Entsendung von Arbeitnehmern und Equity: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Abbo Junker]]''
von ''[[Martin Illmer]]''
== 1. Gegenstand und Zweck der RL 96/71 ==
== 1. Begriff ==
Die Verwirklichung des [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarktes]] bietet einen dynamischen Rahmen für die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen. Dabei veranlassen der freie Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. EG/56 ff. AEUV; [[Dienstleistungsfreiheit]]) zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch die drei weiteren [[Grundfreiheiten (allgemeine Grundsätze)|Grundfreiheiten]] des europäischen Binnenmarktes zahlreiche Unternehmen, grenzüberschreitend tätig zu werden und Arbeitnehmer für eine zeitlich begrenzte Arbeitsleistung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu entsenden.  
''Equity'' lässt sich zunächst als eine Grundmaxime der Gerechtigkeit des Rechts verstehen, die seit alters her ein zentrales Leitmotiv der meisten Rechtsordnungen darstellt und heute Grundpfeiler und Strukturmerkmal aller europäischen Rechtsordnungen ist. Ihren Ursprung hat sie in der römischen ''aequitas'', die über die Wortbedeutung der Gleichheit hinaus die grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit und Billigkeit umfasst, über die moralische und ethische Vorstellungen ins geltende Recht einfließen. Als eine so verstandene Maxime der (Einzelfall)-Gerechtigkeit wird die ''equity'' häufig der Rechtssicherheit durch formale Strenge des Rechts gegenübergestellt.


Mit der Transnationalisierung der Arbeitsverhältnisse geht aufgrund erheblicher Unterschiede in den arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten allerdings auch die Frage einher, nach welchem Recht sich die Arbeitsbedingungen richten. Auch besteht – legt man das [[Herkunftslandprinzip]] zu Grunde – bei grenzüberschreitendem Einsatz von Arbeitnehmern die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, wenn aus „Niedriglohnländern“ stammende Arbeitnehmer in „Hochlohnländern“ zu günstigeren Lohn- und Arbeitsbedingungen eingesetzt werden.
Im englischen Recht hat sich aus dieser allgemeinen Gerechtigkeitsmaxime eine eigene rechtliche Kategorie entwickelt: ''equity''. Nach vorherrschender Auffassung bezeichnet ''equity'' “that body of rules administered by our English courts of justice which, were it not for the operation of the ''Judicature Acts 1873-1875'', would be administered only by those courts which would be known as the Courts of Equity“ (''Frederick William Maitland'', Equity and the Forms of Action, 1920, 1). Diese Definition bringt zum Ausdruck, dass die ''equity'' kein systematisch klar strukturiertes und homogenes Rechtsgebiet ist, sondern einer historisch bedingten Konstellation im Verhältnis zum ''[[common law]] ''entspringt. ''Equity'' lässt sich konzeptionell nur in Abgrenzung zum ''common law'' beschreiben, was durch die Bezugnahme auf die ''courts of equity'' als Gegenpol zu den ''common law'' Gerichten geschieht.


Zur Sicherung und Förderung des länderübergreifenden Dienstleistungsverkehrs und zum Schutz der grenzüberschreitend eingesetzten Arbeitnehmer wurde im Jahre 1996 die auf Art. 47(2), 55 EG/53(2), 62 AEUV gestützte RL 96/71 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern erlassen, die seit Dezember 1996 in Kraft ist. Die Richtlinie soll für mehr Rechtssicherheit und Transparenz auf dem Markt der internationalen Auftragsvergabe an Subunternehmer sorgen und die Feststellung erlauben, welche Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer gelten, die vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als dem arbeiten, dessen Rechtsvorschriften ihr Arbeitsverhältnis unterliegt. Die RL 96/71 schreibt dafür in Art. 3 vor, dass den Arbeitnehmern während ihrer Entsendung seitens der entsendenden Unternehmen dieselben Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantiert werden müssen, wie die, die im Mitgliedstaat ihrer Entsendung festgelegt sind.  
== 2. Historische Ursprünge der ''equity'' ==
Die Ursprünge der ''equity'' lassen sich im [[Römisches Recht|römischen]] und [[kanonisches Recht|kanonischen Recht]] verorten.


== 2. Anwendungsbereich der RL 96/71 ==
=== a) Ursprünge im römischen Recht ===
=== a) Persönlicher Anwendungsbereich ===
Das ''ius civile'' des frühen römischen Rechts, das nur für römische Bürger galt, war durch formale Strenge und den technischen Charakter des Aktionendenkens geprägt. Dies führte häufig zu ungerecht erscheinenden Härten im Einzelfall. Das ''ius gentium'', das zunächst nur für Fremde galt, war demgegenüber flexibler ausgestaltet. Es wurde als auf universell geltenden Gerechtigkeitsvorstellungen basierendes, für alle Menschen gleichermaßen geltendes Recht angesehen. Der ''praetor peregrinus'' war im Formularprozess nach ''ius gentium'' nicht an das strenge Aktionensystem gebunden, sondern hatte ein weites Ermessen, die gebotenen Rechtsbehelfe in Form von Klageformeln und Einwendungen zuzuerkennen. Dadurch konnte er die formale Strenge des Rechts im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit mildern oder gar durchbrechen. Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurde der Formularprozess unter Anwendung des ''ius gentium'' neben dem ''ius civile'' schließlich auch römischen Bürgern eröffnet. Die Edikte, in denen der ''praetor'' meist basierend auf den Edikten seines Vorgängers die von ihm anerkannten Rechtsbehelfe veröffentlichte, bildeten die Grundlage eines ''ius honorarium'', welches die ''praetores introduxerant adiuvandi vel supplendi vel corigendi iuris civilis gratia'' (Pap. D. 1.1.7.1). Es existierten damit zwei Kategorien des Rechts nebeneinander: ''ius civile'' und ''ius honorarium''. Im Formularprozess wendete der ''praetor'' beide Kategorien in der Festlegung der ''formula'' an, nach der anschließend ''apud iudicem'' entschieden wurde. Mit der Einführung des einstufigen Kognitionsprozesses im 2. Jahrhundert n. Chr. wurden das ''ius civile'' wie das ''ius honorarium'' durch den ''iudex'' angewendet.
Nach Art. 1 RL 96/71 gilt die Richtlinie für Unternehmen mit Sitz in einem EG-Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer vorübergehend in einen anderen EG-Mitgliedstaat entsenden; Unternehmen mit Sitz in einem Nichtmitgliedstaat darf allerdings demgegenüber keine günstigere Behandlung zuteil werden (Art. 1(4) RL 96/71). Auswirkungen hat diese Regelung auf den projektbezogenen Einsatz von Arbeitnehmern aus den Staaten Mittel- und Osteuropas. Die Richtlinie erfasst alle Branchen – ausgenommen sind nur Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine (Art. 1(2) RL 96/71) – und enthält Sonderregelungen für die Baubranche.  


Als entsandter Arbeitnehmer gilt nach Art. 2(1) RL 96/71 jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet. Für den Begriff des Arbeitnehmers ist nach Art. 2(2) RL 96/71 das Recht des Mitgliedstaates maßgeblich, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.
Prinzipien des ''ius honorarium'' sind etwa die in Überwindung der Formerfordernisse des ''ius civile'' anerkannten Rechtspositionen nach formloser Übereignung von ''res mancipi'' durch Gewährung der ''actio Publiciana'' und der ''exceptio rei venditae et traditae''. Ebenfalls in Überwindung der Formstrenge des Rechts entwickelte sich das ''fideicommissum'', das Ähnlichkeiten mit dem ''trust'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]) des englischen Rechts aufweist. Generell galt der Grundsatz ''falsa demonstratio non nocet''. Versprechen infolge von Drohung (''exceptio metus'') oder Täuschung (''exceptio doli'') waren nach ''ius honorarium'' vernichtbar. Auch die Verpflichtung zur Leistung ''ex bonae fide'' (im Gegensatz zur Verpflichtung ''ex stricti iuris'') als Maßstab der wechselseitigen Leistungsverpflichtung und ‑erbringung im Konsensualvertrag geht auf den ''praetor'' zurück. Darüber hinaus intervenierte der ''praetor'' zum Schutz Minderjähriger und von Vertragsparteien mit unterlegener Verhandlungsposition. Bedeutende Rechtsbehelfe waren die Anordnung der ''restitutio in integrum'' und der ''missio in possessionem'', aber auch die Verurteilung zur Erfüllung anstelle von bloßem Schadensersatz.


=== b) Sachlicher Anwendungsbereich ===
In der nachklassischen Zeit wurden kaum noch konkrete Regeln und Prinzipien eines ''ius honorarium'' entwickelt. Der ''praetor'' als Motor neuer, systematischer Regelbildung existierte nicht mehr, und die Rechtswissenschaft war zu schwach, dies zu kompensieren. Stattdessen galten allgemeine, in ihren Grenzen und ihrer Wirkung unscharfe Richtlinien für den ''iudex'', einen Rechtsstreit gerecht und billig zu entscheiden.
Die RL 96/71 erfasst nach Art. 1(3) drei länderübergreifende Entsendungsfälle. Den Hauptfall bildet die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen eines Dienst- oder [[Werkvertrag]]es (Art. 1(3)(a) RL 96/71); dabei handelt es sich typischerweise um den projekt- bzw. vertragsbezogenen Einsatz von Arbeitnehmern, bei dem das Ende voraussehbar ist. Eine Regelung über die Dauer der Entsendung enthält die Richtlinie nicht; aus Art. 2 ergibt sich jedoch, dass es sich um einen begrenzten Zeitraum handeln muss. Einen weiteren Fall stellt die Entsendung von Arbeitnehmern in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen dar (Art. 1(3)(b) RL 96/71), die so genannte konzerninterne Entsendung; der Kreis der entsandten Arbeitnehmer betrifft dabei hauptsächlich Spezialkräfte sowie Arbeitnehmer des mittleren und gehobenen Managements. Die Entsendung von Arbeitnehmern durch Leiharbeitsunternehmen bildet den dritten Entsendungsfall, bei dem die Arbeitnehmer einem verwendenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, das in einem anderen Land tätig ist als dem, in dem das zur Verfügung stellende Unternehmen niedergelassen ist (Art. 1(3)(c) RL 97/ 71).


Bei allen drei Entsendungsfällen muss für die Dauer der Entsendung stets ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer bestehen.
=== b) Ursprünge im kanonischen Recht ===
Im kanonischen Recht entwickelte sich ab dem 9. Jahrhundert ein an Elementen der ''aequitas'' orientiertes Verfahren vor kirchlichen Gerichten. Zum einen konnte eine ''dispensatio'' von den bisweilen harschen Ergebnissen der strikten Anwendung des Rechts gewährt werden. Die Möglichkeit der ''dispensatio'' war entweder bereits im geschriebenen Recht angelegt oder sie ergab sich aus der grundsätzlichen Schwäche genereller Rechtsregeln, jedem Einzelfall gerecht zu werden. Die ''dispensatio'' wurde zunächst durch eine eigene Gerichtsbarkeit, die ''signatura gratiae'', gewährt, bevor ab dem 13. Jahrhundert die ''signatura justitiae'' über die strikte Anwendung des Rechts, aber auch eine mögliche ''dispensatio'' befand. Zum anderen orientierte sich die Entscheidung weniger am geschriebenen Recht, als vielmehr an Vernunft und Gewissen, die auf Maximen des göttlichen Rechts und des Naturrecht beruhten. Über das Verfahren der ''denunciatio evangelica'' fanden diese Prinzipien insbesondere Eingang ins englische Recht der ''equity''.


== 3. Regelungsgehalt der RL 96/71 ==
== 3. Anfänge und Entwicklung im englischen Recht ==
=== a) Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ===
=== a) Umstrittene Ursprünge und Parallelen ===
Die RL 96/71 schreibt in Art. 3(1)(a) bis (g) einen „harten Kern“ von klar definierten Schutzbestimmungen vor, die während der Entsendung von Arbeitnehmern zwingend einzuhalten sind; dies gelten unabhängig davon, welches nationale Recht auf das Arbeitsverhältnis des entsandten Arbeitnehmers anwendbar ist. Die Kernregelungen werden damit zu Vorschriften des ''ordre public'' i.S.v. Art. 7 des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens von Rom vom 19.6.1980, von denen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Der europäische Gesetzgeber hat sich mit dieser Regelung für das Arbeitsortsprinzip entschieden.  
Die Anfänge der ''equity'' im englischen Recht sind umstritten. Teilweise wird der Ursprung im Rechtsinstitut der ''uses'' als Vorläufer der ''trusts'' gesehen. Vorherrschend ist jedoch die auf ''Maitland'' zurückgehende Ansicht, nach der ''equity'' als eine Kategorie rechtlicher Regeln und Rechtsinstitute zur Milderung ungerechter Härten und Lücken des ''common law'' entstand, die der ''Lord Chancellor'' entwickelte und gewährte. ''Trusts'' entwickelten sich erst später zum Schwerpunkt der ''equity''. Bisweilen werden Parallelen zwischen der Entstehung der englischen ''equity'' und der Herausbildung des ''ius honorarium'' im römischen Recht gezogen: das ''common law'' als ebenso strikt und formal wie das ''ius civile'', ebenfalls geprägt durch ein Aktionensystem der ''writs''<nowiki>; der </nowiki>''Lord Chancellor'' als Pendant zum ''praetor'', der durch seine ''equitable jurisdiction'' die Härte des strikten Rechts im Einzelfall abmildert; die mit der Zeit einsetzende Herausbildung eines dem ''ius honorarium'' entsprechenden ''law of equity''.


Nach dem Katalog des Art.&nbsp;3(1)(a) bis (g) RL&nbsp;96/71 gehören zu den zwingend anzuwendenden Regelungen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten (lit.&nbsp;a), bezahlter Mindestjahresurlaub (lit.&nbsp;b), Mindestlohnsätze einschließlich Überstundensätzen (lit.&nbsp;c), Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen (lit.&nbsp;d), Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz (lit.&nbsp;e), Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen (lit.&nbsp;f), Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen (lit.&nbsp;g).
=== b) Herausbildung eines ''law of equity'' durch den ''Lord Chancellor'' ===
Jeder englische Bürger konnte sich wegen eines behaupteten Unrechts im Wege der Petition an den König wenden. Auf solche Petitionen hin korrigierte bzw. milderte der ''Lord Chancellor'' als dafür zuständiger königlicher Beamter ungerecht erscheinende Härten des ''common law''. Dies geschah zum einen dadurch, dass er bisher nicht zuerkannte ''writs in consimili casu'' zum Verfahren vor den ''common law'' Gerichten ausfertigte. Diese Befugnis bestand jedoch nur in gewissen Grenzen, und das Gericht konnte den neuen ''writ'' als unzulässig verwerfen. Die andere, wesentlich wirksamere Abhilfemöglichkeit bestand darin, die Härten zu korrigieren, ohne in die ''writs'' und die Regeln des ''common law'' selbst einzugreifen. Dazu entwickelte sich eine eigene Gerichtsbarkeit vor der ''Chancery''. Der Beklagte wurde unter Androhung von Strafe durch den ''writ of subpoena'' vor den ''Lord Chancellor'' geladen. Dort musste er unter Eid zur gegen ihn erhobenen Klage bzw. den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen. Meist wurde auch eine ''disclosure'' angeordnet, welche dem Verfahren vor den ''common law'' Gerichten fremd war. Dadurch war es möglich, der Entscheidung Tatsachen zugrunde zu legen, die dem Beweis nach den strengen Regeln des ''common law'' nicht zugänglich waren. Dies betraf vor allem innere Absichten, Überzeugungen und einseitiges Wissen des Beklagten. Der ''Lord Chancellor'' entschied nicht allein aufgrund der behaupteten und bewiesenen Tatsachen (''secundum allegata et probata''), sondern nach seiner Überzeugung (''secundum conscientiam'') auf der Grundlage des durch Eid und ''disclosure'' umfassend aufgeklärten Sachverhalts, ohne eine ''jury'' einzuschalten. Er war weder an ''[[Precedent, Rule of|precedents]]'' des ''common law'' noch an eigene ''precedents'' gebunden. Dieses Verfahren war an jenes der ''denunciatio evangelica'' vor den kirchlichen Gerichten angelehnt und den frühen ''Lord Chancellors'', meist zugleich Geistliche und Juristen, die im römischen und kanonischen Recht ausgebildet waren, vertraut. Die frühe ''equity'', bisweilen auch als ''conscience'' bezeichnet, hatte damit eine stark verfahrensrechtliche Dimension. In dem besonderen Verfahren liegen aber auch die materiellrechtlichen Bereiche der ''equity'' begründet: Es war erheblich geeigneter gerade für solche Rechtsfragen, die Formerfordernisse, subjektive Elemente und abweichende Abreden von der objektiv gegebenen Rechtslage betrafen – etwa ''simple promises (not under deed)'','' matters of accident (frustrated contracts'','' lost documents)'','' mistake'','' fraud'','' misrepresentation'','' breach of confidence'','' fiduciary relationships'', insbesondere ''uses'' bzw. später ''trusts''.


Da Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen mit einem individualrechtlich begrenzten Geltungsbereich gegen Art.&nbsp;49 EG/56 AEUV verstoßen würden, müssen sie durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des Aufnahmestaates geregelt sein, dann gelten sie in allen Branchen. Eine Festlegung durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche ist ebenfalls möglich, in diesem Fall gelten die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nur für die im Anhang der Richtlinie aufgeführten Arbeiten in der Baubranche. Gibt es kein System zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung, so können die Mitgliedstaaten beschließen, die Art.&nbsp;3(8) RL&nbsp;96/71 entsprechenden Tarifverträge zugrunde zu legen.
=== c) Kategorien der frühen ''equity'' und Verhältnis zum ''common law'' ===
Die ''Lord Chancellors'' gingen in den Anfängen der ''equity'' ab dem 12.&nbsp;Jahrhundert davon aus, als Teil der Rechtspflege des ''ordinary law of the land'' zu agieren, nicht hingegen eine eigenständige Kategorie des Rechts zu schaffen. Im Zuge dieser Entwicklung entschied der ''Lord Chancellor'' zahlreiche Rechtsstreitigkeiten in Konkurrenz zu den ''common law'' Gerichten. Die Gerichtsbarkeit der ''Chancery'' wurde von ''John Fonblanque'' und ''Joseph Story'' in verschiedene Unterkategorien eingeteilt: ''(a) assistant/auxiliary'','' (b) concurrent with (and often corrective of) and (c) exclusive of the jurisdiction of the courts of common law''. Im Bereich der ''assistant'' und ''concurrent jurisdiction'' bestanden echte Doppelzuständigkeiten. Die ''equity jurisdiction'' der ''Chancery'' hatte dabei den Vorteil, sowohl in materieller als auch prozessualer Hinsicht – wobei das frühe englische Recht diese Unterscheidung so nicht kannte – weniger formalistisch und dementsprechend flexibler zu sein. Sie wurde daher häufig in Anspruch genommen. Weder die ''common law'' Gerichte noch das Parlament waren gewillt, eine derartige königliche Sondergerichtsbarkeit hinzunehmen. Bereits gegen Ende des 14.&nbsp;Jahrhunderts wurde der ''Lord Chancellor'' gewarnt, in solchen Fällen tätig zu werden, in denen auch die ''common law'' Gerichte zuständig waren.


Die Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen müssen auf Arbeitnehmer grundsätzlich ab dem ersten Tag ihrer Entsendung in den Mitgliedstaat angewandt werden. Für Erstmontage- und/oder Einbauarbeiten, die nicht solche im Anhang der Richtlinie aufgeführten Bauarbeiten darstellen und Bestandteil eines Liefervertrages sind, muss nach Art.&nbsp;3(2) RL&nbsp;96/71 für die Anwendung der Vorschriften über die Mindestlohnsätze und den bezahlten Mindestjahresurlaub die Entsendung mindestens neun Tagen betragen. Beträgt die Dauer der Entsendung nicht mehr als einen Monat, so können die Mitgliedstaaten bei der Entsendung im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages und der konzerninternen Arbeitnehmerentsendung von den Bestimmungen über die Mindestlohnsätze abweichen (Art.&nbsp;3(3) RL&nbsp;96/71) oder die Möglichkeiten von Abweichungen im Rahmen von Tarifverträgen vorsehen (vgl. Art.&nbsp;3(4) RL&nbsp;96/71). Eine Ausnahme von den Vorschriften über die Mindestlohnsätze und den Mindestjahresurlaub kann weiter vorgesehen werden, wenn der Umfang der zu verrichtenden Tätigkeit gering ist, die Definitionsmacht obliegt dabei den Mitgliedstaaten (Art.&nbsp;3(5) RL&nbsp;96/71).  
In der Folge übte die ''Chancery'' weiterhin die ''exclusive jurisdiction ''über ''fiduciary relationships'', insbesondere ''uses'', bzw. nach deren erheblicher Einschränkung durch König ''Henry VIII.'', ''trusts'' aus. Daneben entschied sie insbesondere über Fälle von ''fraud'','' matters of accident'' und ''breach of confidence''. In zahlreichen anderen Fällen blieb das Verhältnis ungeklärt. Um zu verhindern, dass eine Partei schlicht die ''common law'' Gerichte anrief, die ''equitable rights'','' remedies'' und ''defences'' nicht anerkannten, erließ der ''Lord Chancellor'' auf Antrag einer Partei ''injunctions'', die sich nicht an das ''common law'' Gericht, sondern an die andere Partei richteten (''equity acts in personam''). Mit ihnen wurde der anderen Partei sowohl untersagt, das ''common law'' Gericht anzurufen, als auch, das Urteil des ''common law'' Gerichts zu vollstrecken. Die ''common law'' Gerichte reagierten auf solche ''injunctions'' ihrerseits mit Strafdrohungen gegen die Antragsteller. Die Konflikte um die Abgrenzung der Kompetenzbereiche kulminierten im Streit zwischen ''Chief Justice Coke'' und ''Lord Chancellor Ellesmere'' Anfang des 17.&nbsp;Jahrhunderts. König ''James I.'' entschied daraufhin, dass im Falle eines Konflikts zwischen ''equity'' und ''common law'' der ''equity'' der Vorrang gebühre (''equity shall prevail''). Das Konfliktpotential verringerte sich jedoch im Laufe der Zeit. In den Bereichen der ''concurrent jurisdiction'', vor allem im Vertragsrecht, übernahmen die ''common law'' Gerichte zunehmend Grundsätze und Regeln der ''equity'' ins ''common law''. In den Bereichen der ''exclusive jurisdiction'' waren Konflikte seit jeher selten. Ab dem Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts existieren ''equity'' und ''common law'' daher in weitgehend friedlicher Ko-Existenz ohne größere Überschneidungen als ''parallel streams'' (''Maitland'').


Soweit die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des entsendenden Staates, denen der mit dem entsendenden Unternehmen regelmäßig bestehende Arbeitsvertrag unterliegt, günstiger sind als diejenigen des Einsatzstaates, steht die RL&nbsp;96/71 nach Art.&nbsp;3(7) ihrer Anwendung nicht entgegen.
=== d) Verrechtlichung der ''equity'' ===
Ab Mitte des 16.&nbsp;Jahrhunderts kam es zu einer Verrechtlichung der ''equity'': Der ''Lord Chancellor'' war kein Geistlicher mehr; die ''Chancery'' entwickelte sich zu einem Gericht, das mit Juristen als Richtern besetzt war (1875 waren es sieben Richter); es bildeten sich eigenständige rechtliche Regeln, sog. ''rules of equity and good conscience'' heraus; ''trusts'' wurden zu einem eigenen Rechtsgebiet innerhalb der ''equity''<nowiki>; es entstanden Entscheidungssammlungen der </nowiki>''Chancery''<nowiki>; es entwickelte sich ein System der </nowiki>''precedents''.


=== b) Soziale Sicherheit  ===
Grundprinzipien der equity waren neben den oben genannten etwa: ''equity will not suffer a wrong to be without a remedy; equity looks to the intent rather than the form; equity is equality; he who comes to equity must come with clean hands; equity follows the law''. Ihre Bedeutung wird jedoch häufig überschätzt. Von größerer Relevanz war die Unterscheidung der Rechtsbehelfe. Während das ''common law'' im wesentlichen Schadensersatz gewährte, konnte der Beklagte nach equity zur Erfüllung (''specific performance'') und zur Unterlassung, auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes (''final und interim injunctions''), verurteilt werden.
Die RL&nbsp;96/71 regelt nicht die sozialrechtliche Seite der Entsendung von Arbeitnehmern. Die auf der Grundlage des Art.&nbsp;42 EG/48 AEUV erlassenen Vorschriften über den Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit und Beitragszahlungen finden sich in der VO&nbsp;1408/71 des Rates vom 14.7.1971, die die bestehenden Sozialversicherungssysteme materiellrechtlich koordiniert.  


=== c) Betriebliche Alters&shy;vor&shy;sorge ===
=== e) Die ''Judicature Acts 1873–1875'' ===
Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge gilt die Regelung des Art.&nbsp;6 der RL&nbsp;98/49 des Rates vom 29.6.1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern.
Den größten Einschnitt in der Entwicklung der ''equity'' stellen die ''Judicature Acts 1873-1875'' dar. Durch sie wurde die Zweigleisigkeit der Gerichtsbarkeiten aufgegeben und ein ''High Court of Justice'' geschaffen, der sowohl ''common law'' als auch ''equity'' administrierte. Zwar besteht dieser bis heute aus ''divisions'' (''Queen's Bench'','' Chancery'','' Family Division'', letztere war ursprünglich die ''Probate'','' Divorce and Admiralty Division''), denen Rechtsstreitigkeiten aus bestimmten Bereichen zugewiesen sind. Die Zuweisung ist jedoch nicht bindend. Jede ''division'' entscheidet den Rechtsstreit umfassend und ungeachtet dessen, ob Rechtsfragen aus dem Bereich des ''common law'' oder der ''equity'' relevant werden. Mit der Abschaffung der Zweigleisigkeit bildete sich auch ein einheitliches Zivilprozessrecht heraus, das Elemente beider Verfahren vereinigte. Im Zuge dessen wurde etwa ''trial by jury'' im Zivilprozess immer weiter zurückgedrängt, während die ''disclosure'' heute Bestandteil jedes zivilrechtlichen Verfahrens ist. Erneut wurde festgeschrieben, dass im Falle eines Konflikts zwischen den Regeln des ''common law'' und jenen der ''equity'' letztere Vorrang haben. Mittlerweile hatte sich jedoch endgültig die Ansicht durchgesetzt, dass – mit den Worten ''Maitlands'' – ''equity had come not to destroy the law'','' but to fulfil it''. Regeln der ''equity'' und des ''common law'' stehen daher grundsätzlich nicht im Konflikt zueinander. Vielmehr ergänzen und komplettieren sie sich.


=== d) Prozessuale Regelung ===
== 4. Rolle und Bedeutung im heutigen englischen Recht ==
In prozessualer Hinsicht regelt Art.&nbsp;6 RL&nbsp;96/71 für die Durchsetzung der von der Richtlinie in Art.&nbsp;3 RL&nbsp;96/71 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen einen eigenen, zusätzlichen Gerichtsstand. Die Vorschrift ergänzt als Spezialvorschrift die Brüssel&nbsp;I-VO (VO&nbsp;44/2001).
Im heutigen englischen Recht lassen sich nur noch ''trusts'' und andere ''fiduciary duties'' als eigenständige Kategorie der ''equity'' ansehen. Die Regeln des ''law of trusts'' als eigenständigem Rechtsgebiet speisen sich im Wesentlichen aus dem ''law of equity'' und bei Bestehen einer ''fiduciary duty'' greifen im Verhältnis der beteiligten Personen zueinander und zu Dritten Regelungsmechanismen ein, die sich (noch) nicht bloß als Ergänzung des ''common law'' ansehen lassen.


== 4. Umsetzung in nationales Recht/ Arbeitnehmer-Entsendegesetz ==
Im Übrigen ist die ''equity'' jedoch in den Schoß des ''ordinary law of the land'' zurückgekehrt, welches nun umfassend von denselben Gerichten angewendet wird. Freilich wird bis heute diskutiert, ob die Auswirkungen der ''Judicature Acts'' lediglich prozessualer oder auch materiellrechtlicher Natur sind. Mit anderen Worten: Fließen materiellrechtlich noch immer zwei ''parallel streams or have'' ''the waters of common law and equity mingled or even fused''? Abgesehen von ''trusts'' und ''fiduciary duties'' bestehen kaum Zweifel daran, dass eine ''fusion'' in weiten Bereichen bereits stattgefunden hat und weiter voranschreitet. Das angerufene Gericht wendet Regeln des ''common law'' wie der ''equity'' nebeneinander an, wenn es etwa über vertragliche Ansprüche entscheidet. Es beurteilt den Vertrag unter allen Gesichtspunkten, ob sie historisch dem ''common law'' (etwa ''formation of contract'') oder der ''equity'' (etwa ''mistake'','' duress'','' undue influence'') entstammen. Die Frage lautet nicht mehr, welche Rechtslage nach ''common law'' einerseits und ''equity'' andererseits besteht, sondern vielmehr, ob ein Anspruch aus Vertrag, ob ein Recht zum Rücktritt oder ob andere Verteidigungsmittel bestehen. Auch die Klassifizierung von ''remedies'' und ''defences'' in solche des ''common law'' oder der ''equity'' ist kaum noch von Bedeutung. Was ''defences'' angeht, so ist schlicht zu entscheiden, ob ein bestimmter Einwand ebenso gegen einen Anspruch auf ''damages'' wie gegen einen Anspruch auf ''specific performance'' durchgreift. Hier bestehen naturgemäß Unterschiede, die jedoch in der Natur des Anspruchs, nicht hingegen in seiner historischen Herkunft begründet liegen. Was ''remedies'' angeht, nivellieren sich die Unterschiede ebenfalls. ''Injunctions'' können unter Ausübung weiten Ermessens zur Absicherung jeglicher Ansprüche erlassen werden. Im Bereich der ''monetary remedies'' unterscheidet sich die ''equitable compensation'' kaum noch von ''compensatory damages'' des ''common law''. Verbleibende Unterschiede lassen sich häufig durch unterschiedliche zugrundeliegende Tatbestände (''wrongs'') rechtfertigen. Generell ist unbestritten, dass sich ''remedies'' des ''common law'' und der ''equity'' gegenseitig befruchten und immer weiter annähern. Zunehmend wird sogar anerkannt, dass ehemals ''equitable remedies'' bei einem ''common law wrong'' und umgekehrt gewährt werden können. Die Entwicklung ist in dieser Hinsicht im Fluss; die Rechtsprechung hat noch keine einheitliche Linie gefunden.
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) von 1996, erlassen im Wege der Vorwegnahme der RL&nbsp;96/71/EG, ist umfangreich zum 1.1.1999 geändert worden, um das Gesetz an die RL&nbsp;96/ 71/EG anzupassen. Ziel des AEntG ist die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen.  


Das AEntG enthält in §§&nbsp;1-6 AEntG Sonderregelungen für die Baubranche, die mit Gesetz vom 25.4.2007 auf das Gebäudereinigerhandwerk und mit Gesetz vom 21.12.2007 auf Briefdienstleistungen ausgedehnt wurden. Deutschland hat damit von der in Art.&nbsp;3(10) RL&nbsp;96/71 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die in Tarifverträgen festgelegt sind, auch für andere Branchen anzuordnen. §§&nbsp;7 und 8 AEntG enthalten Vorschriften, die für alle Branchen gelten.
== 5. ''Equity'' in den kontinental&shy;europäischen Rechtssystemen ==
Eine der englischen ''equity'' vergleichbare Kategorie rechtlicher Regelungen gibt es in den kontinentaleuropäischen Rechtssystemen nicht. Die ''equity'' als weit verstandenes Strukturprinzip der Gerechtigkeit und Überwindung formaler Strenge mag mittelbare Einflüsse auf die kontinentaleuropäischen Privatrechte haben. Derartige Gerechtigkeitserwägungen bilden jedoch keine eigene rechtliche Kategorie, sondern fließen in die Regeln des allgemein geltenden Privatrechts ein. Als Beispiel seien die Vorschriften des deutschen [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] über die Anfechtung in §§&nbsp;119-123 genannt, die ähnliche Fälle erfassen wie im englischen Recht die der ''equity'' entstammenden Regeln über ''mistake'','' fraud'' und ''misrepresentation''. Die Herausbildung eines Dualismus von ''common law'' und ''equity'' in England ist insofern einzigartig.


Nach §&nbsp;1 AEntG finden auf ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem aus dem Ausland oder innerhalb Deutschlands entsandten Arbeitnehmer Rechtsnormen in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen des Baugewerbes, des Gebäudereinigerhandwerkes und für Briefdienstleistungen Anwendung. Die Rechtsnormen müssen Regelungen über den Mindestlohn oder die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt oder ein zusätzliches Urlaubsgeld zum Gegenstand haben. Weitere Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag das Arbeitsortsprinzip festlegt (§&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 AEntG). Die Anwendung der Rechtsnormen in den Tarifverträgen setzt eine dreistufige Regelung voraus: Im ersten Schritt legen die Tarifvertragsparteien Mindestarbeitsbedingungen fest (§§&nbsp;3 Abs.&nbsp;1, 4 Abs.&nbsp;2 S.&nbsp;1 TVG). Nachdem der Bundesminister für Arbeit in einem zweiten Schritt diesen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat (§&nbsp;5 Abs.&nbsp;1-3 TVG oder §&nbsp;1 Abs.&nbsp;3a AEntG), ordnet auf der dritten Stufe §&nbsp;1 Abs.&nbsp;1 AEntG an, dass die Mindestarbeitsbedingungen auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgebern mit Sitz im Ausland und ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend anzuwenden sind.
Insbesondere kann das vor allem im deutschen Recht stark ausprägte Gebot von [[Treu und Glauben]] (vergleiche §&nbsp;242 BGB; Art.&nbsp;2 ZGB; Art.&nbsp;6:2 BW; Art.&nbsp;1375 ''Codice civile''<nowiki>; Art.&nbsp;1134 Abs.&nbsp;3 </nowiki>''Code civil'') nicht als Funktionsäquivalent der englischen ''equity'' angesehen werden. Es ist in seinem Ursprung auf die Leistungspflicht und das Verhalten im Schuldverhältnis beschränkt, auch wenn es von der Rechtsprechung erheblich darüber hinaus ausgedehnt wurde. Das englische Recht ordnet das Gebot einer allgemeinen ''duty to act in good faith'' selbst nicht der ''equity'' zu, sondern diskutiert es losgelöst davon als Gebot des Vertragsrechts, dessen Existenz es ablehnt. Vergleichbar sind allenfalls der gemeinsame Ursprung in Elementen einer sehr weit verstandenen ''aequitas'' des römischen Rechts und eine der Zielsetzungen, die formale Strenge des Rechts in Einzelfällen zu überwinden.


§&nbsp;7 AEntG regelt die Anwendung der in Rechts- und Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen über Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die dem Katalog des Art.&nbsp;3 Abs.&nbsp;1 RL&nbsp;96/71/EG entsprechen, auf das Arbeitsverhältnis ausländischer Arbeitgeber und ihrer im Inland beschäftigten Arbeitnehmer für alle Branchen.
== 6. Europarecht und Einheitsrecht ==
Die direkten, unmittelbaren Einflüsse des englischen ''law of equity'' auf das europäische Privatrecht beschränken sich im Wesentlichen auf ''trusts''. So finden sich einerseits in zahlreichen europäischen Rechtsakten Einzelregelungen zu ''trusts''<nowiki> (etwa Art.&nbsp;60(3) Brüssel&nbsp;I-VO [VO&nbsp;44/ 2001]), andererseits enthält auch der </nowiki>Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]] in Buch X Regelungen über ''trusts'' ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]). Im Einheitsrecht finden sich mit der ''Hague Convention on the law applicable to trusts and their recognition'' vom 1.7.1985, die sich auf kollisionsrechtliche Regeln beschränkt, und den ''Principles of European Trust Law'' vom 15.1.1999 ebenfalls nur Regelwerke zu ''trusts''.


§§&nbsp;2 bis 6 AEntG enthalten daneben Vorschriften, wie Prüfungs- und Kontrollbefugnisse (§&nbsp;2 AEntG) und Anmeldungspflichten für ausländische Arbeitgeber (§§&nbsp;3,&nbsp;4 AEntG), die eine behördliche Kontrolle der Einhaltung der Arbeitgeberpflichten ermöglichen und nach denen bei Verstößen Sanktionen verhängt werden (§§&nbsp;5 und 6 AEntG).
Aufgrund der Entwicklung im englischen Recht seit den ''Judicature Acts 1873-1875'' einerseits und eines nicht existierenden ''law of equity'' in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen andererseits wäre ein über ''trusts'' hinaus reichendes europäisches ''law of equity'' ein Anachronismus der Geschichte.


==Literatur==
==Literatur==
''Abbo Junker'','' ''Arbeitnehmerentsendung aus deutscher und europäischer Sicht, Juristenzeitung 2005, 481; ''Gregor Thüsing'','' ''Europäisches Arbeitsrecht, München 2008; ''Martin Franzen'', Internationales Arbeitskollisionsrecht, in: Arbeitsrecht-Blattei, SD 920 (Loseblatt); ''Andreas Feuerborn'', Grenzüberschreitender Einsatz von Fremdfirmenpersonal, Teil B 2500, in: Hartmut Oetker, Ulrich Preis (Hg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS) (Loseblatt).
''William Warwick Buckland'', Equity in Roman Law, 1911 (zweiter ND 2002); ''Frederick William Maitland'', Equity and the Forms of Action, 1920 (2.&nbsp;Aufl. 1936, revised by John Brunyate); ''Helmut Coing'', English Equity and the Denunciatio Evangelica of the Canon Law, Law Quarterly Review 71 (1955) 223&nbsp;ff; ''Ralph A. Newman'' (Hg.), Equity in the World’s Legal Systems, 1973; ''Anthony Mason'', The Place of Equity and Equitable Remedies in the Contemporary Common Law World, Law Quarterly Review 110 (1994) 238&nbsp;ff; ''Andrew Burrows'', We do this at Common Law but that in Equity, Oxford Journal of Legal Studies 22 (2002) 1&nbsp;ff; ''Harold Greville Hanbury'', ''Jill E. Martin'', Modern Equity, 17. Aufl. 2005; ''Mike Macnair'', Equity and Conscience, Oxford Journal of Legal Studies 27 (2007) 659&nbsp;ff.


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Version vom 28. September 2021, 15:51 Uhr

von Martin Illmer

1. Begriff

Equity lässt sich zunächst als eine Grundmaxime der Gerechtigkeit des Rechts verstehen, die seit alters her ein zentrales Leitmotiv der meisten Rechtsordnungen darstellt und heute Grundpfeiler und Strukturmerkmal aller europäischen Rechtsordnungen ist. Ihren Ursprung hat sie in der römischen aequitas, die über die Wortbedeutung der Gleichheit hinaus die grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit und Billigkeit umfasst, über die moralische und ethische Vorstellungen ins geltende Recht einfließen. Als eine so verstandene Maxime der (Einzelfall)-Gerechtigkeit wird die equity häufig der Rechtssicherheit durch formale Strenge des Rechts gegenübergestellt.

Im englischen Recht hat sich aus dieser allgemeinen Gerechtigkeitsmaxime eine eigene rechtliche Kategorie entwickelt: equity. Nach vorherrschender Auffassung bezeichnet equity “that body of rules administered by our English courts of justice which, were it not for the operation of the Judicature Acts 1873-1875, would be administered only by those courts which would be known as the Courts of Equity“ (Frederick William Maitland, Equity and the Forms of Action, 1920, 1). Diese Definition bringt zum Ausdruck, dass die equity kein systematisch klar strukturiertes und homogenes Rechtsgebiet ist, sondern einer historisch bedingten Konstellation im Verhältnis zum common law entspringt. Equity lässt sich konzeptionell nur in Abgrenzung zum common law beschreiben, was durch die Bezugnahme auf die courts of equity als Gegenpol zu den common law Gerichten geschieht.

2. Historische Ursprünge der equity

Die Ursprünge der equity lassen sich im römischen und kanonischen Recht verorten.

a) Ursprünge im römischen Recht

Das ius civile des frühen römischen Rechts, das nur für römische Bürger galt, war durch formale Strenge und den technischen Charakter des Aktionendenkens geprägt. Dies führte häufig zu ungerecht erscheinenden Härten im Einzelfall. Das ius gentium, das zunächst nur für Fremde galt, war demgegenüber flexibler ausgestaltet. Es wurde als auf universell geltenden Gerechtigkeitsvorstellungen basierendes, für alle Menschen gleichermaßen geltendes Recht angesehen. Der praetor peregrinus war im Formularprozess nach ius gentium nicht an das strenge Aktionensystem gebunden, sondern hatte ein weites Ermessen, die gebotenen Rechtsbehelfe in Form von Klageformeln und Einwendungen zuzuerkennen. Dadurch konnte er die formale Strenge des Rechts im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit mildern oder gar durchbrechen. Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurde der Formularprozess unter Anwendung des ius gentium neben dem ius civile schließlich auch römischen Bürgern eröffnet. Die Edikte, in denen der praetor meist basierend auf den Edikten seines Vorgängers die von ihm anerkannten Rechtsbehelfe veröffentlichte, bildeten die Grundlage eines ius honorarium, welches die praetores introduxerant adiuvandi vel supplendi vel corigendi iuris civilis gratia (Pap. D. 1.1.7.1). Es existierten damit zwei Kategorien des Rechts nebeneinander: ius civile und ius honorarium. Im Formularprozess wendete der praetor beide Kategorien in der Festlegung der formula an, nach der anschließend apud iudicem entschieden wurde. Mit der Einführung des einstufigen Kognitionsprozesses im 2. Jahrhundert n. Chr. wurden das ius civile wie das ius honorarium durch den iudex angewendet.

Prinzipien des ius honorarium sind etwa die in Überwindung der Formerfordernisse des ius civile anerkannten Rechtspositionen nach formloser Übereignung von res mancipi durch Gewährung der actio Publiciana und der exceptio rei venditae et traditae. Ebenfalls in Überwindung der Formstrenge des Rechts entwickelte sich das fideicommissum, das Ähnlichkeiten mit dem trust (Trust und Treuhand) des englischen Rechts aufweist. Generell galt der Grundsatz falsa demonstratio non nocet. Versprechen infolge von Drohung (exceptio metus) oder Täuschung (exceptio doli) waren nach ius honorarium vernichtbar. Auch die Verpflichtung zur Leistung ex bonae fide (im Gegensatz zur Verpflichtung ex stricti iuris) als Maßstab der wechselseitigen Leistungsverpflichtung und ‑erbringung im Konsensualvertrag geht auf den praetor zurück. Darüber hinaus intervenierte der praetor zum Schutz Minderjähriger und von Vertragsparteien mit unterlegener Verhandlungsposition. Bedeutende Rechtsbehelfe waren die Anordnung der restitutio in integrum und der missio in possessionem, aber auch die Verurteilung zur Erfüllung anstelle von bloßem Schadensersatz.

In der nachklassischen Zeit wurden kaum noch konkrete Regeln und Prinzipien eines ius honorarium entwickelt. Der praetor als Motor neuer, systematischer Regelbildung existierte nicht mehr, und die Rechtswissenschaft war zu schwach, dies zu kompensieren. Stattdessen galten allgemeine, in ihren Grenzen und ihrer Wirkung unscharfe Richtlinien für den iudex, einen Rechtsstreit gerecht und billig zu entscheiden.

b) Ursprünge im kanonischen Recht

Im kanonischen Recht entwickelte sich ab dem 9. Jahrhundert ein an Elementen der aequitas orientiertes Verfahren vor kirchlichen Gerichten. Zum einen konnte eine dispensatio von den bisweilen harschen Ergebnissen der strikten Anwendung des Rechts gewährt werden. Die Möglichkeit der dispensatio war entweder bereits im geschriebenen Recht angelegt oder sie ergab sich aus der grundsätzlichen Schwäche genereller Rechtsregeln, jedem Einzelfall gerecht zu werden. Die dispensatio wurde zunächst durch eine eigene Gerichtsbarkeit, die signatura gratiae, gewährt, bevor ab dem 13. Jahrhundert die signatura justitiae über die strikte Anwendung des Rechts, aber auch eine mögliche dispensatio befand. Zum anderen orientierte sich die Entscheidung weniger am geschriebenen Recht, als vielmehr an Vernunft und Gewissen, die auf Maximen des göttlichen Rechts und des Naturrecht beruhten. Über das Verfahren der denunciatio evangelica fanden diese Prinzipien insbesondere Eingang ins englische Recht der equity.

3. Anfänge und Entwicklung im englischen Recht

a) Umstrittene Ursprünge und Parallelen

Die Anfänge der equity im englischen Recht sind umstritten. Teilweise wird der Ursprung im Rechtsinstitut der uses als Vorläufer der trusts gesehen. Vorherrschend ist jedoch die auf Maitland zurückgehende Ansicht, nach der equity als eine Kategorie rechtlicher Regeln und Rechtsinstitute zur Milderung ungerechter Härten und Lücken des common law entstand, die der Lord Chancellor entwickelte und gewährte. Trusts entwickelten sich erst später zum Schwerpunkt der equity. Bisweilen werden Parallelen zwischen der Entstehung der englischen equity und der Herausbildung des ius honorarium im römischen Recht gezogen: das common law als ebenso strikt und formal wie das ius civile, ebenfalls geprägt durch ein Aktionensystem der writs; der Lord Chancellor als Pendant zum praetor, der durch seine equitable jurisdiction die Härte des strikten Rechts im Einzelfall abmildert; die mit der Zeit einsetzende Herausbildung eines dem ius honorarium entsprechenden law of equity.

b) Herausbildung eines law of equity durch den Lord Chancellor

Jeder englische Bürger konnte sich wegen eines behaupteten Unrechts im Wege der Petition an den König wenden. Auf solche Petitionen hin korrigierte bzw. milderte der Lord Chancellor als dafür zuständiger königlicher Beamter ungerecht erscheinende Härten des common law. Dies geschah zum einen dadurch, dass er bisher nicht zuerkannte writs in consimili casu zum Verfahren vor den common law Gerichten ausfertigte. Diese Befugnis bestand jedoch nur in gewissen Grenzen, und das Gericht konnte den neuen writ als unzulässig verwerfen. Die andere, wesentlich wirksamere Abhilfemöglichkeit bestand darin, die Härten zu korrigieren, ohne in die writs und die Regeln des common law selbst einzugreifen. Dazu entwickelte sich eine eigene Gerichtsbarkeit vor der Chancery. Der Beklagte wurde unter Androhung von Strafe durch den writ of subpoena vor den Lord Chancellor geladen. Dort musste er unter Eid zur gegen ihn erhobenen Klage bzw. den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen. Meist wurde auch eine disclosure angeordnet, welche dem Verfahren vor den common law Gerichten fremd war. Dadurch war es möglich, der Entscheidung Tatsachen zugrunde zu legen, die dem Beweis nach den strengen Regeln des common law nicht zugänglich waren. Dies betraf vor allem innere Absichten, Überzeugungen und einseitiges Wissen des Beklagten. Der Lord Chancellor entschied nicht allein aufgrund der behaupteten und bewiesenen Tatsachen (secundum allegata et probata), sondern nach seiner Überzeugung (secundum conscientiam) auf der Grundlage des durch Eid und disclosure umfassend aufgeklärten Sachverhalts, ohne eine jury einzuschalten. Er war weder an precedents des common law noch an eigene precedents gebunden. Dieses Verfahren war an jenes der denunciatio evangelica vor den kirchlichen Gerichten angelehnt und den frühen Lord Chancellors, meist zugleich Geistliche und Juristen, die im römischen und kanonischen Recht ausgebildet waren, vertraut. Die frühe equity, bisweilen auch als conscience bezeichnet, hatte damit eine stark verfahrensrechtliche Dimension. In dem besonderen Verfahren liegen aber auch die materiellrechtlichen Bereiche der equity begründet: Es war erheblich geeigneter gerade für solche Rechtsfragen, die Formerfordernisse, subjektive Elemente und abweichende Abreden von der objektiv gegebenen Rechtslage betrafen – etwa simple promises (not under deed), matters of accident (frustrated contracts, lost documents), mistake, fraud, misrepresentation, breach of confidence, fiduciary relationships, insbesondere uses bzw. später trusts.

c) Kategorien der frühen equity und Verhältnis zum common law

Die Lord Chancellors gingen in den Anfängen der equity ab dem 12. Jahrhundert davon aus, als Teil der Rechtspflege des ordinary law of the land zu agieren, nicht hingegen eine eigenständige Kategorie des Rechts zu schaffen. Im Zuge dieser Entwicklung entschied der Lord Chancellor zahlreiche Rechtsstreitigkeiten in Konkurrenz zu den common law Gerichten. Die Gerichtsbarkeit der Chancery wurde von John Fonblanque und Joseph Story in verschiedene Unterkategorien eingeteilt: (a) assistant/auxiliary, (b) concurrent with (and often corrective of) and (c) exclusive of the jurisdiction of the courts of common law. Im Bereich der assistant und concurrent jurisdiction bestanden echte Doppelzuständigkeiten. Die equity jurisdiction der Chancery hatte dabei den Vorteil, sowohl in materieller als auch prozessualer Hinsicht – wobei das frühe englische Recht diese Unterscheidung so nicht kannte – weniger formalistisch und dementsprechend flexibler zu sein. Sie wurde daher häufig in Anspruch genommen. Weder die common law Gerichte noch das Parlament waren gewillt, eine derartige königliche Sondergerichtsbarkeit hinzunehmen. Bereits gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Lord Chancellor gewarnt, in solchen Fällen tätig zu werden, in denen auch die common law Gerichte zuständig waren.

In der Folge übte die Chancery weiterhin die exclusive jurisdiction über fiduciary relationships, insbesondere uses, bzw. nach deren erheblicher Einschränkung durch König Henry VIII., trusts aus. Daneben entschied sie insbesondere über Fälle von fraud, matters of accident und breach of confidence. In zahlreichen anderen Fällen blieb das Verhältnis ungeklärt. Um zu verhindern, dass eine Partei schlicht die common law Gerichte anrief, die equitable rights, remedies und defences nicht anerkannten, erließ der Lord Chancellor auf Antrag einer Partei injunctions, die sich nicht an das common law Gericht, sondern an die andere Partei richteten (equity acts in personam). Mit ihnen wurde der anderen Partei sowohl untersagt, das common law Gericht anzurufen, als auch, das Urteil des common law Gerichts zu vollstrecken. Die common law Gerichte reagierten auf solche injunctions ihrerseits mit Strafdrohungen gegen die Antragsteller. Die Konflikte um die Abgrenzung der Kompetenzbereiche kulminierten im Streit zwischen Chief Justice Coke und Lord Chancellor Ellesmere Anfang des 17. Jahrhunderts. König James I. entschied daraufhin, dass im Falle eines Konflikts zwischen equity und common law der equity der Vorrang gebühre (equity shall prevail). Das Konfliktpotential verringerte sich jedoch im Laufe der Zeit. In den Bereichen der concurrent jurisdiction, vor allem im Vertragsrecht, übernahmen die common law Gerichte zunehmend Grundsätze und Regeln der equity ins common law. In den Bereichen der exclusive jurisdiction waren Konflikte seit jeher selten. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts existieren equity und common law daher in weitgehend friedlicher Ko-Existenz ohne größere Überschneidungen als parallel streams (Maitland).

d) Verrechtlichung der equity

Ab Mitte des 16. Jahrhunderts kam es zu einer Verrechtlichung der equity: Der Lord Chancellor war kein Geistlicher mehr; die Chancery entwickelte sich zu einem Gericht, das mit Juristen als Richtern besetzt war (1875 waren es sieben Richter); es bildeten sich eigenständige rechtliche Regeln, sog. rules of equity and good conscience heraus; trusts wurden zu einem eigenen Rechtsgebiet innerhalb der equity; es entstanden Entscheidungssammlungen der Chancery; es entwickelte sich ein System der precedents.

Grundprinzipien der equity waren neben den oben genannten etwa: equity will not suffer a wrong to be without a remedy; equity looks to the intent rather than the form; equity is equality; he who comes to equity must come with clean hands; equity follows the law. Ihre Bedeutung wird jedoch häufig überschätzt. Von größerer Relevanz war die Unterscheidung der Rechtsbehelfe. Während das common law im wesentlichen Schadensersatz gewährte, konnte der Beklagte nach equity zur Erfüllung (specific performance) und zur Unterlassung, auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes (final und interim injunctions), verurteilt werden.

e) Die Judicature Acts 1873–1875

Den größten Einschnitt in der Entwicklung der equity stellen die Judicature Acts 1873-1875 dar. Durch sie wurde die Zweigleisigkeit der Gerichtsbarkeiten aufgegeben und ein High Court of Justice geschaffen, der sowohl common law als auch equity administrierte. Zwar besteht dieser bis heute aus divisions (Queen's Bench, Chancery, Family Division, letztere war ursprünglich die Probate, Divorce and Admiralty Division), denen Rechtsstreitigkeiten aus bestimmten Bereichen zugewiesen sind. Die Zuweisung ist jedoch nicht bindend. Jede division entscheidet den Rechtsstreit umfassend und ungeachtet dessen, ob Rechtsfragen aus dem Bereich des common law oder der equity relevant werden. Mit der Abschaffung der Zweigleisigkeit bildete sich auch ein einheitliches Zivilprozessrecht heraus, das Elemente beider Verfahren vereinigte. Im Zuge dessen wurde etwa trial by jury im Zivilprozess immer weiter zurückgedrängt, während die disclosure heute Bestandteil jedes zivilrechtlichen Verfahrens ist. Erneut wurde festgeschrieben, dass im Falle eines Konflikts zwischen den Regeln des common law und jenen der equity letztere Vorrang haben. Mittlerweile hatte sich jedoch endgültig die Ansicht durchgesetzt, dass – mit den Worten Maitlandsequity had come not to destroy the law, but to fulfil it. Regeln der equity und des common law stehen daher grundsätzlich nicht im Konflikt zueinander. Vielmehr ergänzen und komplettieren sie sich.

4. Rolle und Bedeutung im heutigen englischen Recht

Im heutigen englischen Recht lassen sich nur noch trusts und andere fiduciary duties als eigenständige Kategorie der equity ansehen. Die Regeln des law of trusts als eigenständigem Rechtsgebiet speisen sich im Wesentlichen aus dem law of equity und bei Bestehen einer fiduciary duty greifen im Verhältnis der beteiligten Personen zueinander und zu Dritten Regelungsmechanismen ein, die sich (noch) nicht bloß als Ergänzung des common law ansehen lassen.

Im Übrigen ist die equity jedoch in den Schoß des ordinary law of the land zurückgekehrt, welches nun umfassend von denselben Gerichten angewendet wird. Freilich wird bis heute diskutiert, ob die Auswirkungen der Judicature Acts lediglich prozessualer oder auch materiellrechtlicher Natur sind. Mit anderen Worten: Fließen materiellrechtlich noch immer zwei parallel streams or have the waters of common law and equity mingled or even fused? Abgesehen von trusts und fiduciary duties bestehen kaum Zweifel daran, dass eine fusion in weiten Bereichen bereits stattgefunden hat und weiter voranschreitet. Das angerufene Gericht wendet Regeln des common law wie der equity nebeneinander an, wenn es etwa über vertragliche Ansprüche entscheidet. Es beurteilt den Vertrag unter allen Gesichtspunkten, ob sie historisch dem common law (etwa formation of contract) oder der equity (etwa mistake, duress, undue influence) entstammen. Die Frage lautet nicht mehr, welche Rechtslage nach common law einerseits und equity andererseits besteht, sondern vielmehr, ob ein Anspruch aus Vertrag, ob ein Recht zum Rücktritt oder ob andere Verteidigungsmittel bestehen. Auch die Klassifizierung von remedies und defences in solche des common law oder der equity ist kaum noch von Bedeutung. Was defences angeht, so ist schlicht zu entscheiden, ob ein bestimmter Einwand ebenso gegen einen Anspruch auf damages wie gegen einen Anspruch auf specific performance durchgreift. Hier bestehen naturgemäß Unterschiede, die jedoch in der Natur des Anspruchs, nicht hingegen in seiner historischen Herkunft begründet liegen. Was remedies angeht, nivellieren sich die Unterschiede ebenfalls. Injunctions können unter Ausübung weiten Ermessens zur Absicherung jeglicher Ansprüche erlassen werden. Im Bereich der monetary remedies unterscheidet sich die equitable compensation kaum noch von compensatory damages des common law. Verbleibende Unterschiede lassen sich häufig durch unterschiedliche zugrundeliegende Tatbestände (wrongs) rechtfertigen. Generell ist unbestritten, dass sich remedies des common law und der equity gegenseitig befruchten und immer weiter annähern. Zunehmend wird sogar anerkannt, dass ehemals equitable remedies bei einem common law wrong und umgekehrt gewährt werden können. Die Entwicklung ist in dieser Hinsicht im Fluss; die Rechtsprechung hat noch keine einheitliche Linie gefunden.

5. Equity in den kontinental­europäischen Rechtssystemen

Eine der englischen equity vergleichbare Kategorie rechtlicher Regelungen gibt es in den kontinentaleuropäischen Rechtssystemen nicht. Die equity als weit verstandenes Strukturprinzip der Gerechtigkeit und Überwindung formaler Strenge mag mittelbare Einflüsse auf die kontinentaleuropäischen Privatrechte haben. Derartige Gerechtigkeitserwägungen bilden jedoch keine eigene rechtliche Kategorie, sondern fließen in die Regeln des allgemein geltenden Privatrechts ein. Als Beispiel seien die Vorschriften des deutschen BGB über die Anfechtung in §§ 119-123 genannt, die ähnliche Fälle erfassen wie im englischen Recht die der equity entstammenden Regeln über mistake, fraud und misrepresentation. Die Herausbildung eines Dualismus von common law und equity in England ist insofern einzigartig.

Insbesondere kann das vor allem im deutschen Recht stark ausprägte Gebot von Treu und Glauben (vergleiche § 242 BGB; Art. 2 ZGB; Art. 6:2 BW; Art. 1375 Codice civile; Art. 1134 Abs. 3 Code civil) nicht als Funktionsäquivalent der englischen equity angesehen werden. Es ist in seinem Ursprung auf die Leistungspflicht und das Verhalten im Schuldverhältnis beschränkt, auch wenn es von der Rechtsprechung erheblich darüber hinaus ausgedehnt wurde. Das englische Recht ordnet das Gebot einer allgemeinen duty to act in good faith selbst nicht der equity zu, sondern diskutiert es losgelöst davon als Gebot des Vertragsrechts, dessen Existenz es ablehnt. Vergleichbar sind allenfalls der gemeinsame Ursprung in Elementen einer sehr weit verstandenen aequitas des römischen Rechts und eine der Zielsetzungen, die formale Strenge des Rechts in Einzelfällen zu überwinden.

6. Europarecht und Einheitsrecht

Die direkten, unmittelbaren Einflüsse des englischen law of equity auf das europäische Privatrecht beschränken sich im Wesentlichen auf trusts. So finden sich einerseits in zahlreichen europäischen Rechtsakten Einzelregelungen zu trusts (etwa Art. 60(3) Brüssel I-VO [VO 44/ 2001]), andererseits enthält auch der Draft DCFR in Buch X Regelungen über trusts (Trust und Treuhand). Im Einheitsrecht finden sich mit der Hague Convention on the law applicable to trusts and their recognition vom 1.7.1985, die sich auf kollisionsrechtliche Regeln beschränkt, und den Principles of European Trust Law vom 15.1.1999 ebenfalls nur Regelwerke zu trusts.

Aufgrund der Entwicklung im englischen Recht seit den Judicature Acts 1873-1875 einerseits und eines nicht existierenden law of equity in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen andererseits wäre ein über trusts hinaus reichendes europäisches law of equity ein Anachronismus der Geschichte.

Literatur

William Warwick Buckland, Equity in Roman Law, 1911 (zweiter ND 2002); Frederick William Maitland, Equity and the Forms of Action, 1920 (2. Aufl. 1936, revised by John Brunyate); Helmut Coing, English Equity and the Denunciatio Evangelica of the Canon Law, Law Quarterly Review 71 (1955) 223 ff; Ralph A. Newman (Hg.), Equity in the World’s Legal Systems, 1973; Anthony Mason, The Place of Equity and Equitable Remedies in the Contemporary Common Law World, Law Quarterly Review 110 (1994) 238 ff; Andrew Burrows, We do this at Common Law but that in Equity, Oxford Journal of Legal Studies 22 (2002) 1 ff; Harold Greville Hanbury, Jill E. Martin, Modern Equity, 17. Aufl. 2005; Mike Macnair, Equity and Conscience, Oxford Journal of Legal Studies 27 (2007) 659 ff.