Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft: Unterschied zwischen den Versionen

Aus HWB-EuP 2009
K (1 Version importiert)
Zeile 86: Zeile 86:


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:EU_Consumer_Credit_Law]]

Version vom 29. September 2021, 12:26 Uhr

von Norbert Reich/Peter Rott

1. Die „alte Richtlinie“ 87/102 mit Änderungen

Bereits das erste verbraucherpolitische Programm der Europäischen Kommission von 1975 sah eine Gemeinschaftsrichtlinie über den Verbraucherkredit vor. Ein erster Vorschlag der Kommission aus dem Jahre 1979 (ABl. 1979 C 80/4) stieß auf erheblichen Widerstand. Am 22.12.1986 wurde ein geänderter Vorschlag von 1984 (KOM(1984) 342 endg.) nach kontroversen Beratungen im Ministerrat in wesentlich abgeschwächter Form als RL 87/102 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit angenommen.

Wie alle Verbraucherrechtsrichtlinien verfolgte auch die alte Verbraucherkredit-RL (RL 87/102) ein doppeltes Ziel: Herstellung eines Gemeinsamen Marktes oder später europäischen Binnenmarkts für Verbraucherkredite einerseits, andererseits Schutz des Verbrauchers als Kreditnehmer vor Informationsdefiziten auf dem intransparenten Kreditmarkt und vor (einigen) nachteiligen Kreditbedingungen. Die Schutzregeln selbst waren jedoch eher punktuell und unsystematisch eingefügt und durch die Beratungen im Ministerrat noch weitergehend abgeschwächt worden. Soziale Aspekte des Konsumentenkredits, wie sie insb. in dem Problemkomplex der Verbraucherverschuldung, aber auch des sog. Wucherzinses auftreten, wurden von der Richtlinie nicht tangiert. Wegen des später kritisierten Mindestharmonisierungsprinzips war es den Mitgliedstaaten umgekehrt nicht verwehrt, weitergehende Schutzvorschriften in sachlicher und persönlicher Hinsicht zu Gunsten von Kreditnehmern zu erlassen, was sie weitgehend getan haben.

Das rechtspolitisch und ‑dogmatisch wichtigste Ergebnis der Richtlinie ist der insgesamt gelungene Versuch, eine einheitliche Regelung für alle Formen des Verbraucherkredits zu finden und nicht mehr wie früher nach bestimmten Kreditformen zu unterscheiden (Abzahlungs-, Raten-, Wechsel-, Kartenkredit usw.) (Verbraucherkredit (Regelungsgrundsätze)). Allerdings schließt dies Besonderheiten nicht aus, etwa im Bereich des vom Anwendungsbereich ausgenommenen Grundpfandkredits und bei kombinierten Kredit- und Zahlungsformen, insb. bei der Kreditkarte. Wichtig war auch die zwingende Einführung der Schriftform in Art. 4, um den Verbraucher vor übereilten Abschlüssen zu schützen und ihm eine sichere Grundlage für erforderliche Informationen zu geben (Informationspflichten (Verbrauchervertrag)).

Die Änderungs-RL 90/88 und durch die RL 98/7 verfolgten den Zweck, eine einheitliche Methode für die Berechnung des effektiven Jahreszinses (Zins- und Zinseszins) und der darin eingehenden Faktoren für die gesamte Gemeinschaft vorzusehen.

Der EuGH war nur selten mit Auslegungsfragen der Richtlinie befasst. Die wichtigsten Entscheidungen betrafen die Geltung und Wirkung des Einwendungsdurchgriffs nach Art. 11 (2) (EuGH Rs. C-192/94 − El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH Rs. C-492/05 − Rampion/ Frafinance, Slg. 2007, I-8017; EuGH Rs. C-509/07 – Scarpelli, EuZW 2009, 372) und die (Nicht‑) Anwendung der Richtlinie auf Bürgschaftserklärungen (EuGH Rs. C-208/98 – Berliner Kindl Brauerei, Slg. 2000, I-1741). Im Heininger-Verfahren stellte der EuGH die kumulative Anwendbarkeit von Haustürwiderrufs-RL (RL 85/577) und Verbraucherkredit-RL auf an der „Haustür“ abgeschlossene Immobiliarkredite fest (EuGH Rs. C-481/99, Slg. 2001, I-9945).

Die Kommission legte dem Rat am 11.5.1995 einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vor (KOM(1995) 117 endg.). Dieser legte eine durch das Prinzip der Mindestharmonisierung ermöglichte erhebliche Rechtszersplitterung offen. Ein Binnenmarkt für Verbraucherkredite hatte sich kaum entwickelt.

2. Charakter und Anwendungs­bereich der RL 2008/48

Die Diagnosen der Rechtszersplitterung und der weiterhin existierenden nationalen Verbraucherkreditmärkte führten zu einer Neuausrichtung der Politik im Bereich des Verbraucherkreditrechts. Nach zähen, mit einem Kommissionsvorschlag von 2002 (KOM(2002) 443 endg.) eingeleiteten Verhandlungen wurde am 23.4.2008 die neue Verbraucherkredit-RL (RL 2008/48) verabschiedet. Die RL 87/102 wurde aufgehoben. Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten ist der 12.5.2010. Die Kommission zielte auf die Vollharmonisierung des Verbraucherkreditrechts ab, stieß aber allenthalben auf Widerstand. Das Ergebnis war eine Verschlankung des Regelungsprogramms und die sog. „targeted harmonisation“: Nach Art. 22(1) ist die Richtlinie insoweit sowohl nach unten als auch nach oben abschließend, wie sie harmonisierte Vorschriften enthält. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der nicht geregelten Bereiche, behalten die Mitgliedstaaten die Regelungskompetenz. Kompromisse zwischen den Institutionen der EG und zwischen EG und Mitgliedstaaten drücken sich in zahlreichen Optionen aus, deren Ausübung der Kommission gemeldet werden muss.

Besondere Relevanz kommt damit dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu. Persönlich anwendbar ist sie auf Verträge zwischen Verbrauchern und Kreditgebern. Die Mitgliedstaaten können (mangels entgegenstehender Regelung) die Regelungen auf Existenzgründer oder Kleinunternehmen erstrecken. Art. 22(1) i.V.m. Erwägungsgrund 10 sind hier insoweit eindeutig, als sie auf „harmonisierte Vorschriften“ verweisen, die die Richtlinie für Nicht-Verbraucher i.S.d. Art. 2(a) gerade nicht vorhält.

Der sachliche Anwendungsbereich ist in Art. 2 geregelt; er gilt für „Kreditverträge“ i.S.v. Art. 3(c) von EUR 200,- bis 75.000,-. Abs. 2 enthält die Totalausnahmen, etwa Hypothekarkredite oder Kredite zum Erwerb oder zur Beibehaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder Gebäude, nicht aber solche zur Renovierung oder Verbesserung eines Gebäudes. Für nicht erfasste Kreditverträge gilt keine Vollharmonisierung (Erwägungsgrund 10) so dass die Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich ausdehnen können. Partielle Ausnahmen gelten nach Abs. 3 und 4 für Überziehungsmöglichkeiten und Überschreitungen. In Abs. 5 und 6 sind den Mitgliedstaaten weitere Ausnahmemöglichkeiten gewährt.

3. Das „Informationsparadigma“ der Richtlinie

Die RL 2008/48 setzt wie das neuere Verbraucherrecht der Gemeinschaft auf den „informierten, mündigen“ Verbraucher und regelt deshalb eingehend Werbung und vorvertragliche Information und Beratung (Informationspflichten (Verbrauchervertrag)). Dem dienen die als Anhang II beigefügten „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“, die für konkrete Werbung mit Zahlen sowie für die vorvertragliche Information maßgebend sind (Art. 4(1) und 5(1)). Zentraler Parameter ist der „effektive Jahreszins“, der in Art. 19 definiert und im Anhang I mit einer Reihe von Rechenbeispielen illustriert wird. Umstritten waren insb. die Kosten für eine (etwaige Restschuld‑)Versicherung; (nur) soweit diese Voraussetzung für die Kreditgewährung ist, ist hierüber zu informieren (Art. 4(3) und 5(1)(k)). Verzugszinsen und Verzugskosten sowie ein Warnhinweis über die Folgen ausbleibender Zahlungen sind ebenfalls anzugeben, allerdings nicht Informationen über die Voraussetzungen des Verzugs und die Folgen für den Gesamtkredit als solchen. Art. 5(6) enthält eine zusätzliche Erläuterungspflicht von Kreditgeber und „gegebenenfalls Kreditvermittlern“ im Hinblick auf die Kreditbedürfnisse und Möglichkeiten des Verbrauchers. Dies kann auf eine konkrete Beratungspflicht hinauslaufen, die im Einzelnen von den Mitgliedstaaten zu definieren und deren Verletzung i.S.v. Art. 23 zu sanktionieren ist.

Der im ersten Entwurf vorgesehene Grundsatz der „verantwortlichen Kreditvergabe“ ist in Art. 8 als „Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers“ entschärft worden. In Ergänzung hierzu haben die Mitgliedstaaten bei „grenzüberschreitenden Krediten“ Zugang zu Datenbanken ohne Diskriminierung zu gewähren. Verstöße gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung sind nach Art. 23 zu sanktionieren.

4. Vertragsinhalt und ‑form

a) Vertragsinhalt

Den Vertragsinhalt legt Art. 10(2) fest. Auch hier sind die Anforderungen im Vergleich zur RL 87/102 erheblich gestiegen. Die zu erteilenden Informationen decken sich teilweise mit den vorvertraglichen Informationen. Diejenigen Informationen, die im Vorfeld des Vertragsschlusses oder beim Vertragsschluss selbst relevant werden, entfallen. Andere Informationen müssen präzisiert werden. So verlangt Art. 10(2)(i) auf Antrag des Verbrauchers die Aufstellung eines Tilgungsplans, den Verbraucherverbände lange gefordert hatten. Nach Art. 10(2)(p) müssen die Informationen über das Widerrufsrecht konkretisiert werden, desgleichen nach lit. r und s die Informationen über das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung und über das Recht zur Kündigung des Kreditvertrags. Die Belehrung muss auch die Regeln über verbundene Kreditverträge nach Art. 15 umfassen. Ein weiterer Punkt ist der Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, dessen Einrichtung die Richtlinie nach Art. 24(1) ausdrücklich verlangt.

b) Form

Da die Richtlinie den grenzüberschreitenden Verbraucherkredit befördern soll und die Kommission hierzu das Internet als das maßgebliche Medium identifiziert hat, lag es nahe, die zwingende Schriftform der RL 87/102 abzuschaffen. Art. 10(1)1 erlaubt nun die Erstellung von Kreditverträgen auf Papier „oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger“, wozu nach Art. 3(m) – wie auch sonst im EG-Verbraucherrecht – auch e-mails zählen.

Unklar bleibt Art. 10(1)3, wonach einzelstaatliche Vorschriften über die Gültigkeit des Abschlusses von Kreditverträgen, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen, unberührt bleiben. Erwägungsgrund 30 ergänzt, dass die Richtlinie nicht Aspekte des Vertragsrechts regelt, die die Wirksamkeit von Kreditverträgen betreffen. Dem Kontext ist zu entnehmen, dass Art. 10(1)3 den Vorgang des Vertragsschlusses nicht berührt, aber auch nicht meint, dass die Mitgliedstaaten strengere Formvorschriften vorsehen können. Insofern entfaltet die Richtlinie Sperrwirkung.

5. Kündigungsrecht bei unbefristeten Kreditverträgen – Vorrang Vereinbarung (AGB)

Art. 13 (1) gestattet dem Verbraucher, einen unbefristeten Kreditvertrag jederzeit kostenfrei ordentlich zu kündigen. Eine Kündigungsfrist gilt nur bei einer entsprechenden Parteivereinbarung. Sie darf einen Monat nicht überschreiten. Umgekehrt darf der Kreditgeber nur dann ordentlich kündigen, wenn der Kreditvertrag eine entsprechende Vereinbarung enthält. Die Kündigungsfrist darf in diesem Fall zwei Monate nicht unterschreiten. Auch der Entzug des Rechts, noch nicht in Anspruch genommene Kreditbeträge in Anspruch zu nehmen, ist dem Kreditgeber nur möglich, wenn der Vertrag eine entsprechende Vereinbarung enthält. Zudem bedarf es „sachlich gerechtfertigter Gründe“ für die Kündigung, über die der Kreditgeber den Verbraucher zu informieren hat. Offensichtlicher Fall ist der unerwartete Vermögensverfall des Verbrauchers. Erwägungsgrund 33 erwähnt auch den Verdacht auf eine nicht zulässige oder missbräuchliche Verwendung des Kredits. Unberührt bleiben die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen. Ebenfalls nicht betroffen ist das Anfechtungsrecht wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung.

6. Widerrufsrecht

Mit Art. 14 wird das Widerrufsrecht eingeführt, das viele Mitgliedstaaten schon lange kennen. Inhaltlich ist es weitgehend mit dem der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL (RL 2002/65) identisch. Dies ist insb. deshalb sinnvoll, weil die Richtlinie den Vertragsschluss im Wege des Fernabsatzes erleichtern soll. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Kalendertage, maßgeblich für die Fristwahrung ist die Absendung der Widerrufserklärung. Die Frist beginnt frühestens an dem Tag zu laufen, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen nach Art. 10 erhält.

Im Bereich der Rechtsfolgen des Widerrufs legt Art. 14(3) fest, dass der Verbraucher nach erfolgtem Widerruf die Zinsen zu entrichten hat, die ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens, die binnen 30 Tagen zu erfolgen hat, aufgelaufen sind, und dass sich deren Höhe nach der vertraglichen Vereinbarung richtet. Ausnahmsweise muss der Verbraucher dem Kreditgeber im Falle des Widerrufs Entschädigung für nicht rückzahlbare Gebühren leisten, die der Kreditgeber gegebenenfalls an Behörden entrichtet hat und von diesen nicht zurückerhält. Auch an Nebenleistungen Dritter, die aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Kreditgeber erbracht werden, insb. Restschuldversicherungen, ist der Verbraucher nach Art. 14(4) nicht mehr gebunden, wenn er sein Widerrufsrecht ausübt.

Das Widerrufsrecht des Art. 14 genießt in seinem Anwendungsbereich Vorrang gegenüber den Widerrufsrechten der Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL und der Haustürgeschäfte-RL.

7. Vorzeitige Rückzahlung

Ein weiterer strittiger Punkt betraf das Recht des Verbrauchers zur vorzeitigen Rückzahlung des Kredits, genauer: die Regelung der damit verbundenen Vorfälligkeitsentschädigung, die der Kreditgeber dafür verlangen kann, dass er nicht die erwarteten Zinsen für die Restlaufzeit erhält. Die politische Einigung kam nur dadurch zustande, dass den Mitgliedstaaten letztlich ein gewisser Spielraum eingeräumt wurde. Art. 16(2) bis (4) regelt die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Dabei soll verhindert werden, dass der Kreditgeber eine pauschalierte Entschädigung verlangen kann, obwohl ihm gar kein Schaden entsteht, weil er die vorzeitig zurückgezahlte Summe zu einem höheren Zinssatz wieder ausreichen kann. In Art. 16(2) werden Obergrenzen festgelegt, die von der Restlaufzeit des Kredits abhängen.

8. Verbundenes Geschäft

Das verbundene Geschäft war in der RL 87/102 zwar angesprochen, aber für den Verbraucher nur mit geringem Nutzen verbunden. Problemkreise waren insb. die sehr enge Definition des verbundenen Geschäfts, die Subsidiarität der Haftung des Kreditgebers gegenüber der des Vertragspartners des verbundenen Vertrags und die Rechte des Verbrauchers. Erst das kürzlich ergangene Urteil in der Rechtssache Scarpelli (EuGH Rs. C-509/07, EuZW 2009, 372) hat das Ausschließlichkeitserfordernis des Art. 11(2) mit unklarer Begründung beseitigt.

Die RL 2008/48 sieht in Art. 3(n) eine neue Definition des verbundenen Geschäfts vor, die deutlich mehr Fälle erfasst als die Kriterien des alten Art. 11(2) und die derjenigen des § 358 Abs. 3 BGB nahe kommt. Die Mitgliedstaaten können nach Erwägungsgrund 10 noch weitergehen und etwa auch Kreditverträge erfassen, die nicht ausschließlich, sondern nur teilweise der Finanzierung eines anderen Vertrags dienen.

Art. 15 behandelt zwei Regelungsbereiche: die Wirkung eines Widerrufs des verbundenen Vertrags auf den Kreditvertrag und – wie bisher Art. 11 (2) der RL 87/102 – die Möglichkeit des Verbrauchers, Rechte aus dem verbundenen Vertrag gegen den Kreditgeber geltend zu machen.

Widerruft der Verbraucher einen verbundenen Vertrag aufgrund eines Widerrufsrechts, das ihm das Gemeinschaftsrecht gibt, so führt dies nach Art. 15(1) dazu, dass der Verbraucher auch an einen damit verbundenen Kreditvertrag nicht mehr gebunden ist. Für nationale Widerrufsrechte, die nicht auf einer Vorschrift des EG-Verbraucherrechts beruhen, verbleibt es bei der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten. Auch die Folgen, die der Widerruf des Kreditvertrags auf den verbundenen Vertrag hat, sind nicht geregelt und verbleiben in der Kompetenz der Mitgliedstaaten (Erwägungsgrund 36).

Art. 15(2) gibt dem Verbraucher Rechte gegen den Kreditgeber, wenn er seine Rechte „gegen den Lieferer geltend gemacht hat, diese aber nicht durchsetzen konnte“. Die Konkretisierung dessen, was der Verbraucher tun muss, fällt nach Erwägungsgrund 38 den Mitgliedstaaten zu. Ebenfalls weiterhin nicht konkretisiert sind die Rechte, die dem Verbraucher in diesem Fall zustehen. Art. 15(3) erlaubt den Mitgliedstaaten ausdrücklich, das englische System der gesamtschuldnerischen Haftung von Lieferer und Kreditgeber beizubehalten oder einzuführen, aber Art. 15(2)2 gestattet auch Zwischenformen, etwa den Einwendungsdurchgriff nach § 359 BGB und den im deutschen Recht nicht anerkannten Rückforderungsdurchgriff.

9. Überziehungsmöglichkeit und Überschreitung

Für Überziehungsmöglichkeiten gilt Art. 5 über die vorvertragliche Information und Beratung des Verbrauchers nicht. An seine Stelle tritt Art. 6 mit einem reduzierten Informationsprogramm. An die Stelle der Informationen über die regelmäßige Rückzahlung des Kredits etc. treten Informationen über die Bedingungen und Verfahren zur Beendigung des Kreditvertrags, gegebenenfalls der Hinweis, dass der Verbraucher jederzeit zur Rückzahlung aufgefordert werden kann, und der Verzugszinssatz. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 6(2) vorsehen, dass der effektive Jahreszins nicht angegeben werden muss.

Da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine präzisen Angaben über die Verpflichtungen des Verbrauchers möglich sind, muss dieser nach Art. 12(1) regelmäßig per Kontoauszug auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger informiert werden. Vor überraschenden Zinserhöhungen schützt Art. 12(2), wonach Änderungen erst nach entsprechender Unterrichtung wirksam werden. Anderes gilt nur bei einer Koppelung des Sollzinssatzes an einen öffentlich zugänglichen Referenzzinssatz.

Wird dem Verbraucher in einem Vertrag über die Eröffnung eines laufenden Kontos die Überschreitung gestattet, so verlangt Art. 18(1), dass der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt über die anwendbaren Zinsen und Gebühren informiert wird. Diese Informationen müssen dem Verbraucher regelmäßig vorgelegt werden. Bei einer erheblichen Überschreitung für die Dauer von mehr als einem Monat treten nach Art. 18(2) weitere Informationspflichten in Kraft. Diese betreffen das Vorliegen einer Überschreitung, den entsprechenden Betrag, den Sollzinssatz und etwaige Vertragsstrafen, Gebühren oder Verzugszinsen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zinsen für Überschreitungen i.d.R. weit höher sind als bei jedem Kreditvertrag, so dass der Verbraucher bei mehr als einer kurzfristigen Überschreitung einen „ordnungsgemäßen“ Kreditvertrag abschließen könnte. Nationale Regelungen, die den Kreditgeber in einem solchen Fall sogar verpflichten, ein anderes Kreditprodukt anzubieten, bleiben nach Art. 18(3) zulässig.

10. Kreditvermittler

Eine Reihe von Pflichten des Kreditgebers trifft auch den Kreditvermittler. Das gilt für die Vorschriften über die Kreditwerbung, für die vorvertraglichen Informationen und die Beratung nach Art. 5(6), nicht aber für die Kreditwürdigkeitsprüfung. Ausgenommen sind nach Art. 7 Lieferer von Waren oder Erbringer von Dienstleistungen, die nur in untergeordneter Funktion als Kreditvermittler beteiligt sind, also Händler, die dem Verbraucher lediglich Formulare eines Kredit-gebers überreichen. In diesen Fällen verbleibt die Informations- und Beratungspflicht beim Kreditgeber allein.

Kreditvermittler haben aber auch eigene besondere Pflichten gegenüber dem Verbraucher. Nach Art. 21(a) muss ein Kreditvermittler in der Werbung und in den für den Verbraucher bestimmten Unterlagen auf den Umfang seiner Befugnisse hinweisen und Abhängigkeiten von einem oder mehreren Kreditgebern offenlegen. Der eigene Vergütungsanspruch des Kreditvermittlers gegen den Verbraucher setzt nach Art. 21(b) voraus, dass der Betrag der Vergütung auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger vereinbart ist. Das zunächst vorgesehene Verbot der Doppelvergütung und die Erfolgsbezogenheit der Vergütung wurden vom Europäischen Parlament abgelehnt. Die Regelungen sind aber nach Erwägungsgrund 17 nicht abschließend.

11. Rechtsschutz

Die neue RL 2008/48 erhöht das Verbraucherschutzniveau gegenüber der alten RL 87/102 erheblich. Die Vorschriften sind nach Art. 22(2) bis (4) grundsätzlich zwingend und können nicht durch „besondere Gestaltung der Verträge“ umgangen werden; gleichzeitig sind die Regelungen auch international zwingend. Wo nationale Spielräume verbleiben, gilt die Günstigkeitsregel des neuen Art. 6 der Rom I-VO (VO 593/2008), insb. bei Wuchertatbeständen.

Art. 23 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bei Verstößen gegen zwingende Vorschriften der Richtlinie bzw. des innerstaatlichen Umsetzungsrechts „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ vorzusehen. Ein Verbandsklagerecht von Verbraucherorganisationen (Verbandsklage) ist – anders als bei parallelen Verbraucherschutzrichtlinien – nicht vorgesehen, kann aber von den Mitgliedstaaten als Sanktion eingeführt werden.

Selbst gegenüber nationalen Rechtsordnungen wie der deutschen, die längst ein weit höheres Schutzniveau als das von der RL 87/102 verlangte aufwiesen, bringt die RL 2008/48 Verbesserungen des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz). Dies betrifft insb. den vorvertraglichen Bereich, in dem einerseits die Transparenz der Kreditbedingungen und damit deren Vergleichbarkeit erhöht werden, andererseits aber auch in gewissem Maße Schutz vor Fehlentscheidungen und vor Überschuldung geboten werden soll. Allerdings fällt das traditionelle Schutzinstrument der Schriftform dem Wunsch nach einem grenzüberschreitenden Verbraucherkreditmarkt zum Opfer. Ob dies durch die gesteigerten Informationspflichten und das Widerrufsrecht kompensiert wird, bleibt abzuwarten. Bislang spielt das Widerrufsrecht – bei ordnungsgemäßer Belehrung – in der Praxis keine große Rolle.

12. Verhältnis zum nationalen Recht

Viele Elemente der nationalen Rechtsordnungen bleiben trotz des Vollharmonisierungskonzepts der Richtlinie erhalten. Dies gilt in Deutschland insb. für den überschießenden persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts (Verbraucherkredit (Regelungsgrundsätze)), aber auch für die Regelung der verbundenen Verträge, die unter § 138 Abs. 1 BGB entwickelte Rechtsprechung zu Wucherkrediten und die Schutzvorschriften der §§ 497 und 498 BGB. Auch spezielle prozessuale Regelungen wie die Unzulässigkeit des Mahnverfahrens bei Ansprüchen aus Verbraucherdarlehensverträgen mit auffällig hohem effektiven Jahreszins nach § 688 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind von der Richtlinie nicht betroffen. Gerade der Bereich der in die Krise geratenen Kreditverträge und deren gerichtlicher und außergerichtlicher Eintreibung ist allerdings für die Bankenpraxis von enormer Bedeutung.

Die fortdauernde Rechtszersplitterung auf diesem Gebiet dürfte sich – neben den ebenfalls unveränderten Sprachbarrieren – auch weiterhin als erhebliches Hindernis beim Zusammenwachsen der Verbraucherkreditmärkte erweisen.

Literatur

Civic Consulting, Broad Economic Analysis of the Impact of the Proposed Directive on Consumer Credit, Study for the European Parliament: PE 385.637, 2006; Beate Gsell, Hans Martin Schellhase, Vollharmonisiertes Verbraucherkreditrecht: Ein Vorbild für die weitere europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts?, Juristenzeitung 2009, 20 ff.; Hans-W. Micklitz, Norbert Reich, Europäisches Verbraucherrecht: Quo vadis? Überlegungen zum Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz vom 8.2.2007, Verbraucher und Recht 2007, 121 ff.; Hans-W. Micklitz, Norbert Reich, Peter Rott, Understanding European Consumer Law, 2008; Oxera (Oxford Economic Research Association), Assessment of the Economic Impact of the Proposed EC Consumer Credit Directive, 2003; http://www.oxera.com; Norbert Reich, Heininger und das europäische Privatrecht, in: Festschrift für Peter Derleder, 2005, 127 ff.; Norbert Reich, Hans-W. Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. 2003; Udo Reifner, Verantwortung bei der Kreditvergabe oder im Kredit? Zum Konzept des Entwurfs der Konsumentenkreditrichtlinie, Verbraucher und Recht 2006, 121 ff.; Peter Rott, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2008, 1104 ff.; idem, Kreditvermittlung nach der Reform des Verbraucherkreditrechts, Verbraucher und Recht 2008, 286 ff.; Mathias M. Siems, Die neue Verbraucherkreditrichtlinie und ihre Folgen, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2008, 454 ff.

Abgerufen von Verbraucherkreditrecht der Gemeinschaft – HWB-EuP 2009 am 21. Dezember 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).