Geistiges Eigentum (Durchsetzung): Unterschied zwischen den Versionen
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Trotz der bereits im 19. Jahrhundert einsetzenden staatsvertraglichen Bemühungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts blieben Fragen der Rechtsdurchsetzung – wohl aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem allgemeinen Zivil- und Zivilverfahrensrecht – lange Zeit weitgehend ausgespart (siehe lediglich Art. 13(3), (16) Revidierte Berner Übereinkunft, Art. 9, 10, 10<sup>ter</sup> Pariser Verbandsübereinkunft). Erst mit Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens im Jahr 1995 wurden auf internationaler Ebene detailliertere Regelungen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums geschaffen (Teil III, Art. 41 ff. TRIPS, siehe auch Art. 14 WIPO-Urheberrechtsvertrag). Eine ähnliche Entwicklung nahm – zeitversetzt – das Recht der Europäischen Gemeinschaft. Auch der gemeinschaftsrechtliche ''acquis communautaire'' auf dem Gebiet des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s konzentrierte sich zunächst auf das materielle Recht, während die Rechtsdurchsetzung – sieht man von der Grenzbeschlagnahme ab – weitgehend dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen blieb. Sogar Verordnungen, durch die gemeinschaftsweit einheitliche Schutzrechte wie die [[Gemeinschaftsmarke]], das [[Gemeinschaftsgeschmacksmuster]] oder der gemeinschaftliche [[Sortenschutz]] geschaffen wurden, verweisen für Fragen der Rechtsdurchsetzung weitgehend auf das nationale Recht (Art. 97 VO 40/94 = Art. 101 VO 207/2009 [konsolidierte Fassung]), Art. 88 VO 6/ 2002, Art. 97 VO 2100/94). Eine grundlegende Wende wurde auf europäischer Ebene mit Erlass der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48) erreicht, mit welcher der europäische Gesetzgeber nach dem Vorbild des TRIPS erstmals ein übergreifendes Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts für jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums verfolgt (Art. 2(1) RL 2004/48). Angesichts der jüngsten Verhandlungen über den Abschluss eines ''Anti-Counterfeiting Trade Agreements'' (ACTA) auf internationaler Ebene und der Bemühungen der Gemeinschaft um eine Überwindung der territorialen Zersplitterung (vgl. EuGH Rs. C-4/03 – ''GAT'', Slg. 2006, I-6509, Rn. 25 und EuGH Rs. C-539/03 – ''Roche Nederland'', Slg. 2006, I-6535, Rn. 33) bei der Durchsetzung registrierter Schutzrechte auf europäischer Ebene (KOM(2009) 175 endg., Frage 4; SEC(2009) 330 endg.) dürfte die Diskussion um die Rechtsdurchsetzung auch in den kommenden Jahren nicht abgeschlossen sein. | Trotz der bereits im 19. Jahrhundert einsetzenden staatsvertraglichen Bemühungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts blieben Fragen der Rechtsdurchsetzung – wohl aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem allgemeinen Zivil- und Zivilverfahrensrecht – lange Zeit weitgehend ausgespart (siehe lediglich Art. 13(3), (16) Revidierte Berner Übereinkunft, Art. 9, 10, 10<sup>ter</sup> Pariser Verbandsübereinkunft). Erst mit Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens im Jahr 1995 wurden auf internationaler Ebene detailliertere Regelungen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums geschaffen (Teil III, Art. 41 ff. TRIPS, siehe auch Art. 14 WIPO-Urheberrechtsvertrag). Eine ähnliche Entwicklung nahm – zeitversetzt – das Recht der Europäischen Gemeinschaft. Auch der gemeinschaftsrechtliche ''acquis communautaire'' auf dem Gebiet des [[Geistiges Eigentum (allgemein)|geistigen Eigentum]]s konzentrierte sich zunächst auf das materielle Recht, während die Rechtsdurchsetzung – sieht man von der Grenzbeschlagnahme ab – weitgehend dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen blieb. Sogar Verordnungen, durch die gemeinschaftsweit einheitliche Schutzrechte wie die [[Gemeinschaftsmarke]], das [[Gemeinschaftsgeschmacksmuster]] oder der gemeinschaftliche [[Sortenschutz]] geschaffen wurden, verweisen für Fragen der Rechtsdurchsetzung weitgehend auf das nationale Recht (Art. 97 VO 40/94 = Art. 101 VO 207/2009 [konsolidierte Fassung]), Art. 88 VO 6/ 2002, Art. 97 VO 2100/94). Eine grundlegende Wende wurde auf europäischer Ebene mit Erlass der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48) erreicht, mit welcher der europäische Gesetzgeber nach dem Vorbild des TRIPS erstmals ein übergreifendes Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts für jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums verfolgt (Art. 2(1) RL 2004/48). Angesichts der jüngsten Verhandlungen über den Abschluss eines ''Anti-Counterfeiting Trade Agreements'' (ACTA) auf internationaler Ebene und der Bemühungen der Gemeinschaft um eine Überwindung der territorialen Zersplitterung (vgl. EuGH Rs. C-4/03 – ''GAT'', Slg. 2006, I-6509, Rn. 25 und EuGH Rs. C-539/03 – ''Roche Nederland'', Slg. 2006, I-6535, Rn. 33) bei der Durchsetzung registrierter Schutzrechte auf europäischer Ebene (KOM(2009) 175 endg., Frage 4; SEC(2009) 330 endg.) dürfte die Diskussion um die Rechtsdurchsetzung auch in den kommenden Jahren nicht abgeschlossen sein. | ||
Die Hinwendung des internationalen und europäischen Gesetzgebers zu Fragen der Durchsetzung des geistigen Eigentums erklärt sich zum einen durch ein gestiegenes Interesse an Fragen des geistigen Eigentums und eine generelle Tendenz zur Ausweitung des Immaterialgüterschutzes in den neunziger Jahren, zum anderen aber auch durch die massive Expansion der Produktpiraterie, die durch den technischen Fortschritt und die Globalisierung begünstigt wurde. So haben die Grenzbeschlagnahmen durch den deutschen Zoll im Jahr 2006 einen neuen Rekord von 9.164 Aufgriffen im Wert von EUR 1.175 Mrd. erreicht (Bundesministerium der Finanzen, Jahresbericht Gewerblicher Rechtsschutz 2006, 32 f.), und die OECD schätzt – in einer allerdings kontrovers beurteilten Studie – das Volumen allein des internationalen Handels mit körperlichen Produktnachahmungen (ohne den innerstaatlichen Handel und ohne digital vertriebene Nachahmungen) im Jahr 2007 auf bis zu USD 200 Mrd. (The Economic Impact of Counterfeiting and Piracy: Executive Summary, 15 f., http://www.oecd.org/dataoecd/13/12/38707619.pdf, zuletzt abgerufen am 15.4.2009). Angesichts dieser Zahlen stehen Gerichte und Gesetzgeber vor der Herausforderung, den Sanktionenapparat des Immaterialgüterrechts abgestuft fortzuentwickeln, um einerseits Produktpiraterie wirksam bekämpfen zu können, andererseits aber eine „over-deterrence“ zum Nachteil von Wettbewerbern und Allgemeinheit zu vermeiden. Allerdings sollte ein ideales Schutzsystem den angemessenen Ausgleich zwischen Innovationsanreiz und Wettbewerbsschutz bereits bei der Ausgestaltung und Reichweite der geistigen Eigentumsrechte gewährleisten und grundsätzlich keine Korrektur des Sachrechts durch das Sanktionenrecht, sondern eine Parallelität beider Rechtsmaterien anstreben, sofern nicht spezifisch verfahrensrechtliche Aspekte eine Einschränkung der Durchsetzung materieller Rechtspositionen gebieten. | Die Hinwendung des internationalen und europäischen Gesetzgebers zu Fragen der Durchsetzung des geistigen Eigentums erklärt sich zum einen durch ein gestiegenes Interesse an Fragen des geistigen Eigentums und eine generelle Tendenz zur Ausweitung des Immaterialgüterschutzes in den neunziger Jahren, zum anderen aber auch durch die massive Expansion der Produktpiraterie, die durch den technischen Fortschritt und die Globalisierung begünstigt wurde. So haben die Grenzbeschlagnahmen durch den deutschen Zoll im Jahr 2006 einen neuen Rekord von 9.164 Aufgriffen im Wert von EUR 1.175 Mrd. erreicht (Bundesministerium der Finanzen, Jahresbericht Gewerblicher Rechtsschutz 2006, 32 f.), und die OECD schätzt – in einer allerdings kontrovers beurteilten Studie – das Volumen allein des internationalen Handels mit körperlichen Produktnachahmungen (ohne den innerstaatlichen Handel und ohne digital vertriebene Nachahmungen) im Jahr 2007 auf bis zu USD 200 Mrd. (The Economic Impact of Counterfeiting and Piracy: Executive Summary, 15 f., <nowiki>http://www.oecd.org/dataoecd/13/12/38707619.pdf</nowiki>, zuletzt abgerufen am 15.4.2009). Angesichts dieser Zahlen stehen Gerichte und Gesetzgeber vor der Herausforderung, den Sanktionenapparat des Immaterialgüterrechts abgestuft fortzuentwickeln, um einerseits Produktpiraterie wirksam bekämpfen zu können, andererseits aber eine „over-deterrence“ zum Nachteil von Wettbewerbern und Allgemeinheit zu vermeiden. Allerdings sollte ein ideales Schutzsystem den angemessenen Ausgleich zwischen Innovationsanreiz und Wettbewerbsschutz bereits bei der Ausgestaltung und Reichweite der geistigen Eigentumsrechte gewährleisten und grundsätzlich keine Korrektur des Sachrechts durch das Sanktionenrecht, sondern eine Parallelität beider Rechtsmaterien anstreben, sofern nicht spezifisch verfahrensrechtliche Aspekte eine Einschränkung der Durchsetzung materieller Rechtspositionen gebieten. | ||
Auf rechtstechnischer Ebene führt die zuweilen pointillistische Rechtssetzung der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung zu einer zunehmenden Zersplitterung der Rechtsmaterie, die hier ebenso wie auf anderen Feldern des europäischen Sekundärrechts ein Bedürfnis nach Koordination der immaterialgüterrechtlichen Rechtsakte untereinander und im Verhältnis zu benachbarten Regeln etwa des Zivilverfahrensrechts, des Wettbewerbsrechts oder des Datenschutzrechts aufwirft. So erscheint es durchaus zweifelhaft, die Verletzungstatbestände des materiellen Markenrechts anders als die Aufgreiftatbestände der Grenzbeschlagnahmeverordnung auszulegen (EuGH Rs. C-281/06 – ''Diesel'', Slg. 2006, I-10881, Rn. 37 ff.), weil es in der Grenzbeschlagnahmeverordnung gerade um die Abwehr materiellrechtlicher Rechtsverletzungen geht. Auch erschließt sich nicht unmittelbar der Sinn einer Gesetzgebung, die einerseits (mit Recht) einen möglichst umfassenden Anwendungsbereich der allgemeinen Durchsetzungsrichtlinie anstrebt (Erwägungsgrund 13 RL 2004/48) und auch Unterlassungsanordnungen gegen Mittelspersonen in ihren Gewährleistungsgehalt einbezieht (Art. 9(1)(a), 11 S. 3 RL 2004/48), andererseits aber ausdrücklich vereinzelte Sanktionsnormen aus früheren Richtlinien „unberührt“ lässt (Erwägungsgrund 16 RL 2004/48), obwohl diese in ihrer Regelungsdichte deutlich weniger spezifisch als die RL 2004/48 sind. Anzustreben ist vielmehr eine Konsolidierung des immaterialgüterrechtlichen Sanktionenrechts in einem Rechtsakt und eine ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses zu Nachbarmaterien wie dem Datenschutz oder der Störerhaftung, um Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen und die Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger „unberührt“-Klauseln nicht allein dem [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] zu überantworten. | Auf rechtstechnischer Ebene führt die zuweilen pointillistische Rechtssetzung der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung zu einer zunehmenden Zersplitterung der Rechtsmaterie, die hier ebenso wie auf anderen Feldern des europäischen Sekundärrechts ein Bedürfnis nach Koordination der immaterialgüterrechtlichen Rechtsakte untereinander und im Verhältnis zu benachbarten Regeln etwa des Zivilverfahrensrechts, des Wettbewerbsrechts oder des Datenschutzrechts aufwirft. So erscheint es durchaus zweifelhaft, die Verletzungstatbestände des materiellen Markenrechts anders als die Aufgreiftatbestände der Grenzbeschlagnahmeverordnung auszulegen (EuGH Rs. C-281/06 – ''Diesel'', Slg. 2006, I-10881, Rn. 37 ff.), weil es in der Grenzbeschlagnahmeverordnung gerade um die Abwehr materiellrechtlicher Rechtsverletzungen geht. Auch erschließt sich nicht unmittelbar der Sinn einer Gesetzgebung, die einerseits (mit Recht) einen möglichst umfassenden Anwendungsbereich der allgemeinen Durchsetzungsrichtlinie anstrebt (Erwägungsgrund 13 RL 2004/48) und auch Unterlassungsanordnungen gegen Mittelspersonen in ihren Gewährleistungsgehalt einbezieht (Art. 9(1)(a), 11 S. 3 RL 2004/48), andererseits aber ausdrücklich vereinzelte Sanktionsnormen aus früheren Richtlinien „unberührt“ lässt (Erwägungsgrund 16 RL 2004/48), obwohl diese in ihrer Regelungsdichte deutlich weniger spezifisch als die RL 2004/48 sind. Anzustreben ist vielmehr eine Konsolidierung des immaterialgüterrechtlichen Sanktionenrechts in einem Rechtsakt und eine ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses zu Nachbarmaterien wie dem Datenschutz oder der Störerhaftung, um Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen und die Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger „unberührt“-Klauseln nicht allein dem [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] zu überantworten. |
Aktuelle Version vom 23. November 2021, 21:38 Uhr
von Christian Heinze
1. Gegenstand und Zweck
„Indeed it is a vain thing to imagine a right without a remedy“, mit diesen Worten beschreibt Chief Justice Holt (Ashby v. White (1703) 92 ER 126, 135 (KB)) die verbreitete Überzeugung, dass jedes Recht auch wirksamer Regeln zu seiner Durchsetzung bedarf. Unter solchen Regeln zur Durchsetzung speziell geistiger Eigentumsrechte sollen im Folgenden alle Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe verstanden werden, durch die eine Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums sanktioniert werden kann (vgl. Art. 2(1) RL 2004/48). Rechtssystematisch lassen sich diese Regeln in zivilrechtliche (Art. 41–50 TRIPS, RL 2004/48 zur Durchsetzung des Rechte des geistigen Eigentums), strafrechtliche (Art. 61 TRIPS, KOM(2006) 168 endg.) und zollrechtliche Maßnahmen (Art. 51–60 TRIPS, VO 1383/2003) unterteilen.
Zweck der Vorschriften zur Durchsetzung des geistigen Eigentums ist die rechtstatsächliche Bewährung der immaterialgüterrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte, damit sich die mit der Schaffung geistiger Eigentumsrechte (Geistiges Eigentum (allgemein)) erhofften Wirkungen auch tatsächlich einstellen können. Im Unterschied zu Rechten an körperlichen Gegenständen stellt die Rechtsdurchsetzung bei Rechten des geistigen Eigentums eine besondere Herausforderung dar, weil ihre Schutzgegenstände wegen ihrer fehlender Körperlichkeit potentiell ubiquitär und nicht-rivalisierend genutzt werden können und die Entdeckung und der Nachweis von Rechtsverletzungen häufiger als bei körperlichen Schutzgegenständen den Zugang zur Sphäre des Verletzers oder Dritter erfordern.
2. Tendenzen der Rechtsentwicklung
Trotz der bereits im 19. Jahrhundert einsetzenden staatsvertraglichen Bemühungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts blieben Fragen der Rechtsdurchsetzung – wohl aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem allgemeinen Zivil- und Zivilverfahrensrecht – lange Zeit weitgehend ausgespart (siehe lediglich Art. 13(3), (16) Revidierte Berner Übereinkunft, Art. 9, 10, 10ter Pariser Verbandsübereinkunft). Erst mit Inkrafttreten des TRIPS-Übereinkommens im Jahr 1995 wurden auf internationaler Ebene detailliertere Regelungen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums geschaffen (Teil III, Art. 41 ff. TRIPS, siehe auch Art. 14 WIPO-Urheberrechtsvertrag). Eine ähnliche Entwicklung nahm – zeitversetzt – das Recht der Europäischen Gemeinschaft. Auch der gemeinschaftsrechtliche acquis communautaire auf dem Gebiet des geistigen Eigentums konzentrierte sich zunächst auf das materielle Recht, während die Rechtsdurchsetzung – sieht man von der Grenzbeschlagnahme ab – weitgehend dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen blieb. Sogar Verordnungen, durch die gemeinschaftsweit einheitliche Schutzrechte wie die Gemeinschaftsmarke, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder der gemeinschaftliche Sortenschutz geschaffen wurden, verweisen für Fragen der Rechtsdurchsetzung weitgehend auf das nationale Recht (Art. 97 VO 40/94 = Art. 101 VO 207/2009 [konsolidierte Fassung]), Art. 88 VO 6/ 2002, Art. 97 VO 2100/94). Eine grundlegende Wende wurde auf europäischer Ebene mit Erlass der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48) erreicht, mit welcher der europäische Gesetzgeber nach dem Vorbild des TRIPS erstmals ein übergreifendes Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts für jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums verfolgt (Art. 2(1) RL 2004/48). Angesichts der jüngsten Verhandlungen über den Abschluss eines Anti-Counterfeiting Trade Agreements (ACTA) auf internationaler Ebene und der Bemühungen der Gemeinschaft um eine Überwindung der territorialen Zersplitterung (vgl. EuGH Rs. C-4/03 – GAT, Slg. 2006, I-6509, Rn. 25 und EuGH Rs. C-539/03 – Roche Nederland, Slg. 2006, I-6535, Rn. 33) bei der Durchsetzung registrierter Schutzrechte auf europäischer Ebene (KOM(2009) 175 endg., Frage 4; SEC(2009) 330 endg.) dürfte die Diskussion um die Rechtsdurchsetzung auch in den kommenden Jahren nicht abgeschlossen sein.
Die Hinwendung des internationalen und europäischen Gesetzgebers zu Fragen der Durchsetzung des geistigen Eigentums erklärt sich zum einen durch ein gestiegenes Interesse an Fragen des geistigen Eigentums und eine generelle Tendenz zur Ausweitung des Immaterialgüterschutzes in den neunziger Jahren, zum anderen aber auch durch die massive Expansion der Produktpiraterie, die durch den technischen Fortschritt und die Globalisierung begünstigt wurde. So haben die Grenzbeschlagnahmen durch den deutschen Zoll im Jahr 2006 einen neuen Rekord von 9.164 Aufgriffen im Wert von EUR 1.175 Mrd. erreicht (Bundesministerium der Finanzen, Jahresbericht Gewerblicher Rechtsschutz 2006, 32 f.), und die OECD schätzt – in einer allerdings kontrovers beurteilten Studie – das Volumen allein des internationalen Handels mit körperlichen Produktnachahmungen (ohne den innerstaatlichen Handel und ohne digital vertriebene Nachahmungen) im Jahr 2007 auf bis zu USD 200 Mrd. (The Economic Impact of Counterfeiting and Piracy: Executive Summary, 15 f., http://www.oecd.org/dataoecd/13/12/38707619.pdf, zuletzt abgerufen am 15.4.2009). Angesichts dieser Zahlen stehen Gerichte und Gesetzgeber vor der Herausforderung, den Sanktionenapparat des Immaterialgüterrechts abgestuft fortzuentwickeln, um einerseits Produktpiraterie wirksam bekämpfen zu können, andererseits aber eine „over-deterrence“ zum Nachteil von Wettbewerbern und Allgemeinheit zu vermeiden. Allerdings sollte ein ideales Schutzsystem den angemessenen Ausgleich zwischen Innovationsanreiz und Wettbewerbsschutz bereits bei der Ausgestaltung und Reichweite der geistigen Eigentumsrechte gewährleisten und grundsätzlich keine Korrektur des Sachrechts durch das Sanktionenrecht, sondern eine Parallelität beider Rechtsmaterien anstreben, sofern nicht spezifisch verfahrensrechtliche Aspekte eine Einschränkung der Durchsetzung materieller Rechtspositionen gebieten.
Auf rechtstechnischer Ebene führt die zuweilen pointillistische Rechtssetzung der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung zu einer zunehmenden Zersplitterung der Rechtsmaterie, die hier ebenso wie auf anderen Feldern des europäischen Sekundärrechts ein Bedürfnis nach Koordination der immaterialgüterrechtlichen Rechtsakte untereinander und im Verhältnis zu benachbarten Regeln etwa des Zivilverfahrensrechts, des Wettbewerbsrechts oder des Datenschutzrechts aufwirft. So erscheint es durchaus zweifelhaft, die Verletzungstatbestände des materiellen Markenrechts anders als die Aufgreiftatbestände der Grenzbeschlagnahmeverordnung auszulegen (EuGH Rs. C-281/06 – Diesel, Slg. 2006, I-10881, Rn. 37 ff.), weil es in der Grenzbeschlagnahmeverordnung gerade um die Abwehr materiellrechtlicher Rechtsverletzungen geht. Auch erschließt sich nicht unmittelbar der Sinn einer Gesetzgebung, die einerseits (mit Recht) einen möglichst umfassenden Anwendungsbereich der allgemeinen Durchsetzungsrichtlinie anstrebt (Erwägungsgrund 13 RL 2004/48) und auch Unterlassungsanordnungen gegen Mittelspersonen in ihren Gewährleistungsgehalt einbezieht (Art. 9(1)(a), 11 S. 3 RL 2004/48), andererseits aber ausdrücklich vereinzelte Sanktionsnormen aus früheren Richtlinien „unberührt“ lässt (Erwägungsgrund 16 RL 2004/48), obwohl diese in ihrer Regelungsdichte deutlich weniger spezifisch als die RL 2004/48 sind. Anzustreben ist vielmehr eine Konsolidierung des immaterialgüterrechtlichen Sanktionenrechts in einem Rechtsakt und eine ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses zu Nachbarmaterien wie dem Datenschutz oder der Störerhaftung, um Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen und die Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger „unberührt“-Klauseln nicht allein dem EuGH zu überantworten.
3. Regelungsstrukturen des Einheits- und Gemeinschaftsrechts
a) Allgemeines
Abgesehen von einzelnen verstreuten Vorschriften (etwa Art. 7 RL 91/250, Art. 8 RL 2001/29) finden sich die zivilrechtlichen Regeln zur Rechtsdurchsetzung auf europäischer und internationaler Ebene vor allem in der RL 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und ihrem Vorbild, den Art. 41–50 TRIPS. Sowohl der RL 2004/48 wie dem TRIPS liegt ein schutzrechtsübergreifendes (zu den erfassten Rechten Erklärung der Kommission zu Art. 2 der RL 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. 2005 L 94/37) Konzept der Mindestharmonisierung des Sanktionenrechts zugrunde, so dass mitgliedstaatliche Abweichungen zugunsten des Rechtsinhabers – in den Grenzen höherrangigen Rechts (etwa Art. 47 GRCh; Faires Verfahren) – gestattet sind (Art. 2(1), 16 RL 2004/48, Art. 1(1)2, Art. 1(2) TRIPS). An der Spitze ihres Sanktionenapparates platzieren beide Rechtsakte eine allgemeine Vorschrift (Art. 3 RL 2004/48, Art. 41(1), 2 TRIPS), welche die Mitgliedstaaten auf einerseits „wirksame“, „abschreckende“ und nicht „unnötig kompliziert(e)“, „kostspielig(e)“ oder unangemessen langwierige Rechtsbehelfe verpflichtet, andererseits ausdrücklich anordnet, dass die Maßnahmen „fair und gerecht“ und „verhältnismäßig“ sind und „so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist“. Damit expliziert bereits die Generalklausel das dem Sanktionsapparat immanente Spannungsfeld zwischen der Wirksamkeit des Rechtsschutzes für den Rechtsinhaber und der Wahrung wettbewerblicher Freiheit und rechtsstaatlicher Verteidigungsrechte (dazu auch Art. 41(3), 4, 42 TRIPS) des vermeintlichen Verletzers. Weitere allgemeine Regelungen betreffen die Urheber- oder Inhabervermutung (Art. 5 RL 2004/48) und die Antragsberechtigung (Art. 4 RL 2004/48), die – sofern es sich nicht um den Rechtsinhaber, sondern um andere Personen wie Lizenznehmer, Verwertungsgesellschaften oder Berufsorganisationen handelt – entgegen des ursprünglich weitergehenden Kommissionsvorschlags (KOM (2003) 46 endg.) von den Bestimmungen des anwendbaren Rechts abhängig ist.
Vergleicht man TRIPS und Durchsetzungsrichtlinie miteinander, so fällt zunächst das Konzept einer auf das TRIPS aufbauenden, aber darüber auch partiell hinausgehenden Mindestharmonisierung durch die Richtlinie ins Auge („TRIPS-plus“). So wurde der in Art. 47 TRIPS nur fakultativ ausgestaltete Auskunftsanspruch in Art. 8 RL 2004/48 verbindlich vorgesehen, und auch bei der Vermögensbeschlagnahme und Vermögensauskunft (Art. 6(2), 9(2) RL 2004/48) oder den Abhilfemaßnahmen (Art. 10 RL 2004/ 48) geht die Richtlinie über das TRIPS hinaus. Diese „überschießende Umsetzung“ des TRIPS erweist sich im Hinblick auf den Beitritt der Gemeinschaft zum TRIPS (Beschluss 94/800, ABl. 1994 L 336/1) und der korrespondierenden gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur TRIPS-konformen Auslegung des europäischen Rechts (vgl. Art. 2(3)(b), Erwägungsgründe 4 und 5 RL 2004/48, EuGH Rs. C-300/98 – Dior, Slg. 2000, I-11307, Rn. 47) in der Regel als unproblematisch, weil die Mitglieder der WTO in ihr nationales Recht grundsätzlich einen über das TRIPS hinausgehenden Schutz aufnehmen dürfen (Art. 1(1)2 TRIPS). Allerdings darf nach Art. 1(1)2 a.E. TRIPS der weitergehende Schutz dem Übereinkommen nicht zuwider laufen, insbesondere nicht zu mit Art. 41(1), (2) TRIPS unvereinbaren übermäßigen Handelshemmnissen oder Rechtsmissbräuchen führen. Es bietet sich an, die Ausgestaltungsschranke des Art. 1(1)2 TRIPS und die mit ihr verbundenen Garantien gegen Handelshemmnisse und Rechtsmissbrauch (Art. 41, 42, 48 TRIPS) über die Generalklausel des Art. 3 RL 2004/48 zu berücksichtigen, wenn die Richtlinie keine ausdrückliche Umsetzung der entsprechenden Vorschriften des TRIPS vorsieht.
Die einzelnen Abschnitte der Durchsetzungsrichtlinie und des TRIPS widmen sich dem Zugang zu Beweismitteln (Art. 6, 7 RL 2004/48, Art. 43, 50(1)(b) TRIPS), dem Recht auf Auskunft (Art. 8 RL 2004/48, Art. 47 TRIPS), den einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen (Art. 9 RL 2004/48, Art. 50 TRIPS, Einstweiliger Rechtsschutz) sowie den Maßnahmen aufgrund einer Sachentscheidung, zu denen Abhilfemaßnahmen (Art. 10 RL 2004/48, Art. 46 TRIPS), Unterlassungsanordnungen (Art. 11 RL 2004/48, Art. 44 TRIPS) und Regeln zu Schadensersatz und Prozesskosten (Art. 13, 14 RL 2004/48, Art. 45 TRIPS) gehören. Vor den Schlussvorschriften sieht die RL 2004/48 schließlich noch einen Anspruch auf Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen vor (Art. 15 RL 2004/48). Aufgrund der RL 2004/48 haben die Mitgliedstaaten mehr oder weniger umfangreiche Anpassungen ihres nationalen Rechts an den europäischen Mindeststandard vorgenommen, zu deren Einzelheiten an dieser Stelle nur auf die jeweiligen Umsetzungsgesetze verwiesen werden kann (Deutschland: Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums; England: The Intellectual Property (Enforcement, etc.) Regulations 2006 und Civil Procedure Rules, 41st update; Frankreich: Loi No. 2007-1544 de lutte contre la contrefaçon; Italien: Decreto legislativo 16 marzo 2006, n. 140; Österreich: 81. und 96. Bundesgesetz 2006; Spanien: Ley 19/2006).
b) Beweise
Auftakt zu den besonderen Regelungen der Richtlinie sind bemerkenswerterweise die Vorschriften zu Beweismitteln. Nach dem Vorbild von Art. 43(1) TRIPS garantiert Art. 6(1)1 RL 2004/48 die Möglichkeit einer gerichtlichen Beweismittelvorlageanordnung auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat. Der nur auf im gewerblichen Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen anwendbare Art. 6(2) RL 2004/48 erstreckt den Vorlageanspruch über Art. 43 TRIPS hinaus auf die Übermittlung von gegnerischen Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen, um die tatsächlichen Nutznießer der Rechtsverletzung ermitteln und verfolgen zu können. Offen bleibt die Sanktion bei Missachtung einer Vorlageanordnung. Aufgrund der Nichtübernahme der fakultativen poena confessi des Art. 43(2) TRIPS sprechen die besseren Gründe dafür, von einer zwangsweisen Durchsetzbarkeit der Vorlageanordnung auszugehen, damit dem Rechtsinhaber die exakte Beschreibung der Verletzungsform ermöglicht wird.
Art. 7(1)1 RL 2004/48 ergänzt die Beweisvorlageanordnung durch die Möglichkeit, rechtserhebliche Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung bereits vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durch schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen (etwa die ausführliche Beschreibung oder die Beschlagnahme von Mustern, Art. 7(1)2 RL 2004/48) zu sichern, wenn der Antragsteller alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung seiner Ansprüche vorgelegt hat. Vorbild für diese Regelung war neben Art. 50(1)(b) TRIPS die französische saisie-contrefaçon und die englische Anton Piller (search) order. Die Beweissicherung kann in dringenden Fällen (drohende irreparable Schäden, Beweismittelvernichtung) auch ohne vorherige Anhörung der Gegenseite angeordnet werden (Art. 7(1)3 RL 2004/48). Die Qualifikation der Beweissicherung als einstweilige Maßnahme steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Auslegung des Begriffs der einstweiligen Maßnahme in Art. 31 EuGVO (Einstweiliger Rechtsschutz). Auch wirft die offene Formulierung des Art. 7 (abgesehen von zahlreichen Auslegungsproblemen) die Frage auf, ob die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Beweissicherungsmaßnahmen durch Art. 7 tatsächlich zu Gunsten des Rechtsinhabers abschließend harmonisiert wurden und ob nicht zumindest in gewissem Umfang im Hinblick auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen den Mitgliedstaaten ein Ausgestaltungsspielraum verbleibt.
c) Auskunft
In Anschluss an die Beweisregeln widmet sich die Richtlinie dem Recht auf Auskunft. Art. 8(1) RL 2004/48 eröffnet ein Recht auf Auskunft gegen den Rechtsverletzer und jede andere Person (Drittauskunft), die rechtsverletzende Ware in gewerblichem Ausmaß in Besitz hatte (Art. 8 (1)(a)), rechtsverletzende Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß in Anspruch nahm (Art. 8 (1)(b)), für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte (Art. 8(1)(c)) oder nach den Angaben einer in Art. 8(1)(a)-(c) genannten Person an der Herstellung oder am Vertrieb rechtsverletzender Waren oder Dienstleistungen beteiligt war. Die Auskunftserteilung soll „im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers“ hin angeordnet werden können, wobei die Bedeutung der „Zusammenhangsklausel“ vor allem bei Auskunftsansprüchen gegen Nichtverletzer offen ist. Unklar ist auch das Verhältnis des Auskunftsanspruchs zu dem gemäß Art. 2(3)(a), 8(3)(e) RL 2004/48 unberührten Datenschutzrecht. Der mit dieser Frage unlängst befasste Gerichtshof spielte den Ball zurück zu den nationalen Gesetzgebern, indem er einerseits entschied, dass die europäischen Datenschutzrichtlinien nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ausschließen, eine Pflicht zur Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen, andererseits die europäischen Regeln zur Rechtsdurchsetzung die Mitgliedstaaten auch nicht verpflichten, eine solche Pflicht zu schaffen. Die Mitgliedstaaten seien jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung der Durchsetzungsregeln auf eine Auslegung zu stützen, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem grundrechtlichen Schutz geistigen Eigentums (Art. 17(2) GRCh), dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 GRCh) sowie dem Schutz personenbezogener Daten und des Privatlebens (Art. 7, 8 GRCh) wahrt (EuGH Rs. C-275/06 – Promusicae, Slg. 2008, I-271, Rn. 53 f., 58 f., 68).
d) Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen
Abgesehen von den bereits durch Art. 7 RL 2004/48 geregelten Beweissicherungsmaßnahmen garantiert die RL 2004/48 drei weitere Formen von Eilrechtsschutz, nämlich die einstweilige Unterlassungsanordnung, die einstweilige Beschlagnahme rechtsverletzender Ware sowie – nach dem Vorbild der englischen Mareva oder freezing injunction – die vorsorgliche Vermögensbeschlagnahme zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen (Art. 9(1)(a), (b), (2) RL 2004/48, weniger spezifisch Art. 50(1)(a) TRIPS). Voraussetzung für den Erlass einstweiliger Maßnahmen ist nach Art. 9(3) RL 2004/48 der Nachweis von Rechtsinhaberschaft und Rechtsverletzung. Zur Abgrenzung zu den in Art. 10 und 11 separat geregelten Hauptsacheanordnungen und zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit (Art. 3 (2) RL 2004/48) dürfte es trotz der Mindestharmonisierung zugunsten des Rechtsinhabers gestattet sein, auch die in Art. 9 nicht ausdrücklich genannte Dringlichkeit als weitere Voraussetzung zum Erlass einstweiliger Maßnahmen zu verlangen.
e) Abhilfemaßnahmen und Unterlassungsanordnungen
Bei den Maßnahmen aufgrund einer Sachentscheidung schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten zunächst die Möglichkeit einer (gegebenenfalls zwangsgeldbewehrten) gerichtlichen Unterlassungsanordnung vor (Art. 11 RL 2004/48). Ferner sieht Art. 10 RL 2004/48 als besondere Formen des Beseitigungsanspruchs unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und der Rechte Dritter (Art. 10(3) RL 2004/48) den Rückruf rechtsverletzender Ware, das endgültige Entfernen solcher Ware aus den Vertriebswegen sowie die Vernichtung vor (Art. 10(1)(a)-(c) RL 2004/48). Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht (etwa der Supreme Court in eBay v. MercExchange 547 U.S. 388 [2006]) geht das europäische Recht damit im Grundsatz von einem Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung aus und gestattet Ersatzmaßnahmen nur in Fällen, in denen der Verletzer weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat, ihm aus der Anordnung von Unterlassung oder Beseitigung ein unverhältnismäßig großer Schaden entstünde und die Zahlung einer Abfindung als angemessene Entschädigung erscheint (Art. 12 RL 2004/ 48, siehe auch EuGH Rs. C-316/05 – Nokia, Slg. 2006, I-12083, Rn. 53).
f) Schadensersatz und Prozesskosten
Art. 13(1) RL 2004/48 schließlich garantiert einen Anspruch des Rechtsinhabers auf Schadensersatz zum Ausgleich des durch die Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens, wenn der Rechtsverletzer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm. Bei der Höhe des Schadensersatzes können die Gerichte entweder alle in Frage kommenden Aspekte wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen einschließlich der Gewinneinbußen und der immateriellen Schäden für die geschädigte Partei sowie der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers berücksichtigen (Art. 13(1)(a) RL 2004/48) oder stattdessen einen Pauschalbetrag festsetzen, der mindestens einer hypothetischen Lizenzgebühr entspricht (Art. 13(1)(b) RL 2004/48). Für den Fall einer schuldlosen Verletzungshandlung können die Mitgliedstaaten nach Art. 13(2) RL 2004/48 auch die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung eines in der Höhe im Voraus festgesetzten Schadensersatzes anordnen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich damit gegen einen verbindlichen Mindestschaden beispielsweise in Höhe der doppelten Lizenzgebühr entschieden, die noch der Kommissionsvorschlag vorsah, im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Nähe zum Strafschadensersatz aber auf Widerstand stieß. Art. 14 RL 2004/48 sieht für die Prozesskosten und sonstigen Kosten im Rahmen der Zumutbarkeit und Billigkeit eine Erstattung durch die Gegenseite vor.
Literatur
Thomas Dreier, Kompensation und Prävention: Rechtsfolgen unerlaubter Handlung im Bürgerlichen, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2002; Daniel Gervais, The TRIPS Agreement: Drafting History and Analysis, 2. Aufl. 2003; Axel Metzger, Wolfgang Wurmnest, Auf dem Weg zu einem Europäischen Sanktionenrecht des geistigen Eigentums?, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2003, 922 ff.; Arne Ibbeken, Das TRIPs-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004; Jean-Christophe Galloux, La directive no. 2004-48 du 29 avril 2004 relative au respect des droits de propriété intellectuelle, Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique 2004, 698 ff.; Roland Knaak, Die EG-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und ihr Umsetzungsbedarf im deutschen Recht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil 2004, 745 ff.; UNCTAD-ICTS, Ressource Book on TRIPS and Development, 2005; Sascha Vander, Teil III: Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, Art. 41–61. in: Jan Busche/Peter-Tobias Stoll, TRIPS: Internationales und europäisches Recht des geistigen Eigentums, 2007, 595 ff.; Dennis Amschewitz, Die Durchsetzungsrichtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Recht, 2008; Thomas Jaeger, Reto M. Hilty, Volker Kitz (Hg.), Geistiges Eigentum: Herausforderung Durchsetzung, 2008; Christian Heinze, Die Durchsetzung geistigen Eigentums in Europa, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 17 (2009) 282 ff.