Geistiges Eigentum (Durchsetzung) und Geistiges Eigentum (Erschöpfung): Unterschied zwischen den Seiten

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== 1. Gegenstand und Zweck ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==


„Indeed it is a vain thing to imagine a right without a remedy“, mit diesen Worten beschreibt ''Chief Justice Holt'' (''Ashby v. White'' (1703) 92 ER 126, 135 (KB)) die verbreitete Überzeugung, dass jedes Recht auch wirksamer Regeln zu seiner Durchsetzung bedarf. Unter solchen Regeln zur Durchsetzung speziell geistiger Eigentumsrechte sollen im Folgenden alle Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe verstanden werden, durch die eine Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums sanktioniert werden kann (vgl. Art. 2(1) RL 2004/‌48). Rechtssystematisch lassen sich diese Regeln in zivilrechtliche (Art. 41–50 TRIPS, RL 2004/‌48 zur Durchsetzung des Rechte des geistigen Eigentums), strafrechtliche (Art. 61 TRIPS, KOM(2006) 168 endg.) und zollrechtliche Maßnahmen (Art. 51–60 TRIPS, VO 1383/‌2003) unterteilen.
Die Schutzrechte des geistigen Eigentums ([[Geistiges Eigentum (allgemein)]]) gewähren ihren Inhabern im Rahmen der ausschließlichen Befugnisse in aller Regel auch das sog. Verbreitungsrecht. Das Verbreitungsrecht ist das Recht, die Verbreitung von Gegenständen, in denen der jeweilige Schutzgegenstand (die patentierte Erfindung, das urheberrechtlich geschützte Werk, die geschützte Marke) verkörpert ist, an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Da Schutzrechte des geistigen Eigentums zugleich territorialer Natur sind, steht demjenigen, der Rechte an einem Schutzgegenstand in mehreren Ländern innehat (sei es, weil er den Schutzgegenstand in mehreren Ländern hat registrieren lassen, sei es, weil er für seine urheberrechtliche Schöpfung aufgrund des Zusammenspiels von formloser Erlangung des Schutzes und Inländerbehandlung einen weltweiten Schutz genießt), letztlich ein Bündel nationaler Verbreitungsrechte zu. Diese kann der Rechtsinhaber dann getrennt vergeben und auf diese Weise den Markt in einzelne Vertriebsgebiete partitionieren. Eine solche territoriale Marktaufteilung ist jedoch innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes kaum hinnehmbar, behindert sie doch das freie Zirkulieren von Waren. Durch die sog. Erschöpfung des Verbreitungsrechts soll nun genau das verhindert werden: Hat der Rechtsinhaber den Gegenstand, in dem der Schutzgegenstand verkörpert ist, entweder selbst oder aber mit seiner Zustimmung durch einen Dritten (z.B. einen Lizenznehmer oder einen Händler) in Verkehr gebracht, so ist die Weiterverbreitung dieses Gegenstandes in dem betreffenden Territorium auch ohne Zustimmung des Inhabers des Verbreitungsrechts zulässig. Mit anderen Worten: das Verbreitungsrecht an diesen Gegenständen ist in Bezug auf die Weiterverbreitung „verbraucht“ oder „erschöpft“.


Zweck der Vorschriften zur Durchsetzung des geistigen Eigentums ist die rechtstatsächliche Bewährung der immaterialgüterrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte, damit sich die mit der Schaffung geistiger Eigentumsrechte ([[Geistiges Eigentum (allgemein)]]) erhofften Wirkungen auch tatsächlich einstellen können. Im Unterschied zu Rechten an körperlichen Gegenständen stellt die Rechtsdurchsetzung bei Rechten des geistigen Eigentums eine besondere Herausforderung dar, weil ihre Schutzgegenstände wegen ihrer fehlender Körperlichkeit potentiell ubiquitär und nicht-rivalisierend genutzt werden können und die Entdeckung und der Nachweis von Rechtsverletzungen häufiger als bei körperlichen Schutzgegenständen den Zugang zur Sphäre des Verletzers oder Dritter erfordern.
Im Einzelnen ergeben sich hinsichtlich der Begründung der Erschöpfungswirkung allerdings gewisse Akzentverschiebungen, je nachdem, ob es um die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im nationalen, im europäischen oder im internationalen Bereich geht. Im ''nationalen'' Bereich, in dem ja nur ein einzelnes nationales Verbreitungsrecht in Rede steht, geht es vor allem darum, die Möglichkeit von dessen räumlicher Begrenzung einzuschränken. Zugleich sind die Abnehmer geschützter Waren ihrerseits zu schützen, könnten sie bei einer Marktaufteilung innerhalb ein und desselben Wirtschaftsgebietes doch in der Regel nicht erkennen, ob die betreffende Ware zulässig vertrieben wird oder nicht (sog. Verkehrsschutz). Dass die Erschöpfung die Zirkulationsfähigkeit der Ware unter Einschränkung der Rechte des Rechtsinhabers sichert, wird nach der Belohnungstheorie vor allem unter Hinweis darauf gerechtfertigt, dass der Rechtsinhaber beim Erstverkauf der Ware einen Preis aushandeln kann, der Gewinnmargen nachfolgender Handelsstufen mit berücksichtigt. ''Gemeinschaftsrechtlich'' steht dagegen die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen territorialer Wirkung der Rechte des geistigen Eigentums auf der einen und freiem Warenverkehr (Art. 28 EGV/‌34 AEUV) auf der anderen Seite im Vordergrund. Der EG-Vertrag hat dieses Spannungsverhältnis durchaus erkannt und in Art. 30 EGV/‌36 AEUV bekanntlich dahingehend gelöst, dass die Bestimmungen über den freien Warenverkehr Einfuhrverboten nicht entgegenstehen, die aus Gründen des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind. Mit anderen Worten, der EG-Vertrag akzeptiert, dass sich aus der territorial begrenzten Geltung ausschließlicher Rechte des geistigen Eigentums Beschränkungen des freien Warenverkehrs ergeben, die nicht unter Berufung auf die Freiheit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs beseitigt werden können. Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzungen der sog. gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung dann von der Rechtsprechung entwickelt und diejenigen Fallkonstellationen herausgearbeitet worden, in denen die Geltendmachung des territorialen Verbreitungsrechts insgesamt als doch nicht gerechtfertigt erscheint. ''International'' geht es dagegen um die Frage, ob den Rechteinhabern eine territoriale Partitionierung des Weltmarktes ermöglicht werden soll oder nicht. Auf der einen Seite legt die Rhetorik eines freien Welthandels durchaus nahe, dass sich die nationalen Verbreitungsrechte auch international erschöpfen, wenn geschützte Waren in irgendeinem Staat auf der Welt durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung durch Dritte in Verkehr gebracht werden. Auf der anderen Seite besteht weltweit gerade kein einheitliches Wirtschaftsgebiet. Daher kann die Aufteilung in nationale oder regionale Märkte durchaus sinnvoll sein, lässt sich eine Preisdifferenzierung für identische Waren, die der Kaufkraft in den einzelnen Märkten Rechnung trägt und damit eine Versorgung der jeweiligen Abnehmer sicherstellt, doch nur dann vornehmen, wenn die Rechteinhaber Re-Importe von im Ausland billiger verkauften Waren in das Inland auf der Basis eines dort nicht erschöpften Verbreitungsrechts entgegentreten können.


== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung ==


Trotz der bereits im 19. Jahrhundert einsetzenden staatsvertraglichen Bemühungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts blieben Fragen der Rechtsdurchsetzung – wohl aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem allgemeinen Zivil- und Zivilverfahrensrecht – lange Zeit weitgehend ausgespart (siehe lediglich Art. 13(3), (16) Revidierte Berner Übereinkunft, Art. 9, 10, 10<sup>ter</sup> Pariser Verbandsübereinkunft). Erst mit Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens im Jahr 1995 wurden auf internationaler Ebene detailliertere Regelungen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums geschaffen (Teil III, Art. 41 ff. TRIPS, siehe auch Art. 14 WIPO-Urheberrechtsvertrag). Eine ähnliche Entwicklung nahm – zeitversetzt – das Recht der Europäischen Gemeinschaft. Auch der gemeinschaftsrechtliche ''acquis communautaire'' auf dem Gebiet des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s konzentrierte sich zunächst auf das materielle Recht, während die Rechtsdurchsetzung – sieht man von der Grenzbeschlagnahme ab – weitgehend dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen blieb. Sogar Verordnungen, durch die gemeinschaftsweit einheitliche Schutzrechte wie die [[Gemeinschaftsmarke]], das [[Gemeinschaftsgeschmacksmuster]] oder der gemeinschaftliche [[Sortenschutz]] geschaffen wurden, verweisen für Fragen der Rechtsdurchsetzung weitgehend auf das nationale Recht (Art. 97 VO 40/‌94 = Art. 101 VO 207/‌2009 [konsolidierte Fassung]), Art. 88 VO 6/‌ 2002, Art. 97 VO 2100/‌94). Eine grundlegende Wende wurde auf europäischer Ebene mit Erlass der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/‌48) erreicht, mit welcher der europäische Gesetzgeber nach dem Vorbild des TRIPS erstmals ein übergreifendes Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts für jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums verfolgt (Art. 2(1) RL 2004/‌48). Angesichts der jüngsten Verhandlungen über den Abschluss eines ''Anti-Counterfeiting Trade Agreements'' (ACTA) auf internationaler Ebene und der Bemühungen der Gemeinschaft um eine Überwindung der territorialen Zersplitterung (vgl. EuGH Rs. C-4/‌03 – ''GAT'', Slg. 2006, I-6509, Rn. 25 und EuGH Rs. C-539/‌03 – ''Roche Nederland'', Slg. 2006, I-6535, Rn. 33) bei der Durchsetzung registrierter Schutzrechte auf europäischer Ebene (KOM(2009) 175 endg., Frage 4; SEC(2009) 330 endg.) dürfte die Diskussion um die Rechtsdurchsetzung auch in den kommenden Jahren nicht abgeschlossen sein.
In den Mitgliedstaaten der EU folgt die nationale Erschöpfung durchaus unterschiedlichen Traditionen. Zwar dürfte die Mehrheit der Staaten von vorneherein entweder kein Verbreitungsrecht in Bezug auf den Weiterverkauf vorgesehen haben oder insoweit schon frühzeitig, wenn nicht explizit so doch zumindest implizit, von einer Rechtserschöpfung ausgegangen sein. Demgegenüber räumte insbesondere Frankreich dem Rechtsinhaber mit dem sog. ''droit de destination'' die Möglichkeit ein, nicht nur den Erst-, sondern auch den Weiterverkauf der von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten urheberrechtlich geschützten Gegenstände zu kontrollieren. In der Praxis freilich wurde auch hier die Zirkulationsfähigkeit zumeist im Wege einer angenommenen Zustimmung oder einer andernfalls unterbleibenden Rechtsverfolgung erreicht.


Die Hinwendung des internationalen und europäischen Gesetzgebers zu Fragen der Durchsetzung des geistigen Eigentums erklärt sich zum einen durch ein gestiegenes Interesse an Fragen des geistigen Eigentums und eine generelle Tendenz zur Ausweitung des Immaterialgüterschutzes in den neunziger Jahren, zum anderen aber auch durch die massive Expansion der Produktpiraterie, die durch den technischen Fortschritt und die Globalisierung begünstigt wurde. So haben die Grenzbeschlagnahmen durch den deutschen Zoll im Jahr 2006 einen neuen Rekord von 9.164 Aufgriffen im Wert von EUR&nbsp;1.175 Mrd. erreicht (Bundesministerium der Finanzen, Jahresbericht Gewerblicher Rechtsschutz 2006, 32&nbsp;f.), und die OECD schätzt – in einer allerdings kontrovers beurteilten Studie – das Volumen allein des internationalen Handels mit körperlichen Produktnachahmungen (ohne den innerstaatlichen Handel und ohne digital vertriebene Nachahmungen) im Jahr 2007 auf bis zu USD 200 Mrd. (The Economic Impact of Counterfeiting and Piracy: Executive Summary, 15&nbsp;f., <nowiki>http://www.oecd.org/dataoecd/13/12/38707619.pdf</nowiki>, zuletzt abgerufen am 15.4.2009). Angesichts dieser Zahlen stehen Gerichte und Gesetzgeber vor der Herausforderung, den Sanktionenapparat des Immaterialgüterrechts abgestuft fortzuentwickeln, um einerseits Produktpiraterie wirksam bekämpfen zu können, andererseits aber eine „over-deterrence“ zum Nachteil von Wettbewerbern und Allgemeinheit zu vermeiden. Allerdings sollte ein ideales Schutzsystem den angemessenen Ausgleich zwischen Innovationsanreiz und Wettbewerbsschutz bereits bei der Ausgestaltung und Reichweite der geistigen Eigentumsrechte gewährleisten und grundsätzlich keine Korrektur des Sachrechts durch das Sanktionenrecht, sondern eine Parallelität beider Rechtsmaterien anstreben, sofern nicht spezifisch verfahrensrechtliche Aspekte eine Einschränkung der Durchsetzung materieller Rechtspositionen gebieten.
In der EU hat der EuGH in einigen recht frühen Entscheidungen der Freiheit des Warenverkehrs den Vorrang vor der weiteren territorialen Geltendmachung eines einmal vom Berechtigten ausgeübten Verbreitungsrechts eingeräumt und damit die sog. gemeinschaftsweite Erschöpfung begründet (so zunächst für das Urheberrecht EuGH Rs.&nbsp;78/‌70 – ''Deutsche Grammophon'', Slg. 1971, 487; EuGH Rs.&nbsp;55 und 57/‌80 – ''Musik-Vertrieb Membran GmbH/‌GEMA'', Slg. 1981, 147; für das Markenrecht EuGH Rs.&nbsp;16/‌74 – ''Centrafarm BV u.a./‌Winthorp BV'', Slg. 1974, 118; für das Patentrecht EuGH Rs.&nbsp;187/‌80 – ''Merck/‌Stephar and Exler'', Slg. 1981, 206; und für das Geschmacksmusterrecht EuGH Rs.&nbsp;144/‌81 – ''Keurkoop/‌Nancy Kean Gifts'', Slg. 1982, 2853). Im Urheberrecht betrifft die gemeinschaftsweite Erschöpfung jedoch nur die Verbreitung körperlicher Werkexemplare. Eine Erschöpfung etwa auch der unkörperlichen Werkübermittlung im Wege der öffentlichen Wiedergabe findet hingegen nicht statt (EuGH Rs.&nbsp;62/‌79 – ''Coditel I'', Slg. 1980, 881: Fall der grenzüberschreitenden Weiterleitung einer ausländischen Fernsehsendung); insoweit bleibt es dabei, dass jede einzelne der aufeinander folgenden unkörperlichen Werknutzungen der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf. Eine Reihe weiterer Entscheidungen des EuGH hat nachfolgend Einzelheiten der Voraussetzungen des Eintritts der Erschöpfungswirkung präzisiert. Eine weitere Einschränkung im Urheberrecht resultiert aus der engen Definition des Verbreitungsrechts nach Art.&nbsp;4(1) RL&nbsp;2001/‌29, das nach Auffassung des EuGH einen Übergang des Eigentums am konkreten Werkexemplar voraussetzt (EuGH Rs.&nbsp;C-1456/‌06 – ''Peek & Cloppenburg'', Slg. 2008, I-2731). Die Frage der Erschöpfung stellt sich nämlich nur dann, wenn das Verbreitungsrecht überhaupt betroffen ist.


Auf rechtstechnischer Ebene führt die zuweilen pointillistische Rechtssetzung der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung zu einer zunehmenden Zersplitterung der Rechtsmaterie, die hier ebenso wie auf anderen Feldern des europäischen Sekundärrechts ein Bedürfnis nach Koordination der immaterialgüterrechtlichen Rechtsakte untereinander und im Verhältnis zu benachbarten Regeln etwa des Zivilverfahrensrechts, des Wettbewerbsrechts oder des Datenschutzrechts aufwirft. So erscheint es durchaus zweifelhaft, die Verletzungstatbestände des materiellen Markenrechts anders als die Aufgreiftatbestände der Grenzbeschlagnahmeverordnung auszulegen (EuGH Rs. C-281/06 – ''Diesel'', Slg. 2006, I-10881, Rn.&nbsp;37&nbsp;ff.), weil es in der Grenzbeschlagnahmeverordnung gerade um die Abwehr materiellrechtlicher Rechtsverletzungen geht. Auch erschließt sich nicht unmittelbar der Sinn einer Gesetzgebung, die einerseits (mit Recht) einen möglichst umfassenden Anwendungsbereich der allgemeinen Durchsetzungsrichtlinie anstrebt (Erwägungsgrund&nbsp;13 RL&nbsp;2004/‌48) und auch Unterlassungsanordnungen gegen Mittelspersonen in ihren Gewährleistungsgehalt einbezieht (Art. 9(1)(a), 11 S.&nbsp;3 RL 2004/‌48), andererseits aber ausdrücklich vereinzelte Sanktionsnormen aus früheren Richtlinien „unberührt“ lässt (Erwägungsgrund 16 RL&nbsp;2004/‌48), obwohl diese in ihrer Regelungsdichte deutlich weniger spezifisch als die RL&nbsp;2004/‌48 sind. Anzustreben ist vielmehr eine Konsolidierung des immaterialgüterrechtlichen Sanktionenrechts in einem Rechtsakt und eine ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses zu Nachbarmaterien wie dem Datenschutz oder der Störerhaftung, um Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen und die Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger „unberührt“-Klauseln nicht allein dem [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] zu überantworten.
<nowiki>Das Prinzip der gemeinschaftsweiten Erschöpfung hat nachfolgend Eingang auch in die Gesetzgebung der Gemeinschaft gefunden. Entsprechende Regelungen finden sich zum einen für die Gemeinschaftsrechte, also die Gemeinschaftsmarke (Art. 13 der VO 40/‌94 = Art. 13 VO 207/‌2009 [konsolidierte Fassung]) und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 21 VO 6/‌ 2002) sowie im Vorschlag für ein Gemeinschaftspatent (Art. 10 des Vorschlags einer Verordnung für das Gemeinschaftspatent), und zum anderen in den Harmonisierungsrichtlinien des Marken- (Art. 7 RL 2008/‌95), des Geschmacksmuster- (Art. 15 RL 98/‌71) und des Urheberrechts (Art. 3(3) und 4(2) RL 2001/‌29). Dabei ist der Eintritt der Erschöpfung im Einklang mit der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des EuGH im Markenrecht (und im Vorschlag für ein Gemeinschaftspatent), nicht hingegen im Urheber- und Geschmacksmusterrecht, insoweit beschränkt, als eine Erschöpfung selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen dann nicht eintritt, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn im Markenrecht der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Im Urheberrecht hingegen schreibt die RL 2001/‌29 zum einen die unterschiedliche Behandlung von körperlicher Werknutzung (dann Erschöpfung) und unkörperlicher Werknutzung (dann keine Erschöpfung) ausdrücklich fest; zum anderen bestimmt Art. 4(1) der RL 2001/‌29, dass die Erschöpfung nicht schon bei jedem Inverkehrbringen, sondern lediglich beim „Erstverkauf“ eintritt (s. EuGH Rs. C-456/‌06 </nowiki>''Peek & Cloppenburg'', Slg. 2008, I-2073, nicht also lediglich bei einer Vermietung, s. EuGH Rs. C-61/‌97 – ''Laserdisken'', Slg. 1998, I-5171). Überdies lässt diese Richtlinie das durch die RL 92/‌100 (neu veröffentlicht als RL 2006/‌115) gewährte Vermietrecht unberührt, so dass nach deren Art. 1(2) der Erstverkauf nicht zugleich auch das ausschließliche Recht erschöpft, das einmal durch den Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung verkaufte Original oder Vervielfältigungsstück des geschützten Werkes zu vermieten (s. dazu EuGH Rs. C-200/‌96 – ''Metronome Musik'', Slg. 1998, I-1953).


== 3. Regelungsstrukturen des Einheits- und Gemeinschaftsrechts ==
Die Frage der internationalen Erschöpfung hingegen ist von Art.&nbsp;6 TRIPS ausdrücklich offen gelassen worden. Jedenfalls kann die Entscheidung eines WTO-Mitgliedstaates, sich im nationalen Recht für oder auch gegen die internationale Erschöpfungswirkung zu entscheiden, nach überwiegender Ansicht nicht Gegenstand eines Streitschlichtungsverfahrens sein. Während kleinere Staaten zumindest im Urheberrecht einer internationalen Erschöpfung zuneigen, bestehen die USA in ihren bilateralen Handelsabkommen darauf, dass die Handelspartner die internationale Erschöpfung in ihrem nationalen Recht ausschließen. Auch der [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] hat sich in einer markenrechtlichen Entscheidung – anders als noch zuvor der EFTA-Gerichtshof – für alle Mitgliedstaaten verbindlich gegen die internationale Erschöpfung entschieden (EuGH Rs.&nbsp;C-355/‌96 – ''Silhouette'', Slg. 1998, I-4799 und nachfolgend EuGH Rs.&nbsp;C-173/‌98 – ''Sebago'', Slg. 1999, I-4103). Das ist in Art.&nbsp;4(2) der RL&nbsp;2001/‌29 inzwischen auch für das Urheberrecht ausdrücklich festgeschrieben (zur insoweit ebenfalls zwingenden Geltung für die Mitgliedstaaten s. EuGH Rs.&nbsp;C-479/‌04 – ''Laserdisken/‌Kulturministeriet'', Slg. 2006, I-8089). Allerdings schließt die fehlende internationale Erschöpfung nicht aus, dass in der Importweigerung im Einzelfall ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art.&nbsp;82 EGV/‌ 102 AEUV liegen kann (EuG, Rs.&nbsp;T-198/‌98 – ''Micro Leader'', Slg. 1999, II-3989). Im Zuge der AIDS-Krise haben sich die WTO-Mitglieder schließlich darauf verständigt, dass dem Import von im Herkunftsland unter einer Zwangslizenz hergestellten generischen Arzneimitteln ein Verbot der internationalen Erschöpfung jedenfalls im Ergebnis ebenso wenig entgegengehalten werden kann wie die in Art.&nbsp;31 TRIPS enthaltene räumliche Beschränkung der Wirkung von Zwangslizenzen auf das Herstellungsland.


===a) Allgemeines===
Von den bereits genannten Einzelfragen in Bezug auf die Voraussetzungen einmal abgesehen (insbesondere wann „berechtigte Gründe“ vorliegen, die es im Marken- und ggf. auch im Patentrecht rechtfertigen könnten, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb von ihm oder mit seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft in Verkehr gebrachter Waren widersetzt; siehe EuGH Rs. C-59/‌08 – ''Copad'', ZfRV 2009, 66), dürfte Raum für divergierende nationale Rechtsentwicklungen vor allem hinsichtlich zweier Fragenkreise verbleiben. Zum einen ist in einer Reihe von Mitgliedstaaten für das Urheberrecht die Frage aufgetaucht, inwieweit der Inhaber von Urheberrechten den Handel mit „gebrauchter“ Software kontrollieren kann, wenn die Software dem Ersterwerber nicht auf einem materiellen Datenträger verkörpert übergeben, sondern online zugespielt wird oder wenn es sich lediglich um Volumenlizenzen zum Onlineabruf handelt. Zum anderen mögen nationale Rechte die Frage unterschiedlich beantworten, ob das Verbreitungsrecht in Bezug auf ein und denselben Gegenstand einheitlich anzusehen ist, oder ob – und inwieweit – es für verschiedene Vertriebswege aufgespalten werden kann. Dort, wo letzteres möglich ist, kann Erschöpfung dann auch nur hinsichtlich eines Teils, nicht hingegen auch hinsichtlich der übrigen Teile und damit des Verbreitungsrechts insgesamt eintreten (so hat etwa in Deutschland der BGH entschieden, dass der Vertrieb eines Buches in einem Buchclub das Recht von dessen Verbreitung im Sortimentbuchhandel nicht erschöpft, siehe BGH 21.11. 1958, GRUR 1959, 200, 202; anders hingegen bei Vertrieb über Kaffeefilialen, siehe BGH 8.11.1989, GRUR 1990, 669; auch einen gesonderten Vertriebsweg für sog. ''Original-Equipment-Manufacturer (OEM)-Software'', d.h. Software, die als Grundausstattung zusammen mit einem PC vertrieben wird, hat der BGH abgelehnt mit der Folge, dass die Erwerber billigerer OEM-Versionen diese auch ohne Verbindung mit einem Computer zustimmungsfrei weitervertreiben dürfen; siehe BGH 6.7.2000, GRUR 2001, 153).


Abgesehen von einzelnen verstreuten Vorschriften (etwa Art.&nbsp;7 RL&nbsp;91/‌250, Art.&nbsp;8 RL&nbsp;2001/‌29) finden sich die zivilrechtlichen Regeln zur Rechtsdurchsetzung auf europäischer und internationaler Ebene vor allem in der RL&nbsp;2004/‌48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und ihrem Vorbild, den Art.&nbsp;41–50 TRIPS. Sowohl der RL&nbsp;2004/‌48 wie dem TRIPS liegt ein schutzrechtsübergreifendes (zu den erfassten Rechten Erklärung der Kommission zu Art.&nbsp;2 der RL&nbsp;2004/‌48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. 2005 L 94/‌37) Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts zugrunde, so dass mitgliedstaatliche Abweichungen zugunsten des Rechtsinhabers – in den Grenzen höherrangigen Rechts (etwa Art.&nbsp;47 GRCh; [[Faires Verfahren]]) – gestattet sind (Art.&nbsp;2(1), 16 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;1(1)2, Art.&nbsp;1(2) TRIPS). An der Spitze ihres Sanktionenapparates platzieren beide Rechtsakte eine allgemeine Vorschrift (Art.&nbsp;3 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;41(1), 2 TRIPS), welche die Mitgliedstaaten auf einerseits „wirksame“, „abschreckende“ und nicht „unnötig kompliziert(e)“, „kostspielig(e)“ oder unangemessen langwierige Rechtsbehelfe verpflichtet, andererseits ausdrücklich anordnet, dass die Maßnahmen „fair und gerecht“ und „verhältnismäßig“ sind und „so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist“. Damit expliziert bereits die Generalklausel das dem Sanktionsapparat immanente Spannungsfeld zwischen der Wirksamkeit des Rechtsschutzes für den Rechtsinhaber und der Wahrung wettbewerblicher Freiheit und rechtsstaatlicher Verteidigungsrechte (dazu auch Art.&nbsp;41(3), 4, 42 TRIPS) des vermeintlichen Verletzers. Weitere allgemeine Regelungen betreffen die Urheber- oder Inhabervermutung (Art.&nbsp;5 RL&nbsp;2004/‌48) und die Antragsberechtigung (Art.&nbsp;4 RL&nbsp;2004/‌48), die – sofern es sich nicht um den Rechtsinhaber, sondern um andere Personen wie Lizenznehmer, Verwertungsgesellschaften oder Berufsorganisationen handelt – entgegen des ursprünglich weitergehenden Kommissionsvorschlags (KOM (2003) 46 endg.) von den Bestimmungen des anwendbaren Rechts abhängig ist.
== 3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht ==


Vergleicht man TRIPS und Durchsetzungsrichtlinie miteinander, so fällt zunächst das Konzept einer auf das TRIPS aufbauenden, aber darüber auch partiell hinausgehenden Mindestharmonisierung durch die Richtlinie ins Auge („TRIPS-plus“). So wurde der in Art.&nbsp;47 TRIPS nur fakultativ ausgestaltete Auskunftsanspruch in Art.&nbsp;8 RL&nbsp;2004/‌48 verbindlich vorgesehen, und auch bei der Vermögensbeschlagnahme und Vermögensauskunft (Art.&nbsp;6(2), 9(2) RL&nbsp;2004/‌48) oder den Abhilfemaßnahmen (Art.&nbsp;10 RL&nbsp;2004/‌ 48) geht die Richtlinie über das TRIPS hinaus. Diese „überschießende Umsetzung“ des TRIPS erweist sich im Hinblick auf den Beitritt der Gemeinschaft zum TRIPS (Beschluss&nbsp;94/‌800, ABl. 1994 L 336/‌1) und der korrespondierenden gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur TRIPS-konformen Auslegung des europäischen Rechts (vgl. Art.&nbsp;2(3)(b), Erwägungsgründe&nbsp;4 und 5 RL&nbsp;2004/‌48, EuGH Rs.&nbsp;C-300/‌98 – ''Dior'', Slg. 2000, I-11307, Rn.&nbsp;47) in der Regel als unproblematisch, weil die Mitglieder der WTO in ihr nationales Recht grundsätzlich einen über das TRIPS hinausgehenden Schutz aufnehmen dürfen (Art.&nbsp;1(1)2 TRIPS). Allerdings darf nach Art.&nbsp;1(1)2 a.E. TRIPS der weitergehende Schutz dem Übereinkommen nicht zuwider laufen, insbesondere nicht zu mit Art.&nbsp;41(1), (2) TRIPS unvereinbaren übermäßigen Handelshemmnissen oder Rechtsmissbräuchen führen. Es bietet sich an, die Ausgestaltungsschranke des Art.&nbsp;1(1)2 TRIPS und die mit ihr verbundenen Garantien gegen Handelshemmnisse und Rechtsmissbrauch (Art.&nbsp;41, 42, 48 TRIPS) über die Generalklausel des Art.&nbsp;3 RL&nbsp;2004/‌48 zu berücksichtigen, wenn die Richtlinie keine ausdrückliche Umsetzung der entsprechenden Vorschriften des TRIPS vorsieht.
Einzelheiten des Konzepts der Rechtserschöpfung betreffen zunächst Fragen der Voraussetzungen des Erschöpfungseintritts, also insbesondere die Frage, wann im Sinne der gemeinschaftsweiten Erschöpfung von einem „Inverkehrbringen“ gesprochen werden kann. Das ist nach Auffassung des EuGH insbesondere bei einer lediglich konzerninternen Weitergabe in der Regel nicht, wohl aber bei einer konzernexternen Weitergabe der Fall (vgl. EuGH Rs.&nbsp;16/‌74 – ''Centrafarm BV u.a./‌Winthorp BV'', Slg. 1974, 118; EuGH Rs.&nbsp;119/‌75 – ''Terrapin/‌Terranova'', Slg. 1976, 1039; EuGH Rs.&nbsp;144/‌81 – ''Keurkoop/‌Nancy Kean Gifts'', Slg. 1982, 2853), sowie dann nicht, wenn der geschützte Gegenstand im Ausland im Wege einer Zwangslizenz in Verkehr gebracht worden ist (EuGH Rs.&nbsp;19/‌84 – ''Pharmon/‌Hoechst'', Slg. 1985, 2281). Auch ist zu klären, bei welchen Ausgestaltungen der Nutzungsrechtseinräumung von einem „Verkauf“ des betreffenden Gegenstandes gesprochen werden kann (siehe EuGH Rs.&nbsp;C-61/‌97 – ''Laserdisken'', Slg. 1998, I-5171: kein Verkauf bei bloßem Vermieten; EuGH Rs. C-456/‌06 – ''Peek & Cloppenburg'', Slg. 2008, I-2731: reine Gebrauchsüberlassung und Ausstellung zu kommerziellen Zwecken kein Inverkehrbringen).


Die einzelnen Abschnitte der Durchsetzungsrichtlinie und des TRIPS widmen sich dem Zugang zu Beweismitteln (Art.&nbsp;6, 7 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;43, 50(1)(b) TRIPS), dem Recht auf Auskunft (Art.&nbsp;8 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;47 TRIPS), den einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen (Art.&nbsp;9 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;50 TRIPS, [[Einstweiliger Rechtsschutz]]) sowie den Maßnahmen aufgrund einer Sachentscheidung, zu denen Abhilfemaßnahmen (Art.&nbsp;10 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;46 TRIPS), Unterlassungsanordnungen (Art.&nbsp;11 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;44 TRIPS) und Regeln zu [[Schadensersatz]] und Prozesskosten (Art.&nbsp;13, 14 RL&nbsp;2004/‌48, Art.&nbsp;45 TRIPS) gehören. Vor den Schlussvorschriften sieht die RL&nbsp;2004/‌48 schließlich noch einen Anspruch auf Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen vor (Art.&nbsp;15 RL&nbsp;2004/‌48). Aufgrund der RL&nbsp;2004/‌48 haben die Mitgliedstaaten mehr oder weniger umfangreiche Anpassungen ihres nationalen Rechts an den europäischen Mindeststandard vorgenommen, zu deren Einzelheiten an dieser Stelle nur auf die jeweiligen Umsetzungsgesetze verwiesen werden kann (Deutschland: Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums; England: ''The Intellectual Property (Enforcement'','' etc.) Regulations 2006'' und ''Civil Procedure Rules'','' 41st update''<nowiki>; Frankreich: </nowiki>''Loi No.&nbsp;2007-1544 de lutte contre la contrefaçon''<nowiki>; Italien: </nowiki>''Decreto legislativo 16 marzo 2006'', n. 140; Österreich: 81. und 96. Bundesgesetz 2006; Spanien: ''Ley 19/‌2006'').  
Auch die Frage des Inverkehrbringens „in der Gemeinschaft“ bedarf angesichts zum Teil unterschiedlicher nationaler Auffassungen im Hinblick auf einen reinen Export und den bloßen Transit der Klärung (zur Erstreckung auch auf das Angebot bzw. den Verkauf von Originalmarkenwaren, die den zollrechtlichen Status von Nichtgemeinschaftswaren haben, s. EuGH Rs.&nbsp;C-405/‌03 – ''Class International'', Slg. 2005, I-8735). Im Übrigen erfasst die Erschöpfungswirkung auch Vorgänge in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) bzw. erstreckt sich auf diese (s. Art.&nbsp;65(2) i.V.m. Anhang XVII Punkt 4 des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum; s. dazu für das Markenrecht EuGH Rs.&nbsp;C-16/‌03 – ''Peak Holding'', Slg. 2004, I-11313).


===b) Beweise===
Gleich mehrfach hat der EuGH Gelegenheit gehabt, die Antwort auf die Frage zu konkretisieren, unter welchen Umständen sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels mit oder ohne Veränderungen der inneren und/‌oder äußeren Originalverpackung widersetzen kann (zu Einzelheiten vgl. zuletzt EuGH Rs. C-276/‌05 – ''The Wellcome Foundation'', Mitt. 2009, 72; EuGH Rs.&nbsp;C-348/‌04 – ''Boehringer Ingelheim u.a.'', Slg. 2007, I-3391 und zuvor EuGH Rs.&nbsp;C-143/‌00 – ''Boehringer Ingelheim u.a.'', Slg. 2002, I-3759; EuGH Rs.&nbsp;C-379/‌97 – ''Upjohn'', Slg. 1999, I-6927; EuGH verb. Rs.&nbsp;C-427/‌93, C-429/‌93 und C-436/‌93 – ''Bristol-Myers Squibb u.a.'', Slg. 1996, I-3457; zur patentrechtlichen Erschöpfung insoweit s. EuGH Rs.&nbsp;C-267/‌95 und C-268/‌95 – ''Merck/‌Primecrown und Beecham/‌Europharm'', Slg. 1996, I-6285). Dabei sind auch eine Reihe von Fragen der Beweislast geklärt worden (s. dazu neben den genannten Urteilen auch EuGH Rs.&nbsp;C-244/‌00 – ''Van Doren'', Slg. 2003, I-3051).


Auftakt zu den besonderen Regelungen der Richtlinie sind bemerkenswerterweise die Vorschriften zu Beweismitteln. Nach dem Vorbild von Art.&nbsp;43(1) TRIPS garantiert Art.&nbsp;6(1)1 RL 2004/‌48 die Möglichkeit einer gerichtlichen Beweismittelvorlageanordnung auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat. Der nur auf im gewerblichen Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen anwendbare Art.&nbsp;6(2) RL&nbsp;2004/‌48 erstreckt den Vorlageanspruch über Art.&nbsp;43 TRIPS hinaus auf die Übermittlung von gegnerischen Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen, um die tatsächlichen Nutznießer der Rechtsverletzung ermitteln und verfolgen zu können. Offen bleibt die Sanktion bei Missachtung einer Vorlageanordnung. Aufgrund der Nichtübernahme der fakultativen'' poena confessi'' des Art.&nbsp;43(2) TRIPS sprechen die besseren Gründe dafür, von einer zwangsweisen Durchsetzbarkeit der Vorlageanordnung auszugehen, damit dem Rechtsinhaber die exakte Beschreibung der Verletzungsform ermöglicht wird.
Auch hinsichtlich der Reichweite der Erschöpfungswirkung hat der EuGH einige Punkte klären können, etwa dass sich die Zustimmung zum Inverkehrbringen immer nur auf konkrete in Verkehr gebrachte Exemplare erstreckt und aufgrund einer solchen Zustimmung Erschöpfung nicht etwa in Bezug auf alle Waren aus der Produktion eintritt (EuGH Rs.&nbsp;C-173/‌98 – ''Sebago'', Slg. 1999, I-4103); dass sich durch den Erstverkauf nicht zugleich auch das Vermietrecht an der verkauften Sache erschöpft (EuGH Rs.&nbsp;C-200/‌96 – ''Metronome Musik'', Slg. 1998, I-1953); und dass sich durch die Erlaubnis, eine Datenbank zu konsultieren, nicht zugleich das Recht erschöpft, die Entnahme und die Weiterverwendung des Inhalts dieses Vervielfältigungsstücks zu kontrollieren (EuGH Rs.&nbsp;C-203/‌02 – ''The British Horseracing Board u.a.'', Slg. 2004, I-10415).


Art.&nbsp;7(1)1 RL&nbsp;2004/‌48 ergänzt die Beweisvorlageanordnung durch die Möglichkeit, rechtserhebliche Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung bereits vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durch schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen (etwa die ausführliche Beschreibung oder die Beschlagnahme von Mustern, Art.&nbsp;7(1)2 RL&nbsp;2004/‌48) zu sichern, wenn der Antragsteller alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung seiner Ansprüche vorgelegt hat. Vorbild für diese Regelung war neben Art.&nbsp;50(1)(b) TRIPS die französische ''saisie-contrefaçon'' und die englische ''Anton Piller (search) order''. Die Beweissicherung kann in dringenden Fällen (drohende irreparable Schäden, Beweismittelvernichtung) auch ohne vorherige Anhörung der Gegenseite angeordnet werden (Art.&nbsp;7(1)3 RL&nbsp;2004/‌48). Die Qualifikation der Beweissicherung als einstweilige Maßnahme steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Auslegung des Begriffs der einstweiligen Maßnahme in Art.&nbsp;31 EuGVO ([[Einstweiliger Rechtsschutz]]). Auch wirft die offene Formulierung des Art.&nbsp;7 (abgesehen von zahlreichen Auslegungsproblemen) die Frage auf, ob die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Beweissicherungsmaßnahmen durch Art.&nbsp;7 tatsächlich zu Gunsten des Rechtsinhabers abschließend harmonisiert wurden und ob nicht zumindest in gewissem Umfang im Hinblick auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen den Mitgliedstaaten ein Ausgestaltungsspielraum verbleibt.
Eine weitere Frage geht dahin, ob die Erschöpfung ausnahmsweise auch andere Ausschließlichkeitsrechte als das Verbreitungsrecht erfasst, wenn deren Geltendmachung die mit der Erschöpfungswirkung beabsichtigte freie Handel- und Zirkulierbarkeit unterbinden oder doch zumindest beeinträchtigen würde. Der EuGH hat das in einem Fall zumindest im Ergebnis bejaht, in dem der Inhaber eines Bildzeichens an Form und Verpackung der Ware den Vertrieb von Waren, an denen das Zeichenrecht erschöpft war, durch Dritte dadurch zu unterbinden suchte, dass er gegen deren Werbung für das fragliche Produkt sein Urheberrecht an der äußeren Erscheinung der Ware in Form des Vervielfältigungsrechts geltend machte (EuGH Rs.&nbsp;C-337/‌95 – ''Dior/‌Evora'', Slg. 1997, I-6013). Ähnliche Fälle sind auch denkbar hinsichtlich zustimmungspflichtiger Vervielfältigungshandlungen, die der Zweiterwerber eines Computerprogramms, an dem Erschöpfung des Verbreitungsrechts eingetreten ist, vornehmen muss, wenn er mit dem Programm arbeiten will. Eine generelle Lösung für eine derartige „Annex“-Erschöpfung steht jedoch noch aus.


===c) Auskunft===
Schließlich kann der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht auf vertraglichem Wege mit Wirkung auch gegenüber Dritten ausgeschlossen werden (s. dazu EuGH Rs.&nbsp;C-16/‌03 – ''Peak Holding'', Slg. 2004, I-11313). Umgekehrt freilich kann dann, wenn keine Erschöpfung eintritt, die vertragliche Zustimmung zum Import erteilt werden (und zwar durchaus auch konkludent, s. EuGH verb. Rs.&nbsp;C-414/‌99, C-415/‌99 und C-416/‌99 – ''Zino Davidoff und Levi Strauss'', Slg. 2001, I-8691).


In Anschluss an die Beweisregeln widmet sich die Richtlinie dem Recht auf Auskunft. Art.&nbsp;8(1) RL&nbsp;2004/‌48 eröffnet ein Recht auf Auskunft gegen den Rechtsverletzer und jede andere Person (Drittauskunft), die rechtsverletzende Ware in gewerblichem Ausmaß in Besitz hatte (Art.&nbsp;8 (1)(a)), rechtsverletzende Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß in Anspruch nahm (Art.&nbsp;8 (1)(b)), für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte (Art.&nbsp;8(1)(c)) oder nach den Angaben einer in Art.&nbsp;8(1)(a)-(c) genannten Person an der Herstellung oder am Vertrieb rechtsverletzender Waren oder Dienstleistungen beteiligt war. Die Auskunftserteilung soll „im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers“ hin angeordnet werden können, wobei die Bedeutung der „Zusammenhangsklausel“ vor allem bei Auskunftsansprüchen gegen Nichtverletzer offen ist. Unklar ist auch das Verhältnis des Auskunftsanspruchs zu dem gemäß Art.&nbsp;2(3)(a), 8(3)(e) RL&nbsp;2004/‌48 unberührten Datenschutzrecht. Der mit dieser Frage unlängst befasste Gerichtshof spielte den Ball zurück zu den nationalen Gesetzgebern, indem er einerseits entschied, dass die europäischen Datenschutzrichtlinien nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ausschließen, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen, andererseits die europäischen Regeln zur Rechtsdurchsetzung die Mitgliedstaaten auch nicht verpflichten, eine solche Pflicht zu schaffen. Die Mitgliedstaaten seien jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung der Durchsetzungsregeln auf eine Auslegung zu stützen, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem grundrechtlichen Schutz geistigen Eigentums (Art.&nbsp;17(2) GRCh), dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art.&nbsp;47 GRCh) sowie dem Schutz personenbezogener Daten und des Privatlebens (Art.&nbsp;7, 8 GRCh) wahrt (EuGH Rs.&nbsp;C-275/‌06 –'' Promusicae'', Slg. 2008, I-271, Rn.&nbsp;53&nbsp;f., 58&nbsp;f., 68).
== 4. Vereinheitlichungsprojekte ==


===d) Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen===
Der zunächst von der Rechtsprechung des EuGH entwickelte und nachfolgend in den Gesetzgebungsakten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verankerte Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ist längst fester Bestandteil des ''acquis communautaire''. Die Frage der internationalen Erschöpfung ist vom EuGH ebenfalls hinreichend geklärt worden. Einer weiteren Vereinheitlichung bedarf es insoweit also nicht. Allenfalls in Einzelfragen wird der EuGH künftig angerufen werden, insbesondere wo es um die Reichweite der Ausnahmen von der Erschöpfungswirkung im Marken&#8209; und künftig vielleicht auch im Patentrecht geht.
 
Abgesehen von den bereits durch Art.&nbsp;7 RL 2004/‌48 geregelten Beweissicherungsmaßnahmen garantiert die RL&nbsp;2004/‌48 drei weitere Formen von Eilrechtsschutz, nämlich die einstweilige Unterlassungsanordnung, die einstweilige Beschlagnahme rechtsverletzender Ware sowie – nach dem Vorbild der englischen ''Mareva'' oder ''freezing injunction'' – die vorsorgliche Vermögensbeschlagnahme zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen (Art.&nbsp;9(1)(a), (b), (2) RL 2004/‌48, weniger spezifisch Art.&nbsp;50(1)(a) TRIPS). Voraussetzung für den Erlass einstweiliger Maßnahmen ist nach Art.&nbsp;9(3) RL&nbsp;2004/‌48 der Nachweis von Rechtsinhaberschaft und Rechtsverletzung. Zur Abgrenzung zu den in Art.&nbsp;10 und 11 separat geregelten Hauptsacheanordnungen und zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit (Art.&nbsp;3 (2) RL&nbsp;2004/‌48) dürfte es trotz der Mindestharmonisierung zugunsten des Rechtsinhabers gestattet sein, auch die in Art.&nbsp;9 nicht ausdrücklich genannte Dringlichkeit als weitere Voraussetzung zum Erlass einstweiliger Maßnahmen zu verlangen.
 
=== e) Abhilfemaßnahmen und Unterlassungsanordnungen===
 
Bei den Maßnahmen aufgrund einer Sachentscheidung schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten zunächst die Möglichkeit einer (gegebenenfalls zwangsgeldbewehrten) gerichtlichen Unterlassungsanordnung vor (Art. 11 RL&nbsp;2004/‌48). Ferner sieht Art.&nbsp;10 RL&nbsp;2004/‌48 als besondere Formen des Beseitigungsanspruchs unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und der Rechte Dritter (Art.&nbsp;10(3) RL&nbsp;2004/‌48) den Rückruf rechtsverletzender Ware, das endgültige Entfernen solcher Ware aus den Vertriebswegen sowie die Vernichtung vor (Art.&nbsp;10(1)(a)-(c) RL 2004/‌48). Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht (etwa der ''Supreme Court'' in ''eBay v. MercExchange''<nowiki> 547 U.S. 388 [2006]) geht das europäische Recht damit im Grundsatz von einem Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung aus und gestattet Ersatzmaßnahmen nur in Fällen, in denen der Verletzer weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat, ihm aus der Anordnung von Unterlassung oder Beseitigung ein unverhältnismäßig großer Schaden entstünde und die Zahlung einer Abfindung als angemessene Entschädigung erscheint (Art.&nbsp;12 RL 2004/‌ 48, siehe auch EuGH Rs.&nbsp;C-316/‌05 – </nowiki>''Nokia'', Slg. 2006, I-12083, Rn.&nbsp;53).
 
=== f) Schadensersatz und Prozesskosten ===
 
Art.&nbsp;13(1) RL&nbsp;2004/‌48 schließlich garantiert einen Anspruch des Rechtsinhabers auf Schadensersatz zum Ausgleich des durch die Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens, wenn der Rechtsverletzer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm. Bei der Höhe des Schadensersatzes können die Gerichte entweder alle in Frage kommenden Aspekte wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen einschließlich der Gewinneinbußen und der immateriellen Schäden für die geschädigte Partei sowie der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers berücksichtigen (Art. 13(1)(a) RL 2004/‌48) oder stattdessen einen Pauschalbetrag festsetzen, der mindestens einer hypothetischen Lizenzgebühr entspricht (Art.&nbsp;13(1)(b) RL&nbsp;2004/‌48). Für den Fall einer schuldlosen Verletzungshandlung können die Mitgliedstaaten nach Art.&nbsp;13(2) RL&nbsp;2004/‌48 auch die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung eines in der Höhe im Voraus festgesetzten Schadensersatzes anordnen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich damit gegen einen verbindlichen Mindestschaden beispielsweise in Höhe der doppelten Lizenzgebühr entschieden, die noch der Kommissionsvorschlag vorsah, im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Nähe zum Strafschadensersatz aber auf Widerstand stieß. Art.&nbsp;14 RL&nbsp;2004/‌48 sieht für die Prozesskosten und sonstigen Kosten im Rahmen der Zumutbarkeit und Billigkeit eine Erstattung durch die Gegenseite vor.


==Literatur==
==Literatur==
''Thomas Dreier'', Kompensation und Prävention: Rechtsfolgen unerlaubter Handlung im Bürgerlichen, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2002; ''Daniel Gervais'', The TRIPS Agreement: Drafting History and Analysis, 2.&nbsp;Aufl. 2003; ''Axel Metzger'', ''Wolfgang Wurmnest'', Auf dem Weg zu einem Europäischen Sanktionenrecht des geistigen Eigentums?, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2003, 922&nbsp;ff.; ''Arne Ibbeken'', Das TRIPs-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004; ''Jean-Christophe Galloux'', La directive no. 2004-48 du 29 avril 2004 relative au respect des droits de propriété intellectuelle, Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique 2004, 698&nbsp;ff.; ''Roland Knaak'', Die EG-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und ihr Umsetzungsbedarf im deutschen Recht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2004, 745&nbsp;ff.; UNCTAD-ICTS, Ressource Book on TRIPS and Development, 2005; ''Sascha Vander'', Teil III: Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, Art. 41–61. in: Jan Busche/‌Peter-Tobias Stoll, TRIPS: Internationales und europäisches Recht des geistigen Eigentums, 2007, 595&nbsp;ff.; ''Dennis Amschewitz'', Die Durchsetzungsrichtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Recht, 2008; ''Thomas Jaeger'','' Reto M. Hilty'','' Volker Kitz'' (Hg.), Geistiges Eigentum: Herausforderung Durchsetzung, 2008; ''Christian Heinze'', Die Durchsetzung geistigen Eigentums in Europa, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 17 (2009) 282&nbsp;ff.
''Ulrich Joos'', Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, 1991;'' Hanns Ullrich'', Technology Protection According to TRIPS, in: Friedrich-Karl Beier, Gerhard Schricker (Hg.), From GATT to TRIPS, 1996, 357&nbsp;ff.; ''Rolf Sack'', Die Erschöpfung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach europäischem Recht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 193&nbsp;ff.; ''Carl Baudenbacher'', Erschöpfung der Immaterialgüterrechte in der EFTA und die Rechtslage in der EU, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2000, 584&nbsp;ff.; ''Andreas Leßmann'', Erschöpfung von Patentrechten bei Konzernvertrieb, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2000, 741&nbsp;ff.; ''Christina Koppe'', Die urheberrechtliche Erschöpfung: Eine Analyse der Konsumtionsnorm unter besonderer Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des BGH sowie des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2004; ''Morton Douglas'', Die markenrechtliche Erschöpfung beim Parallelimport von Arzneimitteln, 2005; ''Peter Ganea'', Ökonomische Aspekte der urheberrechtlichen Erschöpfung, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2005, 102&nbsp;ff.; ''Silke von Lewinski'', International Exhaustion of the Distribution Right under EC Copyright Law?, European Intellectual Property Review 27 (2005) 233&nbsp;ff.; ''Christian von Kraack'', TRIPS oder Patentschutz weltweit, 2006; ''Andreas Wiebe'', The Principle of Exhaustion in European Copyright Law and the Distinction Between Digital Goods and Digital Services, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2009, 114&nbsp;ff.


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Version vom 28. September 2021, 16:59 Uhr

von Thomas Dreier

1. Gegenstand und Zweck

Die Schutzrechte des geistigen Eigentums (Geistiges Eigentum (allgemein)) gewähren ihren Inhabern im Rahmen der ausschließlichen Befugnisse in aller Regel auch das sog. Verbreitungsrecht. Das Verbreitungsrecht ist das Recht, die Verbreitung von Gegenständen, in denen der jeweilige Schutzgegenstand (die patentierte Erfindung, das urheberrechtlich geschützte Werk, die geschützte Marke) verkörpert ist, an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Da Schutzrechte des geistigen Eigentums zugleich territorialer Natur sind, steht demjenigen, der Rechte an einem Schutzgegenstand in mehreren Ländern innehat (sei es, weil er den Schutzgegenstand in mehreren Ländern hat registrieren lassen, sei es, weil er für seine urheberrechtliche Schöpfung aufgrund des Zusammenspiels von formloser Erlangung des Schutzes und Inländerbehandlung einen weltweiten Schutz genießt), letztlich ein Bündel nationaler Verbreitungsrechte zu. Diese kann der Rechtsinhaber dann getrennt vergeben und auf diese Weise den Markt in einzelne Vertriebsgebiete partitionieren. Eine solche territoriale Marktaufteilung ist jedoch innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes kaum hinnehmbar, behindert sie doch das freie Zirkulieren von Waren. Durch die sog. Erschöpfung des Verbreitungsrechts soll nun genau das verhindert werden: Hat der Rechtsinhaber den Gegenstand, in dem der Schutzgegenstand verkörpert ist, entweder selbst oder aber mit seiner Zustimmung durch einen Dritten (z.B. einen Lizenznehmer oder einen Händler) in Verkehr gebracht, so ist die Weiterverbreitung dieses Gegenstandes in dem betreffenden Territorium auch ohne Zustimmung des Inhabers des Verbreitungsrechts zulässig. Mit anderen Worten: das Verbreitungsrecht an diesen Gegenständen ist in Bezug auf die Weiterverbreitung „verbraucht“ oder „erschöpft“.

Im Einzelnen ergeben sich hinsichtlich der Begründung der Erschöpfungswirkung allerdings gewisse Akzentverschiebungen, je nachdem, ob es um die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im nationalen, im europäischen oder im internationalen Bereich geht. Im nationalen Bereich, in dem ja nur ein einzelnes nationales Verbreitungsrecht in Rede steht, geht es vor allem darum, die Möglichkeit von dessen räumlicher Begrenzung einzuschränken. Zugleich sind die Abnehmer geschützter Waren ihrerseits zu schützen, könnten sie bei einer Marktaufteilung innerhalb ein und desselben Wirtschaftsgebietes doch in der Regel nicht erkennen, ob die betreffende Ware zulässig vertrieben wird oder nicht (sog. Verkehrsschutz). Dass die Erschöpfung die Zirkulationsfähigkeit der Ware unter Einschränkung der Rechte des Rechtsinhabers sichert, wird nach der Belohnungstheorie vor allem unter Hinweis darauf gerechtfertigt, dass der Rechtsinhaber beim Erstverkauf der Ware einen Preis aushandeln kann, der Gewinnmargen nachfolgender Handelsstufen mit berücksichtigt. Gemeinschaftsrechtlich steht dagegen die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen territorialer Wirkung der Rechte des geistigen Eigentums auf der einen und freiem Warenverkehr (Art. 28 EGV/‌34 AEUV) auf der anderen Seite im Vordergrund. Der EG-Vertrag hat dieses Spannungsverhältnis durchaus erkannt und in Art. 30 EGV/‌36 AEUV bekanntlich dahingehend gelöst, dass die Bestimmungen über den freien Warenverkehr Einfuhrverboten nicht entgegenstehen, die aus Gründen des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind. Mit anderen Worten, der EG-Vertrag akzeptiert, dass sich aus der territorial begrenzten Geltung ausschließlicher Rechte des geistigen Eigentums Beschränkungen des freien Warenverkehrs ergeben, die nicht unter Berufung auf die Freiheit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs beseitigt werden können. Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzungen der sog. gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung dann von der Rechtsprechung entwickelt und diejenigen Fallkonstellationen herausgearbeitet worden, in denen die Geltendmachung des territorialen Verbreitungsrechts insgesamt als doch nicht gerechtfertigt erscheint. International geht es dagegen um die Frage, ob den Rechteinhabern eine territoriale Partitionierung des Weltmarktes ermöglicht werden soll oder nicht. Auf der einen Seite legt die Rhetorik eines freien Welthandels durchaus nahe, dass sich die nationalen Verbreitungsrechte auch international erschöpfen, wenn geschützte Waren in irgendeinem Staat auf der Welt durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung durch Dritte in Verkehr gebracht werden. Auf der anderen Seite besteht weltweit gerade kein einheitliches Wirtschaftsgebiet. Daher kann die Aufteilung in nationale oder regionale Märkte durchaus sinnvoll sein, lässt sich eine Preisdifferenzierung für identische Waren, die der Kaufkraft in den einzelnen Märkten Rechnung trägt und damit eine Versorgung der jeweiligen Abnehmer sicherstellt, doch nur dann vornehmen, wenn die Rechteinhaber Re-Importe von im Ausland billiger verkauften Waren in das Inland auf der Basis eines dort nicht erschöpften Verbreitungsrechts entgegentreten können.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

In den Mitgliedstaaten der EU folgt die nationale Erschöpfung durchaus unterschiedlichen Traditionen. Zwar dürfte die Mehrheit der Staaten von vorneherein entweder kein Verbreitungsrecht in Bezug auf den Weiterverkauf vorgesehen haben oder insoweit schon frühzeitig, wenn nicht explizit so doch zumindest implizit, von einer Rechtserschöpfung ausgegangen sein. Demgegenüber räumte insbesondere Frankreich dem Rechtsinhaber mit dem sog. droit de destination die Möglichkeit ein, nicht nur den Erst-, sondern auch den Weiterverkauf der von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten urheberrechtlich geschützten Gegenstände zu kontrollieren. In der Praxis freilich wurde auch hier die Zirkulationsfähigkeit zumeist im Wege einer angenommenen Zustimmung oder einer andernfalls unterbleibenden Rechtsverfolgung erreicht.

In der EU hat der EuGH in einigen recht frühen Entscheidungen der Freiheit des Warenverkehrs den Vorrang vor der weiteren territorialen Geltendmachung eines einmal vom Berechtigten ausgeübten Verbreitungsrechts eingeräumt und damit die sog. gemeinschaftsweite Erschöpfung begründet (so zunächst für das Urheberrecht EuGH Rs. 78/‌70 – Deutsche Grammophon, Slg. 1971, 487; EuGH Rs. 55 und 57/‌80 – Musik-Vertrieb Membran GmbH/‌GEMA, Slg. 1981, 147; für das Markenrecht EuGH Rs. 16/‌74 – Centrafarm BV u.a./‌Winthorp BV, Slg. 1974, 118; für das Patentrecht EuGH Rs. 187/‌80 – Merck/‌Stephar and Exler, Slg. 1981, 206; und für das Geschmacksmusterrecht EuGH Rs. 144/‌81 – Keurkoop/‌Nancy Kean Gifts, Slg. 1982, 2853). Im Urheberrecht betrifft die gemeinschaftsweite Erschöpfung jedoch nur die Verbreitung körperlicher Werkexemplare. Eine Erschöpfung etwa auch der unkörperlichen Werkübermittlung im Wege der öffentlichen Wiedergabe findet hingegen nicht statt (EuGH Rs. 62/‌79 – Coditel I, Slg. 1980, 881: Fall der grenzüberschreitenden Weiterleitung einer ausländischen Fernsehsendung); insoweit bleibt es dabei, dass jede einzelne der aufeinander folgenden unkörperlichen Werknutzungen der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf. Eine Reihe weiterer Entscheidungen des EuGH hat nachfolgend Einzelheiten der Voraussetzungen des Eintritts der Erschöpfungswirkung präzisiert. Eine weitere Einschränkung im Urheberrecht resultiert aus der engen Definition des Verbreitungsrechts nach Art. 4(1) RL 2001/‌29, das nach Auffassung des EuGH einen Übergang des Eigentums am konkreten Werkexemplar voraussetzt (EuGH Rs. C-1456/‌06 – Peek & Cloppenburg, Slg. 2008, I-2731). Die Frage der Erschöpfung stellt sich nämlich nur dann, wenn das Verbreitungsrecht überhaupt betroffen ist.

Das Prinzip der gemeinschaftsweiten Erschöpfung hat nachfolgend Eingang auch in die Gesetzgebung der Gemeinschaft gefunden. Entsprechende Regelungen finden sich zum einen für die Gemeinschaftsrechte, also die Gemeinschaftsmarke (Art. 13 der VO 40/‌94 = Art. 13 VO 207/‌2009 [konsolidierte Fassung]) und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 21 VO 6/‌ 2002) sowie im Vorschlag für ein Gemeinschaftspatent (Art. 10 des Vorschlags einer Verordnung für das Gemeinschaftspatent), und zum anderen in den Harmonisierungsrichtlinien des Marken- (Art. 7 RL 2008/‌95), des Geschmacksmuster- (Art. 15 RL 98/‌71) und des Urheberrechts (Art. 3(3) und 4(2) RL 2001/‌29). Dabei ist der Eintritt der Erschöpfung im Einklang mit der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des EuGH im Markenrecht (und im Vorschlag für ein Gemeinschaftspatent), nicht hingegen im Urheber- und Geschmacksmusterrecht, insoweit beschränkt, als eine Erschöpfung selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen dann nicht eintritt, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn im Markenrecht der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Im Urheberrecht hingegen schreibt die RL 2001/‌29 zum einen die unterschiedliche Behandlung von körperlicher Werknutzung (dann Erschöpfung) und unkörperlicher Werknutzung (dann keine Erschöpfung) ausdrücklich fest; zum anderen bestimmt Art. 4(1) der RL 2001/‌29, dass die Erschöpfung nicht schon bei jedem Inverkehrbringen, sondern lediglich beim „Erstverkauf“ eintritt (s. EuGH Rs. C-456/‌06 – Peek & Cloppenburg, Slg. 2008, I-2073, nicht also lediglich bei einer Vermietung, s. EuGH Rs. C-61/‌97 – Laserdisken, Slg. 1998, I-5171). Überdies lässt diese Richtlinie das durch die RL 92/‌100 (neu veröffentlicht als RL 2006/‌115) gewährte Vermietrecht unberührt, so dass nach deren Art. 1(2) der Erstverkauf nicht zugleich auch das ausschließliche Recht erschöpft, das einmal durch den Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung verkaufte Original oder Vervielfältigungsstück des geschützten Werkes zu vermieten (s. dazu EuGH Rs. C-200/‌96 – Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953).

Die Frage der internationalen Erschöpfung hingegen ist von Art. 6 TRIPS ausdrücklich offen gelassen worden. Jedenfalls kann die Entscheidung eines WTO-Mitgliedstaates, sich im nationalen Recht für oder auch gegen die internationale Erschöpfungswirkung zu entscheiden, nach überwiegender Ansicht nicht Gegenstand eines Streitschlichtungsverfahrens sein. Während kleinere Staaten zumindest im Urheberrecht einer internationalen Erschöpfung zuneigen, bestehen die USA in ihren bilateralen Handelsabkommen darauf, dass die Handelspartner die internationale Erschöpfung in ihrem nationalen Recht ausschließen. Auch der EuGH hat sich in einer markenrechtlichen Entscheidung – anders als noch zuvor der EFTA-Gerichtshof – für alle Mitgliedstaaten verbindlich gegen die internationale Erschöpfung entschieden (EuGH Rs. C-355/‌96 – Silhouette, Slg. 1998, I-4799 und nachfolgend EuGH Rs. C-173/‌98 – Sebago, Slg. 1999, I-4103). Das ist in Art. 4(2) der RL 2001/‌29 inzwischen auch für das Urheberrecht ausdrücklich festgeschrieben (zur insoweit ebenfalls zwingenden Geltung für die Mitgliedstaaten s. EuGH Rs. C-479/‌04 – Laserdisken/‌Kulturministeriet, Slg. 2006, I-8089). Allerdings schließt die fehlende internationale Erschöpfung nicht aus, dass in der Importweigerung im Einzelfall ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EGV/‌ 102 AEUV liegen kann (EuG, Rs. T-198/‌98 – Micro Leader, Slg. 1999, II-3989). Im Zuge der AIDS-Krise haben sich die WTO-Mitglieder schließlich darauf verständigt, dass dem Import von im Herkunftsland unter einer Zwangslizenz hergestellten generischen Arzneimitteln ein Verbot der internationalen Erschöpfung jedenfalls im Ergebnis ebenso wenig entgegengehalten werden kann wie die in Art. 31 TRIPS enthaltene räumliche Beschränkung der Wirkung von Zwangslizenzen auf das Herstellungsland.

Von den bereits genannten Einzelfragen in Bezug auf die Voraussetzungen einmal abgesehen (insbesondere wann „berechtigte Gründe“ vorliegen, die es im Marken- und ggf. auch im Patentrecht rechtfertigen könnten, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb von ihm oder mit seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft in Verkehr gebrachter Waren widersetzt; siehe EuGH Rs. C-59/‌08 – Copad, ZfRV 2009, 66), dürfte Raum für divergierende nationale Rechtsentwicklungen vor allem hinsichtlich zweier Fragenkreise verbleiben. Zum einen ist in einer Reihe von Mitgliedstaaten für das Urheberrecht die Frage aufgetaucht, inwieweit der Inhaber von Urheberrechten den Handel mit „gebrauchter“ Software kontrollieren kann, wenn die Software dem Ersterwerber nicht auf einem materiellen Datenträger verkörpert übergeben, sondern online zugespielt wird oder wenn es sich lediglich um Volumenlizenzen zum Onlineabruf handelt. Zum anderen mögen nationale Rechte die Frage unterschiedlich beantworten, ob das Verbreitungsrecht in Bezug auf ein und denselben Gegenstand einheitlich anzusehen ist, oder ob – und inwieweit – es für verschiedene Vertriebswege aufgespalten werden kann. Dort, wo letzteres möglich ist, kann Erschöpfung dann auch nur hinsichtlich eines Teils, nicht hingegen auch hinsichtlich der übrigen Teile und damit des Verbreitungsrechts insgesamt eintreten (so hat etwa in Deutschland der BGH entschieden, dass der Vertrieb eines Buches in einem Buchclub das Recht von dessen Verbreitung im Sortimentbuchhandel nicht erschöpft, siehe BGH 21.11. 1958, GRUR 1959, 200, 202; anders hingegen bei Vertrieb über Kaffeefilialen, siehe BGH 8.11.1989, GRUR 1990, 669; auch einen gesonderten Vertriebsweg für sog. Original-Equipment-Manufacturer (OEM)-Software, d.h. Software, die als Grundausstattung zusammen mit einem PC vertrieben wird, hat der BGH abgelehnt mit der Folge, dass die Erwerber billigerer OEM-Versionen diese auch ohne Verbindung mit einem Computer zustimmungsfrei weitervertreiben dürfen; siehe BGH 6.7.2000, GRUR 2001, 153).

3. Regelungsstrukturen im Einheitsrecht

Einzelheiten des Konzepts der Rechtserschöpfung betreffen zunächst Fragen der Voraussetzungen des Erschöpfungseintritts, also insbesondere die Frage, wann im Sinne der gemeinschaftsweiten Erschöpfung von einem „Inverkehrbringen“ gesprochen werden kann. Das ist nach Auffassung des EuGH insbesondere bei einer lediglich konzerninternen Weitergabe in der Regel nicht, wohl aber bei einer konzernexternen Weitergabe der Fall (vgl. EuGH Rs. 16/‌74 – Centrafarm BV u.a./‌Winthorp BV, Slg. 1974, 118; EuGH Rs. 119/‌75 – Terrapin/‌Terranova, Slg. 1976, 1039; EuGH Rs. 144/‌81 – Keurkoop/‌Nancy Kean Gifts, Slg. 1982, 2853), sowie dann nicht, wenn der geschützte Gegenstand im Ausland im Wege einer Zwangslizenz in Verkehr gebracht worden ist (EuGH Rs. 19/‌84 – Pharmon/‌Hoechst, Slg. 1985, 2281). Auch ist zu klären, bei welchen Ausgestaltungen der Nutzungsrechtseinräumung von einem „Verkauf“ des betreffenden Gegenstandes gesprochen werden kann (siehe EuGH Rs. C-61/‌97 – Laserdisken, Slg. 1998, I-5171: kein Verkauf bei bloßem Vermieten; EuGH Rs. C-456/‌06 – Peek & Cloppenburg, Slg. 2008, I-2731: reine Gebrauchsüberlassung und Ausstellung zu kommerziellen Zwecken kein Inverkehrbringen).

Auch die Frage des Inverkehrbringens „in der Gemeinschaft“ bedarf angesichts zum Teil unterschiedlicher nationaler Auffassungen im Hinblick auf einen reinen Export und den bloßen Transit der Klärung (zur Erstreckung auch auf das Angebot bzw. den Verkauf von Originalmarkenwaren, die den zollrechtlichen Status von Nichtgemeinschaftswaren haben, s. EuGH Rs. C-405/‌03 – Class International, Slg. 2005, I-8735). Im Übrigen erfasst die Erschöpfungswirkung auch Vorgänge in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) bzw. erstreckt sich auf diese (s. Art. 65(2) i.V.m. Anhang XVII Punkt 4 des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum; s. dazu für das Markenrecht EuGH Rs. C-16/‌03 – Peak Holding, Slg. 2004, I-11313).

Gleich mehrfach hat der EuGH Gelegenheit gehabt, die Antwort auf die Frage zu konkretisieren, unter welchen Umständen sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels mit oder ohne Veränderungen der inneren und/‌oder äußeren Originalverpackung widersetzen kann (zu Einzelheiten vgl. zuletzt EuGH Rs. C-276/‌05 – The Wellcome Foundation, Mitt. 2009, 72; EuGH Rs. C-348/‌04 – Boehringer Ingelheim u.a., Slg. 2007, I-3391 und zuvor EuGH Rs. C-143/‌00 – Boehringer Ingelheim u.a., Slg. 2002, I-3759; EuGH Rs. C-379/‌97 – Upjohn, Slg. 1999, I-6927; EuGH verb. Rs. C-427/‌93, C-429/‌93 und C-436/‌93 – Bristol-Myers Squibb u.a., Slg. 1996, I-3457; zur patentrechtlichen Erschöpfung insoweit s. EuGH Rs. C-267/‌95 und C-268/‌95 – Merck/‌Primecrown und Beecham/‌Europharm, Slg. 1996, I-6285). Dabei sind auch eine Reihe von Fragen der Beweislast geklärt worden (s. dazu neben den genannten Urteilen auch EuGH Rs. C-244/‌00 – Van Doren, Slg. 2003, I-3051).

Auch hinsichtlich der Reichweite der Erschöpfungswirkung hat der EuGH einige Punkte klären können, etwa dass sich die Zustimmung zum Inverkehrbringen immer nur auf konkrete in Verkehr gebrachte Exemplare erstreckt und aufgrund einer solchen Zustimmung Erschöpfung nicht etwa in Bezug auf alle Waren aus der Produktion eintritt (EuGH Rs. C-173/‌98 – Sebago, Slg. 1999, I-4103); dass sich durch den Erstverkauf nicht zugleich auch das Vermietrecht an der verkauften Sache erschöpft (EuGH Rs. C-200/‌96 – Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953); und dass sich durch die Erlaubnis, eine Datenbank zu konsultieren, nicht zugleich das Recht erschöpft, die Entnahme und die Weiterverwendung des Inhalts dieses Vervielfältigungsstücks zu kontrollieren (EuGH Rs. C-203/‌02 – The British Horseracing Board u.a., Slg. 2004, I-10415).

Eine weitere Frage geht dahin, ob die Erschöpfung ausnahmsweise auch andere Ausschließlichkeitsrechte als das Verbreitungsrecht erfasst, wenn deren Geltendmachung die mit der Erschöpfungswirkung beabsichtigte freie Handel- und Zirkulierbarkeit unterbinden oder doch zumindest beeinträchtigen würde. Der EuGH hat das in einem Fall zumindest im Ergebnis bejaht, in dem der Inhaber eines Bildzeichens an Form und Verpackung der Ware den Vertrieb von Waren, an denen das Zeichenrecht erschöpft war, durch Dritte dadurch zu unterbinden suchte, dass er gegen deren Werbung für das fragliche Produkt sein Urheberrecht an der äußeren Erscheinung der Ware in Form des Vervielfältigungsrechts geltend machte (EuGH Rs. C-337/‌95 – Dior/‌Evora, Slg. 1997, I-6013). Ähnliche Fälle sind auch denkbar hinsichtlich zustimmungspflichtiger Vervielfältigungshandlungen, die der Zweiterwerber eines Computerprogramms, an dem Erschöpfung des Verbreitungsrechts eingetreten ist, vornehmen muss, wenn er mit dem Programm arbeiten will. Eine generelle Lösung für eine derartige „Annex“-Erschöpfung steht jedoch noch aus.

Schließlich kann der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht auf vertraglichem Wege mit Wirkung auch gegenüber Dritten ausgeschlossen werden (s. dazu EuGH Rs. C-16/‌03 – Peak Holding, Slg. 2004, I-11313). Umgekehrt freilich kann dann, wenn keine Erschöpfung eintritt, die vertragliche Zustimmung zum Import erteilt werden (und zwar durchaus auch konkludent, s. EuGH verb. Rs. C-414/‌99, C-415/‌99 und C-416/‌99 – Zino Davidoff und Levi Strauss, Slg. 2001, I-8691).

4. Vereinheitlichungsprojekte

Der zunächst von der Rechtsprechung des EuGH entwickelte und nachfolgend in den Gesetzgebungsakten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verankerte Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ist längst fester Bestandteil des acquis communautaire. Die Frage der internationalen Erschöpfung ist vom EuGH ebenfalls hinreichend geklärt worden. Einer weiteren Vereinheitlichung bedarf es insoweit also nicht. Allenfalls in Einzelfragen wird der EuGH künftig angerufen werden, insbesondere wo es um die Reichweite der Ausnahmen von der Erschöpfungswirkung im Marken‑ und künftig vielleicht auch im Patentrecht geht.

Literatur

Ulrich Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, 1991; Hanns Ullrich, Technology Protection According to TRIPS, in: Friedrich-Karl Beier, Gerhard Schricker (Hg.), From GATT to TRIPS, 1996, 357 ff.; Rolf Sack, Die Erschöpfung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten nach europäischem Recht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1999, 193 ff.; Carl Baudenbacher, Erschöpfung der Immaterialgüterrechte in der EFTA und die Rechtslage in der EU, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2000, 584 ff.; Andreas Leßmann, Erschöpfung von Patentrechten bei Konzernvertrieb, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2000, 741 ff.; Christina Koppe, Die urheberrechtliche Erschöpfung: Eine Analyse der Konsumtionsnorm unter besonderer Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des BGH sowie des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2004; Morton Douglas, Die markenrechtliche Erschöpfung beim Parallelimport von Arzneimitteln, 2005; Peter Ganea, Ökonomische Aspekte der urheberrechtlichen Erschöpfung, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2005, 102 ff.; Silke von Lewinski, International Exhaustion of the Distribution Right under EC Copyright Law?, European Intellectual Property Review 27 (2005) 233 ff.; Christian von Kraack, TRIPS oder Patentschutz weltweit, 2006; Andreas Wiebe, The Principle of Exhaustion in European Copyright Law and the Distinction Between Digital Goods and Digital Services, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2009, 114 ff.