein sollte, um die gravierenden Hindernisse, die dem freien Verkehr von Schiedssprüchen entgegenstanden, zu beseitigen. Auch wenn dieser vollkommen autonome Ansatz nicht übernommen wurde, erarbeiteten die Vereinten Nationen einen eigenen Text, der letztlich in New York am 10.6.1958 als Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche der Vereinten Nationen (UNÜ) gezeichnet wurde und heute von 143 Staaten ratifiziert ist. Dieser beeindruckende Erfolg und seine außerordentliche Effizienz im internationalen Rechtsverkehr erlauben die Feststellung, dass die Regeln des UNÜ (die im folgenden Abschnitt skizziert werden) heute den internationalen Standard in Sachen Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen darstellen. Dementsprechend ist das Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 2005 auf der Grundlage des UNÜ entworfen worden ([[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen]]).


Vor dem Hintergrund der zunehmenden Rechtssetzungstätigkeit auf europäischer Ebene kommen die nationalen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechte heute nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten bzw. außerhalb des Anwendungsbereichs des gemeinschaftsrechtlichen Verordnungsrechts zur Anwendung. Der Anwendungsbereich der nationalen Rechtsordnungen wurde bereits durch einige völkerrechtliche Abkommen zwischen den E(W)G bzw. (ausgewählten) EFTA-Staaten zurückgedrängt. Nach der Übertragung von Kompetenzen im Bereich des Zivilverfahrensrechts auf die EU im Vertrag von Amsterdam ([[Europäisches Zivilprozessrecht]]) wurden diese Abkommen „vergemeinschaftet“ und dabei die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in „EU-Binnenmarktprozessen“ erstritten wurden, weiter vereinfacht. So ersetzt die sog. Brüssel&nbsp;I-VO (VO&nbsp;44/2001) das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) von 1968. Das im Jahre 2007 zwischen der EU sowie allen EFTA-Staaten mit Ausnahme von Liechtenstein abgeschlossene Lugano&nbsp;II-Übereinkommen (LugÜ&nbsp;II) wird langfristig das Lugano-Abkommen von 1988 ablösen.  
Seit 1958 sind eine Reihe regionaler Übereinkommen geschlossen worden. Erwähnenswert ist das (in der Praxis nur relativ selten anwendbare) Europäische Übereinkommen von 1961, das under der Schirmherrschaft der UN-Wirtschaftskommission für Europa in Ergänzung zum UNÜ (s.u. 4.) erarbeitet wurde und den Gegensatz zwischen westlichen Schiedsgerichten und den sozialistischen Außenhandelsschiedsgerichten überbrücken sollte. Zu einem gemeinschaftseuropäischen Übereinkommen, wie es noch in Art.&nbsp;293 4. Spiegelstrich EG vorgesehen war, ist es – wohl wegen der ausreichenden Regelungen des UNÜ – nicht gekommen. Ebenfalls erwähnenswert ist die interamerikanische Konvention von Panama (1975), welche die Vorschriften des UNÜ im Wesentlichen kopiert und diesem so in den lateinamerikanischen Staaten den Weg geebnet hat. Des Weiteren folgt die Einheitliche Akte über Schiedsrecht der Organisation für die Harmonisierung von Handelsrecht in Afrika (OHADA), die auf Schiedssprüche aus den 16 Mitgliedstaaten direkt anwendbar ist, den Schiedsvorschriften des französischen ''Nouveau Code de la procédure civile ''von 1981 (Art.&nbsp;1498-1507), die ebenfalls mit dem UNÜ vereinbar sind.


Darüber hinaus hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in den letzten Jahren eine Reihe weiterer Sekundärrechtsakte erlassen. Neben der sog. Brüssel&nbsp;IIa-VO (VO 2201/2003), die die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in die elterliche Verantwortung betreffende Verfahren zum Gegenstand hat, wurden vereinfachte Regeln zur Vollstreckung bestimmter Arten von Forderungen bzw. Entscheidungen erlassen. Zu dieser „neuen Generation“ von Rechtsinstrumenten zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Justizraums gehören die Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels (VO&nbsp;805/2004, „EuVTVO“), die Verordnung über das europäische Mahnverfahren (VO&nbsp;1896/2006, „EuMahn VO“) und die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (VO&nbsp;861/2007, „BagatellVO“).  
Andere regionale Übereinkommen dagegen stellen einen Rückschritt gegenüben dem UNÜ dar. So untergräbt z.B. die interamerikanische Konvention von Montevideo (1979) den ''acquis'' des UNÜ und der Panama-Konvention durch eine Rückkehr zu den Anerkennungskriterien der alten Montevideo-Verträge (1889/1940). Auch die MERCOSUR-Abkommen über internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1998 laufen diesbezüglich fehl, da sie die kumulative Anwendung der (unvereinbaren) Konventionen von Panama und Montevideo anordnen. Wie die Montevideo-Konvention erfordert auch das (in der Praxis ebenso unbedeutende) arabische Übereinkommen über gerichtliche Zusammenarbeit von Riad (1983) noch den Nachweis, dass der Schiedsspruch „endgültig und rechtskräftig“ ist, was allerdings einen Fortschritt gegenüber dem Erfordernis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland seines Vorgängers, dem Kairo-Übereinkommen von 1952, darstellt.


Ein Ende der rasant voranschreitenden Europäisierung der Rechtsquellen ist nicht absehbar. Im Dezember 2008 wurde eine Verordnung zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen verabschiedet (VO 4/2009) und die Arbeiten zur Schaffung eines Europäischen Pfändungsbeschlusses für Bankkonten schreiten zügig voran. Aufgrund eines Vorbehalts (Art.&nbsp;69 EG/Protokoll Nr.&nbsp;22 zum AEUV über die Position Dänemarks) gelten alle Gemeinschaftsinstrumente nicht unmittelbar in Dänemark, sondern nur, wenn die EU im Einzelfall ein völkerrechtliches Sonderabkommen gleichen Inhalts mit Dänemark verabschiedet hat.
== 3. Regelungsstrukturen des Einheitsrechts ==
Im Gegensatz zum Genfer Übereinkommen von 1927 und dem Europäischen Übereinkommen von 1961, erfordert das UNÜ nicht, dass die Parteien oder der Schiedsspruch aus einem der Vertragsstaaten stammen müssen. Die Vorschriften des UNÜ finden also Anwendung auf alle ausländischen Schiedssprüche, außer wenn sich der Vollstreckungsstaat die Reziprozität vorbehalten hat (heute noch 70 Staaten). Seine einheitlichen und autonomen Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln verdrängen widersprechende nationale Vorschriften und überwinden die drei grundlegenden Erschwernisse, an denen das Genfer Übereinkommen gescheitert war:


== 3. Grundstrukturen des gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungs- und Vollstreckungsregimes ==
(1)&nbsp;Das UNÜ garantiert die Wirksamkeit von schriftlichen Schiedsklauseln und erlaubt so die Durchführung von Schiedsverfahren und den Erlass vollstreckbarer Schiedssprüche im Ausland ohne den Abschluss einer getrennten Unterwerfungsvereinbarung (''compromis''), auch wenn ein solcher nach inländischem Recht erforderlich wäre.
Im Zuge der immer engeren justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen hat der Gemeinschaftsgesetzgeber unterschiedliche Anerkennungs- und Vollstreckungsmodelle für grenzüberschreitende Rechtssachen etabliert. Herzstück des gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts ist das Grundmodell „Brüssel“. Es basiert auf einem erleichterten Exequaturverfahren, welches im Vergleich zu den nationalen Rechtsordnungen über deutlich weniger „Kontrollmechanismen“ verfügt, das aber noch eine gewisse Überprüfung von Entscheidungen aus dem EU/EFTA-Ausland durch den Zweitstaat erlaubt. Daneben wurden für bestimmte Entscheidungstypen, bei denen der Gemeinschaftsgesetzgeber davon ausging, dass der Schuldner weniger schutzbedürftig ist, vereinfachte Verfahren eingeführt, in denen diese Kontrollmöglichkeiten noch einmal deutlich eingeschränkt wurden. Derzeit gelten diese Erleichterungen vor allem für Entscheidungen über geringfügige bzw. unbestrittene Forderungen sowie für das europäische Mahnverfahren.  


Die Gemeinschaft plant jedoch, auf lange Sicht die freie Zirkulation aller Entscheidungen in [[Zivil- und Handelssache]]n durch eine Absenkung der Anerkennungsversagungsgründe und letztlich einer Abschaffung des Exequaturs noch weiter zu erleichtern. Auf diese Weise soll eine echte Freizügigkeit für Gerichtsentscheidungen geschaffen werden. Wünschenswerte Voraussetzung für einen solchen Schritt ist jedoch eine gemeinschaftsweite Harmonisierung des [[internationales Privatrecht|internationalen Privatrechts]] in Europa sowie die Herausbildung einheitlicher Verfahrensstandards. Denn mit jeder Verbesserung der Urteilsanerkennung geht eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners einher. Dies ist nur hinnehmbar, wenn man darauf vertrauen kann, dass die Gerichtsverfahren in allen EU/ EFTA-Staaten bestimmten rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügen. Denn andernfalls wäre es widersinnig, dem Schuldner im Rahmen der Urteilsvollstreckung vorzuhalten, er habe seine Rechte doch in ausreichender Form im Erstprozess geltend machen können. Eine im Auftrag der Europäischen Kommission von Burkhard Heß, Peter Schlosser und Thomas Pfeiffer erstellte Studie über die Anwendung der Brüssel&nbsp;I-VO in den Mitgliedstaaten von 2007 warnt deshalb vor einer vollständigen Abschaffung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners im Anerkennungsstaat und regt eine gewisse Mindestharmonisierung der nationalen Zivilverfahrensrechte an. Angedacht wird weiterhin eine Verfahrenskoordinierung, die Rechtsschutz auch im Fall von Betrug und einer Verletzung des rechtlichen Gehörs schwerpunktmäßig im Erlassstaat ansiedelt, aber in bestimmten engen Ausnahmefällen dem Schuldner auch die Möglichkeit gibt, eine Kontrolle im Anerkennungsstaat zu erwirken.
(2)&nbsp;Schiedssprüche müssen lediglich „verbindlich“ sein, aber nicht „endgültig” (wie in dem Genfer Übereinkommen) oder gar „vollstreckbar“ (wie in anderen Abkommen), so dass das Erfordernis des ''double exequatur'' ein für alle Mal abgeschafft ist.


=== a) Grundmodell: Erleichtertes Exequaturverfahren ===
(3)&nbsp;Die Gültigkeit von Schiedssprüchen wird vermutet, so dass die Beweislast für die Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, auf den Vollstreckungsgegner fällt, was das Verfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt.
Das Grundmodell des gemeinschaftlichen Annerkennungs- und Vollstreckungsregimes ist in den Verordnungen Brüssel I und Brüssel&nbsp;IIa niedergelegt und gilt – mit gewissen Abstrichen – auch für das parallele LugÜ&nbsp;II. Nach diesem Grundmodell werden Entscheidungen aus dem europäischen Ausland grundsätzlich ''ipso iure ''anerkannt. Der inländische Richter hat jedoch in einem vereinheitlichten Exequaturverfahren die Einhaltung bestimmter Verfahrensförmlichkeiten zu prüfen, bevor er die Vollstreckungsklausel erteilen darf. Im Rechtsbehelfsverfahren, welches auf Antrag des Schuldners eingeleitet wird, können auch Anerkennungsversagungsgründe geprüft werden. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung bleibt hingegen dem autonomen Recht überlassen. Somit harmonisieren die vorgenannten Rechtsakte nicht nur das Verfahren der Vollstreckbarkeit und die Annerkennungsversagungsgründe, sondern auch die Entscheidungszuständigkeit ([[Zuständigkeit, internationale]]). Mit gutem Grund: Hat das Erstgericht seine Zuständigkeit auf einen vereinheitlichten Gerichtsstand gestützt, so entspricht die Anerkennung des Urteils in allen Mitgliedstaaten dem Spiegelbildprinzip. Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist aber noch einen Schritt weiter gegangen, um die Anerkennung zusätzlich zu erleichtern. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Anerkennung auch für den Fall, in dem das Urteil auf das autonome Zuständigkeitsrecht eines Mitgliedstaats gestützt wurde, so dass die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts nicht mehr überprüft werden darf (Art.&nbsp;35(3) Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II, Art.&nbsp;24 Brüssel&nbsp;IIa-VO). Eine Anerkennung kann somit selbst dann nicht verweigert werden, wenn das Urteil sich auf eine exorbitante Zuständigkeitsregel des nationalen Rechts stützt. Ausnahmen vom Ausschluss der Nachprüfbarkeit bestehen für die Verletzung bestimmter ausschließlicher Zuständigkeiten sowie für Versicherungs- und Verbrauchersachen (Art. 35(1) Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II).


Darüber hinaus kann eine Anerkennung bei besonders gravierenden Verstößen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs durch die fehlerhafte Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verweigert werden (Art.&nbsp;34 Nr.&nbsp;2 Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II, Art.&nbsp;22(b), 23(b) bis (d) Brüssel&nbsp;IIa-VO). Dasselbe gilt, wenn eine entgegenstehende Entscheidung vorliegt, wobei sich der Gemeinschaftsgesetzgeber zur Auflösung von Konflikten für eine Kombinationslösung ent- schieden hat. Bei Unvereinbarkeit zweier ausländischer Urteile setzt sich die früher ergangene anerkennungsfähige Entscheidung durch. Liegt ein inländisches rechtskräftiges Urteil vor, so gebührt diesem in jedem Fall Vorrang (Art.&nbsp;34 Nr.&nbsp;3, Nr.&nbsp;4 Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II, Art.&nbsp;22(c) und (d), ähnlich 23(e) Brüssel&nbsp;IIa-VO). Ein Urteil wird schließlich nicht anerkannt, wenn es mit dem ''[[ordre public]] ''des Anerkennungsstaates unvereinbar ist (Art.&nbsp;34 Nr.&nbsp;1 Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II, Art.&nbsp;22(a), 23(a) Brüssel IIa-VO). In diesem Rahmen sind auch die wesentlichen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen. Sie kommen etwa in den [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]], der GRCh, der EMRK ([[Grund- und Menschenrechte: GRCh und EMRK]]) und den übereinstimmenden Verfassungsprinzipien der Mitgliedstaaten zum Ausdruck. Insofern kann von einer Europäisierung des ''[[ordre public]]'' gesprochen werden.
Art.&nbsp;III UNÜ legt i.V.m. Art.&nbsp;IV und&nbsp;V die Grundlage des freien Verkehrs von Schiedssprüchen fest. Alle Vertragsstaaten erkennen die Vermutung an, dass ein Schiedsspruch verbindlich ist, sobald er ergangen ist. Seine Vollstreckung erfolgt nach den Verfahrensvorschriften der ''lex fori'' des angerufenen Gerichts, die jedoch durch das Einheitsrecht des UNÜ modifiziert werden, um den notwendigen Entscheidungseinklang zu erzielen. Unterschiedliche Verfahren für inländische und ausländische Schiedssprüche sind jedoch erlaubt, soweit letztere nicht „wesentlich strengeren Verfahrenvorschriften oder wesentlich höheren Kosten unterliegen“. Art.&nbsp;IV ergänzt die Vermutung der Verbindlichkeit mit der Vermutung der Gültigkeit: Der Vollstreckungsgläubiger muss lediglich den Schiedsspruch selbst und die Schiedsvereinbarung vorlegen. Nur wenn der Vollstreckungsgegner diese Vermutungen widerlegen kann, darf das angerufene Gericht die Anerkennung und Vollstreckung versagen.


Die Vollstreckbarerklärung erfolgt in einem vereinfachten Verfahren (Art.&nbsp;38-56 Brüssel&nbsp;I-VO/LugÜ&nbsp;II, Art.&nbsp;28-36 Brüssel&nbsp;IIa-VO), welches durch nationale Ausführungsgesetze ergänzt wird. Hervorzuheben ist, dass eine Anhörung der Gegenseite nicht vorgesehen ist. Unter Geltung der Brüssel&nbsp;I-VO/des LugÜ&nbsp;II werden im erstinstanzlichen Vollstreckbarerklärungsverfahren selbst – anders als noch unter Geltung des EuGVÜ – keine Anerkennungshindernisse geprüft. Diese Möglichkeit besteht erst im Rechtsbehelfsverfahren. Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung in Art.&nbsp;28&nbsp;ff. Brüssel&nbsp;IIa-VO entspricht dem im Wesentlichen. Anerkennungsversagungsgründe werden allerdings vor Erlass der Entscheidung überprüft. Zudem ist für in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidungen über das Umgangsrecht oder über die nach Art.&nbsp;11(8) Brüssel&nbsp;IIa-VO angeordnete Rückgabe eines entführten Kindes ([[Kindschaftsrecht, internationales]]) kein Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren notwendig.
Die Beweislast für die Widerlegung der Vermutungen der Gültigkeit und Verbindlichkeit des Schiedsspruchs obliegt ausschließlich dem Vollstreckungsgegner. Dieser darf sich nur auf die in Art.&nbsp;V(1) UNÜ aufgeführten Gründe berufen, die in erster Linie auf Verfahrensgarantien abzielen. So soll ein Schiedsspruch nicht anerkannt oder vollstreckt werden, wenn der Vollstreckungsgegner beweisen kann, dass der Spruch nicht auf einer gültigen Schiedsvereinbarung beruht oder nicht von deren Anwendungsbereich erfasst ist (Art.&nbsp;V(1)(a) und (c)). Ferner kann das Schiedsverfahren gerügt werden, wenn der Vollstreckungsgegner keine Gelegenheit hatte, sich gebührend zu verteidigen, oder die Bildung des Schiedsgerichts oder das angewandte Verfahren irregulär war (Art.&nbsp;V(1)(b) und (d)). Darüber hinaus kann der Vollstreckungsgegner einwenden (und muss dann beweisen), dass der Schiedsspruch im Ursprungsland noch nicht verbindlich geworden (weil z.B. eine zweite Schiedsinstanz vereinbart ist, weil nach dortigem Recht ordentliche Rechtsmittel gegen den Spruch eingelegt werden können, oder weil eine Umsetzungsfrist in dem Schiedsspruch gewährt wird) oder aufgehoben oder in seiner Wirkung einstweilig gehemmt worden ist (Art.&nbsp;V(1)(e)).


In ihrem Grünbuch zur Überprüfung der Brüssel I-VO vom April 2009 (KOM(2009) 175 endg.) denkt die Kommission weitere Verfahrenserleichterungen an. Vor dem Hintergrund, dass Anträge auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen fast immer zum Erfolg führen, wird die Abschaffung des Exequaturverfahrens für Urteile in Zivil- und Handelssachen zur Debatte gestellt. Dem Schuldner soll allerdings ein nachträglicher Rechtsbehelf zuerkannt werden, um seine Verteidigungsrechte zu wahren.
Jenseits der (beschränkten) Versagungsgründe zum Schutze der individuellen Interessen der im Schiedsverfahren verurteilten Partei kennt das UNÜ auch (ebenso beschränkte) Versagungsgründe zum Schutze des öffentlichen Interesses des Vollstreckungslandes, d.h. des Landes, in dem der Schiedsspruch letztlich seine Wirksamkeit entfalten soll. Diese Gründe sind vom angerufenen Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. So erlaubt Art.&nbsp;V(2)(a) UNÜ, die Anerkennung und Vollstreckung zu verweigern, wenn die ''lex fori'' den im Schiedsspruch entschiedenen Streitgegenstand als nicht schiedsfähig anerkennt, d.h. gewisse „sensible“ Streitigkeiten inländischen Gerichten ausschließlich vorbehält. Dieser Filter dessen, was Schiedsrichtern zur Entscheidung überlassen werden kann, rechtfertigt es, die Überprüfung des Schiedsspruchs auf ein Minimum zu reduzieren. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs (''révision au fond'') ist grundsätzlich nicht erlaubt. Selbst eine eindeutig falsche Anwendung des Rechts in dem Schiedsspruch ist kein Grund, seine Vollstreckung zu versagen, sondern vielmehr ein Risiko, auf das sich die Parteien (im Rahmen der Schiedsfähigkeit) einlassen (dürfen).


=== b) Vereinfachte Verfahren ===
Die einzige Ausnahme zum Verbot der ''révision au fond'' ist der Vorbehalt des ''[[ordre public]]'' in Art.&nbsp;V(2)(b) UNÜ. Das angerufene Gericht kann dem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit verweigern, wenn dies zu Ergebnissen führen würde, die „der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würden“. Im Lichte der Eingangskontrolle der Schiedsfähigkeit ist allgemein anerkannt, dass nur offensichtliche Unvereinbarkeit mit grundlegenden wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Werten der Rechtsordnung des Anerkennungslandes eine Versagung rechtfertigen kann. Es wird insofern von einem ''ordre public attenué'' oder auch ''ordre public international'' gesprochen, also den Werten der heimischen öffentlichen Ordnung, die selbst angesichts der internationalen Dimension des zugrunde liegenden Sachverhalts zu schützen sind.
Die vereinfachten Anerkennungsverfahren sehen kein Exequaturverfahren vor. Will der Schuldner sich gegen die Vollstreckung zur Wehr setzen, muss er seine Rechte daher schwerpunktmäßig vor dem Gericht des Ursprungsstaats geltend machen.  


==== aa) Europäischer Vollstreckungstitel ====
== 4. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
Die EuVTVO soll die Vollstreckung von unbestrittenen Geldforderungen in [[Zivil- und Handelssache]]n erleichtern, also solchen Forderungen, deren Bestehen der Schuldner ausdrücklich anerkannt oder deren gerichtlicher Geltendmachung er nicht widersprochen hat. Eine solche Entscheidung kann der Gläubiger beim Ursprungsgericht auf einem europaweit vereinheitlichten Formblatt als Europäischen Vollstreckungstitel (EuVT) bestätigen lassen. Damit das Ursprungsgericht den EuVT bestätigen kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Art.&nbsp;6(1) EuVTVO): Die Entscheidung muss im Ursprungsstaat vollstreckbar sein. Weiterhin darf sie nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln der Brüssel&nbsp;I-VO für Versicherungssachen und über die ausschließlichen Zuständigkeiten ergangen sein. Und im Fall, dass der Gläubiger seinen Titel durch ein stillschweigendes Nichtbestreiten (etwa bei Säumnis des Beklagten) erstritten hat, muss das gerichtliche Verfahren bestimmten, in der EuVTVO aufgeführten Mindeststandards (Art.&nbsp;12&nbsp;ff. EuVTVO) genügt haben. Für die Sonderkonstellation, dass der Schuldner ein Verbraucher ist und die durch stillschweigendes Nichtbestreiten titulierte Forderung aus einem [[Verbraucherverträge (IPR und IZPR)|Verbrauchervertrag]] stammt, muss zudem geprüft werden, ob die Entscheidung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ergangen ist. Den auf diese Weise erlangten EuVT kann der Gläubiger in allen anderen Mitgliedstaaten auf Grundlage des jeweils anwendbaren Zwangsvollstreckungsrechts durchsetzen, ohne dass es einer gesonderten Vollstreckbarerklärung oder einer Klauselerteilung bedarf. Der Schuldner kann nur im Ursprungsstaat die Überprüfung der Entscheidung beantragen, wenn bestimmte Verfahrensrechte verletzt wurden (Art.&nbsp;12&nbsp;ff. EuVTVO). Zudem kann das zuständige Gericht im Vollstreckungsstaat die Vollstreckung verweigern, wenn eine damit unvereinbare Entscheidung über den identischen Streitgegenstand zwischen den Parteien vorliegt (Art.&nbsp;21(1) EuVTVO).
Das [[Einheitsrecht]] des UNÜ bietet eine weitgehend unangefochtene und sehr effiziente globale Regelung der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Art.&nbsp;VII(1) UNÜ eine Meistbegünstigungsklausel enthält, die es den Vertragsstaaten erlaubt, noch liberalere, schiedsfreundliche Regeln im autonomen Recht zu haben. Dies nutzen manche Länder im Wettbewerb als schiedsfreundlicher Standort, so insbesondere Frankreich. Eines der umstrittensten Themen in diesem Zusammenhang ist die Anerkennng von Schiedssprüchen, die im Ausland aufgehoben worden sind. Art.&nbsp;V(1)(e) UNÜ führt die Aufhebung im Ursprungsland als einen Versagungsgrund auf. Die – jedoch nur selten anwendbare – Europäische Konvention (1961) beschränkt diesen Versagungsgrund in Art.&nbsp;IX auf Fälle, in denen die Aufhebung im Ausland auf Gründen beruht, die denen von Art.&nbsp;V(1)(a)-(d) UNÜ gleichwertig sind. Französische Gerichte nehmen darüber hinausgehend den radikalen Standpunkt ein, dass eine ausländische Aufhebung grundsätzlich irrelevant sei, „weil der internationale Schiedsspruch, der an keine staatliche Rechtsordnung angeknüpft ist, eine Entscheidung der internationalen Justiz ist, dessen Unregelmäßigkeiten auf der Grundlage der anwendbaren Regeln des Landes zu überprüfen sind, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird“ (''Cour de cassation'', Cass. civ. 1<sup>re</sup> 29.6.2007, Revue de l’arbitrage 2007, 507). Dieser extrem schiedsfreundliche Ansatz des autonomen französischen Rechts widerspricht dem deutschen und niederländischen Verständ- nis, nach dem – außer in Anwendung von Art.&nbsp;IX des Europäischen Übereinkommens – ein aufgehobener Schiedsspruch nur dann vollstreckt werden kann, wenn die ausländische Aufhebungsentscheidung der öffentlichen Ordnung widerspricht (OLG Dresden, 31.1.2007, IHR 2008, 152&nbsp;ff.; ''Gerechtshof Amsterdam'', 28.4.2009, AZ 200.005.269/01, LJN BI2451 <nowiki>http://www.rechtspraak.nl</nowiki>). Dies ist neuerdings auch der Maßstab US-amerikanischer Gerichte ''Court of Appeals for the District of Columbi''a, 487 F.3d 928 (2007)), die zuvor ähnlich wie die französischen entschieden hatten.


==== bb) Europäisches Mahnverfahren ====
Die französische These der Irrelevanz des Rechts des Ursprungslandes, welche bereits den UNÜ-Entwurf der ICC von 1953 beeinflusst hatte, hat auch im UNCITRAL-Modellgesetz (1985/ 2006) einen bescheidenen Niederschlag gefunden ([[Schiedsrecht, staatliches]]). Dieses kopiert wörtlich die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften des UNÜ, bestimmt aber – unter dem Einfluss der französischen Schiedsnovelle von 1981 (Art.&nbsp;1492, 1498 CPC) – deren Anwendbarkeit „unabhängig von dem Land, in dem der Schiedsspruch ergangen ist“, also auch auf inländische Schiedssprüche, mit dem Ziel, einheitliche Vollstreckungsregeln für alle „internationalen“ Schiedssprüche aufzustellen. Diese Aufhebung der traditionellen Unterscheidung von ausländischen und inländischen Schiedssprüchen ist jedoch von etlichen der ca. 60 Länder, auf deren Schiedsrecht das Modellgesetz einen Einfluss gehabt hat, abgelehnt worden, so auch das deutsche (§§&nbsp;1060 und 1061 ZPO).
Die EuMahnVO stellt Gläubigern zur Geltendmachung vertraglicher, bei Antragstellung bereits fälliger Geldforderungen in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen ein Europäisches Mahnverfahren zur Verfügung. In diesem Verfahren wird allein aufgrund eines formell zulässigen Antrages des Gläubigers ein Europäischer Zahlungsbefehl (EZ) erlassen. Nach Ablauf der dreißigtägigen Einspruchsfrist ab Zustellung an den Schuldner wird der EZ unionsweit für vollstreckbar erklärt und kann im Hinblick auf seine Anerkennung nicht angefochten werden (Art.&nbsp;19 EuMahnVO). Allerdings kann der Schuldner jederzeit, also auch nach Vollstreckbarerklärung, die gerichtliche Überprüfung durch das Ausgangsgericht verlangen, die zur Nichtigerklärung des EZ führen kann. Die Überprüfungsgründe orientieren sich im Wesentlichen an der EuVTVO, geben dem Überprüfungsgericht darüber hinaus aber auch die Möglichkeit an die Hand, den EZ für nichtig zu erklären, wenn dieser offensichtlich zu Unrecht erlassen wurde (Art.&nbsp;20 EuMahnVO). Darüber hinaus wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat bei entgegenstehender Rechtskraft oder wegen Erfüllung des titulierten Anspruchs auf Antrag verweigert (Art.&nbsp;22 EuMahnVO).


==== cc) Geringfügige Forderungen ====
Ein weiterer streitiger Punkt ist die Überprüfungstiefe im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren von Schiedssprüchen, deren Streitgegenstand im öffentlichen Interesse ist. Die o.g. restriktive Auslegung des ''ordre public''-Vorbehalts von Art.&nbsp;V(2)(b) UNÜ beruht ursprünglich auf der traditionellen Annahme, dass solche Streitgegenstände von vornherein nicht schiedsfähig sind. Diese Hypothese hat sich jedoch radikal geändert infolge der US-amerikanischen ''Mitsubishi''-Entscheidung (''U.S. Supreme Court'', 473 U.S. 614 (1985)), die auch mit dem ''EcoSwiss'' Urteil des EuGH (EuGH Rs.&nbsp;C-126/97, Slg.&nbsp;1999, I-3055) in Europa ihren Widerhall gefunden hat: Das öffentliche Interesse z.B. an wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten ([[Wettbewerbsrecht, internationales]]) ist kein Hindernis mehr dafür, deren Entscheidung Schiedsgerichten zu überlassen, sondern ist im Rahmen des ''ordre public''-Vorbehalts zu berücksichtigen. Diese Verschiebung der ursprünglichen Balance zwischen Art.&nbsp;V(2)(a) und (b) UNÜ erfordert folgerichtig eine nicht nur minimale Überprüfung des angerufenen Gerichts im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, um die Durchsetzung des [[Zwingendes Recht (Grundlagen)|zwingenden Rechts]] der öffentlichen Ordnung auch im Schiedsverfahren zu gewährleisten (''second look doctrine'') (OLG Dresden 20.4.2005, SchiedsVZ 2005, 210&nbsp;ff.). Im Versagensfall kann dann die Schiedsvereinbarung, welche diese Verletzung des ''ordre public'' möglich gemacht hat, für unwirksam erklärt werden, so dass eine erneute Klage vor staatlichen Gerichten auf der Grundlage des zwingenden Rechts möglich wird. Französische Gerichte dagegen haben auch hier ihre radikal schiedsfreundliche Einstellung bestätigt. So sollen nur „unverhohlene, tatsächliche und spezifische“ Verletzungen von Wettbewerbsregeln ([[Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit]]) erlauben, die Anerkennung oder Vollstreckung auf der Grundlage des ''ordre public''-Vorbehalts zu versagen (''Cour d’appel Paris'', 18.11.2004,'' Revue de l’arbitrage'' 2005, 751). Es ist fraglich, ob ein derart liberaler Ansatz dem Vertrauen in den Schiedsrichter und in seine Rolle als ''juge naturel du commerce international'' zuträglich ist.
Die BagatellVO hat ein europäisches Verfahren für grenzüberschreitende Rechtssachen in [[Zivil- und Handelssache]]n eingeführt, in denen der Streitwert EUR 2.000,- nicht überschreitet. Standardformulare und vereinheitlichte Fristen sollen eine Verfahrensvereinfachung bewirken. Nach der BagatellVO ergangene Urteile werden in allen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Art.&nbsp;18 BagatellVO räumt dem Schuldner die Möglichkeit ein, das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil im Ursprungsstaat überprüfen zu lassen. Die Überprüfungsgründe entsprechen den in Art.&nbsp;19 EuVTVO, Art.&nbsp;20(1) EuMahnVO genannten Gründen. Im Vollstreckungsstaat kann die Vollstreckung aus einem Urteil nach der BagatellVO weiterhin auf Antrag des Vollstreckungsschuldners auch wegen entgegenstehender Rechtskraft einer anderen Entscheidung in gleicher Sache abgelehnt oder allgemein von der Stellung einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.
 
== 4. Internationales Einheitsrecht ==
Die skizzierte Entwicklung auf der europäischen Ebene hat die Bedeutung des Einheitsrechts im Bereich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen – anders als für die [[Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche|Anerkennung von Schiedssprüchen]] – immer stärker zurückgedrängt. Einheitsrechtliche Konventionen gelten in Bezug auf Entscheidungen aus dem EU/EFTA-Ausland heute praktisch nur noch für bestimmte Spezialmaterien. Versuche, im Rahmen der [[Haager Konferenz für IPR]] ein allgemeines Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen zu verabschieden, blieben ohne durchschlagenden Erfolg. Ein letzter Anlauf, der in den 1990er Jahren initiiert wurde, scheiterte an transatlantischen Meinungsverschiedenheiten. Die Europäer wollten eine Konvention mit klar umrissenen Zuständigkeitsregeln aushandeln (sog. ''convention double''), die sich am EuGVÜ orientiert und nach der Urteile, die auf sehr klägerfreundliche Gerichtsstände (des US-amerikanischen Rechts) gestützt werden, nicht vollstreckt werden können. Der US-amerikanischen Delegation schwebte dagegen eine ''convention mixte ''vor, mit einer weiten Grauzone unvereinheitlichter und vor allem nicht verbotener Zuständigkeiten, die eine möglichst weitgehende Anerkennung US-amerikanischer Urteile sicherstellen sollte. Damit war das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Am Ende wurde einzig das Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005 verabschiedet, dessen Anwendungsbereich sehr begrenzt ist. Es erfasst lediglich ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen und erlaubt zudem den Vorbehalt, die Zuständigkeit des gewählten Gerichts wegen fehlender Inlandsbeziehungen ablehnen zu dürfen. Ob dieses Abkommen für den Handels- und Wirtschaftsverkehr eine große Bedeutung erlangen wird, ist derzeit noch nicht absehbar.


==Literatur==
==Literatur==
''Dieter Martiny'', Handbuch des Internationalen Verfahrensrechts, Bd.&nbsp;III/1, 1984; ''Gerhard Walter'', ''Samuel Baumgartner'' (Hg.), Recognition and Enforcement of Foreign Judgments Outside the Scope of the Brussels and Lugano Conventions, 2000; ''Hélène Gaudemet-Tallon'', Compétence et exécution des jugements en Europe, 3.&nbsp;Aufl. 2002; ''Adrian Briggs'', ''Peter Rees'', Civil Jurisdiction and Judgments, 4.&nbsp;Aufl. 2005; ''Jan Kropholler'', Europäisches Zivilprozessrecht, 8.&nbsp;Aufl. 2005; ''Heinrich Nagel'', ''Peter Gottwald'', Internationales Zivilprozessrecht, 6.&nbsp;Aufl. 2007; ''Thomas Rauscher ''(Hg.), Europäisches Zivilprozeßrecht, Bde. I und II, 2.&nbsp;Aufl. 2006; ''Ulrich Magnus'', ''Peter Mankowski'' (Hg.), Brussels I Regulation, 2007; ''Burkhard Heß'', ''Thomas Pfeiffer'', ''Peter Schlosser'', Report on the Application of Regulation Brussels I in the Member States (Study JLS/C4/2005/03), abrufbar unter <nowiki>http://ec.europa.eu/civiljustice/news/docs/study_application_brussels_1_en.pdf</nowiki> (zuletzt abgerufen am 1.6.2009); ''Stefan Leible'', ''Robert Freitag'', Forderungsbeitreibung in der EU, 2008.
''J.&nbsp;Westheimer'', Der ausländische Schiedsspruch: Seine Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit im Inlande, Zeitschrift für Zivilprozess 39 (1909) 241&nbsp;ff.; ''Antoine Pillet'', Traité pratique de droit international privé, Bd.&nbsp;2, 1924; ''Ernst Lorenzen'', Commercial Arbitration: Enforcement of Foreign Awards, Yale&nbsp;Law Journal 45 (1935) 39&nbsp;ff.; ''Paolo Contini'', International Commercial Arbitration: The United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, American Journal of Comparative Law 8 (1959) 283&nbsp;ff; ''Jan Albert van den Berg'', The New York Arbitration Convention of 1958, 1981; ''Emmanuel Gaillard'','' John Savage'', Fouchard Gaillard Goldman on International Commercial Arbitration, 1999; ''Sylvain Bollée'', Les méthodes du droit international privé à l’épreuve des sentences arbitrales, 2004; ''Jan Kleinheisterkamp'', International Commercial Arbitration in Latin America: Regulation and Practice in the MERCOSUR and the Associated Countries, 2005; ''Jean-François Poudret'','' Sébastien Besson'', Comparative Law of International Arbitration, 2.&nbsp;Aufl. 2007; ''Pierre Mayer'', L’étendue du contrôle, par le juge étatique, de la conformité des sentences arbitrales aux lois de police, in: Liber Amicorum Hélène Gaudemet-Tallon, 2008, 459&nbsp;ff.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Recognition_and_Enforcement_of_Foreign_Judgments]]
[[en:Recognition_and_Enforcement_of_Arbitral_Awards]]

Version vom 23. November 2021, 18:17 Uhr

von Jan Kleinheisterkamp

1. Gegenstand und Zweck

Schiedssprüche sind die Entscheidungen von Schiedsrichtern, d.h. von Individuen, deren Entscheidungsgewalt nicht vom Staat, sondern von den Parteien verliehen worden ist. Parteien können sich der Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsrecht, staatliches; Schiedsverfahren, internationales) unterwerfen und damit für ihre spezifische Streitigkeit den staatlichen Gerichten die Zuständigkeit durch Vereinbarung entziehen. Zur Durchsetzung des Schiedsspruchs können sie auf vertragliche oder institutionelle Mechanismen vertrauen, wie z.B. Erfüllungsgarantien oder schwarze Listen von Handelsvereinigungen. Die Anerkennung der materiellen Rechtskraft des Schiedsspruchs und sein Wert als vollstreckbarer Titel ist dagegen abhängig vom Recht des angerufenen Gerichts, das im Zweifelsfall die grundsätzliche Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Grundwerten seiner Rechtsordnung überprüfen kann. Nur wenn diese grundsätzliche Vereinbarkeit gewährleistet ist, wird eine staatliche Stelle in Achtung ihres Verfassungsauftrages die Wirkungen eines Schiedsspruchs zu Ungunsten einer Partei anerkennen oder Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen unwilligen Schuldner anordnen. Dieser Logik zufolge, die wesensverwandt auch der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen (gerichtlichen) Entscheidungen zugrundeliegt, besteht eigentlich keine Notwendigkeit, zwischen ausländischen und inländischen Schiedssprüchen zu unterscheiden. Dennoch ist diese Unterscheidung (in Abkehr des nicht-territorialen Verständnisses des ius commune und des common law) seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den meisten Ländern eingeführt worden.

2. Rechtsentwicklung der Anerkennung und Vollstreckung

Das älteste Abkommen, das auch Schiedssprüche abdeckte, wurde 1867 zwischen dem Großherzogtum Baden und dem schweizerischen Kanton Aargau geschlossen, gefolgt von dem französisch-schweizerischen Abkommen von 1869 und dem belgisch-französischen Abkommen von 1899. Diese Abkommen stellten Schiedssprüche und Urteile gleich und schafften für beide die bis dahin weithin übliche vollständige Inhaltskontrolle (révision au fond) ab. Ein Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung erforderte eine beglaubigte Abschrift des Urteils oder Schiedsspruchs, den Nachweis, dass die andere Partei zu dem Verfahren geladen worden war, und ein Zeugnis, mit dem die zuständigen Stelle im Ursprungsland beglaubigte, dass die Entscheidung dort formell rechtskräftig geworden war.

Die in diesen Abkommen geschaffenen Erleichterungen gingen jedoch in späteren Abkommen wieder teilweise verloren. So schloss zwar das schweizerisch-spanische Abkommen von 1896 ebenfalls jede révision au fond aus, erforderte jedoch den Nachweis darüber, dass die Entscheidung im Ursprungsland nicht nur „endgültig“ (im Sinne von rechtskräftig) sondern auch „vollstreckbar“ sei. Dieses Erfordernis war leicht zu erfüllen für Urteile, deren Vollstreckbarkeit ja zusammen mit ihrer formellen Rechtskraft vom Gericht im Ursprungsland bescheinigt werden kann. Schiedssprüche dagegen erforderten zumeist ein separates Vollstreckbarerklärungsverfahren (exequatur) im Ursprungsland, was für den Vollstreckungsgläubiger eine zusätzliche Erschwernis bedeutete. Das zugrunde liegende Verständnis, dass eine im Schiedsverfahren erfolgreiche Partei im Inland nicht mehr erhalten könne als ihr Titel im Ursprungland wert ist, fand seinen Niederschlag deutlicher in dem südamerikanische Vertrag über internationales Prozessrecht von Montevideo (1889), dem ersten multilateralen Übereinkommen auf diesem Gebiet: „Urteile und Schiedssprüche, die ... in einem anderen Vertragsstaat ergangen sind, sollen in den übrigen Staaten die gleiche Wirkungung wie in dem Ursprungsland haben“. Dementsprechend musste der Vollstreckungsgläubiger zuerst eine Vollstreckbarkeitserklärung im Ursprungsland bewirken, bevor er die Vollstreckbarkeitserklärung im Vollstreckungsland erhalten konnte.

Die unglückliche Gleichstellung von Schiedssprüchen und Urteilen und das daraus erfolgende Erfordernis des double exequatur haben auch Eingang gefunden in den pan-amerikanischen Código Bustamante (Havanna 1928), in den Vertrag von Montevideo über internationales Prozessrecht (1940) und in das Kairo-Übereinkommen der Arabischen Liga (1952), sowie in zahlreiche bilaterale Abkommen, wie z.B. das belgisch-niederländische Abkommen (1925), das französisch-italienische Abkommen (1930), die Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsübereinkommen der Vereinigten Staaten mit Griechenland (1951), Deutschland (1954) und den Niederlanden (1956), und das belgisch-deutsche Übereinkommen (1958). Das Genfer Übereinkommen von 1927 über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes geschlossen worden war, erforderte lediglich den Nachweis, dass der Schiedsspruch im Ursprungsland „endgültig“ im Sinne von rechtskräftig war. Viele nationale Gericht lasen jedoch in dieses Erfordernis den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland hinein und beraubten das Übereinkommen so weitgehend seiner Wirkung.

Mitte des 20. Jahrhunderts war das Erfordernis des double exequatur auch in zahlreichen nationalen Gesetzen fest verankert, wie z.B. in den meisten nordamerikanischen Staaten, in Österreich, Ungarn, der Tschechoslowakei, Italien, oder Paraguay. Eines der stärksten Bollwerke gegen die Schiedsgerichtsbarkeit war (bis 1996) Brasilien. Der ausländische Schiedsspruch selbst war ohne jeden Wert; lediglich die ausländische Vollstreckbarerkärung konnte in Brasilien für vollstreckbar erklärt werden. Und dies auch nur, wenn sie auf der Grundlage eines streitigen Verfahrens ergangen war, so dass einem widerspenstigen brasilianischen Schiedsspruchsschuldner die gerichtliche Ladung auf dem diplomatischen Wege zugestellt werden musste, was allein schon oft über ein Jahr dauerte. Des Weiteren konnten lange Zeit nur Schiedssprüche anerkannt werden, die – auch im Ausland – auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung über bereits existierende Streitigkeiten, nicht aber über künftige Streitigkeiten, ergangen waren. Im Ergebnis kamen Schiedssprüche gegen widerspenstige Schuldner nur äußerst selten in Brasilien zur Vollstreckung, so dass von Schiedsklauseln mit brasilianischen Vertragspartnern zumeist von vornherein abgesehen wurde.

Vor dem Hintergrund dieser restriktiven oder gar protektionistischen Praxis unterbreitete die Internationale Handelskammer 1953 dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen einen Entwurf für ein Übereinkommen über „internationale Schiedssprüche“, das unabhängig von irgendwelchem nationalen Recht sein sollte, um die gravierenden Hindernisse, die dem freien Verkehr von Schiedssprüchen entgegenstanden, zu beseitigen. Auch wenn dieser vollkommen autonome Ansatz nicht übernommen wurde, erarbeiteten die Vereinten Nationen einen eigenen Text, der letztlich in New York am 10.6.1958 als Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche der Vereinten Nationen (UNÜ) gezeichnet wurde und heute von 143 Staaten ratifiziert ist. Dieser beeindruckende Erfolg und seine außerordentliche Effizienz im internationalen Rechtsverkehr erlauben die Feststellung, dass die Regeln des UNÜ (die im folgenden Abschnitt skizziert werden) heute den internationalen Standard in Sachen Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen darstellen. Dementsprechend ist das Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 2005 auf der Grundlage des UNÜ entworfen worden (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen).

Seit 1958 sind eine Reihe regionaler Übereinkommen geschlossen worden. Erwähnenswert ist das (in der Praxis nur relativ selten anwendbare) Europäische Übereinkommen von 1961, das under der Schirmherrschaft der UN-Wirtschaftskommission für Europa in Ergänzung zum UNÜ (s.u. 4.) erarbeitet wurde und den Gegensatz zwischen westlichen Schiedsgerichten und den sozialistischen Außenhandelsschiedsgerichten überbrücken sollte. Zu einem gemeinschaftseuropäischen Übereinkommen, wie es noch in Art. 293 4. Spiegelstrich EG vorgesehen war, ist es – wohl wegen der ausreichenden Regelungen des UNÜ – nicht gekommen. Ebenfalls erwähnenswert ist die interamerikanische Konvention von Panama (1975), welche die Vorschriften des UNÜ im Wesentlichen kopiert und diesem so in den lateinamerikanischen Staaten den Weg geebnet hat. Des Weiteren folgt die Einheitliche Akte über Schiedsrecht der Organisation für die Harmonisierung von Handelsrecht in Afrika (OHADA), die auf Schiedssprüche aus den 16 Mitgliedstaaten direkt anwendbar ist, den Schiedsvorschriften des französischen Nouveau Code de la procédure civile von 1981 (Art. 1498-1507), die ebenfalls mit dem UNÜ vereinbar sind.

Andere regionale Übereinkommen dagegen stellen einen Rückschritt gegenüben dem UNÜ dar. So untergräbt z.B. die interamerikanische Konvention von Montevideo (1979) den acquis des UNÜ und der Panama-Konvention durch eine Rückkehr zu den Anerkennungskriterien der alten Montevideo-Verträge (1889/1940). Auch die MERCOSUR-Abkommen über internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1998 laufen diesbezüglich fehl, da sie die kumulative Anwendung der (unvereinbaren) Konventionen von Panama und Montevideo anordnen. Wie die Montevideo-Konvention erfordert auch das (in der Praxis ebenso unbedeutende) arabische Übereinkommen über gerichtliche Zusammenarbeit von Riad (1983) noch den Nachweis, dass der Schiedsspruch „endgültig und rechtskräftig“ ist, was allerdings einen Fortschritt gegenüber dem Erfordernis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsland seines Vorgängers, dem Kairo-Übereinkommen von 1952, darstellt.

3. Regelungsstrukturen des Einheitsrechts

Im Gegensatz zum Genfer Übereinkommen von 1927 und dem Europäischen Übereinkommen von 1961, erfordert das UNÜ nicht, dass die Parteien oder der Schiedsspruch aus einem der Vertragsstaaten stammen müssen. Die Vorschriften des UNÜ finden also Anwendung auf alle ausländischen Schiedssprüche, außer wenn sich der Vollstreckungsstaat die Reziprozität vorbehalten hat (heute noch 70 Staaten). Seine einheitlichen und autonomen Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln verdrängen widersprechende nationale Vorschriften und überwinden die drei grundlegenden Erschwernisse, an denen das Genfer Übereinkommen gescheitert war:

(1) Das UNÜ garantiert die Wirksamkeit von schriftlichen Schiedsklauseln und erlaubt so die Durchführung von Schiedsverfahren und den Erlass vollstreckbarer Schiedssprüche im Ausland ohne den Abschluss einer getrennten Unterwerfungsvereinbarung (compromis), auch wenn ein solcher nach inländischem Recht erforderlich wäre.

(2) Schiedssprüche müssen lediglich „verbindlich“ sein, aber nicht „endgültig” (wie in dem Genfer Übereinkommen) oder gar „vollstreckbar“ (wie in anderen Abkommen), so dass das Erfordernis des double exequatur ein für alle Mal abgeschafft ist.

(3) Die Gültigkeit von Schiedssprüchen wird vermutet, so dass die Beweislast für die Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, auf den Vollstreckungsgegner fällt, was das Verfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt.

Art. III UNÜ legt i.V.m. Art. IV und V die Grundlage des freien Verkehrs von Schiedssprüchen fest. Alle Vertragsstaaten erkennen die Vermutung an, dass ein Schiedsspruch verbindlich ist, sobald er ergangen ist. Seine Vollstreckung erfolgt nach den Verfahrensvorschriften der lex fori des angerufenen Gerichts, die jedoch durch das Einheitsrecht des UNÜ modifiziert werden, um den notwendigen Entscheidungseinklang zu erzielen. Unterschiedliche Verfahren für inländische und ausländische Schiedssprüche sind jedoch erlaubt, soweit letztere nicht „wesentlich strengeren Verfahrenvorschriften oder wesentlich höheren Kosten unterliegen“. Art. IV ergänzt die Vermutung der Verbindlichkeit mit der Vermutung der Gültigkeit: Der Vollstreckungsgläubiger muss lediglich den Schiedsspruch selbst und die Schiedsvereinbarung vorlegen. Nur wenn der Vollstreckungsgegner diese Vermutungen widerlegen kann, darf das angerufene Gericht die Anerkennung und Vollstreckung versagen.

Die Beweislast für die Widerlegung der Vermutungen der Gültigkeit und Verbindlichkeit des Schiedsspruchs obliegt ausschließlich dem Vollstreckungsgegner. Dieser darf sich nur auf die in Art. V(1) UNÜ aufgeführten Gründe berufen, die in erster Linie auf Verfahrensgarantien abzielen. So soll ein Schiedsspruch nicht anerkannt oder vollstreckt werden, wenn der Vollstreckungsgegner beweisen kann, dass der Spruch nicht auf einer gültigen Schiedsvereinbarung beruht oder nicht von deren Anwendungsbereich erfasst ist (Art. V(1)(a) und (c)). Ferner kann das Schiedsverfahren gerügt werden, wenn der Vollstreckungsgegner keine Gelegenheit hatte, sich gebührend zu verteidigen, oder die Bildung des Schiedsgerichts oder das angewandte Verfahren irregulär war (Art. V(1)(b) und (d)). Darüber hinaus kann der Vollstreckungsgegner einwenden (und muss dann beweisen), dass der Schiedsspruch im Ursprungsland noch nicht verbindlich geworden (weil z.B. eine zweite Schiedsinstanz vereinbart ist, weil nach dortigem Recht ordentliche Rechtsmittel gegen den Spruch eingelegt werden können, oder weil eine Umsetzungsfrist in dem Schiedsspruch gewährt wird) oder aufgehoben oder in seiner Wirkung einstweilig gehemmt worden ist (Art. V(1)(e)).

Jenseits der (beschränkten) Versagungsgründe zum Schutze der individuellen Interessen der im Schiedsverfahren verurteilten Partei kennt das UNÜ auch (ebenso beschränkte) Versagungsgründe zum Schutze des öffentlichen Interesses des Vollstreckungslandes, d.h. des Landes, in dem der Schiedsspruch letztlich seine Wirksamkeit entfalten soll. Diese Gründe sind vom angerufenen Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. So erlaubt Art. V(2)(a) UNÜ, die Anerkennung und Vollstreckung zu verweigern, wenn die lex fori den im Schiedsspruch entschiedenen Streitgegenstand als nicht schiedsfähig anerkennt, d.h. gewisse „sensible“ Streitigkeiten inländischen Gerichten ausschließlich vorbehält. Dieser Filter dessen, was Schiedsrichtern zur Entscheidung überlassen werden kann, rechtfertigt es, die Überprüfung des Schiedsspruchs auf ein Minimum zu reduzieren. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs (révision au fond) ist grundsätzlich nicht erlaubt. Selbst eine eindeutig falsche Anwendung des Rechts in dem Schiedsspruch ist kein Grund, seine Vollstreckung zu versagen, sondern vielmehr ein Risiko, auf das sich die Parteien (im Rahmen der Schiedsfähigkeit) einlassen (dürfen).

Die einzige Ausnahme zum Verbot der révision au fond ist der Vorbehalt des ordre public in Art. V(2)(b) UNÜ. Das angerufene Gericht kann dem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit verweigern, wenn dies zu Ergebnissen führen würde, die „der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würden“. Im Lichte der Eingangskontrolle der Schiedsfähigkeit ist allgemein anerkannt, dass nur offensichtliche Unvereinbarkeit mit grundlegenden wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Werten der Rechtsordnung des Anerkennungslandes eine Versagung rechtfertigen kann. Es wird insofern von einem ordre public attenué oder auch ordre public international gesprochen, also den Werten der heimischen öffentlichen Ordnung, die selbst angesichts der internationalen Dimension des zugrunde liegenden Sachverhalts zu schützen sind.

4. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Das Einheitsrecht des UNÜ bietet eine weitgehend unangefochtene und sehr effiziente globale Regelung der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Art. VII(1) UNÜ eine Meistbegünstigungsklausel enthält, die es den Vertragsstaaten erlaubt, noch liberalere, schiedsfreundliche Regeln im autonomen Recht zu haben. Dies nutzen manche Länder im Wettbewerb als schiedsfreundlicher Standort, so insbesondere Frankreich. Eines der umstrittensten Themen in diesem Zusammenhang ist die Anerkennng von Schiedssprüchen, die im Ausland aufgehoben worden sind. Art. V(1)(e) UNÜ führt die Aufhebung im Ursprungsland als einen Versagungsgrund auf. Die – jedoch nur selten anwendbare – Europäische Konvention (1961) beschränkt diesen Versagungsgrund in Art. IX auf Fälle, in denen die Aufhebung im Ausland auf Gründen beruht, die denen von Art. V(1)(a)-(d) UNÜ gleichwertig sind. Französische Gerichte nehmen darüber hinausgehend den radikalen Standpunkt ein, dass eine ausländische Aufhebung grundsätzlich irrelevant sei, „weil der internationale Schiedsspruch, der an keine staatliche Rechtsordnung angeknüpft ist, eine Entscheidung der internationalen Justiz ist, dessen Unregelmäßigkeiten auf der Grundlage der anwendbaren Regeln des Landes zu überprüfen sind, in dem ihre Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird“ (Cour de cassation, Cass. civ. 1re 29.6.2007, Revue de l’arbitrage 2007, 507). Dieser extrem schiedsfreundliche Ansatz des autonomen französischen Rechts widerspricht dem deutschen und niederländischen Verständ- nis, nach dem – außer in Anwendung von Art. IX des Europäischen Übereinkommens – ein aufgehobener Schiedsspruch nur dann vollstreckt werden kann, wenn die ausländische Aufhebungsentscheidung der öffentlichen Ordnung widerspricht (OLG Dresden, 31.1.2007, IHR 2008, 152 ff.; Gerechtshof Amsterdam, 28.4.2009, AZ 200.005.269/01, LJN BI2451 http://www.rechtspraak.nl). Dies ist neuerdings auch der Maßstab US-amerikanischer Gerichte Court of Appeals for the District of Columbia, 487 F.3d 928 (2007)), die zuvor ähnlich wie die französischen entschieden hatten.

Die französische These der Irrelevanz des Rechts des Ursprungslandes, welche bereits den UNÜ-Entwurf der ICC von 1953 beeinflusst hatte, hat auch im UNCITRAL-Modellgesetz (1985/ 2006) einen bescheidenen Niederschlag gefunden (Schiedsrecht, staatliches). Dieses kopiert wörtlich die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften des UNÜ, bestimmt aber – unter dem Einfluss der französischen Schiedsnovelle von 1981 (Art. 1492, 1498 CPC) – deren Anwendbarkeit „unabhängig von dem Land, in dem der Schiedsspruch ergangen ist“, also auch auf inländische Schiedssprüche, mit dem Ziel, einheitliche Vollstreckungsregeln für alle „internationalen“ Schiedssprüche aufzustellen. Diese Aufhebung der traditionellen Unterscheidung von ausländischen und inländischen Schiedssprüchen ist jedoch von etlichen der ca. 60 Länder, auf deren Schiedsrecht das Modellgesetz einen Einfluss gehabt hat, abgelehnt worden, so auch das deutsche (§§ 1060 und 1061 ZPO).

Ein weiterer streitiger Punkt ist die Überprüfungstiefe im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren von Schiedssprüchen, deren Streitgegenstand im öffentlichen Interesse ist. Die o.g. restriktive Auslegung des ordre public-Vorbehalts von Art. V(2)(b) UNÜ beruht ursprünglich auf der traditionellen Annahme, dass solche Streitgegenstände von vornherein nicht schiedsfähig sind. Diese Hypothese hat sich jedoch radikal geändert infolge der US-amerikanischen Mitsubishi-Entscheidung (U.S. Supreme Court, 473 U.S. 614 (1985)), die auch mit dem EcoSwiss Urteil des EuGH (EuGH Rs. C-126/97, Slg. 1999, I-3055) in Europa ihren Widerhall gefunden hat: Das öffentliche Interesse z.B. an wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten (Wettbewerbsrecht, internationales) ist kein Hindernis mehr dafür, deren Entscheidung Schiedsgerichten zu überlassen, sondern ist im Rahmen des ordre public-Vorbehalts zu berücksichtigen. Diese Verschiebung der ursprünglichen Balance zwischen Art. V(2)(a) und (b) UNÜ erfordert folgerichtig eine nicht nur minimale Überprüfung des angerufenen Gerichts im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren, um die Durchsetzung des zwingenden Rechts der öffentlichen Ordnung auch im Schiedsverfahren zu gewährleisten (second look doctrine) (OLG Dresden 20.4.2005, SchiedsVZ 2005, 210 ff.). Im Versagensfall kann dann die Schiedsvereinbarung, welche diese Verletzung des ordre public möglich gemacht hat, für unwirksam erklärt werden, so dass eine erneute Klage vor staatlichen Gerichten auf der Grundlage des zwingenden Rechts möglich wird. Französische Gerichte dagegen haben auch hier ihre radikal schiedsfreundliche Einstellung bestätigt. So sollen nur „unverhohlene, tatsächliche und spezifische“ Verletzungen von Wettbewerbsregeln (Wettbewerbsregeln, Anwendbarkeit) erlauben, die Anerkennung oder Vollstreckung auf der Grundlage des ordre public-Vorbehalts zu versagen (Cour d’appel Paris, 18.11.2004, Revue de l’arbitrage 2005, 751). Es ist fraglich, ob ein derart liberaler Ansatz dem Vertrauen in den Schiedsrichter und in seine Rolle als juge naturel du commerce international zuträglich ist.

Literatur

J. Westheimer, Der ausländische Schiedsspruch: Seine Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit im Inlande, Zeitschrift für Zivilprozess 39 (1909) 241 ff.; Antoine Pillet, Traité pratique de droit international privé, Bd. 2, 1924; Ernst Lorenzen, Commercial Arbitration: Enforcement of Foreign Awards, Yale Law Journal 45 (1935) 39 ff.; Paolo Contini, International Commercial Arbitration: The United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, American Journal of Comparative Law 8 (1959) 283 ff; Jan Albert van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, 1981; Emmanuel Gaillard, John Savage, Fouchard Gaillard Goldman on International Commercial Arbitration, 1999; Sylvain Bollée, Les méthodes du droit international privé à l’épreuve des sentences arbitrales, 2004; Jan Kleinheisterkamp, International Commercial Arbitration in Latin America: Regulation and Practice in the MERCOSUR and the Associated Countries, 2005; Jean-François Poudret, Sébastien Besson, Comparative Law of International Arbitration, 2. Aufl. 2007; Pierre Mayer, L’étendue du contrôle, par le juge étatique, de la conformité des sentences arbitrales aux lois de police, in: Liber Amicorum Hélène Gaudemet-Tallon, 2008, 459 ff.